The Project Gutenberg eBook of Leben und Taten des scharfsinnigen Edlen Don Quijote von la Mancha, Erster Band This ebook is for the use of anyone anywhere in the United States and most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this ebook or online at www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you will have to check the laws of the country where you are located before using this eBook. Title: Leben und Taten des scharfsinnigen Edlen Don Quijote von la Mancha, Erster Band Author: Miguel de Cervantes Saavedra Release date: November 26, 2025 [eBook #77337] Language: German Original publication: Leipzig: Verlag von Philipp Reclam jun, 1893 Credits: Norbert H. Langkau and the Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net *** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK LEBEN UND TATEN DES SCHARFSINNIGEN EDLEN DON QUIJOTE VON LA MANCHA, ERSTER BAND *** ======================================================================= Anmerkungen zur Transkription. Das Original ist in Fraktur gesetzt. Schreibweise und Interpunktion des Originaltextes wurden übernommen; lediglich offensichtliche Druckfehler sind stillschweigend korrigiert worden. Das Umschlagbild wurde vom Bearbeiter geschaffen. Ein Urheberrecht wird nicht geltend gemacht. Das Bild darf von jedermann unbeschränkt genutzt werden. Worte in Antiqua sind so =gekennzeichnet=, gesperrte so ~gesperrt~. ======================================================================= Leben und Taten des scharfsinnigen Edlen Don Quijote von la Mancha von Miguel de Cervantes Saavedra Erster Band Übersetzt von Ludwig Tieck Verlag von Philipp Reclam jun. Leipzig Holzfreies Papier Druck von Philipp Reclam jun. Leipzig ~Prolog~ Müßiger Leser. -- Ohne Schwur magst du mir glauben, daß ich wünsche, dieses Buch, das Kind meines Gehirns, wäre das schönste, lieblichste und verständigste, das man sich nur vorstellen kann. Ich habe aber unmöglich dem Gesetze der Natur zuwiderhandeln können, daß jedes Wesen sein ähnliches hervorbringt. Was konnte also mein unfruchtbarer, ungebildeter Geist anders erzeugen als die Geschichte eines dürren und welken Sohnes, der wunderlich und voll seltsamer Gedanken ist, die vorher noch niemand beigefallen sind: wie erzeugt sich's auch gut in einem Gefängnisse, wo jede Unbequemlichkeit zu Hause ist und alles traurige Geräusch seine Wohnung hat? Ruhe, ein angenehmer Aufenthalt, die Lieblichkeit der Gefilde, die Heiterkeit des Himmels, das Gemurmel der Quellen, diese Begünstigungen machen selbst die unfruchtbarsten Musen fruchtbar und teilen der Welt Werke mit, die Bewunderung und Frucht erregen. Ein Vater hat wohl einen häßlichen unliebenswürdigen Sohn, aber die Liebe, die er zu ihm trägt, knüpft ihm eine Binde um die Augen, so daß er seine Fehler nicht sieht oder sie wohl für Annehmlichkeit und geistreiche Züge hält und sie allen seinen Freunden für Witz und Scharfsinn anrechnet. Ich aber, wenn ich auch der Vater scheine, bin nur der Gevatter des Don Quijote und will nicht dem Strome der gewöhnlichen Sitte folgen, dich nicht, geliebter Leser, wie wohl andere tun, mit Tränen in den Augen bitten, daß du die Fehler, die du an diesem Kinde wahrnimmst, vergeben oder übersehen mögest; denn du bist ja weder sein Verwandter noch sein Freund, du hast deine Seele für dich in deinem Körper, so uneingeschränkten Willen, daß einem das Herz im Leibe lacht, du bist in deinem Hause und darin so unumschränkter Herr, wie der König in seinen Domänen, und du weißt das Sprichwort recht gut zu schätzen, daß jeder in seinen vier Pfählen der Klügste ist. Dies zusammengenommen befreit und erlöst dich von jeder Achtung und Verpflichtung, und du kannst also von dieser Geschichte sagen, was dir gut dünkt, ohne Furcht, daß man dich für das Böse, das du sprichst, schelten, noch für das Gute, welches du von ihr redest, belohnen wird. Ich wollte dir diese Geschichte nackt und bloß überreichen, ohne den Schmuck eines Prologs, ohne die unzählige Schar der herkömmlichen Sonette, Epigramme und Empfehlungsgedichte, die man vor den Anfang der Bücher zu setzen pflegt. Denn ich muß dir sagen, ob mir das Buch auszuarbeiten wohl einige Mühe kostete, ich doch die für die größte halte, diese Vorrede zu machen, die du jetzt liesest. Ich habe oft die Feder genommen, um zu schreiben, und sie ebenso oft wieder hingeworfen, weil ich nicht wußte, was ich schreiben sollte: indem ich nun nachdenkend bin, das Papier vor mir, die Feder hinter dem Ohre, den Ellenbogen auf dem Tische und die Hand an der Wange, wohl sinnend, was ich sagen solle, tritt ein Freund von mir, der munter und verständig ist, herein, und wie er mich so schwermütig sieht, fragt er nach der Ursache; ich verhehlte sie ihm nicht, sondern sagte, wie ich auf den Prolog sönne, den ich zur Geschichte des Don Quijote machen wolle, und daß mich dies so anstrenge, daß ich ihn gar nicht machen und ebensowenig die Taten dieses edlen Ritters ans Licht stellen wolle. Soll ich denn nun nicht darüber in Sorgen sein, was der alte Gesetzgeber, der Haufen genannt, sagen wird, wenn er nun sieht, wie nach so vielen Jahren, in denen ich im Stillschweigen und Vergessenheit geschlafen habe, ich nun nach so manchem Jahre mit einer Lektüre hervortrete, trocken wie eine Binse, ohne Erfindung, mit schlechtem Stil, arm an Ideen und gänzlich ohne Gelehrsamkeit und Literatur, ohne Bemerkungen am Rande und ohne Anmerkungen am Ende des Buchs, wie ich doch sehe, daß andere Bücher eingerichtet sind, auch fabelhafte und weltliche, die voller Sentenzen des Aristoteles, Plato und der ganzen Schar der Philosophen stecken, worüber sich alsdann die Leser verwundern und die Verfasser für belesene, gelehrte und beredte Männer halten! Wenn sie dann aber gar die Heilige Schrift zitieren! Dann muß man sie vollends für Sankt Thamasse oder andere Lehrer der Kirche halten, indem sie eine so treffliche Schicklichkeit beobachten, daß sie in einer Zeile einen Verliebten schildern und in der folgenden eine christliche Predigt halten, so daß es eine Lust ist, es zu hören oder zu lesen. Alles dieses mangelt meinem Buche, denn ich habe am Rande nichts bemerkt und am Ende nichts angemerkt, noch weniger weiß ich, welchem Autor ich folge, um sie, wie es alle machen, vor dem Anfange nach dem Abc zu ordnen, indem sie beim Aristoteles anfangen und mit dem Xenophon oder Zoylus oder Zeuxis endigen, wenn jener auch ein Verleumder und dieser ein Maler war. Auch wird es meinem Buche vor dem Anfange an Sonetten fehlen, wenigstens an solchen Sonetten, die Herzöge, Marquis, Grafen, Bischöfe, Damen und weltberühmte Poeten zu Verfassern haben. Wenn ich freilich zwei oder drei meiner vertrauten Freunde bäte, so weiß ich wohl, daß ich Verse bekommen könnte, und zwar solche, daß ihnen jene nicht gleichkämen, die von den angesehensten Verfassern in unserm Spanien herrühren. »Kurz, mein liebster Freund,« so fuhr ich fort, »ich bin entschlossen, daß der Herr Don Quijote in den Archiven von la Mancha begraben bleibe, bis der Himmel ihn mit allen diesen Dingen schmückt, die ihm jetzt mangeln, denn meine Unerfahrenheit und wenige Wissenschaft machen mich unfähig, ihm alles dies zu verschaffen, auch weil ich von Natur zu furchtsam und zu träge bin, das in Autoren aufzusuchen, die das nämliche sagen, was ich ohne sie sagen kann. Dies alles erzeugt in mir jene Angst und tiefe Schwermut, in der du mich gefunden hast: und das, was ich dir soeben erzählt habe, ist dazu mehr als hinreichende Ursache.« Als mein Freund dies hörte, schlug er sich vor die Stirn, brach in das lauteste Gelächter aus und sagte: »Bei Gott, erst jetzt komme ich aus meinem Irrtum, in dem ich so lange gelebt habe, seit ich Euch kenne, indem ich Euch nämlich nach allen Euren Handlungen immer für einen vernünftigen und verständigen Menschen gehalten habe. Aber jetzt sehe ich, daß Ihr ebenso weit davon entfernt seid, wie es der Himmel von der Erde ist. Wie ist es möglich, daß so geringfügige Dinge, die so leicht zu machen sind, stark genug sein sollen, einen so reifen Geist, wie der Eurige ist, zu binden und zu verwirren, dem es ein leichtes ist, durch weit größere Schwierigkeiten zu brechen? Wahrlich, dies ist nicht Mangel an Geschicklichkeit, sondern nur überflüssige Trägheit. Soll ich Euch den Beweis darüber führen? Nun so hört mir aufmerksam zu und Ihr werdet sehen, wie ich, indem man eine Hand umwendet, alle Eure Schwierigkeit hebe, allen Mangel, von dem Ihr sprecht, ersetze, der Euch so verwirrt und beängstigt, weshalb Ihr sogar der Welt nicht Euren berühmten Don Quijote schenken wollt, das Licht und den Spiegel der ganzen irrenden Ritterschaft.« »Nun, so sagt doch,« erwiderte ich, »wie wollt Ihr die Leere meiner Furcht ausfüllen und das Chaos meiner Verwirrung in lichte Ordnung bringen?« Worauf er antwortete: »Zuerst, was die Sonetten, Epigramme und Lobgedichte betrifft, die vor Eurem Buche fehlen und die von würdigen, angesehenen Leuten sein müssen, so macht sich dies bald, denn Ihr dürft Euch nur selbst einige Mühe geben, sie zu schreiben und sie nachher taufen, und Namen vorsetzen, welche Ihr nur immer wollt, Ihr könnt ja gar den Priester Johann von Indien oder den Kaiser von Trapezunt adoptieren, von denen ich weiß, daß sie berühmte Poeten sind. Sind sie es nicht gewesen, und es kömmt irgendein Pedant oder Bakkalaureus, die Euch deshalb necken und die Wahrheit bezweifeln wollen, so sollt Ihr das nur verachten, denn wenn sie Euch selbst der Lüge überführen können, so dürfen sie Euch doch die Hand nicht abhauen, womit Ihr es geschrieben habt. In Ansehung der Bücher und Autoren, die Ihr auf dem Rand zitieren wollt und aus denen Ihr Sentenzen und Phrasen in Euer Buch aufgenommen habt, dürft Ihr nur einige Sentenzen und lateinische Brocken, die Ihr auswendig wißt, durcheinander werfen, oder die Euch wenigstens nicht viele Mühe machen, sie aufzusuchen, wie zum Beispiel, wenn Ihr von Freiheit oder Sklaverei sprecht: =Non bene pro toto libertas venditur auro.= Gleich nennt Ihr auf dem Rande den Horatius, oder wer es sonst gesagt hat. Sprecht Ihr von der Macht des Todes, so besinnt Euch nur geschwinde auf das: =Pallida mors aequo pulsat pede Pauperum tabernas, regumque turres.= Sprecht Ihr von der Freundschaft und Liebe, die Gott auch gegen den Feind befiehlt, so dürft Ihr nur gleich in die Heilige Schrift einbrechen, ja Ihr könnt so keck sein und die göttlichen Worte selbst aufführen: =Ego autem dico vobis diligite inimicos vestros.= Handelt Ihr von schlechten Gedanken, so dürft Ihr nur das Evangelium anführen: =De corde exeunt cogitationes malae.= Kommt Ihr auf die Unzuverlässigkeit der Freunde, so ist gleich Cato da, der Euch sein Distichon anbietet: =Donec eris felix, multos numerabis amicos, Tempora si, fuerint nubila solus eris.= Und mit diesen und ähnlichen lateinischen Brocken halten sie Euch schon für einen Grammatiker, welches in unseren Tagen etwas Ansehnliches und Treffliches ist. Was aber die Anmerkungen am Ende des Buches betrifft, so dürft Ihr es nur ganz dreist so machen. Nennt Ihr irgendeinen Riesen in Eurem Buche, so fallt nur auf den Riesen Goliat, und bloß mit diesem, der Euch doch so gut wie gar keine Unkosten macht, könnt Ihr schon eine große Anmerkung ausfüllen, denn Ihr dürft nur schreiben: Dieser Riese Goliat oder Goliath war ein Philister, den der Schäfer Daniel mit einem Steinwurf im Tale Terebintus tötete, wie es im Buche der Könige erzählt wird, in demselben Kapitel, welches davon handelt. Damit Ihr Euch aber auch als einen Mann zeigen könnt, der in den weltlichen Dingen und der Kosmographie bewandert ist, so dürft Ihr es nur so einrichten, daß Ihr in Eurem Buche einmal den Tagofluß wöhnt, augenblicks könnt Ihr wieder eine herrliche Anmerkung niederschreiben: Dieser Fluß Tago führt seinen Namen von einem Könige von Spanien, er entspringt da und da und ergießt sich in den Ozean, indem er vorher die Mauern der berühmten Stadt Lissabon küßt, auch meint man, daß er Goldsand mit sich führe, usw. Sprecht Ihr von Räubern, so will ich Euch gleich die Geschichte des Cacus schenken, die ich auswendig weiß. Wenn liederliche Weiber vorkommen, so habt Ihr ja den Bischof von Mondonnedo, der Euch die Lamia, Lais und Floria liefert, deren Anführung Euch in ziemliches Ansehen setzen wird. Nennt Ihr Grausame, so bietet Euch Ovidius die Medea an. Nennt Ihr Zauberinnen, so hat Homerus die Calypso und Virgilius die Circe. Sollen es tapfere Feldherren sein, so gibt Julius Cäsar Euch selbst in seinen Kommentarien und Plutarch gibt Euch gleich tausend Alexander. Wollt Ihr von Liebe etwas abhandeln, so trefft Ihr, wenn Ihr nur ein Quentchen Italienisch wißt, auf dem Leo Hebräus, der Euch ein ganzes Maß vollzapfen wird. Mögt Ihr Euch aber nicht nach fremden Gegenden bemühen, so habt Ihr ja den Fonseca von der Liebe Gottes zu Hause, wo Ihr und der Scharfsinnigste so viel über diese Materie finden wird, als sein Herz nur wünscht. Kurz, Ihr braucht nichts weiter zu tun, als diese Namen zu nennen, oder diese Geschichten, die ich soeben genannt habe, in die Eurige aufzunehmen, und dann laßt mich nur für die Bemerkungen und Anmerkungen sorgen, denn ich schwöre Euch, daß ich den ganzen Rand vollschreiben und wohl vier Bogen am Ende des Buches verderben will. Jetzt bleibt uns nur noch die Zitation der Autoren übrig, die man in anderen Büchern findet und die in dem Eurigen fehlen. Diesem abzuhelfen gibt es ein sehr bequemes Mittel, denn Ihr braucht nur eins von denen Büchern zu nehmen, in denen sie alle, wie Ihr sagt, von A bis Z zitiert sind. Das nämliche Abc könnt Ihr nun auch Eurem Buche anheften: sieht man auch die Lüge ganz deutlich, so tut Euch das nichts, da Ihr alle diese Autoren nicht braucht, und vielleicht ist doch einer oder der andere so einfältig, daß er glaubt, Ihr hättet sie wirklich alle bei Eurer einfachen, schlichten Erzählung gebraucht. Überdies wird es niemand untersuchen, ob Ihr ihnen gefolgt seid oder nicht, denn keiner kümmert sich darum. Ihr habt aber gar, wenn Ihr die Sache genau nehmt, aller der Sachen nicht nötig, die, wie Ihr sagt, Eurem Buche mangeln, denn das ganze Buch ist gegen die Ritterbücher gerichtet, die Aristoteles nicht kannte, die der heilige Basilius nicht erwähnt und Cicero niemals anführt; auch gehört in die Erzählung erdichteter Narrheiten keine pünktliche Wahrheit oder Beobachtungen aus der Astrologie; auch die geometrischen Maße sind hier unnütz, sowie die Widerlegung der Argumente, deren sich die Rhetorik bedient; auch soll keinem eine Predigt gehalten werden, indem das Weltliche mit dem Göttlichen vermischt wird, eine Art Mischung, die kein christlicher Verstand billigen sollte. Euer Hauptzweck ist, das darzustellen, was Ihr schreiben wollt, und je mehr Ihr das erreicht, je vorzüglicher wird Euer Buch sein, da Ihr Euch auch in Eurem Buche nichts weiter vorsetzt, als das Ansehen zu stürzen, in dem bei der Welt und dem Haufen die Ritterbücher stehen, so gehen Euch auch die Sentenzen der Philosophen, die Ermahnungen der Heiligen Schrift, die Fabeln der Poeten, die Figuren der Redner, die Wunder der Heiligen gar nichts an, sondern Euer Augenmerk ist, Eure Erzählung in einem einfachen, ausdrucksvollen, edlen und geziemenden Stil zu verfassen, daß Eure Perioden sich wohlklingend und anständig fortbewegen, und daß Ihr nach Eurer Absicht alles deutlich darstellt, ohne Eure Ideen durch Spitzfindigkeit oder Dunkelheit zu verwirren. Bewirkt, daß beim Lesen Eures Buches der Melancholische zum Lachen bewegt, der Lacher noch aufgeräumter werde, daß der Einfältige sich ergötze und der Verständige die Erfindung bewundere, daß der Ernste sie nicht verwerfe und der Klügere sie nicht verachte. Kurz, richtet es ins Werk, daß Ihr das schlecht gegründete Ansehen dieser Ritterbücher zerstört, die von so vielen gehaßt und von noch mehreren verehrt werden; gelingt Euch dies, so ist Euch nichts Kleines gelungen.« Mit andächtigem Stillschweigen hörte ich dem Rat meines Freundes zu und seine Gedanken waren mir so einleuchtend, daß ich sie alle, ohne mit ihm zu disputieren, billigte, ja mir selbst vornahm, aus ihnen diesen Prolog zu bilden, in welchem du nun, freundlicher Leser, seinen Verstand findest, so wie mein Glück, daß ich ihn zu einer Zeit antraf, da mir guter Rat so nötig war, zugleich aber auch eine Freude für dich entdeckst, indem dir nun die aufrichtige und unverstellte Historie des berühmten Don Quijote von la Mancha geschenkt wird, der, wie alle Einwohner auf dem Gefilde Montiel behaupten, der keuscheste Verliebte, sowie der tapferste Ritter gewesen ist, den man wohl seit vielen Jahren dort herum bemerkt hat. Ich will dir den Dienst nicht sehr hoch anrechnen, den ich dir damit erweise, daß ich dich mit einem so merkwürdigen und ehrenvollen Ritter bekannt mache; aber das verlange ich von dir, daß du mir für die Bekanntschaft seines Stallmeisters Sancho Pansa danken sollst, in welchem ich alle stallmeisterliche Lieblichkeit, die in den Scharen der unnützen Ritterbücher zerstreut ist, habe vereinigen wollen. Und hiermit beschütze dich Gott und vergiß mich nicht. Lebe wohl! Auf das Buch des Don Quijote von la Mancha Urganda die Unbekannte Kommst du, o Buch zu Bra-- So werden sie dich le-- Und keiner wird verwe-- So Plan wird Schreibart ta-- Gerätst du unter Scha-- So wirst du bald verneh-- Wie schön sie dich verste-- Begreif'n sie auch kein Com-- Sie haben's sich vorgenom-- Sie müssen's urteiln be-- Weil nun Erfahrung sa-- Daß, wer die Eiche su-- Im frischen Schatten ru-- So wirst du trefflich sa-- Wenn Bejar dir will ra-- Der Fürsten schon gebo-- Jetzt blüht mit dem Herzo-- Dem neuen Alexan-- Du brauchst wohl keinen an-- Ist er dir nur gewo-- Du sagst von dem Mancha-- Die seltnen Abenteu-- Ihn verrückten Leserei-- Den Kopf zu seinem Scha-- Die Waffen, Ritter, Da-- Entzündten ihm ein Fie-- Wie Roland dem Wüti-- Er liebte so wie die-- Bekannt' durch Taten die Lie-- Zur Tobosischen Dulzi-- Führt' nicht Inschrift und Sinn-- Als Rittersmann im Schil-- Er selbst statt tausend Bil-- Handelt' weislich wohl darin-- Hält er die Zuschrift gerin-- So ist der zu bekla-- Der es voll Mut gewa-- Dies Ritterwerk zu schrei-- Dann wird ihn keiner nei-- Auf immer ist er geschla-- Es hat sich nicht zugetra-- Daß der Schreiber dich geschmük-- Mit niedlichen kleinen Stük-- Von der lateinschen Spra-- Mag keiner dagegen was ha-- Und drüber rezensi-- Der wird Gesichter zie-- Und halten ihn für tö-- Der das ganze Buch verste-- Hieher gehört keine Lati-- Geklätsch sei wie deine Sa-- Laß jeden des Weges ge-- Das ist die beste Re-- So kommst du nie zu Scha-- Die gerne andre schla-- Geh' ihnen aus der Stras-- Und trübe selbst kein Was-- Erwirb dir gut Gerüch-- Denn wer Torheit erdich-- Erregt gerechte Has-- Sei niemals also wü-- Die Steine zu Hand zu neh-- Die Fenster sind ja glä-- Mußt nicht nach dem Nächsten zie-- Es ist keinem Manne gebüh-- Wer nicht Vernunft verloh-- Der schont ja gern der To-- Wer aber nur gesun-- Wohl zu gefallen den Jun-- Hat selbst für Narren geschrie-- Amadis von Gallia an Don Quijote von la Mancha Sonett In meinem Leid hab' ich dich zum Genossen, Wie ich der Ferne, Arme, der Verwaiste Einst nach dem großen Felsen Armut reiste Aus Freudigkeit in Trübsal hingestoßen. Wie mir, so sind die Augen dir geflossen Vom Tränenstrom, in dem das Salz das meiste, Du warst zufrieden, wie man dich auch speiste, Hast Erdensohn das Irdische genossen. Sei sicher, daß du ewiglich wirst leben, So lange nur Apoll den goldnen Wagen Noch lenkt vom roten Morgen nach dem Westen. Stets wird man dir den Ruhm des Tapfern geben, Dein Land wird schönen Preis von dannen tragen. Und deinen Weisen hält man für den Besten. Don Belianis von Graecia an Don Quijote von la Mancha Sonett Ich tobte, schlug, zerstörte baß verwegen, Mehr als ein Rittersmann jemals bewiesen; Ich war so stolz als tapfer, künstlich unterwiesen, Ich rächte die Beschwer mit tausend Schlägen. Den Taten mein kommt ew'ger Ruhm entgegen, Als Liebender manch' Träne ließ ich fließen, Nur Zwerglein waren mir die größten Riesen, Im Kampfe mocht ich all' zu Boden legen. Zu meinen Füßen lag das Glück geschmieget, Ein Stirnhaar wußte Klugheit doch zu finden Am Glück, wenn's auch ganz kahle Scheitel bote. Mags, daß mein Ruhm jenseit dem Monde flieget, Und aller Tatenglanz mir muß erblinden, Beneid' ich deine Größe, Don Quijote. Die Dame Oriana an Dulzinea von Toboso Sonett Lebt' ich wie du in sanfter Ruhe Schoße, So gönnt' ich dir, o schöne Dulzinea, Das prächtige London ach! mit Freuden ja, Hätt' ich dafür gewohnt dort in Tobose! Du warst dem Ritter seine süße Rose, O daß es mir nicht so wie dir geschah, Daß ich ihn nicht zu meinem Besten sah Im wilden Kampf mit Schwert und wackerm Rosse! Hätt' ich gekonnt den Amadis vermeiden, So keusch verharren, wie es dir gelungen Mit deinem sittgern Edlen Don Quijote! Ich wär' beneidet, brauchte nicht zu neiden; Es hätte mir kein Schmerz die Brust durchdrungen, Der schwerer war, als von 'nem halben Lote. Gandalin, Stallmeister des Amadis von Gallia, an Sancho Pansa, Stallmeister des Don Quijote Sonett Gegrüßt sei, braver Kerl, dem gutes Glücke, Als er stallmeisterlich in Dienst gegangen Die Leiden alle vorher weggefangen, Und niemals ihm bewiesen seine Tücke. Die Sichel, Hacke und der Pflug sind Stücke, Dem Irren nicht zuwider; mein Verlangen War Ruh', ich netzte oft um ihn die Wangen, Der stolz sucht' nach dem Monde eine Brücke. Ich neide dir den Namen und dein Tierlein, Auf deinen Schnappsack geht noch mehr die Mißgunst, In dem du deine Weisheit tätest zeigen. Noch einmal sei gegrüßt, du wackres Kerlein, Der spanische Ovid besinget mit Kunst Dich Edlen, drum mußt du dich ihm verneigen. Der rasende Orlando an Don Quijote von la Mancha Sonett Bist du kein Pair und so nicht meinesgleichen, Sind tausend dir nicht gleich, denn unter denen Darf keiner dich als ungebärd' verhöhnen, Du paarlos, unbesiegt in deinen Streichen. Orland' bin ich und schwärmt' in fernen Reichen, Angelika erzeugte meine Tränen; Ihr opfert' ich die Tat der kräftgen Sehnen, Den Glanz des Ruhms, der niemals wird erbleichen. Mich zu verdunkeln bist nur du geboren; Ich preise deine Taten als die größten, Und auch erreichst du mich als ein Verrückter. Doch kämpftest du mit großen Zaubermohren, So muß ich mich mit dem Gedanken trösten, In Lieb' bin ich wie du ein Unbeglückter. Der Ritter des Phöbus an Don Quijote von la Mancha Sonett Mein Schwert darf sich dem Euren nicht vergleichen, Ihr spanischer Phöbus, Blume aller Feinen, Mein tapfrer Arm vermißt sich nicht dem deinen, Ertönten gleich Gebirge seinen Streichen. Ich wies die Völker ab mit ihren Reichen, Ließ Morgenland zu meinen Füßen weinen, Zu seh'n der Claridiana Antlitz scheinen, Mußt auch Aurorens Herrlichkeit erbleichen. Worauf es durch ein seltnes Wunder kame, Daß Hölle, als die Dame mich verschmähte, Den Arm gefürchtet, der gezähmt ihr Toben. Unsterblich, Don Quijote, bleibt Euer Name, Und Dulzinea Eure Morgenröte Wird jeder Mund als keusch und weise loben. Der Sultan an Don Quijote von la Manche Sonett Wohl sind, Herr Quijote, Eure Geschichten Beweise, wie das Haupt Euch sehr verrücket, Doch jeder muß gesteh'n, der auf Euch blicket, Daß Ihr nichts Kleines dachtet auszurichten. Ihr wolltet die Beschwer der Welt vernichten, Und spaßhaft ist es, wie es Euch geglücket, Denn Lümmelvolk, das sich darein nicht schicket, Euch oftmals wacker bei den Ohren kriegten. Und wenn die vielgeliebte Dulzinee Sich undankbar erwiesen, Don Quijote, Und kalt geblieben gegen Eure Triebe, So sei Euch dies ein Trost in Eurem Wehe; Herr Sancho war ein schlechter Liebesbote, Er dumm, sie hart, nicht weit her Eure Liebe. Gespräch zwischen Babinza und Rosinante Sonett B. Ihr, Rosinante, schaut so miserabel. R. Nur stets marschieren, nichts zu fressen kriegen. B. Ihr wollt gewiß auf Heu und Häcksel liegen? R. Mein Herr gibt mir auch nicht ein Maul voll Haber. B. O geht, Ihr seid ein ungezogner Knabe, Wer wird so eselhaft den Herrn belügen! R. Er bleibt ein Esel, ist es von der Wiegen; Wollt wissen wie? Er ist ja ein Liebhaber. B. Ist lieben Torheit? R. Weisheit nicht, mein Seele! B. Seid Philosoph. R. Das macht, weil ich nicht speise. B. Verklagt den Knappen. R. Ihr seid linker Hand. Wem klag' ich's wohl, daß ich mich hungrig quäle, Wenn es dem Herrn wie Knappen gleicherweise Noch knapper geht als selbst dem Rosinant? Don Quijote von la Mancha ~Erstes Buch~ ~Erstes Kapitel~ Handelt von dem Stande und der Lebensweise des namhaften Edlen Don Quijote von la Mancha In einem Dorfe von la Mancha, auf dessen Namen ich mich nicht entsinnen kann, lebte unlängst ein Edler, der eine Lanze und einen alten Schild besaß, einen dürren Klepper und einen Jagdhund. Eine Olla, mehr von Rind- als Hammelfleisch, des Abends gewöhnlich kalte Küche, des Sonnabends arme Ritter und Freitags Linsen, Sonntags aber einige gebratene Tauben zur Zugabe, verzehrten drei Vierteile seiner Einnahme. Das übrige ging auf für ein schönes Kleid, samtene Schuh und Pantoffeln derselben Art, ingleichen für ein sehr feines Tuch, mit dem er sich in den Wochentagen schmückte. Bei ihm lebte eine Haushälterin, die die Vierzig verlassen, und eine Nichte, die die Zwanzig noch nicht erreicht hatte, zugleich ein Bursche, in Feld- und Hausarbeit gewandt, der sowohl den Klepper sattelte, als auch die Axt zu führen wußte. Die Zeit hatte unsern Edlen mit fünfzig Jahren beschenkt. Er war von starker Konstitution, mager, von dürrem Gesichte, ein großer Frühaufsteher und Freund der Jagd. Es gibt einige, die sagen, daß er den Zunamen Quixada oder Quesada führte, denn es finden sich etwelche Abweichungen unter den Schriftstellern, die von diesen Begebenheiten Meldung getan; aber es läßt sich aus wahrscheinlichen Vermutungen schließen, daß er sich Quixana nannte. Dies aber tut unserer Geschichtserzählung wenig Eintrag, insofern wir nur in keinem Punkte derselben von der Wahrheit abweichen. Es ist zu wissen, daß obgenannter Edler die Zeit, die ihm zur Muße blieb (und dies betrug den größten Teil des Jahres), dazu anwandte, Bücher von Rittersachen mit solcher Liebe und Hingebung zu lesen, daß er darüber sowohl die Ausübung der Jagd, als auch die Verwaltung seines Vermögens vergaß; ja, seine Begier und Vertiefung ging so weit, daß er unterschiedliche von seinen Saatfeldern verkaufte, um Bücher von Rittertaten anzuschaffen, in denen er lesen möchte; auch brachte er so viele in sein Haus, als er deren habhaft werden konnte. Unter allen schienen ihm keine so trefflich, als die Werke, die der berühmte Feliciano de Silva verfertigt hat, die Klarheit seiner Prose und den Scharfsinn seiner Perioden hielt er für Perlen, fürnämlich wenn er auf Artigkeiten oder Ausforderungen stieß, als wenn an vielen Orten geschrieben steht: Das Tiefsinnige des Unsinnlichen, das meinen Sinnen sich darbeut, erschüttert also meinen Sinn, daß ich über Eure Schönheit eine vielsinnige Klage führe. Oder wenn er las: Die hohen Himmel, die Eure Göttlichkeit göttlich mit den Gestirnen bewehrt, haben Euch die Verehrung der Ehre erregt, womit Eure Hoheit geehrt ist. Mit diesen Sinnen verlor der arme Ritter seinen Verstand und studierte die Meinung zu begreifen und zu entwickeln, die Aristoteles selbst nicht enthüllt und begriffen hätte, wenn er auch bloß darum auferstanden wäre. Er war nicht sonderlich mit den Wunden zufrieden, die Don Belianis austeilte und empfing, denn er gedachte, daß, wenn ihn auch die größten Meister geheilt hätten, ihm dennoch kein Antlitz übrigbleiben und sein Körper nur aus Narben und Malen bestehen könne. Doch gab er darin dem Autor Beifall, daß er sein Buch mit dem Versprechen eines ungeheuerlichen Abenteuers beschließt, und oft kam ihm der Gedanke, die Feder zu ergreifen und es wirklich, wie jener versprochen, fortzuführen; auch hätte er es ohne Zweifel getan, wenn ihn nicht größere und anhaltende Gedanken abgehalten hätten. Es traf sich, daß er oft in Streit mit dem Pfarrer seines Dorfes geriet (der ein gelehrter Mann war und zu Siguenza graduiert), wer von beiden ein größerer Ritter sei, ob Palmerin von England oder Amadis von Gallia. Aber Meister Nikolas, der Barbier desselbigen Ortes, meinte, daß keiner dem Ritter des Phöbus gleich sei, oder wenn sich einer mit ihm messen dürfe, so sei es Don Galaor, der Bruder des Amadis von Gallia, dieser sei durchaus edel und ritterlich, nicht geziert und weinerlich wie sein Bruder, auch sei er in Ansehung der Tapferkeit besser beschlagen. Sein Lesen also verwickelte ihn so, daß er die Nächte damit zubrachte weiter und weiter, und die Tage sich tiefer und tiefer hineinzulesen; und so kam es vom wenigen Schlafen und vielem Lesen, daß sein Gehirn ausgetrocknet wurde, wodurch er den Verstand verlor. Er erfüllte nun seine Phantasie mit solchen Dingen, wie er sie in seinen Büchern fand, als Bezauberungen und Wortwechsel, Schlachten, Ausforderungen, Wunden, Artigkeiten, Liebe, Qualen und andern Unsinn. Er bildete sich dabei fest ein, daß alle diese erträumten Hirngespinste, die er las, wahr wären, daß es für ihn auf der Welt keine zuverlässigere Geschichte gab. Er behauptete, Cid Ruy Diaz sei zwar ein ganz guter Ritter gewesen, er sei aber durchaus nicht mit dem Ritter vom brennenden Schwerte zu vergleichen, der mit einem einzigen Hiebe zwei stolze und unhöfliche Riesen mitten durchgehauen habe. Mehr hielt er vom Bernardo del Carpio, weil er bei Roncesvalles den bezauberten Roland umgebracht, indem er die Erfindung des Herkules nachgeahmt, der den Anteus, den Sohn der Erde, in seinen Armen erwürgte. Viel Gutes sagte er vom Riesen Morgante, der, ob er gleich vom Geschlechte der Riesen abstammte, die alle stolz und unumgänglich sind, sich allein leutselig und artig betrug. Über alle aber ging ihm Reinald von Montalban, besonders wenn er ihn sah aus seinem Kastell ausfallen, rauben was er konnte, wenn er dann sogar das Bild des Mahomet entführte, welches ganz golden war, wie es die Geschichte besagt. Er sagte, um dem Verräter Galalon einige Tritte geben zu können, er gern seine Haushälterin und als Zugabe auch seine Nichte fortschenken wolle. Als er nun mit seinem Verstande zum Beschluß gekommen, verfiel er auf den seltsamsten Gedanken, den jemals ein Tor auf der Welt ergriffen hat, denn es schien ihm nützlich und nötig, sowohl zur Vermehrung seiner Ehre als zum Besten seiner Republik, ein irrender Ritter zu werden und mit Rüstung und Pferd durch die ganze Welt zu ziehen um Abenteuer aufzusuchen und alles das auszuüben, was er von den irrenden Rittern gelesen hatte, alles Unrecht aufzuheben und sich Arbeiten und Gefahren zu unterziehen, die ihn im Überstehen mit ewigem Ruhm und Namen schmücken würden. Der Unglückliche stellte sich vor, daß er mindestens zum Lohn seines tapferen Armes zum Kaiser von Trapezunt würde gekrönt werden, und mit diesen schönen Gedanken, angefrischt von seiner seltsamen Leidenschaft, dachte er nun darauf, seine Entwürfe in Ausübung zu setzen. Zuerst begann er damit, einige Waffenstücke zu reinigen, die er von seinen Urgroßvätern geerbt und die gänzlich mit Rost und Staub bedeckt vergessen in einem Winkel standen. Er putzte und schmückte sie, so gut er konnte, wobei er aber gleich einen großen Mangel bemerkte, daß der Helm nämlich nicht vollständig, sondern nur eine Pickelhaube sei; aber seine Erfindsamkeit half dem ab, denn er verfertigte aus Pappen die untere Hälfte und verband sie mit der Haube, die dadurch den Anschein eines vollständigen Helmes erhielt. Es ist wahr, daß, um zu erproben, ob er stark genug sei, die Gefahr eines Kampfes auszuhalten, er sein Schwert zog und zwei Hiebe auf ihn führte, aber schon mit dem ersten das wieder vernichtet hatte, was er in einer Woche gearbeitet. Ihm gefiel die Leichtigkeit nicht, mit der er sein Werk zerstört hatte, und um sich vor dieser Gefahr zu sichern, arbeitete er es von neuem, fügte inwendig einige Eisenstäbe so an, daß er mit der Tüchtigkeit zufrieden war, und ohne eine andere Probe zu machen, hielt er sich für überzeugt, daß dieser Helm der trefflichste sei. Sogleich ging er seinen Klepper zu besuchen, ob dieser nun gleich mehr Dreiecke am Körper hatte, als ein Taler Dreier hat, und mehr Gebrechen als das Pferd des Gonela, das nur Haut und Knochen war, so schien es ihm doch, als wenn sich weder der Bucephalus Alexanders, noch der Babieza des Cid mit diesem messen dürfe. Drei Tage verstrichen, indem er sann, welchen Namen er ihm beilegen solle, denn (wie er zu sich selber sagte) es sei unanständig, wenn das Pferd eines so berühmten Ritters, und das an sich so trefflich sei, keinen bekannten Namen führe. Er suchte nämlich den Namen so einzurichten, daß man daraus begriffe, was es vorher gewesen, ehe es einem irrenden Ritter gedient, und was es nun sei; indem es der Vernunft gemäß, daß, sowie es einen andern Herrn bekomme, ihm auch ein anderer Name zukommen müsse, der es ziere und sich für das neue Amt und die neue Lebensweise gezieme, in die es nun eingehe. Darauf, von den vielen Namen, die er bildete, vernichtete und vertilgte, umarbeitete, wegwarf und wieder annahm, um den besten zu erfinden, wählte er endlich die Benennung Rosinante, ein nach seinem Urteil erhabener, volltönender und bedeutungsvoller Name, bezeichnend, daß er ein Klepper gewesen, ehe er seinen jetzigen Stand bekommen, auch daß er der erste und fürnehmste von allen Kleppern auf der Welt sei. Da ihm dieser Name für sein Pferd so nach seinem Geschmacke gelungen, so suchte er einen andern für sich selbst. In dem Nachsinnen darüber verstrichen wieder acht Tage, und nun geschah es endlich, daß er sich Don Quijote nannte. Woher, wie gesagt wird, die Verfasser dieser wahrhaftigen Geschichte Gelegenheit genommen zu behaupten, daß er ganz ohne Zweifel Quixada und nicht Quesada geheißen, wie andere meinen wollen. Da er aber gedachte, daß der tapfre Amadis sich nicht begnügt, sich bloß trocken Amadis zu nennen, sondern noch den Namen seines Reiches und Vaterlandes hinzugefügt, um es berühmt zu machen, und sich daher Amadis von Gallia betitelt habe: so stehe es ihm ebenfalls als einem wackern Ritter zu, den Namen seines Landes beizufügen und er benamte sich also Don Quijote von la Mancha. Hiermit erklärte er nach seiner Meinung Vaterland und Geburtsgegend genau und ehrte sie zugleich, indem er den Zunamen von ihr entlehnte. Die Rüstung war gesäubert, die Haube zum Helm gemacht, dem Klepper ein Name gegeben, sein eigener festgesetzt; er sah ein, daß nun nichts fehle, als eine Dame zu suchen, in die er verliebt sei, denn ein irrender Ritter ohne Liebe sei ein Baum ohne Laub und Frucht, ein Körper ohne Seele. Er sprach: Wenn ich nun zur Strafe meiner Sünden oder zu meinem Glücke auf irgendeinen Riesen treffe (wie dies denn gewöhnlich irrenden Rittern begegnet), und ich ihn in einem Anlauf niederrenne oder ihn mitten durchhaue, oder kurz ihn überwinde und bezwinge, wär' es nicht gut, jemand zu haben, zu dem ich ihn schickte, sich zu präsentieren? Wenn er dann hineinträte, vor meiner süßen Herrin sich auf die Knie niederließe und mit demütiger und unterwürfiger Stimme spräche: Meine Herrscherin, ich bin der Riese Caraculiambro, Herr der Insel Malindrania, den im Zweikampfe der mit Recht ewig gepriesene Ritter Don Quijote von la Mancha überwand und mir befahl, mich Eurer Gnaden zu präsentieren, damit Ihro Hoheit nach Ihrem Wohlgefallen mit mir schalte. -- Oh, wie erfreut war unser wackrer Ritter, als er diese Rede gehalten, noch mehr aber, als er wußte, wem er den Namen seiner Dame geben solle. Es war, wie man glaubt, in einem benachbarten Dorfe ein Bauernmädchen von gutem Ansehen, in die er einmal verliebt gewesen war, welches sie aber wie sich versteht, nie erfahren, er ihr auch niemals gesagt hatte. Sie hieß Adonza Lorenzo und schien ihm tauglich, ihr den Titel der Herrin seiner Gedanken zu geben. Er suchte nun einen Namen, der dem seinigen entspräche, der eine Prinzessin und Herrscherin bezeichnend und ihr geziemlich sei, und er nannte sie daher Dulzinea von Toboso, denn sie war von Toboso gebürtig; ein Name, nach seinem Urteil musikalisch, fremdtönend und bezeichnend, wie alle übrigen, die er zu seinem Gebrauche erfunden hatte. ~Zweites Kapitel~ Handelt von dem ersten Aufbruch des scharfsinnigen Don Quijote aus seinem Besitztum Da er diese Vorkehrungen getroffen, konnte er es nicht länger aufschieben, seinen Vorsatz ins Werk zu richten, denn ihn drängte der Nachteil, der nach seiner Meinung der Welt durch seine Verzögerung erwüchse; ihn rief das Unrecht, das er vertilgen, die Ungebühr, die er einrichten, die Beschwer, die er aufheben, Mißbräuche, die er bessern und Verschuldungen, die er vergelten müsse. Ohne also irgend jemand seinen Vorsatz mitzuteilen, ohne daß ihn einer bemerkte, rüstete er sich eines Morgens vor dem Tage (der einer der heißesten im Julius war) mit allen Waffenstücken, bestieg den Rosinante, setzte den übel gemachten Helm auf, faßte den Schild und ergriff die Lanze und zog durch eine kleine Tür des Hinterhofes aufs Feld hinaus, sehr zufrieden und vergnügt, daß sein guter Vorsatz einen so leichten Anfang gewann. Kaum aber sah er sich auf dem Felde, als ihn ein furchtbarer Gedanke mit solcher Gewalt befiel, daß er beinahe sein angefangenes Unternehmen gänzlich aufgegeben hätte. Es kam ihm nämlich ins Gedächtnis, daß er noch kein geschlagener Ritter sei und daß er also nach den Gesetzen der Ritterschaft mit keinem Ritter einen Waffenkampf weder halten könne noch dürfe, daß er ferner als neuer Ritter weiße Waffen führen müsse, ohne Sinnbild auf dem Schilde, bis seine Tugend ihm eins gewinne. Diese Vorstellungen erschütterten seinen Vorsatz heftiglich, aber seine Torheit, mächtiger als jeder andere Grund, gab ihm ein, daß er sich vom Ersten, auf den er träfe, zum Ritter wolle schlagen lassen, in Nachahmung vieler anderen, die ebenso verfahren, wie er in den Büchern gelesen, die davon Meldung getan. Was die Weiße der Waffen beträfe, so gedachte er sie, wenn er einen Ort erreicht, so hell zu schleifen, daß sie den gefallenen Schnee an Weiße überträfen. Hiermit beruhigte er sich und setzte seinen Weg fort, ohne einen andern zu suchen, als den sein Pferd eingeschlagen, denn er meinte, daß dies die Kunst sei, Abenteuer zu beginnen. Indem nun unser frischer Abenteurer fortritt, sprach er zu sich selber also: Es leidet keinen Zweifel, daß in künftigen Zeiten, wenn die wahrhafte Geschichte meiner Taten an das Licht tritt, der Weise, der sie schreibt, gewiß nicht ermangelt, von meinem ersten so frühen Auszuge also anzuheben: »Der feuerrote Apoll hatte kaum über das Angesicht der großen, weitstreckigen Erde die güldenen Fäden seines schönen Haupthaares verbreitet; kaum hatten die kleinen, buntgemalten Vögelein mit ihren Harfenzungen die rosichte Aurora mit süßer, honiglieblicher Harmonie begrüßt, die das weiche Bett des eifersüchtigen Gemahls verließ und durch die Tore und Balkone des Manchanischen Horizontes sich den Sterblichen zeigte: als der berühmte Ritter Don Quijote von la Mancha die müßigen Federn verließ, sein berühmtes Roß Rosinante bestieg und begonn, über das alte und wohlbekannte Feld Montiel zu reiten.« Er ritt jetzt in der Tat durch diese Gegend und fuhr weiter fort: O beglückte Zeit! beglücktes Menschenalter! in dem meine preisvollen Taten ans Licht treten werden, die verdienen, daß man sie in Erz gießt, in Marmor haut und auf Tafeln zum Gedächtnis der künftigen Zeit malt! O du weiser Zauberer, wer du auch seist, dem es aufbehalten ist, die Chronik dieser Wundergeschichte zu stellen, o vergiß, ich flehe dich, den wackern Rosinante nicht, meinen unzertrennlichen Gefährten auf jedem Wege und in jeglicher Bahn. -- Darauf sprach er, als wäre er in der Tat verliebt gewesen: O Prinzessin Dulzinea! Herrin dieses gefangenen Herzens! wie quält es mich, daß Ihr mich verbannt und mit grausamer Härtigkeit mich verwerft, daß Ihr gebietet, ich solle nicht vor Eurer Schönheit erscheinen. O gedenkt Herrscherin dieses Euch unterworfenen Herzens, das so Großes um Willen Eurer Liebe leidet. An diese Ausrufungen fügte er noch andern Unsinn, alles, wie er es in seinen Büchern gefunden hatte, indem er sich bemühte, ihre Sprache, so viel es ihm möglich war, nachzuahmen. Er zog dabei eine große Strecke fort und die Sonne brannte so heftig und heiß auf ihn hinunter, daß sie ihm leicht die Sinne verrückt, wenn sie welche angetroffen hätte. Er zog den ganzen Tag fort, ohne daß er auf etwas stieß, das der Erzählung würdig war, worüber er sich entrüstete, denn er wünschte nur Gelegenheit, um sogleich, sogleich die Tapferkeit seines starken Armes zu erproben. Es sind Autoren der Meinung, daß das erste Abenteuer, das ihm begegnete, das am Hafen Lapice gewesen. Andere führen dasjenige mit den Windmühlen auf, aber alles, was ich hierin erforschen können, und was in den Jahrbüchern von la Mancha geschrieben steht, ist, daß er den ganzen Tag fortzog, und daß am Abend sein Roß und er vor Hunger beinahe gestorben waren. Er schaute nach allen Seiten um, ob er nicht ein Kastell erspähen könne, oder eine Schäferhütte, um sich zu erquicken und seiner Not abzuhelfen. Endlich erblickte er unfern dem Wege, auf dem er ritt, eine Schenke, die ihm wie ein Stern entgegenschien, der ihn in das Tor oder die Freistätte seiner Leiden winkte. Er eilte dorthin und erreichte sie mit dem Anbruche des Abends. Unter der Tür standen von ungefähr zwei Mädchen, von jenen, die man die gutwilligen nennt, die mit einigen Maultiertreibern, welche in dieser Schenke ihr Nachtlager hielten, nach Sevilla gingen. Wie nun unserm Abenteurer alles, was er dachte, sah oder sich einbildete so erschien und sich zutrug, wie er es gelesen hatte, so kam es ihm sogleich, als er die Schenke sah, vor, dies sei ein Kastell mit seinen vier Türmen, mit Gesimsen von glänzendem Silber, mit Zubehör der Zugbrücke und des Burggrabens nebst allen übrigen Dingen, mit denen dergleichen Kastelle geschildert werden. Er näherte sich der Schenke, die ihm ein Kastell schien, und da er nur noch wenig entfernt war, zog er dem Rosinante den Zügel an, in der Erwartung, daß ein Zwerg auf den Zinnen erscheinen würde, um mit einer Trompete das Zeichen zu geben, daß sich ein Ritter dem Kastell nahe. Da er aber sah, daß er zögerte, Rosinante auch begierig war, sich dem Stalle zu nahen, so nahte er sich der Tür der Schenke und sah dort die beiden liederlichen Mädchen stehen, die ihm zwei schöne Fräulein oder zwei anmutige Damen schienen, die sich vor dem Tore des Schlosses in der Frische ergingen. Es traf sich indes, daß ein Schweinehirt, der von dem Stoppelfelde eine Herde Schweine (die ohne Gnade diesen Namen führen) versammeln wollte und also in ein Horn stieß, auf dessen Schall sie alle zusammenkamen. Sogleich stellte sich Don Quijote das vor, was er wünschte, daß nämlich ein Zwerg das Zeichen seiner Ankunft gegeben habe. Mit großer Zufriedenheit also näherte er sich der Schenke und den Damen, die, da sie einen Mann auf diese Art gewaffnet, mit Schild und Lanze auf sich zukommen sahen, aus Furcht in die Schenke hineinlaufen wollten. Don Quijote aber, der ihre Furcht aus ihrem Entfliehen schloß, erhub sein Visier aus Pappen, zeigte sein mageres und bestäubtes Gesicht und sagte mit zierlicher Weise und sanfter Stimme diese Worte: »Fliehen Eure Gnaden nicht, und fürchten dieselben keinen Unglimpf, denn es gebeut der Orden der Ritterschaft, dem ich diene, keinen Raub oder Gewalttätigkeit an irgend jemand zu verüben, geschweige denn an so edlen Jungfrauen, mit denen mich Eure Gegenwart beglückt.« Die Mädchen sahen ihn an und suchten sein Gesicht mit den Augen, welches das schlechte Visier verdeckte, aber da sie sich Jungfern nennen hörten (etwas, das ihrem Gewerbe so fern lag), konnten sie das Lachen nicht zurückhalten, sondern sie lachten so laut, daß sich Don Quijote entrüstete und sprach: »Es geziemt Bescheidenheit den Schönen wohl und große Torheit ist es überdies, mit schlechter Ursach lachen; doch sage dies nicht zu Eurer Anhörung, noch daß ich Übelwollen zeige, denn ich habe keinen andern Willen als euer Diener zu sein.« Diese Sprache verstanden die Damen nicht, und das üble Aussehen unsers Ritters vermehrte ihr Gelächter sowie seinen Zorn; sie hätten auch darin fortgefahren, wenn der Schenkwirt nicht hinzugekommen wäre, ein Mann, der, wie er sehr fett, auch überaus friedliebend war; als dieser diese Gestalt scheußlich gerüstet mit so ungeziemlichen Waffen, als der Zaum des Pferdes, die Lanze, der Schild und der kleine Harnisch war, erblickte, so fehlte wenig, daß er nicht das Vorbild von Fröhlichkeit der beiden Mädchen nachgeahmt hätte. Da er aber doch diese umbollwerkte Figur fürchtete, so entschloß er sich, höflich zu reden und sprach also: »Wenn Eure Gnaden, Herr Ritter, Ruhe suchen, so finden Sie außer einem Bette, denn wir haben keins in der Schenke, alles übrige im großen Überflusse.« Als Don Quijote die Unterwürfigkeit des Kommandanten der Festung sah, denn dafür hielt er den Schenkwirt und die Schenke, antwortete er: »Für mich, Herr Kastellan, ist alles Ding genug, denn mein Schmuck sind die Waffen; meine Ruhe ist Streiten.« -- Der Wirt dachte, da er sich Kastellan nennen hörte, jener hielt ihn für einen Gauner, die man wohl feine Kastilianer nennt; er war aber ein Andaluzier, ein Eingeweihter in die falschen Künste der Karten, ein Schelm wie Cacus, und ein Spottvogel wie ein Student oder Page, er antwortete daher: »So werden also Euer Gnaden Betten harte Steine und Euer Schlaf ein beständiges Wachen sein, und wenn es sich so befindet, so dürft Ihr nur kecklich absteigen, denn Ihr trefft in diesem Hause Gelegenheit und Anstalt, ein ganzes Jahr nicht zu schlafen, geschweige denn eine Nacht.« Indem er dies sagte, hielt er Don Quijote den Steigbügel, der mit vieler Mühe und Beschwer abstieg, wie ein Mann, der noch den ganzen Tag nüchtern geblieben war. Er sagte sogleich dem Wirte, daß er für sein Pferd große Sorgfalt tragen möge, denn es sei das schönste Tier auf der ganzen Welt, das Brot äße. Der Wirt beschaute es, aber es schien ihm nicht so trefflich, als es Don Quijote beschrieb, ja nicht einmal auf die Hälfte so gut. Er führte es in den Stall und kam dann zurück, um zu sehen, was sein Gast befehle, den indes die Jungfrauen entwaffneten, mit denen er sich wieder versöhnt hatte. Sie lösten den Brust- und Rückenharnisch ab, konnten es aber mit aller Arbeit nicht dahin bringen, die Kehle freizumachen und den nachgeahmten Helm abzunehmen, der mit grünen Bändern unter dem Halse festgebunden war und von denen sie die Knoten ohne Schnitt nicht aufzulösen vermochten. Darin aber wollte er keineswegs einwilligen, er blieb also den ganzen Abend in seinem Helme und stellte die anmutigste, seltsamste Figur dar, die man sich nur einbilden kann. Er meinte, daß diejenigen, die ihn entwaffneten, vornehme Damen und Gebieterinnen aus einem Schlosse wären und sagte daher mit vielem Anstande: »Niemals ward ein edler Bote So bedient von Damen süß, Wie der große Don Quijote Als er seine Heimat ließ. Zarte Mädchen pflegten ihn, Prinzessin'n sein Rösselin. O Rosinante! dies, meine Gebieterinnen, ist der Name meines Pferdes und ich heiße Don Quijote von la Mancha. Ich sollte mich nicht zu erkennen geben, bis meine Tathandlungen in Eurem Dienste mich kenntlich machten, aber diese alte Romanze von Lanzarote, die sich auf meinen gegenwärtigen Zustand schickt, hat mich bewogen, meinen Namen vor der Zeit zu nennen; aber es wird die Zeit kommen, wann Eure Hoheit mir gebieten und ich gehorchen soll, wann die Tapferkeit meines Armes den Willen Euch dienstbar zu sein, beurkunden wird.« Die Mädchen, die solcher rhetorischen Figuren ungewohnt waren, antworteten nicht darauf, sondern fragten ihn nur, ob er nicht etwas zu essen begehre. »Wann ich etwas zu genießen haben kann,« antwortete Don Quijote, »denn soviel ich einsehe, bedarf ich dessen ungemein.« Es war gerade Freitag, und in der ganzen Schenke nichts als etwas Stockfisch, den die Leute in dieser Gegend Föhr nannten. Man fragte ihn also, ob er vielleicht beliebe, Förchen zu speisen, denn man könne ihm keinen andern Fisch zu essen reichen. Don Quijote, der an Forellen dachte, antwortete: »Wenn es viele Forellchen sind, so können sie eine Forelle vorstellen, denn es läuft auf eins hinaus, ob mir jemand acht Realen einzeln gibt oder ein einziges Stück von achten; es kann überdies wohl zutreffen, daß es sich mit einem Forellchen verhält wie mit einem jungen Kalbe, welches dem Rinde vorzuziehen, sowie auch das Zicklein zarter ist als der Bock; aber es sei, was es wolle, so erscheine es sogleich, denn die Beschwer und Waffenlast können nur durch Erquickung des Innern ertragen werden.« -- Sie setzten also den Tisch der Frische wegen vor die Tür der Schenke, und der Wirt führte ein Stück des schlecht geweichten und übel gekochten Stockfisches auf, nebst einem Brot, schwarz und schmutzig wie seine Waffen. Es war ungemein lächerlich, ihn essen zu sehen, denn da ihn der Helm und das Visier hinderten, konnte er mit den Händen nichts zum Munde führen, wenn es ihm nicht ein anderer gab und hineinsteckte. Eine der Damen bediente ihn auf diese Weise. Ihm aber zu trinken zu reichen war unmöglich, und wäre unmöglich geblieben, wenn der Schenkwirt nicht ein Rohr ausgehöhlt, ihm das eine Ende in den Mund gesteckt und durch das andere den Wein eingegossen hätte. Dies alles ertrug er geduldig, um nicht die Bänder seines Helmes zerschneiden zu lassen. Indem die Sachen so standen, geschah es, daß ein Schweinschneider in die Nähe der Schenke kam und indem er sich näherte, vier- oder fünfmal auf seiner Pfeife blies. Dies bestätigte Don Quijote völlig darin, daß er sich in einem berühmten Kastell befinde, daß man ihn mit Musik bediene, der Stockfisch Forelle sei, das Brot feine Semmel, die Huren Damen und der Schenkwirt Kastellan des Kastells; und somit hielt er den Anfang seines Auszuges für glücklich genug. Was ihn nur quälte, war, daß er noch nicht zum Ritter geschlagen und er sich mithin nicht gesetzmäßig in ein Abenteuer einlassen dürfe, ohne den Orden der Ritterschaft empfangen zu haben. ~Drittes Kapitel~ Wird erzählt die zierliche Weise, mit der Don Quixote zum Ritter geschlagen wurde Von diesen Gedanken beunruhigt, ließ er seine magere und schlechte Abendmahlzeit nicht lange währen; als er sie geendigt, rief er den Wirt, mit dem er sich im Stalle verschloß, sich vor ihm auf die Knie niederließ und sprach: »Niemalen werde ich mich von hier aufheben, tapferer Ritter, bis Eure Gütigkeit mir eine Gabe bewilligt hat, um die ich flehe und die Euch zum Ruhme und der ganzen Menschheit zum Nutzen gereichen wird.