Title: Moisasurs Zauberfluch
Author: Ferdinand Raimund
Release date: April 1, 2005 [eBook #7861]
Most recently updated: September 20, 2012
Language: German
Credits: Produced by Delphine Lettau and Mike Pullen
Produced by Delphine Lettau and Mike Pullen
This book content was graciously contributed by the Gutenberg
Projekt-DE.
That project is reachable at the web site http://gutenberg.spiegel. de/.
Dieses Buch wurde uns freundlicherweise vom "Gutenberg Projekt-DE" zur Verfügung gestellt. Das Projekt ist unter der Internet-Adresse http://gutenberg.spiegel.de/ erreichbar.
Moisasurs Zauberfluch
Ferdinand Raimund
Zauberspiel in zwei Aufzügen
Personnen
Der Genius der Tugend.
Ariel, ein Tugendgeist.
Moisasur, Dämon des Übels.
Der Genius der Vergänglichkeit.
Hoanghu, Beherrscher des Diamantenreiches.
Alzinde, seine Gemahlin.
Mansor.
Omar, ein Bote von Hoanghus Heer.
Hassan, ein Mohr.
Karambuco, ein Krieger.
Ossa, sein Weib.
Ein Häuptling von Hoanghus Heer.
Gluthahn, ein wohlhabender Bauer.
Trautel, sein Weib.
Der Amtmann von Alpenmarkt.
Der Aktuar.
Philipp, Diener des Amtmanns.
Rossi, Juwelenhändler, Besitzer
eines Landhauses bei Alpenmarkt.
Hänfling, sein Aufseher im Landhause.
Ein Schatten im Reiche der Vergänglichkeit.
Dorkalio, ein Schatten Moisasurs.
Hans, ein Steinbrecher.
Mirzel, sein Weib.
Der Traumgott.
Ein Kohlenbauer.
Ein Kerkermeister.
Vier Gerichtsdiener.
Vier Schatten Moisasurs.
Indisches Volk. Alzindens Hofstaat. Hoanghus Krieger.
Schatten im Reiche der Vergänglichkeit. Traumgestalten.
Rossis Dienerschaft. Tugendgeister.
Erster Aufzug.
Erste Szene.
(Indische Landschaft.)
(In der Ferne die Hauptstadt des Diamantenreiches, auf einem entfernten Hügel die Ruine des zertrümmerten Tempels Moisasurs. In der Mitte des Theaters ein herrlicher Tempel im indischen Geschmacke, mit der goldenen Aufschrift: Wer sich der Tugend weiht, hat nie des Bösen Macht zu scheuen. Die Statue der Tugend, eine verschleierte weibliche Figur, einen Lilienstengel haltend, sitzt auf einem Piedestal in der Mitte des Tempels. Auf den Säulen sind Lilien angebracht.)
Hassan. Mansor. Omar.
Chor.
(Das Volk bringt einen Boten von Hoanghus Heer frohlockend auf die
Bühne und umringt ihn fragend.)
Wackrer Bote, sei willkommen!
Strahlt aus deinem Auge Sieg?
Ist das Heer zurückgekommen,
Ist geendet unser Krieg?
Ja, es spricht dein froher Sinn;
Du bringst Heil der Königin!
Bote. Sieg bring' ich euch, so wahr die Sonn' auf Indien scheint.
Gebt mir Palmenwein dafür. (Er nimmt einem eine Flasche von der
Seite.) Der Krieg trinkt Blut, der Friede Sekt.
Volk. Erzähl' uns erst! (Halten ihn ab vom Trinken.) Halt, halt!
Bote. Gerettet ist das Reich, von unsern Grenzen ist der Feind vertrieben, geendet ist der heiße Krieg.
Volk. Sonne, sei gelobt! (Ales sinkt mit dem Haupt zur Erde, und bleibt einen Augenblick in dieser Stellung.)
Bote. Da liegt das Volk, jetzt netz' ich meinen Hals. (Trinkt.) Der König sendet mich voraus, daß ich den Tag der Königin berichte, an dem er seinen Einzug hält.
Mohr. Und wenn man fragen darf, wann strahlt uns dieser große Tag?
Bote. Spion von Ebenholz, was hast du nach dem Tag zu fragen? Nacht hat die Sonn' auf dein Gesicht gebrannt, das heißt; Du sollst im Finstern wandeln.
Mohr. Du hassest mich?
Mansor. Schweigt. (Zum Boten.) Sogleich wird unsre Königin erscheinen, dann stellen wir dich vor. Mit Sehnsucht harret schon Alzind' der Rückkehr ihres tapferen Gemahls.
Bote. Doch was erblick' ich—Moisasurs Tempel eingestürzt, und die Sonne leuchtet noch? Und wer hat diesen aufgebaut, wozu ist der bestimmt?
Mansor. Ein erhabnes Schauspiel wird sich deinem Auge zeigen.
Bote. Wird dieser Mohr vielleicht darin gebraten? (Für sich.) Das wär' mein liebstes Schauspiel auf der Welt.
Mohr. Für dich vergift' ich einen Pfeil.
Mansor. Lästre nicht! Der Tugend Tempel ist's.
Bote. Ja, ihm soll man das Laster opfern.
Mansor. Es ist geschehn. Dem bösen Geiste Moisasur wird in unsrem
Reich kein Opfer mehr gebracht.
Bote. Wehe dann dem Diamantenreich! Schon seit Jahrhunderten hat diesem grimmigen Tiger durch unzähl'ge Opfer man geschmeichelt; werft ihm Beute vor, wenn ihr nicht wollt, daß euch sein stets geschäft'ger Zahn zerreißt.
Mansor. Die Königin, die, seit der König kriegt, das Zepter schwingt im Reich, hat, weil der Krieg, trotz all der reichen Opfer, die man unsern Göttern brachte, sich doch nicht glücklich wenden wollte, mit den weisen Priestern sich beraten und glaubt, daß die guten Götter zürnen, weil neben ihnen und der mächtgen Sonne Moisasurs böser Geist verehret wird. Sie hat Moisasurs Tempel niederreißen lassen. Doch wie's geschah, da rollte fürchterlicher Donner, die Erde bebte, als hätte das Gewicht der umgestürzten Säulen das ganze Reich in seinem Mark erschüttert.
Bote. Der Löwe brüllt, wenn man ihn ans der Höhle treibt.
Mansor. Doch wie die Erde bebt, fest steht der königliche Sinn.
Sie läßt dafür in diesem Tal der Tugend einen Tempel bauen und
schreibt auf ihn: Wer sich der Tugend weiht, hat nie des Bösen
Macht zu scheuen. Soeben wird er eingeweiht, dort nahet schon die
Priesterschar.
Mohr. Wenn nur die Tugend uns vor Moisasurs Rache schützt! Den ganzen Morgen hat der Himmel sich mit Donnerwolken überzogen, die in sich brummen, als ob sie Zaubersprüche murmelten, und der Blitze Feuerzungen lecken an der Kuppel dieses Tempels.
Zweite Szene. Feierlicher Marsch. Indische Tänzer schweben voraus, dann die Priester der Sonne. Zierlich gekleidete Mädchen, das Haupt mit weißen Rosen bekränzt, gruppieren sich um die Stufen des Tempels, die Priester beschäftigen sich im Innern desselben. Dann erscheint Alzinde und ihr Hofstaat. Sie begibt sich auf einen Seitenthron, neben ihr die Großen des Reichs. Das Volk verteilt sich um den Tempel und den Thron gegenüber. Vorige.
Chor.
Singt das Lob der Schönheitsblume,
Die auf Indiens Flur erblüht,
Und die zu der Götter Ruhme
Für das Heil der Tugend glüht.
Sende deinen Strahl, o Sonne!
Nieder auf ihr weises Haupt,
Weil ihr Herz mit frommer Wonne
An der Götter Allmacht glaubt.
Alzinde. Volk meines sieggekrönten Reichs! Ich habe dich versammeln lassen, um einzufallen in den großen Chor, den das Gefühl des Dankes anstimmt, weil die Götter uns erleuchtet, daß wir durch Moisasurs Sturz der Sonne Zorn versöhnt; daß sie von dem Augenblick mit Siegesglück die Pfeile unsres Heeres nach dem Busen unsrer Feinde wendet. Vielleicht, indem wir hier die Götter preisen, hat mein Gemahl, der königliche Held, den kleinen Rest des müdgekämpften Feindes aus den Grenzen dieses Reichs verjagt.
Mansor. So ist es, du erhabne Tochter der gewalt'gen Sonne, die deine Ahnung zur Prophetin weiht, die Wahrheit deines Wortes bestätigt dieser Bote hier.
Bote. Der, große Königin, mit seinen Knien den Staub an deinem Thron hier küßt, aus Ehrfurcht teils und teils aus Müdigkeit, weil er im schnellsten Lauf aus des Königs Lager eine holde Last dir bringt, eine Nachricht von dem ungeheuersten Gewicht! Friede, dieses goldne Wort, laß in alle Palmen schneiden, daß sie dann mit vollem Rechte Friedenspalmen heißen. Gesiegt hat dein erhabener Gemahl, noch gestern abends ward die letzte Schlacht gewonnen, und in der Nacht der Friede abgeschlossen, durch den ein Teil vom Feindesland noch zu dem deinen fällt. Nur heute ruht das Heer; doch morgen bricht es auf und zieht mit Zimbelklang und Jubelsang im Vaterlande ein. Dies zu berichten ward ich gesendet, mein Auftrag ist erfüllt, der Bote hat geendet.
(Steht auf und tritt zurück.)
Alzinde (sinkt auf die Knie). Sonne, sei gelobt!
Alle. Heil den Göttern! Heil dem König Hoanghu!
Alzinde. O mein Gemahl, warum kann ich an deine Heldenbrust nicht fliegen, du edler Sohn der unnennbaren Götter, dessen Lieb' ich nicht für alle Kronen Asiens tauschen möchte! Juble, Volk! Sei ausgelassen froh! Ihr Priester weiht den Tempel ein, der Tugend Macht hat sich bewährt, ein ewig Denkmal sei ihr hier errichtet! Wer sagt mir doch, warum mein Glück mich zu freud'gem Wahnsinn treibt? Warum ist diese Lust so ungeteilt, so allgemein, daß ich kein Stück davon kann eurem Herzen überlassen? O sprecht, wer nimmt mir einen Teil der edlen Bürde dieses Freudenreichtums ab, womit die goldne Sonne mein Gemüt beschenkt? Verdien' ich denn, daß ich so glücklich bin?
Dritte Szene. Fürchterlicher Donnerschlag. Die Bühne umzieht sich mit schwarzen Wolken, aus welchen rote Blitze sich schlangenartig winden. Auf der Erde sprüht Feuer, dann erscheint Moisasur als ein Ungeheuer mit Drachenfüßen und Drachenflügeln, auf dem Haupt eine rote Krone mit Schlangen umwunden, der ganze Körper ist in hellroten Samt gekleidet, um den Leib eine schwarze Schürze mit goldenen Schuppen gestickt. Alles sucht sich in den Hintergrund zu retten, einige flüchten auf Bäume. Alzinde, welche bei ihrer Rede vom Thron gestiegen, bleibt im Vordergrunde, der Thron verschwindet.
Vorige. Moisasur.
Moisasur (mit fürchterlicher Stimme). Alzinde, du verdienst es nicht!
Alzinde (fährt zusammen). Ha!—Wer bist du, scheußlich Ungeheuer, dess' Anblick mir Besinnung raubt? Wie giftig Unkraut stehst du da, das plötzlich aus dem Schoß der Erde treibt.
Moisasur. Moisasur heiß' ich, kennst du diesen Namen? Mit Flammenzügen hat der große Geist ihn auf das finstre Tor der Hölle einst geschrieben, und aus meinem Auge leuchtet ihre Sendung.
Alzinde. Was hat die Hölle an mich abzusenden? Ich habe dich und sie aus meinem Reich verbannt. Die Tugend ist mein Heil, dich hab' ich nie verehrt, und jedem Opfer Fluch, das dir mein Land noch bringt.
Moisasur. So nimm denn Fluch gen Fluch, verruchtes Weib, das meinen Tempel umgestürzt; so zieh' mein Haß denn einen Zauberkreis um dein verrätrisch Land; so will das Leben ich aus seinen Grenzen jagen, und lähmen diesen üpp'gen Teil der Welt! Vertrocknen soll der Baum, die Frucht, der Strom; verdorren soll das Gras, und was in deinem Reich mit Leben prahlt; dein Volk, die Diener deines Hofs, wem Blut nur in den Adern kreist, Mensch oder Tier, das steh' erstarrt und wandle sich in Stein! Und jegliches Geschöpf, das dieses Land mit frechem Fuß betritt, das werd' ergriffen von Versteinerung und steh' als Marmordenkmal meiner Rache da.
Alzinde. O, mein Gemahl!
Moisasur. Schau' hin und lab' dich an dem süßen Anblick! (Die Wolken öffnen sich, man sieht die Gruppen, wie sie ängstlich standen, nun im bunten Marmor, einige auf Palmen hängen, doch der Tugend Tempel strahlt im hellen Sonnenglanz.) Verflucht, daß ich den Tempel schauen muß, als Nebenbuhler meines Ruhms.
Alzinde. Entsetzlich Scheusal, von der Erde ausgespien, weil du ihr Innres zu vergiften drohst, wie kannst du dieses Reich zerstören, das die Sonne ihren Liebling nennt?
(Die Wolken schließen sich wieder.)
Moisasur. Fluch gegen Fluch! Vernichtung für Vernichtung! An dir ist jetzt die Reih'! Ich bin's, der dir nach deinem Wunsch die holde Last der Freude von dem zarten Nacken reißt. Deine Liebe, deinen Reiz, deine Hoffnung, deine Ehre, deinen Ruhm, dein Diadem will ich auf einen Knäul zusammendrücken, und in den Pfuhl der Hölle schleudern. Erscheint, ihr Geister bleicher Nacht. (Vier schwarze Geister erscheinen und ergreifen die Königin.) Seid Zeugen und Vollführer meines Fluchs. Zerstöret ihren Reiz, die Krone reißt von ihrem Haupt, der Locken Glanz verwandelt mir in welkes Grau; die Haut schrumpft ein und überzieht damit ein fleischloses Gebein, das ihr mit halbverfaulten Lumpen dann behängt. Doch laßt die junge Seele nicht aus ihrem morschen Leib entfliehn, damit sie zehnfach jeden Schmerz empfind' und die Erinnrung ihres Glücks sie quäle.—Doch halt—damit des Menschen Habsucht bis zum Tod sie peinige, so laßt sie diamantne Tränen weinen, als Wehmutszeichen, daß sie Indiens Fürstin war. Nun schleppt sie fort, verwandelt sie, dann schleudert sie dem Nordwind in die eis'gen Arme, daß er mit ihr nach einem andern Weltteil rase und dort die alte Ariadne setz' auf nacktem Felsen aus. Befolgt, was ich befahl!
(Die Königin sinkt in Ohnmacht.)
Erster Geist. Noch nicht—in deiner Rache wüt'gem Eifer hast du vergessen, ihr ein Ziel zu setzen; ewig darfst du nicht verfluchen, wie du es von dem ew'gen Geiste bist. Drum sprich, wie lang an diesen Zauberfluch ihr Glück gefesselt bleibt, und wann und wie sich lösen können diese Schreckensbande?
Moisasur. Weil du mich mahnst an meine Pflicht, verruchter Geist, so höre meinen Spruch! Nur dann, wenn sie im Arm des Todes Freudentränen weint, kehrt ihr zurück, was ihr mein Zauberspruch entrissen. Nun regt die trägen Drachenglieder, eilet fort, Erwartung geißelt mein Gefühl. Den höchsten Berg der Welt will ich besteigen und durch der Hölle Mikroskop will ich mit süßer Lust auf ihr verbittert Leben schaun. (Ab.)