« Als der Wirt seinen Gast zu seinen Füßen sah und dergleichen Reden vernahm, betrachtete er ihn mit Verwunderung, ohne zu wissen, was er tun oder sagen solle. Er bat ihn, daß er aufstehen möchte, welches jener aber versagte, bis der Wirt ihm die Gabe bewilligte, um die er flehte. »Ich erwartete von Eurer Großmütigkeit nichts anderes, mein gnädiger Herr,« antwortete Don Quijote, »ich verkünde Euch also, daß die Gabe, um die ich gefleht habe, und die mir Euer liebreicher Sinn bewilligt, darin besteht, daß Ihr mich früh, vor Tage, zum Ritter schlagen mögt, und daß ich in dieser Nacht in der Kapelle Eures Kastells die Waffen bewachen dürfe; mit der Frühe wird dann mein höchster Wunsch erfüllt, damit ich, wie es sich gebührt, in alle vier Teile der Welt ziehen könne, Abenteuer aufzusuchen zum Nutzen der Hilfsbedürftigen, wie es das Amt der Ritterschaft und der irrenden Ritter ist, zu denen ich mich bekenne, und dessen Sinn zu solchen Taten gerichtet ist.« Der Wirt, der wie schon gesagt, ein Schelm war, und wohl einigen Verdacht über die Verstandesabwesenheit seines Gastes haben mochte, war jetzt völlig davon überzeugt, da er diese Reden hörte. Um sich für die Nacht eine Lust zu machen, nahm er sich vor, seiner Laune zu folgen. Er sagte also, daß er sehr gut das verstehe, was er wünsche und flehe und daß dergleichen Begehren sehr natürlich und schicklich für einen so trefflichen Ritter sei, als er schiene und sein heldenmütiger Anstand verkünde; er selbst habe sich in seinen Jugendjahren einigen ehrenvollen Übungen ergeben, sei gleichfalls verschiedene Teile der Welt durchzogen, seine Abenteuer aufzusuchen, sei in den Herbergen von Malaga bewandert, in den Inseln von Riaran, in der Gegend von Sevilla, auf dem kleinen Markte von Segovia, in dem Olivengarten von Valenzia, imgleichen auf dem Platze von Grenada, am Ufer von San Lucar, unter den Rittern von Cordova, den Schenken von Toledo und andern verschiedenen Gegenden, wo er die Gewandtheit seiner Füße und die Geschicklichkeit seiner Hände sehen lassen, dort sei ihm vieler Unglimpf geglückt, dort habe er manche Witwen gewonnen, einige Jungfrauen berückt und wenige Unmündige betrogen; kurz, er habe sich tausend Menschen und vielen vornehmen Gerichtshöfen durch ganz Spanien bekanntgemacht; letztlich aber habe er sich entschlossen, sich in dieses sein Kastell zurückzuziehen, wo er mit seinem Vermögen und fremden Haushalte alle irrenden Ritter aufnehme, von was Art und Stand sie auch sein möchten, aus großer Liebe zu ihnen, und darum auch seine Habe mit ihnen teile, um ihre guten Absichten zu belohnen. Er fuhr fort, daß er in seinem Kastell keine Kapelle habe, wo man die Waffen bewachen könne, weil er sie niedergerissen, um eine neue aufzuführen, daß er aber wisse, daß man die Wache im Falle der Not an jedwedem Orte halten dürfe, und daß er also in dieser Nacht das Wachen in einem Hofe des Schlosses verrichten könne; mit der Frühe wolle er unter Gottes Beistand die nötigen Zeremonien so vornehmen, daß er ihm auf eine Weise den Ritterschlag geben wolle, wie ihn noch kein Ritter in der ganzen Welt erhalten. Er fragte ihn ferner, ob er Geld mit sich führe? -- Don Quijote antwortete, daß er keinen Heller führe, weil er in den Geschichtbüchern von fahrenden Rittern niemals gelesen, daß irgendeiner Geld mit sich geführt habe. Hierauf sagte der Schenkwirt, daß er sich irre, daß, wenn es in den Geschichtbüchern nicht stehe, es den Autoren geschienen, daß es nicht nötig sei, von der Führung so unentbehrlicher Dinge zu schreiben, als Geld und reine Hemden wären, daß sie aber darum niemals gezweifelt, ob die Ritter dergleichen bei sich gehabt; es sei auch zuverlässig und ausgemacht, daß alle irrenden Ritter, von denen so viele Bücher angefüllt sind, auf den Fall der Not immer eine gute Börse bei sich hatten, ingleichen Hemden, wie auch eine kleine Büchse mit Salben, um die Wunden zu heilen, die sie empfangen möchten, denn in den Feldern und Wüsten, wo sie kämpften und die Wunden empfingen, war nicht immer jemand, der sie heilte, wenn sie nicht irgendeinen weisen Zauberer zum Freunde hatten, der sogleich zu Hilfe eilte und durch die Luft in einer Wolke eine Jungfrau oder einen Zwerg mit einem so köstlichen Balsam schickte, daß man nur einen Tropfen davon zu kosten brauchte, um von allen Schmerzen und Wunden so völlig zu genesen, als wenn man gar keine Unpäßlichkeit empfunden. Diejenigen aber, die dergleichen Freunde nicht hatten, bei diesen wandernden Rittern ist es als eine gewisse Sache anzunehmen, daß ihre Edelknaben mit Geld und andern Notwendigkeiten versehen gewesen, wozu besonders Scharpie und Salben zum Verbinden gehören: wenn es aber geschah, daß diese Ritter ohne Edelknaben waren, welches aber in der Tat nur sehr selten der Fall war, so hatten sie selber alles in sehr subtilen Schnappsäcken, die sie hinten auf dem Pferde hatten, daß es aussah, als wär' es ein ander Ding von Wichtigkeit, denn aus obigen Gründen war es unter den irrenden Rittern nicht sonderlich üblich, selber Schnappsäcke zu führen. Der Wirt riet ihm noch einmal, da er ihn schon wie seinen angenommenen Sohn ansähe, welcher er auch binnen kurzem würde, daß er nicht reisen solle, ohne Geld und die vorerwähnten Notwendigkeiten bei sich zu haben, er würde sehen, von welchem Nutzen sie seien, wenn er es am wenigsten gedächte. Don Quijote versprach seinen Rat auf das pünktlichste zu befolgen, und sogleich wurde ausgemacht, daß er die Waffen in einem Hofe bewachen solle, der zur Seite der Schenke lag. Don Quijote nahm sie alle und legte sie auf einen Trog, der neben einem Brunnen stand, dann nahm er seinen Schild, faßte die Lanze und fing vor dem Troge an, mit edlem Anstande auf und ab zu gehen; indem er diesen Spaziergang anfing, fing die Nacht an völlig hereinzubrechen. Der Schenkwirt erzählte allen, die in der Schenke waren, von der Torheit seines Gastes, wie er die Waffen bewache und Hoffnung hege, zum Ritter geschlagen zu werden. Alle verwunderten sich über diese seltsame Art von Narrheit und betrachteten ihn von weitem, wie er mit friedlichen Gebärden einmal vorüberging, zurückschritt, sich auf die Lanze stützte und seine Augen auf die Waffen heftete, ohne sich weit von ihnen zu entfernen. Es war völlig Nacht, aber so heller Mondschein, daß alles, was der neue Ritter vornahm, ganz deutlich von allen gesehen wurde. Es fiel einem von den Maultiertreibern, die in der Schenke waren, ein, seinen Tieren Wasser zu geben. Er mußte dazu notwendig Don Quijotes Waffen wegnehmen, die auf dem Troge standen, aber als dieser ihn nahekommen sah, rief er mit lauter Stimme: »O du, wer du auch seist, übermütiger Ritter, der du dich nahst, die Waffen des allertapfersten Irrenden anzurühren, den je ein Schwert umgürtete, siehe wohl zu, was du tust, berühre sie nicht, wenn du nicht dein Leben als Strafe deines Übermutes verlieren willst.« -- Der Eseltreiber kümmerte sich um diese Reden nicht, aber für sein Wohlbefinden wäre es besser gewesen, wenn er sich darum gekümmert hätte, sondern nahm die Waffen herunter und warf sie eine große Strecke weit von sich. Als Don Quijote dieses erblickte, schlug er die Augen zum Himmel und richtete darauf seine Gedanken wie es schien zu seiner Gebieterin Dulzinea und sprach: »Helft mir, Gebieterin, in dieser ersten Befährdung, die sich dem Euch unterworfenen Herzen darbeut; entzieht mir nicht in diesem ersten Wagestück Eure Gunst und Hilfe.« Indem er dies und andere dergleichen Dinge sprach, warf er den Schild weg, faßte mit beiden Händen die Lanze und gab dem Eseltreiber einen so gewaltigen Schlag auf den Kopf, mit welchem er ihn so behende auf den Boden hinlegte, daß, wenn noch ein zweiter Schlag gefolgt wäre, jener keines Wundarztes zu seiner Heilung bedurft hätte. Nachdem dies getan war, sammelte er die Waffen wieder auf und fing wieder an, mit derselben Gemütsruhe wie erst, auf und ab zu gehen. Kurz nachher, ohne zu wissen, was sich zugetragen (denn der erste Eseltreiber lag noch ohne Bewußtsein auf dem Boden), kam ein anderer, in der nämlichen Absicht, seinen Maultieren Wasser zu geben, er machte Anstalt, die Waffen herabzuwerfen, um den Trog freizumachen. Don Quijote, ohne ein Wort zu sprechen und irgend jemand um seine Gunst zu flehen, warf zum zweiten Male den Schild weg, ergriff zum zweiten Male die Lanze und ohne weitere Umstände schlug er dem zweiten Eseltreiber mehr als dreimal auf den Kopf und eröffnete ihn an vier unterschiedlichen Stellen. Auf das Geschrei liefen alle aus der Schenke zusammen und unter diesen war auch der Schenkwirt. Als Don Quijote sie sah, faßte er seinen Schild, legte die Hand an seinen Degen und sprach: »O Herrin der Schönheit! Kraft und Stärke meines schwachen Herzens! Zu dieser Frist wende die Augen deiner Größe auf deinen gefangenen Ritter, dem ein furchtbares Abenteuer bevorsteht!« -- Hiedurch wurde, nach seinem Urteil, sein Gemüt so erfüllt, daß er nicht einen Fußbreit gewichen wäre, wenn ihn auch alle Eseltreiber in der Welt angegriffen hätten. Als die Gefährten der Verwundeten dergleichen sahen, fingen sie an, nach Don Quijote aus der Ferne mit Steinen zu werfen, wogegen er sich, soviel es ihm möglich war, mit seinem Schilde verwahrte, es aber dabei nicht wagte, den Trog zu verlassen, um seine Waffen nicht unbeschirmt zu lassen. Der Schenkwirt rief, um sie abzuhalten, dazwischen, er habe es ihnen vorher gesagt, daß er närrisch sei, und daß ihn seine Narrheit freisprechen würde, wenn er sie auch alle umbrächte. Don Quijote aber schrie noch lauter und nannte sie alle Verräter und Nichtswürdige, der Herr des Kastells aber sei ein feiger und schlechtgearteter Ritter, weil er es dulde, daß man also gegen irrende Ritter verführe; sobald er den Orden der Ritterschaft empfangen, wolle er auch über seine Verräterei mit ihm Rücksprache nehmen. -- »Was aber euch übrigen betrifft,« fuhr er fort, »so seid ihr gemeines Gesindel, auf welches ich gar nicht weiter achte; werft, nähert euch, kommt heran und beleidigt mich, soviel ihr könnt, ihr sollt den Lohn empfangen, der eurem Unsinn und Aberwitz gebührt.« Diese Worte sprach er mit so vieler Kühnheit, daß alle, die ihn angriffen, von Furcht befallen wurden. Hiedurch und durch die Überredungen des Schenkwirtes bewogen, hörten sie auf zu werfen, er aber erlaubte den Verwundeten, sich wegzubegeben und kehrte dann zur Bewachung seiner Waffen mit eben der Ruhe und Friedlichkeit zurück, mit welcher er sie begonnen hatte. Dem Schenkwirt mißfielen die Possen seines Gastes, er beschloß also, sie abzukürzen und ihm lieber sogleich den fatalen Ritterorden zu erteilen, ehe noch mehr Unheil daraus erwüchse. Er ging also zu ihm und entschuldigte sich über die Beleidigung einiger pöbelhaften Menschen, die sie ganz ohne sein Mitwissen verübt, weshalb er sie auch geziemlich ihres Übermutes halber bestraft habe. Er wiederholte, was er ihm schon gesagt hatte, daß er in seinem Kastelle keine Kapelle habe, daß aber zu dem, was noch zu tun, wenig vonnöten sei; alles, was zur Feierlichkeit gehörig, bestehe hauptsächlich im Nackenschlage mit der Hand und im Schulterschlage mit dem Degen, soviel ihm von den Zeremonien des Ordens mitwissend sei, und daß dies mitten auf dem Felde vollbracht werden könne; mehr als genug habe er in der Bewachung der Waffen getan, zu der zwei Stunden hinreichend wären, auf welche er aber mehr als vier aufgewandt habe. Don Quijote glaubte dies alles und antwortete, daß er sogleich bereit sei zu gehorchen und daß er alles so schnell als möglich beendigen möchte, denn wenn man ihn wieder angriffe und er schon zum Ritter geschlagen sei, er keine Person im ganzen Kastell lebendig zu lassen gedenke, diejenigen ausgenommen, die er ihm nennen würde und die er aus Achtung gegen ihn verschonen wolle. Dieser kluge und vorsorgliche Kastellan nahm sogleich ein Buch, in welchem er seinen Häcksel und die Gerste für die Eseltreiber anschrieb und ging so und mit einem Jungen, der ein Endchen Licht trug, und mit den beiden obengenannten Jungfrauen zu Don Quijote hin. Diesem gebot er, sich auf die Knie niederzulassen, und indem er in seinem Manuale las, als wenn er ein andächtiges Gebet hersagte, erhub er unter dem Lesen die Hand und gab ihm einen guten Schlag an den Hals, hierauf einen zierlichen Rückenschlag mit seinem eigenen Schwert, indem er immer zwischen den Zähnen murmelte, als wenn er etwas hersagte. Dann befahl er der einen Dame, ihm das Schwert umzugürten, die es auch mit vieler Artigkeit und ziemlichem Anstand tat, ob sie gleich große Mühe hatte, bei diesen Zeremonien nicht in ihr erstes Lachen wieder zu verfallen; doch hielten die Tapferkeiten, die sie den neuen Ritter verüben gesehen, die Lachlust in ihren Schranken zurück. Indem sie ihm das Schwert umgürtete, sprach die wackere Dame: »Gott mache Eure Gnaden zu einem glücklichen Ritter und gebe Euch glückliche Kämpfe.« Don Quijote fragte nach ihrem Namen, um zu wissen, wem er für die empfangene Vergünstigung verbindlich, weil er gesonnen, ihr einen Teil der Ehre, die ihm die Tapferkeit seines Armes erwerben würde, abzutreten. Sie antwortete mit vieler Demut, daß man sie Tolosa nenne, sie sei die Tochter eines Pfandlehners zu Toledo gebürtig, jetzt auf den Bleichen von Sanchobienaya ansässig, und daß sie ihm in allen, worin er befehlen, dienen, und ihn für ihren Herrn erkennen wolle. Don Quijote antwortete, daß sie sich aus Liebe zu ihm künftig Fräulein möge nennen lassen, und das Lehn vor ihren Namen setzen, mithin sich also Lehnfräulein zu Tolosa nennen solle. Sie versprach es ihm, und die andere befestigte ihm die Sporen, mit der dasselbe Gespräch, wie mit der Schwertdame begann. Er fragte nach ihrem Namen und sie sagte, daß man sie die Müllerin nenne, denn ihr Vater sei ein angesehener Müller zu Antequera. Don Quijote bat sie gleichfalls, das Don vorzusetzen, und sich Donna Müllerin zu nennen, indem er ihr Dienste und Dankbarkeit anbot. Nachdem schnell und eilig diese unerhörten Zeremonien beendigt waren, konnte Don Quijote die Zeit nicht mehr erwarten, sich auf dem Pferde zu sehen, um auszuziehen und Abenteuer aufzusuchen. Er lief sogleich zum Rosinante, bestieg ihn und umarmte seinen Wirt, indem er ihm so wunderliche Dinge sagte und seine Verbindlichkeit, daß er von ihm zum Ritter geschlagen, so erhöhte, daß es sich nicht wiederholen und erzählen läßt. Der Schenkwirt, um ihn nur bald aus seiner Schenke zu wissen, antwortete ebenso rhetorisch, aber kürzer und ließ ihn, ohne seine Zehrung zu verlangen, auf gut Glück fortziehen. ~Viertes Kapitel~ Was unserm Ritter begegnete, als er die Schenke verließ Mit Tagesanbruch verließ Don Quijote die Schenke, so zufrieden, vergnügt und hocherfreut, sich als Ritter zu sehen, daß er fast vor Entzücken den Sattelgurt seines Pferdes zerriß. Er erinnerte sich aber des Rates seines Wirtes, in Ansehung der notwendigen Erfordernisse, die er mit sich führen solle, vorzüglich Geld und Hemden, und beschloß also nach Hause zurückzugehen, um sich zugleich mit einem Edelknaben zu versorgen, wozu er einen Bauern, seinen Nachbar, bestimmte, der arm war und Kinder hatte, ihm aber zum Dienste eines Edelknaben der Ritterschaft vorzüglich tauglich schien. Mit diesen Vorstellungen lenkte er den Rosinante nach der Gegend seines Dorfes zu, der, als wenn er diese Absicht verstünde, mit solcher Bereitwilligkeit zu laufen anfing, daß es schien, als wenn seine Beine den Boden nicht berührten. Er war noch nicht weit geritten, als es ihm vorkam, als wenn rechts aus einem Gebüsche die schwache Stimme einer Person ertöne, die Klagen führe. Kaum hatte er sie vernommen, als er sprach: »Ich danke dem Himmel für die Gnade, die er mir widerfahren läßt, indem er mir so schnell Gelegenheiten vorführt, die Pflichten meines Standes zu erfüllen und die Früchte meines edlen Entschlusses einzusammeln; ohne Zweifel rühren diese Klagen von einem Genotdrängten oder einer Notgeängsteten her, die meiner Liebe und Hilfe benötigt sind.« -- Er lenkte zugleich den Zügel und ritt mit dem Rosinante dahin, woher ihm die Stimme zu kommen schien. Als er im Gebüsche nur wenige Schritte gemacht hatte, sah er eine Stute an einer Eiche, an einem anderen Eichbaum aber einen Jungen gebunden, der von den Schultern bis zu den Hüften nackt war, ungefähr fünfzehn Jahre alt sein mochte und eben derjenige war, der Klagen geführt hatte, und das nicht ohne Grund, denn ein Bauer von starkem Ansehen gab ihm mit einem ledernen Riemen häufige Streiche und begleitete jeden Streich mit einer Warnung und einem Rat, indem er sagte: »Die Zunge laß stillbleiben, aber die Augen müssen munter sein.« Der Junge antwortete: »Ich will es nicht wieder tun, lieber Herr, um Gottes Barmherzigkeit, ich will es nicht wieder tun, ich verspreche, künftig auf das Vieh mehr acht zu geben.« Als Don Quijote sah, was vorging, rief er mit erhabener Stimme: »Ungezogener Ritter! Schlecht geziemt es sich, diejenigen zu bekämpfen, die sich nicht verteidigen können; besteigt schnell Euer Roß und ergreift Eure Lanze (denn für eine Lanze sah er das an, was er an der Eiche gelehnt fand, an der die Stute festgebunden war), damit ich Euch zeige, daß es Schändlichkeit sei, also zu verfahren.« -- Der Bauer, der diese ganz geharnischte Gestalt über sich erblickte, die ihm mit der Lanze vor dem Gesicht focht, hielt sich schon für tot und antwortete mit bittender Stimme: »Herr Ritter, der Junge, den ich da abstrafe, ist mein Knecht, der eine Herde Schafe hüten soll, die ich hier in der Gegend halte, aber er ist so unachtsam, daß mir jeden Tag ein Stück fehlt, und darum bestrafe ich seine Unachtsamkeit und Bosheit, denn er sagt, ich tue es aus Geiz, um ihm den Lohn nicht zu bezahlen, den ich ihm schuldig bin, aber bei Gott und meiner Seele, er lügt es.« »Lügen! in meiner Gegenwart, du gemeiner Bube!« rief Don Quijote aus, »bei der Sonne, die uns bescheint, ich renne dich durch und durch mit dieser Lanze, wenn du ihn nicht ohne Widerspruch bezahlst, oder bei dem Gotte, der uns schirmt und schützt, ich vernichte dich augenblicklich; sogleich binde ihn los!« Der Bauer hing den Kopf und band ohne ein Wort zu sagen, seinen Knecht los. Diesen fragte Don Quijote, wieviel sein Herr ihm schuldig sei, worauf dieser antwortete: »Neun Monate und jeden Monat sieben Realen.« Don Quijote rechnete es zusammen und fand, daß die Summe dreiundsechzig Realen betrug, er befahl hierauf dem Bauer, sie sogleich auszuzahlen, falls er nicht umkommen wolle; der erschrockene Bauer antwortete, so gewiß er dastehe und geschworen habe, ob er gleich gar nicht geschworen hatte, es betrage nicht so viel, denn man müsse die Kosten von drei Paar Schuhen abrechnen, die er ihm gegeben, ebenso einen Real für zwei Aderlässe, die er ausgelegt habe, als er unpaß gewesen. »Dem mag also sein,« antwortete Don Quijote, »aber was die Schuhe und die Aderlässe betrifft, so magst du sie für die Streiche abrechnen, die du ihm unverschuldet gegeben hast; hat er das Leder deiner von dir bezahlten Schuhe zerrissen, so hast du dafür dasjenige seines Körpers zerrissen, hat der Barbier ihm Blut abgezapft, da er krank war, so hast du es ihm in seiner Gesundheit abgezapft, dafür ist er dir also nichts schuldig.« »Das Unglück, Herr Ritter, ist nur, daß ich kein Geld bei mir habe, will aber Andres nur mit mir nach Hause kommen, so will ich ihm einen Real auf dem andern bezahlen.« »Mit ihm gehen!« rief der Junge, »schönen Dank! Nein, mein Herr, daran ist nicht zu denken, denn wenn er mich allein hätte, so würde er mich schinden wie einen Sankt Bartholomäus.« »Fürchte nichts,« antwortete Don Quijote, »genug, daß ich es ihm bei seiner Ehrfurcht gegen mich gebiete, er soll mir bei dem Orden der Ritterschaft, den er empfangen, schwören, dich freizulassen und den Lohn gewiß zu bezahlen.« »Seht wohl zu, gnädiger Herr, was Ihr sprecht,« antwortete der Bursche, »denn mein Herr ist kein Ritter, und er hat auch gar keinen Orden der Ritterschaft empfangen, denn er ist ja der reiche Hans Dickbauch, der Nachbar vom Quintanar.« »Das hindert wenig,« antwortete Don Quijote, »auch Dickbäuche können Ritter sein, um so mehr, da jedermann der Sohn seiner Taten ist.« »Das ist wahr,« sagte Andres, »aber von was für Taten ist mein Herr ein Sohn, der mir meinen Lohn, meinen sauer verdienten Schweiß verweigert?« »Ich verweigere dir ihn nicht, Freund Andres,« antwortete der Bauer, »und wenn du nur mit mir kommen willst, so schwöre ich dir bei allen Orden der Ritterschaft in der Welt, ich will dir bezahlen wie ich gesagt habe, einen Real auf dem andern, und obenein lauter blankgeschliffene.« »Auf die Geschliffenheit bestehe ich nicht,« sagte Don Quijote, »wenn Ihr ihm nur Realen gebt, so bin ich damit zufrieden; trachtet aber, daß Ihr es vollführt, wie Ihr geschworen habt, sonst schwöre ich bei dem nämlichen Eide, daß ich Euch wieder aufsuche und züchtige, und daß ich Euch wiederfinden werde, und wenn Ihr Euch auch besser als eine Eidechse verbergen könntet. Wenn Ihr aber wissen wollt, wer Euch dies gebeut, um desto mehr Grund zu haben, Euer Versprechen zu vollführen, so erfahrt: Ich bin der tapfere Don Quijote von la Mancha, der Vernichter jeglicher Ungebühr und Beschwer und somit Gott befohlen: vergiß nicht, was du versprochen und geschworen, bei Strafe der angekündigten Strafe.« Mit diesen Worten gab er seinem Rosinante die Sporen und verließ sie. Der Bauer folgte ihm mit den Augen und da er bemerkte, daß er das Gehölz verlassen und nicht mehr zu ersehen war, wandte er sich zu seinem Knechte Andres und sagte: »Nun komm, mein Sohn, daß ich dir bezahle, was ich dir schuldig bin, wie es mir der Vernichter aller Ungebühr geboten hat.« -- »Ich schwöre Euch,« sagte Andres, »tut Ihr nicht, was der gnädige Herr, der wackere Ritter Euch befohlen hat, der tausend Jahre leben möge, und der ebenso tapfer und verständig ist, beim Sankt Rochus schwöre ich Euch, bezahlt Ihr nicht, so such' ich ihn wieder auf, damit er das tut, was er gesagt hat.« -- »Ich schwöre dir ebenfalls,« sagte der Bauer, »daß ich für das Gute, das ich dir wünsche, noch die Schuld zu vergrößern wünsche, um die Bezahlung zu vergrößern.« Er nahm ihn zugleich beim Arm und band ihn wieder an die Eiche, worauf er ihm so viele Hiebe gab, daß er ihn halb tot schlug. »Nun, Freund Andres,« sagte er dabei, »ruft doch nun den Vernichter jeglicher Ungebühr und seht, wie er diese vernichten wird, ich glaube, Euch geschieht noch nicht genug, denn ich habe fast Lust, Euch das Fell abzuziehen, wie Ihr sagtet.« Endlich band er ihn doch los und gab ihm die Erlaubnis, seinen Richter aufzusuchen, um das gesprochene Urteil zu vollstrecken. Andres ging erbost hinweg und schwur, sogleich den tapfern Don Quijote von la Mancha aufzusuchen, ihm alles, was vorgefallen sei, aufs genaueste zu erzählen, um sich alles siebenfach bezahlen zu lassen. Aber er ging dennoch weinend fort und sein Herr lachte. Also vernichtete der tapfere Don Quijote die Ungebühr und war über diesen glücklichen Erfolg ungemein vergnügt, er glaubte seine Ritterschaft auf die schönste und edelste Weise angetreten zu haben, und indem er mit großer Selbstzufriedenheit den Weg nach seinem Dorfe fortsetzte, sagte er mit halblauter Stimme: »Glücklich kannst du dich vor allen preisen, die auf der Erde leben, o du vor allen Schönen schönste Dulzinea von Toboso, da dir unterworfen und gänzlich zu Gebote ist ein so tapferer und überaus berühmter Ritter, wie ist und sein wird Don Quijote von la Mancha, der, wie die Welt weiß, den Ritterorden erst empfangen und schon das schwerste Unrecht und Ungebühr gemildert hat, das jemals die Unvernunft ersann und die Grausamkeit ausübte! Ich schlug die Geißel aus der Hand dieses unmenschlichen Feindes, der ganz ohne Ursache den zarten Knaben zerfleischte.« Unter diesen Betrachtungen kam er auf eine Stelle, wo sich der Weg in vier andre teilte und sogleich fielen ihm die Kreuzwege ins Gedächtnis, an denen die irrenden Ritter still hielten, um zu überlegen, welche Straße sie nehmen sollten; in Nachahmung ihrer hielt er gedankenvoll still, und nachdem er genug gesonnen, ließ er dem Rosinante den Zügel, um dem Willen seines Gaules seinen eigenen zu unterwerfen, der auch seiner vorigen Absicht folgte, sich nämlich nach seinem Stalle zu begeben. Als Don Quijote ohngefähr zwei Meilen geritten war, erblickte er eine Anzahl Menschen, die, wie sich nachher auswies, Kaufleute aus Toledo waren, die nach Murzia gingen, um Seide einzukaufen. Es waren sechs Männer, die mit Sonnenschirmen reisten, ihnen folgten vier Bediente, ebenfalls beritten und drei Burschen zu Fuß für die Maulesel. Kaum hatte sie Don Quijote entdeckt, so hielt er dies auch schon für ein neues Abenteuer. Er bestrebte sich, so viel ihm möglich, alle Denkwürdigkeiten, die er in seinen Büchern gelesen, nachzuahmen und endlich traf er auf ein Ding, das ihm hier schicklich angebracht schien. Er setzte sich also mit edlem und kühnen Anstande in den Steigbügeln fest, hielt die Lanze bereit, bedeckte mit dem Schilde die Brust und lagerte sich dann in der Mitte des Weges, weil er glaubte, daß dort die irrenden Ritter vorbeikommen müßten, denn daß sie dergleichen sein müßten, zweifelte er nicht. Als sie so nahe gekommen, daß sie ihn sehn und hören konnten, erhub Don Quijote die Stimme und sprach mit kecker Gebärde: Alle Welt sei hier angehalten, wenn nicht alle Welt bekennt, daß in aller Welt keine schönere Dame lebe, als die Kaiserin von la Mancha ist, die unvergleichbare Dulzinea von Toboso. Die Kaufleute hielten still, um diese Worte zu hören und die seltsame Gestalt zu beschauen, die sie hersagte und aus dieser Gestalt und den Worten merkten sie sogleich die Narrheit dessen, dem beides angehörte. Sie wollten aber gern erfahren, warum ihnen dergleichen Geständnis abgefordert werde und einer von ihnen, der gern spottete und dabei witzig war, sagte: »Herr Ritter, wir alle kennen die gute Dame nicht, von der Ihr sprecht, zeigt sie uns und ist sie so schön wie Ihr behauptet, so wollen wir freiwillig und ohne allen Zwang die Wahrheit bekennen, die Ihr von uns fordert.« »Wenn ich sie Euch zeigte«,« antwortete Don Quijote, »was hättet Ihr dann getan, eine so bekannte Wahrheit zu gestehn? Es ist vonnöten, daß Ihr es ohne zu sehn glaubt, gesteht, behauptet, beschwört und dafür kämpft; wo nicht, so beginnt der Streit, ungezogenes und stolzes Volk, einen nach dem andern will ich bestrafen, wie es sich nach den Rittergesetzen ziemt, oder Euch alle zugleich bekämpfen, wie es Sitte und übler Gebrauch unter Gesindel von Eurem Gelichter ist, als wofür ich Euch halte und erkenne, indem ich der guten Sache vertraue, die auf meiner Seite ist.« »Herr Ritter,« antwortete der Kaufmann, »ich flehe Euch im Namen aller dieser Prinzen an, welches wir sind, daß Ihr unser Gewissen nicht beschweren mögt und uns eine Sache, die wir nie sahen, nie hörten, bekennen laßt, die so sehr zum Nachteil aller Kaiserinnen und Königinnen vom platten Land und Estremadura ausfallen dürfte; aber Euer Gnaden sei nur von der Güte, uns ein Bildnis dieser Dame zu zeigen, wäre es auch nur so groß als ein Weizenkorn, denn wenn man dem Faden nachgeht, so findet man auch den Knäuel, und damit wollen wir uns dann zufriedenstellen, und auch Euch Genüge leisten; ich glaube selbst, daß wir alle schon für sie sind, und wenn man auch auf dem Bildnisse sähe, daß das eine Auge schief sei und ihr aus dem andern Zinnober und Schwefelstein triefe, so wollen wir demungeachtet, um Euch gefällig zu sein, alles zu ihren Gunsten sagen, was Ihr nur verlangen werdet.« »Nichts fließt! niederträchtige Bestie,« rief Don Quijote im Zorne entbrannt, »nichts fließt, sag' ich dir, was du behauptest, außer Ambra und Zibeth zwischen Seiden, nichts ist schief oder bucklig, sondern sie ist gerader als eine Spindel von Guadarrama; aber Ihr sollt die schreckliche Lästerung bezahlen, die Ihr gegen die große Schönheit meiner Dame ausgestoßen habt.« Mit diesen Worten legte er die Lanze gegen den, der gesprochen hatte ein und rannte mit solcher Wildheit und Wut auf ihn zu, daß, wenn es sich nicht so glücklich getroffen hätte, daß Rosinante mitten im Wege gestolpert und gefallen wäre, es wohl dem übermütigen Kaufmanne übel ergangen sein möchte. Rosinante stürzte und rollte seinen Herrn eine gute Strecke ins Feld hinein. Dieser gab sich Mühe aufzustehn, aber er vermochte es nicht, so hinderte ihn die Lanze, der Schild, die Sporen, der Helm und das Gewicht der alten Rüstung. Indem er sich bestrebte aufzustehen und es doch nicht konnte, rief er: »Flieht nicht, feiges Gesindel, elendes Gesindel! Vernehmt, daß ich nicht durch meine Schuld, sondern durch Schuld meines Pferdes hier liege.« Als einer von den Maultierjungen, der nicht sonderlich aufgeräumt war, den armen Umgefallnen diese Schmähungen sagen hörte, konnte er dies nicht leiden, ohne ihm eine Antwort auf die Schultern zu geben. Er ging zu ihm hin, nahm seine Lanze, zerbrach sie in mehrere Stücke und mit dem einen davon fing er an, unserm Don Quijote so viele Schläge zu geben, daß er ihn unter der Last und dem Drucke seiner Waffen wie Getreide mahlte. Seine Herren riefen ihm zu, daß es genug sei und er ihn lassen möchte, aber der Junge war einmal erbittert und wollte das Spiel nicht verlassen, ohne alle seine Forcen rein auszuspielen; er nahm also auch die übrigen Stücke der Lanze und zerschlug sie alle auf dem elenden Niedergestürzten, der während des Ungewitters von Schlägen, das auf ihn niederfiel, nicht das Maul hielt, sondern dem Himmel, der Erde, und den Straßenräubern drohte, wofür er sie hielt. Der Junge wurde müde und die Kaufleute setzten ihren Weg fort und hatten noch viel von dem armen Geprügelten zu sprechen. Als dieser sich allein sah, versuchte er es von neuem, sich aufzuheben, aber da es ihm unmöglich fiel, als er gesund und wacker war, wie konnte er es jetzt, so zermahlen und zerprügelt, ausrichten? Dabei aber pries er sich doch glücklich, denn er hielt dies für ein Unglück, das nur den fahrenden Rittern eigentümlich sei, wobei er alle Schuld auf sein Pferd schob. Er konnte sich aber durchaus nicht aufheben, denn er war am ganzen Körper zerschlagen. ~Fünftes Kapitel~ Fährt fort von dem Unfalle unseres Ritters zu erzählen Da er sich nun gar nicht bewegen konnte, so verfiel er endlich auf sein gewöhnliches Mittel, nämlich an irgendeine Stelle in seinen Büchern zu denken. Sein Zorn brachte ihm eine vom Balduin ins Gedächtnis und vom Marchese von Mantua, als Carlot den Balduin verwundet im Gebirge ließ. Diese Geschichte kennen die Kinder, die Jugend weiß sie, die Alten rühmen und glauben sie und sie ist auch außerdem so wahrhaftig, als die Wunderwerke Mahomets es sind. Dieser Umstand schien ihm auf seine Lage am meisten passend zu sein, er wälzte sich daher mit dem Ausdrucke eines großen Schmerzes auf der Erde herum und sagte mit schwacher Stimme alles, was der verwundete Ritter im Walde sagt: Wie kömmt es doch, Gebiet'rin mein, Daß dich mein Leid nicht schmerzt? Du magst wohl ohne Kunde sein, O'r hast die Treu verscherzt. So fuhr er in der Romanze bis zu den Versen fort: O du Marchese von Mantua fein, Mein Ohm, verwandtes Herz! Es traf sich, daß bei diesen Versen ein Bauer aus seinem Dorfe und sein Nachbar vorüberging, der einen Sack Korn zur Mühle gebracht hatte. Als dieser einen Mann auf dem Boden liegen sah, ging er zu ihm hin und fragte ihn, wer er sei und was ihm fehle, daß er sich so überaus betrübt anstelle. Don Quijote glaubte fest, daß dieser der Marques von Mantua, sein Ohm sei und antwortete also nichts weiteres, als daß er in der Romanze fortfuhr, in der er sein Unglück und die Liebe des Kaisersohns zu seinem Gemahl vortrug, ganz so, wie es die Romanze besingt. Der Bauer stand verwundert da als er dergleichen Unsinn hörte; er machte das Visier los, das von den Schlägen in Stücken gegangen war und reinigte ihm dann das Gesicht, das voll Staub lag. Er hatte ihn kaum gesäubert, als er ihn erkannte und rief: »Ei Herr Quixada! (dies war also sein Name als er bei Verstande war und sich aus einem friedliebenden Edelmanne noch nicht in einen irrenden Ritter verwandelt hatte), wer hat Euer Gnaden denn so zugerichtet?« -- Jener aber fuhr immer fort, auf alle Fragen mit der Romanze zu antworten. Da dies der gute Mann sah, machte er ihm, so gut er es konnte, Brust und Rücken frei, um nachzusehn, ob er verwundet sei, aber er fand weder Blut noch eine Verletzung. Er bestrebte sich, ihn vom Boden aufzuheben und mit vieler Mühe brachte er ihn auf seinen Esel, weil er dies für die bequemere Art von Reiten hielt. Die Waffen suchte er bis auf die Stücke der Lanze zusammen und band sie auf den Rosinante, den er beim Zügel faßte, seinen Esel aber an einem Stricke führte und so den Weg nach seinem Dorfe antrat, sehr nachdenklich über den Unsinn, den er Don Quijote sagen hörte. Übler noch befand sich Don Quijote, der sich zerschlagen und gequetscht kaum auf dem Lasttiere halten konnte und dann und wann einige Seufzer zum Himmel schickte, so daß der Bauer dadurch von neuem bewogen wurde, ihn zu fragen, was ihm fehle. Es schien, daß der Satan ihm alle Geschichten ins Gedächtnis brachte, die sich auf seinen Zustand paßten, denn nun vergaß er den Balduin und erinnerte sich des Mohren Abindarraez, den der Kommandant von Antequera, Rodrigo de Narvaez fing und als Gefangenen nach seiner Festung führte. Als ihn der Bauer also von neuem fragte, was ihm sei und wo es ihm weh tue, antwortete er ihm mit den nämlichen Redensarten, die der gefangene Abencerraje gegen Rodrigo de Narvaez führte, geradeso, wie er die Geschichte in der Diana des Georg de Montemayor gelesen hatte, wo sie erzählt wird; er gebrauchte sie so zu seinem Besten, daß der Bauer des Teufels werden wollte, so ein Gewebe von Albernheiten anhören zu müssen. Er merkte aber daraus, daß sein Nachbar närrisch sei und eilte behende nach dem Dorfe zu, um nur des Verdrusses los zu werden, den ihm Don Quijote mit seiner weitläufigen Geschichte erregte. Am Schluß derselben sagte dieser: »Wissen demnach mein gnädiger Herr Don Rodrigo de Narvaez, daß diese oft erwähnte schöne Xarifa zur Stund die süße Dulzinea von Toboso genannt wird, um derentwillen ich tue, getan und tun will die berühmtesten Rittertaten, die die Welt je gesehn, sieht und sehen wird!« Der Bauer antwortete hierauf: »Sehn doch nur der gnädige Herr, daß ich, bei meiner armen Seele! nicht Don Rodrigo de Narvaez bin, auch nicht der Marques von Mantua, sondern Pedro Alonzo, Euer Nachbar, so seid Ihr auch nicht Balduin und Abindarraez, sondern der ehrenfeste Herr Quixada.« -- »Ich weiß, wer ich bin,« antwortete Don Quijote, »und weiß auch, daß ich nicht nur was ich sagte sein kann, sondern auch alle zwölf Pairs von Frankreich und noch dazu alle neun Helden, denn alle ihre Taten, die sie alle zusammen und jeder einzeln für sich getan haben, vergleichen sich nicht den meinigen.« Unter diesen und ähnlichen Gesprächen kamen sie gegen Abend an das Dorf, aber der Bauer wartete, bis es finster würde, damit man nicht den zerschlagenen Edlen als einen so üblen Ritter sehn möchte. Als ihm nun die Zeit günstig deuchte, zog er in das Dorf hinein und nach Don Quijotes Wohnung, wo alles in Verwirrung war. Der Pfarrer und der Barbier des Ortes, die Don Quijotes gute Freunde waren, befanden sich dort und die Haushälterin sagte eben mit lauter Stimme: »Was sagt nun Eure Ehrwürden, Herr Lizentiat Pedro Perez (so hieß der Pfarrer), zu meines Herrn Unglück? Seit sechs Tagen ist er nicht zu sehen, nicht sein Pferd, nicht die Lanze und Schild, nicht die Waffen! Ich will nicht gesund hier stehn, wenn ich es nicht weiß, und es ist ebenso wahr, wie geboren werden um zu sterben, daß ihm seine verfluchten Ritterbücher, die er immer las, den Verstand verrückt haben! Ich erinnere mich jetzt, daß ich ihn oft habe sagen hören, wenn er für sich sprach, daß er irrender Ritter werden möchte und ausziehn, um in der ganzen Welt Abenteuer aufzusuchen. Hole doch Satan und Barrabas alle dergleichen Bücher! denn sie haben den feinsten Kopf in der ganzen la Mancha um seinen Verstand gebracht.« Die Nichte sagte das nämliche und fügte noch hinzu: »Wißt, Meister Nicolas (denn so hieß der Barbier), daß mein Herr Oheim, wenn er manchmal in diesen unmenschlichen Unglücksbüchern zwei Nächte und zwei Tage las, am Ende das Buch wegwarf, den Degen nahm und auf die Mauer losschlug, wenn er dann ermüdet war, sagte er, er habe vier Riesen, so groß wie die Türme umgebracht, der Schweiß, den er von der Anstrengung vergoß, behauptete er, sei Blut aus den Wunden, die er in der Schlacht empfangen habe; dann trank er schnell einen großen Becher kaltes Wasser aus und war gesund und ruhig, wobei er sagte, daß das Wasser ein köstliches Getränk sei, das ihm der weise Esquife, ein großer Zauberer und sein Freund gebracht habe. Ich gebe mir aber von allem die Schuld, daß ich Euch nicht von den Torheiten meines Herrn Oheims unterrichtet habe, damit wir vorher dazu getan hätten, ehe er das geworden ist, was er jetzt ist, so hätte man all die vielen heidnischen Bücher verbrannt, die es wahrhaftig ebensowohl als die Ketzer verdienen.« »Das sag' ich auch,« sagte der Pfarrer, »und wahrlich morgen soll die Sonne nicht untergehn, ehe wir sie verurteilt und zum Feuer verdammt haben, damit sie nicht jemand anders verführen, sie zu lesen und es ihm dann so ergeht, wie es meinem guten Freunde ergangen sein muß.« Alles dieses hörten der Bauer und Don Quijote mit an und der Bauer begriff daraus völlig die Krankheit seines Nachbarn, er rief nun mit lauter Stimme: »Man geruhe dem Herrn Balduin aufzumachen und dem Herrn Marques von Mantua, der schwer verwundet ankömmt, ebenso dem Herrn Mohren Abindarraez, den der Kommandant von Antequera, der tapfre Rodrigo de Narvaez gefangen führt.« Bei diesen Worten liefen sie alle hinaus und wie nun die beiden ihren Freund, die andern ihren Herrn und Oheim erkannten, der noch nicht von seinem Tiere abgestiegen war, weil er nicht konnte, wollten ihn alle umarmen. Er aber sagte: »Bleibt alle zurück, denn ich komme durch Schuld meines Pferdes schwer verwundet an; bringt mich zu Bett und ruft, wenn es möglich ist, die weise Urganda, daß sie meine Wunden heile und untersuche.« »Nun da haben wir's ja,« sagte die Haushälterin, »mein Herz sagt es mir wohl, wo meinem Herrn der Schuh drückte, wir wollen Euch mit Gottes Hilfe, gnädiger Herr, selber schon heilen, ohne daß die Urganda dazu komme. Verflucht und noch hundertmal und noch tausendmal verflucht mögen die Ritterbücher sein, die Euer Gnaden so zugerichtet haben.« Sie brachten ihn zugleich zu Bette, um seine Wunden zu untersuchen, da sie aber keine fanden, sagte er, daß er ganz zerquetscht sei, weil er mit seinem Rosse Rosinante einen schweren Fall getan, in Bekämpfung von zehn Riesen, den ungeheuersten und wildesten, die man wohl auf einem großen Teile der Erde finden könne. »Ha ha!« sagte der Pfarrer, »müssen die Riesen an den Tanz? Bei meiner Seele, morgen vor Abend sollt ihr alle verbrannt sein.« Sie taten tausend Fragen an Don Quijote, aber er antwortete auf alle nichts weiter, als man möchte ihm zu essen geben und ihn schlafen lassen, welches ihm das Nötigste sei. Dies geschah auch und der Pfarrer erkundigte sich bei dem Bauer umständlicher, auf welche Art er Don Quijote gefunden habe. Dieser erzählte alle Tollheiten, die jener auf der Erde liegend und unterwegs gesprochen habe, welches den Lizentiaten in seinem Vorsatze bestärkte, der am folgenden Tage sogleich seinen Freund, Meister Nicolas den Barbier abrief, mit dem er sich nach der Wohnung Don Quijotes begab. ~Sechstes Kapitel~ Lustiger und feierlicher Gerichtstag, den der Pfarrer und Barbier im Büchersaale unseres scharfsinnigen Edlen hielten Er war immer noch im Schlafe, als der Pfarrer sich von der Nichte die Schlüssel zu dem Zimmer geben ließ, in welchem sich die verurteilten Bücher befanden. Sie gab ihn sehr gern und alle gingen hinein, auch die Haushälterin. Im Zimmer standen mehr als hundert Autoren in Folio, die gut eingebunden waren und außerdem noch mehrere in kleinerer Figur. Sowie die Haushälterin sie erblickte, ging sie eilig aus der Stube, kam aber sogleich mit einer Schale Weihwasser und einer Rute zurück, indem sie sagte: »Da, nehmt hin, Herr Lizentiat, besprengt die Stube, damit nicht einer von den vielen Zauberern, die in diesen Büchern stecken, uns bezaubern möge, weil wir ihnen jetzt zu nahe tun und sie aus der Welt schaffen wollen.« Der Lizentiat lachte über die Einfalt der Haushälterin und befahl dem Barbier, daß er ihm ein Buch nach dem andern reichen solle, um sie anzusehn, weil sich vielleicht einige finden möchten, die die Feuerstrafe nicht verdienten. »Nein,« sagte die Nichte, »es muß nicht einem einzigen vergeben werden, denn sie sind alle Verbrecher; es wäre am besten, sie durch die Fenster in den Hof zu schmeißen, sie da auf einen Haufen zu packen und Feuer dran zu legen, oder man könnte sie auch in den Hinterhof bringen und da den Scheiterhaufen errichten, weil uns dann der Rauch nicht beschwerlich fiele.« Dasselbe sagte die Haushälterin, so große Eile hatten sie, diese Unschuldigen ums Leben zu bringen, aber der Pfarrer gab ihnen nicht nach, sondern er bestand darauf, vorerst die Titel zu lesen. Das erste, was ihm Meister Nicolas reichte, waren die vier Bücher des Amadis von Gallia. Der Pfarrer sagte: »Hierin scheint das Geheimnis zu liegen, denn so, wie man mir gesagt hat, war dieses Buch das erste von Ritterschaftssachen, das in Spanien gedruckt wurde und daß alle übrigen ihm ihren Ursprung und ihre Entstehung zu danken haben, darum muß man es auch als den Stifter einer so verderblichen Sekte ansehen und ohne Gnade zum Feuer verdammen!« »Nein, mein Herr,« sagte der Barbier, »denn man hat mir auch gesagt, daß dies Buch das beste von allen in dieser Gattung sei und darum könnte man ihm wohl als dem einzigen seiner Gilde vergeben.« »Das ist wahr,« sagte der Pfarrer, »und aus diesem Grunde sei ihm das Leben für jetzt geschenkt. Wir wollen das andere sehen, das danebensteht.« »Dieses«, sagte der Barbier, »heißt die Taten des Esplandian, rechtmäßigen Sohnes des Amadis von Gallia.« »Man muß offenbar«, sagte der Pfarrer, »das Gute des Vaters nicht auf die Rechnung des Sohnes setzen und darum, Frau Haushälterin, nehmt ihn, macht das Fenster auf und schmeißt ihn auf den Hof, er soll die Grundlage des Scheiterhaufens sein.« Die Haushälterin ergriff ihn mit vielen Freuden und der wackere Esplandian flog in den Hof hinunter, wo er das Feuer, das ihm drohte, mit großer Geduld erwartete. »Weiter!« sagte der Pfarrer. -- »Der nun kommt«, sagte der Barbier, »ist Amadis von Graecia und alle auf dieser Reihe sind, wie ich glaube, von der Familie des Amadis.« »So können sie alle in den Hof reisen,« sagte der Pfarrer, »denn um nur die Königin Pintiquiniestra verbrennen zu können und den Schäfer Darinel samt seinen Eklogen, mit den verteufelten und verruchten Bemerkungen des Verfassers, würd' ich meinen leiblichen Vater zum Verbrennen hergeben, wenn er sich in Gestalt eines irrenden Ritters ertappen ließe.« »Der Meinung bin ich auch,« sagte der Barbier. -- »Ich ebenfalls,« rief die Nichte. -- »Wenn es so ist,« sagte die Haushälterin, »wohl, mit allen in den Hof hinunter!« -- Da es so viele waren und ihr die Treppe zu umständlich schien, so warf sie sie alle aus dem Fenster in den Hof hinab. »Was ist das da für eine Tonne?« fuhr der Pfarrer fort. -- »Dieser«, antwortete der Barbier, »ist Don Olivante de Laura.« -- »Der Verfasser dieses Buches,« sprach der Pfarrer, »ist derselbe, der den Blumengarten geschrieben hat, und es läßt sich wirklich schwer entscheiden, in welchem von beiden Büchern er wahrhaftiger oder, um mich richtiger auszudrücken, weniger Lügner ist. Das ist aber zuverlässig, daß er wegen seiner Tollheit und Albernheit in den Hof wandern soll.« »Was nun folgt«, sagte der Barbier, »ist der Florismarte von Hircania.« -- »Ist der Herr Florismarte da?« versetzte der Pfarrer; »er muß wahrlich eiligst in den Hof hinunter, trotz seiner sonderbaren Geburt und seinen schimärischen Abenteuern, zu nichts anderem ist auch sein harter und trockener Stil zu brauchen. In den Hof mit ihm zu den andern, Frau Haushälterin.« »Von Herzen, mein lieber Herr!« antwortete sie, und sehr behende richtete sie den Auftrag aus. -- »Dies ist der Ritter Platir,« sagte der Barbier. -- »Dies ist ein altes Buch,« sagte der Pfarrer, »und ich weiß keine Ursache, aus der es Verzeihung verdiente, also bringt es, ohne Gnaden, zu den übrigen.« -- Es geschah sogleich. Sie schlugen ein anderes Buch auf und fanden den Titel: der Ritter des Kreuzes. Wegen des heiligen Namens, den dieses Buch führte, könnte man ihm wohl seine Dummheit verzeihen, aber man sagt im Sprichworte, hinter dem Kreuze steckt der Teufel und darum wandere er auch zum Feuer. Der Barbier nahm ein anderes Buch und sagte: »Hier ist der Spiegel der Ritterschaft.« -- »Ich kenne ihre Herrlichkeit wohl,« sagte der Pfarrer; »da findet sich der Herr Reinald von Montalban mit seinen Freunden und Spießgesellen, größerer Spitzbuben als Cacus, samt den zwölf Pairs und dem wahrhaftigen Geschichtschreiber Turpin; eigentlich verdienen diese nicht mehr als eine ewige Landesverweisung, denn sie sind zum Teil eine Erfindung des berühmten Mateo Boyardo, aus dem auch der tugendliebende Poet Lodovico Ariosto sein Gewebe anknüpfte: wenn ich diesen antreffe und er redet nicht seine Landessprache, so werde ich nicht die mindeste Achtung gegen ihn behalten, redet er aber seine eigentümliche Mundart, so sei ihm alle Hochschätzung.« -- »Ich habe ihn italienisch,« sagte der Barbier, »aber ich verstehe ihn nicht.« -- »Es wäre auch nicht gut, wenn Ihr ihn verständet,« antwortete der Pfarrer, »und wir hätten es gern dem Herrn Kapitän erlassen, ihn ins Spanische zu übersetzen und ihn zum Kastilianer zu machen; er hat dabei auch viel von seiner eigentlichen Trefflichkeit nicht ausgedrückt und eben das wird allen begegnen, die Poesien in eine andere Sprache übersetzen wollen, denn bei allem Fleiße und Geschicklichkeit, die sie anwenden und besitzen, wird der Dichter nie so wie in seiner ersten Gestalt erscheinen können. Ich meine, daß man dieses Buch und alle, die sich noch von Begebenheiten Frankreichs vorfinden sollten, in einen trockenen Brunnen legen müßte, bis man besser überlegt, was man mit ihnen anfangen könne, wobei ich aber den Bernardo del Carpio und ein anderes Buch, Roncesvalles genannt, ausnehme, wenn mir diese in die Hände fallen, so werden sie sogleich der Haushälterin übergeben, die sie stracks ohne Barmherzigkeit dem Feuer überliefern soll.« Alles dieses bestätigte der Barbier, er fand alles gut und unwidersprechlich, denn er wußte, daß der Pfarrer ein so guter Christ und ein so großer Freund der Wahrheit sei, daß er um die ganze Welt nicht anders sprechen würde. Er machte ein anderes Buch auf und sah, daß es der Palmerin de Oliva war, daneben stand ein anderes Buch, das Palmerin von England hieß; als diese der Lizentiat erblickte, sagte er: »Dieser eine Oliva muß sogleich verbrannt und seine Asche in alle Lüfte zerstreut werden, aber die Palme von England bewahre man gut und hebe dies als ein einziges Werk auf in einer ähnlichen Schachtel wie Alexander eine unter der Beute des Darius fand, die er brauchte, um die Werke des Poeten Homerus aufzubewahren. Dieses Buch, Herr Gevatter, ist aus zweierlei Ursachen merkwürdig, erstlich, weil es an sich gut ist, zweitens, weil es von einem geistreichen Könige von Portugal geschrieben sein soll. Alle Abenteuer im Schlosse Miraguarda sind sehr schön und kunstreich ausgeführt, alle Reden sind zierlich und klar, zugleich ist immer mit Schicklichkeit und Verstande das Eigentümliche jedes Sprechenden beibehalten. Ich bin der Meinung, mein lieber Meister Nicolas, wenn Ihr nichts dagegen habt, daß dieses Buch und der Amadis von Gallia vom Feuer befreit sein, alle übrigen aber ohne Richtung und Sichtung umkommen sollen.« »Nein, Herr Gevatter,« sagte der Barbier, »denn hier ist gleich der ruhmvolle Don Belianis.« »Von diesem«, antwortete der Pfarrer, »wäre dem zweiten, dritten und vierten Teil etwas Rhabarber vonnöten, um den überflüssigen Zorn abzuführen, dann müsse man alles wegstreichen, was sich auf das Kastell des Ruhms bezieht, nebst anderen noch größeren Narrheiten, dann möchte man ihm aber wohl eine Appellationsfrist vergönnen und wie er sich dann besserte, Recht oder Gnade gegen ihn ausüben; nehmt ihn indessen mit nach Hause, Gevatter, aber laßt niemand darin lesen.« -- »Sehr gern,« antwortete der Barbier, und ohne sich weiter damit abzugeben, die Ritterbücher anzusehen, befahl er der Haushälterin, alle die großen zu nehmen und sie in den Hof hinunterzuführen. Dies wurde keiner gesagt, die taub war oder langsam begriff, denn sie hatte mehr Freude daran sie alle zu verbrennen, als wenn man ihr ein großes und feines Stück Leinen geschenkt hätte; sie nahm also wohl acht auf einmal und schmiß sie zum Fenster hinaus. Da sie aber zu viele auf einmal gefaßt, fiel eins davon dem Barbier auf die Füße nieder, der es schnell aufhob um den Titel zu sehen, der so lautete: Historia von dem berühmten Ritter Tirante dem Weisen. »Gelobt sei Gott!« rief der Pfarrer mit lauter Stimme aus, »daß wir diesen Tirante den Weisen haben! Gebt ihn her, Gevatter, denn ich versichere Euch, er ist ein Schatz von Vergnügen, eine Fundgrube von Zeitvertreib. Hierin befindet sich Don Kyrieeleison von Montalban samt seinem Bruder Thomas von Montalban und dem Ritter Trockenbrunn, imgleichen der Zweikampf, den der tapfere Dreierlei mit einem Hunde hielt, die Artigkeiten der Jungfrau Lebensfreude, mit den Liebeshändeln und Intrigen der Witwe Besänftigt, auch eine Frau Kaiserin, die in ihren Edelknaben Hipolito verliebt ist. Ich versichere Euch, Gevatter, daß in Ansehung des Stils dies das beste Buch von der Welt ist, denn hier essen die Ritter, schlafen und sterben auf ihren Betten, machen ein Testament vor ihrem Tode, nebst andern Dingen, von denen alle übrigen Bücher dieser Art gar nichts erwähnen. Dabei glaub' ich aber doch, daß der Verfasser, ohne so viel Fleiß und Arbeit auf alles dies verwandt zu haben, verdient hätte, Zeit seines Lebens auf die Galeeren zu kommen. Nehmt es mit nach Hause und leset es und Ihr werdet finden, daß ich die Wahrheit gesagt habe.« »Ich will es tun,« antwortete der Barbier, »aber was machen wir mit den übrigen kleinen Büchern?« »Diese«, sagte der Pfarrer, »werden keine Ritterbücher, sondern Poesien sein.