(Die Geister versinken mit Alzinden.)
Vierte Szene. Auf dem Rücken einer Alpe, mit der Aussicht auf ferne Gletscher. In der Mitte ein Bergstrom. Der Horizont finster umwölkt. Rechts ein hohes Bauernhaus, Gluthahn gehörig, links eine arme Hütte, neben derselben sprudelt eine Quelle in ein natürliches Becken.
Gluthahn
(kommt erzürnt und erhitzt).
Das ist ein schlechtes G'sind'
Im Rattental dahint';
Der Bauer Michel Stier
Kömmt vor'ges Jahr zu mir,
Weint wie ein altes Weib,
Und geht mir nicht vom Leib;
Mein lieber Nachbar Glut,
Ich bitt' Euch, seid so gut
Und zahlt mir auf mein Haus
Fünfhundert Taler aus.
(Heuchlerisch.)
Und ich, ich guter Narr,
Mein Herz, das ist halt wahr,
Das findt man nirgends mehr,
Ich bin so dumm, geb s' her.
Ich führ' ihn hin zum Tisch,
Wir schreiben einen Wisch;
Fünfhundert Taler bar
Geb' ich dir auf ein Jahr;
Und daß ich dich nicht druck',
So zahlst' mir achte z'ruck.
Wo ist das Jahr schon hin?
Was ich gelaufen bin,
Was ich schon schrei' und schelt',
Ich komm' nicht zu dem Geld.
A Zeitlang war er krank,
Der Teufel weiß ihm's Dank!
Jetzt ist er wieder g'sund,
Und zahlt mich nicht, der Hund!
Mit ihm red' ich noch gern,
Ihm zeig' ich doch ein' Herrn;
Doch ist sein Weib zu Haus,
Die macht mich noch brav aus.
Pfui, das sind doch undankbare Leut', nicht einmal pfänden wollen sie sich lassen. Gluthahn, wie wirst du jetzt das Geld ersetzen? Mit Freuden würd' ich einen andern darum betrügen, doch ich gewinn's nicht übers Herz, ich bin zu gut. (Heftig.) Aber mir soll noch einer kommen und Geld begehren.—Da grab' ich meine Taler eh' fünftausend Klafter in d' Erden ein und zünd' mein Haus an allen Ecken an, eh' ich so einem Schuft ein' Kreuzer auf fünfzig Schritte nur zeig'. Einen eignen Hund richt' ich mir ab, daß er s' vom Haus weg hetzt. (Heuchlerisch.) Ich muß anders werden, ich bin zu gut. Wo ist denn nur mein Weib schon wieder? Trautel, hörst denn nicht? Trautel!
Fünfte Szene.
Voriger. Trautel kommt, sie ist und spricht etwas kränklich.
Trautel. Aber, was schreist denn so?
Gluthahn. Wo bist denn, falsche Nummer, die auf den ersten Ruf nicht kommt.
Trautel. Ich soll ja nicht in d' Luft.
Gluthahn. Nun, so geh in die Gruft.
Trautel. Was willst denn?
Gluthahn. Die Mützen bring' heraus und die Pfeifen und den Rock nimm mit. (Zieht den Rock aus.)
Trautel (verdrießlich). Nu gleich. (Ab.)
Gluthahn (allein). Ein guts Weib ist s'; ich hätte das Weib nochmal so gern, wenn s' nur um das jünger wär', was s' zu alt ist, und um das besser, was s' z' schlecht ist. (Spricht leise, als oh er jemand etwas anvertraute.) Vor dreißig Jahren hat s' mich einmal um fünf Gulden betrogen, das vergiß ich ihr noch nicht; ich bin gut, ich hab' ein einzigs Herz, aber vergessen kann ich nichts. Ich hab' so ein kleins Büchel, da schreib' ich's hinein. (Deutet hinters Ohr.) Da hint' ist's.
Sechste Szene.
Voriger. Trautel bringt Mütze und Pfeife.
Gluthahn. Du lieber Himmel, wie gut könnten ein paar Ehleut' miteinander leben, wenn eines dem andern nachgäbe. (Fährt sein Weib derb an.) Kriechst immer untern Füßen herum? Was willst?
Trautel. Je nu, die Pfeifen bring' ich und die Mützen.
Gluthahn. So meld' dich!
Trautel. Sei nur nicht so grob mit mir, mir ist heut so nicht gut.
Gluthahn. Das ist rheumatisch Zeug, schlag dir's aus dem Kopf.
Trautel. Das kann ich nicht.
Gluthahn. Nu, so schlag' ich dir's heraus, ich kann's.
Trautel. Mir fehlt's im Herzen, und ich fühl' mich so schwach.
Gluthahn. Da sind wir alle schwach, wenn's uns im Herzen fehlt.
Trautel. Wenn du mir kein' Bader nimmst, so stirb ich noch.
Gluthahn. Solang noch's Herz schlagt, stirbt man nicht.
Rheumatisch bist, sonst nichts. Egel setz' dir, da wird alles gut.
Hab' erst einen zusammentreten unt' beim Bach, so kommen s' weg.
Trautel. Ich bin ja nicht rheumatisch.
Gluthahn. Im höchsten Grad; wenn ich dich nur anschau', fangt's mich an zum Reißen.
Trautel. Bringst gewiß kein Geld z' Haus, weilst so z'wider bist.
Gluthahn (wild). Mahnst mich noch?
Trautel (beiseite.) Ich muß dem Bösewicht nur schmeicheln, sonst ist gar nichts z' haben von ihm. (Streichelt ihm das Kinn.) Mann, meines Lebens Lust.
Gluthahn (höhnisch). Weib, meines Lebens Last—was willst denn außerbrateln von dein' Mann, den du aus List nennst deine Lust?
Trautel. Ich hol' mir den Bader.
Gluthahn. Hol' mir zwei Maß Wein.
Trautel. Nicht wahr, ich darf ihn holen?
Gluthahn. Aber ein' g'scheiten, das sag' ich dir.
Trautel. Ich dank' dir, sie haben ja nur einen im Ort.
Gluthahn. Und daß er nicht g'schwefelt ist.
Trautel. Ei, wer denn?
Gluthahn. Der Wein.
Trautel. Ich hab' g'glaubt, der Bader.
Gluthahn. Wer redt denn vom Bader?
Trautel. Ich.
Gluthahn. Und ich red' vom Wein.
Trautel. Was hab' ich vom Wein?
Gluthahn. Was hab' ich vom Bader?
Trautel. Ich hol' ja den Wein, aber zahl' mir den Bader, sonst geh' ich ja z'grund.
Gluthahn. Nu, so hol' dir ihn, aber wenn du bis morgen nicht g'sund bist, so darfst mir dein Leben nimmer krank werden.
Trautel (für sich). Endlich. (Laut.) Dank' dir, lieber Mann.
(Will ab.)
Gluthahn. Da gehst her. (Trautel kehrt um.) Jetzt wirst du doch einsehn, was d' für einen Mann an mir hast.
Trautel. Nu, ich glaub's.
Gluthahn. Unter andern, hast mich gern?
Trautel (ironisch). Nu, wer wird denn dich nicht gern haben.
Gluthahn. Küß' mir d' Hand.
Trautel (tut es und spricht im Abgehen seufzend). O Seligkeit!
(Geht ins Haus.)
Gluthahn (triumphierend). So muß man sich s' abrichten, dann weiß man, wer der Herr im Haus ist. Ich hätt' nicht nachgeben sollen, (heuchlerisch) aber mein Herz, ich bin gar zu gut.
Siebente Szene.
Voriger, Trautel mit einer leeren Flasche.
Gluthahn. Bist da? Da hast Geld, jetzt zieh dich.
Trautel (beiseite). Du lieber Gott, befrei' mich doch von mein' Leid, ich will ja gern sterben, daß ich nur den Mann nimmer sehn darf. (Geht gegen das Dorf ab.)
Gluthahn (allein, er schlägt Feuer und zündet seine Pfeife an). Wenn man dem Weib da so erlaubte, auf ihre Faust recht krank zu sein, die machte einen Aufwand damit, der nicht zu erschwingen wär'. (Schlägt sich vor die Stirn. Erbittert.) Wann ich nur das Geld nicht ausg'liehn hätt'. (Ein Sturmwind erhebt sich.) Öh, blas, du dummer Wind, blas auseinander die grau muntierten Wolken. Der Himmel ist schon vierzehn Tag' als wie ein Aschenweib. (Windstoß.) He, he, he, he, sei nur kein solcher Narr!—Die Kälten von dem Wind! (Windstoß.) Holla, der nimmt die Bäum' beim Kopf und beutelt s' recht, als wie ein Meister seine Lehrbuben.—(Windstoß.) Weil er kein' Kopf hat, so kann er auch kein' andern leiden. (Windstoß.) Nicht rauchen laßt er mich, der Schlaprament! Du sollst mich nicht sekieren, du lüstiger Patron; ich geh' jetzt hinein, just kriegst mich nicht. (Er geht unter die Tür und steckt den Kopf heraus.) Blas mich an jetzt, wannst dich traust. (Höhnisch.) Ja, auf d' Wochen, dummer Wind! (Schlägt die Tür zu.)
Achte Szene. Sturmmusik. Alzindens Gestalt als altes Weib in Bettlerkleidung rauscht im Hintergrunde, zwischen den Flügeln des Nordwindes liegend, über die Bühne; den Strom der Luft auszudrücken, in welchem eine geflügelte Figur mit aufgeblasenen Backen, die Locken mit Eis behängt, wie durch einen Schleier sichtbar ist, bleibt der Phantasie des Malers überlassen. Die Musik geht in eine klagende über, und nach einer bedeutenden Pause kommt Alzinde auf die Bühne. Sie hat graues Haar, ihre Gestalt ist ehrwürdig, ihre Kleidung abgenützt, aber nicht zerrissen.
Alzinde. Wo bin ich wohl? Wohin hat die Gewalt des Sturmwinds mich getragen? wie heißt die Unglückswelt, auf der ich mich befinde? denn das ist nicht mein Reich, zu meinem Auge sprechen nie gesehne Dinge. Fremde Hütten, fremde Berge, ein fremder Himmel, ohne Sonne, ohne Mond, ohne Sterne, ohne Blau. Auch fühl' ich mich so schwach, ich will mich setzen, jene Quelle soll mich laben. (Sie setzt sich an den Rand des Beckens, sieht in den Wasserspiegel und springt auf.) Welch häßliche Gestalt schaut aus dem Spiegel dieses Quells? Doch nicht mein eignes Bild?—Nicht möglich! (Streckt die Hand aus und erschrickt davor.) Wem gehören diese welken Hände, diese abgelumpten Kleider? wessen Stelle muß ich hier vertreten? Ich bin das nicht, widerrufe, Quell! (besieht sich noch einmal—erstarrt.) Er wiederholt's—ich bin's—ich bin's! (Fällt verzweifelnd auf den Rasen hin.) Ich Unglückselige! (richtet sich auf und lacht verzweiflungsvoll.) Das ist Alzind', die Schönheitsblume Indiens, in eine welke Distel nun verwandelt. O du mein stolzer Geist, verjagt aus deinem üppigen Palast, was mußt du jetzt für ein verächtlich Haus bewohnen! Ich duld' es nicht! Verzweiflungsvolle Seele, sprenge doch die Riegel dieses morschen Kerkers! (Ängstlich.) Eilt mir zu Hilfe, Große meines Reichs—wo seid ihr, meine Diener?—(Stark rufend.) meine Sklaven! (Echo ruft: Sklaven.) Es ist umsonst, das Echo ist der einz'ge Sklave meines Rufes. Ich bin allein, verbannt von meinem Volke, meinem Gott. Was rauschet? Ha, ein Geschöpf aus dieser Welt. O du erbärmliche Gestalt.
Neunte Szene.
Gluthahn erscheint im Rocke. Vorige.
Gluthahn. Wer schreit denn so? Wie kommst du auf 'n Berg? Kriech weiter um ein Haus.
Alzinde. Wenn du ein Mensch bist, wie die Sprache mich's vermuten läßt, so sage mir, wie heißt die Welt, in der du lebst?
Gluthahn. Weiter geh!
Alzinde. Wenn du ein Mensch bist, nimm mich auf in deine Hütte, die Sonne wird dich dafür lohnen.
Gluthahn. Aha, die brennet mich aus Dankbarkeit auf den Buckel hinauf. Du, laß mich aus mit deiner Sonn', die kenn' ich nicht.
Alzinde. Er kennt die Sonne nicht, weh mir. Hab' Mitleid, Hunger führet mich an deine Hütte, speise mich mit etwas Reis.
Gluthahn. (erstaunt). Was willst du haben? einen Reis? Ein Bettelweib will ein' Reis; Sie schafft sich nur gleich an, was sie am liebsten ißt.
Alzinde. O reich' mir nur ein kleines Stückchen Zucker.
Gluthahn (lachend). Einen Zucker will sie, o du süßes Goscherl du. Wo hab' ich denn g'schwind was, ich gib ihr eine hinauf, daß s' ein Zucker macht, an dem s' langmächtig z' schlecken hat.
Alzinde. Hab' Mitleid, ich verschmachte, gib mir stärkendes Gewürz.
Gluthahn. Jetzt halt' ich's nimmer aus, jetzt will sie noch gar ein G'würz! Ich komm' in Narrenturm mitsamt dem Weib. Ich hab' kein G'würz noch gesehn, solang ich auf der Welt noch bin, die geht herum und bettelt um Gewürz.
Alzinde. Du Unmensch, sprich, soll ich an deiner Schwelle sterben?
Gluthahn. Was unterstehst du dich, an meiner Tür willst du da sterben? A solche Ungelegenheit, daß ich dich noch begraben lassen könnt'; gehst hinunter übern Berg und schaust dich um ein Platzel um, wost' hinwerden kannst.
Alzinde. Sonne, was erlebe ich.
Gluthahn. Schläg' wirst gleich erleben, wenn du nicht gehst.
Alzinde (stolz und kräftig). Ich befehle es dir, mich zu bewirten, ich bin Indiens Königin.
Gluthahn. Jetzt ist's heraußen. Das Weib ist närrisch. Sie ist Indiens Königin, ich lach' mir noch einen Buckel, größer als der ihrige. Wenn du jetzt nicht gleich von meiner Tür weggehst, so jag' ich dich übern Berg hinunter. Marsch! Du verzuckertes indisches Bettelweib du! (Ab. Schlägt die Tür zu.)
Zehnte Szene.
Alzinde (allein, mit Verzweiflung). Weh mir! So bin ich denn auf einem fremden Stern, ausgeschlossen aus der Sonne Strahlenreich. Nicht Menschen hausen hier. Dämone sind es, Söldner jenes Drachensohns, der mich hierher gebannt. Hier darf kein Weihrauch duften, keine Palme blühn, ein wüstes Grab ist diese Höllenflur. Seht, seht, wie kleine Furien mit gehörnten Köpfen über jene kahlen Felsen springen. Nie werd' ich mehr mein Volk, meinen Gemahl erblicken. Verloren ist mein Leib, verloren meine Seele. (Sinkt auf die Knie und ruft:) Sonne, rette mich! (Echo: Rette mich.) Umsonst, sie hört mich nicht; das Echo höhnt mich aus, ihr Strahl dringt nicht auf dieses fluchbeladne Land. Welche Angst ergreift mein Gemüt? Von allen bin ich hier verlassen und auch zu ihr kann ich nicht flehen. Entsetzliches Geschick! Was ist der Mensch, dem man die Hoffnung auf das Höchste raubt? Mein Aug' wird trüb, mir ist, als hätten diese Berge Licht und Farbe eingebüßt und flößen mit des Himmels schauerlichem Grau zusammen. Die Welt zerrinnt vor meinen Blicken, ich sehe nichts, als jenen Strom, der konvulsivisch sich durch dieses Chaos windet und seine nassen Arme nach mir streckt. Hinweg von mir, du schrecklicher Gedanke, der mich ergreift, und nach dem Strom hinzieht. Ich folg' dir nicht, umsonst, ich muß—Verzweiflung, freu' dich deines Siegs, ich muß hinein. (Sie eilt gegen den Strom, plötzlich:) Ha, der Sonne Bild! (Sie blickt empor, ihr ganzes Wesen löst sich in zitternde Freude auf.) Sie ist's! (Steigend.) Sie ist's, die—(Mit zitternder Stimme.) die Sonne! Meine Sonne, meiner Seele höchster Trost! (Sinkt auf ein Knie, dann springt sie freudig auf.) Freude, Freude, sie ist hier! Ihr Wälder, Klippen, Bäume, Quellen, meinen Blicken neu geboren, grün gekleidet, wie mein Hoffen, hört es, ich bin nicht verlassen, nicht verstoßen von der ew'gen Sonne! O wie ist mir wieder leicht, wie hat ihr Strahl mein Innerstes gelichtet. Nun hab' ich Mut zum Dulden, Mut zum Tragen.
Muß ich fern von allen Lebensfreuden
Kämpfen auch mit Gram und Leiden,
Kann ich's doch der Sonne klagen,
Mit Bewußtsein zu ihr sagen;
Habe alle Freuden meiner Jugend
Aufgeopfert für den Ruhm der Tugend
Und erwarte meinen Lohn
Einst an deinem Himmelsthron.
(Sie setzt sich auf einen Rasen und versinkt in Nachdenken.)
Elfte Szene.
Hans. Mirzel.
Mirzel. Geh, geh, ich soll recht bös auf dich sein. Du bist ein sauberer Mann, laufst voraus und schaust dich gar nicht um um mich. Wie ich noch ledig war, da bist hinter mir her g'wesen auf einen jeden Schritt, und jetzt—aber die Nachbarin hat mir's vorausg'sagt, das ist das sicherste Zeichen, daß ein paar verheiratet sind, wenn der Mann anfangt, unartig zu werden. Heut werden s' kopuliert, da geht sie voraus, den andern Tag laßt er sie schon hint' nach gehn.
Hans. Aber liebe Mirzel
Mirzel. Willst du's etwa leugnen? Zuerst kommst du, hernach dein Spitzel, nachher ich, ich und der Hund, wir gehen immer miteinander. Au contraire, seinem Spitzel pfeift er doch manchmal, aber bei mir da denkt er sich: Du kommst mir so nach Haus, dich verlier' ich nicht.
Hans. Ich weiß gar nicht, ich hab' den Hund recht gern bei mir.
Ob wir jetzt unser zwei ausgehn oder unser drei?
Mirzel. Nu, neulich sind wir gar unser vier g'wesen, da hast zwei Spitzeln mitg'habt; einen hast du aus dem Wirtshaus nach Haus tragen, und der andere ist so mitg'laufen.
Hans. Nu, und wie er neulich verloren gegangen ist, so hat ihn doch kein Mensch finden können als du.
Mirzel (launig). Ja, das macht, weil ich sehr spitzfindig bin.
Hans. Aber jetzt hören wir einmal auf, wir disputieren wegen die
Spitz' wie die kleinen Buben; das ist eine völlige Spitzbüberei.
Mirzel. Ich bin ja schon wieder gut, das ist ja nur mein Spaß, ich hab' dich viel zu lieb, du bist ja mein guter Mann.
Hans. Und du mein guts Weib; kurzum, wir sein halt von der besten
Gattung.
Mirzel. Freilich, wir sind gut, und alles wär' gut, wenn wir nur mehr zu essen hätten.
Hans. Laß nur gut sein, der liebe Gott wird uns schon helfen. Haben wir doch jetzt unser' Grundsteuer wieder zum Amtmann hineintragen; acht Gulden alle Jahr', ist kein Spaß. Schau' nur, wie die Sonn' so freundlich scheint, schau' dich nur um. (Erblickt Alzinde.) Du, was liegt denn dort für ein altes Weib? die wird krank sein; sie weint, ich werd' s' trösten.
Mirzel. Die Alte? Nun, die kannst schon trösten.
Hans (geht zu ihr). Du, Alte, hörst?
Alzinde (hebt sich empor, erblickt beide, springt erschrocken auf und ruft). Menschen! (Will entfliehen.)
Hans. He, he, wo laufst denn hin? so wart' doch, wir meinen dir's ja gut.
Mirzel. Freilich, willst ein Stückel Brot?
Alzinde (sieht sie erstaunt an). Seid ihr wirklich Menschen?
Hans. Nu, du wirst uns doch für keine Maikäfer anschaun?
Alzinde. Menschen seid ihr, und ihr habt Erbarmen?
Mirzel. Du blauer Himmel, warum nicht? wir erbarmen uns selbst manchmal.
Alzinde. Also seid ihr unglücklich?
Mirzel. I bewahr', wir sind recht glücklich.
Hans. Wir haben nur kein Geld.
(Gluthahn laßt sich am Fenster sehen, und horcht.)
Alzinde. Das versteh' ich nicht.
Hans (zu Mirzel). Sie ist taub. (Laut, Alzinden ins Ohr.) Wir haben kein Geld, wie kannst du denn das nicht verstehn, das kann ich mit Händen greifen, wenn ich in den Sack fahr'.
(Fährt in den Sack.)
Mirzel. Weißt, wir sind halt glückliche Unglückliche, wie manche
Leute unglückliche Glückliche sind.
Hans. Das ist eine gute Explikation. Wir sind arme Steinbrecher, wir arbeiten im Steinbruch da hint', und leiden oft Hunger, daß sich ein Stein erbarmen möcht', aber nur im Winter, im Sommer geht's uns besser.
Mirzel. Was sprichst du denn so viel da mit der Alten, trag ihr etwas aus der Hütte und laß sie gehn.
Hans. Nein, mir gefallt s', sie hat zwar noch nichts g'redt, aber ich find', daß sie recht eine unterhaltendliche Person ist. (Zu Alzinde.) Weißt, ich und mein Weib haben uns halt gar so gern, und das ist unser Glück.
Alzinde (zu Mirzel). Also liebst du deinen Mann?
Mirzel. Vom Herzen.
Alzinde. Und wenn du ihn verlieren müßtest?
Mirzel. Ich, mein' Mann?
Alzinde. Wenn er dir auf ewig entrissen würde?
Mirzel. Das überlebet ich nicht.
Alzinde. Weh mir, und ich lebe noch! Sie stirbt für diesen Bettler, und ich lebe noch. (Weint heftig.) O mein Gemahl, mein königlicher Herr. (Ihre Tränen fallen in Hansens Hut, der ihn absichtslos aufhält.)
Hans. Jetzt, warum weinst denn? Jetzt weint sie mir grad in den Hut hinein.—Du, Mirzel, schau, was ist denn das, der ihre Tränen sind ja alle von Glas, die weint ja lauter kleine Steiner.
Mirzel. Warum nicht gar.
Hans. Auf die Letzt hat s' gar einen Steinbruch in die Augen.
Mirzel. Was weinst denn du da?
Alzinde. Ich weine Diamanten.
Hans. Mich trifft der Schlag, das hab' ich noch mein Leben nicht g'hört, daß eine Amanten weint. Wann s' noch wegen einen Amanten weinet', aber einen Amanten selbst, das ist entsetzlich.
Alzinde. Sagt mir, haben Diamanten aus eurer Welt hier einen Wert?
Mirzel. Nu, ich will's hoffen, unser Herr, bei dem wir arbeiten, hat einen Ring, da ist ein einz'ger Stein mehr wert, als sein ganzer Steinbruch.
Alzinde. So hört mich an, vielleicht kann ich durch meine Tränen euch beglücken. Des einen Glück bedingt ja leider oft des andern Unglück. Behaltet mich bei euch, gebt mir nur magern Unterhalt, schützt mich vor der Mißhandlung eurer Brüder und nehmet meine Tränen hin als Eigentum, welche reichlich fließen werden, weil ich mein Schicksal nicht genug beweinen kann.
Gluthahn (am Fenster). Das Weib laß' ich nicht aus, mein Herz ist z' gut, die nehm' ich auf.
Hans. Aber wer hat dir denn das g'lernt, du bist doch nicht etwann eine Hex'?
Mirzel. Nu, fragen möcht' ich s' noch.
Alzinde. Was ich euch nun entdeck', ist wahr, so wahr, als dieser Sonnenstrahl, der sich in meiner Träne bricht. Ich bin die Fürstin eines ind'schen Reichs, der Tugend hab' ich mich geweiht, wie ihr, und weil ich einen bösen Geist aus meinem Land vertrieben, hat er aus Rache mich nach eurer Welt verbannt. Ich ward geehrt von meinem Volk, das meine Schönheit, meinen Geist bewunderte, geliebt von meinem zärtlichen Gemahl, und alles, was des Glückes Großmut mir verliehn, hat dieser Dämon mir entrissen. (Weint.)
Hans. Jetzt fang' ich auch zum Weinen an, aber meine Tränen sind keinen Kreuzer wert.
Alzinde. Doch meine Jugendkraft hat er mir nicht geraubt, und heftiger fühl' ich den Schmerz, als ich die Freude früher hab' empfunden. Ihr glaubt mir doch?
Mirzel. Das kann ja sein, ich hab' schon viel von verzauberten Prinzessinnen gehört. Nu, trösten sich Euer G'streng' nur, wir werden schon für Euer G'streng' sorgen.
Hans. Was sagst denn Euer G'streng', meinst denn, du redst mit dem
Verwalter? (Mit erhobener Stimme.) Weiß die Fürstin was, wir
behalten die Fürstin bei uns, und was wir haben, bekommt die
Fürstin auch.
Alzinde. Ihr guten Menschen, meine Tränen werden dankbar fließen.
Mirzel. Wenn s' nur alle Jahre einmal weint, im Frühling, wenn der Schnee zerfließt, so leben wir das ganze Jahr davon. Die Fürstin macht noch unser Glück.
Hans. Und da braucht sie nicht einmal einen Schmerz, der sie weinen macht, ich reib' ihr einen scharfen Kren, so weint sie ihren diamantenen Fleck her und lacht uns alle aus.
Mirzel. Ja, das ist prächtig, lieber Hans; die Tränen, die du im Hut hier hast, tragst du morgen augenblicklich in die Stadt. Jetzt geh die Fürstin nur in unsre Hütten hinein, da findt die Fürstin Milch und Brot; wir müssen jetzt in' Steinbruch hinaus, wir haben nur unsre Werkzeuge g'holt. Auf den Abend kommen wir nach Haus, und dann wollen wir recht vergnügt sein alle drei.
Hans. Ja, mein' liebe gute Fürstin, geh die Fürstin nur hinein, gib die Fürstin auf mein' Spitzel gut acht und sperr' die Fürstin die Tür von innen gut zu; unser Nachbar ist gar ein böser Mann, dem muß die Fürstin ja nicht traun, sperr' ihm die Fürstin gar nicht auf.
Alzinde. Sorgt euch nicht, ich hab' ihn schon erkannt. Er stieß mich ja von seiner Tür.
(Sie geht hinein, Hans und Mirzel nehmen ihre Hämmer. Alzinde riegelt die Türe von innen zu.)
Hans. Heisa, jetzt geht's in den Steinbruch hinaus, wenn wir auch noch so wenig haben, ein fröhliches Herz tauscht ja mit Königen nicht. (Beide ab.)
Zwölfte Szene.
Gluthahn (schleicht herein). Geh in den Abgrund, Volk. Ob denn ein guter Mensch, wie ich bin, ein Glück hat? Erwischen die das Weib mit ihrer diamantenen Tränenfabrik! Gluthahn, da kannst du dein Geld hereinbringen. Ich bin ein guter Mensch, aber das Weib lass' ich nicht aus, die muß mir alle Säck' voll weinen. Hab' schon meinen Plan ausgedacht indessen,—im Haus kann ich sie nicht versperren hier; sechs Stunden weit in Alpenmarkt drin, da kenn' ich einen Herrn aus der Stadt, er hat ein Landhaus in Alpenmarkt drin und war in meiner Hütten öfter über Nacht, wenn er auf die Alm hinauf ist—das ist ein vermöglicher Mann, er handelt mit guten Steinen und reist herum damit. Er kauft Holz von mir; da führ' ich s' hin und lass' sie etwas weinen, daß er s' untersucht, ob s' wirklich Diamanten weint, ob s' nicht etwa böhmische Steine weint oder so Zeugs. Und wenn s' was wert ist, so machen wir einen kleinen Überschlag, und ich verkauf' ihm das ganze Weib wegen ihren Tränen um ein Pauschquantum. So ist das arme Weib versorgt, kommt auf Reisen und hat das schönste Leben. Ich kann mir halt nicht helfen, ich find', daß ich ein edler Kerl bin, ich mag schon tun, was ich will. Wenn ich s' nur herauslocken könnt', ich wirf sie auf meinen Leiterwagen und fahr' mit ihr davon, als wenn ich sie gestohlen hatt'. Da kommt mein Weib.
Dreizehnte Szene.
Gluthahn. Trautel.
Trautel (stellt den Krug Wein auf den Tisch). Da bin ich, lieber
Mann.
Gluthahn (roh). Nu, bist du schon g'sund?
Trautel. Warum nicht gar. Ach, lieber Mann, mit mir ist's aus, der Bader sagt, mich bringt er nimmer auf.
Gluthahn. Der Bader ist ein Narr, was braucht er dir's zu sagen, das hab' ich eh' schon g'wußt.
Trautel. Ich unglückselig Weib—ich bitt' dich, Mann, was soll ich denn jetzt tun, damit mir besser wird?
Gluthahn. Spann' die Pferde vor den Wagen, das stärkt dich, ich fahr' aus.
Trautel. Das ist ein schöner Trost! Ich kann ja nicht, ich bin z' schwach.
Gluthahn. Du mußt, potz Himmeltausend Saprament, ich werd' dich lernen räsonnieren, du alte Blendlaterne. Den Augenblick spannst ein und gehst dann in den Garten und brockst mir ein' Korb voll Äpfel ab. (Für sich.) So bring' ich sie doch fort.
Trautel. Nein, du bist kein Mensch, du bist ein Krokodil. (Weint.)
Gluthahn. Wirst gehn.
Trautel. Ich geh' schon. (Geht weinend ab.) Ach, du lieber Himmel!
Gluthahn. Jetzt weint die auch. Komm her. (Trautel kehrt um.) Was weinst denn? (Sieht in ihre Augen.) Die weint keine Diamanten, höchstens mein Geld als Medizin. Geh, geh, besorg' den Wagen, so kommst du mir doch aus den Augen.
(Trautel geht hinters Haus ab.)
Vierzehnte Szene.
Gluthahn, dann Alzinde.
Gluthahn (boshaft lächelnd). Jetzt werd' ich fensterln gehn. (Mit falscher Freundlichkeit.) Liebe Alte, komm heraus, ich hab' dir etwas zu entdecken.
Alzinde (öffnet das Fenster). Was willst du, böser Mensch, der mich verstieß.