« Er schlug eins auf, welches die Diana des Georg de Montemayor war und sagte, weil er alle übrigen für ähnliche Werke hielt: »Diese verdienen nicht, wie jene, verbrannt zu werden, denn sie stiften und werden niemals solch Unheil stiften als die Ritterbücher gestiftet haben; diese Bücher sind zu verstehen, ohne daß sie dem Leser Nachteil bringen.« »Ach, mein Herr!« sagte die Nichte, »Ihr solltet doch lieber so gut sein und sie wie die andern verbrennen lassen, denn wenn wir den Herrn Oheim von seiner Ritterschaft geheilt haben, so liest er diese Bücher und verfällt vielleicht darauf, ein Schäfer zu werden und singend und musizierend durch Wälder und Wiesen zu ziehen, oder er wird wohl gar ein Poet, welches doch die unheilbarste und allerhartnäckigste Krankheit sein soll.« »Die Jungfer hat sehr recht,« sagte der Pfarrer, »wir sollten also unserm Freunde lieber auch diesen Stein des Anstoßes aus dem Wege räumen. Wir wollen also mit der Diana des Montemayor den Anfang machen; ich glaube, sie muß nicht verbrannt werden, sondern man müßte nur alles das wegschneiden, was von der weisen Felicia und dem bezauberten Wasser handelt, ebenso alle die altväterischen Verse und dem Werke in Gottes Namen die Prose und Ehre lassen, unter solchen Büchern das erste zu sein.« »Was hier folgt«, sagte der Barbier, »ist die Diana, die man die zweite vom Salamantiner nennt und ist hier noch ein anderes Buch mit demselben Titel, vom Gil Polo verfaßt.« »Die des Salamantiners«, antwortete der Pfarrer, »mag jene zum Hofe verdammten begleiten und ihre Zahl vermehren, die aber vom Gil Polo müssen wir bewahren, als wenn sie vom Apollo wäre. -- Aber weiter, Herr Gevatter, und macht hurtig, denn es wird schon spät.« »Dieses Buch«, sagte der Barbier, indem er ein anderes aufschlug, »führt den Titel: Zehn Bücher vom Glück der Liebe, verfaßt von Antonio de Lafraso, einem sardinischen Poeten.« »Bei meinem heiligen Amte,« sagte der Pfarrer, »seit Apollo Apollo gewesen, die Musen Musen und Poeten Poeten, ist kein so anmutiges und tolles Buch als dieses geschrieben, es ist das trefflichste, ja das einzige unter allen, die in dieser Gattung jemals an das Licht der Welt getreten sind, und wer es nicht gelesen hat, kann überzeugt sein, daß er noch nichts vollkommen Schönes gelesen hat. Gebt es gleich her, Gevatter, dieser Fund ist mir mehr wert, als wenn mir einer ein Priesterkleid von dem groben florentinischen Tuche geschenkt hätte.« Er legte es mit der größten Freude beiseite und der Barbier fuhr fort, indem er sagte: »Nun folgt der Schäfer von Iberia, die Nymphen von Henares und die Entwirrung der Eifersucht.« »Bei diesen ist nichts weiter zu beobachten,« sagte der Pfarrer, »als daß man sie dem weltlichen Arme der Haushälterin überliefere und zwar ohne mich zu fragen, warum, weil wir sonst niemals fertig würden.« »Der nun folgt ist der Schäfer der Filida.« »Dieser ist kein Schäfer,« sagte der Pfarrer, »sondern ein sehr gebildeter Hofmann, bewahrt ihn wie ein kostbares Kleinod.« »Dies große Buch hier«, sagte der Barbier, »heißt Schatz mannigfaltiger Gedichte.« »Wären es nicht so viele,« sagte der Pfarrer, »so hätten sie mehr Wert, dieses Buch müßte von manchen Gemeinheiten gesiebt und gereinigt werden, die sich unter seinen Schönheiten befinden; hebt es auf, denn der Autor ist mein Freund, den ich wegen der von ihm geschriebenen erhabenen und heroischen Gedichte sehr hochschätze.« »Dieses«, fuhr der Barbier fort, »sind die Gedichte des Lopez Maldonado.« »Auch der Verfasser dieses Buches«, antwortete der Pfarrer, »ist mein guter Freund und in seinem Munde entzücken seine Verse, wenn man sie hört, denn seine Stimme ist so süß, daß sein Gesang ein Zauberklang zu nennen ist. In seinen Eklogen ist er etwas weitläuftig, doch war des Guten niemals zu viel, bewahrt dies Buch mit den auserwählten. Was steht denn aber daneben?« »Die Galatea des Miguel de Cervantes,« antwortete der Barbier. »Dieser Cervantes ist seit vielen Jahren mein guter Freund und ich weiß, daß er gewandter im Leiden als im Reimen ist. In seinem Buche ist manches gut erfunden, manches wird vorbereitet und nichts zu Ende geführt; man muß den versprochenen zweiten Teil erwarten, vielleicht verdient er sich durch diesen die Gnade für das Ganze, die man ihm jetzt noch verweigern muß, bis dahin, Herr Gevatter, hebt das Buch in Eurem Hause auf.« »Das will ich,« antwortete der Barbier, »und nun folgen hier drei in eins gebundene: die Araucana des Don Alonzo di Ercilla, die Austriada des Juan Rufo, Juraden von Cordova und der Monserrate des Cristoval de Virues, des Valenzischen Poeten.« »Diese drei Bücher«, sagte der Pfarrer, »sind die besten heroischen Gedichte, die in kastilianischer Sprache geschrieben sind, sie können sich mit den berühmtesten der Italiener messen, hebt sie als die köstlichsten Stücke der Poesie auf, die Spanien besitzt.« Der Pfarrer war nun müde, mehr Bücher anzusehen, er endigte also damit, daß er befahl, alle übrigen zu verbrennen, aber der Barbier hielt schon eins aufgeschlagen, welches den Titel führte: die Tränen der Angelica. »Ich hätte selbst Tränen vergossen,« sagte der Pfarrer, als er diesen Namen hörte, »wenn ich dieses Buch hätte mit verbrennen lassen, denn der Verfasser war einer der berühmtesten Poeten nicht allein in Spanien, sondern in der ganzen Welt, der auch einige Fabeln des Ovidius überaus glücklich übersetzt hat.« ~Siebentes Kapitel~ Von dem zweiten Auszuge unseres wackeren Ritters Don Quijote von la Mancha In diesem Augenblick fing Don Quijote an mit lauter Stimme zu schreien: »Wohlauf! wohlauf! ihr tapfern Ritter! Wohlauf, es ist vonnöten, die Stärke eurer tapfern Arme zu zeigen, damit die Höflinge nicht das Beste im Turniere gewinnen!« Auf dies Geschrei und Lärmen liefen sie hinzu und brachen dadurch das Gericht über die andern Bücher ab und so ist es wahrscheinlich, daß die Carolea und der Löwe von Spanien mit allen Taten des Kaisers, von Don Luis de Avila verfaßt, ungesehen und ungehört dem Feuer übergeben sind, die wohl hätten verschont bleiben können, die auch vielleicht kein so grausames Schicksal erfahren, wenn sie vom Pfarrer angetroffen wären. Als sie zu Don Quijote kamen, war er schon aus dem Bette aufgestanden; er schrie und tobte und schlug von allen Seiten um sich, wobei er so wach war, als wenn er gar nicht geschlafen hätte. Sie unterliefen ihn und warfen ihn mit Gewalt auf sein Bett, als er darauf ein wenig beruhigt war, wandte er sich zum Pfarrer und sagte: »Wahrlich, Herr Erzbischof Turpin, große Schande ist es für uns, die wir die zwölf Pairs genannt werden, so mir nichts dir nichts den Hofrittern den Sieg dieses Turniers zu lassen, da wir übrigen Abenteurer doch den Preis der vorigen drei Tage gewonnen haben.« -- »Beruhigt Euch, Herr Gevatter,« antwortete der Pfarrer, »Gott wird es fügen, daß das Glück sich wieder wendet und daß das, was heute verloren ist, morgen wieder gewonnen wird, jetzt tragt nur für Eure Wohlfart Sorge, denn Ihr müßt über die Maßen entkräftet sein, wenn Ihr nicht gar schlimm verwundet seid.« -- »Verwundet nicht,« sagte Don Quijote, »aber gewiß sehr zerschlagen und zerquetscht, denn der Bastard Don Roland hat mich unsäglich mit dem Stamme einer alten Eiche zerprügelt und bloß aus Neid, weil er gewahr wird, daß ich sein einziger Nebenbuhle in der Tapferkeit bin, aber ich will nicht Reinald von Montalban heißen, wenn er mir nicht alles, sobald ich nur von diesem Bette aufstehe, trotz allen seinen Bezauberungen bezahlen soll; jetzt aber bringt mir augenblicklich Speise, denn dieser bedarf ich am meisten und nachher will ich schon auf Rache denken.« Sie taten es, sie gaben ihm zu essen und überließen ihn dann dem Schlaf zum zweiten Male, indem alle seine Torheit bewunderten. In dieser Nacht verbrannte die Haushälterin alle Bücher, die sie im Hofe und Hause antraf und so sind wohl manche umgekommen, die verdient hätten, in ewigen Archiven aufbewahrt zu werden, aber das Schicksal und die Trägheit des Richters vergönnte es ihnen nicht und so erfüllte sich an ihnen das Sprichwort, daß die Gerechten zugleich mit den Sündern büßen müssen. Ein Mittel, das der Pfarrer und der Barbier gegen die Krankheit des Freundes ersonnen, war, das Bücherzimmer zu vermauern und anzustreichen, damit er es nicht wiederfinde, wenn er aufstände, weil mit der weggeräumten Ursache auch die Wirkung aufhören würde, wobei sie sagen wollten, daß ein Zauberer Bücher, Zimmer und alles entführt habe; dies ward wirklich mit großer Schnelligkeit ins Werk gesetzt. Nach zwei Tagen erhob sich auch Don Quijote und sein erster Gang war, nach seinen Büchern zu sehen und da er das Zimmer nicht da fand, wo er es gelassen hatte, wandelte er suchend von einer Seite zur andern. Er ging dahin, wo die Tür gewesen war und tastete mit den Händen und blickte mit den Augen hin und her, ohne ein einziges Wort zu sprechen; nachdem so eine geraume Zeit verflossen war, fragte er endlich die Haushälterin, wo sich denn sein Bücherzimmer befinde. Die Haushälterin, die schon auf die Antwort abgerichtet war, sagte: »Was für ein Zimmer oder was sucht Ihr denn irgend da, gnädiger Herr? Wir haben im Hause weder das Zimmer, noch die Bücher mehr, denn alles hat der leibhafte Teufel mitgenommen.« »Nicht der Teufel,« sagte die Nichte, »sondern ein Zauberer, der auf einer Wolke in derselben Nacht kam, nachdem Euer Gnaden Tags vorher abgereist waren; er stieg von einer Schlange ab, auf der er wie ein Ritter saß, ging in das Zimmer, und was er drinne gemacht hat, weiß ich nicht, aber nach einer kleinen Weile flog er wieder zum Dache hinaus und ließ das Haus voller Rauch, und als wir zusehn wollten, was er gemacht hatte, fanden wir weder Buch noch Zimmer mehr; nur das erinnere ich mich noch, wie auch die Haushälterin, daß im Augenblicke, als der alte Kerl fortfliegen wollte, er laut sagte, daß er aus heimlicher Feindschaft, die er gegen den Herrn der Bücher und des Zimmers habe, ein Unheil angerichtet, das man nachher schon finden würde. Ich glaube, er nannte sich den weisen Munnaton.« »Freston wird er gesagt haben,« sprach Don Quijote. »Ich weiß nicht,« antwortete die Haushälterin, »ob er Freston oder Friton hieß, aber sein Name endigte sich auf ton.« »Dieser,« antwortete Don Quijote, »ist ein weiser Zauberer und mein großer Feind, denn er ist mir grämlich, weil er durch seine Kunst und Wissenschaft in Erfahrung gebracht, daß ich einst in künftigen Zeiten einen Zweikampf mit einem Ritter bestehn werde, den er begünstigt, und ich soll ihn überwinden, ohne daß er es zu hindern vermag, und derohalben erzeigt er mir so viele Unart, als er nur kann. Aber ich verkünde ihm, daß er dem nicht widerstreben noch ausweichen kann, was der Himmel einmal verhängt hat.« »Das ist gewißlich wahr,« sagte die Nichte, »aber warum wollen sich der Herr Oheim in dergleichen Händel mischen? Wäre es nicht angenehmer, ruhig zu Hause zu bleiben, als in der Welt herumzuziehn, um das Brot der Betrübnis zu kosten? Gar nicht einmal zu erwähnen, daß mancher nach Wolle geht und geschoren nach Hause kömmt.« »O Nichte!« rief Don Quijote aus, »welche ungereimten Dinge sprichst du da! Bevor mich einer scheren sollte, müßte der eher so Haut und Bart dran strecken, der sich nur unterfinge, ein einziges meiner Haare zu berühren.« Sie antworteten ihm nichts weiter, weil sie sahen, daß er in Zorn geriet. Er hielt sich noch ferner vierzehn Tage ganz friedlich im Hause, ohne den Argwohn zu veranlassen, daß er in seinen vorigen Tollheiten fortfahren werde; in dieser Zeit führte er sehr anmutige Gespräche mit seinen beiden Gevattern, dem Pfarrer und Barbier, in welchen er behauptete, daß das, was der Welt am meisten vonnöten, irrende Ritter wären, und daß in ihm die irrende Ritterschaft wieder auferstünde. Der Pfarrer widersprach ihm einmal, ein andermal gab er ihm Recht, denn wenn er nicht mit dieser Klugheit verfuhr, konnte er nicht mit ihm fertig werden. In dieser Zeit handelte Don Quijote mit einem Bauer, seinem Nachbar, einem für wacker geltenden Manne (wenn man nämlich den so nennen kann, der gar kein Geld hat), der aber nicht sonderlichen Witz im Kopfe hatte. In diesen drang er so sehr, redete ihm zu und versprach ihm so viel, daß der gute Landmann sich entschloß, mit ihm auszuziehn und als sein Edelknabe zu dienen. Unter andern Dingen sagte ihm Don Quijote, daß es für ihn der größte Gewinn sei, mit ihm zu ziehn, denn es könne ihm sehr leicht ein Abenteuer aufstoßen, in dem statt der Streu, die er jetzt verließe, eine Insel gewonnen würde, über die er ihn zum Statthalter setzen wolle. Auf diese und ähnliche Versprechungen verließ Sancho Pansa (so hieß der Bauer) Frau und Kinder und ward der Edelknabe seines Nachbars. Don Quijote sorgte ferner dafür, Geld anzuschaffen, er verkaufte also ein Stück, verpfändete ein andres, alles aber in eiliger Unordnung und brachte so eine ansehnliche Summe zusammen. Er versah sich auch mit einem Schilde, den er von einem Freunde borgte, verfestigte, so gut er konnte, seinen zerschlagenen Helm und bestimmte seinem Edelknaben Sancho Tag und Stunde, wann er sich auf den Weg machen wolle, damit dieser sich mit allem Nötigen versehen könne; vor allen Dingen aber befahl er ihm, einen Schnappsack mitzunehmen. Jener versprach, ihn nicht zu vergessen, und daß er selbst einen Esel mitnehmen wolle, der sehr wacker sei, denn er besitze nicht die Gabe, viel zu Fuß zu laufen. Das mit dem Esel verschnupfte Don Quijote ein wenig, denn er überlegte sogleich, ob er sich eines irrenden Ritters entsinnen könne, der seinen Edelknaben eselweise beritten mit sich geführt, aber nicht ein einziger kam ihm in die Gedanken: doch bewilligte er demohngeachtet, ihn mitzunehmen, mit dem Vorsatze, ihn bald ehrenvoller beritten zu machen, weil er Gelegenheit habe, dem ersten unhöflichen Ritter, der ihm aufstieße, sein Pferd zu nehmen. Er versorgte sich auch mit Hemden und andern Dingen, dem Rate zufolge, den ihm der Schenkwirt gegeben hatte. Als nun alles getan und vollbracht, zogen sie in einer Nacht, ohne daß Sancho von Frau und Kindern oder Don Quijote von Haushälterin und Nichte Abschied genommen aus dem Dorfe aus, wobei sie kein Auge bemerkte und sie so eilig reisten, daß sie mit Tagesanbruch sicher waren, nicht eingeholt zu werden, wenn man sie auch aufsuchen sollte. Sancho Pansa zog auf seinem Tiere mit Schnappsack und Schlauch wie ein Patriarch einher, indem er sich schon in seinen Gedanken als den Statthalter der Insel sah, die ihm sein Herr versprochen hatte. Don Quijote war bemüht, dieselben Wege wieder einzuschlagen, die er auf seiner ersten Reise genommen hatte, und diese gingen über das Feld Montiel; auf diesem zog er auch jetzt fort, und mit weniger Gefährlichkeit als das vorige Mal denn da es frühmorgens war, so trafen ihn die Sonnenstrahlen nur von der Seite und ermüdeten ihn nicht. Indem sprach Sancho Pansa zu seinem Herrn: »Schaut auch, Herr irrender Ritter wohl zu, daß Ihr das nicht vergeßt, was Ihr mir von wegen der Insel versprochen habt, ich will sie gewiß statthaltern und wäre sie noch so groß.« Hierauf erwiderte Don Quijote: »Du mußt verstehn, Freund Sancho Pansa, daß es eine sehr gewöhnliche Sitte der alten irrenden Ritter war, ihre Edelknaben zu Statthaltern von Inseln oder Reichen zu machen, die sie gewannen, und ich bin fest entschlossen, daß durch mich ein so edler Gebrauch nicht erlöschen soll, lieber denke ich darauf, ihn zu verbessern, denn oft, ja vielleicht meistenteils warteten sie bis ihre Edelknaben alt waren, schon müde im Dienst und der bösen Tage und der noch bösern Nächte überdrüssig, dann gaben sie ihnen die Würde eines Herzogs oder mindestens eines Markgrafen von irgendeiner Mark oder einer Provinz, nachdem sie groß oder klein war. Aber wenn du lebst und ich leben bleibe, so kann es wohl geschehn, daß ich innerhalb acht Tagen ein Reich gewinne, das andre, daran hängende in sich begreift, und es mag denn zutreffen, daß du in dem einen von diesen als König gekrönt wirst: dieses ist auch nichts Sonderliches, denn nach dem, was und wie alles den irrenden Rittern begegnet, das man weder je gesehn noch sich vorstellen kann, kann es sich gar leicht fügen, daß ich noch mehr gebe, als ich dir verspreche.« »Auf die Art,« antwortete Sancho Pansa, »wenn ich nun durch ein solches Wunderwerk, wie Euer Gnaden da sagt, König würde, so würde Hanne Gutierrez, meine Alte, Königin und meine Kinder Infanten?« »Wer zweifelt denn daran?« antwortete Don Quijote. »Ich zweifle,« sagte Sancho Pansa, »denn wie es mir vorkömmt, wenn Gott auch Königreiche auf die Erde herunter regnen ließe, so paßte doch keins davon auf den Kopf der Marie Gutierrez. Nein, Herr, nicht für einen Dreier paßt sie sich zur Königin, Gräfin mag eher gehn, und auch das nur mit Gottes Beistand.« »Laß du alles Gott empfohlen sein, Sancho,« antwortete Don Quijote, »der wird dir geben, was dir am besten zusteht, aber erniedrige dein Gemüt nicht so sehr, daß du dich mit etwas Geringerem als der Stelle eines Gouverneurs zufrieden stelltest.« »Das soll nicht geschehn, mein gnädiger Herr,« antwortete Sancho, »da ich vollends einen so trefflichen Herrn in Euer Gnaden habe, der schon weiß, was er mir geben soll, das mir heilsam und zuträglich ist.« ~Achtes Kapitel~ Von dem guten Glücke, welches der tapfere Don Quijote in dem greulichen und unerhörten Abenteuer mit den Windmühlen hatte, nebst anderen Glücksfällen, die der Aufbewahrung würdig Indem sahen sie wohl dreißig bis vierzig Windmühlen, die hier auf dem Felde standen, und sowie sie Don Quijote erblickte, sagte er zu seinem Edelknaben: »Das Glück führt unsre Sache besser, als wir es nur wünschen konnten, denn siehe, Freund Sancho, dort zeigen sich dreißig oder noch mehr ungeheure Riesen, mit denen ich eine Schlacht zu halten gesonnen bin und ihnen allen das Leben zu nehmen; mit der Beute von ihnen wollen wir den Anfang unsers Reichtums machen, denn dies ist ein trefflicher Krieg und selbst ein Gottesdienst, diese Brut vom Angesicht der Erde zu vertilgen.« »Welche Riesen?« fragte Sancho Pansa. »Die du dorten siehst,« antwortete sein Herr, »mit den gewaltigen Armen, die zuweilen wohl zwei Meilen lang sind.« »Seht doch hin, gnädiger Herr,« sagte Sancho, »daß das, was da steht, keine Riesen, sondern Windmühlen sind, und was Ihr für die Arme haltet, sind die Flügel, die der Wind umdreht, wodurch der Mühlenstein in Gang gebracht wird.« »Es scheint wohl,« antwortete Don Quijote, »daß du in Abenteuern nicht sonderlich bewandert bist, es sind Riesen, und wenn du dich fürchtest, so gehe von hier und ergib dich in einiger Entfernung dem Gebete, indes ich die schreckliche und ungleiche Schlacht mit ihnen beginne.« Mit diesen Worten gab er seinem Pferde Rosinante die Sporen, ohne auf die Stimme seines Edelknaben Sancho zu achten, der ihm noch immer nachrief, daß es ganz gewiß Windmühlen und nicht Riesen wären, was er angreifen wollte. Aber er war so fest von den Riesen überzeugt, daß er weder nach der Stimme seines Stallmeisters Sancho hörte, noch sich zu sehn bemühte, bis er dem Orte, wo sie standen, nahe gekommen war, worauf er mit lauter Stimme rief: »Entflieht nicht, ihr feigherzigen und nieterträchtigen Kreaturen! ein einziger Ritter ist es, der euch die Stirn bietet.« Zugleich erhob sich ein kleiner Wind, der die großen Flügel in Bewegung setzte; als Don Quijote dies gewahr ward, fuhr er fort: »Strecktet ihr auch mehr Arme aus als der Riese Briareus, so sollt ihr es dennoch bezahlen!« Und indem er dies sagte und sich mit ganzer Seele seiner Gebieterin Dulzinea empfahl, die er flehte, ihm in dieser Gefährlichkeit zu helfen, wohl von seinem Schilde bedeckt, in der Rechten die Lanze, sprengte er mit dem Rosinante im vollen Galopp auf die vorderste Windmühle los und gab ihr einen Lanzenstich in den Flügel, den der Wind so heftig herumdrehte, daß die Lanze in Stücke sprang, Pferd und Reiter aber eine große Strecke über das Feld weggeschleudert wurden. Sancho Pansa trabte mit der größten Eilfertigkeit seines Esels herbei, und als er hinzu kam, fand er, daß Don Quijote sich nicht rühren konnte, so gewaltig war der Sturz, den Rosinante getan hatte. »Gott steh uns bei!« sagte Sancho, »sagte ich's Euer Gnaden nicht, daß Ihr zusehn möchtet, was Ihr tätet, und daß es nur Windmühlen wären, die ja auch jeder kennen muß, wer nicht selber welche im Kopfe hat!« -- »Gib dich zur Ruhe, Freund Sancho,« antwortete Don Quijote, »das ist Kriegesglück, das am meisten von allen Dingen einem ewigen Wechsel unterworfen ist; um so mehr, da ich glaube und es auch gewiß wahr ist, daß eben der weise Freston, der mir mein Zimmer und meine Bücher geraubt hat, mir auch jetzt diese Riesen in Mühlen verwandelt, um mir den Ruhm ihrer Besiegung zu entreißen. So groß ist die Feindschaft, die er zu mir trägt! Aber endlich, endlich wird er doch mit allen seinen bösen Künsten nichts gegen die Tugend meines Schwertes vermögen!« »Gott mag es so fügen,« antwortete Sancho Pansa, indem er sich bemühte ihn aufzurichten; worauf er ihn auf den Rosinante setzte, dessen Glieder ausgerenkt waren, und so verfolgten sie, indem sie sich von dem überstandenen Abenteuer unterhielten, den Weg nach dem Hafen Lapice. Dort, meinte Don Quijote, müsse es viele und mancherlei Abenteuer geben, weil es ein so besuchter Ort sei; über den Verlust seiner Lanze war er sehr betreten, und indem er darüber mit seinem Edelknaben sprach, sagte er: »Ich erinnere mich, gelesen zu haben, daß ein spanischer Ritter, Diego Perez de Vargas genannt, als in einer Schlacht sein Schwert zersprang, er einen gewaltigen Zweig oder Ast von einer Eiche riß und mit diesem an selbigem Tage solche Taten verrichtete und so viele Mohren zerschlug, daß er den Zunamen des Zerschlägers annahm, von welcher Begebenheit sich auch späterhin seine Nachkommen Vargas und Zerschläger nannten. Dieses wird darum erzählt, weil auch ich von der ersten Steineiche einen Zweig abzureißen gedenke, der gerade so gewaltig ist wie jener, und mit welchem ich mir solcherlei Taten zu tun in den Sinn gesetzt, daß du dich glücklich preisen wirst, dazu auserlesen zu sein, sie anzuschauen und ein Zeuge von Dingen zu werden, die man kaum wird glauben können.« »Das gebe Gott!« sagte Sancho, »ich glaube auch alles, wie es Euer Gnaden da erzählt, aber setzt Euch doch ein bißchen gerade, denn mich dünkt, Ihr hängt so auf der Seite; das ist gewiß noch ein Malzeichen von dem Falle.« »Es ist wahr,« antwortete Don Quijote, »und wenn ich aus Schmerz nicht klage, so geschieht es nur, weil es irrenden Rittern nicht ziemlich ist, über irgendeine Wunde zu klagen, und wenn selbst die Eingeweide hindurch kämen.« »Wenn dem so ist, so läßt sich nichts dagegen sagen,« antwortete Sancho, »aber das weiß Gott, daß Ihr mir eine Liebe tätet, wenn Ihr klagtet, falls es euch irgendwo weh tut; von mir kann ich versichern, daß ich mich über den allerkleinsten Schmerz beklage, wenn es sich nicht auf die Stallmeister der irrenden Ritter ebenfalls erstreckt, daß sie nicht klagen dürfen.« Don Quijote mußte über die Einfalt seines Stallmeisters lachen und antwortete, daß er sich beklagen könne, wie und wie oft es ihm beliebe, denn er habe bis dahin noch nichts vom Gegenteil in den Vorschriften der Ritterschaft gelesen. Sancho sagte, er bemerke, daß es Zeit sei, zu essen. Sein Herr erwiderte, daß er es noch nicht bedürfe, daß er aber essen könne so viel er wolle. Mit dieser Erlaubnis richtete sich Sancho auf seinem Tiere so bequem ein als er nur konnte; er nahm aus dem Schnappsack was er hineingepackt hatte, und so folgte er reitend und essend seinem Herrn eine große Strecke, indem er von Zeit zu Zeit den Schlauch mit so vielem Anstande an den Mund setzte, daß ihn der ausgelernteste Gastwirt von Malaga hätte beneiden können. Wie er nun so fortzog und die Schlückchen immer schneller wiederholte, gedachte er keines Versprechens mehr, das ihm sein Herr getan hatte, hielt es auch für keine Beschwerde, sondern für eine große Ergötzung, herumzuirren und Abenteuer aufzusuchen, wenn sie auch noch so gefährlich sein sollten. Sie mußten endlich die Nacht unter einigen Bäumen zubringen, und von dem einen Baume brach Don Quijote einen trocknen Zweig ab, der ihm zur Lanze dienen sollte, an den er auch das Eisen befestigte, das ihm von der zerschlagenen übrig geblieben war. Don Quijote schlief die ganze Nacht hindurch nicht, sondern gedachte an seine Gebieterin Dulzinea, um es nachzutun, was er in seinen Büchern gelesen, wie die Ritter ohne Schlaf viele Nächte in den Waldungen und Einöden zubrachten und sich mit dem Andenken ihrer Herrscherinnen unterhielten. Nicht also trieb es Sancho Pansa, der, da er den Magen, und zwar mit keinem Habersüppchen angefüllt hatte, die ganze Nacht aus einem Stücke schlief und auch nachher nicht erwacht wäre, wenn ihn sein Herr nicht aufgeweckt hätte, denn die Strahlen der Sonne, die ihm auf das Gesicht schienen, sowie der Gesang der Vögel, die von allen Zweigen mit jubelndem Gesange die Ankunft des neuen Tages feierten, vermochten es nicht. Als er sich ermuntert hatte, schenkte er seinem Schlauche eine Umarmung, wobei er ihn viel eingefallner fand als den Abend vorher und sich von Herzen darüber betrübte, weil es nicht aussah, als wenn sie auf diesem Wege seine Auszehrung würden heilen können. Don Quijote begehrte nicht zu frühstücken, weil er sich, wie schon gesagt, mit nahrhaften Vorstellungen unterhalten hatte. Sie ritten auf der Straße nach dem Hafen Lapize zu, den sie auch drei Stunden nach Sonnenaufgang entdeckten. »Hier,« rief Don Quijote, als er ihn erblickte, »Bruder Sancho, hier können wir die Hände bis an die Ellenbogen hinauf in das tauchen, was man Abenteuer nennt; aber vernimm, daß, wenn du mich auch in der allergrößten Gefahr erblicken solltest, du doch niemalen die Hand an den Degen legen sollst, um mich zu verteidigen, außer du müßtest gewahr werden, daß ich vom Pöbel oder gemeinem Volke beleidigt würde, in einem solchen Falle ist es dir gestattet, mir beizustehn: sind es aber Ritter, so ist es dir nach den Rittergesetzen keineswegs erlaubt oder vergönnt, mir zu helfen, bis du selbst zum Ritter geschlagen bist.« »Seid versichert, gnädiger Herr,« antwortete Sancho, »daß ich Euch darinne pünktlich Gehorsam leiste, vollends da ich sehr friedliebend bin und mich nicht gern in Schlägereien und Händel einmenge; aber freilich, wenn einer meine eigne Person angreifen wollte, da würde ich nach Euren Gesetzen nicht fragen, denn göttliche und menschliche Gesetze erlauben, daß sich jedermann wehren darf, wenn ihm was zuleide geschieht.« »Das leugne ich auch gar nicht,« antwortete Don Quijote, »nur in dem Umstande, daß du mir nicht gegen Ritter beistehn darfst, sollst du deine natürliche Hitze bändigen.« »Ich sage ja auch, daß ich es tun will,« antwortete Sancho, »und daß ich diese Vorschrift so genau halten will wie den Sonntag.« Als sie so redeten, zeigten sich auf dem Wege zwei Brüder von dem Orden des heiligen Benedikt, die auf zwei Dromedaren ritten, denn viel kleiner waren die Maultiere nicht, auf denen sie saßen; sie trugen Brillen und Sonnenschirme. Ihnen folgte eine Kutsche, von vieren oder fünfen zu Pferde und zwei Eseltreiberjungen zu Fuße begleitet. In der Kutsche war, wie man nachher erfuhr, eine Biscajische Dame, die nach Sevilla zu ihrem Gemahl reiste, der in einem ehrenvollen Geschäfte nach Indien ging. Die Patres reisten nicht mit ihr, ob sie gleich dieselbe Straße zogen, aber kaum hatte sie Don Quijote gesehen, als er zu seinem Stallmeister sagte: »Wenn ich mich nicht trüge, so ist dieses das berühmteste Abenteuer, das jemalen gesehen worden, denn diese schwarzen Dinge, die dort kommen, mögen wohl sein und sind auch gewiß zwei Zauberer, die in jener Kutsche eine geraubte Prinzessin fortführen, und es ist also vonnöten, diesem Ungebühr nach meinem vollen Vermögen zu steuern.« »Das wird noch schlimmer gehen wie mit den Windmühlen,« sagte Sancho, »seht, gnädiger Herr, das sind Brüder des heiligen Benedikt, und in der Kutsche sind wohl andere reisende Leute. Hört, was ich sage, und seht was es ist, daß Euch der Teufel nicht einen Irrtum macht.« »Ich habe dir, Sancho, schon gesagt,« antwortete Don Quijote, »daß du wenig von der Natur der Abenteuer verstehst, was ich sage, ist Wahrheit, wie du sogleich gewahr werden sollst.« Mit diesen Worten ritt er fort und stellte sich in die Mitte des Weges, den die Patres kamen, und als er so nahe war, daß sie seine Rede vernehmen konnten, sagte er mit lauter Stimme: »Teuflisches und heidnisches Gesindel! Sogleich gebt die erhabnen Prinzessinnen frei, die ihr mit Gewalt in jener Kutsche fortführt! Wo nicht, so seid gefaßt, plötzlich den Tod als gerechte Strafe eurer Übeltaten zu empfangen!« Die Patres hielten an und verwunderten sich sowohl über Don Quijotes Gestalt, als auch über seine Rede, welche sie also beantworteten: »Herr Ritter, wir sind weder teuflisch noch heidnisch, sondern zwei Mönche von Sankt Benedikt, die ihre Straße ziehen und nicht wissen, ob in jener Kutsche mit Gewalt fortgeführte Prinzessinnen sind oder nicht.« »Ich achte nicht auf eure listigen Reden, denn ich kenne euch Lügenbrut,« sprach Don Quijote; und ohne eine andere Antwort zu erwarten, spornte er den Rosinante und griff mit solcher Wut und Keckheit den vordersten Mönch mit eingesenkter Lanze an, daß, wenn sich der Pater nicht behende vom Maultier geworfen, er ihn übel von seiner Höhe heruntergestürzt, schwer verwundet oder gar getötet hätte. Der zweite Mönch, da er inne ward, wie man seinen Gefährten behandelte, stieß seine Beine in das Gebäude seines trefflichen Maultiers und fing an, leichter als der Wind, über das Feld zu rennen. Als Sancho Pansa den Mönch auf der Erde liegen sah, stieg er behende von seinem Esel ab, machte sich über ihn und fing an, ihm die Kleider auszuziehen. Die Jungen der beiden Mönche kamen nun hinzu und fragten ihn, warum er diesen auskleide? Sancho antwortete, daß ihm dieses rechtmäßig zustehe, als die Beute der Schlacht, die sein Herr Don Quijote gewonnen habe. Die Jungen, die keinen Scherz verstanden, auch nicht wußten, was er mit der Beute und der Schlacht sagen wolle, und Don Quijote weit ab von sich erblickten, der mit denen in der Kutsche sprach, nahmen Sancho, schmissen ihn auf den Boden, rissen ihm die Haare aus dem Barte und richteten ihn mit Fußtritten so übel zu, daß er ohne Atem und Besinnung auf der Erde liegenblieb. Ohne einen Augenblick zu warten, stieg nun der zitternde Mönch, ganz blaß im Gesicht, wieder auf sein Maultier und trabte, so wie er sich beritten sah, seinem Gefährten nach, der in einer weiten Entfernung stillhielt und den Ausschlag dieses Überfalls abwartete; ohne aber weiter den Verlauf der Begebenheit zu erwarten, setzten sie ihren Weg fort und machten so viele Kreuze, als wenn ihnen der Teufel auf den Schultern wäre. Don Quijote befand sich, wie schon gemeldet, bei der Dame in der Kutsche und sagte: »Eure Schönheit, meine Gebieterin, mag nun wieder mit ihrer Person nach ihrem Wohlgefallen schalten, denn der Stolz Eurer Räuber liegt auf dem Boden gestreckt, bezähmt durch die Stärke dieses meines Armes. Und damit Ihr nicht in Sorgen steht, den Namen Eures Befreiers zu erfahren, so wißt, daß ich Don Quijote von la Mancha bin, irrender Ritter und Abenteurer, Gefangener der unvergleichlichen und schönen Donna Dulzinea von Toboso; zum Lohn der Wohltat, die Ihr von mir empfangen, begehre ich nichts weiteres, als daß Ihr nach Toboso kehrt, Euch meinerseits dieser Dame präsentiert und ihr sagt, was ich zu Eurer Befreiung getan.« Alles, was Don Quijote sagte, hörte ein Stallmeister, der ebenfalls die Kutsche begleitete und ein Biskayer war, mit an. Da dieser sah, daß er den Wagen nicht wollte fort lassen, wenn er nicht den Weg nach Toboso einlenkte, wie er forderte, so machte er sich an Don Quijote, und indem er die Lanze anfaßte, sagte er mit seiner schlechten kastilianischen und noch schlechteren biskayischen Sprache: »Weg Ritter, damit du dich wegscheren! Bei Gott, an den ich bete, läßt du nicht den Kutsch, ich dich so schlachten, als wärst du Biskayer!« Don Quijote verstand seine Meinung wohl und antwortete mit ungemeiner Ruhe: »Wärst du ein Ritter, wie du es nicht bist, so hätte ich dich für deinen Aberwitz und deine Frechheit schon gezüchtigt, du dienender Sklave!« Der Biskayer versetzte hierauf: »Ich kein Ritter? Schwör zu Gott, du so lügst, wie ein Christ! Schmeiß Lanz weg, greif Säbel und gleich sollst sehn, wen die Mäus am besten gefangen kriegen; Biskayer zu Land, Edelmann zu See, Edelmann zum Teufel und lügst, sagst du's anders!« »Du wirst es plötzlich schauen, wie Agrages sagt,« antwortete Don Quijote und zugleich warf er die Lanze auf die Erde, faßte sein Schwert, legte den Schild vor und griff den Biskayer mit dem Vorsatz an, ihm das Leben zu nehmen. Der Biskayer, der ihn so ankommen sah, wollte von dem Maultier absteigen, weil es ein schlechtes gedungenes war, auf das er sich nicht verlassen konnte, aber er mußte sich begnügen, seinen Degen zu ergreifen. Er bedachte aber, daß er der Kutsche nahe sei, er nahm also aus ihr ein Kissen, das ihm zum Schilde diente und nun gingen die beiden gegen einander, als wären sie die tödlichsten Feinde gewesen. Die übrigen suchten Frieden zu stiften, aber vergeblich, denn der Biskayer erklärte mit seinen schlecht gesetzten Worten, wenn sie ihn seine Schlacht nicht ausfechten ließen, er seine Herrschaft und alle andern tot machen wollte, die ihn stören würden. Die Dame in der Kutsche, von dem, was sie sah, erschreckt und entsetzt, befahl dem Kutscher, etwas beiseite zu fahren und so wollte sie von weitem dem hartnäckigen Kampfe zuschauen. Zum Anbeginn gab der Biskayer dem Don Quijote über der Schulter und über dem Schilde einen so gewaltigen Hieb, daß, wenn der Schild nicht geschützt hätte, der Ritter davon bis auf den Gürtel gespalten wäre. Don Quijote, der das Gewicht dieses ungeheuerlichen Hiebes fühlte, rief mit lauter Stimme: »O Gebieterin meiner Seele, Dulzinea! Blume der Schönheit! Helft Eurem Ritter, der Eurer hohen Trefflichkeit genug zu tun, sich in diesem hartnäckigen Kampfe befindet!« Dies sprechen, das Schwert schwingen, sich mit dem Schild schirmen und auf den Biskayer zustürzen, tat er in einem Augenblicke, entschlossen, alles auf das Glück eines einzigen Hiebes ankommen zu lassen. Der Biskayer, der ihn also auf sich zustürzen sah, schloß aus seiner Keckheit seine Absicht und war willens, es eben wie Don Quijote zu machen. Er erwartete ihn also, von seinem Kissen beschirmt, wobei er sein Maultier weder auf die eine noch die andere Seite wenden konnte, denn vor Müdigkeit und auch weil es an dergleichen Possen nicht gewöhnt war, konnte es keinen Schritt tun. Also, wie gemeldet, rannte Don Quijote gegen den vorsichtigen Biskayer, das Schwert geschwungen und mit dem Vorsatze, ihn mitten durchzuhauen. Ebenso erwartete ihn der Biskayer, das Schwert geschwungen, von seinem Kissen geschirmt, und alle Umstehenden voll Furcht und Erwartung, was sich aus diesen gräßlichen Hieben ergeben möchte, mit denen sie sich beiderseits bedrohten; die Dame in der Kutsche und ihre Bedienten taten allen Heiligenbildern und Kapellen in Spanien tausend Gelübde, daß Gott ihren Diener und sie selber aus einer so großen Gefahr erretten möge. -- -- -- Schade aber ist es, daß gerade bei dieser Stelle der Autor abbricht und diesen Zweikampf mit der Entschuldigung unausgemacht läßt, daß er nichts weiteres von Don Quijotes Taten vorgefunden, als was er bereits erzählt habe. Der zweite Autor dieses Werkes konnte aber unmöglich glauben, daß eine so treffliche Geschichte so ganz der Vergessenheit soll überliefert sein oder daß die herrlichen Köpfe in la Mancha so wenig Wißbegier haben sollten, daß sich nicht noch in den Archiven oder in einigen Schreibpulten Papiere vorfinden dürften, die von diesem berühmten Ritter Meldung tun. Diesen Gedanken nährte ich und hoffte demnach, den Schluß dieser anmutigen Historie anzutreffen, welches mir auch, unter Begünstigung des Himmels, auf folgende Weise gelungen ist, die ich im zweiten Teil erzählen will. -- ~Zweites Buch~ ~Erstes Kapitel~ Beschließt und endigt den gräßlichen Zweikampf, den der wackere Biskayer und der tapfere Manchaner hielten Im ersten Teil dieser Historie verließen wir den tapfern Biskayer und den berühmten Don Quijote mit aufgehobenen blanken Schwertern, beabsichtigend, zwei mörderische Hiebe zu geben, die, wenn sie vollwichtig fielen, sie gewiß bis auf den Sattelknopf teilen und zerspalten, und sie wie Granatäpfel entzweischneiden mußten. In diesem furchtbaren Moment stand die treffliche Geschichte still und brach ab, ohne daß uns der Autor einige Nachricht gegeben hätte, wo man das Mangelnde antreffen könne. Dies verursachte mir großen Verdruß, denn das Vergnügen, das mir das Wenige gemacht hatte, verwandelte sich in Mißvergnügen, wenn ich an die Unannehmlichkeiten dachte, die ich würde überwinden müssen, ehe ich die übrigen Stücke der herrlichen Geschichte aufgefunden hätte. Denn es schien mir unmöglich und ein Verstoß gegen alle guten Sitten, daß einem so wackern Ritter ein Weiser sollte gemangelt haben, der es auf sich genommen, seine unerhörten Taten zu beschreiben; etwas, woran es keinem irrenden Ritter gefehlt hat, von denen, von welchen die Leute sagen, daß sie ihre Abenteuer suchen; denn jeder von ihnen hatte einen oder zwei Weisen in Bereitschaft, die nicht nur seine Taten beschrieben, sondern auch seine kleinsten Gedanken und Kindereien ausmalten, wenn sie auch noch so verborgen gewesen waren. Diesem wackern Ritter hätte also das Unglück nicht zustoßen müssen, daß ihm etwas mangle, was selbst Platir und andere ähnliche gehabt hatten. Ich konnte mich daher nicht zu dem Glauben verstehen, daß eine so brave Geschichte unvollendet und verstümmelt geblieben, sondern ich schob die ganze Schuld auf die Bosheit der gierigen und gefräßigen Zeit, die sie verborgen hielt, oder sie verzehrt hätte. Auf der andern Seite glaubte ich, daß da sich unter seinen Büchern so neue, als die Entwirrung der Eifersucht und die Nymphen und Schäfer von Henares befanden, so müsse auch die Historie selber neu sein und daß, wenn sie auch nicht geschrieben existiere, sie doch in dem Gedächtnis der Leute seines Dorfes und seiner Nachbarschaft leben müsse. Dieser Gedanke war so lebhaft, daß ich Lust bekam, die ganze und wahrhaftige Geschichte von dem Leben und den Wunderwerken unsers berühmten spanischen Don Quijote von la Mancha zu erforschen, des Lichtes und Spiegels der Manchanischen Ritterschaft, des ersten, der in unserm Jahrhundert, zu dieser bedrängten Zeit sich der Beschwer und Tragung irrender Waffen unterzog, um Unrecht zu vernichten, den Witwen beizustehen, Jungfrauen zu beschützen, die mit ihren Reitpeitschen auf ihren Zeltern umherirrten und als vollkommene Jungfrauen über Hügel, von Berg zu Berg, von Tal zu Tal schweiften; die in den verflossenen Zeiten, wenn sie nicht von einem Bösewicht, oder einem schändlichen Hirten, oder unsittlichen Riesen bezwungen wurden, noch nach achtzig Jahren, in welcher Zeit sie nicht ein einzigmal unter einem Dache geschlafen hatten, so unbefleckt in das Grab gelegt wurden, wie die Mutter, die sie geboren hatte. Ich behaupte, daß aus dieser Rücksicht, wie aus vielen anderen Ursachen unser wackrer Don Quijote ewige und unvergängliche Lobpreisungen verdiene; die Arbeit und der Fleiß, die ich anwandte, um den Schluß dieser angenehmen Geschichte zu finden, wurden mir also zur Pflicht. Ich weiß aber wohl, daß, wenn Himmel, Zufall und Glück mir nicht beigestanden hätten, die Welt diesen Beschluß noch entbehren würde und mit ihm soviel Zeitvertreib und Belustigung, um wohl zwei Stunden auszufüllen, wenn man aufmerksam liest. Ich fand aber diese Geschichte auf folgende Weise. Eines Tages war ich auf der Alcana zu Toledo, da kam ein Junge mit alten Schreibbüchern und Papieren, die er einem Seidenhändler verkaufen wollte. Da es nun meine Leidenschaft ist, alles zu lesen und wenn es auch zerrissene Papiere von der Straße wären, so folgte ich auch hier meiner natürlichen Neigung, nahm einige Blätter von denen, die der Junge verkaufte, sah sie an und erkannte die arabischen Lettern. Ich kannte nun zwar die Buchstaben, konnte sie aber nicht lesen und sah mich also um, ob ich nicht einen Morisken fände, der sie mir läse. Es war auch nicht schwierig, einen solchen Dolmetscher anzutreffen, denn man hätte dort wohl welche für unverständlichere und ältere Sprachen finden können. Kurz, der Zufall führte einen herbei, gegen den ich meinen Wunsch äußerte und ihm das Buch in die Hand gab; er schlug es in der Mitte auf und als er ein wenig gelesen hatte, fing er an zu lachen. Ich fragte ihn, worüber er lache, und er antwortete, über etwas, das in diesem Buche als eine Bemerkung auf den Rand geschrieben sei. Ich bat ihn, es mir zu sagen, und er, ohne sein Lachen zu unterbrechen, sagte: »Hier steht, wie ich gesagt habe, auf dem Rande geschrieben: Diese Dulzinea von Toboso, die so oftmals in dieser Historie genannt wird, hatte nach Berichten unter allen Frauenzimmern in la Mancha die glücklichste Hand, Schweinefleisch einzupökeln.« Als ich Dulzinea von Toboso nennen hörte, war ich erstaunt und überrascht, denn mir fiel sogleich ein, daß dieses unnütze Papier wohl die Geschichte des Don Quijote enthalten möchte. Mit diesen Gedanken bat ich ihn, mir schnell den Anfang zu lesen, er tat es, indem er sogleich das Arabische ins Kastilianische übersetzte, folgendermaßen: Historia des Don Quijote von la Mancha, geschrieben vom Cide Hamete Benengeli, arabischem Historienschreiber. Es war viel Verstand dazu nötig, um mein großes Vergnügen zu verbergen, da ich den Titel des Buches hörte; ich riß es dem Seidenhändler weg und kaufte von dem Jungen alle die Blätter und alten Papiere um einen halben Real, der, wenn er Verstand gehabt hätte und gemerkt, wie lieb sie mir wären, wohl sechs Realen dafür von mir hätte bekommen können. Sogleich ging ich mit dem Morisken durch das Kloster der großen Kirche und trug ihm auf, die ganze Makulatur zu übersetzen, was vom Don Quijote handelte, in kastilianischer Sprache, ohne etwas auszulassen noch hinzuzufügen, wobei ich fragte, wieviel Bezahlung er dafür verlange. Er war mit fünfzig Pfund Rosinen und zwei Scheffel Weizen zufrieden und versprach alles gut, getreu und schnell zu übersetzen. Um aber den Handel zu erleichtern und meinen guten Fund nicht aus den Händen zu geben, nahm ich den Mohren zu mir ins Haus, wo er in ungefähr einem und einem halben Monat alles so übersetzte, wie man es hier findet. Auf dem ersten Blatte war Don Quijotes Schlacht mit dem Biskayer ganz nach dem Leben abgemalt, sie standen in derselben Stellung, wie sie die Geschichte beschreibt, die Schwerter aufgehoben, dieser mit seinem Schilde, jener mit seinem Kissen beschirmt; zugleich war das Maultier des Biskayers so täuschend abgebildet, daß man es auf einen Steinwurf davon schon für ein gemietetes Tier erkannte. Zu den Füßen des Biskayers stand geschrieben, Don Sancho de Azpeytia, welches wahrscheinlich sein Name war, unter Rosinantes Füßen war ein anderes Blatt, worauf geschrieben war Don Quijote. Dieser Rosinante war bewundernswürdig abgeschildert, so lang und gedehnt, so dünn und eingefallen, mit einem so hervorstehenden Rückgrad und einem so anständigen Betragen, daß er beim Beschauen bewies, wie passend und mit welcher Schicklichkeit ihm der Name Rosinante gegeben sei. Daneben stand Sancho Pansa, der seinen Esel am Stricke hielt, zu seinen Füßen war wieder ein Zettel mit der Inschrift: Sancho Breitfuß, und wie das Gemälde zeigte, hatte er auch in der Tat einen dicken Bauch, einen schlechten Wuchs und sehr breite Füße, und deshalb hatte er auch den Zunamen Pansa und Breitfuß, so wie auch beide Namen abwechselnd in der Geschichte genannt werden. Ich könnte noch einige andere Abweichungen anführen, aber sie sind alle unwichtig und keine tut der Wahrheit der Geschichtserzählung Eintrag, sonst ist keine zu verachten, die die Wahrheit in ein helleres Licht setzt. Man könnte in Ansehung der Wahrhaftigkeit nichts anderes einwerfen, als daß der Verfasser ein Araber gewesen und daß es dieser Nation eigentümlich sei, zu lügen, und da sie überdies so sehr unsere Feinde sind, so habe der Autor auch gewiß manches eher unterdrückt als vergrößert. Dies scheint mir auch wirklich der Fall zu sein, denn wenn er sich am weitläufigsten in Lobeserhebungen des wackeren Ritters ergießen könnte und sollte, geht er lieber geflissentlich mit Stillschweigen darüber hinweg. Dies ist ein übler und tadelnswürdiger Charakter, denn ein Geschichtschreiber sollte genau sein, wahrhaft, ohne Leidenschaft, weder von Eigennutz noch Furcht beherrscht, weder Haß noch Liebe dürfte ihn vom Wege der Wahrheit verleiten, deren Mutter die Geschichte ist, die Nebenbuhlerin der Zeit, das Archiv aller Taten, Zeugin des Verflossenen, Beispiel und Rat des Gegenwärtigen, Warnerin der Zukunft. Alles dies und was man nur wünschen kann, wird sich in diesem anmutigen Werke finden, und wenn irgend etwas Gutes darin mangelt, so liegt nach meiner Meinung die Schuld an dem Esel von Autor, gewiß aber nicht an dem Gegenstande. Kurz, der zweite Teil fing nach der Übersetzung folgendermaßen an. -- -- -- Hochgeschwungen waren die mörderischen Schwerter der beiden tapferen und ergrimmten Kämpfer, die dem Himmel, der Erde und der Unterwelt zu dräuen schienen, so groß war ihre Kühnheit und ihr Mut. Wer zuerst seinen Streich ausführte, war der hitzige Biskayer, der so kräftig und wütend ausholte, daß, wenn sich das Schwert nicht unterwegs gewandt hätte, dieser einzige Streich hinreichend war, dem edlen Mute und allen künftigen Abenteuern unseres Helden ein Ende zu machen; aber das Glück, das ihn wichtigeren Dingen aufsparte, drehte das Schwert seines Gegners, so daß es auf die linke Schulter schlug und ihm weiter keinen Schaden zufügte, als daß es diese ganze Seite von der Rüstung entblößte und auf dem Wege einen großen Teil des Helmes sowie die Hälfte des Ohres mit sich nahm, welches alles mit einem entsetzlichen Gekrach auf die Erde stürzte und eine Strecke weit wegflog. Heiliger Gott! Wer wäre imstande, die Wut genügend zu beschreiben, die das Herz unseres Manchaners erfaßte, als er sich so zugerichtet sah! Ich will nicht mehr anführen, als daß sie von der Art war, daß er sich von neuem in den Bügeln erhob, das Schwert mit beiden Händen faßte und damit so rasend auf den Biskayer loshieb, daß, ohngeachtet jener mit dem Kissen über dem Kopfe gepanzert war, trotz diesem herrlichen Schirme der Hieb wie ein Berg herabfiel, so daß ihm Blut aus der Nase, dem Munde und den Ohren strömte und er im Begriff war, von dem Maultiere zu fallen, auch gewiß herabgestürzt wäre, wenn er nicht den Hals umfaßt hätte. Dennoch aber verloren die Füße die Steigbügel, die Arme ließen los, und das Maultier, von dem fürchterlichen Hiebe scheu gemacht, lief übers Feld und warf seinen Herrn mit wenigen Kapriolen auf den Boden. Mit vieler Ruhe betrachtete Don Quijote dies alles, aber sowie er ihn liegen sah, stieg er vom Pferde, ging schnell zu ihm hin und setzte ihm die Spitze seines Degens ins Gesicht, mit dem Befehle, sich zu ergeben, falls er ihm nicht den Kopf abhauen solle. Der Biskayer lag ohne Bewußtsein da und konnte kein Wort sprechen, und es wäre ihm übel ergangen, denn Don Quijote war blind, wenn nicht die Damen aus der Kutsche, die bis dahin mit Entsetzen dem Zweikampfe zugesehn hatten, herbeigeeilt wären und ihn so artig gebeten hätten, ihnen die große Gnade und Gunst zu erzeigen und ihrem Stallmeister das Leben zu schenken. Don Quijote erwiderte hierauf mit sehr ernster und feierlicher Stimme: »Unendlich, schöne Damen, bin ich erfreut, Euer Begehr zu erfüllen, aber die Bedingung und Bewilligung besteht darin, daß dieser Ritter mir versprechen soll, nach dem Dorfe Toboso zu gehen und sich meinerseits vor der unvergleichlichen Donna Dulzinea zu präsentieren, damit sie nach ihrem Willen mit ihm schalten möge.« Die erschrockenen und trostlosen Damen, ohne sich mit Don Quijote in Erörterungen einzulassen oder sich weiter nach der Dulzinea zu erkundigen, versprachen, daß der Stallmeister alles vollbringen werde, was man ihm gebiete. -- »So sei es denn im Vertrauen auf Euer Wort, daß ich ihm kein Unheil weiter zufüge, wofür er mir sehr verbunden sein kann.« ~Zweites Kapitel~ Ein anmutiges Gespräch zwischen Don Quijote und Sancho Pansa, seinem Stallmeister Indessen hatte sich Sancho Pansa aufgerichtet, den die Burschen der Patres mißhandelt hatten; er hatte der Schlacht seines Herrn Don Quijote aufmerksam zugeschaut und herzlich zu Gott gebetet, daß er ihm den Sieg verleihen und eine Insel gewinnen lassen möge, über welche er ihn, seinem Versprechen gemäß, zum Statthalter setzen könne. Da er nun merkte, daß der Kampf entschieden war und sein Herr wieder auf den Rosinante steigen wollte, kam er hinzu, ihm den Steigbügel zu halten, und ehe jener noch aufgestiegen war, warf er sich vor ihm nieder, ergriff seine Hand, küßte sie und sagte: »Erinnere sich mein gnädiger Herr Don Quijote nunmehr, mir die Regierung der Insel zu schenken, die in diesem hartnäckigen Kampfe gewonnen ist, sie sei auch noch so groß; ich fühle Tüchtigkeit in mir, sie zu regieren, trotz einem in der ganzen Welt, der nur je Inseln regiert hat.« Hierauf erwiderte Don Quijote: »Sei wissend, Bruder Sancho, daß dieses Abenteuer, wie dem ähnliche, keine Inseln-, sondern nur Kreuzwegsabenteuer sind, in denen man nichts gewinnt, als zerschlagene Köpfe und abgehauene Ohren. Fasse Geduld, es werden sich Abenteuer einstellen, die dir nicht nur eine Statthalterschaft, sondern wohl noch mehr eintragen sollen.« Sancho war sehr erfreut und küßte wieder die Hand und den Harnisch, worauf er ihm auf seinen Rosinante half, selbst den Esel bestieg und seinem Herrn nachritt, der, ohne weiter mit denen in der Kutsche zu sprechen, sich eilig in ein nahegelegenes Gehölz wandte. Sancho folgte ihm im vollen Trabe seines Tieres, aber Rosinante war so behende, daß er sich weit entfernt sah und seinem Herrn laut zurufen mußte, er möchte auf ihn warten. Don Quijote tat es, er hielt den Rosinante so lange an, bis ihn sein Edelknabe eingeholt hatte, der darauf, als er nahe gekommen, sagte: »Es wäre wohl gut, Herr, wenn wir uns in eine Kirche flüchteten, denn da der so übel zugerichtet ist, mit dem Ihr Euch geschlagen habt, so ist er imstande, alles der heiligen Brüderschaft zu klagen, daß sie uns fangen; haben die uns aber einmal hingesetzt, so kann wahrhaftig der Himmel darüber einfallen, ehe sie uns wieder herauslassen.