Gluthahn. Denk doch nicht mehr dran, ich war im Zorn, ich bin so gähzornig, ich hab' es schon bereut, hab' schon g'weint deswegen und möcht' dir die Kränkung gern vergelten; drum komm heraus, wir trinken ein Glas Wein.
Alzinde. Ich traue deinen Worten nicht. Eh' glaub' ich, daß der Hai des Meeres Schutzherr wird, der Falke um die Taube freit, Hyänen um ein Menschenleben weinen, der Wolf aus Gram vergeht, weil er ein Lamm getötet hat, eh' ich das glaub'; daß du mich trösten willst.
Gluthahn (beiseite). Sie beißt nicht an, ich werd' ihr etwas Süßes an die Angel hängen. (Laut.) Sei nicht so mißtrauisch, du hast ja selbst ein gutmütigs G'sicht, du mußt einmal besonders schön g'wesen sein, man sieht dir's noch ein wenig an, du hast noch recht verliebte Augenbraunen. Geh, komm herüber, liebe Alte, mein Weib hat eine schöne Hauben, die wird dir prächtig stehn.
Alzinde. Bemüh' dich nicht, du zwingst mir kein Vertrauen ab.
Gluthahn. Das muß kein Weibsbild sein, weil sie das nicht rührt. Jetzt werden wir's auf andre Art probieren. (Heuchlerisch laut.) Du tust ein frommes Werk, wenn du durch mich dir etwas Guts erweisen laßst, es ist ja deine Pflicht, ich kann nicht ruhig schlafen sonst; ich mach' mir Vorwürf' in meinem Innern, daß ich dich so behandelt hab'. (Hält die Hände zusammen.) Ich bitte dich, geh doch heraus, tu mich nicht so kränken, ich bin ja ein kranker Mann, ein alter, der nicht mehr lange leben wird.
Alzinde. Verlaß die Hütte, du betrügst mich nicht.
(Schließt das Fenster.)
Gluthahn (erzürnt). Der Satan hat das Weib im Sold!
Fünfzehnte Szene.
Gluthahn, Trautel, dann Alzinde.
Trautel. Eing'spannt ist's, jetzt fahr zur Höll'!
Gluthahn. Was hab' ich in dein' Geburtsort z'tun? Nach dem Garten geh und Äpfel brock'. (Trautel geht ins Haus ab.) Heraus muß sie, und wenn ich's Haus zerschlagen sollt'. (Klopft heftig an.) Alte, g'schwind machst auf, es schickt der Hans, er hat ein Arbeitszeug vergessen. (Der Hund knäuft von innen.) Sie macht nicht auf. (Pocht stärker.) Ob du aufmachst, frag' ich, oder nicht, ich schlag' euch alle Fenster ein, ihr schlechtes G'sind'. (Er schlägt das Fenster ein, man hört den Hund bellen.) Den Hund erschlag' ich; bist still, du Höllenvieh! (Wirft einen Stein hinein.)
Alzinde (am Fenster). Bist du rasend, Mensch? was reizt dich so zur Wut?
Gluthahn (äußerst boshaft). Heraus gehst, sag' ich, sonst zünd' ich das Haus an allen Ecken an, ich kenn' mich nicht vor Wut. O weh, mir wird nicht gut, ich armer Mann—wer hilft mir denn? (Sinkt in den Stuhl und löst sein Halstuch.) Wasser, Wasser! Mir wird übel—ich stirb, wenn sich kein Mensch erbarmt—o! o! (Pause.)
Alzinde. Götter, welch ein Mensch! Er liegt bewegungslos! was soll ich tun? Wenn er nun stirbt, so bin ich schuld, ich könnte ihn erretten. Er ist ein böser Mensch zwar, aber doch ein Mensch, die Sonne scheint auf ihn, so wie auf mich, und fordert mich zu seiner Rettung auf. Ich will der Tugend dieses kleine Opfer bringen. (Öffnet die Hütte und trägt in einer Schale Wasser.) Alter, Alter, hier ist Wasser!
Gluthahn (springt schnell auf). Heisa, hab' ich s' erwischt?
Jetzt kommst mir nimmer aus. (Packt sie.)
Alzinde. Ha, du verräterischer Molch!
Gluthahn (ringt mit ihr). Jetzt will ich dich zum Kirchtag führen. (Der Hund bellt heftig.) Still, du Rabentier. (Er zerrt sie hinter das Haus in die Kulisse. Nach einer Pause kommt)
Sechzehnte Szene.
Trautel (mit einem Korb Äpfel). Was bellt denn nur der Hund so sehr? Spektakel! was treibt denn mein Mann? der hebt ein altes Weib auf seinen Wagen. (Peitschengeknall.) Jetzt fährt er fort mit ihr. Du gottloser Mensch, wenn er nur nichts Schlechts vorhat mit dem Weib? Wie er ausjagt,—das geht nicht mit rechten Dingen zu. Ich lauf' in' Steinbruch, such' den Nachbar, sag's dem Bader, klag's dem Richter, allen Leuten unt' im Orte will ich schnell die ganze G'schicht' erzählen. Das ist ein Unglück, daß ich gar nicht weiß, was geschehen ist. (Ab.)
Siebzehnte Szene.
(Kurzes Wolkentheater.)
An der Seite, im Vordergrunde, eine hervorragende thronartige Wolkengruppe. Geister der Tugend, weiß gekleidet, Lilienstengel in den Händen, kommen unter passender Musik trauernd auf die Bühne.
Ariel (tritt mitten unter sie).
Laßt uns um Alzinden klagen,
Die in jugendlichen Tagen
Durch der finstern Mächte Spiel,
Als ein Tugendopfer fiel.
(Knien nieder.)
Himmel, höre unsre Bitten,
Lasse nimmer es geschehn,
Daß der Tugend reine Sitten
Durch Verfolgung untergehn.
(Steht lebhaft auf.)
Doch seht nur, dort schwebt, mit dem Lilienstengel
Der Retter der Unschuld, ihr tröstender Engel,
Er trug zu dem Throne des Mächtigen hin
Das Schicksal Alzindens mit flehendem Sinn.
O himmlischer Bote, o tauche doch nieder
Dein silbererglänzendes Schwanengefieder!
Er nahet, er nahet, er senket die Schwingen,
Und wird uns das Machtwort des Ewigen bringen.
Achtzehnte Szene.
Musik. Vorige. Der Genius der Tugend, eine Lilienkrone auf dem
Haupte, besteigt den Wolkenthron.
Genius.
Hört mich an, ihr Tugendgeister,
Zu mir sprach der hohe Meister;
Nur ein Kampfplatz ist die Welt,
Und das Böse hingestellt,
Daß es mit dem Guten streite,
Und der Hölle werd' zur Beute.
Beide treten in die Schranken
Dieser unruhvollen Welt;
Tugend darf im Kampfe wanken,
Eigne Schuld ist's, wenn sie fällt.
Jedem ward die Kraft hienieden,
Der Verführung Trotz zu bieten;
Nur der Schwache sinkt im Krieg,
Doch den Starken krönt der Sieg.
So ist es bestimmt auf Erden,
Tugend muß geprüft dort werden.
Dies ist auch Alzindens Los;
Doch ihr Lohn unendlich groß,
Denn sie wird ein Beispiel geben,
Wie der Mensch gelangt im Leben
Durch die Qual der tiefsten Leiden
Zu dem Ziel der höchsten Freuden,
Die ein groß Bewußtsein schenkt.
Drum gehe in Erfüllung Moisasurs Spruch,
Und Edelmut, den er verdammt, besiege seinen Fluch.
Unmögliches hat er von ird'scher Kraft begehrt,
So werde er nun auch durch den Erfolg belehrt;
Daß Tugend, wenn sie gleich im Staub sich windet,
Hoch in den Wolken ihren Retter findet.
Zu diesem, sprach er, will ich dich nun weihn,
Und deinem Wink die Kraft verleihn,
Daß jedes Wesen, so die Erde hegt,
Was sich in ihr, und was sich auf ihr regt;
Die Bewohner dunkler Klüfte,
Wie die Geister blauer Lüfte,
Deinem Rufe untertänig;
Ja, daß selbst des Todes König,
Sprichst du meinen Donnergruß,
Deinem Rufe folgen muß.
Also sprach der große Meister,
Preiset ihn, ihr Tugendgeister.
(Alle knien nieder und beugen ihr Haupt.)
Genius.
Ich will, um das Schiff zu lenken,
In Hoanghus Seele senken
Meiner Prüfung forschend Blei,
Ob sein Lieben tief auch sei.
Ihr verrinnet in die Lüfte,
Hüllet euch in Blumendüfte,
Lindert in Alzindens Herz
Der Verzweiflung wilden Schmerz.
(Die Geister verschwinden.)
Neunzehnte Szene.
(Indische Gegend.)
Seitwärts Hoanghus Zelt, zwischen Palmen aufgehangen, er ruht darin. Der Wolkenthron, auf welchem der Tugendgenius steht, verwandelt sich in einen hohen Fels.
Genius (auf dem Fels).
Unter jenem Palmenzelt
Ruhet Indiens edler Held;
Traumgott, du magst niedersteigen
Und Alzindens Los ihm zeigen.
Musik. Wolken sinken, es wird Nacht. Der Traumgott tritt in Hoanghus Zelt, beugt sich über sein Haupt, und indem er seine Stirne mit der einen Hand berührt, zeigt er mit der anderen auf die Hinterwand und bleibt in dieser Stellung, bis der Traum vorüber ist. Die Wolkendecke löst sich, man sieht in einer hellbeleuchteten Gegend am Meere, auf einem mit Blumen besäten Hügel Alzinden mit einem Siegeskranz in der Hand, ihren Gemahl freudig erwarten. Siegesmarsch erschallt. Eine Gestalt, wie die Hoanghus, von Kriegern begleitet, landet auf einem Schiffe, springt freudig ans Land, eilt auf Alzinden los und streckt die Arme aus. Plötzlich verwandelt sich der Hügel in einen schroffen Fels, auf dem Alzinde in der Gestalt eines alten Weibes sitzt und ihre dürren Arme nach Hoanghu streckt, welcher entsetzt zurückschaudert. Moisasur grinst mit hohnlächelndem schadenfrohen Antlitz, mit halbem Leibe, aus Wolken herab auf die Gruppe. Die indische Gegend und der Traumgott verschwindet. Die Musik endet leidenschaftlich. Hoanghu springt erschrocken vom Lager auf. Es wird Tag.
Hoanghu. Fort von mir, verruchter Traum, der seine Schreckensbilder auch nach dem Erwachen zeigt, willst Hoanghu du ermorden? Was klammerst du dich so an meine Phantasie?—Laß los! (Reißt erzürnt das Schwert aus der Scheide und haut in die Luft.) Träume sendet uns die Sonne, darum glaub' ich ihrem Wink. Götter, sendet mir ein Zeichen, ob euch dieser Traum gehört? oder ob die gift'ge Spinne Moisasur ihn gewebt? Doch was brauch' ich hier zu fragen in dem antwortlosen Wald, ich will meine Frage stellen an die Überzeugung selbst. (Es donnert.) Ha, des Donners Warnungsstimme spricht, der Schreckenstraum ist wahr. Auf, ihr Krieger, reißt die Zelte nieder, kündigt den Gehorsam auf dem Schlaf. (Alarm, alles greift erschrocken zu den Waffen, Krieger und Häuptlinge erscheinen auf der Bühne.)
Zwanzigste Szene.
Voriger. Häuptlinge. Krieger.
Ein Häuptling. Was befiehlst du, großer König?
Hoanghu. Ordne schnell dein ganzes Heer. Siehst du meines Reiches Grenze? (Deutet in die Szene.) Nach der Hauptstadt ziehen wir, denn ein Traum hat mir verkündet, meiner Gattin droht Gefahr. Schnell, wie ihr den Feind verfolget, so verfolget jetzt die Zeit. Eure Waffe sei die Eile, haut damit den Tag in Stücke, metzelt Stunden zu Minuten, daß in wenigen Sekunden ihr Alzindens Antlitz schaut. Darum zeigte uns der Morgen rotgeweinte Augenlider, netzt' die Erd' mit blut'gem Tau—seine Tränen flossen um mein Weib. Brechet auf, und welcher Bote mir den Flug des Pfeils beschämt, wer am Tore meiner Hauptstadt mit der Nachricht von Alzindens Leben freudig mir entgegeneilt, dem lass' einen Turm ich bauen in des Reiches schönstem Teil; und was von seinen goldnen Zinnen überschaut sein gierig Auge, schenk' ich ihm als Eigentum. (Alles ab.)
Einundzwanzigste Szene.
Genius der Tugend tritt vor.
Genius.
O könnten doch alle die lieblichen Frauen
Dies seltene Beispiel von Männertreu' schauen,
So würde in aller Brust ein Wunsch nur sein;
O könnt' ich doch auch einen Hoanghu frein.
Und könnten die Männer, die nicht so gewesen,
In Hoanghus Busen den Lohn dafür lesen,
So würd' aus dem flatternden Männerverein
Die Tugend sich manches Bekehrten erfreun.
(Ab.)
Zweiundzwanzigste Szene.
(Kurzer Palmenwald.)
(Drei Schritte von der Kulisse steht frei in Form eines hohen drei
Schuh breiten Monuments ein Grenzstein von weißem Marmor, mit der
Aufschrift: Grenze von Hoanghus Reich.)
Karambuco, ein indischer Krieger, ohne Waffen, läuft herein, hinter ihm am Felle festhaltend, keucht Ossa sein Weib, sie ist mit einem Bündel beschwert.
Karambuco (ruft noch in der Kulisse). Laß mich los, du entsetzliches Weib. (Tritt auf.) Was willst du denn von mir, du Drachenzahn, ich muß ja laufen, daß die Sohlen brennen.
Ossa (hält ihn fest). Du kommst mir von der Stelle nicht, bis du mir sagst, was du für ein Geheimnis mit dir trägst. Du bist ein falscher Mann, du entlaufst dem Heer und deinem Weib. Du hast etwas verbrochen. (Boshaft.) So sag' mir's doch.
Karambuco. O Götter, leiht mir einen Pfeil, daß ich ihre Sucht umbringe, mich zu halten. Sonne, brenn' ihr beide Arme ab! Ich muß ja fort, es ist ein Preis gesetzt, wer unserm König Nachricht bringt, ob seine Gattin lebt.
Ossa. Das lügst du, unverschämter Mann, da hab' ich nicht ein Wort davon gehört.
Karambuco. Weil du geschlafen hast.
Ossa. Ich schlafe nie.
Karambuco. Der Satan wacht in dir. Da komm' ich eh' von einer Riesenschlange los, als von dem Weib, ich muß mich gar aufs Bitten legen. (Kniet sich nieder, sie läßt das Kleid los und hält ihn an den Händen, sie knien einander gegenüber.)
Karambuco. Liebe Ossa, laß mich los.
Ossa. Ich kann nicht, lieber Karambuco.
Karambuco (springt erzürnt auf, sie mit ihm). Verwünschtes Weib, was willst du denn?
Ossa. Was du nicht willst, verwünschter Mann.
Karambuco. Geh!
Ossa. Steh!
Karambuco. Ich schlag' dich tot.
Ossa. Du kannst ja nicht, ich halt' dich ja.
Karambuco. Das ist ein Riesenweib, sie bricht mir die Hände entzwei. Erinnere dich an deine Pflicht.
Ossa. Des Weibes Pflicht ist, festzuhalten an dem Mann; ich halte fest.
Karambuco. Ich komm' nicht aus mit ihr, und nicht davon. Da bring' ich eher einen Elefanten durch ein Nadelöhr, als dieses Weib zu ihrer Pflicht. O meine Aussichten—was hätt' ich auf dem Turm für schönes Land gesehn; jetzt seh' ich nichts, als dieses häßliche Gesicht. Doch wart', du sollst mich kennen lernen; nimm dich zusammen, Karambuco! fort mit dir, du Drachenweib! (Er schleudert sie mit Gewalt von sich, so daß sie über den Grenzstein fliegt und in einer drohenden Stellung gegen ihn auf die Erde fällt. Sie wird in dieser Attitüde zu einem grauen Stein, als ausgehauene Figur.) Was ist das? bin ich versteinert, oder ist's mein Weib? Diesmal ist sie's. Götter, was habt ihr für Wunder getan! Dieses Weib zum Schweigen zu bringen, da gehört etwas dazu. (Springt vor Freude.) Götter, die Freud', mein Weib ist von Stein. Ha, jetzt hab' ich Mut, jetzt schmäl' ich sie recht. Du Hydra, du Drache, du indische Mumie! (Freude.) Sie kann nichts sagen, o glückliche Ehe! Jetzt freut's mich erst, daß ich verheiratet bin.—So rede, wenn du dich traust, schlag, wenn du kannst, beiß, beiß. (Springt.) Ihr Götter, ich dank' euch, sie kann nimmer beißen! O du steinerne Bosheit, wie bist du so gutmütig jetzt. Wenn doch mancher Mann die Macht besäße, der Beredsamkeit seiner Frau so ein versteinerndes Halt zuzurufen, da kämen oft herrliche Statuen heraus. Doch ich verplaudere die Zeit und soll sie verlaufen. Leuchte mir, Sonne! (Er stellt sich zum Laufen an.)
Stimme des Genius. Tritt nicht auf diesen Boden, er verwandelt dich in Stein.
Karambuco. Bitt' um Vergebung, da spiel' ich den Krebs. (Geht rückwärts.) Also der Boden versteinert? —Da scheid' ich von ihm. —Doch, was seh' ich, was fällt mir jetzt ein! Mein ganzes Vermögen, was ich erspart und gestohlen, alles ist hin, sie hat alles im Sack und im Bündel da drin. Alles ist Stein, Weib und Vermögen versteinert—ich hab' alles verloren, und bin doch ein steinreicher Mann.
Dreiundzwanzigste Szene. Indischer Marsch in schnellem Tempo. Hoanghu eilt an der Spitze seines Heeres herein. Karambuco kniet sich vor ihm nieder und hält ihn auf.
Karambuco. Großer König, bleib zurück.
Hoanghu. Aus dem Wege, Sklave, flieh! (Stößt ihn von sich.)
Karambuco (umklammert seinen Fuß). Bei der ew'gen Sonne, bleib zurück, ein einz'ger Schritt bringt Tod. Sieh hier mein marmorerblichenes Weib. Dieser Boden lithographiert. Wer ihn betritt, den zieht er als Steinabdruck heraus. Laß dein ganzes Heer einziehen, und du wirst jeden Krieger durch ein Monument verewigen.
Hoanghu. Zurück, du Mörder, der durch Warnung tötet, diese Grenze schließt Alzindens Unglück ein. Ohne sie kann ich nicht glücklich sein, und jedes Schicksal will ich mit ihr teilen. Nicht außer diesem Reiche steht mein Leben, es ist in ihm, in ihr; ich trag' es nicht hinüber, kann es nimmer retten, weil's mit ihr vergeht. Weg mit der Schale, wenn der Kern verloren ist. Ist Alzindens Herz versteinert, ist's doch meines nicht, und sucht ihr Grab. Mein ist dies Reich, und wenn's mit Unglück kämpft, so darf der König auch nicht fehlen. Folg', wer will. (Will über die Grenze.)
Vierundzwanzigste Szene.
Genius der Tugend tritt ihm entgegen. Vorige.
Genius. Zurück, Hoanghu, ich befehl' es dir.
Hoanghu. Wer bist du, Lichtgestalt?
Genius. Ich bin die Tugend, deiner Gattin, deines Landes Schutzgeist. Deine Gattin hat in deinem Reich mir einen Tempel auferbaut, drum hat Moisasur sie verflucht, wie sie dein Traum gemalt, so lang, bis die Unmöglichkeit erfüllt, die zur Bedingung er gesetzt.
Hoanghu. Das heißt, die Ewigkeit mit anderem Namen nennen.
Genius. Alles kann die Gottheit wenden, und zum Werkzeug hat sie dich ersehen. Die höchste Probe hast du diesen Augenblick bestanden. Du kannst Reich und Gattin retten, weil du dein Leben unter deine Liebe stellst.
(Genius winkt: Die Gegend verwandelt sich in einen Wolkenhain. Die Statue der Tugend, vor ihr ein Opferaltar. Die Geister der Tugend in Gruppen, im Hintergrunde eine große diamantene Sonne.)
Genius. Schwöre hier, am Weihaltar der Tugend, auf ihrer Lilie heil'gen Kelch, daß du ihr jedes Opfer bringest, wenn sie es gebeut.
Hoanghu. Ich schwör's, und wenn ich breche meinen Eid, so soll die Quelle meinem Durst versiegen, der Baum die Früchte selbst verzehren; so will ich König sein in menschenleerer Wüste, will schlaflos mich im heißen Sande wälzen, und wenn mein Leib an solcher Glut vergeht, soll die Sonne meinen Geist aus ihrem Reich verbannen, und Moisasur ihn an seine Ferse heften.
(Hoanghu kniet, der Genius berührt sein Haupt mit der Lilie.)
Genius.
So will ich dich durch dieser Lilie Kraft,
Die alles Edle und Erhabne schafft,
Zum Retter deiner Gattin weihn.
In des Abends sanften Schein
Wirst du wieder mich erblicken,
Und auf leichter Wolken Rücken
Schweb' ich mit dir eilig fort,
Bis wir landen an dem Ort,
Wo in unbekannter Ferne,
Durch die Macht der bösen Sterne,
Deiner Gattin Leiden weilen.
Doch jetzt muß ich von dir eilen
Und des Abgrunds Tiger wecken,
Er muß seine Klauen strecken
Nach der Tugend Lilienbrust;
Bis wir sie mit Götterlust
Allem Ungemach entrücken,
Sie an unsern Busen drücken
In beglückter stolzer Ruh';
Nun leb' wohl, mein Hoanghu.
(Genius fliegt ab.)
Ende des ersten Aufzuges.
Zweiter Aufzug.
Erste Szene
In Alpenmarkt. Vorsaal im Landhause des Juwelenhändlers Rossi.
Der Hausinspektor Hänfling tritt auf mit Hausbedienten; höchstens
sechs.
Hänfling.
He, ihr Leute, schnell zur Hand!
Eure Pflicht ist euch bekannt,
Seid geschäftig, übt sie aus,
Denkt, die Herrschaft ist zu Haus.
Chor.
Wir sind willig, rüstig, flink,
Und gehorchen Eurem Wink.
Hänfling. Der gnäd'ge Herr ist nicht auf einige Tage aus der Stadt herausgefahren, er wird diesmal drei Monate in seinem Landhaus hier verweilen; darum nehmt euch zusammen, stoßt eure Bequemlichkeit in die Rippen, seid flink, damit er sieht, daß ich auf Ordnung halte, als Inspektor. (beiseite.) Wenn er fort ist, kann ich euch manchmal durch die Finger sehen, doch so lang er hier ist, muß ich euch auf die Finger klopfen. (Laut.) Habt ihr mich verstanden?
Alle (schreien). Ja.
Hänfling. So schreit nicht so und packt euch fort an eure Arbeit. Und wenn der gnäd'ge Herr frägt, wie man im Hause hier mit meiner Anordnung zufrieden ist, so antwortet als treue Diener Wahrheit und sagt, was ich seit vierzehn Tagen jedem eingelernt: Unser Herr Inspektor ist ein Engel. Dies merket euch, geht eures Wegs und bleibt fein dabei stehen.
Ein Bedienter. Wir gehen unsres Wegs und bleiben dabei stehen.
(Ab.)
Zweite Szene.
Hänfling (allein). Für mich gibt's nichts Bequemeres auf der Welt, als das Befehlen; fast jeder hat Talent dazu, der Mensch ist ein geborner Kommandant, am besten seh' ich das bei meiner Frau. Ich für meinen Teil, wenn ich nicht Inspektor wäre, ich würde mir wenigstens einen Jagdhund halten, damit ich zu ihm sagen könnte (es wird geklopft) Herein!
Dritte Szene.
Voriger. Gluthahn. Alzinde.
Gluthahn (hat Alzinden an der Hand, geht zur Türe herein). Euer
G'streng' verzeihen, ich möcht'—(zu Alzinden.) So geh herein,
mein liebe Alte, laß dich nicht so ziehen, es nützt dich nichts.
(Zieht Alzinden herein.)
Alzinde. Sklavin bin ich eines Sklaven.
Hänfling. Nun, was ist das für ein Auftritt? was will das
Lumpenpack?
Gluthahn. Werden Euer G'streng' nur nicht gar so ungnädig, ich bin der alte Gluthahn von der Windalm hint', und möchte gern mit dem gnäd'gen Herrn vom Haus hier reden; er kennt mich schon, ich bin sein Holzlieferant, und wenn er unsre Alm besteigt, so bleibt er bei mir über Nacht.
Hänfling (für sich). Das ist eine Bettelei. (Laut.) Er ist nicht hier.
Gluthahn. Ei jawohl, ich hab' ihn ja am Fenster g'sehn.
Hänfling. Er ist doch nicht hier, und wenn Er ihn an allen
Fenstern zugleich gesehen hätte.
Gluthahn. Ja so—(Heuchlerisch.) Bitt' gar schön, Euer G'streng', erlauben S' ihm's, daß er hier sein darf.
Hänfling. In solchem Anzug lass' ich niemand vor. Was hast du mit dem Weibe da, was drückst du ihr die Hände so zusammen?
Alzinde (welcher Gluthahn mit der linken Hand beide Hände zusammenklammert und sie so hält, spricht unruhig). O Fremdling, nimm dich meiner an.
Gluthahn (heimlich zu ihr). Wann's du was sagst zu ihm, ich bring' dich um.
Alzinde (reißt sich los von ihm und stürzt zu Hänflings Füßen).
Laß mich—(zu Hänfling) Fremdling, höre mich.
Hänfling (stößt sie von sich). Was willst du, schmutz'ge Bettlerin?
Alzinde (steht plötzlich stolz auf). Nichts von dir, gar nichts, Freund. Ich habe dich verkannt. (Setzt sich in einen Stuhl und seufzt.) Ach! (verhüllt ihr Antlitz.)
Gluthahn (schadenfroh). Das ist dir recht g'sund.
Hänfling. Was will das Weib?
Gluthahn. Mit Ihrem gnäd'gen Herrn möcht' s' reden.
Hänfling. Das kann nicht sein, packt euch jetzt fort, er ist nicht hier.
Gluthahn. Er wird gleich kommen. Euer G'streng' haben ein kaltes Gemüt, ich seh's schon, ich werd' Euer G'streng' so sechs Stoß harts Holz hereinführen, das gibt eine rechte Glut, da taut der Mensch schon auf. (Fein.) Euer G'streng', mir scheint, ich hör' ihn reden drin, auf die Letzt ist er doch zu Haus.
Hänfling. Das ist nicht möglich. (Geht an die Tür und sieht hinein.) Meiner Seel, er ist zu Haus. Wie man sich irren kann. Ich will jetzt für Ihn sprechen; doch, daß Er sich nicht untersteht und schickt mir einen Splitter Holz, ich lass' mich nicht bestechen. Wenn Er es morgen bringen will, so lass' Er sich den Keller zeigen und leg' Er es hinein, ich will nichts davon wissen. (Abgehend.) Das ging mir ab, das wär' nicht schlecht. (Ab.)
Gluthahn. Ah, ist ein Ehrenmann, der Herr Inspektor, aber so sechs tüchtige Stöße, die bringen einen schon vorwärts bei ihm. Nun, was schaffst denn du, mein altes Kapital?—Wenn ich s' nur zum Weinen bringen könnt'.
Alzinde. Mensch, was hast du mit mir vor? Welch böser Geist bestimmt dich, so an mir zu handeln?
Gluthahn. So sei nur nicht so kindisch, liebe Alte, du verkennst mein Herz, ich mein's ja gut mit dir, du kriegst das schönste Leben. Sei still, der gnäd'ge Herr.
Vierte Szene.
Vorige. Rossi.
Rossi. Ah, mein alter Gluthahn, was bringt Ihn zu mir?
Gluthahn (küßt ihm die Hand). Ich küss' die Hand, Euer Gnaden, vieltausendmal.
Rossi. Wie geht's zu Haus, was macht die Frau?
Gluthahn. I mein, allweil kränklich ist sie halt!
Rossi. Nu, da muß Er Geduld mit ihr haben.
Gluthahn. I du lieber Himmel, mein Herz, Euer Gnaden wissen's ja, wir leben, wie die Kinder, ich gib ja acht auf sie, wie auf mein' Augapfel. Was s' braucht, das hat s', ich opfre mich ganz auf für sie.
Rossi. Brav, das macht Seinem Herzen Ehre. Wer ist denn diese
Alte da?
Gluthahn. Das ist ein ganz besondres Weib, Euer Gnaden, ein solches hat noch nie g'lebt. (Zu Alzinde mit falscher Freundlichkeit.) Geh, setz' dich nieder, liebe Alte. (Führt sie an einen Stuhl, dann heimlich zu Rossi.) Die möcht' ich gern an Euer Gnaden verkaufen.
Rossi. Das alte Weib? das wär' ein schöner Kauf.
Gluthahn. Die ist vernünftiger als eine Junge,—wenn eine Junge weint, so braucht sie etwas, und wenn die Alte weint, so bringt s' noch etwas. Das alte Weib weint Diamanten.
Rossi. Diamanten? Bist du ein Narr?
Gluthahn. Versteht sich, in mein' Sack; Euer Gnaden werden's gleich sehen, ich lasse s' jetzt Prob' weinen, augenblicklich. Euer Gnaden rechnen aus, was die ganze Weinerei wert sein kann, geben mir alle Jahr einen Teil davon, kein Mensch braucht was zu wissen, und der Handel ist geschlossen.
Alzinde (die gehorcht). Entsetzlich!
Rossi (beiseite). Der Kerl ist ein Betrüger. (Laut.) Wie kommst du zu dem Weibe?
Gluthahn. G'funden hab' ich sie drauß im Wald.
Alzinde (springt auf). Du lügst, der Bösewicht hat mich geraubt.
Rossi. Welch' jugendliche Stimme, welche Haltung?
Gluthahn (heftig). Bist still, du—(Faßt sich plötzlich.) Setz' dich nieder, liebe Alte. (Zu Rossi.) Mein, s' ist verrückt, sie weiß nicht, was sie redt; das macht Euer Gnaden nichts; wenn s' auch dumm redt, wenn s' nur vernünftig weint.
Rossi (beiseite). Ich muß klar sehen in der Sache. (Laut.) Gut, überzeuge mich von deinen Worten, wir wollen sehen, was zu machen ist.
Gluthahn. Euer Gnaden kaufen s' also? Hollah! jetzt geht's recht.
Jetzt nimm dich zusammen, Alte, wein', was Zeug hält.
Rossi. Weint sie denn, so oft sie will?
Gluthahn. Nu, das will ich hoffen, das ist ihr schönste Unterhaltung. Nicht wahr, mein' liebe Alte, du weinst uns schon ein Stückl, kriegst hernach einen Zucker. Nicht wahr, Euer Gnaden, ein' Zucker. (heimlich zu Rossi.) Auf den Zucker geht s' wie ein Kanari.