« »Sei ohne Sorge,« sagte Don Quijote, »wann hast du jemals gesehen oder gelesen, daß ein irrender Ritter vor Gericht geführt sei, wenn er auch tausend Homizidien begangen hätte.« »Von den Omezilien versteh ich nichts,« antwortete Sancho, »habe mich auch zeitlebens auf keine eingelassen, aber das weiß ich, daß sich die heilige Brüderschaft drum bekümmert, wer sich auf dem freien Felde rauft; alles übrige geht mich nichts an.« »Du darfst nicht zweifeln, Freund,« antwortete Don Quijote, »daß ich dich aus den Händen der Chaldäer, geschweige der Brüderschaft erretten wollte. Aber sage mir aufrichtig, hast du wohl einen so tapferen Ritter als ich bin auf der ganzen bisher bekannten Erde gesehen? Hast du in den Historien von einem gelesen, der beweist oder bewiesen hat größere Kühnheit in Angriffen, mehr Festigkeit in der Ausdauer, mehr Geschicklichkeit zu verwunden und größere Behendigkeit niederzuwerfen?« »Die Wahrheit ist,« antwortete Sancho, »daß ich niemals keine Historie gelesen habe, denn ich kann nicht lesen und schreiben, aber das will ich behaupten, daß ich einem so verwegenen Herrn als Euer Gnaden in meinem ganzen Leben noch nicht gedient habe, und Gott gebe nur, daß die Verwegenheit nicht so bezahlt wird, wie ich schon gesagt habe. Ich bitte aber Euer Gnaden, sich zu kurieren, denn aus dem Ohre läuft vieles Blut, ich habe Scharpie und etwas weiße Salbe im Schnappsack.« »Alles wäre besser,« sagte Don Quijote, »wenn ich darauf gefallen wäre, mir eine Flasche von dem Balsame Fierabras zu machen, denn mit einem einzigen Tropfen könnten wir Zeit und Medizin ersparen.« »Was für eine Flasche und was für ein Balsam ist das?« fragte Sancho Pansa. »Dieser Balsam,« erwiderte Don Quijote, »von welchem ich das Rezept im Gedächtnis habe, ist so beschaffen, daß ich mit ihm den Tod nicht zu fürchten oder an irgendeiner Wunde zu sterben zu besorgen brauche. Wann ich ihn also verfertige und ihn dir übergebe, so hast du nichts weiter zu tun, als wenn du mich in einer Schlacht mitten durchgehauen siehst (wie dies denn oftmals begegnet), die Hälfte des Körpers, die auf den Boden gefallen ist, sauber aufzuheben, sie behende ehe das Blut erkaltet auf die andere Hälfte, die im Sattel sitzt, aufzupassen und sie sorgfältig und gerecht einzufugen. Zugleich gibst du mir zwei Schluck von dem genannten Balsam zu trinken, und du wirst sehen, daß ich dann so gesund bin wie ein Fisch.« »Wenn das so ist,« sagte Sancho, »so will ich mich der Regierung der versprochenen Insel begeben, und ich verlange zum Lohn meiner vielen und tapferen Dienste nichts anderes, als daß Ihr mir das Rezept dieses erstaunlichen Getränkes mitteilt, wovon nach meiner Rechnung die Unze wohl ihre zwei Realen wert sein mag, und mehr brauche ich dann nicht, um mein Leben ehrlich und lustig hinzubringen. Aber nun muß ich noch wissen, ob es ihn zu machen viel kosten wird.« »Mit weniger als für drei Realen kannst du drei Quart zubereiten,« antwortete Don Quijote. »Meiner Seel!« rief Sancho aus, »warum macht Ihr ihn denn nicht und lehrt es mich gleich?« »Sei nur ruhig, Freund,« sagte Don Quijote, »noch größere Geheimnisse will ich dich lehren, noch größeren Lohn sollst du empfangen, aber jetzt wollen wir auf die Kur denken, denn das Ohr schmerzt mich mehr als ich es sage.« Sancho nahm aus dem Beutel Scharpie und Salbe, aber als Don Quijote sah, wie sein Helm verdorben war, wollte er unsinnig werden; er legte die Hand an das Schwert, erhob die Augen zum Himmel und sagte: »Ich schwöre hier beim Schöpfer aller Dinge, bei den heiligen vier Evangelien, wo sie am umständlichsten geschrieben stehen, eben das Leben zu führen, welches der große Marquis von Mantua führte, als er schwur, den Tod seines Neffen Balduin zu rächen: welches darin bestand, auf keinem Tischtuche zu essen, mit seiner Gemahlin sich nicht zu ergötzen, nebst anderen Dingen, deren ich mich nicht erinnere, die ich aber hier zugleich befasse, bis ich vollständige Rache an dem genommen, der mir diesen Schimpf erwiesen.« Als Sancho dies hörte, sagte er: »Bedenkt, mein gnädiger Herr Don Quijote, daß, wenn der Ritter das tut, was Ihr ihm befohlen habt, nämlich hinzugehen und sich der Dame Dulzinea von Toboso zu präsentieren, daß er dann alles getan hat, was ihm zukömmt, und also keine andere Strafe verdient, wenn er kein neues Verbrechen begeht.« »Du hast gut und trefflich gesprochen,« antwortete Don Quijote, »ich vernichte also den Eid, insofern ich eine neue Rache nehmen wollte: aber ich wiederhole und bestätige ihn, das obgenannte Leben zu führen, bis ich mit Gewalt von einem Ritter einen so schätzbaren Helm erobere als dieser ist. Und gedenke nur nicht, Sancho, daß ich dieses vom Zaune breche, sondern ich ahme hierin buchstäblich das nach, was sich in Ansehung des Helmes des Mambrin zutrug, der dem Sacripante so kostbar war.« »Laßt doch, gnädiger Herr, den Teufel diese Schwüre holen,« versetzte Sancho, »die der Seligkeit zum Schaden und dem Gewissen zur Last gereichen! Bedenkt nur, wenn wir nun in vielen Tagen auf keinen Menschen treffen, der einen Helm führt? Was sollen wir dann machen? Sollen wir den Schwur erfüllen, der so viel Unbequemlichkeit und Drückendes hat, wie in den Kleidern zu schlafen und in keiner Herberge einzukehren, nebst tausend anderen Kasteiungen, die in dem Schwure des unsinnigen alten Kerls, des Marquis von Mantua vorkommen, den Ihr nun wieder in Gang bringen wollt? Bedenkt nur, gnädiger Herr, daß auf allen diesen Wegen hier keine geharnischten Männer reisen, die gar keine Helme tragen, ja die vielleicht in ihrem ganzen Leben keinen Helm haben nennen hören.« »Du irrst in diesem,« antwortete Don Quijote, »denn nicht zwei Stunden werden wir auf den Kreuzwegen fortreisen, ohne mehr Geharnischte anzutreffen, als nach Albraca kamen, um Angelika, die schöne, zu entsetzen.« »Wenn's geschieht, so mag's sein,« sagte Sancho, »und ich bitte Gott, daß es uns gut gelinge, und daß bald die Zeit kommen mag, die Insel zu gewinnen, die mir so köstlich ist; dann will ich sterben.« »Ich habe es dir gesagt, Sancho, daß du desfalls unbekümmert sein darfst, denn wenn uns auch eine Insel fehlen sollte, so sind ja doch die Reiche Dänemark und Sabradisa noch, die sich dir wie ein Paar Handschuhe anpassen werden und die sich um so mehr vergnügen müssen, da sie auf dem festen Lande liegen. Aber wir wollen dieses der Zeit überlassen; jetzt schaue zu, ob du in deinem Schnappsacke etwas Eßbares führst: dann wollen wir sogleich ein Kastell aufsuchen, wo wir diese Nacht herbergen und den Balsam machen können, von dem ich dir gesagt, denn ich schwöre es dir zu Gott, daß das Ohr mich heftiglich schmerzt.« Sancho zog hierauf eine Zwiebel und ein wenig Käse hervor, nebst etlichen Stückchen Brot und sagte: »Dies sind aber keine Gerichte, die sich für einen so tapfern Ritter als Eure Gnaden sind schicken.« »Übel verstehst du dieses,« antwortete Don Quijote; »erfahre also, Sancho, daß die Ehre der irrenden Ritter darin besteht, in einem Monate nicht zu essen, und selbst wenn sie essen, das, was ihnen in die Hände fällt; du würdest auch davon versichert sein, wenn du so viele Historien wie ich gelesen hättest; denn trotz der großen Menge habe ich nicht in einer einzigen erwähnt gefunden, daß die irrenden Ritter gegessen hätten, wenn es sich nicht etwa traf, daß sie ein prächtiges Bankett anrichteten; sonst begnügten sie sich an den übrigen Tagen mit der Entbehrung. Wenn ich nun freilich wohl einsehe, daß sie nicht ohne Essen sowie ohne die übrigen natürlichen Bedürfnisse leben konnten, denn sie waren eben solche Menschen wie wir es sind, so versteht sich doch auch von selbst, da sie die meiste Zeit ihres Lebens in Waldungen und Einöden, und zwar ohne einen Koch zubrachten, daß ihre gewöhnlichen Speisen in solchen ländlichen Gerichten bestehen mußten, wie du mir da eben anbietest. Also, Freund Sancho, sorge nicht, mir etwas Schmackhaftes zu geben, wenn du nicht die Welt neu schaffen und die irrende Ritterschaft aus ihren Angeln heben willst.« »Nehmt's nicht übel, gnädiger Herr,« sagte Sancho, »da ich, wie ich schon oft gesagt, weder lesen noch schreiben kann, so versteh ich auch drum keine Regeln vom Handwerk der Ritterei. Ich will aber künftig den Schnappsack mit aller Art von trockener Frucht versorgen für Euch, der Ihr ein Ritter seid; für mich aber, der ich es nicht bin, will ich ihn mit anderen Sachen versorgen, die kernigter und gewichtiger sind.« »Ich sage ja nicht, Sancho,« erwiderte Don Quijote, »daß die irrenden Ritter gezwungen seien, nichts als die Früchte zu essen, von denen du da sprichst, sondern nur, daß ihr gewöhnlicher Unterhalt darin und in etlichen Kräutern bestand, die sie im Felde fanden und kannten und welche ich ebenfalls kenne.« »Es ist ein Glück,« antwortete Sancho, »mit solchen Kräutern bekannt zu sein, und wie ich mir vorstelle, wird wohl einmal eine Zeit kommen, wo wir gezwungen sind, aus dieser Bekanntschaft Nutzen zu ziehen.« Hiermit gab er ihm das, was er bei sich hatte und sie aßen friedlich und gesellig miteinander. Da sie aber begierig waren, einen Ort zu finden, wo sie in der Nacht einkehren könnten, so beendigten sie schnell ihre dürftige und trockene Mahlzeit. Dann stiegen sie zu Pferde und eilten sehr, um noch vor der Nacht eine Ortschaft zu erreichen; aber die Sonne ging so wie ihre Hoffnung unter, das zu finden, was sie wünschten, als sie sich bei einigen Hütungen etlicher Ziegenhirten befanden, bei denen sie anzuhalten beschlossen. Sancho war sehr verdrießlich, daß er keine Herberge mehr erreicht hatte, aber sein Herr desto vergnügter, unter freiem Himmel schlafen zu können, denn er glaubte durch jeden ähnlichen Vorfall ein Besitztumsrecht mehr zu erhalten, wodurch er um so deutlicher seine Ritterschaft beweisen könne. ~Drittes Kapitel~ Was dem Don Quijote mit etlichen Ziegenhirten begegnete Er wurde von den Ziegenhirten sehr bereitwillig aufgenommen, und nachdem Sancho, so gut es sich tun ließ, für den Rosinante und seinen Esel gesorgt hatte, folgte er dem Geruche von einigen Stücken Ziegenfleisch, die über dem Feuer in einem Kessel kochten. Er war auch gleich des Willens, den Versuch zu machen, ob es sich nicht schicken wolle, sie ohne weiteres aus dem Kessel in seinen Magen zu führen, aber dieser Vorsatz wurde dadurch vereitelt, daß die Hirten das Fleisch vom Feuer nahmen, auf der Erde einige Schaffelle ausbreiteten, sehr bald ihren ländlichen Tisch fertig hatten und hierauf die beiden mit dem besten Willen zu dem, was vorrätig war, einluden. Um die Felle herum lagerten sich ihrer sechs, die sich dort in der Hütung befanden, nachdem sie Don Quijote vorher mit ungeschickten Komplimenten genötigt hatten, sich auf einem Troge niederzulassen, den sie umkehrten. Don Quijote setzte sich, Sancho aber blieb stehen, um den Becher herumzureichen, der aus Horn gemacht war. Als ihn sein Herr stehen sah, sagte er: »Sancho, damit du die Vorzüge erkennest, die die irrende Ritterschaft mit sich führt und wie geehrt diejenigen sind, die in irgendeinem ihr zugehörenden Amte stehen, damit du merkst, wie solche von der Welt geachtet und geehrt werden, will ich, daß du an meiner Seite und in der Gesellschaft dieser braven Leute sitzt, daß du ein und eben das mit mir seist, der ich doch dein Herr und eigentlicher Gebieter bin, daß du aus meiner Schüssel ißt und trinkst, woraus ich trinke. Denn der irrenden Ritterschaft kann man das nämliche sagen, was von der Liebe gesagt wird, daß sie alle Dinge gleich macht.« »Großen Dank!« sprach Sancho, »aber ich muß Euch sagen, gnädiger Herr, daß, wenn ich was Gutes zu essen habe, es mir im Stehen und so für mich weit besser schmeckt, als wenn ich einem Kaiser zur Seite gesetzt würde. Und soll ich vollends die Wahrheit bekennen, so schmecken mir Brot und Zwiebeln in meinem Winkel besser, wo ich ohne Umstände und Komplimente essen darf, als Puterbraten, wenn ich nur langsam kauen soll, wenig trinken, mir alle Augenblicke den Mund wischen muß, weder niesen noch husten darf, wenn mir die Lust ankommt, oder andere Dinge tun, die sich mit der Einsamkeit und Freiheit vertragen. Also, gnädiger Herr, könnt Ihr die Ehre, die Ihr mir zudenkt, da ich ein Diener und Zubehör der irrenden Ritterschaft bin, ich meine, Euer Edelknabe, lieber in was anderes verwandeln, das mir bequemer und nutzbarer ist: denn dies nehme ich hiermit für empfangen und entsage ihm von jetzt an bis in Ewigkeit.« »Du sollst dich dennoch niedersetzen, denn der Himmel erhöht den, der sich selbst erniedrigt,« und zugleich faßte er ihn beim Arm und zog ihn mit Gewalt an seine Seite nieder. Die Ziegenhirten begriffen von diesem Rotwelsch der Edelknaben und irrenden Ritter nichts, sie aßen, schwiegen still und beschauten ihre Gäste, die sehr anmutig und behende Stücke wie die Faust groß, herunterkauten. Das Fleisch war verzehrt; als zweites Gericht legten sie auf die Felle eine große Menge Eicheln, wobei sie einen Käse aufsetzten, der härter war, als wenn er aus Kalk gearbeitet wäre. Das Trinkhorn war auch nicht müßig, denn es ging häufig herum, bald voll, bald ausgeleert wie der Eimer an einem Schöpfrade, so daß einer von den beiden preisgegebenen Schläuchen bald ausgeleert war. Als Don Quijote satt war, nahm er eine Handvoll Eicheln, betrachtete sie aufmerksam und eröffnete hierauf seinen Mund zu folgenden Worten: »O du beglückte Zeit! beglücktes Jahrhundert! dem unsere Vorfahren den Namen des goldenen beilegten, nicht weil man damals das Gold, welches in unserm eisernen Zeitalter so geschätzt wird, in jenen preiswürdigen Tagen ohne Beschwer gewann, sondern weil unter denen, die damals lebten, die beiden Wörter mein und dein unbekannt waren. In diesem segenreichen Alter waren alle Dinge gemein, keiner durfte für seinen gewöhnlichen Unterhalt etwas Weiteres tun, als die Hand ausstrecken, um sie von den starken Eichen zu pflücken, die einladend und freigebig die süße und gesunde Frucht jedermann hinreichten. Die klaren Gewässer und die rollenden Ströme boten in ihrer herrlichen Fülle die wohlschmeckende durchsichtige Welle zum Trunke dar. In den Felsenritzen und Baumhöhlen bauten die fleißigen und klugen Bienen ihren Staat und luden ohne Eigennutz jedwede Hand zur Einsammlung ihrer lieblichen Arbeit ein. Die festen Korkbäume gaben freiwillig und ohne Berührung des Beils die reichhaltige und leichte Rinde her, womit man die Hütten, die auf unbehauenen Pfählen ruhten, deckte, um sich gegen die Unfreundlichkeit des Himmels zu schützen. Alles war Friede, Liebe, Eintracht; noch hatte es das schneidende Eisen des gekrümmten Pfluges nicht gewagt, die frommen Eingeweide unserer ersten Mutter zu öffnen und zu verletzen; denn ungezwungen verbreitete von allen Seiten der fruchtbare große Schoß alles, was zur Sättigung, Erhaltung und Ergötzung ihrer Kinder diente. Damals schweiften die einfältigen und schönen Hirtenmädchen von Tal zu Tal, von Hügel zu Hügel, die Haare aufgeflochten und nicht weiter bekleidet, als das anständig zu verhüllen, was die Tugend damals und immer zu verhüllen geboten hat; aber sie waren nicht geschmückt, wie es jetzt geschieht, denn Tyrischen Purpur und die tausendfältig zermarterte Seide kannten sie nicht. Grüne Blätter mit Efeu verwebt war ihre Tracht, in der sie wohl so herrlich und reizend erschienen, als jetzt unsere Damen in ihren seltsamen und fremden Erfindungen, die der sinnende Müßiggang erzeugt. Einfalt und Treue waren damals der Schmuck der werbenden Liebe, sie sprach wie sie dachte und suchte keinen künstlichen Schwung der Worte, um köstlich zu machen. Betrug, Täuschung und Bosheit waren nicht mit Wahrheit und Aufrichtigkeit vermischt. Auf eigenen Gesetzen ruhte die Gerechtigkeit, weder Gunst noch Eigennutz wagten es, sie zu irren, die sie jetzt schmälern, irren und verfolgen. Willkürliche Aussprüche verunzierten keinen Richter, denn keiner richtete damals und keiner wurde gerichtet. Die Jungfrauen und Tugend gingen, wie schon gesagt, wohin sie wollten, allein und sich selbst genügend, denn sie hatten keinen Raub und keinen schamlosen Feind zu fürchten, freiwillig und aus eigener Liebe verschenkten sie ihre Gunst. Aber in unsern verderblichen Zeiten ist keine Tugend sicher, wenn sie auch ein neues Cretensisches Labyrinth verborgen und verschlossen hielte: denn auch dort dringt durch Ritzen und mit der Luft die ungebändigte, listerfüllte Begier hinein und vereitelt und vernichtet jegliche Vorsicht. Zur Sicherheit wurde also im Fortlauf der Zeiten und mit der anwachsenden Bosheit der Orden der irrenden Ritter begründet, um Jungfrauen zu verteidigen, Witwen zu schützen, Waisen und Hilfsbedürftigen beizustehen. Desselben Ordens bin auch ich, ihr Hirten, meine Brüder, denen ich für die Aufnahme und den freundlichen Willkommen danke, welche sie mir und meinem Edelknaben gegeben; denn obgleich das Gesetz der Natur alle Lebendigen verpflichtet, den irrenden Rittern freundlich zu sein, so habt ihr mich doch, ohne diese Pflicht zu kennen, aufgenommen und gespeist, und deshalb danke ich Euch um so mehr.« Diese ganze lange Rede, die er wohl hätte unterlassen können, hielt unser Ritter, weil ihn die aufgetragenen Eicheln an das goldene Zeitalter erinnerten, dies machte ihm Lust, den Ziegenhirten diese überflüssige Beschreibung zu machen, die ihm, ohne eine Silbe zu antworten, mit Erstaunen und Verwunderung zuhörten. Auch Sancho schwieg still, aß Eicheln und besuchte wiederholt den zweiten Schlauch, den sie, um den Wein frisch zu halten, an einen Korkbaum gehängt hatten. Don Quijote schwieg, die Abendmahlzeit war vollbracht, und einer von den Ziegenhirten sagte nunmehr: »Damit Ihr doch auch mit Recht sagen könnt, mein Herr irrender Ritter, daß wir Euch gern und ohne Umstände aufgenommen haben, so wollen wir Euch noch damit Lust und Vergnügen machen, daß einer von unseren Kameraden singen soll, der bald kommen muß; der ist ein Schäfer, klug und von Herzen verliebt, er kann nicht allein lesen und schreiben, sondern er ist auch ein Musikant auf der Fiedel, wie man ihn sich nicht herrlicher wünschen kann.« Indem der Ziegenhirt noch sprach, hörte man den Ton einer Fiedel und gleich darauf kam auch der, der sie spielte, ein Bursche von ungefähr zweiundzwanzig Jahren mit einem einnehmenden Gesichte. Seine Kameraden fragten ihn, ob er schon zu Abend gegessen habe und er antwortete mit ja. Derselbe, der vorher die Musik angeboten hatte, sagte nun: »Du könntest uns ja also wohl, Antonio, den Gefallen tun, ein bißchen zu singen, daß unser Herr Gast dort sieht, daß es auch in Wäldern und hinter den Bergen Leute gibt, die Musik verstehen. Wir haben von deiner trefflichen Kunst erzählt, und bitten dich also nun, sie zu zeigen, damit wir als wahrhaftig bestehen; mach uns, um Himmelswillen die Freude und spiele und singe die Romanze, die dir dein Oheim gemacht hat und die dem ganzen Dorfe so sehr gefällt.« -- »Sehr gern,« sagte der Bursche, und ohne sich länger bitten zu lassen, setzte er sich auf den Stamm einer abgehauenen Eiche, stimmte seine Fiedel und sang sogleich mit vieler Annehmlichkeit folgendes Lied: ~Antonio~. Ich weiß, Olalla, daß du mich liebst, Wenn du kein einziges Wörtchen sagst -- Mir nicht einmal ein Blickchen gibst, Der Liebe stummredende Sprache. Ich weiß, daß du ein verständiges Kind, Daß du mich liebst, macht's wieder kund, Der weiß, wie der andre ihm gesinnt Macht ja immer den glücklichsten Bund. Oft freilich, wollt' es sich weisen Olalla, deutlich genug, Daß wohl deine Seele von Eisen -- Von Stein deine milchweiße Brust. Aber sie alle ja deine Reden, Die Worte, womit du mich strafst, Liehn immer noch Hoffnung dem Blöden, Die lallten mir Trost zu im Schlaf. Wie ein Vogel, du durftest nur pfeifen, Kam meine Liebe dir immer zurück, Sie verminderte niemals dein Keifen, Sie vermehrte kein freundlicher Blick. Wenn Liebe wohl immer ist artig, Und artig bist du gewiß, So tröst' ich mich, Monate wart' ich Und endlich doch liebest du mich. Wenn Dienste es können bezeugen Daß man im Herzen gerührt, So will ich nicht alle verschweigen, Die ich für dich ausgeführt. Denn, wenn du geachtet so weit, So hast du mich oftmals gesehn In meinem schön' Sonntagskleid Am Montage selber noch gehn. Es gehn ja das Putzen und Liebe Wohl immer Hand in Hand, Und daß ich dir angenehm bliebe Drum habe so viel aufgewandt. Dir zuliebe so laß ich das Tanzen, Musizieren und auch Reimerei, Da ich sonst immer gesungen Schon vom ersten Hahnengeschrei. Unerwähnt, wie die Lippen dich loben, Wie schön und trefflich du bist, Daß manch andre deshalben toben Wenn alles auch Wahrheit ist. So wollte Therese von Berrocal Als ich dich lobte, mich strafen. Sprach: liebt wohl mancher ein Englein zumal, Er denkt's, ja er liebt einen Affen! Das machen die Bänder, die bunten, Die falschen Haar' auf dem Kopf, Ist keine Schönheit dadrunten, Sie machen die Liebe zum Tropf. Sprach, sie löge und wurde sehr grimmig, Da trat ihr Vetter ihr bei, Gab ein Schlagen, es ist dir im Sinne, Was er tat, was ich tat dabei. Zum Spaße will ich nicht hofieren, Ich diene dir nimmer darum Daß ich dich möchte verführen, Mein Will' ist beileib'! nicht so schlimm. Ein Joch hat die heilige Kirche, Für mich nur ein Faden von Seiden, Gefällt dir's da drinne zu wallen, So folg' ich mit zehntausend Freuden. Tust du's nicht, so schwört es dir heilig Dein treuster und herzlichster Diener, Aus den Bergen entflieh ich hier eilig, Werd' aus Bosheit gar Kapuziner! Hiermit endigte der Hirt seinen Gesang und Don Quijote bat ihn, noch mehr zu singen, aber Sancho Pansa war nicht der Meinung, denn ihm lag mehr daran zu schlafen, als Gesänge zu hören. Er sagte also zu seinem Herrn: »Euer Gnaden könnten sich nun auch wohl umsehen, wo Ihr die Nacht zubringen wolltet, da auch die Arbeit, die diese guten Leute des Tages haben, ihnen nicht erlaubt, die Nacht mit Singen hinzubringen.« »Ich verstehe dich, Sancho,« antwortete Don Quijote, »es leuchtet mir ein, daß deine Besuche beim Schlauch mehr eine Erquickung durch Schlaf als durch Musik verlangen.« »Es hat uns, Gott sei gedankt, allen gut geschmeckt,« antwortete Sancho. »Ich leugne es nicht,« erwiderte Don Quijote; »suche du dir nur eine Schlafstelle, doch Leuten von meinem Stande geziemt das Wachen besser. Bei alledem, Sancho, wäre es aber wirklich gut, wenn du mir das Ohr verbinden wolltest, denn es schmerzt mich mehr als billig.« Sancho tat, was er befahl, da aber einer von den Ziegenhirten die Wunde besah, behauptete er, es habe damit keine Not, er wolle sie bald heilen. Er nahm sogleich einige Blätter von Rosmarien, der dort herum wuchs, kaute sie, vermischte sie mit etwas Salz und legte sie auf das Ohr, indem er versicherte, daß es nun keiner andern Medizin brauche, wie es sich auch befand. ~Viertes Kapitel~ Was ein Ziegenhirt Don Quijotes Gesellschaft erzählte Indem kam ein anderer Bursche, einer von denen, die aus dem Dorfe die Nahrungsmittel holten, hinzu und sagte: »Wißt ihr nicht, Kameraden, was im Dorfe los ist?« -- »Wie sollen wir es wissen?« sagte einer von den andern. -- »Nun, so will ich euch sagen,« fuhr der junge Hirte fort, »daß heute früh der berühmte studierte Schäfer Chrysostomus gestorben ist und, wie man sich erzählt, ist er aus Liebe zu dem Teufelsmädchen Marcella gestorben, der Tochter des reichen Wilhelm, die auch in Schäferkleidern hier durch die Wildnisse zieht.« »Für die Marcella!« rief der eine aus. »Was ich euch sage,« antwortete der Ziegenhirt, »und das Lustige bei der Sache ist, daß er in seinem Testament befohlen hat, daß man ihn auf freiem Felde, wie einen Mohren, begraben soll, und zwar am Fuße des Felsens, wo die Quelle zwischen den Korkbäumen entspringt, weil er sie an dieser Stelle zum ersten Male gesehen hat. Er hat noch mehr dergleichen befohlen, aber die Gemeindevorsteher sagen, sie gäben es nicht zu und dürften es nicht zugeben, denn es sei heidnisch. Darauf hat sein guter Freund, Ambrosius, der Student, gesagt, der sich auch mit ihm zum Schäfer gemacht hat, sie müßten alles zugeben, wie es Chrysostomus befohlen habe und nichts dürfe fehlen, und darüber ist nun das ganze Dorf in Alarm. Wie man aber sagt, so wird das doch am Ende geschehen müssen, was Ambrosius und die übrigen Schäfer, seine Freunde, wollen, und morgen, wie gesagt, soll er nun mit großer Pracht beerdigt werden. Und ich glaube, daß es da viel zu sehen geben wird, ich wenigstens gehe gewiß hin um alles zu sehen, wenn ich nicht früh wieder ins Dorf muß.« »Das wollen wir alle tun,« sagten die Ziegenhirten, »und darum wollen wir losen, wer zurückbleiben und alle Ziegen hüten soll.« »Recht Pedro,« sagte ein anderer, »aber ihr braucht nicht so viele Umstände zu machen, denn ich will für euch alle hierbleiben; und das ist keine Tugend von mir, oder daß ich nicht neugierig wäre, sondern es geschieht wegen des Splitters, den ich mir letzt in den Fuß getreten habe, womit ich nicht laufen kann.« »Wir danken dir darum doch sehr,« antwortete Pedro. Diesen Pedro fragte Don Quijote, wer der Tote und wer die Schäferin sei, worauf Pedro erwiderte: »Soviel ich weiß, war der Gestorbene eines reichen Mannes Kind in der Nachbarschaft von unserm Dorfe hier in den Bergen; er hat viele Jahre in Salamanca studiert und dann kam er in sein Dorf zurück, worauf ihn die Leute für übermäßig gelehrt hielten. Besonders, sagten sie, habe er die Wissenschaft von den Sternen inne und was dort am Himmel Sonne und Mond machten, und buchstäblich sagte er uns auch jeden Knips von Sonne und Mond vorher.« »Es heißt Eklipsis, mein Freund, und nicht Knips, wenn diese beiden größeren Gestirne verfinstert werden,« sagte Don Quijote. Aber Pedro, ohne auf dergleichen Nebensachen zu achten, fuhr so in seiner Erzählung fort: »Er konnte auch wissen, ob ein Jahr schlecht oder furchtbar sein würde.« »Fruchtbar, mein Freund, müßt Ihr sagen,« rief Don Quijote. »Fruchtbar oder furchtbar,« sagte Pedro, »das ist ja ein Ding. Ich sage also, daß, wie man sich's erzählt, sein Vater und seine Freunde auch sehr reich wurden, weil sie ihm glaubten, denn sie machten alles so, wie er riet;« bald sagte er: »Dies Jahr sät Gerste und keinen Weizen, nun müßt ihr Erbsen säen und keine Gerste, diesmal wird's eine gute Ölernte, aber in den drei folgenden Jahren gerät kein Tropfen.« »Diese Wissenschaft nennt man Astrologia,« sagte Don Quijote. »Ich weiß nicht, wie es genannt wird,« antwortete Pedro, »aber ich weiß, daß er das innehatte und noch mehr. Kurz, es waren kaum etliche Monate vergangen, seit er von Salamanca zurückgekommen war, als er eines Tages mit einem Male als Schäfer auszog, mit seiner Herde und seinem Kittel, der weite Rock, den er als Gelehrter trug, war weg, und mit ihm ging auch als ein Schäfer sein guter Freund Ambrosius, der auch im Studieren sein Kamerad gewesen war. Ich habe vergessen, Euch noch zu erzählen, wie der Gestorbene ein erschrecklicher Mensch war, Verse zu machen, so hatte er auch alle Gesänge für den heiligen Weihnachtsabend geschrieben und die Gespräche für die hohen Feste, die die Burschen in unserm Dorfe hersagen mußten und wovon die Leute sagen daß sie überaus herrlich wären. Als die Leute im Dorfe die beiden Schüler so mit einem Male als Schäfer angezogen sahen, verwunderten sie sich und konnten es gar nicht begreifen, aus welcher Ursache sie auf diese närrische Abänderung verfallen wären. Um die Zeit war auch der Vater von unserm Chrysostomus gestorben, und er erbte von ihm einen Haufen Vermögen, bewegliche Güter und Grundstücke und eine ziemliche Menge von großem und kleinem Vieh und eine große Menge Geld; über das alles war der Sohn nun völlig Herr. Aber er verdiente es auch, denn er war ein guter Geselle, mitleidig und freundschaftlich gegen alle guten Leute, und ein Gesicht hatte er, wie es nur so sein mußte. Endlich kam es denn heraus, warum er seine Tracht verändert hatte, und es war nichts anderes, als daß er in die Wüstenei der Schäferin Marcella nachziehen wollte, die unser Hirt vorher genannt hat und in die sich der arme gestorbene Chrysostomus verliebt hatte. Nun muß ich Euch auch erzählen, wer die Spitzbübin ist, weil Ihr es wissen müßt, denn vielleicht, und nicht einmal vielleicht, gewiß werdet Ihr dergleichen zeit Eures Lebens nicht wieder hören, wenn Ihr auch mehr als Ysop erleben solltet.« »Sagt Hiob,« erwiderte Don Quijote, der es nicht aushalten konnte, daß der Ziegenhirt so die Namen verstümmelte. »Ei so laßt mir doch den Ysop!« rief Pedro aus, »denn wenn Ihr mir jedes Wort so umdrehn wollt, so werden wir in einem Jahre nicht fertig.« »Verzeiht mir, mein Freund,« antwortete Don Quijote, »ich wollte Euch nur den großen Unterschied zwischen Ysop und Hiob begreiflich machen; aber Ihr habt mir sehr gut geantwortet, denn Ihr könnt mehr Ysop als Hiobs finden: doch fahrt nur in Eurer Geschichte fort, ich will Euch nun nicht weiter unterbrechen.« »Also, mein liebwertester Herr,« sagte der Ziegenhirt, »da war in unserem Dorfe ein Bauer, der noch reicher war als der Vater des Chrysostomus und der Wilhelm hieß und dem Gott nebst seinem vielen und großen Vermögen auch eine Tochter schenkte, bei deren Geburt die Mutter starb, die wohl das herrlichste Weib war hier weit herum. Denn immer noch sehe ich ihr Gesicht vor mir, in dem auf der einen Seite die Sonne und auf der andern der Mond stand, und dabei war sie so arbeitsam und gegen die Armen so mitleidig, daß ich auch gewiß glaube, sie genießt jetzt und immerdar im Himmel ihre Seligkeit. Aus Gram über den Tod einer solchen braven Frau starb auch der Mann Wilhelm und gab seine junge und reiche Tochter Marzella unter die Aufsicht eines Oheims, der Priester in unserem Dorfe ist. Das Kind wuchs auf und wurde so schön, daß wir immer dabei an die Mutter dachten, die ungemein schön gewesen war, aber bald sagte man, daß die Tochter sie noch übertreffen würde. So kam es auch, denn als sie ohngefähr vierzehn oder fünfzehn Jahr alt sein mochte, sah sie keiner, der nicht Gott dafür segnete, daß er sie so schön erschaffen hatte, und viele wurden in sie verliebt und wie bezaubert. Der Oheim hielt sie sehr eingezogen und unter strenger Aufsicht, aber das Gerücht von ihrer herrlichen Schönheit verbreitete sich so, daß deshalb, wie auch wegen ihres Reichtums, nicht nur aus unserm Dorfe, sondern auch viele Meilen in der Runde, angesehene Leute kamen, von denen der Oheim gebeten, gequält und geängstigt wurde, daß er sie ihnen zur Frau geben möchte. Er aber, der in der Tat ein guter Christ ist, wenn er sie auch gern bald verheiratet hätte, da sie die Jahre hatte, wollte doch nichts ohne ihre Einwilligung tun, ohne dabei den Gewinn und Vorteil vor Augen zu haben, der ihm durch das Vermögen des Mädchens erwüchse, wenn er ihre Heirat aufschöbe. Und wahrlich, das wird zum Lobe des braven Priesters in jedem Hause im Dorfe erzählt. Denn Ihr müßt wissen, Herr Irrender, daß man in kleinen Dörfern über alles spricht und über alles zischelt; und Ihr werdet es einsehen, wie ich es für meine Person einsehe, daß der Geistliche ganz erstaunlich wacker sein muß, der seine Beichtkinder dahin bringt, daß sie gut von ihm reden, vollends auf dem Lande.« »Das ist wahr genug,« sagte Don Quijote; »aber fahrt fort, denn die Geschichte ist gut und Ihr, guter Pedro, erzählt sie gut und artig.« »Es wäre zu wünschen,« antwortete jener, »daß alle Menschen artig wären, denn die Tugend ist die Hauptsache. Ihr müßt also wissen, daß der Oheim oft mit der Nichte sprach, ihr die Eigenschaften eines jeden auseinandersetzte, der sie zur Frau begehrte; er bat sie, sich zu verheiraten, und daß sie nach ihrem Geschmacke wählen möchte. Sie antwortete ihm nichts anderes, als daß sie noch nicht ans Heiraten dächte, daß sie zu jung und unfähig sei, die Last der Ehe zu tragen. Dies schienen hinlängliche Entschuldigungen, und der Oheim drang nicht weiter in sie, denn er wartete darauf, daß sie noch etwas älter werden und sich dann einen Gefährten nach ihrem Geschmacke auswählen möchte. Denn er behauptete, und das mit Recht, daß Eltern ihre Kinder nie gegen ihren Willen verheiraten sollten. Aber eines Tages, als man's gar nicht dachte, kam die hinterlistige Marzella als Schäferin daher, und ohne sich an ihren Oheim oder die übrigen Leute im Dorfe zu kehren, die es ihr abrieten, zog sie mit den übrigen Hirtenmädchen aufs Feld und hütete ihre Herde. Wie sie nun den Leuten sichtbar wurde und ihre Schönheit an den Tag kam, so läßt es sich gar nicht beschreiben, wie viele reiche Knechte, Studierte und Bauern die Tracht des Chrysostomus anlegten und ihr durch die Felder nachzogen. Einer von diesen, wie ich schon gesagt habe, war unser Gestorbener, von dem sie sagen, daß er sie nicht geliebt, sondern angebetet habe. Man muß aber nicht glauben, daß, weil sich Marzella einer so freien und ungebundenen Lebensart ergab, wobei sie so wenig oder gar nicht unter Aufsicht steht, daß sie deshalb nur den kleinsten Argwohn erregt hätte, der ihrer Ehre und Tugend nur etwas Abbruch täte. Denn sie denkt und wacht so sehr über ihre Ehre, daß sie von allen, die ihr dienen und sich um sie bewerben, sich noch keiner gerühmt oder mit Wahrheit sich hat rühmen können, daß sie ihm nur die kleinste Hoffnung gegeben hätte, seinen Wunsch zu erfüllen. Deswegen aber flieht sie nicht oder vermeidet die Gesellschaft und Unterhaltung der Schäfer, sondern sie geht höflich und freundlich mit ihnen um, bis irgendeiner von ihnen seine Absichten entdeckt, und wenn es denn auch die ehrlichsten und schönsten sind und er eine Heirat wünscht, so schmeißt sie ihn von sich weg wie einen Kieselstein. Und mit dieser Lebensweise richtet sie hier im Lande mehr Unheil an, als wenn die Pestilenz hereinbräche, denn ihre Freundlichkeit und Schönheit zieht alle Herzen ihr zu dienen und zur Liebe an, und ihre Verschmähung und Härtigkeit bringt sie in die Verzweiflung, und sie wissen dann nichts weiter zu sagen, als daß sie sie mit lauter Stimme die Grausame und Undankbare nennen, nebst anderen ähnlichen Redensarten, die sich wohl für ihre Eigenschaft und Denkungsart schicken. Wenn Ihr Euch, gnädiger Herr, etliche Tage hier aufhalten wollt, so könnt Ihr sehen, wie diese Berge und Täler von den Klagen der Verworfenen ertönen, die ihr folgen. Nicht weit von hier ist ein Ort, an dem zwei Dutzend hohe Buchen stehen; davon ist keine, in deren glatte Rinde nicht der Name Marzella gegraben und geschrieben wäre; zum Überfluß haben einige noch eine Krone in denselben Baum eingeschnitten, als wenn der Liebhaber ganz deutlich hätte ausdrücken wollen, daß Marzella unter allen schönen Mädchen allein die Krone der Schönheit verdiene. Dort seufzt ein Schäfer, hier klagt ein anderer, dorten vernimmt man verliebte Gesänge, hier verzweiflungsvolle Liebesqual. Etliche bringen die ganze Nacht am Fuße einer Eiche oder eines Felsen zu, und ohne daß sie die nassen Augen geschlossen haben, in ihre Gedanken vertieft und entzückt, findet sie noch am Morgen die Sonne wieder. Andere, ohne ihre Seufzer einzuhalten oder sich zu erholen, liegen in der Sonnenhitze in den heißesten Mittagsstunden auf dem brennenden Sande ausgestreckt und schicken dem mitleidigen Himmel ihre Klagen zu. Und über diesen und jenen sowie über jene und diese triumphiert hohnlachend die schöne Marzella. Alle, die wir sie kennen, haben schon darauf gewartet, was aus ihrem Übermute werden soll und wer der Glückliche sein wird, der diese fürchterliche Kreatur bezähmen und ihre entzückende Schönheit genießen wird. Alles das, was ich Euch hier erzählt habe, ist die vollkommenste Wahrheit, so daß ich deshalb auch das glaube, was unser Hirte vom Tode des Chrysostomus erzählt hat. Ich rate Euch auch dazu, gnädiger Herr, daß Ihr morgen ja der Beerdigung beiwohnt, denn es ist gewiß viel zu sehen, Chrysostomus hat viel Freunde, und der Ort, wo er will begraben sein, ist nur eine halbe Meile von hier.« »Ich will es nicht versäumen,« antwortete Don Quijote, »auch danke ich Euch für das Vergnügen, welches Ihr mir durch Erzählung einer so angenehmen Geschichte gemacht habt.« »Oho!« rief der Ziegenhirt, »ich weiß nicht die Hälfte von alledem, was den Liebhabern der Marzella begegnet ist; vielleicht finden wir aber morgen auf dem Wege einen Schäfer, der uns alles sagen kann. Jetzt ist es aber wohl Zeit, daß Ihr Euch unter einem Dache schlafen legt, denn die freie Luft könnte Eurer Wunde schaden, obgleich bei der Medizin, die ich aufgelegt habe, kein widriger Zufall mehr zu befürchten ist.« Sancho Pansa, der den Hirten mit seiner langen Erzählung schon zum Satan gewünscht hatte, bat seinerseits auch, daß sein Herr sich in Pedros Hütte möchte schlafen legen. Er tat es auch und brachte den größten Teil der Nacht mit dem Andenken an seine Gebieterin Dulzinea zu, in Nachahmung jener Liebhaber der Marzella. Sancho Pansa machte es sich zwischen dem Rosinante und dem Esel bequem und schlief nicht wie ein unbegünstigter Verliebter, sondern wie ein Mann, der häufig Fußtritte erlitten hatte. ~Fünftes Kapitel~ Hierin wird die Erzählung von der Schäferin Marzella beschlossen, nebst anderen Begebenheiten Kaum aber schien der Tag durch die Fenster des Orients, als von den sechs Ziegenhirten fünf aufstanden, Don Quijote ermunterten und ihm sagten, daß er nun mit ihnen Gesellschaft machen könne, wenn er noch gesonnen sei, das prächtige Begräbnis des Chrysostomus mit anzusehen. Don Quijote, der es sehr wünschte, erhob sich und gebot Sancho, sogleich zu satteln und aufzuzäumen, der es auch mit vieler Eilfertigkeit tat, worauf sich alle auf den Weg machten. Sie waren noch keine Viertelmeile fortgezogen, als sechs Schäfer in schwarzen Kleidern zu ihnen stießen, indem sie einen andern Pfad kreuzten, die auf den Köpfen Kränze von Zypressen und Lorbeerrosen trugen. Jeder von ihnen hatte in der Hand einen großen Stock von einer Stechpalme, und mit ihnen kamen zwei Edelleute zu Pferde in anständigen Reisekleidern, nebst drei Burschen, die ihnen zu Fuß folgten. Indem sie zusammentrafen, grüßten sie sich höflich und einer fragte den andern, wo sie hingingen, woraus sich erwies, daß alle nach dem Begräbnisorte wollten, worauf dann alle denselben Weg fortsetzten. Einer von denen zu Pferde, der mit seinem Begleiter sprach, sagte: »Es scheint mir, Herr Vivaldo, daß die Zeit unseres Aufhaltens gut angewendet sei, um dies merkwürdige Begräbnis zu sehen, welches wirklich nach dem, was uns diese Schäfer von den Seltsamkeiten erzählt haben, in Ansehung des Gestorbenen sowie der mörderischen Schäferin, merkwürdig sein muß.« »Ich bin auch der Meinung,« antwortete Vivaldo, »und ich hätte nicht nur einen Tag, sondern wohl vier Tage gewartet, um es anzusehen.« Don Quijote fragte sie, was sie von der Marzella und dem Chrysostomus gehört hätten, worauf der Reisende sagte, daß er früh am Morgen einigen Schäfern begegnet sei, die er nach der Ursache gefragt habe, aus welcher sie in Trauerkleidern gingen; einer von ihnen habe ihnen darauf von der wunderbaren und schönen Schäferin Marzella erzählt, von den vielen Liebhabern, die sich um sie bewarben, wie auch von dem Tode eines Chrysostomus nach dessen Begräbnisse sie jetzt gingen. Kurz, er erzählte ihm alles, was Don Quijote schon von Pedro gehört hatte. Als dieses Gespräch geendigt war, fing ein andres an, und der, welcher sich Vivaldo nannte, fragte Don Quijote, aus welcher Ursache er auf diese Weise bewaffnet durch ein so friedliches Land zöge. Hierauf erwiderte Don Quijote: »Das Gewerbe, welches ich treibe, erlaubt mir nicht auf andere Weise zu ziehen. Wohlbefinden, Fröhlichkeit und Müßiggang trifft man bei den weichlichen Höflingen, aber Beschwer, Unruhe und Waffenlast werden bei denjenigen gefunden, die die Welt die irrenden Ritter heißt, als zu welchen ich Unwürdiger mich zu den niedrigsten zähle.« Sowie sie diese Worte hörten, hielten sie ihn auch für närrisch, aber um dessen gewisser zu sein und zu sehen, von welcher Art seine Torheit sei, fragte Vivaldo: »Was meint Ihr mit diesen irrenden Rittern?« »Habt Ihr niemals«, antwortete Don Quijote, »die Annalen und Historien von England gelesen?, in denen die berühmten Taten des Königs Arthurus erzählt werden, den wir in unserer Sprache gewöhnlich nur den König Artus nennen, von dem eine alte Sage durch das ganze Königreich Groß-Britannien geht, daß er nicht gestorben, sondern durch Zauberkunst in einen Raben verwandelt sei, und daß er in künftigen Zeiten wieder regieren, seinen Thron besteigen und den Zepter ergreifen werde, weshalb es auch geschehen, daß seit jener Zeit bis jetzund kein Engländer einen Raben getötet hat? Zu den Zeiten dieses edlen Königs wurde der berühmte Ritterorden der Ritter von der Tafelrunde gestiftet; damals ereigneten sich die Liebeshändel, die vom Don Lanzarote vom See mit der Königin Ginevra erzählt werden, deren Mittlerin und Mitwisserin die ehrenvolle Dame Quintannona war, woraus die bekannte Romanze, die in unserm Spanien so oft gesungen wird, entstanden ist: Niemals ward ein edler Bote So bedient von Damen süß, Wie der große Lanzarote Da er einst Bretagna ließ. Und wie das Gedicht dann süß und anmutig von seiner Liebe und Tapferkeit zu singen fortfährt. Hierauf verbreitete sich dann der Orden der Ritterschaft und erstreckte sich durch viele und verschiedene Teile der Welt. So waren durch Taten berühmt und gekannt Amadis von Gallia, nebst allen seinen Söhnen und Enkeln bis ins fünfte Glied, imgleichen der tapfere Felixmarte von Hircania und der niemals genug gepriesene Tirante der Weise, und fast in unseren Tagen sahen und hörten wir ihn und lebten mit ihm, dem unüberwindlichen und wackeren Ritter Don Belianis aus Graecia. Diese, meine Herren, sind irrende Ritter, und wie ich ihn beschrieben, so ist der Orden dieser Ritterschaft, den auch ich Unwürdiger ergriffen, und so wie jene Genannten lebten, so gleichermaßen lebe auch ich. Deshalben suche ich mir in diesen Wüsteneien und Einöden Abenteuer, indem ich mit freiwilligem Entschluß meinen Arm und meine Person der größten Gefahr gewidmet habe, die das Verhängnis mir nur in Errettung der Elenden und Hilfsbedürftigen zuschicken kann.« Diese Reden bestätigten es den Reisenden vollends, daß es Don Quijote am Verstande fehle, so wie sie nun auch wußten, von welcher Art Narrheit er beherrscht werde, worüber sie sich ebenso verwunderten wie alle diejenigen, die dies an ihm zum ersten Male gewahr wurden. Vivaldo, der ein verständiger Mann und von fröhlichem Temperament war, suchte sich den übrigen kurzen Weg angenehm zu machen, den sie noch bis zur Begräbnisstelle hatten, er gab sich also Mühe, seine Tollheiten noch mehr in den Gang zu bringen. Er sagte daher: »Ihr, Herr irrender Ritter, habt also nach meiner Meinung eins der mühseligsten Gewerbe ergriffen, die es nur auf Erden geben kann, und ich glaube, daß die Brüder Karthäuser keinen so strengen Stand haben.« »So strenge mag hingehen,« antwortete unser Don Quijote, »allein wessen von diesen Ständen die Welt am benötigsten sei, leidet wohl keinen Zweifel. Denn wenn man die Wahrheit gestehen soll, so tut der Soldat, der den Befehl seines Hauptmanns ausrichtet, nicht weniger als dieser Hauptmann, der ihm gebietet. Ich will nämlich sagen, die Mönche erbitten in Ruhe und Frieden vom Himmel das Glück der Erde, aber wir Soldaten und Ritter richten aus, was sie bitten und verfechten es mit der Stärke unseres Armes und mit den Schneiden unserer Schwerter, nicht von einem Dache bedeckt, sondern unter freiem Himmel, gänzlich den fast unleidlichen Sonnenstrahlen im Sommer und dem erstarrenden Winterfroste bloßgestellt. So sind wir also Gottes Diener auf Erden, sein Arm, durch den er sein Recht ausübt. Wie nun Krieg und alles, was mit ihm zusammenhängt und ihn angeht, nicht ohne Schweiß, Beschwer und Arbeit in Ausübung gebracht werden kann, so folgt, daß denjenigen, welche sich diesem unterziehen, gewiß mehr Arbeit bevorsteht als jenen, die in Muße und friedlicher Ruhe zu Gott beten. Ich will damit nicht sagen, ja ich hege nicht einmal diesen Gedanken, daß der Stand eines irrenden Ritters ebenso fromm sei als der eines einsamen Mönches; sondern ich will nur die Behauptung durchsetzen, daß er arbeitseliger und beschwerlicher, hungriger und durstiger, elend, zerschlagen und lausicht sei, denn ich zweifle gar nicht, daß die irrenden Ritter nicht im Verlaufe ihres Lebens mancherlei Unglück erfahren haben sollten. Wenn es auch einigen gelang, sich durch die Tapferkeit ihres Armes zu Kaisern emporzuschwingen, so geschah es doch immer mit Aufwand von Blut und Schweiß, und wenn denen, die sich so hoch erhoben, nicht Zauberer und Weise beigestanden hätten, so möchten wohl alle ihre Wünsche unerfüllt geblieben, sowie ihre schönsten Hoffnungen vereitelt sein.« »Dieser Meinung bin ich auch,« erwiderte der Reisende, »jedoch hat mir unter vielen andern ein Ding an den irrenden Rittern immer vorzüglich mißfallen. Wenn sie nämlich im Begriff sind, ein großes und gefährliches Abenteuer zu unternehmen, in welchem sie die augenscheinlichste Lebensgefahr erwartet, so wenden sie den Augenblick vorher nicht dazu an, sich Gott zu empfehlen, wie es doch jedem guten Christen zusteht, ehe er dergleichen Gefahren unternimmt, sondern sie empfehlen sich ihrer Dame so ergeben und andächtig, als wenn diese ihr Gott wäre. Dies, dünkt mich, schmeckt etwas nach dem Heidentume.« »Mein Herr,« antwortete Don Quijote, »dieses darf durchaus nicht anders sein, und einem irrenden Ritter, der es anders anfinge, würde dergleichen übel ausgelegt werden, denn es ist einmal Gebrauch und Gewohnheit der irrenden Ritterschaft, daß der irrende Ritter, wenn er eine große Waffentat unternimmt, sich zu seiner Gebieterin kehrt, schmeichelnd und liebevoll die Augen auf sie heftet, als flehte er, daß sie ihn begünstigen, ihm helfen möge in dem zweifelhaften Kampfrennen, das er beginnt; ja, auch wenn er sie nicht vor sich sieht, ist es seine Pflicht, einige Worte zwischen den Zähnen zu sagen und sich ihr von ganzem Herzen zu empfehlen, wovon auch unzählige Beispiele in den Historien aufgeführt werden. Damit aber muß man nicht glauben, daß eine Empfehlung an Gott gänzlich ausgeschlossen sei, wenn Zeit und Umstände es vergönnen, dürfen sie dergleichen immerhin im Verlaufe des Werkes verrichten.« »Demungeachtet«, versetzte der Reisende, »habe ich darüber einen Skrupel. Denn ich habe oftmals gelesen, wie zwei irrende Ritter sich besprechen, von einer und der andern Seite der Zorn entbrennt, sie mit den Pferden umkehren, ein gut Stück Feldes zwischen sich nehmen und blitzschnell, hast du nicht, siehst du nicht, im vollen Karrier aufeinander losrennen und sich unterwegs ihren Damen empfehlen. Was sich dann gewöhnlich ergibt, ist, daß der eine hinter seinem Pferde niederstürzt, von der Lanze seines Gegners durchbohrt und der andere auch auf dem Boden hinstürzen würde, wenn er sich nicht an den Mähnen festhielte. Nun begreife ich nicht, wie der Gestorbene Gelegenheit finden soll, sich im Verlaufe eines so übereilten Werkes Gott zu empfehlen. Es wäre doch besser, wenn er die Worte, mit denen er sich im Anrennen seiner Dame empfiehlt, dazu gebrauchte, wozu er als Christ eigentlich verpflichtet wäre. Da ich noch überdies glaube, daß nicht alle irrenden Ritter Damen haben, denen sie sich empfehlen können, denn nicht alle sind verliebt.« »Das ist unmöglich,« antwortete Don Quijote. »Ich sage es ist unmöglich, daß es einen irrenden Ritter ohne Dame geben könnte, denn ihnen ist es so eigen und natürlich, verliebt zu sein, als dem Himmel, Sterne zu haben; es ist zuverlässig, daß es keine Historie gibt, in der ein irrender Ritter ohne Liebe vorkäme, ja selbst, wenn es einen solchen geben sollte, so ist er kein rechtmäßiger Ritter, sondern für einen Bastard zu erkennen, der in die Burg der genannten Ritterschaft nicht durch die Tür eingegangen, sondern wie ein Straßenräuber und Mörder durch das Fenster eingestiegen ist.« »Aber dennoch«, fuhr der Reisende fort, »glaube ich, wenn ich mich nicht irre, gelesen zu haben, daß Don Galaor, der Bruder des tapferen Amadis von Gallia, niemals eine besondere Dame hatte, der er sich empfehlen konnte, und doch ward er darum nicht geringer geachtet, denn er war ein überaus mannhafter und berühmter Ritter.« Hierauf antwortete unser Don Quijote: »Mein Herr, eine Schwalbe macht noch keinen Sommer, um so mehr, da ich weiß, daß im Geheim dieser Ritter sehr verliebt war; er schien zwar allen Mädchen gut zu sein, wenn sie ihm gefielen, aber dies war seine Natur, die er nicht ablegen konnte. Aber es ist bei alledem für gewiß anzusehen, daß er eine einzige zur Herrscherin seines Willens erkoren hatte, der er sich auch jedesmal, aber heimlich, empfahl, denn er setzte etwas darin, ein sehr geheimnisvoller Ritter zu sein.« »Wenn also Verliebtheit ein Hauptelement der irrenden Ritterschaft ist,« sagte der Reisende, »so kann man wohl denken, daß auch Ihr es seid, da Ihr Euch zu diesem Stande bekennt. Setzt Ihr nun also, mein gnädiger Herr, nicht auch etwas darin, so geheimnisvoll wie Don Galaor zu sein, so bitte ich demütig im Rahmen dieser ganzen Gesellschaft und meiner, daß Ihr uns Namen, Vaterland, Eigenschaft und Schönheit Eurer Dame nennt, denn sie muß sich glücklich schätzen, wenn alle Welt es erfährt, daß sie von einem so vorzüglichen Ritter, wie Ihr es seid, geliebt und bedient wird.« Hierauf holte Don Quijote einen tiefen Seufzer und sagte: »Ich kann nicht bestimmen, ob es ihr, der süßen Feindin, beliebt oder nicht, daß die Welt erfahre, daß ich ihr Diener bin; ich kann nur soviel sagen, in Antwort auf Euer höfliches Begehren, daß ihr Name Dulzinea ist, ihr Vaterland Toboso, ein Ort in la Mancha, ihre Würde sollte wenigstens Prinzessin sein, da sie meine Königin und Gebieterin ist; ihre Schönheit ist übermenschlich, denn in ihr vereinigen sich wahrhaftig alle unmöglichen und erträumten Schönheitsideale, die die Poeten ihren Damen beilegen, denn ihr Haar ist golden, ihre Stirn ist das Elysische Gefilde, ihre Augenbrauen sind Himmelsbogen, ihre Augen Sonnen, ihre Wangen Rosen, ihre Lippen Korallen, Perlen ihre Zähne, Alabaster der Hals, Marmor die Brust, Elfenbein die Hände, ihre Haut wie der Schnee, und alles, was die Anständigkeit dem menschlichen Auge entzieht, ist nach meiner Überzeugung so beschaffen, daß es dem liebenden Herzen köstlich, aber ohne alle Vergleichung ist.