Alzinde (steht auf). Gemeiner Sklav', auf den die Sonne mit Verachtung schaut, und dessen Anblick mein Gefühl empört, wie hoffest du ein Aug' zu finden in der Welt, das sich mit Tränen für dich füllt? Für dich darf keine Träne fließen, selbst an deinem Sarge nicht, denn die Götter sind gerecht.
Rossi. Welch eine edle Sprache führt dies Weib!
Gluthahn. Sie ist närrisch, Euer Gnaden; sie weint uns doch noch.
Alzinde. Ich habe dich gelabt, und du hast unbarmherzig mich gebunden und hierher geschleppt.
Gluthahn. Ist alles erlogen, Euer Gnaden, mein Herz laßt so was gar nicht zu.
Rossi (beiseite). Sonderbarer Vorfall.
Gluthahn. Jetzt frag' ich dich zum letztenmal, ob du weinen willst? (beiseite.) Wenn ich sie nur recht kranken könnt'. (Laut. ) Da schauen s' Euer Gnaden nur an, wie erbärmlich sie nur dasteht, diese miserable Figur. Die rote Nase und die hunderttausend Falten, als wenn s' für jede Sünd' ein Strichel hätt' im G'sicht. Und Augen hat s' als wie eine Katz'. Pfui Teuxel! (boshaft lachend.) Ha, ha, ha, ich tät' mich schämen. (Leise zu Rossi.) Helfen Euer Gnaden mit, machen wir sie marb', damit sie weint.
Rossi (empört beiseite). Das ist ein niederträchtiger Bube, kaum halt' ich mich zurück.
Alzinde (ergreift Gluthahns Hand und spricht mit Würde). Komm her, es lohnt die Müh', dich näher zu betrachten. Sag' mir, bist du denn wirklich ein Geschöpf, gebaut in seinem Innern, wie der edle Mensch? O Sonne, sende deinen Blitz und spalte diese Felsenbrust, damit mein Blick zu seinem Herzen kann gelangen, ob es die Form hat eines menschlichen?—Götter, stärket meinen Geist, damit ich mich an eurem Werke nicht versünd'ge und diese Menschen hier für redende Hyänen halte.
Rossi. Wenn so der Wahnsinn spricht, tausch' ich meinen Verstand dafür ein.
Gluthahn. Das ist ein schreckliches Weib, ich komm halt nicht zum Zweck! Wenn du mir jetzt nicht weinst, so nimm ich dich mit fort und sperr' dich ein, so lang du lebst. Sieh meinen Zorn, schau her, er brennt, Wasser brauch' ich, lösch', lösch', mit zwei Tropfen kannst dich retten. Nicht? so komm mit mir, in den tiefsten Keller wirf ich dich hinunter, kein' Sonn' soll auf dich scheinen mehr. (Er will sie fortziehen.)
Rossi (springt dazwischen). Laß sie los, du Schurke! (Packt ihn an der Brust und schleudert ihn von ihr, springt an den Glockenzug und reißt heftig an, man hört stark läuten, zwei Bediente springen augenblicklich herein. Rossi sagt einem heftig etwas ins Ohr, worauf der Bediente schnell abläuft.)
Rossi (stark). Augenblicklich, hörst du, schnell!
Alzinde (wie rasend, sinkt auf die Knie). Sonne, wenn in diesem Augenblick du deinen Donner schmettern willst auf dies verräterische Haupt, so rufe ihn zurück, und lasse meine Stimme dafür gelten, damit du sie auf deinem Throne hörst. Straf' nicht durch Tod, vielleicht ist er noch zu bekehren; durch Reichtum strafe seine Habgier; setz' ihn auf eine öde Insel hin, doch außer dieser Welt, damit sein Rufen nicht zu dir, nicht zu den Menschen dringt. Dort wohne er in einem silbern' Haus, mit einem Dach von Edelstein; schenk' ihm ein Kornfeld, das von goldnen Ähren strotzt, damit sein Geiz sich daran labe. Jede Blume, jedes Laub sei von Smaragd, die Früchte von Rubin, die Bäche von Kristall, damit ihn nichts erquicke, als ihr Anblick. Dann lasse wüt'gen Hunger in sein Eingeweide ziehn, den Durst von Fischen, die auf trocknem Land vergehn, bis er ermattet niedersinkt auf sein smaragdnes Grab, und seine Zunge lechzt nach einem Tropfen Tau; dann erst erfülle seinen jetz'gen Wunsch, und ström', statt milden Regens, diamantnen Hagel auf sein eigensinnig Haupt, damit er fühlt, wie unglücklich der Überfluß an Reichtum macht und von dem Wahn genest, der ihn zum Bösewicht geprägt. (Strebt die Arme gen Himmel.) Sonne, höre mein Gebet.
Rossi. Abscheulicher Auftritt!
Fünfte Szene.
Vorige. Bediente. Vier Gerichtsdiener.
Bedienter. Die Wach' ist hier.
Rossi. Ergreift sie beide, diesen Bauer und dies Weib, vors Gericht mit ihnen, unterdessen geh' ich zum Justiziär. (Schnell ab. )
Gerichtsdiener (beide ergreifend). Fort mit euch!
Alzinde (freudig). Die Götter sind gerecht!
Gluthahn. So kommt man mit sein' guten Herzen an!
(Alle ab.)
Sechste Szene.
(Das Reich der Vergänglichkeit.)
(Der Vordergrund ist eine finstere Säulenhalle aus schwarzem Marmor. Rechts von der Bühne das kolossale eherne Eingangstor zum Palaste des Genius der Vergänglichkeit. Im Hintergrunde wogt ein dunkelblaues Meer, magisch erleuchtet. An seinem Ufer steht auf einem dunklen Felsstücke ein grauer Schatten und schaufelt Lorbeerkränze, Kronen, Myrtenkränze, Perlen, Schmuck, Geldsäcke, Poesien usw., die auf einem Haufen liegen, langsam in das Meer. Quer über die Bühne begrenzen es als Hintergrund schwarze Zackenfelsen, und über diese leuchtet in der Ferne die Morgenröte der Ewigkeit hervor. Von diesem Punkte aus hört man leis ertönend einen Chor von Genien.)
Chor.
Heil dem ew'gen Himmelslichte,
Heil dem unnennbaren Geist,
Heil, Heil, Heil!
(Der Genius der Tugend tritt mit dem Lilienstengel unter dem Schluß des Chores von der linken Seite ein.)
Genius. Niedersteig' ich zu Alzindens Rettung in dies lichtberaubte Reich, und begrüß' zum erstenmal das schaurige Gestade dieses unermessnen Meeres, Vergänglichkeit genannt. Sag' an, du fleißiger Geselle, was schaufelst du dort auf und senkst es in den Grund des Meeres?
Schatten (mit dumpfer Stimme). Lorbeern sind's und eitle Schätze, so die Welt für unvergänglich hält.
Genius der Tugend. Und wo haust der düstre Krösus dieser Gruft, der stolze Erbherr alles Seins?
Schatten. Er sitzt dort in jener Marmorhalle, sinnend auf den
Untergang der Zeit.
(Der Schatten entfernt sich über den Fels in die Szene.)
Genius der Tugend. So will ich ihn aus diesem Traum erwecken, der verderbenbringend ist.
Siebente Szene.
Dumpfe Musik. Eine Schar Geister, in graues faltiges Gewand
gehüllt, mit Sensen, zieht über die Bühne, und spricht folgenden
Chor:
Chor.
Lustig vorwärts, muntre Brüder,
Denn die Zeit steht nimmer still.
Genius der Tugend. Sag' an, wo eilst du hin, du nächtlich wildes
Chor?
Erster Schatten.
Wir sind ein lustig Schnittervolk
Und ziehen nach der Welt.
Fleißig sind wir Tag und Nacht,
Mähen Jung und Alt.
Genius. Und seid ihr froh bei solchem Dienst?
Erster Schatten. Wir haben einen harten Herrn, der niemals freundlich blickt, doch sind wir fröhlich, herzensfroh. Lustig, Kinder, auf die Welt. Es leb' die Pest! Es leb' der Krieg!
(Sie ziehen ab, Raben fliegen hinten drein: Qua, qua!)
Genius der Tugend. Zieh hin, du grauser Bienenschwarm, bring' Lebenshonig heim, ich suche deinen Weisel auf. (Er schlägt dreimal mit der Lilie an das Tor, bei jedem Schlag ertönt es mächtig von innen.) Heraus aus deinem finstren Haus, du Schreckensfürst, der die Vernichtung in dem Wappen führt.
(Die Pforte springt donnernd auf, der Genius der Vergänglichkeit
tritt heraus, ein finstrer stolzer Mann, trägt lange schwarze
Tunika, er hat ein bleiches Antlitz, schwarzes Lockenhaar, keinen
Bart, eine eherne Schlange um das Haupt.)
Achte Szene.
Genius der Tugend und Genius der Vergänglichkeit.
Genius der Vergänglichkeit. Wer gab dir Macht, an diese Pforte anzuschlagen?
Genius der Tugend. Ich grüße dich, du Riesenengel, dem die Welt erbebt, und der sie einst mit ehrner Faust zerschlägt.
Genius der Vergänglichkeit. Was willst du hier? Warum erglänzt dein Strahlenleib in diesem Tal der Finsternis?
Genius der Tugend. Siehst du über jenem Zackenfels, der dunkeln
Grenze deines Moderreichs, die ew'ge Morgenröt' erglühn? Dort ist
der Tugend Vaterland, der Thron des großen Geists, und ich ein
Bürger seines Staats.
Aus dem hohen Wunderland
Bin ich zu dir hergesandt;
Du sollst von Moisasurs Bann
Indiens Herrscherin befrein.
Nur in deinen Armen kann
Sich ihr Lebensglück erneun.
Genius der Vergänglichkeit.
Sprichst du irre, kannst du hoffen,
Leben aus dem Tod zu ziehn?
Stehn der Hölle Himmel offen?
Macht Verwesung Blumen blühn?
Genius der Tugend.
Ich will heut ein Schauspiel geben,
Dem sich keines noch verglich;
Wo der Tod gewinnt das Leben,
Diese Rolle lehr' ich dich.
Genius der Vergänglichkeit.
Willst du mich zum Gaukler dingen,
Mich, den allgewalt'gen Tod?
Genius der Tugend.
Ich will dich zur Milde zwingen,
Durch des Himmels Machtgebot.
Genius der Vergänglichkeit.
Wer sagt, daß ich schrecklich bin?
Um sein Leben zu verbittern,
Stellt der Mensch mit bangem Zittern
Düstre Bilder von mir hin.
Schrecklich bin ich nur den Bösen,
Doch den Guten bin ich's nicht!
Bin ein Wort von ernstem Wesen,
Das Bestimmung zu ihm spricht.
Doch wie kannst du's, Lichtwurm, wagen,
Zu befehlen mir, dem Tod?
Genius der Tugend.
Dies wird dir dein Meister sagen,
Der dort thront im Morgenrot.
(Schrecklicher Donnerschlag.
Eine Stimme ertönt von oben.)
Gehorche, Sklav!
Die Ewigkeit befiehlt.
Leiser Chor der Genien.
Heil! Heil! Heil!
Genius der Vergänglichkeit.
Sturmesworte hör' ich sausen,
Widerstand ist mir geraubt,
Und vor seines Donners Brausen
Beug' ich mein gekröntes Haupt.
(Kniet und beugt sein Haupt.)
Genius der Tugend (seinen Blick erhebend).
Laß mich deine Strahlen küssen,
Sonne, die du es gefügt,
Daß der Tod zu meinen Füßen,
Wie ein Lamm geschmeidig, liegt.
Genius der Vergänglichkeit (steht auf).
Dein Befehlen zu vernehmen,
Lad' ich, Seraph, dich ins Haus;
Willst du dich dazu bequemen,
Eil' ich deinem Schritt voraus.
(Bleibt in erwartender Stellung.)
Genius der Tugend.
Komm, du Herrscher finstrer Geister,
Führ' mich in dein nächtlich Haus,
Dort verleugn' in dir den Meister,
Zeichne dich als Schüler aus;
Zeig' dem Laster, das der Jugend
Leben stiehlt mit arger List,
Daß die Kraft der edlen Tugend
Über dich erhaben ist.
(Genius der Tugend geht voraus. Genius der Vergänglichkeit folgt.)
Neunte Szene.
(Gerichtssaal in Alpenmarkt.)
Der Amtmann, ein Aktuar und Rossi treten ein.
Amtmann. Das ist ein ganz besondrer Vorfall. Den Gluthahn kenn' ich schon, das ist der abgefeimtste Schurke, den ich je gesehn, da muß man rasch verfahren.
Rossi. Die Zeugen kommen uns gerade recht, sie beschleunigen die
Sache.
Amtmann. Wollen Sie sich nicht gefälligst setzen?
Rossi (setzt sich). Danke.
Amtmann (läutet, Gerichtsdiener erscheint). Den Steinbrecher und sein Weib. (Diener ab.) Das sind zwei herzensgute Leute, und so gewissenhaft, wie eine Wage; ihrer Aussage kann ich vollkommen glauben.
Zehnte Szene.
Vorige. Hans und Mirzel treten furchtsam ein.
Amtmann. Jetzt kommt her, ihr guten Leute, und gebt genau und umständlich zu Protokoll, wie sich die ganze Sache zugetragen hat. (Zum Aktuar.) Setzen Sie Ihre Feder in Bewegung.
Hans. Sehr wohl, Euer Gnaden, Herr Amtmann! Sehen Euer Gnaden, Herr Amtmann; Mein liebs Weiberl da will nicht gern auf in der Früh', da hab' ich den Morgen zu ihr g'sagt; liebe Mirzel, steh doch auf, wir müssen dem Herrn Amtmann die Steuer nach Alpenmarkt tragen. Da sagt sie ja und kehrt sich nochmal um
Amtmann. Ja, lieber Freund, das dauert mir zu lange.
Mirzel. Euer Gnaden, Herr Amtmann verzeihen, daß ich so mitten ins Protokoll hineinfall', aber was mein Mann zusammenredt, das begreift kein Mensch, viel weniger der Herr Amtmann, mit Respekt zu sagen.—Die Sach' war so: Wie wir gestern morgen dem Herrn Amtmann unsre Steuer bezahlt haben, sind wir auf unsre Alp' zurück, und haben dort das alte Weib bei unsrer Hütte liegen g'funden, ganz betrübt und scheu, weil s' der Gluthahn fortg'jagt hat; endlich haben wir s' getröstet und sie hat uns erzählt, sie wär' eine verwunschene Prinzessin aus—du, wie heißt das Land?
Hans. Aus Indien, hat sie g'sagt, dort hat s', glaub' ich, einen Gemahl und ein Volk. Drauf hat sie uns gebeten, wir möchten sie bei uns behalten und ernähren, sie will uns dafür etwas weinen, und wie mein Weib eine so schöne Schilderung von mir g'macht hat, so hat sie sich an ihren Herrn erinnert und hat in diamantne Tränen in mein' Hut hineing'weint.
Amtmann. Wo hat Er diese Tränen?
Hans. Ich hab' s' im Sack, Herr Amtmann.
Amtmann. Geb Er sie heraus. (Hans gibt sie her—zu Rossi.)
Wollen Sie dieselben wohl besehen?
Rossi. Mit Vergnügen. (Besieht sie.) Das sind echte Diamanten.
Amtmann. Ist das möglich? Diamanten? Gleich ins Protokoll damit.
Vorher nachgezählt, wie viel es sind.
Aktuar. Es sind sechzehn Stück.