« »Ihre Abstammung, Geschlecht und Verwandtschaft wünschten wir zu erfahren,« sagte Vivaldo. Hierauf antwortete Don Quijote: »Sie stammt nicht von den alten Curtiern, Cajern, römischen Scipionen ab, noch in der neuen Welt von den Colonnas, Ursinos, noch Moncades oder den Requesenes von Katalonien, ebensowenig von den Rebellas, den Villanovas von Valenzia, den Palafoxas, Nuzas, Rocabertis, Corellas, Lunas, Alagones, Urreas, Foces und Gurreas von Arragon; den Cerdas, Manriques, Mendozas und Guzmans von Kastilien, den Alencastros, Pallas und Meneses von Portugal: sondern sie ist eine von Toboso de la Mancha, ein noch neuer Zweig, der aber den glorreichsten Familien zukünftiger Jahrhunderte ihren edlen Ursprung geben kann. Und hierauf erwidere man nichts, wenn es nicht unter der Bedingung geschieht, die Zerbiro unter die Trophäen der Waffen des Orlando schrieb: Keiner soll sie berühren, Der sich nicht unterfängt Mit Roldan Streit zu führen.« »Mein Stamm ist von den Cachopines von Laredo,« erwiderte der Reisende, »aber ich unterstehe mich nicht, ihn mit dem Stamme Toboso von la Mancha zu vergleichen; aber wenn ich die Wahrheit gestehen soll, so ist mir dieser Name noch niemals zu Ohren gekommen.« »Das ist ganz erstaunlich,« erwiderte Don Quijote. Alle, die mitgingen, hörten dem Gespräche der beiden mit der größten Aufmerksamkeit zu, und selbst die Ziegenhirten und Schäfer bemerkten an unserm Don Quijote den Mangel des Verstandes. Nur Sancho Pansa hielt alles, was sein Herr sagte, für Wahrheit, denn er hatte ihn von Jugend auf gekannt, nur in Ansehung der zarten Dulzinea von Toboso erlaubte er sich einige Zweifel, denn niemals hatte er von diesem Namen und dieser Prinzessin etwas gehört, so nahe er auch an Toboso lebte. Sie waren unter diesen Gesprächen fortgezogen, als sie zwischen dem Risse von zwei hohen Felsen ungefähr zwanzig Schäfer sahen, alle in Kittel von schwarzer Wolle gekleidet, mit Kränzen von Taxus und Zypressen auf den Köpfen. Sechs von ihnen gingen unter einer Trage, die mit mannigfaltigen Blumen und Zweigen bestreut war. Als sie einer von den Ziegenhirten bemerkte, sagte er: »Da kommen sie, die die Leiche des Chrysostomus tragen und am Fuße des Felsens, da ist die Stelle, die er sich zum Begräbnisse erwählt hat.« Sie eilten hierauf, die andern einzuholen und sie kamen gerade hinzu, als die sechs Träger die Bahre auf den Boden setzten und einige von ihnen mit scharfen Hauen anfingen, das Grab in der Seite eines harten Felsens zuzubereiten. Man begrüßte sich gegenseitig höflich und Don Quijote sowie alle, die mit ihm kamen, betrachteten sogleich die Bahre, auf der ein Leichnam mit Blumen bestreut lag, wie ein Schäfer gekleidet und von ungefähr dreißig Jahren; noch im Tode sah man die Spuren eines schönen Angesichts und eines edlen Ausdrucks. Um ihn auf der Trage lagen verschiedene Bücher und viele offene und zusammengerollte Papiere. Alle Zuschauer, sowie diejenigen, die das Grab aushöhlten, beobachteten eine feierliche Stille, bis einer von den Trägern zu einem andern sagte: »Sieh zu, Ambrosius, ob dies auch die rechte Stelle ist, die sich Chrysostomus erwählt hat, da du willst, daß alles buchstäblich so geschehen soll, wie er es in seinem Testament verordnet hat.« »Hier ist der Ort,« antwortete Ambrosius, »oh, wie oft hat mir mein unglücklicher Freund hier die Geschichte seiner Leiden erzählt. Hier, wie er mir sagte, sah er zuerst die geschworene Feindin des menschlichen Geschlechts, hier gestand er ihr zuerst seine edle und heftige Liebe, und hier erlitt er von Marzella die letzte Verschmähung und Verwerfung, wodurch endlich das Trauerspiel seines trüben Lebens beschlossen wurde, und hier wünschte er nun als Denkmal so vieles Elends, in den Schoß der ewigen Ruhe gesenkt zu werden.« Er wandte sich hierauf gegen Don Quijote und die Reisenden, indem er fortfuhr: »Dieser Leichnam, edle Herren, den Ihr mit gerührten Augen betrachtet, umschloß einst eine Seele, die der Himmel mit seinen reichsten Geschenken geschmückt hatte. Dieses ist der Leichnam des Chrysostomus, der einzig war, in Ansehung seines Geistes, selten im Edelmut, ungemein in der Liebenswürdigkeit, ein Phönix in der Freundschaft, freigebig ohne Grenzen, ernst ohne Bitterkeit, fröhlich ohne gemein zu sein, kurz, der erste in allen Dingen, die den Menschen zieren und wahrlich nicht der zweite in dem, was man Unglück nennen kann. Er liebte und ward verschmäht, er betete an und ward verhöhnt, er flehte zu einer Unmenschlichen, seine Tränen benetzten einen Marmorstein, er klagte den tauben Winden, seine Worte verschlang die Öde, er diente der Undankbarkeit, die ihm die Belohnung gab, daß er kaum auf der Hälfte seines Lebens eine Beute des Todes ward, des Todes, den ihm eine Schäferin gab, der er die Unsterblichkeit erringen wollte, damit sie ewig im Andenken der Menschen leben möchte; dies könnten diese Schriften bezeugen, die ihr hier seht, wenn er nicht befohlen hätte, sie dem Feuer zu überliefern, so wie sein Leichnam der Erde überliefert ist.« »So würdet Ihr«, sagte Vivaldo, »strenger und grausamer gegen sie verfahren, wie ihr eigener Verfasser, denn es ist weder gerecht noch billig, einen Befehl auszuführen, der so sehr gegen alle Billigkeit streitet. Augustus Cäsar würde es niemals gutgeheißen haben, wenn er seine Einwilligung dazu gegeben hätte, das auszuführen, was der göttliche Mantuaner in seinem Testamente befahl. Wenn Ihr also, mein werter Ambrosius, den Leichnam Eures Freundes der Erde überliefert, so müßt Ihr darum nicht wünschen, seine Schriften der Vergessenheit zu übergeben, wenn er es im Unwillen so verordnete, so ist es darum nicht gut, wenn Ihr es mit Grausamkeit so ausführt; sorgt vielmehr, daß diese Papiere aufbewahrt werden, damit immer das Andenken von Marzellas Grausamkeit bleibe, damit sie denen, die in künftigen Zeiten leben, zur Warnung dienen, um nicht ebenso in denselben Abgrund zu stürzen. Ich sowie die, die mit mir gekommen sind, wissen die Geschichte Eures liebenden und unglücklichen Freundes, wir kennen Eure Freundschaft zu ihm und die Ursache seines Todes, sowie wir alles wissen, was er in seinen letzten Stunden befohlen hat; aus dieser rührenden Geschichte läßt sich lernen, wie unmenschlich die Grausamkeit der Marzella war, wie groß des Chrysostomus Liebe und Eure Freundschaft, so wie man hierin das Ziel erblickt, welches diejenigen erreichen, die mit losgelassenen Zügeln den Pfad hinunterrennen, zu dem sie die sinnlose Liebe führt. In der Nacht erfuhren wir den Tod des Chrysostomus und daß er hier begraben werden sollte, aus Neugier und Mitleid verließen wir unsere gerade Straße, um das mit Augen zu sehen, was uns im Anhören so innig bewegt hatte und zur Vergeltung dieser Teilnahme und des herzlichsten Wunsches zu helfen, wenn es möglich wäre, bitten wir dich, edler Ambrosius, wenigstens bitte ich dich dringend darum, diese Papiere nicht zu verbrennen, sondern mir einige davon zu überlassen.« Und ohne eine Antwort des Schäfers zu erwarten, streckte er die Hand aus und faßte einige, die ihm am nächsten lagen. Als dies Ambrosius sah, antwortete er: »Aus Freundschaft mögt Ihr die, edler Herr behalten, die Ihr genommen habt, aber es ist vergeblich, wenn Ihr darauf besteht, daß die übrigen nicht verbrannt werden sollen.« Vivaldo, der gerne sehen wollte, was die Papiere enthielten, schlug eins davon auf und sah die Überschrift: Gedicht eines Hoffnungslosen. Als Ambrosius das hörte, sagte er: »Dies ist das letzte, was der Unglückselige geschrieben hat, und damit Ihr, mein Herr, fühlt, wie elend er war, so leset dies Gedicht laut, inzwischen können diese hier mit dem Grabe fertig werden.« »Ich will es gern tun,« sagte Vivaldo, und da die Umstehenden denselben Wunsch hatten, so versammelten sie sich um ihn und er las mit lauter Stimme folgendes Gedicht ab. ~Sechstes Kapitel~ Enthält das Gedicht des hoffnungslosen Schäfers, nebst anderen unverhofften Begebenheiten Gedicht des Chrysostomus Ich soll, du willst es, Schreckliche, verkünden, Wie groß die Macht von deinem wilden Grimme, Von Land zu Land, zu aller Menschen Zungen, Zur Hölle selbst will ich die Wege finden, Das Mitleid tönt von dort in meine Stimme, Im Abgrund Trost zu suchen ist gelungen. Mein wilder Wunsch hat mir es abgedrungen, Mein Leiden, deine Taten zu besingen, Die Töne sollen laut die Luft durchschneiden, Zu tiefrer Qual in allen Eingeweiden, Im armen Busen seufzend widerklingen. So höre denn, und lausche meinen Tönen, Kein sanftes Lied, ein Schmettern soll erdröhnen, So wie die Qual mir wühlt im innern Herzen, Ein rascher Wahnsinn treibt heraus den Jammer, Mir soll es Freude bringen, dir nur Schmerzen. -- Des wilden Wolfes schreckenvolles Ächzen, Gebrüll des Löwen, giftiger Schuppenschlangen Entsetzliches Gezisch, du gräßlich Sausen Von tausend Ungetüm, prophetisch Krächzen Der Krähe, Sturm, wenn du die nassen Wangen Der Fluten geißelst unter dumpfem Brausen: Gegirr der Witwentauben in den Klausen, Des Stiers Geröchel, den die Todeswunde Zu eitlem Wüten ängstet, dumpf Gestöhne Der gattenlosen Eule, Klagetöne Von jeder Schar im unterird'schen Schlunde. O klingt, und helft mir meine Klagen weinen, Daß alle sich zu einem Ton vereinen, In wilder Freundschaft durch die Lüfte brechen, Ein würd'ger Ausdruck meines Schmerzes werden, Denn er darf nur in neuen Weisen sprechen. -- Nie schallten noch so laute Klagen wider Am weiten Strand, bespült von Tagus Wogen, Wo Betis Wellen zwischen Blumen gleiten: Doch tönten dort so viele Jammerlieder Durch tiefe Höhlen, über Felsenbogen, In unsrer Zeit, in längst entflohnen Zeiten: Einsame, sichre Tale, o ihr weiten Einöden, die kein Menschenfuß versehret; Ihr, unbesucht vom hellen Sonnenglanze, Wo unter Unkraut nur die gift'ge Pflanze, Die Natter sich im feuchten Schatten nähret: Du Widerhall in diesen Wüsteneien, Sollst auch mit mir in meinen Jammer schreien, Von ihrem unerhörten harten Sinne, Daß ihn die ganze weite Welt erkundet, Wird mir statt längerm Leben zum Gewinne. -- Verachtung tötet, durch des Argwohns herben Heimtück'schen Frost muß die Geduld erstarren; Und scharfe Schwerter sind Verdacht und Höhnen: Der Liebende muß an der Trennung sterben: Nie wird die Hoffnung seiner jemals harren, Wenn er sich einmal muß vergessen wähnen. Hierin sind stets gespannt des Todes Sehnen; Doch ich -- o seltnes Wunder! -- bleibe leben, Verschmäht, verhöhnt, voll Argwohn, überführet Von dem, wo sonst Verdacht wie Tod berühret: Und im Vergessensein, des Flammen um mich weben. Und unter allen Martern läßt das Hoffen Mir nach dem Lichte keine Spalte offen: Verzweifelnd will ich nie die Hoffnung hören; Und wenn mich nicht der Gram ermordet, will ich Stets ohne ihren Trost zu leben schwören. -- Wer kann zugleich in einem Augenblicke Doch hoffen und auch fürchten? o des Toren! Wenn alles nur gerechte Furcht begründet! Tritt nun die Eifersucht von mir zurücke, Soll ich die Augen schließen? ist sie mir verloren, Wenn sie in jedem Schmerz den Eingang findet? Wie wehr' ich, daß nicht jedes Gut verschwindet, Wenn ich Verachtung unverhüllt muß sehen? Wenn ich den Argwohn muß bestätigt schauen, Daß ich ihm muß wie fester Wahrheit trauen? Soll ich als Lügnerin die Wahrheit schmähen? Mit Tyrannei sonst Eifersucht gebietet: Ha! Dolche reich' der Hand, die unnütz wütet; Gib mir das Seil, Verachtung! in die Hände. Ich Unglückseliger! fürchterlich besieget Verbittert dein Andenken auch mein Ende. -- Ja sterben will ich, alle Hoffnung fliehen, Nicht Trost im Tode suchen, nicht im Leben, Und meinen festen Glauben fester fassen. Ich sehe dich für einen andern glühen, Du hast dein freies Herz dem Gott ergeben, Der niemals noch sein altes Reich verlassen: Ich sage, ja, du magst mich immer hassen, So wie dein Körper schön, ist deine Seele, Daß du mich schmähst, ist ach! nur mein Verschulden, Daß ich der Liebe Schmerzen muß erdulden, Mein Herz in ewig wachen Martern quäle. Ein scharfer Dolch und dieser feste Glauben Wird endlich mir dies läst'ge Leben rauben So weit hat deine Schmach mich lassen flüchten, Das Grab empfange Körper dann und Seele, Ich will auch jedes künft'ge Glück vernichten. -- O du, die wortelos in dem Verachten Mich Worte lehrst, mich zwingst, so zu beginnen, Daß ich im Blute meines Herzens wüte: Ich richte jetzt dahin mein letztes Trachten, Zu zeigen dir mit Herz und allen Sinnen, Wie fröhlich ich mich deiner Härte biete: Rührt dich mein früher Tod, o so behüte Den hellen Himmel deiner süßen Blicke, Daß keine Träne ihren Schimmer trübe, Ich will von dir kein Zeichen einer Liebe, Ich weise jedes Mitleid nur zurücke. Nein, lache, wenn die Botschaft du vernommen, Daß jeder sieht, wie froh sie dir gekommen. Doch wahrlich braucht's kein Lachen kundzugeben, Es weiß ein jeglicher von deinem Ruhme, Daß du so früh geendiget mein Leben. -- So kommt, die Zeit ist da, aus tiefen Gründen, Du Tantalus verschmachtend, von dem Pfade, O Sisyphus mit deiner Felsenmasse, Bring Tithypus deinen Geier, dich soll finden Mein Blick, Ixion, mit dem schnellen Rade, Die Schwestern emsig bei dem leeren Fasse. Verbunden dann mit den Verdammten lasse Ich meine Klagen aus, mit stillem Leide Vereinen sie sich all mit mir im Singen, Dem Körper Totenopfer darzubringen, Dem Unbegrabnen, ohne Totenkleide. Der Wächter, der die finstre Hölle schirmet, Und tausend andre Larven aufgetürmet, Sie heulen dann die trauervollen Chöre, Genug dem Liebenden, im Gram gestorben, Denn er verdient nicht größre Totenehre. -- Beklagt euch nicht, verzweifelnde Gedichte, Daß ich euch auch mit mir zugleich vernichte, Denn ihr vergrößert wie mein Tod das Glücke Von der, die nur beseligt wird durch Jammer, Drum ohne Klagen geht in's Nichts zurücke. -- Allen Zuhörern gefiel das Gedicht des Chrysostomus, worauf der, welcher es vorgelesen, sagte, daß ihm das nicht mit dem Gerücht von Marzellas Tugend und Vortrefflichkeit übereinzukommen schiene, wenn Chrysostomus über seine Eifersucht, Trennung und seinen Argwohn klagt, ganz gegen den guten Ruf, den Marzella sonst genösse. Hierauf antwortete Ambrosius, dem die geheimsten Gedanken seines Freundes bekannt waren: »Edler Herr, damit ich Euch diesen Zweifel beantworte, müßt Ihr wissen, daß der Unglückliche dieses Gedicht schrieb, als er von der Marzella entfernt war; er hatte diese Trennung freiwillig erwählt, um zu erfahren, ob sie auf ihn die gewöhnliche Wirkung tun würde: und da entfernte Liebende von tausend Gedanken beunruhigt, von unzähligen Zweifeln erschüttert werden, so wurde auch Chrysostomus von falscher Eifersucht und ungegründetem Argwohn gequält, die er nicht für Traum und Erdichtung hielt. So wich er von der Wahrheit und dem allgemeinen Rufe ab, der die Tugend der Marzella verkündigt: nach diesem ist sie grausam, eigensinnig und unerbittlich, wobei ihr aber der Neid selbst keinen Fehler aufbürden kann.« »Ihr habt recht,« antwortete Vivaldo, indem er sich bereitete, ein anderes Papier vorzulesen, das er dem Feuer entrissen hatte, als er durch eine seltsame Erscheinung daran gehindert wurde (denn wie eine Erscheinung kam sie allen vor), die sich unvermutet ihren Blicken zeigte; denn auf der Spitze des Felsen, in welchem das Grab ausgehauen wurde, erschien die Schäferin Marzella so schön, daß die Beschreibung von ihrer Schönheit übertroffen wurde. Die sie noch niemals gesehen hatten, betrachteten sie mit stiller Bewunderung, und die an ihren Anblick gewöhnt waren, hefteten nicht minder hingerissen die Augen auf sie, wie diejenigen, denen der Anblick neu war. Kaum aber hatte sie Ambrosius erblickt, als er mit dem Ausdrucke des Unwillens ausrief: »Ha! du kömmst wohl, schrecklicher Basiliske dieser Gebirge, um zu sehen, ob deine Gegenwart das Blut aus den Wunden dieses Unglückseligen wieder hervorruft, dem deine Grausamkeit das Leben raubte? Oder kömmst du, um über deine grausamen Taten zu triumphieren? Wie ein zweiter frevelnder Nero den Brand deines angezündeten Roms zu sehen? Oder willst du höhnend den Fuß auf diese jammervolle Leiche setzen, wie es die undankbare Tochter ihrem Vater Tarquinius tat? Sage nur schnell, was du willst oder welches dir die liebste Freude ist, denn ich weiß, wie jeder Gedanke des lebenden Chrysostomus dir dienstbar war; auch im Tode soll er dir gehorchen, und wir alle, seine Freunde, wollen dir ohne Widerspruch willfahren.« »Keine von deinen angeführten Ursachen, Ambrosius, führt mich her,« antwortete Marzella, »sondern ich bin entschlossen, allen denen, die mir die Leiden und den Tod des Chrysostomus zuschreiben, zu zeigen, wie weit sie von der Wahrheit entfernt sind. Ich bitte also alle, die zugegen sind, aufmerksam zu bleiben, denn ich werde weder viel Zeit brauchen noch viele Worte verschwenden, um meinen Beweis den Verständigen deutlich zu machen. Der Himmel hat mich, wie ihr sagt, schön geschaffen[ und so, daß ihr, ohne weitere bewegende Ursache, mich meiner Schönheit wegen liebt, und die Liebe, die ihr mir zeigt, soll, wie ihr sagt, ja fordert, mich zwingen, euch wieder zu lieben. Durch den natürlichen Verstand, den Gott mir lieh, begreife ich, daß alles Schöne liebenswürdig ist; aber das ist mir unverständlich, wie die, weil man sie liebt, gezwungen sei, den zu lieben, der sie als eine Schönheit liebt: da es sich gar fügen kann, daß der die Schönheit liebt, häßlich ist und alles Häßliche gehaßt werden muß, so reimt es sich übel, zu sagen: ich verehre dich, weil du schön bist, du mußt mich also lieben, bin ich gleich häßlich. Wenn es sich aber auch trifft, daß gleiche Schöne sich entgegenkommt, so macht dies nicht die Folge, daß sich die Wünsche begegnen müssen, denn nicht alle Schönen wirken Liebe, manche erfreuen das Auge, lassen aber den Willen frei: denn machten alle Reizenden verliebt und fesselten sie den Willen, so würden sich alle Willen in verworrener Richtung fortbewegen, ohne Ursache zu finden, irgendwo stillzustehen, denn wie unzählig die Gegenstände der Schönheit sind, so unzählig müßten auch die Wünsche sein: und doch hat man mir gesagt, wie die wahre Liebe unteilbar ist, so sei sie auch freiwillig und ohne Zwang. Wenn dem so ist, wie ich es glaube, warum wollt ihr meinen Willen durch Gewalt bezwingen, und aus keiner anderen Ursache, als weil ihr, wie ihr es sagt, mich liebt? Wo nicht, so sagt, ob es, wenn der Himmel, der mich schön geschaffen, mich häßlich gebildet hätte, recht wäre, wenn ich mich über euch beklagte, daß ihr mich nicht liebtet? Wobei ihr überdies erwägen müßt, daß ihr mir meine Schönheit nicht erwählt habt, daß sie mir der Himmel ohne Bitte und Wahl nach seiner eigenen Gnade verliehen hat: wie nun die Natter ohne Schuld ist, daß ihr Gift tötet, weil die Natur sie so eingerichtet hat, so verdiene auch ich nicht, daß man mir aus meiner Schönheit einen Vorwurf macht, denn die Schönheit der tugendvollen Frauen gleicht dem Feuer oder dem scharfen Schwerte, weil jenes keinen brennt, dieses keinen verwundet, der ihnen fern bleibt. Die Ehre und die Tugend sind Schmuck der Seele, ohne welche der Leib, wie er auch sei, niemals schön erscheinen kann. Ist die Ehre nun von so hoher Tugend, daß sie Leib und Seele schmücken und verschönen kann: warum soll die, welche ihr der Schöne wegen liebt, sie verlieren, dem Willen desjenigen zu gefallen, den einzig seine Leidenschaft treibt, ihren Verlust mit Gewalt und List zu suchen? Frei bin ich geboren, um frei zu leben, wählte ich die Einsamkeit des Gefildes. Die Bäume dieser Berge sind meine Gesellschaft, die hellen Wasser dieser Ströme meine Spiegel; diesen Bäumen, diesen Wassern mitteile ich meine Gedanken und Schönheit. Ein Feuer bin ich aus der Ferne, ein Schwert, weit weg gestellt. Wen mein Anblick zur Liebe lockte, den enttäuschten meine Worte. Wenn Wünsche sich von Hoffnungen nähren, so habe ich nicht die kleinste Hoffnung weder dem Chrysostomus noch einem anderen gegeben, so daß man sagen kann, er sei an seinem Wahnsinne, nicht an meiner Grausamkeit gestorben. Auf den Vorwurf, daß seine Absichten redlich waren und daß ich sie deshalb hätte erwidern müssen, antworte ich, daß, wenn er an diesem Orte, an welchem jetzt sein Grab ausgehöhlt wird, mir die Redlichkeit seiner Gesinnung entdeckte, ich ihm bekennen würde, daß meine Gesinnung ist, in ewiger Einsamkeit zu leben und wie nur die Erde das Kleinod meiner Schönheit und die Blume meiner Keuschheit genießen solle. Wenn er nun auch nach dieser Enttäuschung gegen alle Hoffnung seinen Sinn behalten und gegen den Wind segeln wollte, wie bin ich schuld, wenn er mitten auf dem Meere seines Unsinns Schiffbruch leidet? Kam ich ihm entgegen, so war ich falsch: hätte ich seine Neigung erwidert, so hätte ich gegen meinen besseren Willen und Vorsatz gehandelt. Er kannte meine Gesinnung und blieb in seinem Wahne, er verzweifelte, ohne daß er von mir gehaßt ward: wo ist nun der Grund, daß ihr die Schuld seines Todes mir beimessen könnt? Der Getäuschte klage, der wüte, den ich mit falscher Hoffnung hinterging, der rede laut, um den ich klagte, der höhne mich, dem ich erwiderte, aber keiner nenne mich grausam oder Mörderin, dem ich nichts verspreche, ihn täusche, um ihn klage oder ihm Liebe erwidere. Bisher hat es der Himmel über mich noch nicht verhängt, daß ich gezwungen lieben muß: der Glaube aber, daß ich aus Wahl lieben werde, ist Torheit. Diese allgemeine Enttäuschung sei für jeglichen von denen, die sich zu ihrem Vorteil um mich bewerben; jeder begreife in Zukunft, daß, wenn einer für mich stirbt, er nicht an Eifersucht und Unglück stirbt, denn wer keinen liebt, darf keinem Eifersucht geben: wie es auch Unrecht wäre, diese Enttäuschungen für Verschmähungen anzusehen. Wer mich wild und Basilisk nennt, fliehe vor mir, wie vor einer schädlichen Pflanze: wer mich undankbar nennt, diene mir nicht, wer mich unerkenntlich heißt, bleibe mir unbekannt, grausam, der folge mir nicht: denn diese Wilde, der Basilisk, die Undankbare, Grausame, diese Unerkenntliche wird keinen suchen, ihm dienen, seine Bekanntschaft wünschen und auf keine Weise keinem folgen. Wenn Unvernunft und törichte Wünsche den Chrysostomus töteten, warum wird meine Ehre und Tugend angeklagt? Wenn ich meine Reinheit in Gesellschaft der Bäume bewahre, warum soll ich wünschen, daß sie der verletzt, der doch wünscht, daß ich sie unter den Menschen bewahre? Wie ihr wißt, besitze ich eigenes Vermögen und begehre nach keinem fremden: ich bin frei und es gefällt mir, nicht untertan zu werden; ich liebe und hasse keinen, ich täusche nicht den einen, bewerbe mich nicht um den andern, scherze nicht mit diesem, lache nicht mit jenem. Meine unbescholtene Gesellschaft sind die Hirtenmädchen dieser Gegend, meine Beschäftigung ist die Sorgfalt für meine Herde; meine Wünsche werden von diesen Bergen beschränkt, übersteigen sie diese, so geschieht es nur, die Schönheit des Himmels mir vorzustellen, den Aufenthalt, zu dem unsere Seele wie zu ihrer ersten Heimat zurückkehrt.« Mit diesen letzten Worten wandte sie sich um, ohne eine Antwort abzuwarten und verlor sich in einem nahen Hohlweg des Gebirges, indem sie alle über ihren Verstand wie über ihre Schönheit entzückt zurückließ. Einige von denen, die von den Strahlen ihrer schönen Augen wie von scharfen Pfeilen verwundet waren, wollten sich anschicken, ihr zu folgen, ohne die ausgesprochene Enttäuschung auf sich zu beziehen. Als Don Quijote dies bemerkte, schien es ihm, daß seine Ritterschaft hier trefflich anzuwenden sei in Hilfe der genotdrängten Jungfrauen; er legte also die Hand an den Degen und sagte mit lauter und verständlicher Stimme: »Niemand, von was Stand und Würden er auch sei, unterfange sich, der schönen Marzella nachzufolgen, bei Strafe, meinen wütendsten Unwillen zu erfahren. Sie hat mit deutlichen und hinreichenden Gründen bewiesen, wie sie wenige oder keine Schuld am Tode des Chrysostomus habe, und wie fern es ihr sei, in die Wünsche irgendeines ihrer Liebhaber einzustimmen: deshalb ist es gerecht, daß statt gefolgt und verfolgt zu werden, man sie als das Edelste in der Welt schätze und verehre, denn sie ist wahrlich die einzige auf der Welt, die mit so edlen Vorsätzen lebt.« Ob es nun die Drohungen Don Quijotes oder des Ambrosius Bitten bewirkten, daß sie alles, was er seinem wackeren Freunde schuldig sei, noch mit ihm vollbringen möchten, genug, alle gegenwärtigen Schäfer blieben ruhig und keiner entfernte sich; so ward das Grab bald fertig gemacht, die Papiere des Chrysostomus wurden verbrannt, sein Leichnam in die Erde gelegt, wobei alle Umstehenden häufige Tränen vergossen. Mit einem großen Steine verschlossen sie das Begräbnis, auf dem sie Raum für eine Platte ließen, auf welche Ambrosius folgende Inschrift wollte eingraben lassen: Hier liegt ein Opfer der Liebe; Ein Schäfer vom Gefilde, Der Grausamkeit zu milde, Ihn tötete Mißliebe. Er starb dem mächt'gen Triebe Zur undankbaren Schönen, Die durch Verschmähen, Verhöhnen Ihn tötete mit Liebe. Über das Grab wurden dann viele Blumen und Blätter gestreut, dann trennten sich alle vom Ambrosius, indem sie ihm wegen seines Freundes einen Trost über seinen Verlust sagten. Ebendies taten Vivaldo und seine Gefährten, und Don Quijote trennte sich von seinen Wirten und den Reisenden, die ihn baten, mit ihnen nach Sevilla zu ziehen, einem Orte, der, um Abenteuer zu finden, sehr bequem sei, denn in jedem Winkel und jeder Gasse stieße eins auf, mehr als irgendwo. Don Quijote bedankte sich für ihren Rat und ihre freundliche Gesinnung, sagte aber zugleich, daß er für jetzt noch nicht nach Sevilla gehen dürfe, bis er alle diese Berge von den verborgenen schwarzen Mordbrennern gereinigt habe, mit denen sie angefüllt sein sollten. Da die Reisenden diesen edlen Entschluß hörten, drangen sie nicht weiter in ihn, sondern nahmen zum zweiten Male Abschied, verließen ihn und setzten ihren Weg fort, auf dem es ihnen nicht an Unterhaltung fehlte, sowohl über die Geschichte der Marzella und des Chrysostomus, als auch über die Narrheit des Don Quijote. Dieser war entschlossen, die Schäferin Marzella aufzusuchen und ihr seine Dienste und Gewalt anzubieten. Es kam aber nicht so, wie er es dachte, wie wir im weiteren Verfolg dieser wahrhaften Historie hören werden, deren zweiter Teil hier beschlossen wird. -- ~Drittes Buch~ ~Erstes Kapitel~ Enthält ein unglückliches Abenteuer, auf welches Don Quijote traf, indem er auf etwelche unmenschliche Yangueser traf Der weise Cide Hamete Benengeli erzählt, daß Don Quijote, nachdem er von seinen Wirten und allen übrigen, die bei dem Begräbnisse des Schäfers Chrysostomus gegenwärtig waren, Abschied genommen, sich mit seinem Stallmeister in dasselbe Gebüsch wandte, in welchem sich die Schäferin Marzella verloren hatte. Als er länger als zwei Stunden suchend nach allen Seiten herumgestreift war, ohne sie zu finden, hielten sie auf einer Wiese an, die frisches Gras bedeckte und durch die ein frischer, angenehmer Bach floß; teils eingeladen, teils gezwungen beschlossen sie hier in der Hitze der Mittagsstunde auszuruhen, die eben heftig zu brennen anfing. Don Quijote und Sancho stiegen also ab und ließen den Esel und Rosinante nach ihrem Gelüste von dem schönen Grase fressen, sie selbst aber eröffneten den Schnappsack und Herr und Knecht verzehrten friedlich und ohne Zeremonien miteinander, was sie darin antrafen. Sancho hatte Rosinantes Füße nicht gebunden, denn er kannte ihn als so sanft und einen solchen Feind aller Ausschweifungen, daß ihn alle Stuten von der Weide von Cordova nicht von dem Wege Rechtens ablenken könnten. Das Schicksal und der Teufel, der nicht immer schläft, fügten es aber, daß ein Zug galizischer Füllen von Yanguesern durch das Tal getrieben wurde, die mit ihren Koppeln Mittags gern an Orten still liegen, wo sie Gras und Wasser finden; der Platz also, auf welchem Don Quijote ruhte, war auch den Yanguesern sehr willkommen. In Rosinante stieg bald der Wunsch auf, sich mit den liebenswürdigen Stuten zu ergötzen; er witterte sie also kaum, als er auch schon gegen seine sonstige Gewohnheit und Natur, ohne von seinem Herrn Erlaubnis zu bitten, sich in einen eiligen Trab setzte, um jenen Stuten seine Wünsche mitzuteilen. Diesen aber war mehr an der Weide als an anderen Dingen gelegen, sie empfingen ihn also mit Hufen und Zähnen, so daß sie ihm bald den Gurt zersprengten und er nackt ohne Sattel dastand. Was ihm aber noch weniger gefiel, war, daß die Treiber, da sie die Gewalt sahen, die ihren Stuten geschah, mit Knüttel herbeieilten und ihn mit Prügeln so bedeckten, daß er kraftlos auf den Boden stürzte. Don Quijote und Sancho, die die Abprügelung des Rosinante mit angesehen hatten, liefen eiligst herbei und Don Quijote sagte zu Sancho: »Wie ich gewahr werde, Freund Sancho, sind jene dort keine Ritter, sondern gemeine Menschen und schlechtes Volk. Dieses wird gesagt, weil du mir deshalb wohl in der gerechten Sache beistehen darfst, die ich wegen der Gefährdung Rosinantes nehmen will, die er unter unsern Augen erlitten hat.« »Was Teufel können wir für Rache nehmen?« antwortete Sancho, »sie sind über zwanzig Mann, und wir sind nur zwei, ja vielleicht gar nur anderthalb.« »Ich bin für hundert!« versetzte Don Quijote, zog, ohne sich in weitere Gespräche einzulassen, den Degen und griff die Yangueser an, ebenso tat Sancho Pansa, vom Beispiele seines Herrn gereizt und angefeuert. Zum Anfange gab Don Quijote dem einen einen starken Hieb, der in die Schulter drang und das lederne Koller zerschnitt. Da die vielen Yangueser sich so von zwei einzelnen Menschen gemißhandelt sahen, liefen sie alle mit ihren Knütteln herbei, trieben die beiden in die Mitte hinein und schlugen nun mit vieler Gewalt und Berührigkeit von allen Seiten auf sie ein. Schon mit der zweiten Begrüßung lag Sancho auf dem Boden, und ebendies begegnete dem Don Quijote, ohne daß ihn Geschicklichkeit oder Mut retten konnten, sondern er sank zu den Füßen des Rosinante nieder, der sich noch nicht hatte aufheben können, woraus man abnehmen kann, wie gewaltig die Wirkung von Krippenstangen in den Händen erzürnter Bauern ist. Als sie nun glaubten genug und zuviel getan zu haben, trieben sie eiligst die Koppeln zusammen und ließen die beiden Abenteurer in schlechtem Zustande und noch schlechterem Humore liegen. Der erste, der sich besann, war Sancho Pansa, der, da er sich so nahe bei seinem Herrn fand, mit schwacher und kranker Stimme sagte: »Herr Don Quijote, ach, Herr Don Quijote!« »Was begehrst du, Bruder Sancho?« erwiderte Don Quijote ebenso schwach und erschöpft wie Sancho. »Ich begehre, wenn's möglich wäre,« antwortete Sancho Pansa, »daß Euer Gnaden mir nur zwei Schluck von dem Tranke Fieberfraß reichen möchten, wenn Ihr ihn gerade bei der Hand habt, denn vielleicht ist er für zerschlagene Knochen nicht minder als für Wunden nützlich.« »Wenn ich Unglückseliger diesen Trank besäße, was ginge uns dann ab?« sagte Don Quijote; »aber ich schwöre dir auf die Ehre eines irrenden Ritters, Sancho Pansa, nicht zwei Tage sollen verlaufen, wenn das Glück es nicht anders fügt, und ich will ihn besitzen oder nicht gesund vor dir stehen.« »Wie viele Tage werden dann«, fragte Sancho Pansa, »nach Eurer Meinung verlaufen, in denen wir weder gehen noch stehen können?« »In Ansehung meiner muß ich bekennen,« sagte der zerprügelte Ritter Don Quijote, »daß ich die Zahl dieser Tage nicht genau anzugeben weiß; aber ich messe mir selber alle Schuld bei, indem ich nicht gegen Menschen das Schwert hätte ziehen müssen, die nicht so wie ich geschlagene Ritter sind, ich glaube daher, daß zu meiner Strafe, der ich die Gesetze der Ritterschaft verletzte, es der Gott der Schlachten zugegeben hat, daß ich deshalben gezüchtigt würde. Darum, Bruder Sancho, laß dir dieses für jetzt und immerdar gesagt sein, weil es für unsere beiderseitige Wohlfahrt wichtig ist, daß du nämlich, wenn du siehst, daß dergleichen Pöbel uns eine Ungebühr erzeigt, nicht darauf wartest, bis ich das Schwert ziehe, denn ich werde solches keineswegs wieder tun, sondern greife du sogleich nach deinem Degen und züchtige sie nach Herzenslust; kommen ihnen aber Ritter zu Hilfe, dann werde ich dir auch mit aller meiner Gewalt zu helfen wissen, denn du hast ja tausend Zeichen und Beweise gesehen, wie weit sich die Kraft dieses meines tapfern Armes erstrecke.« So eingebildet war der arme Mann auf die Besiegung des wackern Biskayers. Dem Sancho Pansa aber schien diese Weisung seines Herrn nicht so durchaus trefflich, er antwortete daher: »Gnädiger Herr, ich bin ein friedfertiger, stiller, ruhiger Mann, ich bin eingelernt, Leiden zu tragen, denn ich habe Frau und Kinder, die ich ernähren und erziehen muß; lasse es sich der gnädige Herr also ebenfalls gesagt sein, befehlen kann ich es nicht, daß ich auch keineswegs mein Schwert ziehen werde, so wenig gegen gemeine Leute wie gegen Ritter, indem ich alle Ungebühr nach Gottes Barmherzigkeit verzeihe, die man mir erwiesen hat, erweist, oder die mir noch künftig erwiesen werden möchte, erwiesen wird und erweislich gemacht sein kann von hoch oder niedrig, arm oder reich, Ritter oder Knecht, ohne irgendeinen Stand von dieser Vergebung auszuschließen.« Als dies sein Herr hörte, antwortete er: »Ich wünschte nur etwas mehr Atem zu haben, um ohne große Beschwer reden zu können, und daß sich der Schmerz in den Seiten nur so lange legte, bis ich dir, Pansa, bewiesen hätte, in welchem Irrtum du dich befindest. So antworte mir doch darauf, du feiger Knecht: wenn sich der Glückswind, der uns bisher entgegenwehte, nun zu unserm Vorteile dreht, die Segel unserer Entwürfe anschwellt, daß wir sicher und ohne Gefahr in den Hafen von einer der Inseln einlaufen, die ich dir versprochen habe? Wie würdest du fahren, wenn ich sie gewönne, und dich zum Herrn einsetzte? Denn du machst es zur Unmöglichkeit, daß du jemals ein Ritter werdest, du wünschest es auch nicht zu sein, dir würde auch so wenig Mut als Willen zu Gebote stehen, erlittenes Unrecht zu rächen und dein Besitztum zu verteidigen, denn du mußt wissen, daß in neueroberten Reichen und Provinzen die Gemüter der Eingeborenen nie so ganz beruhigt oder gänzlich auf der Seite ihres neuen Herrn sind, daß, wenn sie nicht von Furcht gezügelt werden, sie nicht etwas unternehmen sollten, um die Lage der Sachen zu verändern und, wie man zu sagen pflegt, ihr Heil zu versuchen; es ist also notwendig, daß der neue Herrscher Verstand habe, um die Regierung zu verstehen und Tapferkeit, um jeglichem Unfall zuvorzukommen oder sich dagegen zu beschützen.« »In dem, was uns jetzt zugefallen ist,« antwortete Sancho, »hätte ich gewünscht, den Verstand und die Tapferkeit, wovon Ihr sprecht, zu besitzen, aber ich will darauf schwören, so wahr ich ehrlich bin, daß ein Pflaster mehr als Reden heilsam wäre. Seht doch, gnädiger Herr, ob Ihr aufstehen könnt, so wollen wir dem Rosinante aufhelfen, der es freilich nicht verdient, denn er ist doch die hauptsächlichste Ursache der ganzen Prügelei. Ich hätte so was nie vom Rosinante geglaubt, denn ich hielt ihn für einen so keuschen und ordentlichen Kerl wie mich selber. Aber es ist wohl wahr, man braucht lange Zeit, um die Leute kennenzulernen, und kein Ding ist in diesem Leben gewiß. Wer hätte das denken sollen, gnädiger Herr, als Ihr dem verfluchten Ritter die greulichen Hiebe gabt, daß so bald hinterher eine so tüchtige Tracht von Prügeln folgen sollte, die unsere armen Schultern haben erleiden müssen?« »Doch sind die deinigen, Sancho,« antwortete Don Quijote, »wahrscheinlich noch zu dergleichen Vorfällen abgehärtet, aber ich bin in ungewalktem Zeuge erwachsen, es ist also deutlich, daß ich die Leiden dieses Unfalles noch tiefer empfinden müsse, und wäre es nicht, daß ich meinte, und nicht bloß meinte, sondern fest versichert wäre, daß dergleichen Unannehmlichkeit notwendig mit Tragung der Waffen verbunden ist, so würde ich vor bloßem Zorn augenblicklich sterben.« Hierauf antwortete der Edelknabe: »Gnädiger Herr, wenn solche Unfälle die Ernte der Ritterschaft ausmachen, so sagt mir doch, ob sie selten oder oft eintreffen, oder ob sie nur in gewissen Jahreszeiten zur Reife kommen, denn ich glaube, daß wir nach zwei solchen Ernten vergeblich auf die dritte lauern würden, wenn uns Gott nicht nach seiner unendlichen Barmherzigkeit zu Hilfe käme.« »Wißt, Freund Sancho,« sagte Don Quijote, »daß das Leben der irrenden Ritter tausend Gefahren und Unglücksfällen unterworfen ist, und durch nichts anderes werden die irrenden Ritter zu Königen und Kaisern eingeweiht, wie es die Erfahrung an so vielen und verschiedenen Rittern bewiesen hat, deren Geschichte ich umständlich weiß, wie ich dir auch gleich von einigen erzählen könnte, wenn es mir die Schmerzen erlaubten, die sich bloß durch die Stärke ihres Armes zu einer solchen Höhe emporgeschwungen haben, nachdem sie sich vorher oft und vielmals in mancherlei Unglück und Trübsal gesehen hatten. Denn der tapfere Amadis von Gallia sah sich in der Gewalt seines Todfeindes, des Zauberers Arcalaus, von welchem als gewisse Wahrheit erzählt wird, daß er ihm mehr als zweihundert Streiche mit dem Zaume seines Pferdes gegeben habe, nachdem er ihn an eine Säule in seinem Hofe festgebunden. Ein geheimer, aber glaubwürdiger Autor schreibt ebenfalls, wie der Ritter des Phöbus in einem gewissen Schlosse plötzlich in eine gewisse Falle geraten sei, die sich unter seinen Füßen eröffnet habe, er sei hierauf in einem tiefen unterirdischen Abgrund an Händen und Füßen gefesselt worden, worauf sie ihm, was man ein Klistier nennt, aus Schneewasser und Sand gegeben, welches ihm übel bekam, und wäre ihm nicht in dieser großen Fährlichkeit ein Weiser, sein guter Freund zu Hilfe gekommen, so möchte es dem armen Ritter schlimm ergangen sein. Ich darf mich also wohl mit diesen wackeren Leuten trösten, denn der Unglimpf, den sie erduldeten, war noch härter, als den wir heute haben aushalten müssen; überdies, Sancho, mußt du mitwissend sein, daß die Wunden nicht verunglimpfen, die man mit den Instrumenten erhält, die ein anderer zufällig in den Händen hat, auch steht es im Gesetze vom Duelle mit ausdrücklichen Worten: schlägt ein Schuster einen andern mit dem Leisten, den er in den Händen hat, so kann von jenem nicht gesagt werden, daß er geprügelt sei, wenn freilich gleich Leisten und Prügel aus Holz erwachsen. Ich sage dieses, damit du nicht auf den Gedanken verfällst, daß, weil wir in diesem Kampfe zerschlagen sind, wir darum auch verunglimpft wären, denn die Waffen, die jene Menschen führten und mit denen sie uns zerklopften, waren nichts weiteres als ihre Krippenstangen, und kein einziger von ihnen, soviel ich mich erinnern kann, führte eine Lanzenstange oder Schwert und Dolch.« »Mir ließen sie gar nicht Zeit,« antwortete Sancho, »dies alles zu beschauen, denn kaum hatte ich meinen wackern Degen herausgezogen, so ölten sie mir die Schultern mit ihren Hebebäumen auch schon so ein, daß ich Gesicht und Gehör verlor und mich auf den Beinen nicht halten konnte, so daß mir kein Gedanken um zu denken übrig blieb, ob mir die Stangenkrücken eine Verunglimpfung sind oder nicht, so überwältigte mich der Schmerz von den Hieben, die sich ebenso meinem Gedächtnisse wie meinen Schultern eingedrückt haben.« »Du mußt demungeachtet erfahren, Freund Pansa, daß es kein Andenken gibt, welches die Zeit nicht verlöscht und keinen Schmerz, den der Tod nicht vertilgt.« »Ich weiß nicht, wie es noch ein größeres Unglück geben könnte, als solches, wobei man warten muß, daß es die Zeit vertilgt oder der Tod verlöscht. Wäre unser Unglück doch lieber von der Art, daß wir es mit etlichen Pflastern bessern könnten, das käme erwünschter; aber ich sehe wohl ein, daß alle Salben in einem Hospitale nicht hinreichen würden, um uns wieder zurechtzubringen.« »Höre auf damit und nimm die Kraft deiner Schwäche zusammen, Sancho,« antwortete Don Quijote, »und so will ich ebenfalls tun, damit wir nach dem Rosinante sehen können, ich glaube, daß der Arme nicht den schlechtesten Teil unseres Unglücks genossen hat.« »Darüber muß man sich nicht verwundern,« antwortete Sancho, »denn er ist ebenfalls irrender Ritter. Worüber ich mich aber verwundere, ist, daß der Esel so frei und ohne Handgeld davongekommen ist, da unsere Hände und Füße es so haben entgelten müssen.« »Das Glück läßt bei Unfällen immer noch eine Tür offen, durch welche man sich retten kann,« erwiderte Don Quijote; »hiermit mein' ich, daß dieses Tierlein uns nunmehr den Rosinante ersetzen kann, damit ich so ein Kastell aufsuchen möge, in welchem ich von meinen Wunden genese. Auch halte ich diese Reiterei mir nicht zu Unehren, denn ich erinnere mich gelesen zu haben, daß jener wackere alte Silenus, Begleiter und Erzieher des fröhlichen Gottes des Gelächters, als er in die Stadt mit hundert Toren einzog, ungemein vergnügt auf einem herrlichen Esel ritt und saß.« »Es ist gut, wenn er ritt und saß, wie Ihr da erzählt,« antwortete Sancho, »aber es ist doch ein großer Unterschied, ob einer so ritt und saß, oder wie ein Sack mit Dreck querüber hängt.« Hierauf erwiderte Don Quijote: »Die Wunden, die in Schlachten empfangen werden, geben Ehre, aber nehmen sie nicht; also Freund Pansa, trachte nichts weiteres zu erwidern, sondern wie schon gesagt, erhebe dich lieber so gut du vermagst und lege mich dann, wie es dir am besten deucht, über deinen Esel, damit wir fortziehen, ehe die Nacht beginnt und wir aus diesem einsamen Walde kommen mögen.« »Ich habe aber von dem gnädigen Herrn sagen hören,« antwortete Sancho, »daß es für die irrenden Ritter ganz was besonderes ist, in Einöden und Wüsteneien zu schlafen im größten Teil des Jahres, daß sie sich das zum trefflichen Glücke rechnen.« »Dieses geschieht«, sagte Don Quijote, »wann sie nicht weiterkönnen oder wann sie verliebt sind; und wahr ist es, daß mancher Ritter sich auf einem Felsen der Sonne und dem Schatten, sowie allen Unfreundlichkeiten der Witterung zwei Jahre hindurch aussetzte, ohne daß es seine Dame wußte, und einer von diesen war Amadis als er sich Schöndunkel nannte und auf dem Felsen Armut wohnte, ich weiß nicht, ob acht Jahr oder acht Monate hindurch, denn hierin ist die Erzählung nicht genau, weil er dort, über ich weiß nicht welche Betrübnis Buße tat, die ihm die Dame Orania erzeigt hatte. Aber lassen wir dieses, Sancho, und vollbringe, ehe dem Esel ein ähnlicher Unfall, wie dem Rosinante zustößt.« »Das wäre gar der Teufel!« sagte Sancho, und mit dreißig Seufzern, sechzig Jammerausrufungen und hundertzwanzig Flüchen und Verwünschungen über den, der ihn dort hingebracht habe, machte er Anstalt und stand auf dem halben Wege wie ein Bogen zusammengekrümmt, ohne daß es ihm möglich war, sich gerade aufzurichten; mit solcher Mühseligkeit zäumte er seinen Esel auf, der sich ebenfalls, bei der unmäßigen Freiheit dieses Tages, ziemlich weit entfernt hatte. Darauf gingen sie zum Rosinante, der, wenn er sich nur hätte beklagen können, gewiß nicht hinter Sancho oder seinem Herrn zurückgeblieben wäre. Kurz, Sancho packte Don Quijote über den Esel, an dessen Schweif er den Rosinante band; er selber führte den Esel am Stricke, und so trat er nach und nach den Marsch nach der Gegend an, wo er die ordentliche Straße vermutete. Das Schicksal, welches ihn aus dem Guten ins Bessere führte, brachte sie nach einer kleinen Meile auf den wirklichen Weg, auf dem sich eine Schenke zeigte, die ohne Widerspruch nach Don Quijotes Gedanken ein Kastell war. Sancho bestand darauf, es sei eine Schenke, Don Quijote nein, es sei ein Kastell; ihr Streit bestand solange, bis sie ganz nahe gekommen waren, worauf denn Sancho ohne weitere Untersuchung mit seiner Koppel hineinzog. ~Zweites Kapitel~ Was dem sinnreichen Edlen in der Schenke begegnete, die er für ein Kastell hielt Der Schenkwirt, der Don Quijote quer über dem Esel hängen sah, fragte Sancho, was ihm fehle. Sancho antwortete, ihm fehle nichts, als daß er von einem Felsen herunter einen Fall getan habe, wodurch ihm die Rippen ein wenig zerschlagen wären. Der Schenkwirt hatte eine Frau, nicht so wie die meisten dieses Standes gesinnt, denn sie war von Natur mitleidig und es dauerte sie das Unglück ihres Nächsten: sie nahm es also sogleich über sich, Don Quijote wieder herzustellen, und ihre Tochter, ein junges Mädchen von hübschem Aussehen stand ihr darin bei, ihren Gast zu verpflegen. In derselben Schenke diente eine asturianische Magd mit breitem Munde, großem Hinterkopf, platter Nase, einem schiefen und einem nicht ganz gesunden Auge, aber alle Fehler wurden durch die Anmut des Körpers ersetzt. Ihre Höhe von den Füßen bis zu dem Kopfe betrug nicht ganz drei Fuß, und ihre aufgetürmten Schultern zwangen sie, mehr als sie es gemocht hätte, den Boden zu beschauen. Diese zarte Jungfrau unterstützte wieder die Tochter, und beide besorgten dem Don Quijote ein elendes Bett in einer Scheune, die, wie man an deutlichen Spuren sah, seit vielen Jahren dazu gedient hatte, das Stroh aufzubewahren; hier wohnte zugleich ein Eseltreiber, dessen Bett von dem unseres Don Quijote etwas entfernt war, und ob es gleich nur aus den Sätteln und Decken seiner Maultiere bestand, doch das Lager des Don Quijote bei weitem übertraf, welches auf zwei ungleichen Bänken gebaut war, über welche man vier ungehobelte Bretter legte, auf diese wurde eine Matratze, nicht dicker wie eine Decke, ausgebreitet, voller Klöße, die, wenn man nicht an einigen zerrissenen Stellen gesehen hätte, daß sie Wolle waren, man sie dem Gefühle nach wohl für Kiesel hätte halten können, dazu zwei Bettücher aus steifem Leder und eine Bettdecke, deren Fäden man, ohne sich um einen zu verrechnen, hätte zählen können, wenn man sich die Mühe hätte geben wollen. In dieses vermaledeite Bett mußte sich Don Quijote niederlegen, worauf ihn die Wirtin mit ihrer Tochter auf dem ganzen Körper bepflasterten, indem Maritorne dazu leuchtete, denn so hieß die Asturierin. Beim Pflasterauflegen bemerkte die Wirtin, wie Don Quijote allenthalben blutrünstig war und sagte, es schienen ihr mehr Spuren von Schlägen als einem Falle zu sein. »Schläge waren es nicht,« sagte Sancho, »sondern der Felsen hatte viele Spitzen und Ecken, wovon jeder einen blauen Flecken zurückgelassen hat;« er fuhr fort: »seid doch von der Güte, liebe Frau, und sorgt, daß noch einige Lappen übrigbleiben mögen, denn sie werden nicht unnütz sein, weil mir der Buckel auch ziemlich weh tut.« »Ihr müßt also«, antwortete die Wirtin, »wohl auch einen Fall getan haben?« »Das nicht,« sagte Sancho Pansa, »sondern von dem Schrecken als ich meinen Herrn herunterfallen sah, tut mir der ganze Körper so weh, als wenn ich tausend Prügel bekommen hätte.« »Das ist wohl möglich,« sagte die Tochter, »denn mir träumt oft, als wenn ich von einem Turme herunterfiele und gar nicht auf die Erde kommen könnte, und wenn ich dann aus meinem Traume erwache, bin ich so müde und zerschlagen, als wäre ich wirklich heruntergefallen.« »Da liegt der Hund begraben,« antwortete Sancho, »daß ich, ohne irgend zu träumen, sondern wacher als ich jetzt bin, ebenso braun und blau wurde als mein Herr Don Quijote.« »Wie heißt der Ritter?« fragte die asturische Maritorne. »Don Quijote von la Mancha,« antwortete Sancho Pansa; »er ist ein abenteuernder Ritter, und der beste und kräftigste, den man wohl seit lange in der Welt gesehen hat.« »Was ist ein abenteuernder Ritter?« fragte die Magd. »Seid Ihr denn so neu in der Welt, daß Ihr das nicht wißt?« versetzte Sancho Pansa. »So wißt denn, mein Kind, daß ein abenteuernder Ritter ein Mann ist, der in zwei Augenblicken geprügelt wird und als Kaiser regiert. Heute ist er die unglückseligste und jämmerlichste Kreatur auf Erden und morgen hat er zwei oder drei Kronen von Königreichen zu verschenken, die er seinem Stallmeister geben kann.« »Wie kömmt es denn aber, da Ihr einem so gewaltigen Herrn dient,« sagte die Wirtin, »daß Ihr noch nicht einmal, wie ich glaube, eine Grafschaft im Besitz habt?« »Das ist noch zu früh,« antwortete Sancho, »denn es ist noch nicht länger als einen Monat, daß wir nach Abenteuern herumsuchen, und bis jetzt haben wir noch kein rechtliches getroffen, auch geschieht es wohl, daß man ein Ding sucht und ein ganz anderes findet. Das ist aber wahr, daß, wenn mein Herr Don Quijote von der Verwundung oder dem Falle wieder aufkömmt und ich nicht davon einen Schaden zurück behalte, ich meine Hoffnungen nicht gegen die höchste Würde in Spanien vertausche.« Dieses ganze Gespräch hörte Don Quijote sehr aufmerksam mit an; so gut er konnte richtete er sich im Bette auf, nahm die Hand der Wirtin und sagte: »Glaubt mir, schöne Dame, daß Ihr Euch glücklich preisen könnt, in diesem Eurem Kastell meine Person beherbergt zu haben, der, wenn ich mich nicht selber lobe, ich es darum unterlasse, weil Eigenlob ungeziemlich; jedoch kann Euch mein Stallmeister erzählen, wer ich bin. Nur dieses will ich sagen, daß der Dienst, den Ihr mir erwiesen, ewiglich in meinem Gedächtnisse leben wird, solange ich lebe, werde ich Eurer Unterstützung gedenken und hätten die hohen Himmelsmächte es doch nicht also verhängt, daß die Liebe mich ihren Gesetzen unterworfen und den Augen der schönen Undankbaren, die ich mir nur heimlich nenne, untertänig gemacht hätten, damit die Augen jener schönen Jungfrau die Gebieterinnen meines Willens sein dürften.