Mirzel. D'rauf haben wir das alte Mütterl in unsre Hütten g'sperrt und sind in den Steinbruch hinaus, doch in einer halben Stund' kommt des Gluthahns Weib halbtot und lamentiert, daß ihr Mann mit einem alten Weibe auf dem Wagen über Stock und Stein davon g'fahren ist, und wir möchten nachlaufen und sehen, was er denn vorhätt'; denn ein Kohlenbauer wär' ihm auf der Alpenmarkt-Straßen begegnet und wie sie so lamentiert, wird ihr nicht gut und sie fallt uns in d' Arm' und stirbt.
Aktuar (hat geendet). Punktum. Sand auf sie.
Hans. Dann haben wir sie zum Bader ins Dorf hinunter 'tragen, und der hat g'sagt, sie wär' am Schlag gestorben.
Mirzel. Dann sind wir nach Alpenmarkt herg'laufen, wo wir vor einem Haus dem Gluthahn sein Leiterwagen stehen g'sehn haben, und da haben wir einen Herrn g'fragt, der die Pferde g'halten hat, ob der Gluthahn bald kommt; so sagt der, er kommt gleich, er ist im Arrest. Darauf sind wir zum Herrn Amtmann gegangen, und das ist die ganze G'schicht'.
Amtmann. Könnt ihr darauf schwören?
Hans. Herr Amtmann, alle Tag'.
Mirzel. Und alle Stund', wenn's sein muß.
Amtmann. Tretet seitwärts unterdessen.
(Beide stellen sich auf die Seite.)
Amtmann (zum Gerichtsdiener). Den Bauer. (Diener ab.)
Rossi. Jetzt werden Sie den Heuchler sehen.
Amtmann. Ich kenn' ihn schon.
Elfte Szene.
Vorige. Gluthahn.
Gluthahn (fällt auf die Knie). Euer Gnaden, Herr Amtmann, ich bin unschuldig.
Amtmann. Das wird sich zeigen. Steh auf. Warum bist du hier?
Gluthahn . Weil ich unschuldig bin, Euer Gnaden, Herr Amtmann.
Amtmann. Woher hast du das Weib, das du Herrn von Rossi verkaufen wolltest? Wenn du lügst, wirst du gezüchtiget.
Gluthahn. Der Himmel ist mein Zeug', ich hab' sie im Wald drauß' g'funden und hab' s' herflattiert.
Rossi. Das ist Unwahrheit, ich selbst bin Zeuge, wie das Weib mir sagte, du hättest sie geraubt, gebunden und zu mir geschleppt.
Gluthahn. Mein', mein', Euer Gnaden, wie man das nimmt, mit ein' jedem Weibsbild ist's eine Schlepperei, weil sie nicht so schnell kann gehn, als wie ein Mann, und das ganze Weib kann gegen mich nicht zeugen, die g'hört in' Narrenturm und nicht vors Gericht. Ja, so viel kenn' ich schon, Euer Gnaden, wenn ich auch kein Juri hab' und kein Just nicht.
Amtmann. Also im Walde hast du sie gefunden? Um welche Zeit?
Gluthahn. Um neun Uhr, Euer Gnaden.
Amtmann (zu Hans). Hervor!—Wann hast du das Weib in deiner
Hütte verlassen?
Hans. Um neun Uhr, Euer Gnaden.
Amtmann (zu Gluthahn). Also hast du gelogen?—Gerichtsdiener, he!
Gluthahn (mit Angst). Nein, halten Euer Gnaden, ich hab' nicht g'logen, sie war in der Hütten, aber die Hütten steht ja im Wald, so hab' ich sie ja g'funden im Wald.
Amtmann. Wart', du abgefeimter Schurke.—Du hast sie also aus der Hütte geraubt, auf den Wagen gebunden und hierher geführt?
Gluthahn. Euer Gnaden, das brächet ja mein Herz, ich hab' s' nur auf den Wagen hinauf g'hoben, weil s' all's zu schwach war, das arme Weib, mir hat s' erbarmt; doch bunden hab' ich's nicht, ich werd' doch nicht ein solcher Unmensch sein. Da verdienet ich ja, daß mir Euer Gnaden einen hölzernen Haarzopfen anhängen ließen.
Rossi (zum Amtmann). Was meint er da?
Amtmann. Den Galgen meint er, den er lang verdient. (Läutet.) Den
Kohlenbauer herein.
Zwölfte Szene.
Vorige. Ein Kohlenbauer.
Amtmann. Hast du den Mann gesehen am Ausgange des Waldes, wie er das alte Weib vom Wagen losgebunden hat?
Kohlenbauer. Ja ja, der ist's, den hab' ich g'sehn, gestrenger Herr Amtmann, ich hab' ihm noch zug'rufen, was er da macht, da hat er g'sagt, wenn ich ihn verrat', so schlagt er mich tot. Darauf kann ich schwören.
Gluthahn. Aber Euer Gnaden, das ist a Verschwärzung, wie man s' nur von einem Kohlenbrenner erwarten kann. Losbunden hab' ich s', das ist wahr, doch bunden hab' ich s' nicht.
Amtmann. Wer hat sie denn gebunden?
Gluthahn. Sie hat sich selbst bunden, Euer Gnaden, damit sie nicht herunter fallt, das arme Weib, ich hab' ihr nur meine Halsbinden g'liehn dazu.
Amtmann. Aber du hast ihr doch hilfreiche Hand geleistet, denn selber konnte sie das nicht, das hast du doch getan, nicht wahr?
Gluthahn. Mein, Euer Gnaden, man unterstützt ja doch seinen Nebenmenschen, wenn er so was vorhat, und mein Herz, Euer Gnaden, sie hat mir so erbarmt, g'holfen hab' ich ihr, doch bunden hab' ich s' nicht, das sag' ich gleich im voraus, Euer Gnaden, das wär' gefehlt, das weiß ich schon.
Amtmann (zu Rossi laut). Es scheint doch, daß er unschuldig ist.
Gluthahn (für sich). Ich lüg' mich schon heraus.
Amtmann. Du hast sie dem Herrn von Rossi verkaufen wollen, billig, nicht wahr? Du sagst ja, das ließ' schon dein Herz gar nie zu.
Gluthahn. Ich hab' ein einzig Herz, ich hab' das Weib versorgen wollen, Euer Gnaden, drum hab' ich sie dem gnäd'gen Herrn bracht, und hab' ihn nur um ein Trinkgeld beten. Nicht wahr, mein lieber gnäd'ger Herr? (Leise zu Rossi.) Helfen mir Euer Gnaden, ich schenk' Ihnen meinen besten Acker dafür.
Rossi. Du wagst es, mir solch einen Antrag zu tun, du Schurke? Hast du die Alte nicht in meiner Gegenwart mißhandelt? nicht mit mir abgehandelt und mir ihren Schmerz verkauft? Dich soll man so lange hauen, bis dir Diamanten vor den Augen flimmern.
Gluthahn. So ist denn alles gegen mich verschworn? nun geh's, wie's will, jetzt sag' ich nimmer nein, ich sieh's, ein rechtschaffner Mann, wie ich bin, hat kein Glück.
Amtmann. Du bist ein Räuber, bist ein Schurke und wirst im
Gefängnis büßen. Fort mit dir.
(Gerichtsdiener ergreifen ihn.)
Gluthahn. Hans, mein Weib soll auf meine Wirtschaft schaun.
Hans. Dein Weib ist tot. Heut früh ist s' g'storben.
Gluthahn. Das ist ein Leichtsinn ohnegleichen; stirbt das Weib und ist kein Mensch im Haus. Jetzt tragen sie mir das ganze Geld davon.
Amtmann. Das wird dir das Gericht bewahren. Fort mit ihm!
Gluthahn. Ein jeder Pfennig brennt auf ihrer Seel'. Ich unglücksel'ger Mensch, hätt' ich nur mit kein' alten Weib was ang'fangt.
(Wird abgeführt.)
Amtmann. Das ist ein schlechter Kerl, einen solchen gibt's nicht mehr. (Zum Kohlenbauer.) Du kannst jetzt gehn.
(Kohlenbauer ab.)
Amtmann (zum Gerichtsdiener). Die Alte bringt! (Diener ab.)
Amtmann (zu Rossi). Wenn Sie Geschäfte rufen
Rossi. Nein, das ist mir äußerst merkwürdig.
Dreizehnte Szene.
Vorige. Alzinde.
Hans. Sieh nur, Mirzel, unser fürstliches Mütterl.
Mirzel. Wenn ihr nur nichts g'schieht, mir ist recht bang um sie.
Amtmann. Du stehst hier vor dem Amtsgericht. Wie heißest du?
Alzinde. Alzinde heiß' ich.
Amtmann. Wo geboren?
Alzinde. Indien ist mein Vaterland.
Amtmann. Wie alt?
Alzinde. Zwanzig Jahre kaum vorüber.
Amtmann. Ha! Ha. (Zu Rossi.) Ich muß lachen.
Aktuar. Das sieht man ihr nicht an, für achtzehn hätt' ich sie gehalten.
Alzinde. O spotte nicht des Alters! Achtung jedem Menschen, der mit Ehren trägt den Orden hoher Jahre, womit die edle Zeit die Mäßigkeit belohnt.
Amtmann (verwundert). Das ist ein Wahnsinn von nobelster Gattung.
Rossi. Sie dauert mich!
Mirzel. Armes Mutterl!
Amtmann. Was treibst du für Geschäfte?
Alzinde. Wenn Jammer ein Geschäft ist, treib' ich das.
Amtmann. Bist du verheiratet?
Alzinde. Ich bin es, mein Gemahl ist Hoanghu, der König eines mächt'gen Reichs.
Amtmann (schüttelt den Kopf). Eigene Ideen. Wie kommst du ins
Gebirg'?
Alzinde. Warum ersparst du dir die Frage nicht, wenn du der
Antwort Unwert kennst? Warum besprichst du mit dem Wahnsinn dich?
Wirst du mir glauben, wenn ich dir entdecke, daß mich ein böser
Geist mit einem Zauber hat belegt, der mir mein Reich verschließt
und unter euch mich elend macht?
Amtmann. Sie klagt sich selbst der Zauberei an, diese Hexe.
Kennst du diese beiden? (Auf Hans und Mirzel.)
Alzinde (stürzt freudig auf sie zu). Meine Wohltäter! Ob ich sie kenne, fragst du mich? Mir ist, als wenn ich in Arabiens Wüste zwei fruchtbeladne Bäume fände, deren Schatten mich erquickend kühlt. Ihr guten Menschen, wüßtet ihr doch, was ich alles hab' gelitten, seit man mich von euch gerissen hat.
Mirzel. Du gute Alte.
Hans. Sei die Fürstin nicht so traurig.
Amtmann. Das ist ein sonderbares Weib. Hierher tritt! (Zeigt ihr die Diamanten, die auf einer Tasse liegen.) Sag', gehören diese Tränen deinen Augen, hast du sie geweint?
Alzinde. Wer gab euch diese Wundertränen? Nein, so war es nicht gemeint; euch sind sie nicht geweiht. Ihr Ärmsten, hat man euch entrissen, was die Dankbarkeit euch gab? O harter Mensch, gib sie zurück, ich bitte dich, denn du verkennest ihren Wert. Was soll die Träne dir, ach du verstehst dich nicht darauf, gib sie zurück, mach' mich nicht gar so arm und bring' dies Aug' nicht um sein schmerzlich Eigentum.
Amtmann. Zaubertränen sind's, ich brauche nur ein Ja von dir.
Kannst du solche Tränen weinen?
Alzinde. Nein, dies wirst du nicht erleben, eh brenn' ich diese
Augen aus mit glühndem Stahl. Rühren soll die Träne, dazu hat die
Sonne sie bestimmt, und könnt' ich sie auf eure Herzen weinen, so
fiele Stein auf Stein und bliebe wirkungslos.
Amtmann. Ich brauche deine Tränen nicht, ich will Geständnis, klar und deutlich: ob du sie geweint?
Alzinde. Du brauchst sie schon, du heuchelst nur. Wenn euer Geiz hier Tränen preßt aus des Bedrückten Auge, deren Wert nur in der Größe ihrer Wehmut liegt; wie unendlich muß die Wollust sein, mit der ihr diamantne fallen seht!
Amtmann. Vergiß die Achtung nicht, die du mir schuldig bist.
(Sehr zornig, doch durchaus edel.) Sie ist wahnsinnig, der Satan
spricht aus ihr. Zum letzen Mal, hast du die Tränen hier geweint?
Wenn du nicht antwortest, so werd' ich dich anders behandeln.
Alzinde (fährt empor). Anders? (Stolz.) Vergiß dich nicht, du Sklave, denke, ich bin eine Königin! (Sinkt in einen Stuhl, an dem sie steht.) Ach—(matt) ich war eine Königin, du beweisest mir, daß ich es nicht mehr bin. Nicht länger will ich mich entweihn. (Mit Nachdruck.) Ja, ich habe sie geweint, ich schwör' es bei der ew'gen Sonne dir.
Amtmann. So beweisest du mir, daß du eine Hexe bist. Ins Gefängnis fort, das Landgericht wird bald dein Urteil fällen, und vielleicht ist schon die nächste Sonne, die dein Blick begrüßet, auch die letzte, die dir scheint. Verstehst du mich, verwegnes Weib?
Alzinde. Ha! seht den stolzen Pfau, wie er mit schönen Federn prahlet, und wie so häßlich seine Stimme tönt. Leb' wohl und glaube nicht, du hattest mich gerichtet; die Götter sind's,
und du ein Werkzeug ihres großen Plans. Darum vergeb' ich dir, du übtest deine Pflicht, du hast mich nur verkannt. Und nun erlaube mir, daß ich zu diesen sprechen darf, zu diesen, deren schlichtes Kleid ein Herz bedeckt, das sich die Tugend hat zum Heimatland erwählt. Wie soll ich euch, ihr Teuren, danken, daß ihr mich aufgenommen und getröstet habt, als mich die Grausamkeit von ihrer Schwelle stieß? O Sonne, deren Strahl beglücken kann—(tritt in ihre Mitte, nimmt sie beide an der Hand), wenn du vergelten willst, was ich erdulden muß, so vergilt an diesen hier. Schenke Frieden ihren Herzen und laß ihre Ehe glücklich sein, wie es die meine war. (Bricht plötzlich ab; mit Schmerz.) Lebt wohl, ich bin bewegt, (leise) ich will bewegt sein, muß es sein. O ihr Götter, laßt mich weinen! (Weint—leise.) Seht, es fließen meine Tränen, hascht sie heimlich auf, daß es jene nicht bemerken. (Hans hält den Hut, Mirzel die Schürze auf, alle drei sind im Vordergrunde, damit der Amtmann nichts bemerkt, doch vermeide man allen Anstrich des Komischen.) So, so, behaltet sie, verberget sie, und wenn ich nicht mehr bin, erinnert euch der unglücklichen Königin Alzinde. (Zu den Gerichtsdienern stolz.) Nun folg' ich ins Gefängnis euch.
(Mit zwei Gerichtsdienern ab.)
Amtmann (steht auf und sagt zum Aktuar). Schließen Sie,. und legen Sie es auf mein Pult. (Aktuar ab.)
Vierzehnte Szene.
Amtmann. Rossi. Hans. Mirzel.
Rossi (der bewegt war unter dem Schluß der Szene). Was geschieht mit diesem Weib, Herr Amtmann?
Amtmann. Sie wird verbrannt, wie sie's verdient. (Zu Hans und Mirzel.) Geht jetzt nach Hause und nehmt euch ein Beispiel an diesen unglücklichen Menschen hier.
Hans. Der Gluthahn ist ein schlechter Mensch, das haben wir schon lang g'wußt; aber was das Weib betrifft, verzeihen Euer Gnaden, das Weib ist g'wiß eine gute Seel', und in mein' ganzen Leben werd' ich die gute Fürstin nicht vergessen.
Mirzel. Und wenn s' verbrennt wird, du lieber Gott, so laß nur regnen Tag und Nacht, und wenn's doch g'schehn soll, lieber Hans, so nehmen wir ihr' Aschen, und bauen s' in unserm Gartel an, da werden viel tausend schöne Blumen draus entstehn.
Rossi. Ihr wackern Leute, nehmt dies Gold, ich geb' es euch, weil es mich innig freut, daß ihr das alte Mütterchen bedauert, denn das muß ich auch.
Hans. Wir küssen d' Hand Euer Gnaden tausendmal, und küssen Euer Gnaden, Herrn Amtmanns Kleid. Komm, Mirzel, geh, heut ist ein trüber Tag.
Mirzel. Heut schmeckt mir g'wiß kein Bissen, lieber Hans.
(Beide ab.)
Rossi. Auch ich empfehle mich, Herr Amtmann.
Amtmann. Wollen Sie nicht eine Suppe bei mir essen?
Rossi. Ergebenen Dank, Herr Amtmann, heute bin ich zu bewegt, der Auftritt hat mich angegriffen; ich will die grüne Wiese suchen und den blauen Himmel, um ihn zu befragen, ob man, wie dieses Weib, so edel sein kann und so schuldig auch.
(Geht ab.)
Fünfzehnte Szene.
Amtmann. Ein Diener.
Amtmann. Will er mir das Mahl verbittern? Hätt' ich denn nicht recht getan an diesem Weibe? Wenn ich darüber mein Bewußtsein frage, sagt es mir, du hast noch nie verletzt des Richters, noch des Menschen Pflicht, und hast den Platz behauptet, auf den Bestimmung dich gestellt. Er fragt den Himmel, ich will alle Menschen fragen! Hier steht ein altes Weib, mit tät'ger Jugendkraft, das Haupt voll Eis, das Aug' voll Glut, spricht wie ein Xenophon und gilt für wahnsinnig; ist eine Bettlerin und schwärmt von einer Krone; hat ein Gemüt wie Samt und Tränen hart wie Stein; beschwört die Sonne und verklagt die Hölle; und alles dies bestätigt durch vier unpartei'sche Zeugen; eigne Augen, eigne Ohren. Nun setz' ich Solon hin an meinen Platz, ob er nicht sprechen wird: Dies Weib ist eine Hexe.—Philipp, trag' Er auf. (Ab.)
Sechzehnte Szene.
Kurzer Kerker. Nacht.
Alzinde, welche nach dem ersten Auftritt ihr Gesicht mit Falten bemalte, ohne eine Larve vielleicht zu nehmen, muß während des vorhergehenden Auftritts sich jugendlich schminken, welches man bei der Dunkelheit der Bühne jetzt nicht bemerkt. Sie wird von dem Kerkermeister hereingeführt und setzt sich ermattet auf einen Stein.
Kerkermeister. Hier kannst du bleiben, Hexe, bis dich die Flamme ruft. (Ab.)
Alzinde. Hier kerkert man mich ein und zur Gefährtin gibt man mir die Finsternis. Seid mir gegrüßt, ihr Unglücksmauern, aufgebaut, um Elend zu betrachten; du feuchter Boden, von den Reuezähren der Verbrecher naß, sei mir gegrüßt; du melanchol'scher Ort, ich weihe dich zu meinem Prunksaal ein. Hier will ich meinen Gram mit düstern Bildern säugen, hier will ich herrschen über kriechendes Gewürm; von meinen Tränen will ich eine Krone flechten und denken, ich sei des Schmerzes Königin. Ich leb' allein von allen meinen Lieben. Mein Volk ist tot, versteinert ist's, und mein Gemahl,—o mein Gemahl, der erste stets an deines Heeres Spitze, betratest du den mörderischen Boden deines Reiches? Ja, auch er ist tot, alles tot, alles! (Springt auf.) So ist's recht, Alzinde, so ist's recht, denn herunter muß das Leben, wenn der Geist sich schwingen soll. O wie stärkt ein rein Gewissen! Götter, fordert meinen Geist, jetzt bin ich dazu bereitet.
(Kurze klagende Musik.)
Siebzehnte Szene.
Vorige. Der Genius der Vergänglichkeit tritt ein, als ein grauer
Mann, mit grauem langen Kleide, etwas kahlköpfig und mit langem
Bart, seine Miene ist sanft, und seine Sprache gemütlich und
tröstlich.
Genius der Vergänglichkeit. Alzinde, ich bin hier.
Alzinde. Wer bist du, bleicher, ungeladner Gast? Was willst du von der Dunkelheit und mir?
Genius der Vergänglichkeit. Ein Vater will ich von deinen Leiden sein.
Alzinde. Ein Vater? ach, mein Vater ist dort oben.
Genius der Vergänglichkeit. So kehre heim zu ihm. Reich' mir deine Hand, Alzind'. Ich bin kein Jüngling, der die Ewigkeit zum Liebesschwur mißbraucht. Sieh, unsre Locken sind sich gramverwandt; darum schenke mir die teuren Reste des Vertrauens, die dein Unglück dir gelassen hat. Sieh hin!
(Die Mitte der Kerkerwand bildet einen Kerkerbogen. Diese Wand öffnet sich und man sieht durch den finstern Bogen eine kleine Insel, von einem See umgeben, auf welcher ein indisches Monument steht, mit dem Namen Alzinde, von Zypressen umgeben. Die Gegend ist vom Mondlicht hell bestrahlt. Der Kerker bleibt finster.)
Genius der Vergänglichkeit. Nach jenem Eiland führ' ich dich, das kein lebend'ger Schiffer noch geschaut, nichts wird dort deine süße Ruhe stören. Was immer dich aus dieser Welt betrübt, gekränkt; Verfolgung, Neid und Undank bleiben fern von dir. Dort legt unter einsamen Zypressen der Ruhm beschämt die goldnen Kränze ab, der wutentbrannte Haß und alle Leidenschaften dieser Erde löschen ihre Fackel schweigend aus. Ird'sche Freuden werden dir nicht winken, doch milde Sterne werden dein verklärtes Haupt umglänzen, und der lichte Engel deiner reinen Tugend führet deinen Geist aus Himmelswolken zu dem Thron der ew'gen Wonne hin.
Alzinde. Ja, ich verstehe dich. Es sinket eine mächt'ge Stunde nieder und gebietet einer Königin. Du bist der Friedensengel, der den bösen Streit beendet, den der Mensch mit seinem Glück hier führt; du bist das große Ziel, zu dem uns alle Wege führen.
Genius der Vergänglichkeit. Ich bin der kräftige Magnet, der alles Leben an sich zieht. Wie du dich auszuweichen auch bemühst, es ist umsonst! Denn könntest du durch tausend Sonnen wandeln, du trittst auf einen Pfad, und eh du es noch ahnst, gelangst du in mein Reich.
Alzinde. So nimm mich mit dir, guter Vater, an jenen Ort, wo ew'ge Freude herrscht, ich werde meinen Hoanghu dort sehn und alle meine teuren Lieben, die meinem Leiden vorausgeeilet sind. Komm, ich folge dir. (Der Genius hält sie in seinem Arm und will sie fortführen, da ertönt Hoanghus Stimme, die hintere Wand schließt sich. Kerker wie vorher.)
Achtzehnte Szene.
Vorige. Gleich darauf Hoanghu und der Genius der Tugend.
Hoanghu (von innen). Hier soll ich meine Gattin finden?
Alzinde. Götter, welche Stimme!
(Hoanghu und der Tugendgenius treten ein.)
Hoanghu. Fast erblinden meine Augen, da ich statt den goldnen Wolken, die ich erst mit dir durchsteuert, dieses Abgrunds Tiefe schaue. Und hier muß Alzinde schmachten?
Alzinde. Götter, das ist Hoanghu.
Hoanghu. Ja, dies ist ihr holder Ton. Zeig' dich, Brust, aus der er klinget, daß ich dich an meine drücke.
Genius der Tugend. Siehst du dort die zwei Gestalten? 's ist
Alzinde und der Tod.
Hoanghu. Ist sie denn an ihn vermählt, daß sein Arm sie so umschließt?
Genius der Tugend. Er ist ihre eigene Wahl, weil sie dich verloren wähnte. Suche sie ihm zu entreißen, schnell, es ist die höchste Zeit.
Hoanghu. Sag' Alzinde, bist du's wirklich, denn ich kann dich nicht erkennen, sehe nur die Truggestalt, die mein Traum mir drohend wies.
Alzinde. Ja, ich bin's, mein Hoanghu; laß mich los, du grauer
Riese, der sich jetzt dem Blick erst zeigt, laß mich hin in seine
Arme, nur dem Gatten schlägt mein Herz. Warum hältst du mich
umklammert, niemals werd' ich deine Braut.
Genius der Vergänglichkeit. Hast du mir dich nicht verlobet? Du bist mein, ich lass' dich nicht.
Alzinde. Nein, dies wendet den Vertrag. Du warst nur ein Rettungsmittel, doch ich hab' ihn hier gefunden, nun gehör' ich dieser Welt. Ha, wie sich der düstre Kerker jetzt mit holden Farben schmückt; wie das schaurige Gewölbe nun auf goldnen Säulen ruht; wie mir seine dunkle Kuppel hell erglänzt wie Chrysolith; und dies alles schafft Hoanghu, der wie eine zweite Sonne nur für mich die Welt bestrahlt. Und ich soll ein Leben lassen, erst geboren durch die Liebe, soll mit dir, du düstrer Alter, in dein ernstes Schattenreich? Gib mich auf, du läst'ger Freier, nimmer wird Alzinde dein.
Hoanghu. Laß sie los, du graue Schlange, oder ich zerhaue dich.
(Will mit dem Schwert auf ihn dringen.)
Genius der Vergänglichkeit. Armer, sinnverlorner Kämpfer, mit dem
Tod drohst du dem Tode? Durch mich selbst willst du mich morden?
Senk' die Waffe, denn der leichtgewebten Luft kann sie keine Wunden
schlagen.
Hoanghu. O du stolzgesinnter Prahler, du bist dennoch meinesgleichen, bist ein Feldherr, ausgesendet, um das Leben zu erobern; bist ein Held, der sein Panier hin auf Leichenhügel pflanzt und das grause Siegerhaupt sich mit Rosmarin bekränzt; und so willst du an mir handeln, du des Undanks echter Sohn, willst ihr Leben mir versagen, eines schwachen Weibes Leben, und ich habe so viel tausend kräft'ge Männer dir geweiht?
Genius der Vergänglichkeit (ironisch). Und wie hast du dies begonnen? Laß doch hören, tapfrer Junge.
Hoanghu. Was war Indiens Schlachtfeld anders, als dein blut'ger Opferherd? Warst du nicht in meinen Siegen stets das große Losungswort, das die Chöre der gefallnen Krieger wimmerten zu deinem Lob? Hat die blutbespritzte Fahne deinen Ruhm nicht stolz verkündet? Und die gift'gen Pfeile, die wir rauchend aus dem Leib der Feinde rissen, daß mit offnem Munde dich unheilbare Wunden priesen? Sieh, so habe ich gehandelt an dir, undankbarer Geist, hab' das mut'ge Sein bestohlen und den Schatz dir zugesendet; darum fordre ich ihr Leben als mein rechtlich Eigentum.
Alzinde. O wie liebt mich mein Gemahl.
Genius der Vergänglichkeit. Du hast nur dein Recht verteidigt, das gibt dir kein Recht an mich. Von dem Leben magst du fordern, Leben fordern darf nur ich.
Hoanghu. Nun, so will ich mit dir handeln, Wuchrer, der so bittre Zinsen nimmt. Schenke mir Alzindens Leben, und ich will von meinem dir gern die beßre Hälfte geben.
Alzinde. Ha, mein Hoanghu, was tust du?
Genius der Tugend. Götter, stärket sein Gemüt.
Hoanghu.
Sieh, so groß ist meine Liebe, daß sie in den Staub mich
zieht.
So wardst du noch nicht geehret, daß ein König vor dir kniet.
(Er kniet.)
Meine Waffen leg' ich nieder, meine Hände heb' ich auf,
(Er bittet mit aufgehobenen Händen.)
Laß dich, guter Tod, erweichen, schließ den vorteilhaften Kauf.
Was willst du mit ihrem Leben, das vor Alter bald zerfällt?
Nimm dir meine rüst'ge Hälfte, trotzig steh' ich noch der Welt.
Sieh die festgestählten Muskeln, sieh die hochgewölbte Stirn,
Leicht ist der Gewinn zu rechnen, Kaufmann, frage dein Gehirn.
Sei doch nicht so unerbittlich, sieh, mein Auge tränt vor Schmerz,
Es sind meine ersten Tränen, und sie schänden nicht mein Herz.
(Weint.)
Alzinde (vor Freude außer sich).
Götter, Sonne, all ihr Welten, seht, Hoanghu weinet hier,
Schaut herab von euren Wolken, seine Tränen fließen mir.
Welche Gattin kann sich rühmen, daß ihr Gatte so sie liebt,
Daß er Freude, Glück und Leben, daß er alles für sie gibt?
Ha, wie alle Nerven beben, wie sein Anblick mich entzückt,
(Edel ausgelassen.)
Wie ich glücklich bin und lache, wie die Freude mich berückt;
Perlen treten in mein Auge, doch ich weine nicht aus Schmerz,
Freudentränen ist ihr Name, Freude sprenget mir das Herz.
(Augenblicklich fällt rauschender Chor ein, vollstimmig und hehr.)
Chor.
Freudentränen,
Freudentränen,
Heißt das große Losungswort!
(Der Kerker verwandelt sich in Alzindens Reich. Die Dekoration der Eingangsszene. Alles Volk ist entsteinert, die Tugendgeister knien um den Tempel. Der Genius der Vergänglichkeit verschwindet. Alzinde hat sich in ihre vorige Gestalt verwandelt, doch im weißen einfachen Kleide. Alzinde und Hoanghu stürzen sich freudig in die Arme.)
Hoanghu. O Alzinde!
Alzinde. Mein Hoanghu! Ewig, ewig bist du mein!
Hoanghu. Nie soll uns der Tod mehr trennen!
Alzinde. Denn wir sterben im Verein!
Genius der Tugend.
Heil der Tugend, die auf Erde
Zählet solch' erhabnes Paar,
Das ein edles Herz bewahrte
In so schrecklicher Gefahr.
(Schrecklicher Donnerschlag. Donnerwolken ziehen über die Bühne, aus welchen Blitze zischen.)
Seht, schon zieht aus euren Landen
Donnernd Moisasurs Geist.
(Zum Volk.)
Ihr seid frei von seinen Banden,
Eure Königin hier preist!
So läßt sich die Welt bezwingen,
So wird Erdenneid versöhnt!
Groß kann nur der Nachruhm klingen,
Wenn er sich durch Tugend krönt.
(Alzinde und Hoanghu knien nieder, der Genius der Tugend steht in ihrer Mitte und blickt gegen Himmel, von oben schweben Genien herab mit einer Lilienkrone und bleiben in der Mitte der Bühne. Das Opferfeuer im Tugendtempel flammt hoch auf. Priester, Volk und Tugendgeister bilden eine Gruppe.)
(Der Vorhang fällt.)
Ende dieses Projekt Gutenberg Etextes Moisasurs Zauberfluch, von
Ferdinand Raimund.
End of Project Gutenberg's Moisasurs Zauberfluch, by Ferdinand Raimund