« Verwirrt standen die Wirtin, die Tochter und die edle Maritorne da, da sie diese Redensarten des irrenden Ritters vernahmen, die sie ebensowenig verstanden, als wenn er Griechisch gesprochen hätte; so viel merkten sie aber, daß sie alle als Höflichkeit und Komplimente eingerichtet sein sollten: da sie aber an dergleichen Sprache nicht gewöhnt waren, so sahen sie ihn an, verwunderten sich, und da er ihnen ein anderes Wesen schien als die Leute, mit denen sie sonst umgingen, so beantworteten sie seine Höflichkeit mit Wirtshausredensarten und gingen dann fort; die asturische Maritorne sorgte aber erst für Sancho, der dieser Aufmerksamkeit ebensosehr bedurfte als sein Herr. Der Eseltreiber war mit dieser einig geworden, daß sie sich in der Nacht miteinander ergötzen wollten, und sie hatte ihm ihr Wort gegeben, daß, sowie die Gäste zur Ruhe gebracht und ihre Herrschaft eingeschlafen wäre, sie ihn aufsuchen wollte und ihm so viel er nur wollte zu Willen sein. Es war von dieser edlen Magd bekannt, daß sie kein so gegebenes Wort gebrochen hat, wenn sie es auch ohne Zeugen auf einem Berge gegeben hätte, denn sie war auf ihr Herkommen stolz und hielt es sich nicht für schimpflich, als Magd in der Schenke zu dienen, denn sie sagte, Unglück und ein unverdientes Schicksal haben sie so weit heruntergebracht. Das harte, schlechte, elende und nichtswürdige Bett des Don Quijote stand voran in der Mitte des sternbeschienenen Stalles, dicht daneben machte sich Sancho sein Lager, welches nichts als eine schilfene Matte war und eine Decke, die eher das Ansehen von grobem geschorenen Tuche, als von Wolle hatte. Hierauf folgte das Bett des Eseltreibers, wie schon gesagt, aus den Sätteln und dem Schmucke seiner besten beiden Maultiere zubereitet, deren er zwölf hatte, die spiegelblank, dick und sehr ansehnlich waren, denn er war einer der reichsten Eseltreiber von Arevalo, wie der Autor dieser Historie sagt, der dieses Treibers besonders erwähnt, weil er ihn kannte und, wie einige sagen wollen, gar verwandt mit ihm war. Dieses beweist, daß Cide Hamete Benengeli ein forschbegieriger und in allen Dingen überaus gründlicher Geschichtschreiber war, weil aus dem Angeführten erhellt, daß er selbst die unbedeutendsten und gemeinsten Umstände nicht mit Stillschweigen übergeht. Hieran sollten ernsthafte Geschichtschreiber ein Beispiel nehmen, die uns die Begebenheiten immer so kurz und so zusammengezogen vortragen, daß sie uns kaum die Lippen berühren, indem sie aus Unbedacht, Bosheit oder Einfalt die wichtigsten Dinge im Tintenfasse zurück lassen. Tausendmal sei der Verfasser des Tablante de Ricamonte sowie der Herausgeber des Buches gepriesen, in welchem die Begebenheiten des Grafen Tomillas erzählt werden, denn diese haben gründlich und ausführlich geschrieben. Nachdem also der Eseltreiber noch einmal sein Vieh besucht und ihnen das zweite Futter gegeben hatte, streckte er sich auf seinen Sätteln hin und erwartete seine gewissenhafte Maritorne. Schon war Sancho bepflastert und im Bett, aber der Schmerz seiner Seiten erlaubte ihm noch nicht, einzuschlafen, und Don Quijote hielt vor Schmerz die Augen weit offen, wie ein Hase. In der ganzen Schenke herrschte Stille, es brannte auch kein anderes Licht weiter, als eine Lampe, die in der Mitte des Einganges aufgehängt war. Diese nächtliche Einsamkeit sowie die Bilder, die unser Ritter beständig aus seinen Büchern, den Urhebern seines Unglückes, in den Gedanken hatte, bildeten in seinem Kopfe eine der seltsamen Narrheiten, auf die nur eine Einbildung verfallen kann. Er bildete sich nämlich vor, in ein sehr berühmtes Kastell geraten zu sein (denn, wie schon gesagt, Kastelle mußten ihm alle Schenken sein, in denen er herbergte), und daß die Tochter des Schenkwirts eine Tochter des Herrn vom Kastelle sei, die sich in sein überaus edles Betragen verliebt und ihm versprochen habe, sich ohne Wissen ihrer Eltern heimlich in der Nacht zu ihm zu schleichen und eine Zeitlang bei ihm zu liegen. Über diese tolle Erfindung, die er für die ausgesuchteste Wahrheit hielt, fing er an sich zu ängstigen und über den gefährlichen Kampf zu sinnen, den seine Keuschheit zu bestehen haben würde, doch gelobte er in seinem Herzen, keine Falschheit gegen seine Dame Dulzinea von Toboso zu begehen, wenn sich ihm auch selbst die Königin Ginevra mit ihrer Dame Quintannona darbieten sollten. Indem er noch über diesen Gedanken brütete, kam die Zeit und Stunde (für ihn eine Unglücksstunde), die die Asturierin festgesetzt hatte. Sie schlich also im Hemde und barfuß, die Haare unter einer wollenen Mütze aufgebunden, nach dem Orte, wo die drei lagen und suchte leise und mit bedächtigem Fuße ihren Eseltreiber. Sie war kaum zur Tür herein, als sie auch Don Quijote bemerkte, sich im Bette, trotz seiner Pflaster und den Schmerzen seiner Rippen aufrichtete und die Arme ausstreckte, um seine schöne asturische Jungfrau zu empfangen, die leise und schüchtern mit den Händen tappte, um den geliebten Gegenstand zu finden. Sie traf auf die Arme des Don Quijote, der sie heftig bei der Hand ergriff, sie zu sich zog und sie, ohne daß sie ein Wort zu sagen wagte, zwang, sich auf sein Bett zu setzen. Er befühlte alsbald das Hemd, das, wie es von Segeltuch war, ihm doch der feinste und zarteste Zindel schien. Um die Hände trug sie Glaskorallen, die ihm den Glanz köstlicher orientalischer Perlen verbreiteten; die Haare, die sich den Pferdemähnen näherten, waren ihm leuchtende Fäden des arabischen Goldes, deren Funkeln selbst die Sonne verdunkelte, ihr Atem, der nach verdorbenem abgestandenem Salate roch, war ihm ein Strom von süßem, gewürzhaftem Wohlgeruch; kurz, seine Einbildung malte sie mit allen jenen Farben aus, wie er in seinen Büchern die Schilderungen von anderen Prinzessinnen gefunden hatte, die kommen, um nach dem schwerverwundeten Ritter ihrer Liebe zu sehen, mit allem übrigen Schmuck, der dort aufgewandt wird. Der arme Mann war auch so verblendet, daß weder die Berührung, noch der Atem, noch andere Dinge, die die edle Jungfrau an sich hatte und die jedem anderen als einem Eseltreiber Übelkeit erregt hätten, enttäuschen konnten, sondern er hielt sie für eine Göttin der Schönheit, faßte sie zart bei den Händen und sagte mit lieblicher und leiser Stimme folgendes: »Ich möchte Ausdrücke finden können, schöne und erhabene Dame, um für eine so große Gnade zu danken, wie Ihr mir durch den Anblick Eurer herrlichen Schönheit habt erzeigen wollen: aber das Glück, welches nie müde wird, die Edlen zu verfolgen, hat mich auf dieses Lager geworfen, auf welchem ich zerquetscht und zerschmettert liege, so daß, wenn ich auch gesonnen wäre, Eurem Wunsche Genüge zu leisten, es mir unmöglich fiele. Jedoch zu dieser Unmöglichkeit kömmt eine andere, größere hinzu, nämlich die versprochene Treue, die ich der unvergleichlichen Dulzinea von Toboso angelobt habe, als der einzigen Beherrscherin meiner innigsten Gedanken. Wäre mir dieses nicht entgegen, so würdet ihr mich als keinen so trägen Ritter schauen, der ungenutzt ein so großes Glück aus den Händen läßt, welches Eure überschwengliche Güte mir hat verschaffen wollen.« Maritorne war voller Verdruß und schwitzte, sich von Don Quijote festgehalten zu sehen und ohne ihn zu verstehen oder nur auf seine Reden acht zu geben, bemühte sie sich stillschweigend, sich von ihm los zu machen. Der edle Eseltreiber, den seine bösen Vorsätze munter hielten, hatte seine Geliebte bemerkt, sowie sie zur Tür hereingetreten war, er hatte auch allem, was Don Quijote sagte, aufmerksam zugehört; böse darüber, daß ihn die Asturierin für einen anderen verfehlt habe, ging er dem Bette des Don Quijote näher, um zu sehen, auf was diese Reden, die ihm unverständlich waren, hinaus wollten. Da er aber sah, daß die Magd bemüht war, sich loszumachen und daß Don Quijote arbeitete, sie festzuhalten, nahm er diesen Spaß sehr übel, reckte den Arm in die Höhe und ließ einen so schrecklichen Faustschlag auf das magere Gesicht des verliebten Ritters niederfallen, daß er ihm den Mund mit Blut überschwemmte, und damit noch nicht zufrieden, stieg er auf ihn hinauf und trat ihn von einem Ende zum anderen in schneller Bewegung mit Füßen. Das Bett, welches schwach war und auf keinem festen Grunde ruhte, konnte die hinzugefügte Last des Eseltreibers nicht aushalten, sondern stürzte in sich zusammen, auf welches Poltern der Schenkwirt erwachte und sogleich glaubte, daß Maritorne Händel verursacht habe, weil sie ihm auf sein lautes Rufen keine Antwort gegeben. In diesem Argwohne stand er auf, zündete ein Licht an und begab sich nach dem Orte, wo er das Geräusch vernommen hatte. Als die Magd ihren Herrn kommen sah, dessen Zorn sie sehr fürchtete, kroch sie zitternd und bebend ins Bett zu Sancho Pansa, der schon schlief, wo sie sich zusammenkrümmte und in ein Knäuel drückte. Der Wirt trat herein und sagte: »Wo bist du, Hure? denn ich weiß, daß das deine Streiche sind.« Indem ward Sancho munter und da er die Last auf sich fühlte, meinte er, daß ihn der Alp drücke und schlug rechts und links mit den Fäusten aus, wobei er Maritornen nicht selten traf. Als diese den Schmerz fühlte, ließ sie die Schamhaftigkeit fahren und gab dem Sancho die Faustschläge so kräftig zurück, daß er völlig aus seinem Schlafe wach wurde. Wie er nun diese Begegnung merkte, ohne zu wissen, von wem sie ihm komme, wehrte er sich nach aller Macht, umfaßte sich mit Maritornen und die beiden begannen nun die wütendste und lächerliche Schlägerei von der Welt. Beim Schein vom Lichte des Wirtes sah nun der Eseltreiber die Verfassung seiner Dame, er ließ Don Quijote und eilte dahin, wo seine Hilfe vonnöten war. Dasselbe tat der Wirt, aber in anderer Absicht, um nämlich die Magd zu züchtigen, weil er glaubte, daß sie allein den ganzen Lärm verursacht habe. Wie man nun im Sprichwort sagt, die Katze an der Ratze, die Ratze am Stricke, der Strick am Stocke, so schlug der Eseltreiber auf Sancho los, Sancho auf die Magd, die Magd auf ihn, auf die Magd der Wirt, und alle arbeiteten mit solcher Hast durcheinander, daß sie sich auch nicht einen Augenblick zu Atem kommen ließen. Das beste war, daß das Licht des Wirtes ausging; in der Finsternis schlugen sie so unbarmherzig aufeinander los, daß, wo ein Arm hinfiel, keine gesunde Stelle blieb. Es traf sich, daß in dieser Nacht in der Schenke ein Häscher schlief, einer von der sogenannten heiligen alten Brüderschaft von Toledo; als dieser das ungeheure Lärmen der Schlacht vernahm, rüstete er sich mit seinem Stabe und der Amtsbüchse, trat im Dunkeln in das Gemach und sagte: »Friede im Namen der Gerechtigkeit! Friede im Namen der heiligen Brüderschaft!« Der erste, auf den er traf, war der gemaulschellte Don Quijote, der in seinem zerbrochenen Bette mit aufgehobenem Munde und ohne Bewußtsein lag; er fühlte mit der Hand seinen Bart und rief: »Respekt vor der Gerechtigkeit!« Da er aber sah, daß der, den er festhielt, nicht Atem holte oder sich rührte, hielt er ihn für tot und die übrigen Anwesenden für seine Mörder; in dieser Meinung schrie er mit lauter Stimme: »Verschließt die Tür der Schenke, daß keiner entwischt, denn hier ist ein Mensch umgebracht!« Dieser Ausruf erschreckte alle und jeder ließ den Kampf in ebendem Augenblicke fahren, als er den Ausruf vernahm. Der Wirt zog sich nach seiner Stube, der Eseltreiber nach seinen Sätteln, die Magd nach ihrem Verschlage zurück; nur die beiden Unglücklichen Don Quijote und Sancho konnten sich nicht von der Stelle rühren, wo sie lagen. Der Häscher ließ hierauf den Bart des Don Quijote los, um Licht zu suchen und die Verbrecher zu fangen, aber er fand keins, denn der Wirt hatte die Lampe mit Vorsatz ausgelöscht als er in sein Zimmer zurückging; er war also genötigt, nach dem Feuerherde zu gehen, wo er nach vieler Arbeit und langer Zeit ein anderes Licht anzündete. ~Drittes Kapitel~ Enthält die Fortsetzung der mannigfaltigen Mühseligkeiten, die den braven Don Quijote und seinen wackern Stallmeister in der Schenke betrafen, die er zu seinem Unglück für ein Kastell ansah Um diese Zeit hatte sich Don Quijote von seiner Betäubung erholt und mit demselben Ton der Stimme, mit welchem er am vorigen Tage seinen Stallmeister angerufen hatte, als er von den Krippenstangen zu Boden gestreckt war, fing er auch jetzt wieder an: »Freund Sancho, schläfst du? Schläfst du, Freund Sancho?« »Wie, zum Henker, soll ich denn schlafen?« antwortete Sancho voller Verdruß und Ärgernis, »es ist ja nicht anders, als wenn in dieser Nacht sich alle Teufel über mich hergemacht hätten.« »Du kannst gewißlich versichert sein,« antwortete Don Quijote, »daß ich entweder ohne alle Kentnisse bin, oder daß dieses Kastell hier ein verzaubertes ist, denn du mußt erfahren -- -- -- Aber schwöre, daß du das, was ich dir jetzt sagen werde, als ein Geheimnis bis nach meinem Tode aufbewahren willst.« »Ich schwöre,« antwortete Sancho. »Ich sage dieses nur,« fuhr Don Quijote fort, »weil es mir verhaßt ist, die Ehre von irgend jemand zu kränken.« »Nun, ich sage ja, daß ich schwöre,« entgegnete Sancho, »ich will's ja verschweigen bis Euer Gnaden tot ist, und ich bitte Gott nur, daß ich es morgen schon entdecken dürfte.« »Und du bist mir so zuwider, Sancho,« antwortete Don Quijote, »daß dein Wunsch meinem Leben eine so nahe Grenze steckt?« »Das ist nicht deswegen,« versetzte Sancho, »sondern es ist mir nur verhaßt, die Sachen lange aufzuheben, und es ist immer mein Wunsch, daß sie von dem Aufheben nicht verfaulen möchten.« »Es sei also denn,« sagte Don Quijote, »daß ich deiner Liebe und deinem Worte vertraue, du mußt also wissen, daß mir in dieser Nacht eines der seltsamsten Abenteuer aufgestoßen ist, das ich wohl zu schätzen verstehe, und um es dir mit wenigem zu sagen, so erfahre, daß unlängst die Tochter des Herrn dieses Kastells zu mir kam, die zarteste und schönste Jungfrau, die in einem großen Teile der Erde zu finden ist. Was soll ich dir von den Reizen ihrer Person sagen? Was von ihrem vorzüglichen Verstande? Was von anderen verborgenen Dingen, die ich lieber unberührt und im Stillschweigen vergraben lasse, um die Treue nicht zu brechen, die ich meiner Gebieterin Dulzinea von Toboso gelobt habe? Nur das will ich hinzufügen, daß der Himmel, neidisch über das edle Gut, welches das Glück mir in die Arme geführt hatte, oder vielleicht (und vielmehr ist dieses Gewißheit) weil, wie schon gesagt, dieses Kastell verzaubert ist, es geschah, daß eben da ich in den süßesten und liebevollsten Gesprächen begriffen war, ohne daß ich sehen oder wissen konnte, woher sie komme, eine Hand kam, die dem Arme eines ungeheuren Riesen angehörte und mir einen solchen Schlag auf den Backen gab, daß das Blut herausstürzte, worauf ich überdies noch so zerschlagen wurde, daß ich mich weit schlimmer als gestern befinde, als die Treiber der Unenthaltsamkeit des Rosinante halber uns die Ungebühr zufügten, deren du dich erinnern wirst. Woraus ich den Schluß ziehe, daß der Schönheitsschatz dieser Jungfrau von irgendeinem verzauberten Mohren bewacht und mir nicht zugedacht ist.« »Und mir auch nicht,« antwortete Sancho, »denn über vierhundert Mohren haben mich dermaßen zusammengeprügelt, daß das mit den Krippenstangen nur Konfekt und Marzipan dagegen ist. Aber sagt mir nur, wie Ihr das für ein schönes und herrliches Abenteuer halten könnt, da wir doch das genossen haben, was man uns gereicht hat? Euer Gnaden freilich nicht so schlimm, denn Ihr habt doch, wie Ihr sagt, die unvergleichliche Schönheit in den Armen gehabt, aber ich? nichts als die kräftigsten Püffe, die ich noch Zeit meines Lebens gefühlt habe. Ich Unglückseliger! Ich bin zum Unglück auf die Welt gekommen! ich bin kein irrender Ritter und denke es auch niemals zu sein, und doch muß ich von allen Balgereien das Beste abkriegen!« »Also du bist ebenfalls geprügelt?« fragte Don Quijote. »Hab' ich's denn, zum Teufel, nicht schon gesagt?« rief Sancho. »Gib dich zur Ruhe, mein Freund,« antwortete Don Quijote, »denn ich will alsbald den köstlichen Balsam verfertigen, der uns in einem Umsehen ganz gesund machen soll.« Indem hatte der Häscher sein Licht wieder angezündet und kam nun herein, um nach dem vermeintlichen Toten zu sehen; wie ihn nun Sancho hereintreten sah, im Hemde, mit einem Tuche um den Kopf, die Lampe in der Hand und einem ziemlich widerwärtigen Angesicht, fragte er seinen Herrn: »Gnädiger Herr, sollte das wohl der verzauberte Mohr sein, der von neuem zu prügeln anfangen will, weil er noch im Fasse was behalten hat?« »Der Mohr kann er nicht sein,« antwortete Don Quijote, »denn die Verzauberten lassen sich vor niemand blicken.« »Lassen sie sich nicht blicken, so lassen sie sich fühlen,« sagte Sancho, »das können meine Schultern bezeugen.« »Das können die meinigen ebensowohl,« erwiderte Don Quijote, »aber dieses ist dennoch kein hinreichendes Anzeichen, um jenen dort für den verzauberten Mohren zu halten.« Der Häscher kam näher, und da er die beiden in einem so ruhigen Gespräche antraf, stand er voll Erstaunen still. Don Quijote lag aber immer noch mit aufgerecktem Gesicht da, weil er sich, so zerschlagen er war, nicht regen oder bewegen konnte. Der Häscher ging also zu ihm und sagte: »Nun, wie steht's, mein guter Kerl?« »Ich würde mich anständiger ausdrücken,« erwiderte Don Quijote, »wenn ich an Eurer Stelle wäre. Spricht man hier zu Lande so mit irrenden Rittern, Ihr Lümmel?« Der Häscher, der sich von einem so schlecht aussehenden Menschen so schlecht behandeln sah, verlor die Geduld und warf die Lampe mit allem Öle an Don Quijotes Kopf, worauf er ihn mit zerschlagenem Kopfe liegen ließ und in der Finsternis gleich wieder hinausging. Sancho Pansa sagte: »Ganz gewiß, gnädiger Herr, ist dieses der verzauberte Mohr, der für andere den Schatz aufheben muß, für uns aber Faustschläge und Lampenschmisse aufhebt.« »So ist es,« antwortete Don Quijote, »und es ist nichts weiter gegen dergleichen Zauberdinge zu tun, wie es denn auch unnütz ist, sich darüber zu ärgern und zu erzürnen, denn sie sind nur unsichtbare Phantome, so daß wir an ihnen durchaus keine Rache nehmen können, wenn wir sie auch schaffen wollten; besser ist es, Sancho, du stehst auf, wenn du es vermagst, gehst zum Kommandanten dieser Festung und verschaffst dir etwas Öl, Wein, Salz und Rosmarien, um den heiligen Balsam zu verfertigen, denn ich glaube, er würde mir jetzt gut tun, da vieles Blut aus der Wunde fließt, die mir das Gespenst geschlagen hat.« Mit vielen Schmerzen seiner Gebeine erhob sich Sancho und ging im Finstern hinaus, er begegnete dem Häscher, der auf der Lauer stand, wie es mit seinem Feinde ablaufen würde, zu diesem sagte Sancho: »Wer Ihr auch seid, mein Herr, seid so gut und erzeigt mir die Wohltat, mir ein wenig Rosmarien, Öl, Salz und Wein zu geben, um einen der besten irrenden Ritter auf der ganzen Erde gesund zu machen, der dort im Bette schwer verwundet liegt, von den Händen des verzauberten Mohren, der in dieser Schenke umgeht.« Nach dieser Rede hielt ihn der Häscher für einen Unsinnigen, da es aber schon anfing, Tag zu werden, machte er die Tür der Schenke auf und rief den Wirt, dem er die Bitte dieses verständigen Mannes mitteilte. Der Wirt gab ihm sogleich das Verlangte und Sancho ging zu Don Quijote zurück, der den Kopf auf den Händen stützte und sich über den Lampenschlag sehr beklagte, der ihm aber kein anderes Übel als zwei tüchtige Beulen zugefügt hatte, denn was er für Blut hielt, war nur Schweiß, den er dieses Vorfalls halber und wegen des überstandenen Leidens vergoß. Er nahm nun sogleich die Simpla, aus denen er ein Kompositum machte, indem er sie zusammentat und eine gute Zeit kochen ließ, bis sie nach seiner Meinung die gehörige Tüchtigkeit erreicht hatten. Er forderte alsbald eine Flasche, um den Trank hineinzugießen, da aber in der Schenke keine zu haben war, so entschloß er sich, ihn in ein Ölbehältnis aus Blech zu tun, mit welchem ihm der Wirt großmütig ein Geschenk machte. Hierauf betete er über das Behältnis wohl achtzig Paternoster, ebenso viele Ave Marias, Salves und Credos und bei jedem Worte machte er ein Kreuz, als wenn er sie einsegnete; bei diesem ganzen Vornehmen waren Sancho, der Wirt und der Häscher gegenwärtig, denn der Eseltreiber war stillschweigend fortgegangen, um seine Tiere abzufüttern. Nachdem er alles vollbracht hatte, wollte er gleich die Trefflichkeit seines erfundenen köstlichen Balsams probieren, er trank also das übriggebliebene aus, was er nicht in die Ölflasche hatte füllen können und es war wohl ein Viertel Quart in dem Kochtopfe zurückgeblieben. Er hatte es aber kaum getrunken, als ihn ein so heftiges Erbrechen befiel, daß er nichts im Magen behielt, und durch diese Anstrengung und Ängstigung geriet er in einen starken Schweiß, worauf er befahl, daß man ihn zudecken und alleinlassen solle. Sie taten es und er schlief über drei Stunden, worauf er erwachte und sich so stark fühlte und seine Schmerzen so gelindert, daß er sich für ganz gesund hielt und wirklich glaubte, er besitze nun den Balsam des Fierabras, mit welchem er nun künftig ohne Furcht alle Kämpfe, Schlachten und Händel, seien sie auch noch so gefährlich, bestehen könne. Sancho Pansa, der seinen Herrn auch zum Erstaunen besser fand, bat um das, was noch im Topfe zurückgeblieben sei, welches nicht wenig war. Don Quijote bewilligte ihm dieses und er ergriff mit vollem Zutrauen und der größten Begierde den Topf mit beiden Händen und trank wohl ebensoviel als sein Herr hinunter. Der Magen des armen Sancho mußte aber von schwächerer Reizbarkeit sein, denn vor dem Erbrechen hatte er solche Beängstigungen, wobei er schwitzte und sich quälte, daß er fest überzeugt war, daß dies seine letzte Stunde sei, worüber er ebenso böse als traurig wurde und den Balsam und den Totschläger, der ihn ihm gegeben hatte, verwünschte. Da Don Quijote dies sah, sagte er: »Ich glaube, Sancho, daß dein ganzes Unheil daher rührt, daß du nicht zum Ritter geschlagen bist, denn ich bin der Meinung, daß niemand, der nicht Ritter ist, sich dieses Getränkes bedienen dürfe.« »Wenn Ihr das wußtet,« versetzte Sancho, »warum in Satans Namen habt Ihr es mich denn kosten lassen?« Indem fing der Balsam an zu wirken und der arme Stallmeister entledigte sich seiner Bürde aus beiden Kanälen mit solcher Eile, daß weder die Binsenmatte, auf der er lag, noch das Tuch, mit dem er zugedeckt war, jemals wieder gebraucht werden konnten. Er schwitzte unter solchen Beklemmungen und Martern, daß nicht bloß er, sondern alle übrigen dachten, sein Leben ginge zu Ende. Dieses Ungewitter und Übelbefinden dauerte ungefähr zwei Stunden, worauf er sich nicht so wie sein Herr befand, sondern so erschöpft und ermattet war, daß er sich nicht auf den Beinen halten konnte. Don Quijote aber, der sich wie gesagt, gesund und kräftig fühlte, wünschte gleich abzureisen, um Abenteuer aufzusuchen, denn jeder Augenblick, den er zögerte, schien ihm ein Verlust für die Welt und die Unglücklichen, die seiner Hilfe und seines Beistandes bedürften, vorzüglich da er nun, auf seinen Balsam vertrauend, um so sicherer zum Werke schreiten könne; von seinem Vorhaben angetrieben, sattelte er also selbst den Rosinante und zäumte das Tier seines Stallmeisters auf, den er hierauf anziehen half und ihn dann auf den Esel setzte. Alsbald stieg er selbst zu Pferde und ergriff eine Stange, die in einem Winkel des Hofes stand, die ihm zur Lanze dienen sollte. Über zwanzig Menschen, die in der Schenke waren, standen umher und sahen ihm zu; unter diesen befand sich auch die Tochter des Wirtes, von der er auch wieder kein Auge verwandte und von Zeit zu Zeit einen Seufzer, schwer wie aus dem Innersten seines Leibes heraufholte, wovon alle meinten, es geschähe deshalb, weil ihm die Rippen sehr weh täten, wenigstens dachten so diejenigen, die ihn am vorigen Abend hatten bepflastern sehen. Als sie nun beide beritten waren, rief er am Tor der Schenke den Wirt herbei und sagte mit feierlicher und ernster Stimme: »Viel und groß sind die Gefälligkeiten, Herr Kommandant, die ich in Eurem Kastelle erfahren, und es ist meine Pflicht, Euch durch mein ganzes Leben dafür dankbar zu sein. Kann ich sie Euch vergelten, indem ich an irgendeinem Frechen Rache nehme, der Euch Ungebühr erzeigte, so wißt, daß es mein Gewerbe mit sich führt, den Schwachen beizustehen, die zu rächen, die Unrecht erleiden und den Übermut zu züchtigen. Sammelt Euer Gedächtnis und wenn Ihr ein Ding der Art findet, welches Ihr mir auftragen mögt, so verspreche ich bei dem Orden der Ritterschaft, den ich empfangen habe, Euch genug zu tun und Euch nach allen Euren Forderungen zu bezahlen.« Mit ebender Feierlichkeit antwortete der Wirt: »Herr Ritter, es ist mir gar nicht vonnöten, daß Ihr mich wegen irgendeiner Ungebühr rächt, denn ich nehme meine Rache immer selbst, wenn es die Gelegenheit fügt; was ich bedarf, ist nur, daß Euer Gnaden die Zehrung dieser Nacht bezahlt, das Heu und den Hafer für die beiden Bestien, sowie das Abendessen und die Betten.« »Dieses ist also eine Schenke?« antwortete Don Quijote. »Und eine sehr vorzügliche,« antwortete der Wirt. »So habe ich mich also bisher getäuscht,« erwiderte Don Quijote, »denn wahrlich, ich dachte, es sei ein Kastell und kein unansehnliches. Weil es aber kein Kastell, sondern eine Schenke ist, so kann hier nichts Weiteres geschehen, als daß Ihr die Bezahlung mir erlassen mögt, denn ich kann unmöglich dem Orden der irrenden Ritter zuwiderhandeln, von denen ich gewiß weiß (denn bisher habe ich noch nirgends das Gegenteil gelesen), daß sie niemals ihre Herberge oder andere Dinge in den Schenken bezahlten, denn freiwillig und ohne Eigennutz wurde ihnen allerwege gute Aufnahme bereitet zum Lohn der unsäglichen Mühseligkeiten, denen sie sich unterzogen, indem sie Nacht und Tag Abenteuer suchten, im Winter und Sommer, zu Fuß und zu Pferde, Hunger und Durst, Hitze und Kälte erlitten und allen Unfreundlichkeiten des Himmels und jeder Widerwärtigkeit der Erde unterworfen waren.« »Alles das kümmert mich nicht,« versetzte der Wirt, »bezahlt, was Ihr schuldig seid und geht mir mit dem Ritterkrame, denn der taugt in meinem Krame gar nichts, sondern ich will das meinige haben.« »Ihr seid ein aberwitziger, elender Schenkwirt!« antwortete Don Quijote und gab dem Rosinante die Sporen, schwang die Lanze und ritt zur Schenke hinaus, ohne daß ihn einer zurückhielt; er aber, ohne zurückzuschauen, ob ihm sein Stallmeister folge, entfernte sich eine ziemliche Strecke. Der Wirt, der ihn ohne bezahlt zu haben, wegreiten sah, wandte sich an Sancho Pansa, um sein Geld zu bekommen, der aber die Antwort gab, daß, da sein Herr nicht habe bezahlen wollen, er solches auch nicht zu tun begehre, er sei der Stallmeister eines irrenden Ritters, er müsse also mit seinem Herrn derselben Vorschrift und Gesetzgebung gehorchen, in den Herbergen und Schenken durchaus nichts zu bezahlen. Der Wirt wurde böse und drohte ihm, daß, falls er nicht bezahle, er ihn so mahnen wolle, daß er es fühlen würde. Worauf Sancho erwiderte, daß kraft der Ritterschaft, der sein Herr zugetan sei, er nicht einen Heller bezahlen würde, wenn es ihm auch das Leben kosten sollte, denn durch seine Schuld sollte nicht dieser alte und löbliche Gebrauch der irrenden Ritter verlorengehen, und die Stallmeister zukünftiger Zeiten sollten sich niemals über ihn beklagen oder ihm einen so gerechten Vorwurf machen dürfen. Das böse Schicksal des unglücklichen Sancho fügte es so, daß sich unter den Leuten, welche in der Schenke waren, vier Tuchscherer von Segovia, drei Nadelhändler vom Markte von Cordova und zwei Landstreicher aus Sevilla befanden, lustiges, aufgewecktes und ebenso boshaftes und schadenfrohes Volk, die, wie von einem Geiste zugleich angetrieben, Sancho nahmen und ihn vom Esel hoben, worauf einer das Bettuch des Wirtes herausholte, sie ihn darauflegten und dann die Augen in die Höhe richteten; sie bemerkten aber, daß die Decke zu dem Werke, das sie vornehmen wollten, zu niedrig sei, sie entschlossen sich also, in den Hof zu gehen, der nur vom Himmel beschränkt wurde. Hier legten sie Sancho mitten auf das Tuch, warfen ihn in die Höhe und fingen ihn wieder auf, wie man es wohl mit den Hunden als ein Fastnachtsspiel zu machen pflegt. Der arme Geprellte erhub ein so lautes Geschrei, daß es in die Ohren seines Herrn drang, der sogleich still hielt um aufmerksam hinzuhorchen, weil er dachte, es möchte ihm ein neues Abenteuer bevorstehen, bis er bemerkte, daß derjenige, der so jammerte, sein Stallmeister sei. Sogleich lenkte er um und ritt in einem steifen Galopp zur Schenke zurück, die er verschlossen fand; er umkreiste sie also, um einen Eingang zu finden. Sowie er an die Mauern des Hofes kam, die nicht sonderlich hoch waren, sah er das üble Spiel, das mit seinem Stallmeister vorgenommen wurde. Er sah ihn durch die Luft mit solcher Anmut und Behendigkeit niederfallen und wieder aufsteigen, daß er gewiß darüber gelacht hätte, wenn sein Zorn nicht zu mächtig geworden wäre. Er machte also den Versuch, vom Pferde auf die Mauer zu steigen, aber er war so schwach und steif, daß er nicht einmal aus dem Sattel kommen konnte, worauf er vom Pferde herunter denen, die Sancho prellten, so schreckliche Schmähungen und Verwünschungen zurief, daß sie sich unmöglich niederschreiben lassen. Sie aber ließen sich im Lachen und ihrer Beschäftigung nicht stören, auch ließ der flüchtige Sancho seine Klagen nicht, die er bald mit Drohungen, bald mit Bitten vermischte; alles aber war ohne Erfolg und Nutzen, bis sie aus Müdigkeit ihr Werk ließen. Sie führten also seinen Esel herbei, setzten ihn darauf, bekleideten ihn mit seinem Mantel, und da ihn die mitleidige Maritorne so ermattet sah, schien es ihr dienlich, ihm mit einem Becher Wasser zu Hilfe zu kommen, das sie auch selbst aus dem Brunnen schöpfte, damit es umso frischer sei. Sancho nahm den Becher und führte ihn zum Munde, hielt aber bei dem Zurufen seines Herrn inne, welcher schrie: »Sohn Sancho, trink kein Wasser, mein Sohn, trink's nicht, es bringt dich um! Schaue hier den köstlichen Balsam (wobei er ihm die blecherne Flasche zeigte), mit zwei Tropfen, die du davon nimmst, bist du gesund und frisch!« Bei diesen Worten sah ihn Sancho über die Schulter an und sagte unter andern härteren Redensarten: »Ihr habt wohl schon wieder vergessen, daß ich kein Ritter bin, oder Ihr wollt wohl, daß ich die Eingeweide noch vollends herausspeien soll, die mir etwa noch übrig geblieben sind? Behaltet Euren Trank in Teufels Namen und laßt mich!« -- Und indem er diese Worte noch sprach, fing er auch schon an zu trinken. Da er aber beim ersten Schlucke spürte, daß es Wasser sei, hatte er keine Lust, fortzufahren, sondern er bat Maritorne, ihm Wein zu geben, die es auch mit gutem Willen tat und ihn sogar von ihrem Gelde bezahlte, denn man kann mit Recht von ihr sagen, daß sie in ihrem Stande immer noch einige Spuren und Schatten vom Christentum behalten hatte. Nachdem Sancho getrunken hatte, trat er seinen Esel in die Seite und sowie das Tor der Schenke aufgemacht wurde, rannte er hindurch, sehr zufrieden, daß er noch nichts bezahlt und seinen Willen durchgesetzt habe, wenn es auch auf Kosten seiner gewöhnlichen Bürgen, nämlich seiner Schultern geschehen war. Der Wirt behielt freilich als Bezahlung seiner Schuld den Schnappsack zurück, aber Sancho hatte es in dem Tumulte nicht bemerkt. Der Wirt wollte, als er hinaus war, das Tor verriegeln, aber die Prellenden gaben es nicht zu, denn diese waren Leute, die den Don Quijote, wenn er auch wirklich ein irrender Ritter von der Tafelrunde gewesen wäre, doch nicht für zwei Dreier achteten. ~Viertes Kapitel~ Hier wird das Gespräch erzählt, welches Sancho Pansa mit seinem Gebieter Don Quijote führte, nebst anderen Abenteuern, die der Erzählung würdig sind Sancho kam so zermalmt und ermattet zu seinem Herrn, daß er sich kaum auf seinem Tiere erhalten konnte. Als ihn Don Quijote sah, sagte er: »Jetzt bin ich völlig überzeugt, mein getreuer Sancho, daß jenes Kastell oder Schenke verzaubert sein muß, denn jene, die sich ein so unmenschliches Spielwerk mit dir machten, was können sie wohl sein als Gespenster und Wesen aus einer andern Welt! Was mich hierin bestätigt, ist dieses, daß, da ich außerhalb der Mauer des Hofes deiner kläglichen Tragödie zusah, es mir nicht möglich war, die Mauer zu besteigen oder mich nur vom Rosinante herunterzuheben, weil sie mich gleichfalls bezaubert hatten. Aber ich schwöre dir bei meiner Ehre, hätte ich nur hinaufsteigen oder mich herunterheben können, so wollte ich dich so gerächt haben, daß diese Spitzbuben und Mörder ewig ihres Spaßes gedenken sollen, wenn ich auch hierin die Gesetze der Ritterschaft hätte übertreten müssen, die, wie ich dir schon oft gesagt habe, nicht erlauben, daß ein Ritter gegen einen, der es nicht ist, das Schwert ziehe, wenn er es nicht zur Verteidigung seines Lebens und seiner Person oder im dringendsten Falle der Not tut.« »Ich hätte mich gerächt, ich mochte nun Ritter oder nicht Ritter sein, aber ich war nicht im Stande: dabei aber glaube ich immer noch, daß die, welche den Spaß mit mir trieben, keine Gespenster oder verzauberte Menschen waren, wie Euer Gnaden sagten, sondern Menschen von Fleisch und Bein wie wir, denn ich habe sie auch alle als sie mich in die Luft schmissen bei ihrem Namen nennen hören; so hieß der eine Peter Martin, der andere Tenario Hernandez und der Wirt Hans Palomeque der Linksche: so, gnädiger Herr, seid Ihr auch gewiß nicht verzaubert gewesen, als Ihr nicht auf die Hofmauer kommen oder nicht vom Pferde heruntersteigen konntet, sondern was ich davon halte, ist, daß wenn wir weiter so nach Abenteuern herumsuchen, es bald mit uns Abend und gute Nacht werden wird, so daß wir am Ende nicht wissen, was an uns Kopf oder Bein ist. Das Klügste und Beste wäre nach meinem Verstande, jetzt gleich, da die Erntezeit ist, nach unserem Dorfe zurückzugehen und nicht so von Hinz nach Kunz, von Brot in Not und Tod herumzuziehen.« »Wie wenig verstehst du, Sancho,« antwortete Don Quijote, »von den Elementen der Ritterschaft! Fasse dich in Geduld, denn die Zeit, in welcher du es mit Augen siehst, wird kommen, wie ehrenvoll es sei, dieses Gewerbe zu treiben. Wenn nicht, so sprich, gibt es auf der Welt ein größeres Vergnügen, läßt sich der Freude irgend etwas anderes vergleichen, wie wenn man eine Schlacht gewinnt oder über seinen Feind triumphiert? Wahrlich, nichts anderes kommt diesem bei.« »Das mag wohl sein,« antwortete Sancho, »doch kann ich's nicht begreifen; ich begreife nur das, daß seit wir irrende Ritter sind oder vielmehr Ihr es seid, denn ich darf mich nicht zu so trefflichen Herren rechnen, wir noch keine einzige Schlacht gewonnen haben, außer die mit dem Biskayer, und da kamt Ihr nur mit halbem Ohre und zerschlagenem Helme durch: seitdem aber hat es nichts als Prügel und Prügel, Püffe und Püffe gegeben; ich bin zum Überschuß noch geprellt und obendrein von verzauberten Personen, an denen ich keine Rache nehmen kann, um das Vergnügen, über einen überwundenen Feind zu schmecken, wie Ihr es nennt.« »Dieses ist es, was mich verdrießt und was dich ebenfalls verdrießen muß, Sancho,« antwortete Don Quijote; »aber ich will von nun an streben, mir ein Schwert von solcher Eigenschaft zu erwerben, daß derjenige, der es führt, keiner Art von Verzauberung unterworfen ist; das gute Glück kann mir wohl gar das des Amadis in die Hände spielen, als er sich den Ritter des brennenden Schwertes nannte. Dieses Schwert war eines der trefflichsten, das ein Ritter in der Welt nur führen kann, denn außer obengenannter Tugend schnitt es so scharf wie ein Schermesser, und keine Rüstung, so stark und verzaubert sie auch sein mochte, konnte ihm Widerstand leisten.« »Ich bin ein Glückskind,« sagte Sancho, »daß, wenn sich's nun auch so schickt und Eure Gnaden ein solches Schwert antrifft, es doch nur wieder wie der Balsam für einen geschlagenen Ritter was taugen wird, der Schildknapp aber nur seine Qual daran erlebt.« »Fürchte dieses nicht, Sancho,« antwortete Don Quijote, »der Himmel wird es besser mit dir meinen.« Unter diesen Gesprächen zog Don Quijote mit seinem Schildknappen fort, als Don Quijote mit einem Male eine große und dichte Staubwolke bemerkte, die ihm auf seinem Wege entgegenzog; sowie er sie bemerkte, wandte er sich zu Sancho und sagte: »Dieses ist der Tag, o mein Sancho, an welchem sich zeigen wird, was mir das Schicksal aufbewahrt hat; dieses ist der Tag, sage ich dir, an dem sich mehr als an irgendeinem andern die Tapferkeit meines Armes kund geben wird, an welchem ich Taten zu tun gesonnen bin, die in den Büchern des Ruhmes für alle künftigen Jahrhunderte eingeschrieben werden sollen. Siehst du jene Staubwolke, Sancho, die sich dort erhebt? Ein unzähliges Heer erregt sie, welches aus verschiedenen und zahlreichen Völkern geworben, uns von dort entgegenzieht.« »So müssen es zwei sein,« sagte Sancho, »denn von der anderen Seite steigt eben ein solcher großer Staub auf.« Don Quijote drehte sich um und sah, daß es wahr sei, worüber er sich sehr erfreute, denn er war überzeugt, daß es zwei Armeen wären, die hier zusammenkämen, um sich in der Mitte der großen Ebene eine Schlacht zu liefern, denn in jedem Augenblicke war seine Phantasie mit Streit, Bezauberungen, Siegen, Unglücksfällen, Liebe und Zwiespalt angefüllt, so wie er es in seinen Büchern gelesen hatte, und alles, was er sprach, dachte und tat, schloß sich diesen Dingen an: die Staubwolken, die er sah, erregten zwei große Herden von Schafen und Hammeln, die auf demselben Wege von zwei verschiedenen Seiten kamen, die aber der Staub so bedeckte, daß man sie nur ganz nahe sehen konnte; Don Quijote aber behauptete so kräftig, daß es Armeen wären, daß Sancho sie ebenfalls zu sehen glaubte und nur fragte: »Was sollen wir aber dabei tun? gnädiger Herr!« »Was?« rief Don Quijote aus, »den Unterdrückten und Hilfsbedürftigen Beistand leisten! Du mußt wissen, Sancho, daß diejenigen, die uns von dort entgegenziehen, unter Anführung und Kommando des großen Kaisers Alifanfaron stehen, Herrn der großen Insel Taprobana; jener aber, der hinter mir kömmt, ist sein Feind, der König der Garamanten, Pentapolin mit dem aufgekrempten Ärmel, so genannt, weil er mit entblößtem Arm in die Schlachten zu ziehen gewohnt ist.« »Warum sind sich aber diese Herren so böse?« fragte Sancho. »Sie sind sich deshalb böse,« antwortete Don Quijote, »jener Alifanfaron ist ein verstockter Heide, dabei aber in die Tochter des Pentapolin verliebt, die eine sehr schöne und überaus liebenswürdige Dame und eine Christin ist; ihr Vater will sie aber dem Heidenkönige nicht überliefern, wenn er nicht vorher dem Glauben seines falschen Propheten Mahomed entsagt und den unsrigen annimmt.« »Bei meinem Vater,« sagte Sancho, »Pentapolin tut recht und ich will ihm dazu helfen, soviel in meinen Kräften steht.« »So sprichst du, wie du sollst, Sancho,« sagte Don Quijote, »denn um an dergleichen Schlachten teilzunehmen, braucht man den Ritterschlag nicht erhalten zu haben.« »Das trifft sich ja gut,« antwortete Sancho, »aber wo lassen wir den Esel solange, wo wir ihn wiederfinden, wenn die Schlägerei aus ist, denn so auf ihm als Reiter in die Schlacht zu ziehen, ist doch bisher wohl noch nicht gebräuchlich gewesen?« »Du hast recht,« sagte Don Quijote, »was du mit ihm vornehmen kannst, ist, ihn auf gut Glück laufen zu lassen, er mag sich nun verlieren oder nicht, denn sobald wir nun Überwinder sind, werden wir eine solche Menge von Pferden erbeuten, daß selbst Rosinante Gefahr läuft, gegen ein anderes Roß vertauscht zu werden. Nun sei aber aufmerksam, denn ich will dir die vornehmsten Ritter kenntlich machen, die sich in diesen beiden Heeren befinden; damit du sie aber besser sehen und bemerken kannst, so wollen wir uns auf diese Anhöhe zurückziehen, von wo aus wir beide Heere genau beobachten können.« Sie taten es und stellten sich auf einen kleinen Hügel, von wo man die beiden Herden, die für Don Quijote eine Armee waren, gut genug hätte sehen können, wenn die Staubwolken, die sich erhoben, sie nicht verdeckt und den Augen entzogen hätten. Er sah aber dennoch mit seiner Einbildung alles, was er nicht wirklich sehen konnte und fing nun mit erhabener Stimme also an: »Jener Ritter, den du in gelber Rüstung siehst und der in seinem Schilde einen gekrönten Löwen führt, zu den Füßen einer Jungfrau hingeschmiegt, ist der tapfere Laurcalco, Herr von der silbernen Brücke. Jener dort, dessen Harnisch mit goldenen Blumen bestreut ist und der in seinem Schilde drei silberne Kronen im blauen Felde führt, ist der Großherzog von Quiraloia. Jener Riese dort, der ihm zur Rechten steht, ist der nie genug gepriesene Brandarbaran von der Kegelbahn, Herr von den dreien Arabien, der mit einer Drachenhaut bedeckt ist und als Schild eine Tür führt, welche, wie man sagt, von jenem Tempel genommen ist, den Simson einriß, als er sich durch seinen eigenen Tod an seinen Feinden rächte. Nun wende aber die Augen einmal auf jene Seite und schaue in dem Vortrabe jenes Heeres den stets siegenden und niemals besiegten Timonel von Carcajona, Herrn des neuen Biskayas, dessen Rüstung mit vier verschiedenen Farben prangt, mit Blau, Grün, Weiß und Gelb; in seinem Schilde führt er eine goldene Katze im hellen Felde, mit einem einzigen Worte zur Unterschrift, nämlich Miau, als den Anfang des Namens seiner Dame, die, wie man sagt, Miulina ist, die Tochter des Herzogs Alfenriquen von Algarbien. Jener dort, der so gewaltig den Rücken des ungeheuren Rosses belastet und dessen Rüstung so weiß wie der Schnee ist, ist ein neuer Ritter von französischer Nation, genannt Pierre Papin, Herr der Baronie Utrique. Jener, der die eisernen Fersen in die Seiten des bunten und gewandten Zebras stößt und ganz blaue Waffen führt, ist der ansehnliche Herzog von Nervia, Espartafilardo vom Walde, der als Sinnbild auf seinem Schilde ein Spargelfeld führt mit der Unterschrift: mein Glück wächst nach.« -- So nannte er noch viele Ritter von einer wie von der andern Schwadron, die er sich einbildete; allen gab er aus dem Stegreife ihre Waffen, Farben, Sinnbilder und Inschriften, die er aus dem Schatze seiner unerhörten Torheit schöpfte, er fuhr daher auch, ohne einzuhalten, so fort: »Jenes mächtige Geschwader vor uns ist aus verschiedenen Nationen gebildet und zusammengesetzt. Dort sind die, welche die süßen Gewässer des berühmten Xantus kosten, die Montuasen, die die Masilischen Gefilde bewohnen, diejenigen, die das feine und reichhaltige Gold des glücklichen Arabiens sichten, die, welche die berühmten und frischen Wasser des klaren Thermodon trinken, jene, die in Kanälen nach verschiedenen und fernen Gegenden den goldführenden Pactolus zu sich leiten, die Numidier dort, die in ihren Versprechungen unzuverlässig, die Perser, in Bogen und Pfeilen berühmt, die Parther und Medier, die im Fliehen streiten, die Araber, deren Wohnung veränderlich, die Skythen, die eben so weiß als grausam, die Äthiopier, deren Lippen durchlöchert sind, nebst andern unzähligen Nationen, deren Antlitz ich sehe und erkenne, deren Namen ich mich aber nicht erinnere. -- In jener Schar dort ziehen diejenigen, die die kristallenen Gewässer des ölbekränzten Betis trinken, Männer, die ihr Angesicht in den Wellen des prächtigen, goldführenden Tago waschen, andere, die die heilsamen Wasser des göttlichen Genil genießen, die die tartesischen Fluren, an Triften reich, bewohnen, diejenigen, die sich auf den himmlischen Xeronyschen Wiesen ergötzen, die reichen Manchaner dort mit roten Ähren gekrönt, mit Erz bekleidet, Nachkommen aus dem Blute der alten Goten, diejenigen, die sich im Pisuenga baden, berühmt wegen seines anmutigen Stromes, andere, die ihre Herden auf den ausgebreiteten Fluren des gekrümmten Guadiana weiden, dessen verborgener Lauf so oft gefeiert wird; jene, die im Frost der beschneiten Pyrenäen, andere, die auf den weißen Gipfeln der hocherhabenen Apenninen zittern: kurz, alle Völkerschaften, die nur das ganze Europa in sich faßt und begreift.« Hilf Himmel! wie viele Provinzen nannte er noch, wie viele Nationen zählte er auf, indem er jeder mit erstaunlicher Behendigkeit die ihr zukommenden Attribute erteilte, trunken und entzückt von dem, was er in seinen lügenhaften Büchern gelesen hatte! Sancho Pansa stand über diese Reden verwundert, ohne ein Wart zu sagen; er drehte nur von Zeit zu Zeit den Kopf hin und her, ob er die Ritter und Riesen, die sein Herr aufzählte, nicht erblicken möchte; da er aber durchaus keinen entdeckte, sagte er: »Gnädiger Herr, hol mich der Teufel, wenn ein Mensch oder Riese oder Ritter von allen, die Ihr da nennt, zu finden ist, wenigstens kann ich sie nicht sehen, und es muß wohl wieder alles Verzauberung sein wie mit den Gespenstern vorige Nacht.« »Wie sprichst du also?« antwortete Don Quijote, »hörst du nicht das Wiehern der Rosse, der Trompeten Schmettern, das Gelärm der Trommeln?« »Ich höre nichts weiter,« antwortete Sancho, »als Blöken von Schafen und Hammeln.« -- Und dies war es auch, denn die beiden Herden waren nun ziemlich nahe gekommen. »Deine Furchtsamkeit«, sagte Don Quijote, »macht, Sancho, daß du weder richtig siehst noch hörst, denn eine von den Wirkungen der Furcht besteht eben darin, die Sinne zu verwirren und dadurch die Dinge anders erscheinen zu lassen als sie in der Tat sind: trägst du also so große Bangigkeit, so abseitige dich und laß mich allein, denn allein bin ich hinreichend, der Partei den Sieg zu verschaffen, zu welcher ich mich schlage.« Und mit diesen Worten gab er dem Rosinante die Sporen, faßte in der Rechten die Lanze und somit schoß er wie ein Sonnenstrahl von dem Erdhügel herunter. Sancho schrie laut auf und rief: »Haltet doch, mein gnädiger Herr Don Quijote, ich schwör's zu Gott, Hammel und Schafe sind das, was Ihr angreifen wollt! haltet! Oh, um Gottes Barmherzigkeit willen, was sind das für Tollheiten! da ist ja kein Riese, ein Ritter, keine Katze, keine Rüstung, weder ganze noch geteilte Schilde, noch blaue Felder, noch der Teufel und seine Großmutter. Was, um's Himmels willen, nehmt Ihr für Dinge vor?« Aber Don Quijote hielt deshalb nicht an, sondern rief vielmehr mit lauter Stimme: »Auf, ihr Ritter, die ihr unter den Fahnen des tapferen Kaisers Pentapolin mit dem aufgekrempten Ärmel streitet, folgt mir alle und ihr sollt sehen, wie leicht wir ihn an seinem Feinde Alifanfaron von Trapobana rächen wollen!« Sowie er dieses sprach, stürzte er mitten in das Heer der Schafe hinein und begann ein so verwegenes und wütiges Lanzenstechen, als wenn er wirklich mit Todfeinden zu kämpfen hätte. Die Schäfer und Hirten, die die Herde führten, riefen ihm zu, daß er nicht also verfahren möchte; da sie aber sahen, daß sie damit nichts ausrichteten, griffen sie zu ihren Schleudern und begannen seine Ohren mit Steinen wie die Faust so groß anzureden. Don Quijote kümmerte sich um die Steine nicht, sondern sagte, indem er sich von allen Seiten herumtummelte: »Wo bist du, stolzer Alifanfaron, hierher zu mir, der ich ein einzelner Ritter bin, damit ich Mann gegen Mann deine Kräfte erproben und dir das Leben nehmen kann als vergeltende Schmach, die du dem tapferen Pentapolin Garamanta beweisest.« Indem führte eine Schleuder ein Korn herbei, das ihn in die Seite traf und zwei Rippen hineinschlug. Wie er diese üble Behandlung sah, hielt er sich für tot oder schwerverwundet, gedachte seines Getränkes, nahm seine Flasche, setzte sie an den Mund und fing an, sich das Getränk einzugießen; aber er hatte noch nicht so viel hinuntergetrunken als ihm nötig schien, so kam eine zweite Zuckermandel und traf die Hand und Flasche mit solcher Gewalt, daß sie in Stücke ging, auf dem Wege drei oder vier Zähne und Backenzähne eingeschlagen und zwei Finger der Hand grausam zerquetscht wurden. So heftig war der erste Wurf und so heftig der zweite, daß der arme Ritter gezwungen war, sich vom Pferde herunterzubegeben. Die Schäfer kamen herbei und meinten, daß sie ihn umgebracht hätten; sie trieben also hastig die Herde zusammen, luden die ermordeten Stücke auf, die sich bis auf sieben beliefen und so entfernten sie sich, ohne etwas anderes abzuwarten. In der ganzen Zeit stand Sancho auf dem Hügel, sah den Tollheiten seines Herrn zu und riß sich den Bart aus, indem er die Stunde und den Augenblick verfluchte, in welchem er seine Bekanntschaft gemacht hatte. Da er nun sah, daß er auf der Erde lag und daß die Hirten fortgingen, stieg er den Hügel hinunter, ging zu ihm und fand ihn in einem sehr schlimmen Zustande, obgleich er noch Besinnung hatte; er sagte also zu ihm: »Sagte ich's Euch nicht, mein Herr Don Quijote, daß Ihr halten möchtet und daß das, was Ihr angriffet, keine Soldaten, sondern eine Herde Hammel war?« »So hat sie der Schelm von Weisen, mein Feind, verwandelt und entstellt, und du mußt wissen, Sancho, daß es diesen Wesen etwas Leichtes ist, alles so scheinen zu lassen, wie sie es wollen; dieser Boshafte also, der mich verfolgt, neidisch über den Ruhm, den ich, wie er merkte, in dieser Schlacht erwerben möchte, hat den Zug der Feinde in eine Herde Schafe verwandelt. Glaubst du dieses nicht, so tue Sancho, ich beschwöre dich, ein Ding, damit du deines Irrtums los werdest und merkest, wie ich die Wahrheit rede: besteige deinen Esel und reite ihnen nach, so wirst du gewahr werden, daß, sowie sie nur eine kleine Strecke entfernt sind, sie ihre erste Gestalt wieder annehmen, keine Hammel mehr sind, sondern Menschen, so recht und gerecht, wie ich sie dir erst beschrieben habe. Doch entferne dich für jetzt nicht, denn ich bedarf deiner Hilfe und Liebe: komme her und sieh, wie viele Backen- und Vorderzähne mir mangeln, denn mir ist, als hätte ich keinen einzigen im Munde behalten.« Sancho machte sich so nahe an ihn, daß er die Augen fast in seinen Mund steckte, und dies geschah, indem der Balsam schon im Magen Don Quijotes gewirkt hatte; indem sich also Sancho an ihn machte, um in seinen Mund zu schauen, schoß er heftiger wie eine Büchse das von sich, was er in sich führte und alles in den Bart des mitleidigen Stallmeisters hinein. »Heilige Mutter Gottes!« rief Sancho, »was ist mir da zugestoßen? Gewiß ist der arme Sünder auf den Tod verwundet, denn das Blut stürzt ihm aus dem Halse.« Da er sich aber ein wenig sammelte und an Farbe, Geschmack und Geruch merkte, daß es kein Blut, sondern der Balsam aus der Flasche sei, den er ihn hatte trinken sehen, ergriff ihn ein so heftiger Ekel, daß auch sein Magen sich umwandte und er seinen Gebieter bespie, worauf sie sich beide wie Brillanten ausnahmen. Sancho lief nach seinem Esel, um aus dem Schnappsacke etwas zu holen, sich abzutrocknen und seinen Herrn zu heilen; da er diesen nicht fand, war er im Begriff den Verstand zu verlieren. Er fluchte von neuem und nahm sich im Herzen vor, seinen Herrn zu verlassen und nach Hause zu gehen, wenn er auch selber seinen Gehalt und die Hoffnung auf die Regierung der versprochenen Insel verlieren sollte. Jetzt erhob sich Don Quijote, steckte die linke Hand in den Mund, weil ihm die Zähne immer noch weh taten, mit der anderen faßte er die Zügel des Rosinante, der sich nicht von der Seite seines Herrn gerührt hatte (so redlich und schön war sein Gemüt) und ging zu seinem Stallmeister, der sich mit der Brust über seinen Esel lehnte und die Backen zwischen den beiden Händen hielt, wie ein Mensch, der in den tiefsten Gedanken versunken ist. Als Don Quijote diese Zeichen einer so gewaltigen Schwermut bemerkte, sagte er: »Wisse, Sancho, daß ein Mensch nicht mehr ist als ein anderer, wenn er nicht mehr tut als ein anderer; alle diese Stürme, die uns verfolgen, sind Beweise, daß sich das Wetter bald aufheitern muß und daß unsere Sachen zum Glück ausschlagen müssen, denn es ist unmöglich, daß so Glück als Unglück immer daure. Hieraus folgt, daß, da wir viel Unglück überstanden, das Glück uns nahe sein muß. Darum laß die Betrübnis über Widerwärtigkeiten, die mir zustoßen, da sie dich nicht mit betreffen.« »Also nicht?« antwortete Sancho, »war denn der, den sie gestern prellten, ein anderer als ich in eigener Person? Und der Schnappsack, der heute mit allen meinen Habseligkeiten weg ist, gehört wohl einem anderen als mir?« »Also der Schnappsack ist weg?« fragte Don Quijote. »Freilich ist er weg,« antwortete Sancho. »Auf die Weise haben wir heute nichts zu essen,« erwiderte Don Quijote. »Es wäre übel,« versetzte Sancho, »wenn hier auf den Wiesen nun auch alle die Kräuter weg wären, die Euer Gnaden kennt, wie Ihr sagt, mit denen sich, wenn alles weg war, unglückliche irrende Ritter, wie Ihr einer seid, behelfen.« »Mit alledem,« antwortete Don Quijote, »wäre mir jetzt ein Laib Brot und ein Stückchen Hering viel erwünschter als alle Kräuter, die Dioscorides beschreibt, selbst mit den Erläuterungen des Doktor Laguna. Aber vor allen Dingen besteige dein Tier, Sancho, mein Getreuer und folge mir: denn Gott, der für alle sorgt, wird auch uns nicht vergessen, da wir besonders alles, was wir arbeiten, zu seinem Dienste arbeiten, denn er speist die Fliegen in der Luft, die Gewürme der Erde und die kleinen Kreaturen der Flut; seine Güte läßt die Sonne über Böse und Gute aufgehen, er regnet auf die Gerechten und Ungerechten.« »Euer Gnaden«, sagte Sancho, »taugt besser zum Prediger als zum irrenden Ritter.« »Die irrenden Ritter, Sancho, verstehen alles und müssen alles verstehen,« antwortete Don Quijote, »denn ein irrender Ritter aus den verflossenen Jahrhunderten mußte, wenn es die Gelegenheit gab, eine Rede oder Predigt mitten auf freiem Felde halten können, so gut, als wenn er auf der Universität Paris den Gradus empfangen hätte: woher es sich auch schreibt, daß die Lanze nicht die Feder schmäht, die Feder nicht die Lanze.« »Es gehe so, wie Euer Gnaden sagt,« antwortete Sancho, »wir wollen weiter und für die Nacht ein Unterkommen suchen und Gott möge uns nur an einen Ort führen, wo es keine Bettücher und Preller gibt, keine Gespenster oder verzauberte Mohren, denn wenn das wieder kömmt, so mag der Teufel vollends Sack und Pack holen.« »Bitte du Gott, mein Sohn«, sagte Don Quijote, »und nimm du selbst den Weg, welchen du willst, denn dieses Mal soll es auf deine Wahl in Ansehung des Unterkommens beruhen. Gib mir aber die Hand und fühle mit dem Finger, wie viele Vorder- und Backenzähne mir rechts in der Kinnlade fehlen, denn dorten fühle ich den Schmerz.« Sancho steckte die Finger hinein, fühlte aufmerksam und fragte: »Wie viele Backenzähne hatten Euer Gnaden denn sonst auf dieser Seite?« »Vom Augenzahne vier,« antwortete Don Quijote, »alle vollständig und gesund.« »Bedenkt wohl, was Ihr sagt,« antwortete Sancho. »Viere sage ich, oder gar fünf,« erwiderte Don Quijote, »denn weder Vorder- noch Backenzahn habe ich mir jemals in meinem Leben ausziehen lassen, auch ist mir keiner von Krankheit oder Flüssen ausgefallen.« »Hier auf der unteren Kinnlade,« sagte Sancho, »habt Ihr zwei Backenzähne und einen halben, in der oberen aber keinen halben und keinen ganzen, denn alles ist so platt wie meine flache Hand.« »O ich Elender!« rief Don Quijote aus, als ihm sein Stallmeister diese traurige Neuigkeit hinterbrachte, »ich hätte lieber einen Arm hingegeben, nur nicht den, der das Schwert regiert, denn du mußt wissen, Sancho, ein Mund ohne Backenzähne ist wie eine Bäckerei ohne Backofen und ein Zahn ist viel höher als ein Diamant zu achten. Aber allem diesen sind die unterworfen, die wir uns zum strengen Orden der Ritterschaft bekennen; also steige auf, mein Freund, und führe an, denn ich will dem Wege folgen, den du aussuchst.« Sancho tat es und richtete sich dahin, wo er eine Herberge erwartete, ohne den Weg zu verlassen, auf dem er sich eben befand. So zogen sie langsam fort, denn der Schmerz der Kinnbacken erlaubte Don Quijote nicht, still zu sein oder sehr zu eilen. Sancho bemühte sich also, ihm einige Unterhaltung und Ergötzung zu verursachen, und unter anderen Dingen, die er vortrug, war auch das, was man im folgenden Kapitel erzählen wird. ~Fünftes Kapitel~ Weises Gespräch, welches Sancho mit seinem Herrn führte; Abenteuer, welches diesem mit einem Leichnam begegnete und andere preiswürdige Begebenheiten «Ich glaube, gnädiger Herr, daß alle die Unglücksfälle, die uns in diesen Tagen begegnet sind, gewiß eine Strafe vorstellen, weil Ihr Euch gegen den Orden Eurer Ritterschaft versündigt habt, denn Ihr habt Euren Schwur nicht in Erfüllung gesetzt, auf keinem Tischtuch zu essen und nicht mit der Königin Euch zu ergötzen nebst allen übrigen Zubehör, was Ihr, gnädiger Herr, alles zu tun geschworen habt, bis Ihr die Blechhaube von dem Schandriem oder wie der Mohr sonst heißen mag, denn das weiß ich jetzt nicht, erobert habt.« »Sehr hast du recht, Sancho,« antwortete Don Quijote, »aber die Wahrheit zu sagen, es war meinem Gedächtnisse entfallen und du kannst ebenfalls vergewissert sein, daß zur Strafe, weil du mich nicht zeitig genug erinnert, dich die Prelle betroffen hat. Aber ich will es wieder gut machen, denn im Orden der Ritterschaft gibt es für alle Dinge Mittel.« »Aber hab' ich denn, um Gotteswillen, geschworen?« fragte Sancho. »Es kommt nicht in Betracht, ob du geschworen hast,« antwortete Don Quijote, »denn soviel ich einsehen kann, bist du nicht völlig vor aller Teilnehmung gesichert, es mag nun aber sein oder nicht, so ist es nicht undienlich, auf ein Mittel zu denken.« »Wenn die Sachen so stehen,« sagte Sancho, »so trachtet ja, gnädiger Herr, daß Ihr es nicht ebenso wie den Schwur vergeßt, sonst kriegen die Gespenster wohl von neuem Lust, sich mit mir Spaß zu machen und vielleicht verfallen sie auch auf Euch, wenn sie Eure Hartnäckigkeit gewahr werden.« Unter diesen und anderen Gesprächen überfiel sie auf dem Wege die Nacht, ohne daß sie einen Ort entdecken konnten, wo sie die Nacht zubringen möchten; das Schlimmste aber war, daß sie fast vor Hunger starben, denn mit ihrem Schnappsacke war ihnen auch aller Vorrat an Lebensmitteln verschwunden und um ihr Unglück vollständig zu machen, ereignete sich ein Abenteuer, das in der Tat und ohne künstliche Nachhilfe eins war, die Nacht brach nämlich mehr mit zunehmender Finsternis herein. Sie setzten aber dennoch ihren Weg fort, denn Sancho glaubte in zwei oder drei Stunden gewiß auf eine Schenke zu treffen, da sie sich auf dem großen Wege befanden. Indem sie so fortzogen, die Nacht finster, der Stallmeister hungrig und der Herr nach Speise lüstern war, sahen sie, daß ihnen auf ihrer Straße eine Menge von Lichtern entgegen kamen, die Sterne schienen, die sich bewegten. Sancho erschrak, indem er es bemerkte und dem Don Quijote war es nicht ganz unheimlich; jener zog den Strick seines Esels, dieser den Zaum seines Pferdes an und so standen sie beide und schauten aufmerksam hin, was sich daraus ergeben würde; sie sahen, wie ihnen die Lichter entgegenzogen und wie sie immer größer wurden, je näher sie ihnen kamen. Bei dieser Wahrnehmung fing Sancho an wie Espenlaub zu zittern und dem Don Quijote richteten sich auf dem Haupte die Haare in die Höhe; er ermannte sich aber ein wenig und sagte: »Ohne Zweifel, Sancho, ist dieses das allergrößte und furchtbarste Abenteuer, in welchem es vonnöten sein wird, alle meine Gewalt und Kraft aufzubieten.« »Ach ich Unglückskind!« antwortete Sancho, »wenn das Abenteuer aus Gespenstern besteht, wie es sich fast dazu anläßt, wo einen Buckel hernehmen, um alles auszuhalten?« »Seien es immerhin Gespenster,« sagte Don Quijote, »so werde ich dennoch nicht zugeben, daß sie dir nur ein einziges Haar krümmen, trieben sie jüngst ihren Scherz mit dir, so durften sie's, weil ich nicht auf die Mauer des Hofes konnte, aber jetzt befinden wir uns in offenem Felde, wo ich, soviel ich nur mag, Hiebe mit meinem Schwerte ausholen kann.« »Wenn sie nun das Schwert bezaubern und kraftlos machen, wie sie schon so oft getan haben,« sagte Sancho, »was hilft's da, das Feld mag frei sein oder nicht?« »Sei es wie es will,« versetzte Don Quijote, »so bitte ich dich, Sancho, einen guten Mut zu fassen, denn die Erfahrung wird dir zeigen, wie ich dieses Unternehmen anfassen will.« »Gott gebe, daß es so verfaßt werde,« sagte Sancho und zugleich stellten sie sich auf die Seite des Weges, um von neuem aufmerksam hinzusehen, was das doch mit den wandernden Lichtern sein möchte und so entdeckten sie nach und nach viele Gestalten in weißen Gewändern, bei deren fürchterlichem Anblicke Sancho Pansa vollends den letzten Mut verlor und so mit den Zähnen klapperte, als wenn ihn ein Fieber ergriffe, wobei sein Zittern und Zähneklappen sich in dem Maße vermehrte, in welchem sie die Gegenstände genauer erkennen konnten. Denn sie sahen nun wohl zwanzig in weißen Hemden, alle beritten, mit brennenden Fackeln in den Händen, hinter denen eine Bahre folgte, mit Schwarz behängt, der sechs andere Gestalten beritten nachzogen, in schwarzen Flören bis auf die Füße ihrer Maultiere hinunter verhüllt, denn daß es keine Pferde waren, sah man an dem langsamen Gange; die in den weißen Hemden murmelten etwas mit dumpfer und kläglicher Stimme. Diese wunderbare Erscheinung in der Stunde und an diesem einsamen Orte war gewiß vermögend, das Herz Sanchos mit Furcht zu erfüllen, auch selbst das seines Gebieters und Don Quijote gab auch der Furcht ein wenig Raum als Sancho schon von den letzten Funken seines Mutes verlassen war: der Gebieter aber ermunterte sich bald, der sich stracks lebhaft in seiner Phantasie vorbildete, wie dieses eines von den Abenteuern aus seinen Büchern sei. Er machte nämlich in seinen Gedanken die Trage zu einer Totenbahre, auf welcher sich ein schwer verwundeter oder toter Ritter befände, den zu rächen ihm allein vorbehalten sei: er legte also ohne weiteres Bedenken die Lanze ein, setzte sich dann im Sattel fest und lagerte sich dann mit edlem Anstande und Bezeigen in der Mitte des Weges, wo die weißen Gestalten durchaus vorbei mußten, die er mit lauter Stimme, als er sie nahe genug befand, also anredete: »Haltet an, Ritter, wer ihr auch sein mögt, Rechenschaft zu geben, wer ihr seid, woher ihr kommt, wohin ihr geht, wer derjenige ist, den ihr auf der Bahre mit euch führt, denn nach dem äußeren Anscheine habt ihr Unrecht entweder verübt oder erlitten und es geziemt sich und ist vonnöten, daß ich solches wisse, um euch für das Unheil, welches ihr gestiftet, zu züchtigen oder euch für die Ungebühr zu rächen, die man an euch verübt.« »Wir haben Eile«, antwortete einer von den Weißen, »und die Schenke ist noch weit, so daß wir uns nicht aufhalten können, die Rechenschaft zu geben, die Ihr verlangt.« Hiermit trieb er sein Maultier an und wollte weiter. Diese Antwort wurde von Don Quijote höchlich übel empfunden, er faßte also den Zügel und sagte: »Haltet an und seid höflicher, gebt mir die Rechenschaft, die ich verlange, oder ich muß euch insgesamt bekämpfen.« Das Maultier war scheu und erschrak so sehr als es den Zügel gehalten fühlte, daß es sich bäumte und rücklings seinen Reiter auf den Boden warf. Ein Bursche zu Fuß, der den im Hemde niederstürzen sah, schimpfte hierauf auf Don Quijote, der, schon im Zorn entbrannt, nichts Besseres wünschte, die Lanze faßte, einen von den Schwarzbeflorten angriff und ihn verwundet zu Boden legte; nun machte er sich an die übrigen, und es war eine Freude, zu sehen, wie gewandt und schnell er angriff und auf sie einhieb, so daß es schien, als wenn in diesem Augenblicke an Rosinante Flügel gewachsen wären, von solcher Flüchtigkeit und Majestät war sein Betragen. Die in den Hemden waren furchtsame und unbewaffnete Leute, sie verließen also sogleich ohne Widerstand den Kampf und flüchteten mit den brennenden Fackeln über das Feld weg, so daß es nicht anders aussah, als wenn sie eine Maskerade in einer lustigen, schwärmerischen Nacht aufführen wollten. So konnten sich auch die Leidtragenden, von ihren Schleppen und Unterkleidern zurückgehalten und festgehalten, nicht zur Wehr setzen, so daß auch auf alle diese Don Quijote nach Herzenslust einprügelte und sie ihm erschreckt gern das Feld überließen, denn sie alle hielten ihn nicht für einen Menschen, sondern für den Teufel aus der Hölle, der gekommen sei, um den Leichnam abzuholen, den sie auf der Bahre mit sich führten. Sancho schaute mit Verwunderung der großen Keckheit seines Gebieters zu und sagte bei sich selber: gewiß ist doch mein Herr so tapfer und gewaltig wie er immer sagt. Eine brennende Fackel lag auf der Erde neben dem, den Don Quijote zuerst vom Maultiere geworfen; bei ihrem Scheine sah ihn dieser, ging zu ihm, setzte ihm die Spitze der Lanze ins Gesicht und verlangte, daß er sich unterwerfen möge, falls er ihn nicht umbringen solle; worauf der Liegende antwortete: »Ich bin nur zu sehr unterworfen, denn ich kann mich nicht rühren und habe ein Bein gebrochen; ich bitte Euch, gnädiger Herr, wofern Ihr ein christlicher Ritter seid, mich nicht umzubringen. Ihr würdet damit eine Sünde gegen die Kirche begehen, denn ich bin ein Lizentiat und habe die ersten Orden.« »Welcher Teufel führt Euch denn hierher,« sagte Don Quijote, »da Ihr ein Mann der Kirche seid?« »Kein Teufel, gnädiger Herr,« versetzte der Gefallene, »sondern mein Unstern.« »Noch ein größerer ist über Euch verhängt,« sagte Don Quijote, »wenn Ihr mir nicht gleich auf meine anfängliche Frage genug tut.« »Ich will Euer Gnaden mit wenigen Worten genugtun,« antwortete der Lizentiat, »und also müßt Ihr wissen, daß, obgleich ich sagte, ich sei Lizentiat, ich doch nur Bakkalaureus bin und Alonzo Lopez heiße; ich bin aus Alcoverdas und komme jetzt mit elf anderen Priestern, die mit ihren Fackeln entflohen sind, von Baeza; wir wollen nach der Stadt Segovia und führen einen Leichnam, der auf jener Bahre liegt, einen Ritter, der in Baeza starb, wo er beigesetzt ward und dessen Gebeine wir jetzt, wie gesagt, in sein Familienbegräbnis nach Segovia führen, in welcher Stadt er geboren ist.« »Und wer hat ihn umgebracht?« fragte Don Quijote. »Gott, vermittels eines tödlichen Fiebers, welches er ihm schickte,« antwortete der Bakkalaureus. »So hat mich also«, sagte Don Quijote, »der Herr des Himmels der Mühe überhoben, seinen Tod zu rächen, wenn ihn ein anderer verursacht hätte; da es aber der getan hat, der ihn erschlagen hat, so kann ich weiter nichts tun, als schweigen und die Achseln zucken, wie ich auch tun müßte, wenn er mich selber schlüge. Ihr, ehrwürdiger Herr, müßt also nur noch erfahren, daß ich ein Ritter aus la Mancha bin, Don Quijote genannt, dessen Amt und Beruf es ist, durch die Welt ziehen, um Ungeradheiten gerade zu machen und allen Beschwerden abzuhelfen.« »Ich sehe nicht ein, wie das Ungeradheiten gerademachen heißt,« sagte der Bakkalaureus, »denn was mir gerade war, habt Ihr krumm gemacht, weil ich ein Bein gebrochen habe, welches vielleicht Zeit meines Lebens nicht wieder gerade wird, und die Beschwerde, der Ihr bei mir abgeholfen habt, besteht darin, daß Ihr mir eine Beschwerde zugezogen habt, die mir wohl auf immer beschwerlich fallen wird, und daß Ihr auf Abenteuer zieht, hat mir ein Unglück zugezogen, das mir teuer genug wird zu stehen kommen.« »Nicht alle Dinge«, antwortete Don Quijote, »geschehen auf gleiche Weise; das Unglück, Herr Bakkalaureus Alonzo Lopez war, daß, wie Ihr so durch die Nacht zogt, mit Euren Umhängseln und den brennenden Fackeln, brummelnd, Trauergewänder schleppend, Ihr mir ganz eigentlich als böse Geister aus der Unterwelt vorkamt, deshalben konnte ich nicht meine Pflicht vernachlässigen Euch anzugreifen und ich hätte Euch angegriffen, wenn ich auch unumstößlich überzeugt gewesen wäre, daß Ihr leibhaftige Teufel aus der Hölle seiet, als wofür ich Euch ansah und hielt.« »Da mir also dies mein schlimmes Glück zugezogen hat,« sagte der Bakkalaureus, »so bitte ich nur Euer Gnaden, den Herrn irrenden Ritter, der mich in so großes Irrsal versetzt hat, mir doch unter dem Maultiere hervorzuhelfen, denn das eine Bein steckt mir zwischen Steigbügel und Sattel.« »Wir reden schon seit einer Stunde miteinander,« antwortete Don Quijote, »warum wartet Ihr so lange, mir Euer Bedrängnis zu sagen?« Zugleich rief er Sancho Pansa zu, daß er herbeikommen möchte; dieser aber war mit dem Herbeikommen nicht eilig, denn er war in Arbeit, einen Küchenesel abzupacken, den die wackeren Herrn trefflich mit Eßwaren versorgt mit sich führten. Sancho machte einen Sack aus seinem Mantel und stopfte so viel er nur mochte und konnte in den Beutel hinein, lud ihn auf sein Tier, worauf er sich zu seinem Herrn begab und dem Herrn Bakkalaureus unter dem Maultiere hervorhalf, ihn hinaufsetzte und ihm seine Fackel reichte. Don Quijote sagte ihm hierauf, daß er sich wieder zu seinen Gefährten begeben möchte, die er seinerseits der Beschwer halber um Verzeihung bäte, da es nicht in seiner Gewalt gestanden, sie zu unterlassen. Sancho sagte hierauf: »Wenn diese Herren vielleicht wissen wollen, wer der tapfere Mann gewesen, der ihnen so zugesetzt, so sagen Euer Ehrwürden dreist, er sei der berühmte Don Quijote von la Mancha, der sich mit einem anderen Namen nennt der Ritter von der traurigen Gestalt.« Hiermit entfernte sich der Bakkalaureus und Don Quijote fragte Sancho, was ihn bewogen, ihn noch nie als jetzt erst den Ritter von der traurigen Gestalt zu nennen. »Ich will es Euch sagen,« antwortete Sancho; »ich habe Euch eine Weile bei dem Scheine der Fackel betrachtet, die dem armen Manne gehörte und da spielte Euer Gnaden wahrhaftig die jämmerlichste Gestalt, die ich noch in meinem Leben gesehen habe, ob es nun davon kam, daß Ihr Euch im Streit so angriffet oder weil Euch die Vorder- und Backenzähne fehlen, weiß ich nicht zu sagen.« »Es ist nicht dieses,« antwortete Don Quijote, »sondern dem Weisen, dem es vorbehalten ist, die Geschichte meiner Taten zu schreiben, hat es geschienen, daß es gut sei, wenn ich mir noch einen anderen Beinamen erwählte, wie es alle Ritter der Vorzeit getan haben; denn so hieß einer der Ritter vom brennenden Schwerte, ein anderer der vom Einhorn, jener von den Jungfrauen, dieser der vom Vogel Phönix, ein anderer der Ritter vom Greifen, noch ein anderer der des Todes, und bei diesen Namen und Wahrzeichen waren sie auf der Fläche der ganzen Erde bekannt: also, sage ich dir, hat der schon genannte Weise es deiner Zunge und deinen Gedanken eingegeben, mich den Ritter von der traurigen Gestalt zu nennen, wie ich mich auch von jetzt in Zukunft zu nennen gedenke, und damit sich ein solcher Namen noch besser für mich schickt, bin ich willens, wenn es die Gelegenheit fügt, auf meinem Schilde eine überaus klägliche Gestalt abmalen zu lassen.« »Wir brauchen mit dieser Gestalt nicht Zeit und Geld wegzuwerfen,« sagte Sancho, »sondern was Ihr tun könnt, ist, Eure eigene Gestalt sehen zu lassen und denen, die Euch betrachten, Euer Antlitz zu zeigen, weiter braucht's dann nichts, denn ohne ein anderes Bild oder Inschrift werden sie Euch gewiß den von der traurigen Gestalt nennen. Das ist gewißlich wahr, denn ich versichere Euer Gnaden (das sage ich aber um zu spaßen), daß der Hunger und die ausgeschlagenen Backzähne Euer Gesicht so übel zugerichtet haben, daß Ihr, wie schon gesagt, die traurige Malerei gar wohl entbehren könnt.« Don Quijote lachte über Sanchos Scherzhaftigkeit, nahm sich aber doch vor, sich bei diesem Namen zu nennen, sowie er sich auch nach seinem Vorsatze seinen Schild wolle bemalen lassen; er sagte: »Ich weiß, Sancho, daß ich in die Strafe der Exkommunikation verfallen bin, indem ich die Hände gewaltsamerweise an ein Mitglied der Kirche gelegt, =juxta illud: si quis suadente diabolo etc.=, aber ich weiß auch, daß ich nicht die Hände, sondern nur die Lanze angelegt, wobei ich überdies glaubte, keinen Priester oder heiligen Mann zu verletzen, die ich alle achte und verehre, wie es einem katholischen rechtgläubigen Christen geziemt, sondern ich hielt sie für Gespenster und Scheusale aus der Unterwelt; wäre aber auch dieses nicht, so gedenke ich daran, was sich mit dem Cid Rai Diaz zutrug, als er den Stuhl eines königlichen Gesandten in Gegenwart des heiligen Vaters, des Papstes, zertrümmerte, worauf ihn dieser exkommunizierte, der wackere Rodrigo de Vivar aber darum immer ein geehrter und tapferer Ritter blieb.« Der Bakkalaureus hörte dieses mit an und zog hierauf, wie schon gesagt, fort, ohne irgend etwas zu antworten. Don Quijote wollte nun nachsehen, ob der Leichnam auf der Bahre nur aus Gebeinen bestände oder nicht, aber Sancho gab es nicht zu, sondern sagte: »Gnädiger Herr, Ihr habt dieses gefährliche Abenteuer von allen, die ich mit angesehen habe, am allerschönsten beendigt. Diese Leute, wenn sie auch jetzt überwunden und geschlagen sind, könnten darauf kommen, daß sie doch nur von einem einzigen Manne überwunden wären, deshalb aufgebracht und beschämt möchten sie umkehren und uns suchen, um uns noch das Nötige beizubringen. Der Esel ist wie er nur sein muß, das Gebirge nahe, der Hunger groß; das beste wäre also, wir zögen uns nun ganz sanft und leutselig zurück und so gehe denn, wie man sagt, der Tote nach dem Grabmahle, der Lebendige nach dem Brotschranke.« Mit diesen Worten trieb er seinen Esel voran und bat seinen Herrn, ihm zu folgen, dem es auch schien, daß Sancho nicht unrecht habe, und ihm also ohne Widerspruch nachritt. Sie waren nicht lange zwischen zwei Bergen fortgezogen, als sie sich in einem geräumigen und abgelegenen Tale befanden, wo sie stillehielten und Sancho seinen Esel ablud. Auf dem grünen Boden gelagert, vollbrachten sie nun mit der Würze des Hungers zugleich ihr Frühstück, Mittagsmahl, Vesperbrot und Abendessen, indem sie ihren Magen mit den mancherlei Gerichten sättigten, die die Herren Geistlichen des Verstorbenen, die selten ohne Versorgung sind, auf ihrem Küchenesel bei sich gehabt hatten. Es erfolgte aber eine neue Widerwärtigkeit, die Sancho für die schlimmste von allen hielt, daß sie nämlich keinen Wein zu trinken hatten, ja nicht einmal Wasser, um den Mund naß zu machen; so vom Durst gepeinigt sagte Sancho, da er die Wiese, auf welcher sie waren, mit kurzem frischem Grase bedeckt sah, was man im folgenden Kapitel erfahren wird. ~Sechstes Kapitel~ Von dem unerhörten und nie gesehenen Abenteuer, welches kein weltberühmter Ritter mit weniger Gefahr vollbracht, als es vom tapferen Don Quijote von la Mancha vollbracht wurde »Es ist nicht anders möglich, gnädiger Herr, denn diese Kräuter geben ein aufrichtiges Zeugnis davon, als daß hier herum eine Quelle oder ein Strom sich befinden muß, der diese Kräuter naß macht, darum wäre es wohl dienlich, wenn wir etwas weiter gingen, damit wir irgend etwas antreffen, womit wir diesen schrecklichen Durst löschen könnten, der uns quält und der wahrhaftig noch mehr als der Hunger peinigt.« Dieser Rat schien dem Don Quijote gut, er nahm also den Rosinante beim Zügel, Sancho nahm seinen Esel beim Stricke, auf welchen die Überbleibsel ihres Nachtessens geladen wurden, und so zogen sie tappend über die Wiese, denn die Finsternis der Nacht war so groß, daß sie nicht vor sich sehen konnten. Sie hatten noch keine zweihundert Schritte gemacht, als sie das gewaltige Gebrause eines Wassers hörten, wie wenn es sich von hohen und steilen Felsen herunterstürzte. Dieses Brausen war ihnen sehr erfreulich und sie hielten still, um zu unterscheiden, von welcher Seite das Geräusch komme; indem aber hörten sie ein anderes Rauschen, das ihnen die Freude über das Wasser verwässerte, dem Sancho besonders, der von Natur furchtsam und kleinmütig war: sie hörten nämlich, wie taktmäßig gewisse Schläge ertönten, zugleich mit einem Gerassel von Eisen und Ketten; dies, mit dem fürchterlichen Rauschen des Wassers verbunden, hätte jedes andere Gemüt als das des Don Quijote mit Furcht erfüllt. Die Nacht war, wie gesagt, dunkel, und sie standen jetzt unter einigen hohen Bäumen, deren Blätter, vom sanften Winde erregt, still und schauerlich rauschten, so daß die Einsamkeit, der Ort, die Dunkelheit, das Geräusch des Wassers und das Flüstern der Blätter Furcht und Grausen erwecken durften, da sie überdies sahen, wie die Schläge nicht aufhörten, der Wind nicht ruhig wurde, noch der Morgen anbrach, wobei ihnen noch die Gegend völlig unbekannt war, in der sie sich befanden; doch Don Quijote, angefrischt von seinem furchtlosen Herzen, bestieg den Rosinante, nahm den Schild, faßte die Lanze und sprach: »Freund Sancho, wissen mußt du, daß ich geboren bin, um vom Himmel herab in dieser unserer ehernen Zeit das Alter zu rufen, welches man nur das von Gold oder das goldene zu nennen pflegt. Ich bin es, dem Gefahren, große Tathandlungen, mächtiges Unterfangen aufbewahrt sind: ich bin, sage ich noch einmal, derjenige, der die Tafelrunde, die zwölf französischen Pairs, die neun Helden erwecken muß, ja ich muß die Platirs, die Tablantes, Olivantes und Tirantes, die des Phöbus und die Belianis in Vergessenheit bringen, samt der ganzen Schar berühmter irrender Ritter in vormaligen Jahrhunderten, indem ich in unserem gegenwärtigen Jahrhunderte dergleichen Großtaten ausüben werde, so wunderseltsame Waffenkämpfe, daß sie die glorreichsten verdunkeln müssen, die jene jemals vollbrachten. Du merkst, getreuer und redlicher Edelknabe, wohl die Finsternisse dieser Nacht, die wundersame Einsamkeit, dieses leise verwirrende Flispern der Bäume, das fürchterliche Rauschen jenes Wassers, welches wir aufsuchten und das herniederzustürzen und zu brausen scheint von mondhohen, steilen Gebirgen, samt dem unaufhörlichen Schlagen, das unsere Ohren trifft und sie verwundet, welche Dinge zusammen, ja jedes für sich hinreichen, Furcht, Schrecken und Grausen selbst der Brust des Mars einzuflößen, wie vielmehr dem Herzen desjenigen, der nicht gewöhnt ist an dergleichen Begegnissen und Abenteuern. Alles aber, was ich dir geschildert, sind ebensoviel Erwecker und Entzünder meines Mutes, so daß mir das Herz im Busen vor Begierde springt, mich in dieses Abenteuer einzulassen, stelle es sich gleich mit den furchtbarsten Schwierigkeiten entgegen. Darum also ziehe dem Rosinante den Sattelgurt ein wenig zusammen und lebe wohl, erwarte mich hier drei Tage und nicht länger, wenn ich in so vieler Zeit nicht zurückkehre, magst du nach unserer Heimat zurückkehren und von dort, um etwas Edles und Verdienstliches zu tun, dich nach Toboso wenden und der unvergleichlichen Herrin, meiner Dulzinea, verkündigen, daß ihr gefangener Ritter umgekommen sei, indem er sich Taten unterfangen, die ihn würdig gemacht hätten, sich den Ihrigen zu nennen.« Als Sancho diese Reden seines Herrn hörte, fing er an überaus kläglich zu weinen und sagte: »Gnädiger Herr, ich weiß gar nicht, warum Ihr Euch doch mit solchem gräßlichen Abenteuer einlassen wollt; es ist jetzt Nacht, kein Mensch sieht uns hier, wir können ja schnell umlenken und der Gefahr aus dem Wege gehen, wenn wir auch in drei Tagen nichts trinken sollten; da uns auch kein Mensch hier sieht, so kann uns ja auch keiner für feige Leute ausgeben; da ich noch überdies den Pfarrer in unserm Dorfe, den Ihr wohl auch kennen werdet, habe predigen hören, daß, wer sich mutwillig in Gefahr begibt, darin umkomme; also ist es nicht gut, Gott so in Versuchung zu führen und so ein gräßliches Wesen anzugreifen, wo man nicht anders als durch ein Wunderwerk entrinnen kann; da der Himmel überdies so viel für Euch schon getan hat, indem er Euch von der Prelle lossprach, die mich betroffen, indem Ihr als Sieger gesund und frei aus dem Treffen mit der großen Schar kamt, die den Verstorbenen begleiteten; rührt und bewegt aber alles dieses noch nicht Euer hartes Herz, so glaubt nur zuverlässig, und der Gedanke muß Euch bewegen, daß, sowie Ihr von mir geht, ich aus Furcht dem meine Seele gebe, der sie nur mitnehmen mag. Ich habe Vaterland, Weib und Kinder verlassen, um in Eure Dienste zu kommen, weil ich mich zu verbessern, aber nicht zu verschlimmern dachte, aber freilich allzuviel zerreißt den Sack, und so sind auch meine Hoffnungen in die Brüche gefallen, denn anstatt daß ich nun die verfluchte Unglücksinsel bald bekommen sollte, die Ihr mir so oft versprochen habt, werde ich dafür lieber gar an einem wüsten Orte allein gelassen, den kein menschlicher Fuß betritt. Oh, um tausend Gottes willen, gnädiger Herr, fügt mir nicht ein so erschreckliches Unglück zu, oder wenn Ihr denn ja durchaus darauf bestehen wollt, Euch dieser Tat zu unterfangen, so wartet doch wenigstens bis zum Morgen, denn soviel ich mit meiner Kunst begreife, die ich als Schäfer gelernt habe, muß binnen drei Stunden Tagesanbruch sein, denn der Kopf des kleinen Bären steht ganz gerade über uns, und Mitternacht ist, wenn er sich unter der Linie linker Hand befindet.« »Wie kannst du, Sancho,« antwortete Don Quijote, »diese Linie oder das Gesicht oder Kopf gewahr werden, wovon du sprichst, da die Nacht so finster ist, daß kein einziger Stern am Himmel scheint?« »Freilich ist kein Stern da,« sagte Sancho, »aber die Furcht hat so viele Augen, daß sie die Dinge unter der Erde sehen kann, geschweige denn am Himmel, und es läßt sich auch schon aus dem puren Verstande begreifen, daß es nicht mehr weit vom Tage sein kann.« »Dem sei wie ihm wolle,« antwortete Don Quijote, »man soll weder jetzt noch jemals von mir sagen können, daß Tränen und Bitten mich abgehalten, das zu tun, was ich meiner Ritterpflicht schuldig bin: also bitte ich dich, Sancho, ruhig zu sein, denn der Gott der es mir ins Herz gepflanzt, mich in dieses nie gesehene und entsetzliche Abenteuer einzulassen, wird auch für meine Wohlfahrt sorgen und dich in deiner Traurigkeit trösten: was dir jetzt obliegt, ist, dem Rosinante den Sattelgurt festzumachen und dann hier zu warten, denn ich kehre bald, lebendig oder tot, zurück.« Da Sancho sah, wie unerschütterlich der Entschluß seines Herrn sei, wie wenig über ihn seine Tränen, Ratschläge und Bitten vermochten, wollte er die Probe machen, was er durch List ausrichten könne, daß er wohl den Tag erwarten müsse; indem er also dem Pferde den Sattelgurt festzog, band er zugleich sacht und unbemerkt mit dem Stricke seines Esels dem Rosinante beide Beine zusammen, so daß Don Quijote, als er nun fortreiten wollte, es nicht konnte, weil sich das Pferd nicht anders als in Sprüngen bewegte. Als Sancho den guten Erfolg seiner Hinterlist bemerkte, sagte er: »Seht, gnädiger Herr, wie von meinen Tränen und Bitten bewegt, es der Himmel so verordnet, daß sich Rosinante nicht bewegen kann, wollt Ihr nun doch auf Eurem Sinn beharren und ihn spornen und anreizen, so werdet Ihr dadurch das Glück nur böse machen und, wie man sich auszudrücken pflegt, gegen den Stachel lecken.« Don Quijote wollte hierüber verzweifeln, denn je mehr er dem Pferde die Sporen gab, je weniger wollte es sich fortbewegen, und ohne auf den Verband zu verfallen, faßte er den Entschluß, ruhig zu bleiben und zu warten, ob es entweder Morgen werden oder Rosinante berühriger werden möchte, weil er gewiß die Schuld jeder anderen Ursache, nur nicht Sanchos Erfindsamkeit beimaß, er sagte also: »Da dem so ist, Sancho, daß Rosinante sich nicht bewegen kann, so muß ich damit zufrieden sein, zu warten, bis mir die Morgenröte lacht, obgleich ich darüber weine, daß sie ihre Ankunft verzögern wird.« »Ihr braucht nicht zu weinen,« antwortete Sancho, »denn ich will Euch Zeitvertreib genug verschaffen und bis zum Tage Geschichten erzählen, wenn Ihr nicht etwa absteigen und auf dem frischen Grase nach irrender Ritter Weise schlafen wollt, damit Euch der Tag noch munterer findet und Ihr um so besser das entsetzliche Abenteuer, worauf Ihr wartet, anfassen könnt.« »Was nennst du absteigen oder schlafen?« sagte Don Quijote, »gehöre ich denn etwa zu jenen Rittern, die Ruhe in den Gefahren suchen? Schlaf du, der du zum Schlafen geboren bist oder tue, was du willst, ich werde meinerseits das tun, was meiner Würde am besten zusteht.« »Seid nicht böse, mein lieber gnädiger Herr,« antwortete Sancho, »ich hab's nicht darum gesagt;« zugleich drängte er sich dicht an ihn, stemmte die eine Hand auf den vorderen Sattelknopf, die andere auf das Hinterteil des Sattels, so daß er den linken Schenkel seines Herrn umarmt hielt, ohne es zu wagen, sich einen Finger breit zu entfernen: solche Furcht flößten ihm die Schläge ein, die unaufhörlich abwechselnd erklangen. Don Quijote sagte, er möchte nun zur Unterhaltung eine Geschichte erzählen, wie er es versprochen habe, worauf Sancho erwiderte, daß er es tun wolle, wenn ihn die Furcht vor dem Spektakel dazu kommen ließe; »aber ich will mich dennoch anstrengen, eine Historie vorzutragen, die, wenn mir die Erzählung gelingt und ich Schwarz und Weiß noch unterscheiden kann, gewiß vor allen anderen die schönste Historie ist; nun aber gebt acht, denn ich fange an. Es war das, was war, das Gute, das uns kömmt, sei mit allen, das Schlimme sei mit dem, der es aufsucht; merkt nämlich, gnädiger Herr, wie die Alten ihre Märlein nicht auf diese Weise anfingen wie wir heutzutage, sondern mit einer Sentenz des weisen Coriander aus Griechenland, welcher sagte: ›das Schlimme sei mit dem, der es aufsucht‹, welches sich hier paßt wie der Schuh auf den Fuß, damit Euer Gnaden sich ruhig halte und nirgends hingehe, um das Schlimme zu suchen, sondern daß wir lieber einen anderen Weg einschlagen, denn kein Mensch zwingt uns ja, diesen zu verfolgen, auf dem so vielerlei Schrecken auf uns lauern.« »Verfolge du, Sancho, deine Erzählung,« sagte Don Quijote, »aber für den Weg, den wir zu verfolgen haben, überlaß mir die Sorge.« »Ich sage also,« fuhr Sancho fort, »daß in einem Dorfe von Estremadura ein Ziegenhirt von Schäfer wohnte, ich will nämlich sagen, der Ziegen hütete; dieser Schäfer oder Ziegenhirt also, wie ihn meine Geschichte nennt, hieß Lope Ruiz, und dieser Lope Ruiz war in eine Schäferin verliebt, die Torralva hieß; diese Schäferin, die Torralva hieß, war die Tochter von einem reichen Hirten, und dieser reiche Hirte -- --« »Wenn du so deine Erzählung erzählst, Sancho,« sagte Don Quijote, »und immer zweimal das eben Gesagte wiederholst, so wirst du in zwei Tagen nicht fertig; sprich ordentlich und erzähle wie ein vernünftiger Mensch, wo nicht, so laß es gar bleiben.« »Geradeso, wie ich erzähle,« antwortete Sancho, »werden bei mir zu Hause alle Märlein erzählt, ich kann sie Euch nicht anders erzählen und es ist unrecht, von mir zu verlangen, daß ich neue Sitten aufbringen soll.« »Sprich wie du willst,« antwortete Don Quijote, »da es das Schicksal einmal will, daß ich dir zuhören muß, so fahre nur fort.« »Also denn, mein allerliebster Herr,« fuhr Sancho fort, »wie ich schon gesagt habe, war dieser Schäfer in die Schäferin Torralva verliebt, die ein rundes, unbändiges Mädchen war und so etwas Kerlhaftiges an sich hatte, denn sie hatte selbst ein Stückchen Schnurrbart, daß ich sie noch immer vor mir zu sehen glaube.« »So hast du sie also gekannt?« fragte Don Quijote. »Ich habe sie nicht gekannt,« antwortete Sancho, »aber der mir diese Geschichte vorerzählte, sagte mir, sie wäre so gewiß und zuverlässig, daß, wenn ich sie einem andern erzählte, ich darauf fluchen und schwören könnte, wie ich selber alles mit meinen Augen gesehen. Also denn, wie nun so Tage gingen und Tage kamen, richtete es der Teufel, der niemals schläft und alles durcheinander rührt, so ein, daß die Liebe, die der Schäfer gegen seine Schäferin hatte, sich in Haß und Widerwillen verkehrte, und die Ursache davon war, wie die bösen Zungen aussagen wollten, daß sie ihm eine gewisse Anzahl von Ursächelchen zur Eifersucht gegeben hatte, die wirklich über die Schnur und ins Unzüchtige gingen, worauf der Schäfer sie denn so zu hassen anfing, daß er, um sie nicht mehr zu sehen, sich von seiner Heimat scheiden wollte, um hinzugehen, wo seine Augen sie nimmermehr wiederfänden. Wie nun Torralva merkte, daß sie vom Lope verachtet würde, liebte sie ihn augenblicks stärker, als er sie jemals geliebt hatte.« »So ist der natürliche Charakter der Weiber,« sagte Don Quijote, »diejenigen zu verachten, die sie lieben und diejenigen zu lieben, von denen sie gehaßt werden. Aber fahre fort.« »So kam es denn,« sagte Sancho, »daß der Schäfer seinen Vorsatz auch ins Werk richtete, er trieb seine Ziegen zusammen und machte sich auf den Weg nach den Feldern von Estremadura, um von da nach dem Königreiche Portugal zu gehen. Torralva, die dieses wußte, setzte ihm nach und folgte ihm zu Fuß und ohne Schuh von weitem, einen Reisestab in der Hand und einen Beutel um den Hals, in dem sie, wie man sagt, ein Stückchen Spiegel hatte, ein Stück von einem Kamme und noch eine kleine Flasche mit Schminke fürs Gesicht. Aber mag sie auch in Gottes Namen, was sie will bei sich gehabt haben, darum will ich mich jetzt nicht grämen, sondern nur das sagen, daß man mir gesagt hat, wie der Schäfer nun mit seiner Herde über den Fluß Guadiana setzen wollte, und dieser war gerade sehr gestiegen und hoch angeschwollen und auf dem diesseitigen Ufer war kein Schiff oder Kahn, so daß so wenig er wie seine Herde nach dem jenseitigen übergefahren werden konnte, worüber er sich sehr ärgerte, denn er sah schon die Torralva dicht hinter sich her kommen, die ihm großen Verdruß mit ihren Tränen und Bitten machen würde. Er schaute aber so lange um, bis er endlich einen Schiffer sah, der nicht weit davon in einem ganz kleinen Kahne saß, so daß in dem Kahne nicht mehr als ein Mensch und eine Ziege stehen konnte, er nahm aber darum doch mit diesem die Abrede, daß er ihn und die dreihundert Ziegen, die er bei sich hatte, übersetzen sollte. Der Fischer stieg in seinen Kahn und setzte eine Ziege über, er kam zurück und setzte eine andere über, er kam nochmal zurück und setzte nochmal eine andere Ziege über. Zählt nun ja, gnädiger Herr, die Ziegen genau, die der Fischer übersetzt, denn wenn Ihr nur eine aus dem Gedächtnisse verliert, so ist die Geschichte zu Ende und es ist nachher nicht möglich, noch ein einziges Wort davon zu erzählen. Ich fahre also nun fort, daß der Landungsplatz auf der andern Seite voller Schmutz und Kot war, wodurch der Fischer viele Zeit mit Anladen und Abstoßen verlieren mußte, aber doch kam er nun nach einer anderen Ziege wieder, und nochmal fuhr er über und nochmal.« »Erzähle die Geschichte nun so,« sagte Don Quijote, »daß sie alle schon übergesetzt sind, nicht aber so, wie er ankömmt und wieder abfährt, denn sonst wirst du sie kaum in einem Jahre übergesetzt haben.« »Wie viele sind nun jetzt schon übergesetzt?« fragte Sancho. »Das mag der Teufel wissen,« antwortete Don Quijote. »Aber ich habe doch gesagt, wie Ihr sie genau zusammenzählen möchtet, denn bei Gott, die Geschichte ist nun so völlig aus, daß ich nichts weiter erzählen kann.« »Wie kann dieses sein?« antwortete Don Quijote, »ist es denn in dieser Geschichte so wesentlich, ganz genau zu wissen, wie viele Ziegen übergesetzt sind, daß, wenn man nur um eine fehlt, du in der Erzählung nicht fortfahren kannst?« »Durchaus nicht fortfahren, gnädiger Herr,« antwortete Sancho, »denn sowie ich Euch fragte, wie viele Ziegen nun übergesetzt wären und Ihr mir die Antwort gabt, daß Ihr's nicht wüßtet, so entfiel mir in diesem Augenblick alles, was noch übrig war und wahrhaftig, das war von nicht geringer Anmut und Herrlichkeit.« »Auf die Weise,« sagte Don Quijote, »ist nun die Geschichte aus?« »Aus, wie die Kirche,« sagte Sancho. »Wahrhaftig,« antwortete Don Quijote, »du hast da das allerneuste Märlein, Erzählung oder Historie vorgetragen, was kein anderer Mensch auf der Welt hätte ersinnen können, auch diese Art, es vorzutragen und abzubrechen, ist ganz unerhört und wird mir auch Zeit meines Lebens unerhört bleiben, wenngleich ich nichts Besseres von deinem feinen Verstande erwartete. Ich darf mich aber hierüber nicht wundern, denn diese unaufhörlichen Schläge haben dir wahrscheinlich das Gehirn verrückt.« »Das mag alles sein,« antwortete Sancho, »das weiß ich aber, daß es in meiner Geschichte nichts mehr zu erzählen gibt, weil sie gleich zu Ende ist, wie einer nur mit der Summe der übergesetzten Ziegen einen Fehler macht.« »Mag sie in Gottes Namen zu Ende sein, wo sie nur Lust hat,« sagte Don Quijote, »sehen wir lieber zu, ob sich Rosinante bewegen kann.« Er gab ihm also wiederum die Sporen und wiederum machte jener Sprünge und blieb auf demselben Flecke, so meisterhaft war er festgebunden. Indem geschah es, vielleicht von der Kühle des Morgens, der schon anbrach, vielleicht auch, daß Sancho einige treibende Speisen gegessen hatte, oder ob es bloß eine Veranlassung der Natur sein mochte (und dieses scheint am glaubwürdigsten), genug, es kam ihm der Wunsch und das Begehren an, das zu tun, was kein anderer für ihn tun konnte, aber die Furcht, die in sein Herz Eingang gefunden, war so groß, daß er sich nicht einen Finger breit von seinem Herrn zu entfernen getraute: der Gedanke aber, seinen Antrieb nicht auszurichten war ebenso unzulänglich; was ihm also zum Besten seines Heiles zu versuchen übrigblieb, war, daß er seine rechte Hand von dem Hinterteile des Sattels herunter nahm und mit dieser gewandt und ohne Geräusch die nie verschürzte Schleife löste, die ganz allein und ohne irgend andern Beistand seine Hose in die Höhe hielt, so daß sie mit der aufgemachten Schleife plötzlich niederfielen und ihm nur noch wie Fußschellen blieben: worauf er denn das Hemd bestmöglichst erhob und in die Luft hinein beide Sitzteile reckte, die nicht unansehnlich zu nennen. Dieses vollbracht (womit er glaubte das meiste vollstreckt zu haben, um aus seiner großen Angst und Not zu kommen), zeigte sich eine andere, größere Not, denn er fürchtete, seine Tat nicht ohne Geräusch und Lärmen verrichten zu können, somit also biß er die Zähne zusammen, zog Kopf und Schultern in eins und hielt den Atem, so sehr er nur konnte, an sich; aber allen diesen Vorkehrungen zum Trotz, widerfuhr es ihm, daß er unversehens ein kleines Geräusch verursachte, sehr verschieden von jenem, welches ihn in so große Furcht versetzt. Don Quijote vernahm es und sagte: »Welch ein Geräusch ist dieses, Sancho?« »Ich weiß nicht, gnädiger Herr,« antwortete dieser, »es mag leicht wieder was Neues sein, denn Glücksfälle wie Unglücksfälle kommen selten einzeln.« Und zugleich machte er zum zweiten Male Anstalt, sein Glück zu versuchen, welches ihm so gut ausschlug, daß ohne größeres Geräusch und Aussehen als das vergangene, er sich von der Last befreit sah, die ihm so große Qual verursacht; da aber der Sinn des Geruchs bei Don Quijote nicht weniger reizbar als der des Gehörs war, Sancho ihm auch so nahe und zur Seite stand, daß fast in gerader Linie die Dünste zu ihm hinaufstiegen, so war es nicht anders möglich, als daß einige davon seine Nasenlöcher erreichten, und kaum hatten sie diese verspürt, als er ihnen auch schon zu Hilfe eilte und sie zwischen die Finger klemmte, worauf er mit einem etwas näselnden Tone sagte: »Es scheint, Sancho, du habest große Furcht.« »Wohl hab' ich sie,« antwortete Sancho; »aber woraus merkt das Euer Gnaden jetzt mehr als sonst?« »Weil du jetzt stärker als sonst riechst und nicht nach Ambra,« antwortete Don Quijote. »Das mag wohl sein,« sagte Sancho, »aber ich bin nicht schuld, sondern Euer Gnaden, der mich zur jetzigen Stunde und zu mir so ungewohnten Taten herumzieht.« »Entferne dich drei oder vier Schritte von mir,« sagte Don Quijote, indem er immer noch die Nase zwischen den Fingern hielt, »und künftighin magst du besser berechnen, wer du seist und was du mir schuldig bist, denn meine große Herablassung gegen dich hat diese deine Geringschätzung erzeugt.« »Ich wette,« versetzte Sancho, »Euer Gnaden denkt, ich habe mich in Ansehung meiner verrechnet und ein Ding getan, das nicht sein sollte.« »Noch übler ist es, Freund Sancho, es zu rühren,« antwortete Don Quijote. Mit diesen und ähnlichen Gesprächen verbrachten Herr und Diener die Nacht; da aber Sancho merkte, daß der Morgen mehr heraufrücke, machte er mit vieler Behendigkeit den Rosinante los und sich die Hosen fest. Sowie Rosinante sich befreit sah, so wenig er sonst ungestümer Natur war, schien er wie neu belebt zu werden, denn er hob die Vorderbeine bis zur Schnauze, weil er, mit seiner Erlaubnis sei's gesagt, keine andere Courbetten zu machen verstand. Da Don Quijote sah, wie sich Rosinante freiwillig bewege, nahm er dies für ein gutes Zeichen und hielt sich nun für geschickt, das furchtbare Abenteuer zu bestehen. Indem zeigte sich auch das helle Morgenrot, wobei man die Gegenstände genau unterscheiden konnte, und Don Quijote sah, daß er sich unter einigen hohen Bäumen befand, die Kastanien waren, welche den dichtesten Schatten machen: er hörte aber zugleich, wie das Stampfen fortging, doch sah er nichts, was es verursachen könne; deshalb ließ er ohne längeren Verzug den Rosinante die Sporen fühlen, nahm wieder von Sancho Abschied und befahl ihm, drei Tage und nicht länger sein zu warten, wie er schon einmal getan hatte, und daß, wenn er in dieser Zeit nicht wiederkehre, er versichert sein möge, daß Gott einen Gefallen daran gefunden, seine Tage in diesem gefährlichen Abenteuer zu beendigen. Er wiederholte hierauf ebenfalls den Auftrag und die Gesandtschaft, welche er seinerseits bei der Dame Dulzinea auszurichten habe, daß er sich auch, was den Lohn für seine Dienste anbeträfe, keine Sorgen machen dürfe, denn er habe sein Testament gemacht, ehe er seine Heimat verlassen habe, in dem er ihm so viel vermacht, daß es eine hinlängliche Besoldung für die Zeit seines Dienstes vorstellen könne; führte ihn aber Gott lebendig, gesund und ohne Gefährdung aus dieser Gefahr zurück, so könnte er gewisser als jemals die versprochene Insel erwarten. Sancho fing wieder an zu weinen, da er von neuem diese traurigen Reden seines trefflichen Herrn vernahm und entschloß sich, ihn nicht bis zur letzten Vollendung dieses Handelns zu verlassen. Diese Tränen und dieser ehrenvolle Entschluß des Sancho Pansa bestätigten den Verfasser dieser Geschichte darin, ihn für den Sohn guter Eltern oder wenigstens für einen alten Christen zu halten; auch war sein Herr durch diese Gesinnung gerührt, aber nicht so sehr, daß er irgend Schwäche gezeigt hätte, sondern er verstellte sich so gut er konnte und richtete sich nun nach der Gegend, aus der das Geräusch des Wassers sowie das Stampfen ertönte. Sancho folgte ihm zu Fuß, am Stricke, wie er immer tat, seinen Esel führend, den treuen Gefährten seiner glücklichen und widerwärtigen Schicksale: nachdem sie so eine ziemliche Strecke zwischen den Kastanien und finsteren Bäumen zurückgelegt hatten, gelangten sie auf eine kleine Wiese, die von hohen Felsen begrenzt wurde, von denen sich ein reißender Wasserstrom herunterstürzte: am Fuße der Felsen standen einige schlechtgebaute Hütten, mehr Trümmern von Gebäuden als Hütten ähnlich, aus denen, wie sie bemerkten, das Geräusch und Lärmen der ununterbrochenen Schläge ertönte. Rosinante wurde vor dem Gelärme des Wassers und der Schläge scheu, aber Don Quijote beruhigte ihn und ritt allgemach auf die Hütten zu, indem er sich von ganzem Herzen seiner Dame empfahl, sie anflehte, daß sie ihm in dieser greulichen Tathandlung und Unterfängnis begünstigen möge, auf dem Wege empfahl er sich Gott desgleichen, daß er ihn nicht vergessen möchte. Sancho blieb nicht zurück, machte den Hals so lang als er nur konnte und schaute dem Rosinante zwischen den Beinen hindurch, um zu sehen, was ihm so große Furcht und Angst verursacht hatte. Als sie noch hundert Schritte weiter gegangen waren und um die Ecke eines Felsen lenkten, erschien und entdeckte sich offenbar die wahre Ursache (so daß kein Zweifel übrigblieb) von jenem entsetzlichen und furchtbaren Geräusch, welches ihnen so große Furcht und Angst die ganze Nacht hindurch verursacht hatte, und es waren (wenn du es, mein Leser, nicht schon aus Verdruß und Ärger erraten hast) sechs Walkstampfen, die mit ihren abwechselnden Schlägen jenes Lärmen hervorbrachten. Als Don Quijote sah, was es war, wurde er still und erschrak vom Kopf bis zu den Füßen. Sancho sah ihn an und bemerkte, wie sein Haupt auf die Brust gesunken war, zum Zeichen seiner Beschämung. Auch Don Quijote sah den Sancho an und bemerkte, wie dieser die Backen zusammenkniff und ihm die Lippen vor Lust zu lachen zitterten, mit deutlichen Zeichen, daß er vor Lachen platzen möchte, bei welchem Anblick seine Melancholie nicht so anhaltend war, um ein Lächeln über Sanchos Miene zurückhalten zu können. Wie nun Sancho sah, daß sein Herr den Anfang gemacht habe, löste er seinen Zwang so gewaltsam auf, daß er sich mit den Fäusten die Seiten halten mußte, um nicht vor Lachen zu bersten. Viermal gab er sich zur Ruhe und viermal kehrte er zu seinem Gelächter mit gleichem Ungestüm zurück, worüber sich Don Quijote dem Teufel hätte ergeben mögen, da er noch überdies parodischerweise diese Worte sagte: »Freund Sancho, wissen mußt du, daß ich geboren bin, um vom Himmel herab in dieser unserer ehernen Zeit das goldene Alter, oder das von Gold, zu rufen. Ich bin es, dem Gefahren, große Tathandlungen, mächtiges Unterfangen aufbewahrt sind.« Und so hielt er nun wieder den größten Teil der Rede her, die Don Quijote gesagt hatte, als sie zuerst das furchtbare Stampfen vernommen. Da Don Quijote sah, daß Sancho Spaß über ihn machte, erzürnte und erboste er sich dergestalt, daß er die Lanze aufhob und ihm zwei Schläge zuteilte, so gewaltige, daß, wenn er sie so auf dem Kopfe wie auf den Schultern bekommen hätte, er nicht nötig gehabt hätte den Lohn auszuzahlen, wenn er ihn nicht seinen Erben hätte gönnen wollen. Da Sancho merkte, wie übel seine Possen ausschlugen, sagte er mit äußerster Demut, in Furcht, sein Herr möchte etwa noch weiter gehen: »Beruhigt Euch, gnädiger Herr, denn bei Gott, ich spaße nur.« »Weil du spaßest, so spaße ich nicht,« antwortete Don Quijote. »Glaubt Ihr denn nicht, mein lustiger Herr, daß, wenn es nun, wie es Walkhämmer waren, ein anderes gefährliches Abenteuer gewesen wäre, ich nicht hinlänglichen Mut gezeigt habe, um es zu unternehmen und zu vollenden? Bin ich denn, ein Ritter, verpflichtet, alle Töne zu kennen und zu unterscheiden, um zu wissen, welche von Walkstampfen herrühren und welche nicht? Da es überdies sein kann, wie es auch die Wahrheit ist, daß ich Zeit meines Lebens nicht dergleichen gesehen habe, wie Ihr sie doch müßt gesehen haben, als ein gemeiner Bauer, unter derlei Dingen geboren und aufgewachsen. Sonst macht, daß diese sechs Stampfen sich in sechs Riesen verwandeln und einen nach dem andern will ich am Bart zupfen, oder allen zugleich, und wenn ich sie nicht alle mit aufgereckten Fersen niederstrecke, dann macht, so viel Ihr wollt, Euren Spaß aus mir.« »Ich will's nicht wieder tun, mein gnädiger Herr,« versetzte Sancho, »ich bekenne ja auch, daß ich mit meinem Lachen ins Ungebührliche geraten bin, aber sagt mir doch, da wir wieder in Frieden leben, ob Gott Euch wohl aus irgendeinem Abenteuer, das Euch begegnet ist, so gesund und heil wie aus diesem errettet hat? Ist es denn nicht ein Ding zum Lachen und zum Erzählen, wie wir eine so erstaunliche Furcht ausgestanden haben? Wenigstens habe ich sie ausgestanden, denn von meinem gnädigen Herrn weiß ich wohl, daß er nicht weiß und einsieht, was Furcht und Bangigkeit ist.« »Ich leugne nicht«, antwortete Don Quijote, »daß das, was uns zugestoßen, nicht ein Ding würdig zu lachen sei, aber nicht ebenso würdig ist es zu erzählen, denn nicht alle Leute sind verständig genug, um den rechten Fleck einer Sache zu treffen.« -- »Wenigstens«, antwortete Sancho, »wußte mein gnädiger Herr mit seiner Lanze den rechten Fleck zu treffen, er wollte mir dem Kopfe was anflicken und gab's den Schultern: gelobt sei Gott und meine Geschicklichkeit dafür, daß ich mich auf die Seite wandte, aber es mag nun so hingehen, denn man hat mir immer gesagt: wer dich liebt der züchtigt dich, besonders die großen Herren, wenn sie einem Bedienten ein hartes Wort gesagt haben, ihm wohl ein paar Hosen zu schenken pflegen, ob ich freilich wohl nicht weiß, was sie schenken, wenn sie gar Schläge austeilen, wenn die irrenden Ritter nicht nach Schlägen etwa Inseln oder Königreiche auf dem festen Lande verschenken.« »Also könnte es sich leichtlich fügen,« sagte Don Quijote, »daß alles, was du da sagst, zur Wahrheit würde; vergib also das Geschehene, künftig wirst du verständiger sein, wisse auch, daß die ersten Bewegungen nicht in der Gewalt des Menschen stehen und sei von nun an für die Zukunft in einem Dinge unterrichtet, damit du dich in Schranken haltest und nicht so ohne Not Reden gegen mich führst, denn so viele Ritterbücher ich auch gelesen habe, deren unzählige sind, so habe ich doch niemals gefunden, daß irgendein Stallmeister mit seinem Herrn so viel gesprochen habe wie du mit dem deinigen sprichst, und wahrlich, ich halte dieses für einen großen Fehler, sowohl von deiner als von meiner Seite; von deiner, daß du so wenig Achtung gegen mich hast, von meiner, daß ich mich nicht in größere Achtung setze. Denn man liest vom Gandalin, dem Stallmeister des Amadis von Gallia, der nachher Graf von der festen Insel wurde, daß er nicht anders mit seinem Gebieter sprach, als das Barett in der Hand, den Kopf gesenkt und den Körper gebogen nach türkischer Manier. Was sollen wir aber vom Gasabal, dem Stallmeister des Don Galaor sagen, der so schweigsam gewesen, daß, um uns die Vorzüglichkeit seines wunderwürdigen Stillschweigens zu verstehen zu geben, sein Name nur ein einziges Mal in der ebenso langen als wahrhaftigen Geschichte genannt wird? Aus alle dem Gesagten magst du folgern, Sancho, daß es nötig sei, einen Unterschied zwischen Herrn und Knecht, zwischen Gebieter und Diener, zwischen Ritter und Stallmeister zu machen; so daß wir uns von nun an in Zukunft mit mehr Achtung behandeln, ohne über uns zu scherzen, denn so oft ich mich auch über Euch erzürnen möge, wird es immer übel für den schwächeren Krug sein; die Gnaden und Wohltaten, die ich Euch versprochen, werden zu ihrer Zeit eintreten, und treten sie nicht ein, so kann wenigstens der Gehalt nicht verlorengehen, wie ich Euch schon einmal gesagt habe.« »Alles ist ganz gut, wie Euer Gnaden spricht,« sagte Sancho, »aber ich möchte doch gern wissen (wenn vielleicht die Zeit der Gnaden nicht eintritt und ich also zum Gehalte meine Zuflucht nehmen muß), wieviel der Stallmeister eines irrenden Ritters in jenen Zeiten verdiente, und ob sie sich monatlich oder tageweise, wie die Handlanger bei den Maurergesellen, verdungen?« »Ich glaube nicht,« antwortete Don Quijote, »daß dergleichen Stallmeister jemals für Gehalt gedient haben, gewiß immer nur für Gnade, habe ich dir aber in meinem zurückgelassenen Testament etwas Bestimmtes ausgemacht, so ist es nur darum geschehen, weil ich nicht weiß, wie in unsern so unglückseligen Zeiten die Ritterschaft geraten wird, und weil ich nicht will, daß so geringfügiger Dinge wegen, meine Seele in jener Welt Kummer leide; denn du mußt wissen, Sancho, es gibt keinen gefahrvolleren Stand, als den eines Abenteurers.« »Das ist wahr,« sagte Sancho, »denn schon allein das Lärmen von Walkhämmern kann das Herz eines so männlichen irrenden Abenteurers, wie Euer Gnaden ist, erschrecken und beunruhigen; aber Ihr mögt sicher sein, daß ich künftig nicht meine Lippen auftun will, um was Lustiges über Eure Sachen zu sagen, sondern bloß um Euch als meinem Herrn und Gebieter Ehre zu erweisen.« »So«, versetzte Don Quijote, »wirst du leben auf dem Angesicht der Erden, denn in Ermanglung der Eltern sollen die Herren so wie Eltern geehrt werden.« ~Siebentes Kapitel~ Erzählt das hohe Abenteuer und die preisliche Eroberung von Mambrins Helm, nebst anderen Dingen, die dem unüberwindlichen Ritter zustießen Indem fing es an, ein wenig zu regnen und Sancho schlug vor, in die Walkmühle einzukehren; aber Don Quijote hatte wegen des vorgefallenen Spaßes einen solchen Abscheu gegen sie gefaßt, daß er durchaus nicht einkehren wollte, sondern er schlug einen Weg rechts ein und so gerieten sie auf eine andere Straße als auf welcher sie erst gereist waren. Es währte nicht lange, so erblickte Don Quijote einen Menschen, der beritten war und auf dem Kopfe ein Ding trug, das wie Gold glänzte. Kaum hatte er ihn bemerkt, als er sich auch schon gegen Sancho kehrte und sagte: »Ich bin der Meinung, Sancho, daß es kein Sprichwort gebe, welches nicht eine Wahrheit enthalte, denn alle sind Sprüche, die aus der Erfahrung, der Mutter aller Wissenschaften, geschöpft sind, so auch jenes, welches heißt: Schließt sich dir eine Tür zu, tut sich die andere auf. Wenn nämlich das Glück heute Nacht die Tür vor uns zuschloß, uns das Gesuchte nicht finden ließ und uns mit Walkmühlen täuschte, so schließt sie uns zur Vergeltung jetzt ein schöneres und unbezweifeltes Abenteuer auf, wobei es nur meine Schuld sein dürfte, wenn ich es nicht bestände, denn jetzund kann ich es nicht auf meine Unkenntnis der Walken oder auf die Finsternis der Nacht schieben. Dieses wird gesagt, weil, falls ich nicht irre, uns dort einer entgegenkommt, der auf seinem Kopfe den Helm Mambrins trägt, wegen dessen ich den Schwur getan, wie dir wissend ist.« »Bedenkt, gnädiger Herr, was Ihr sagt, und seht, was Ihr tut,« sagte Sancho, »daß es ja nicht wieder Walken sind, die uns am Ende noch recht walken und alle Sinne zusammenklopfen möchten.« »Du Satan statt Mensch!« versetzte Don Quijote, »was tun denn Helm und Walken miteinander?« »Das weiß ich nicht,« antwortete Sancho, »aber wahrhaftig, dürfte ich nur so wie sonst reden, so würde ich schon solche Sachen sagen, daß Ihr einsehen müßtet, Ihr irrtet Euch in Eurer Behauptung.« »Wie kann ich mich in meiner Behauptung irren, nichtswürdiger Zweifler?« versetzte Don Quijote, »sprich, siehst du denn nicht jenen Ritter, der uns auf einem Apfelschimmel entgegenkommt und auf dem Kopfe einen goldenen Helm trägt?« »Alles, was ich sehen und worin ich Euch unterstützen kann,« antwortete Sancho, »ist nichts als ein Mensch, der auf einem grauen Esel, so wie meiner ist, reitet, und der auf dem Kopfe ein Ding hat, das blitzert.« »Und dieses ist eben der Helm Mambrins,« sagte Don Quijote, »gehe irgendwo beiseite und laß mich allein mit ihm, so sollst du sehen, wie ich, ohne ein Wort zu sprechen, zur Ersparung der Zeit, dieses Abenteuer beendigen will und mir den Helm verschaffen, den ich mir so herzlich gewünscht habe.« »Das Beiseitegehen ist gar nicht nötig,« versetzte Sancho. »Aber«, fing er wieder an, »mag uns Gott nur Tausendgüldenklee und keine Walke bescheren.« »Ich habe dir befohlen, Mensch, du sollst niemals, ja nicht in Gedanken einmal der Walken erwähnen,« so rief Don Quijote, »oder ich gelobe -- -- -- ich will nicht mehr sagen, aber ich möchte dir die Seele zusammenwalken.« Sancho schwieg still, weil er fürchtete, sein Herr machte das Gelübde vollführen, welches er ihm so kräftig in den Bart geworfen hatte. Mit dem Helme, dem Pferde und dem Ritter aber, welche Don Quijote sah, verhielt es sich also. In jener Gegend waren nämlich zwei Dörfer, von denen das eine so klein war, daß es keinen Barbier hatte, das andere benachbarte aber war mit einem versorgt und daher bediente der Barbier des größeren Dorfes zugleich das kleinere, in welchem ein Kranker gerade einen Aderlaß nötig hatte und ein anderer sich wollte den Bart scheren lassen, weshalb der Barbier eben kam und ein Bartbecken von Messing mit sich führte, und da es das Schicksal um die Zeit gerade regnen ließ, und er seinen Hut, der wohl neu sein mochte, nicht gern verderben lassen wollte, setzte er das Becken auf den Kopf, welches wohl, da es geschliffen war, eine halbe Meile weit flimmerte. Er ritt in der Tat, wie Sancho gesagt hatte, auf einem grauen Esel und dies zusammen war dem Don Quijote der Apfelschimmel, der Ritter und der goldene Helm, denn es war ihm nur ein leichtes, alle Dinge, die er sah, nach seiner verrückten Ritterschaft und seinen irrenden Gedanken einzurichten. Als er nun bemerkte, daß der arme Ritter ihm nahe genug war, legte er, ohne sich in weitere Reden einzulassen, die Lanze im vollsten Trabe des Rosinante ein, mit dem Vorsatz, jenen durch und durch zu rennen; als er ihm nahe genug gekommen, schrie er ihm zu, ohne seinen wütenden Lauf anzuhalten: »Verteidige dich, nichtswertes Geschöpf, oder überliefere freiwillig, was mir nach allem Recht zukommt!« Der Barbier, der, ohne zu wissen weshalb, dieses Gespenst auf sich anrennen sah, fand kein besseres Mittel den Lanzenstoß von sich abzuhalten, als sich vom Esel herabfallen zu lassen. Er hatte aber kaum die Erde berührt, als er sich leichter wie eine Gemse wieder erhob und mit so großer Behendigkeit über das Feld rannte, daß ihn der Wind selbst nicht eingeholt hätte. Das Bartbecken ließ er auf der Erde liegen, womit sich Don Quijote zufriedenstellte und sagte, daß der Heide verständig genug gewesen, und daß er dem Biber trefflich nachgeahmt habe, der sich auch, wenn ihn die Jäger verfolgen, das mit den Zähnen abbeiße, weshalb sie Jagd auf ihn machen, wie ihn der Instinkt seiner Natur lehre. Er befahl dem Sancho den Helm aufzuheben, der ihn in die Hände nahm und sagte: »Mein Seel! Ein köstliches Bartbecken, unter Brüdern ist es seinen Taler wert.« Zugleich gab er es seinem Herrn, der es sich stracks auf den Kopf setzte und es rundherum drehte, um das Visier zu finden, wie er es aber nicht antraf, sagte er: »Jener Heide, der nach seinem Maße diesen berühmten Helm zuerst schmieden ließ, muß in der Tat ein gewaltiges Haupt gehabt haben und, was noch schlimmer ist, so fehlt die eine Hälfte.« Als Sancho das Bartbecken einen Helm nennen hörte, konnte er das Lachen nicht unterdrücken, aber da ihm der Zorn seines Herrn wieder in die Gedanken kam, brach er in der Mitte ab. »Worüber lachst du, Sancho?« fragte Don Quijote. »Ich lache nur«, gab er zur Antwort, »wenn ich mir den gewaltigen Kopf denke, den der Heide muß gehabt haben, dem die Sturmhaube gehörte, die für mich einem Barbierbecken so ähnlich sieht, wie ein Ei dem andern.« »Weißt du, was ich mir einbilde, Sancho? Dieses weltberühmte Rüststück, dieser bezauberte Helm, muß durch einen ganz außerordentlichen Zufall in die Hände eines solchen geraten sein, der seine Herrlichkeit nicht zu schätzen verstand und so in seiner Unwissenheit, da er sah, wie er das feinste Gold sei, die eine Hälfte abbrach, um sich damit zu bereichern, und somit die andere Hälfte zu einem Dinge machte, das, wie du bemerktest, einem Barbierbecken gleichsieht. Scheine dieser Helm aber, was er wolle, für mich, der ich ihn kenne, ist diese Verwandlung ohne Bedeutung, überdies will ich ihn im ersten Orte, wo sich ein Schmied befindet, fertig machen, und zwar so, daß ihn jener Helm nicht übertrifft, ja ihm nicht einmal gleichkommt, den der Gott der Schmiede für den Gott der Schlachten arbeitete. Unterweilen aber will ich ihn tragen, so gut ich kann, denn etwas ist besser als nichts und wenigstens wird er doch hinreichend sein, mich gegen einen Steinregen zu beschützen.« »Vielleicht,« sagte Sancho, »wenn die Steine nicht etwa aus Schleudern geworfen werden, so wie man sie im Kampfe der beiden Armeen warf, als sie Euch die Backenzähne ausstießen und die Ölflasche zerbrachen, in der sich der gebenedeite Balsam befand, der mich fast die Eingeweide ausbrechen ließ.« »Es kümmert mich nicht sonderlich, diesen verloren zu haben, denn du weißt, Sancho,« sagte Don Quijote, »daß ich das Rezept davon im Gedächtnis habe.« »Auch ich hab's im Gedächtnis,« antwortete Sancho, »aber wenn ich ihn in meinem Leben mache oder gar koste, so sei die Stunde meine letzte; ich denke auch gar nicht in den Fall zu kommen, wo ich ihn nötig hätte, denn ich will mich schon mit allen meinen fünf Sinnen in acht nehmen, niemals verwundet zu werden und auch keinen andern zu verwunden. Ob ich noch einmal geprellt werden möchte, davon will ich nichts sagen, denn solchen Unglücksfällen läßt sich nicht gut vorbeugen, und wenn sie eintreffen, so kann man nichts weiter tun, als die Schultern einziehen, den Atem anhalten, die Augen zudrücken und sich dann in Gottes Namen gehen lassen, wohin es das Schicksal und das Bettuch meint.« »Du bist ein schlechter Christ, Sancho,« sagte Don Quijote bei diesen Worten, »denn du vergißt niemals eine Beleidigung, die dir einmal widerfahren ist; edlen und großmütigen Seelen aber ist es anständiger, auf dergleichen Nichtswürdigkeiten keineswegs Rücksicht zu nehmen. Auf welchem Beine bist du lahm? Welche Rippe hast du zerbrochen? Wo den Kopf zerschlagen, daß du diesen Spaß gar nicht wieder vergessen kannst? Denn beim Lichte den Vorfall besehen, war er nur Spaß und Zeitvertreib, und hätte ich ihn anders genommen, so wär' ich schon längst umgekehrt und hätte, um dich zu rächen, mehr Unheil angerichtet, als die Griechen wegen der geraubten Helena stifteten, die, wenn sie zu dieser Zeit oder Dulzinea zu jener Frist gelebt hätte, überzeugt sein dürfte, nicht den großen Ruf der Schönheit erlangt zu haben, den sie nun davongetragen hat.« Bei diesen Worten schickte er einen tiefgeholten Seufzer in die Luft und Sancho antwortete: »So mag's denn für Spaß gelten, da aus der Rache kein Ernst werden wollte; ich weiß aber doch auch, was Ernst und was Spaß ist, und ich weiß auch, daß der Spaß mir niemals aus dem Gedächtnis kommen wird, wie er sich auch auf ewig meinen Schultern eingeprägt hat. Wir wollen aber von was andern reden und nun sagt mir doch, gnädiger Herr, was machen wir mit dem Apfelschimmel, der mir wie ein grauer Esel aussieht, den der arme Kerl uns hier überlassen hat, den Ihr überwunden habt? Denn nach der Art, wie er sich auf die Beine machte und in Gottes Welt hineinlief, läßt sich wohl schließen, daß er nicht Lust hat, jemals umzukehren, und bei meinem Barte, der Graue ist wacker.« »Es war niemals meine Gewohnheit,« sagte Don Quijote, »die zu berauben, die ich überwinde, auch ist es keine Rittersitte, die Pferde den Überwundenen zu nehmen und sie unberitten zu lassen, wenn es sich nicht etwa fügt, daß der Sieger im Kampfe sein eigenes Roß verlor, dann ist es ihm allerdings vergönnt, das des Besiegten zu nehmen als einen Preis, der ihm nach dem Kriegsrecht zusteht. Also, Sancho, laß dieses Roß oder diesen Esel oder wofür du es halten magst, denn so wie uns sein Herr in der Entfernung sehen wird, kehrt er ohne Zweifel zu ihm zurück.« »Gott weiß, wie gern ich ihn mitnehmen möchte,« sagte Sancho, »oder wenigstens gegen meinen austauschen, der mir nicht so wacker scheint! Wie sind doch die Gesetze der Ritterschaft so genau, daß man nicht einmal einen Esel gegen einen andern austauschen darf; ich möchte aber doch wissen, ob ich nicht zum allerwenigsten das Sattelzeug austauschen dürfte.« »Hierin bin ich nicht sonderlich sicher,« sagte Don Quijote, »im Zweifelsfalle aber, bis ich besser unterrichtet sein werde, entscheide ich so, daß du es austauschen magst, wenn du dessen nämlich im äußersten Grade bedürftig bist.« »So zum äußersten bedürftig,« antwortete Sancho, »daß ich's für meine eigene Person nicht nötiger hätte.« Mit dieser Erlaubnis tauschte er die Kleider sogleich um und zierte seinen Esel so köstlich, daß er ihm wohl zehnmal besser schien als vorher. Nachdem dieses geschehen war, frühstückten sie mit dem, was ihnen noch als Beute von dem Küchenesel übriggeblieben war und tranken von dem Wasser des Stromes, der die Walkmühlen trieb, ohne den Kopf nach diesen hinzudrehen, so heftig war der Haß, den sie wegen ihrer Furcht gegen die Mühlen gefaßt hatten. Nachdem sie ihren Zorn und die Schwermut ertränkt hatten, stiegen sie wieder auf und ohne einen bestimmten Weg einzuschlagen (weil es irrenden Rittern gut ansteht, sich keinen festen Weg vorzusetzen), zogen sie die Straße, die Rosinante erwählte; dieser Wahl folgte sein Herr und auch der Esel, der immer nachging, wohin sein guter Freund und trefflicher Gesellschafter führte. Sie gerieten demungeachtet auf die große Straße und zogen ihr auf gut Glück nach, ohne sich eine Absicht vorzusetzen. Indem sie so fortzogen, sagte Sancho zu seinem Herrn: »Gnädiger Herr, wollt Ihr mir nicht vielleicht die Erlaubnis geben, ein wenig mit Euch zu schwatzen? Denn seit mir das harte Gebot, still zu schweigen, auferlegt ist, sind mir wohl an vier Dinge im Magen verdorben und jetzt habe ich eins auf der Zungenspitze, was ich nicht gern möchte umkommen lassen.« »So sprich es aus«, sagte Don Quijote, »und befleißige dich der Kürze, denn das Weitläufige macht nie Vergnügen.« »Ich sage also, gnädiger Herr,« sprach Sancho, »daß ich seit etlichen Tagen meine Betrachtungen darüber angestellt habe, wie Ihr ohne Nutzen und Erquickung Abenteuer sucht hier in den Wüsten und auf den Kreuzwegen, denn wenn Ihr auch die allergefährlichsten übersteht, so sieht und weiß das kein Mensch, und alles bleibt im ewigen Stillschweigen vergraben, zum Nachteil Eurer Absicht und Eurer Verdienste. Es scheint mir also, mit Eurer Erlaubnis, besser, daß wir irgendeinem Kaiser oder einem andern großen Herrn dienen sollten, der irgend Krieg führt, in seinem Dienste könnt Ihr dann Eure tapfere Gesinnung, Eure gewaltige Macht und Euren trefflichen Verstand an den Tag legen. Sieht nun der Herr, dem wir dienen, dies alles, so muß er uns ja eine Belohnung geben, jedem nach seinem Werte, dann würden auch gewiß Eure großen Taten zum ewigen Andenken aufgeschrieben; meine Taten will ich nicht erwähnen, denn die bleiben natürlich in den Schranken des Stallmeistertums, aber das kann ich behaupten, daß, wenn es bei der Ritterschaft Gebrauch wäre, die Taten der Stallmeister aufzuzeichnen, meine Verrichtungen gewiß auch schwarz auf weiß erscheinen würden.« »Nicht übel sprichst du, Sancho,« antwortete Don Quijote; »bevor ich aber zu jenem Ziele gelange, ist es vonnöten, durch die Welt zu ziehen, gleichsam zur Beglaubigung, um Abenteuer aufzusuchen, damit, wenn ich etwelche beendige, mich der Ruhm bekränze. Wenn sich nun ein solcher Ritter an den Hof eines großen Monarchen verfügt, so ist er durch seine Taten schon bekannt, so daß, wenn ihn die Knaben nur durch die Tore der Stadt einziehen sehen, ihm alle folgen, ihn mit Geschrei umgeben und ausrufen: dieses ist der Ritter von der Sonne, oder von der Schlange, oder von irgendeinem anderen Sinnbilde, unter welchem er denkwürdige Taten vollbracht hat. Dieser ist es, werden sie sagen, der im einzelnen Zweikampfe den Riesen Brocabruno von der gewaltigen Kraft überwand, er löste den mächtigen Zauber, in welchem der große Mameluk von Persien fast seit neun Jahrhunderten schmachtete. Also werden von Mund zu Mund seine Taten gepriesen und über dem Geschrei der Knaben und des übrigen Volkes tritt der König des Reiches an die Fenster seines herrlichen Palastes: sowie er den Ritter gewahrt, erkennt er ihn an der Rüstung oder an dem Sinnbilde des Schildes und ruft erfreut: ›Auf! alle meine Ritter, so viele sich deren nur am Hofe befinden, ihr sollt die Blume der Ritterschaft, die sich dorten naht, in Empfang nehmen.‹ Alle stürzen diesem Gebote zufolge hinaus, er selbst begibt sich bis auf die Mitte der Treppe, umarmt ihn inbrünstig und bewillkommt ihn, küßt ihn auf den Mund und führt ihn an der Hand in das Gemach Ihrer Majestät der Königin; hier findet der Ritter die Infantin, seine Tochter, eine Jungfrau, so schön und von solcher Trefflichkeit, wie man sie gewiß nicht auf einem großen Teile dieser Welt finden wird. Es begibt sich sogleich im ersten Augenblicke, daß sie die Augen auf den Ritter wirft; er wirft die Augen auf sie, und jeder erscheint dem andern mehr eine Gottheit als ein menschliches Wesen, und ohne zu wissen, was oder wie es geschieht, fühlen sich beide in dem hinterlistigen Liebesnetze gefangen und verstrickt, worüber ihre Herzen in großen Sorgen stehn, weil sie nicht wissen was sie reden oder wie sie ihre Gefühle und ihre Pein entdecken sollen. Von dorten führen sie ihn wohl in ein anderes Quartier des Palastes, das reich geschmückt ist, wo er die Rüstung abtut und sie ihn mit einem kostbaren Scharlachmantel bedecken; schien er in der Rüstung trefflich, so erscheint er im Hauskleide noch trefflicher. Der Abend kommt und er speist mit dem Könige, der Königin und der Infantin, wobei er niemals die Augen von ihr wendet und sie verstohlen beschaut, ohne daß es die Umstehenden merken; sie tut das nämliche mit der nämlichen Vorsicht, denn, wie ich schon einmal gesagt, sie ist eine verständige Jungfrau. Sowie die Tafel aufgehoben ist, kommt alsbald durch die Tür des Saales ein häßlicher und kleiner Zwerg mit einer schönen Dame, die sich zwischen zwei Riesen befindet und ein solches Abenteuer mit sich bringt, welches ein uralter Weiser eingerichtet hat, daß der, der es vollführt, für den allertrefflichsten Ritter von der Welt gehalten werden muß. Sogleich gibt der König Befehl, daß sich alle, die zugegen sind, in dem Abenteuer versuchen sollen, keiner aber bezwingt und beendigt es als der fremde Ritter, wodurch er seinen Ruhm um ein großes vermehrt, zum großen Vergnügen der Infantin, die sich glücklich und selig preist, ihr Herz einem so glorreichen Manne zugewandt zu haben. Das Hauptsächlichste aber ist, daß dieser König oder Fürst oder was er nur sein mag, in einen gefährlichen Krieg mit einem anderen, ebenso mächtigen, verwickelt ist; der fremde Ritter bittet ihn hierauf, (nachdem er sich zuvor einige Tage am Hofe aufgehalten) um die Erlaubnis, ihm in diesem Kriege Dienste zu leisten; mit Freuden gibt sie der König und der Ritter küßt ihm für die erteilte Gnade mit vieler Artigkeit die Hand. In derselben Nacht nimmt er von seiner Gebieterin, der Infantin, Abschied, die er im Garten hinter einem Gitterfenster spricht, denn ihr Schlafzimmer stößt auf den Garten: hier hat er sie auch schon oftmals gesprochen, denn eine Jungfrau, die das völlige Vertrauen der Infantin besitzt, ist Vermittlerin und Mitwisserin. Er seufzt, sie sinkt ohnmächtig nieder, das Mägdlein bringt Wasser, sehr in Sorgen, daß der Tag anbrechen möchte, der zum Nachteil ihrer Gebieterin alles entdecken würde; endlich kommt die Infantin wieder zu sich, durch das Gitter reicht sie ihre schneeweißen Hände dem Ritter, der sie tausend und tausendmal küßt und sie in seinen Tränen badet. Von beiden wird endlich die Weise beschlossen, wie sie sich ihr Glück oder Unglück mitteilen wollen; es fleht die Prinzessin, daß er so schnell als möglich zurückkommen möge; er verspricht es mit vielen Schwüren; wieder küßt er ihr hierauf die Hände und nimmt mit solchen Gefühlen Abschied, daß sie ihm fast das Leben rauben. Er begibt sich hierauf in sein Gemach, wirft sich auf sein Lager, aber der Schmerz der Abreise läßt ihn nicht schlafen. Früh mit der Morgenröte geht er, um sich vom Könige, der Königin und der Infantin zu beurlauben, er erfährt, nachdem er sich von den beiden beurlaubt, daß die gnädige Infantin sich übel befinde und keinen Besuch annehmen könne; der Ritter merkt, wie dies Schmerz über seine Abreise ist, das Herz schlägt ihm und es fehlt wenig, so läßt er seine Empfindungen laut werden. Die Jungfrau, die die Vermittlerin ist, bemerkt alles, sie geht, um es ihrer Gebieterin zu sagen, die sie mit Tränen empfängt und ihr klagt, wie ihre allergrößte Sorge sei, zu erfahren, wer der Ritter sei und ob er von königlichem Geschlechte abstamme oder nicht. Die Jungfrau tröstet sie, wie er unmöglich so große Artigkeit, Anstand und Tapferkeit besitzen könne, wenn er nicht von Königlichem Geschlechte sei; mit diesem Troste beruhigt sie sich, sie gibt sich zufrieden, um ihren Eltern keinen Argwohn zu erregen und nach Verlauf von zwei Tagen zeigt sie sich öffentlich. Schon ist der Ritter abgereist, er streitet im Kriege, er überwindet den Feind des Königs, er erobert viele Städte, er triumphiert in vielen Schlachten. Er kehrt an den Hof zurück, am gewöhnlichen Platze sieht er seine Dame, sie fassen den Schluß, daß er sie von ihrem Vater zum Lohne seiner Dienste zum Weibe begehren soll. Der König verweigert sie ihm, weil er nicht weiß, wer er ist. Aber dennoch, sei's nun, daß er sie entführt, oder auf welche Weise es sonst geschehen mag, genug, die Infantin wird seine Gemahlin und der Vater selbst preist sich deshalb glücklich, denn es findet sich, daß der Ritter der Sohn eines mächtigen Königs, ich weiß nicht von welchem Königreiche ist, denn es mag wohl in der Landkarte gar nicht verzeichnet sein. Der Vater stirbt, die Infantin erbt den Thron und wie man die Hand umdreht, ist der Ritter König. Nun steht es in seiner Gewalt, seinen Stallmeister und alle diejenigen zu belohnen, die ihm darin beigestanden haben, sich emporzuschwingen. Er verheiratet seinen Stallmeister mit einer Dame der Infantin, wahrscheinlich derselben, die die Mitwisserin seiner Liebe war, sie ist die Tochter eines sehr vornehmen Herzogs.« »So wünsch' ich's, und das ist der Weg Rechtens,« sagte Sancho, »und buchstäblich wird es Euer Gnaden so begegnen, genannt der Ritter von der traurigen Gestalt.« »Du darfst nicht zweifeln, Sancho,« versetzte Don Quijote, »denn auf dieselbe Weise und auf die nämliche Art, wie ich dir eben erzählt habe, haben sich alle irrenden Ritter so hoch emporgeschwungen, Könige und Kaiser zu werden; jetzt muß ich nur darauf mein Augenmerk richten, wo ich einen christlichen oder heidnischen König antreffe, der Krieg führt und eine schöne Tochter hat, aber es wird uns noch Zeit übrig bleiben, darauf zu denken, denn, wie gesagt, vorher muß ich einen herrlichen Ruhm erlangen, der bis an den Hof erschalle. Mir fehlt aber noch ein anderes Ding, denn gesetzt, ich finde einen König mit Krieg und einer schönen Tochter, und daß ich unglaublichen Ruhm im ganzen Universum erhalten habe, so weiß ich nicht, wie es sich ausweisen soll, daß ich vom königlichen Geschlechte abstamme, oder wie ich wenigstens ein Nebenverwandter eines Kaisers sein kann. Denn der König wird mir seine Tochter niemals zur Gemahlin geben wollen, wenn nicht nebenher auch dieses berichtigt ist, mögen gleich meine Taten noch größeren Ruhm verdienen; so werde ich dieses Mangels halber den Lohn meines tapferen Armes verlieren. Ich bin freilich wohl ein Edelmann aus einem bekannten Geschlechte, ich besitze ein Eigentum und meine Einnahme erstreckt sich wohl über fünfhundert Taler; es mag auch wohl sein, daß der Weise, der meine Geschichte niederschreibt, meine Verwandtschaft und Abkunft dermaßen auseinandersetzt, daß erweislich wird, wie ich fünfter oder sechster Urenkel des Königs bin: denn du mußt wissen, Sancho, wie es zwei Arten von Geschlechtern in der Welt gibt, eine Art, die ihre Herkunft von Fürsten und Monarchen ableitet, die aber die Zeit nach und nach erniedrigt hat, so daß sie sich endlich gleichsam in der Basis einer Pyramide verlieren; andere entspringen aus niedrigem Geschlechte und steigen und steigen nach und nach, bis sie vornehme Leute werden; der Unterschied zwischen beiden liegt also darin, daß jene waren, was sie nicht mehr sind, und diese sind, was sie nicht waren, und zu diesen mag ich gehören, weil es sich enthüllen wird, daß mein Ursprung groß und berühmt ist, wobei sich dann auch der König, mein Schwiegervater, zufrieden stellen muß. Will er aber durchaus nicht, so wird mich die Infantin auf solche Weise lieben, daß sie ihrem Vater zum Trotze, wenn sie auch bestimmt wüßte, ich sei der Sohn eines Tagelöhners, mich zum Herrn und Gemahl annehmen wird; wo nicht, so raube ich sie dann und entführe sie, wohin es mir gefällt, bis Zeit oder Tod endlich den Zorn ihrer Eltern vertilgen.« »Es paßt hier schön,« sagte Sancho, »was manche Schelme sagen: bitte das nicht im Guten, was du dir mit Gewalt nehmen kannst; man könnte auch noch besser sagen: das Rauben eines Spitzbuben ist besser als das Bitten eines braven Mannes; ich sage das nur, weil, wenn der Herr König, Euer Schwiegervater, sich nicht zum Ziele legen und Euch die gnädige Infantin übergeben will, so tut Ihr freilich am besten, sie zu rauben und wegzunehmen. Das Unglück ist nur, daß bis wieder Friede gemacht ist und Ihr im Königreiche ruhig sitzet, der arme Stallmeister unterdes mit leeren Backen auf den Lohn passen muß, wenn nicht etwa die Jungfrau, die Vermittlerin, die seine Gemahlin werden soll, mit der Infantin wegläuft und er sein Unglück mit ihr teilt, bis es der Himmel anders beschert, denn ich glaube, sein Herr ist doch imstande, sie ihm gleich zur rechtmäßigen Frau zu geben.« »Niemand kann ihm solches verweigern,« sagte Don Quijote. »Damit es aber so komme,« antwortete Sancho, »müssen wir brav zu Gott beten und das Glück dann gehen lassen, wohin es uns führen will.« »Gott wird es fügen«, antwortete Don Quijote, »wie ich es wünsche und du, Sancho, es brauchst, und gemein bleibe der, der sich für gemein hält.« »Das weiß Gott,« sagte Sancho, »daß ich ein alter Christ bin, und mehr braucht's nicht, um Graf zu sein.« »Überflüssig genug ist es,« sagte Don Quijote, »und wärst du es nicht, so wäre auch dieses ohne Bedeutung, denn wenn ich König bin, so kann ich dir den Adel erteilen, ohne daß du ihn kaufst oder durch Verdienste erwirbst, weil, wenn ich dich zum Grafen mache, ich dich zugleich zum Ritter mache, und sie mögen sich dann stellen wie sie wollen, so müssen sie dir denn durchaus deinen gnädigen Herrn geben.« »Und denkt nur nicht, daß ich mich nicht in Hauterdiät setzen werde,« sagte Sancho. »Auktorität und nicht Hauterdiät mußt du sagen,« erwiderte sein Herr. »Auch gut,« antwortete Sancho Pansa, »ich sage nur, daß ich mich schon drein schicken will, denn meiner Seel, ich war nur einmal Hochzeitbitter und es stand mir so gut, daß alle sagten, ich könnte wohl gar einen Küster vorstellen. Wie wird's aber vollends werden, wenn sie mir den Herzogsmantel um die Schultern hängen oder ich ganz voll Gold und Perlen sitze wie ein fremder Graf! Gewiß kommen sie hundert Meilen her, um mich nur zu sehen.« »Du wirst gut aussehen,« sagte Don Quijote, »doch wirst du dir den Bart müssen dünner scheren lassen, denn so dick, häßlich und unordentlich dein Bart ist, mußt du ihn wenigstens einen Tag um den anderen unter das Messer bringen, sonst weiß doch jeder schon auf einen Steinwurf, wer du bist.« »Was gilt's,« sagte Sancho, »ich nehme mir lieber einen Barbier und lasse ihn bei mir im Hause wohnen, und wenn's nötig tut, muß er mir allerwege nachfolgen, wie der Bereiter eines Großen.« »Aber wie weißt du,« fragte Don Quijote, »daß die Großen ihren Bereiter hinter sich führen?« »Ich will es sagen,« antwortete Sancho; »ich war vor etlichen Jahren einmal vier Wochen lang in Madrid, da sah ich einen sehr kleinen Herrn vorbei reiten, von dem die Leute sagten, er wäre sehr groß, ein Mann folgte ihm auf allen seinen Schritten und Tritten zu Pferde nach, so daß er mir wie sein Schwanz vorkam; ich fragte die Leute, warum der Mann nicht neben dem anderen ritte, sondern nur immer hinter ihm herzöge, da antworteten sie, daß er sein Bereiter sei und daß es die Großen in der Art hätten, sie so hinter sich zu führen: das weiß ich seitdem so gut, daß ich es niemals wieder vergessen habe.« »In der Tat hast du recht,« sagte Don Quijote, »und auf die Weise kannst du deinen Barbier mit dir führen, denn die Gebräuche entstehen nicht auf einmal und werden nicht alle zu einer Zeit erfunden, und so kannst du vielleicht der erste Graf sein, der seinen Barbier hinter sich führt; und überdem ist den Bart in Ordnung halten ein wichtigeres Geschäft als ein Pferd satteln.« »Das mit dem Barbier laßt nur meine Sorge sein,« sagte Sancho, »Ihr braucht nur darauf zu denken, wie Ihr König werdet und mich zum Grafen macht.« »So sei es,« antwortete Don Quijote, und indem er die Augen erhob, sah er, was das folgende Kapitel erzählen wird. ~Achtes Kapitel~ Hier erteilt Don Quijote vielen Unglücklichen die Freiheit, die man wider Willen hinführte, wohin sie ungern gingen Cide Hamete Benengeli, der arabische und manchanische Geschichtschreiber, erzählt in dieser wichtigen, erhabenen, genauen, lieblichen und gut erfundenen Geschichte, daß, nachdem zwischen dem berühmten Don Quijote von la Mancha und seinem Stallmeister Sancho Pansa obige Reden vorgefallen waren, die im vorigen Kapitel vorgetragen sind, der Ritter die Augen erhob und sah, wie auf der Straße, die er zog, ihm wohl zwölf Menschen zu Fuß entgegen kamen, die wie die Perlen eines Rosenkranzes mit den Hälsen auf eine große eiserne Kette gereiht waren und an den Händen Handschellen trugen. Mit ihnen kamen zwei Leute zu Pferde und zwei zu Fuß. Die zu Pferde waren mit geladenen Flinten bewaffnet, die zu Fuß mit Spieß und Schwert, und sowie sie Sancho erblickte, sagte er: »Das ist eine Kette mit Ruderknechten, die der König zwingt, ihm auf den Galeeren zu dienen.« »Wieso zwingt?« fragte Don Quijote; »wie kommt der König dazu, irgend jemand zu zwingen?« »Das sage ich nicht,« antwortete Sancho, »sondern das sind Leute, die man wegen ihrer Verbrechen verurteilt hat und sie zwingt, auf den Galeeren zu dienen.« »In Summa,« versetzte Don Quijote, »wenn ich dich recht verstehe, so gehen diese Leute, die man fortführt, gezwungen und nicht nach eigenem freien Willen.« »Wahrhaftig nicht,« sagte Sancho. »Da dem so ist,« erwiderte sein Herr, »so tritt hier die Ausübung meines Gewerbes ein, Zwang aufzuheben und den Unglücklichen zu helfen und beizustehen.« »Bedenkt Euch wohl, gnädiger Herr,« sagte Sancho, »denn die Gerechtigkeit, die den König vorstellt, begeht keinen Zwang oder Unrecht an dergleichen Leuten, sondern sie werden nur wegen ihrer Verbrechen gestraft.« Indem kam die Kette mit den Ruderknechten heran und Don Quijote bat diejenigen, die als Wache mitgingen, mit vieler Höflichkeit, ihm den Grund oder die Gründe gefälligst mitzuteilen, warum man diese Leute auf solche Weise fortführe. Einer von den Wachen zu Pferde antwortete, daß es Ruderknechte wären, Sklaven Seiner Majestät des Königs, die auf die Galeeren gebracht würden, mehr könne er nicht sagen und mehr sei ihm auch nicht bekannt. »Demohngeachtet«, erwiderte Don Quijote, »wünschte ich von jedem insbesondere die Ursache seines Unglücks zu erfahren.« Er fügte noch so viele und so höfliche Bitten hinzu, um seinen Wunsch durchzusetzen, daß der andere von der Wache zu Pferde sagte: »Wir haben zwar das ganze Register und alle Urteilssprüche von jenen Nichtswürdigen bei uns, aber wir haben jetzt keine Zeit sie auszupacken und zu lesen, der Herr darf sie nur selbst befragen, sie werden ihm auf alles Antwort geben, denn diese Menschen tun und sprechen gern Nichtswürdigkeiten.« Mit dieser Erlaubnis, die sich Don Quijote würde genommen haben, wenn man sie ihm nicht gegeben hätte, ging er nach der Kette und fragte den vordersten, um welcher Sünden willen er in so schlechtem Aufzuge ginge? Dieser antwortete, daß er als Verliebter so ginge. »Und für nichts anderes?« versetzte Don Quijote. »Bringt man die Verliebten nach den Galeeren, so hätte ich schon seit langem dort rudern müssen.« »Meine Liebe ist nicht von der Art, wie der Herr meint,« versetzte der Ruderknecht, »meine Leidenschaft war, daß ich einen Korb mit Wäsche mit so heftiger Zärtlichkeit liebte und ihn so kräftiglich umfaßte, daß ich ihn noch nicht mit meinem Willen aus den Armen lassen würde, wenn ihn mir die Justiz nicht mit Gewalt entrissen hätte. Ich war auf der Tat ertappt, eine lange Untersuchung war unnötig, die Sache machte sich bald, ich bekam zweihundert Streiche auf den Buckel, ward zur Zugabe drei Sommer den Wasserenten gewidmet und damit hat das Ding ein Ende.« »Was sind Wasserenten?« fragte Don Quijote. »Wasserenten sind Galeeren,« antwortete der Ruderknecht, ein Bursche von ungefähr vierundzwanzig Jahren und, wie er sagte, seiner Landsmannschaft nach ein Felsenherzer. Don Quijote tat dem zweiten die nämliche Frage, der aber keine Antwort gab, sondern still und schwermütig war; der erste aber antwortete für ihn und sagte: »Dieser, gnädiger Herr, geht mit uns, weil er ein Singvogel ist, ich meine ein Musikus und Sänger.« »Wie das?« fragte Don Quijote, »Musiker und Sänger werden auf Galeeren geschickt?« »Nicht anders,« antwortete der Ruderknecht, »kein böser Ding auf der Welt, als in der Not singen.« »Ich habe vielmehr sagen hören,« sprach Don Quijote, »daß, wer singt, sein Unglück bezwingt.« »Wie es kommt,« sagte der Ruderknecht, »denn, wer einmal singt, muß zeitlebens ächzen.« »Das ist mir unverständlich,« sagte Don Quijote; einer von der Wache aber antwortete: »Herr Ritter, in der Not singen bedeutet unter diesen rechtlichen Leuten auf der Tortur bekennen; dieser Sünder bekam die Tortur und bekannte, er ist ein Viehdieb und nach seinem Geständnis auf sechs Jahre auf die Galeeren verurteilt, außer, daß er schon zweihundert Hiebe auf dem Rücken bekommen hat; er ist immer nachdenklich und traurig, weil ihn die übrigen Schelme, die mit ihm gehen, schlecht behandeln, ihn verachten und verspotten, weil er bekannt und nicht das Herz gehabt hat, nein zu sagen, denn sie sagen, ein Nein habe nur zwei Buchstaben mehr als ein Ja, und daß ein Delinquent kein besseres Glück wünschen könne, als daß auf seiner Zungenspitze sein Leben oder sein Tod schwebe, wenn keine andere Zeugen und Beweise gegen ihn sind; und so ganz haben sie meiner Meinung nach nicht unrecht.« »So scheint es mir ebenfalls,« sagte Don Quijote und wandte sich zum dritten, den er wie die vorigen befragte, der auch behende und mit großer Bereitwilligkeit antwortete: »Ich gehe auf fünf Jahre zu den allerliebsten Wasserenten, weil mir zehn Dukaten mangelten.« »Zwanzig wollte ich herzlich gerne geben,« sagte Don Quijote, »um Euch aus Eurem Unglücke zu lösen.« »Das kommt mir vor,« antwortete der Ruderknecht, »als wenn einer mitten auf der See Geld hätte und doch Hungers sterben müßte, weil er nirgends einkaufen kann, was er braucht; hätte ich diese zwanzig Dukaten zur rechten Zeit gehabt, die Ihr mir jetzt anbietet, so hätte ich damit die Feder des Schreibers geschmiert und den Kopf meines Sachverwalters so aufgeklärt, daß ich mich heute mitten auf dem Platze von Zocodover in Toledo befinden könnte und nicht hier, wie ein Hund angekoppelt, zu gehen brauchte; aber Gott ist mächtig und man muß Geduld haben.« Don Quijote kam zum vierten, einem Manne mit einem ehrwürdigen Gesicht, dem ein silberweißer Bart bis auf die Brust herunterhing; als er diesen nach der Ursache fragte, aus der er fortgeführt würde, fing er an zu weinen und antwortete nichts. Aber der fünfte Gefangene diente zu seinem Dolmetscher und sagte: »Dieser ehrwürdige Mann kommt auf vier Jahre auf die Galeeren, nachdem er vorher seinen Umzug zu Pferde und in großer Pracht gehalten hat.« »Also wird er wohl«, sagte Sancho Pansa, »öffentlich am Pranger gestanden haben.« »Freilich,« versetzte der Ruderknecht, »und sie haben es ihm darum getan, weil er ein Mittler für das Ohr und auch für die übrigen Gliedmaßen gewesen ist, dieser Ritter ist nämlich ein Kuppler und hat nebenher auch einige Streiche als Zauberer ausgeübt.« »Hättet Ihr nicht dieser Streiche erwähnt,« sprach Don Quijote, »so würde ich nicht einsehen, wie er als bloßer Liebesmittler sich die Strafe zugezogen hätte, auf den Galeeren zu rudern, sondern man hätte ihn vielmehr zum General derselben ernennen sollen, denn also müssen die Dienste eines Liebesmittlers belohnt werden; dieses Amt erfordert verständige Leute und ist in einem gut eingerichteten Staate von äußerster Notwendigkeit, so wie es immer Leute von gutem Herkommen ausüben müßten. Man sollte auch Aufseher und Examinatoren über sie ansetzen, wie es bei den übrigen Ämtern geschehen ist, mit Unterbedienten, wie die Makler auf der Börse sind. Auf diese Weise würde vielen Übeln vorgebeugt werden, die daher entstehen, daß sich unwissende und einfältige Menschen mit diesem Amt befassen, wie es mehr oder weniger alle die alten Weiber, schlechte Pagen und Lustigmacher sind, die wenige Jahre und noch weniger Erfahrung besitzen, und die bei wichtigen Vorfällen oder wenn es vonnöten ist, einen gescheiten Anschlag zu machen, dastehen, als wenn ihnen der Verstand verregnet wäre und kaum wissen, welche ihre rechte oder linke Hand ist. Ich könnte hierüber noch weitläufiger sein und Gründe anführen, warum es gut sei, diejenigen auszuwählen, die im Lande diesem Amte vorstehen müßten, es ist aber hier nicht dazu der schickliche Ort, ich werde es aber einmal denen vortragen, die Einfluß haben und die Sache einrichten können. Ich will nur noch hinzufügen, daß das Mitleid, welches diese silberweißen Haare, dieses ehrwürdige Gesicht und diese schwere Strafe, nur für Liebesvermittlung, bei mir erregten, sehr durch den Zusatz der Zauberei vermindert ist; ob ich gleich einsehe, daß keine Zauberei in der Welt vermögend ist, den Willen zu verändern und zu bezwingen, wie einige Einfältige glauben, denn unser Geist ist frei und weder Kräuter noch Gesänge können ihn überwältigen. Was alte einfältige Weiber und nichtswürdige Schelmen wohl zu tun pflegen, ist, daß sie Gifte mischen, die den Menschen töricht machen, womit sie meinen, so gewaltig zu sein, Liebe zu erregen, da es doch, wie gesagt, unmöglich ist, den freien Willen zu zwingen.« »So ist es auch,« sagte der wackere Greis, »und wahrhaftig, gnädiger Herr, ob ich gleich in der Zauberei unschuldig war, so konnte ich doch das Liebesmitteln nicht leugnen, ich glaubte aber damit nichts Böses zu tun, denn meine lautere Absicht war, daß alle Leute fröhlich sein möchten, in Ruhe und Frieden leben, ohne Hader und Zwietracht; aber dieser gute Wille hat mir nichts geholfen, ich muß dahin, von wo ich gewiß nicht wiederkomme, denn ich bin schon alt und habe außerdem noch ein Übel in der Blase, das mir keinen Augenblick Ruhe läßt.« Er fing hierauf von neuem an zu weinen, wodurch Sancho so gerührt ward, daß er vier Realen aus dem Busen zog und sie ihm als ein Almosen reichte. Don Quijote ging weiter und fragte den folgenden nach seinem Vergehen, der viel fröhlicher als der vorige antwortete: »Ich gehe dorthin, weil ich zu übermütig mit zwei Muhmen scherzte und mit zwei anderen Muhmen, die mir nicht verwandt waren, kurz, ich trieb den Scherz so ins Mannigfaltige, daß durch all dies Scherzen eine so verworrene Verwandtschaft entstand, daß sie kein Genealogist wieder ins Reine zu bringen vermag. Alles kam aus, Freunde fehlten, Geld mangelte, so geschah's, daß ich den Handel verlor und auf sechs Jahre zu den Galeeren verdammt wurde. Mir ist es recht, es ist meine Strafe, ich bin jung, das Leben geht fort und nur mit dem Tode ist alles aus. Wollt Ihr, Herr Ritter, diesen armen Schelmen eine Gabe mitteilen, so wird es Euch Gott im Himmel belohnen und wir auf Erden wollen sorgfältig in unsern Gebeten zu Gott bitten, daß er Euch Leben und Wohlsein in so vollem Maße schenke, wie es Euer edler und trefflicher Charakter verdient.« Dieser war wie ein Student gekleidet und einer von der Wache sagte, daß er ein großer Redner und geschickter Lateiner sei. Diesen allen folgte ein Mann von guter Bildung, wohl dreißig Jahre alt, der mit dem einen Auge nach dem anderen schielte: die Weise, wie er angefesselt war, war von der der übrigen ein wenig unterschieden, denn am Fuße hatte er eine so große Kette, daß sie sich ihm um den ganzen Leib wickelte, am Halse trug er zwei Ringe, von denen der eine zur Kette gehörte, am andern aber ein sogenannter aufmerksamer Freund befestigt war, denn zwei Eisenstäbe zogen sich von oben bis zum Gürtel herunter, wo sie sich wieder in zwei Ringen endigten, an welchen seine beiden Hände mit zwei großen Schlössern angeschlossen waren, so daß er weder die Hände zum Munde erheben, noch auch den Kopf zu den Händen herunterbeugen konnte. Don Quijote fragte, warum dieser Mann soviel mehr Eisen als die übrigen an sich habe? Die Wache antwortete, weil er nicht allein mehr Verbrechen als alle übrigen zusammen begangen habe, und daß er so verwegen und listig sei, daß sie ihn immer noch nicht sicher glaubten, wenn sie ihn auch so umständlich gefesselt hatten, sondern stets seine Flucht befürchteten. »Welche Verbrechen«, sagte Don Quijote, »kann er begangen haben, wenn er keine größere Strafe als die Galeere verdient?« »Er ist auf zehn Jahre verurteilt,« versetzte die Wache, »und das ist so gut wie der Tod; man braucht nicht mehr zu wissen, als daß dieser redliche Mann der berühmte Gines Friedberg ist, sonst auch Hans Gines Diebsfinger genannt.« »Herr Kommissarius,« rief sogleich der Ruderknecht, »laßt uns sachte gehen und geht nicht darauf aus, Namen und Beinamen herzuerzählen. Gines ist mein Name und nicht Hans Gines, Friedberg ist mein Zuname und nicht Diebsfinger, wie Ihr mich nennt, und jeder sorge nur für sich und er wird genug zu tun finden.« »Nicht so hochmütig,« versetzte der Kommissarius, »du mein Herr Spitzbube von der ersten Sorte, wenn ich dich nicht zum Schweigen bringen soll, wie es dir gewiß nicht lieb ist.« »Nun gut,« versetzte der Ruderknecht, »man muß sich in Gottes Schicksale fügen, aber es kommt gewiß der Tag, wo man erfahren soll, ob ich Hans Gines Diebsfinger heiße oder nicht.« »Nennen sie dich denn nicht so, Straßenräuber?« fragte der Wächter. »Ja,« antwortete Gines, »aber ich will's schon dahin bringen, daß sie mich nicht so nennen oder ein Ding tun, was ich schon weiß. Wenn Ihr uns, Herr Ritter, was geben wollt, so gebt her und geht mit Gott, Ihr seid zu neugierig, das Leben von andern Leuten zu wissen, wollt Ihr aber das meinige erfahren, so wißt, daß ich Gines Friedberg bin und meinen Lebenslauf mit diesen Fingern niedergeschrieben habe.« »Er sagt die Wahrheit,« versetzte der Komissarius, »er hat selbst seine Geschichte niedergeschrieben, so gut man es nur verlangen kann, er hat das Buch im Gefängnis für zweihundert Realen als Pfand zurückgelassen.« »Und ich will es einlösen,« sagte Gines, »und wenn ich zweihundert Dukaten darauf bekommen hätte.« »So gut ist das Buch?« fragte Don Quijote. »Es ist so gut,« antwortete Gines, »daß es den Lazarillo von Tormes und alle übrigen, die in dieser Gattung geschrieben sind oder noch geschrieben werden, weit hinter sich zurückläßt; ich kann Euch soviel davon sagen, daß es lauter Wahrheiten enthält, und diese Wahrheiten sind so anmutig und lustig, daß keine Erfindungen possierlicher sein können.« »Und wie ist der Titel dieses Buches?« fragte Don Quijote. »Das Leben des Gines Friedberg,« antwortete jener. »Und ist es fertig?« fragte Don Quijote. »Wie kann es fertig sein,« antwortete Gines, »da mein Leben noch nicht fertig ist? Was ich geschrieben habe, hebt mit meiner Geburt an und beschließt da, wie ich neulich auf die Galeeren gesandt wurde.« »Also seid Ihr schon sonst dort gewesen?« fragte Don Quijote. »Gott und meinem Könige zu dienen bin ich schon einmal vier Jahre darauf gewesen, ich weiß, wie der Zwieback und die Karbatsche schmeckt,« antwortete Gines, »aber ich gräme mich nicht sonderlich, wieder hinzukommen, denn ich werde dort Zeit haben, mein Buch fertigzumachen, in dem mir noch viele Dinge übriggeblieben sind, und auf den spanischen Galeeren ist immer mehr Ruhe, als ich dazu brauche, ich brauche freilich auch nicht zum Niederschreiben viele Zeit, denn ich weiß es schon auswendig.« »Du bist geschickt,« sagte Don Quijote. »Und unglücklich,« antwortete Gines, »denn das Unglück verfolgt immer die Genies.« »Die Spitzbuben verfolgt es,« sagte der Kommissarius. »Ich habe schon gesagt, Herr Kommissarius,« antwortete Friedberg, »laßt uns sachte gehen, die Herren haben Euch Euren Stab nicht dazu anvertraut, die armen Schelmen zu mißhandeln, die unter Euch stehen, sondern daß Ihr sie führt, und dahin bringt, wohin der Befehl Ihrer Majestät lautet, tut Ihr anders, bei meiner Seele -- -- Nun, genug! Aber vielleicht gehen einmal in der Wäsche alle die Flecke aus, die in der Schenke angeschmiert sind und alle Welt sei ruhig und lebe wohl und spreche besser und laßt uns weiterziehen, denn dies Wesen ist über die Gebühr langweilig.« Der Kommissarius erhob seinen Stab, um dem Friedberg auf seine Drohungen zu antworten, aber Don Quijote legte sich dazwischen und bat, ihn nicht zu schlagen, denn es sei dem, dem die Hände so fest gebunden wären, wohl zu gönnen, die Zunge frei zu brauchen; worauf er sich gegen alle an der Kette wandte und sprach: »Aus alledem, was Ihr mir gesagt habt, vielgeliebte Brüder, habe ich soviel verstanden, daß, wenn Ihr gleich für Vergehungen gestraft werdet, Ihr Euch doch mit Widerwillen eurer Züchtigung unterwerft und sehr ungern und gegen euren Willen derselben entgegenwandelt. Auch ist es wohl möglich, daß der wenige Mut, den dieser auf der Tortur bewies, der Geldmangel bei jenem, bei diesem der Mangel an Freunden und überhaupt das schlechte Urteil des Richters Ursache eures Unglückes ist, daß ihr nicht die Gerechtigkeit gefunden habt, die euch eigentlich zukam; welches alles sich jetzt so meinen Gedanken vorstellt, daß ich angereizt, überredet, ja gezwungen bin, euch den Zweck deutlich zu machen, zu welchem der Himmel mich auf die Erde versetzte und den Orden der Ritterschaft, den ich bekleide, erwählen hieß, als in welchem es mein Gelübde erheischt, ein Freund der Hilfsbedürftigen zu sein, wie aller, die unter dem Drucke der Gewalt seufzen. Es ist mir aber bekannt, wie es eine Regel der Klugheit ist, das nicht im Bösen zu tun, was sich im Guten ausrichten läßt, daher ergeht meine Bitte an diese Herren der Wache und den Herrn Kommissar, euch gefälligst loszufesseln und in Frieden gehen zu lassen, denn es wird nicht an Leuten mangeln, die dem Könige auf bessere Weise dienen mögen, denn mir scheint es etwas hartes, diejenigen zu Sklaven zu machen, die Gott und die Natur als freie Leute geboren werden ließ. Überdies, meine Herren Wächter,« fuhr Don Quijote fort, »haben ja diese Unglückseligen euch nichts getan; dorten aber wird jeder für seine Vergehungen büßen, denn Gott im Himmel lebt, das Böse zu bestrafen und das Gute zu belohnen, und es ziemt sich nicht, daß ehrliche Männer die Henker anderer Männer sind, die ihnen nichts zu Leide taten. Ich bitte euch deshalb mit dieser Ruhe und Freundlichkeit, damit ich euch danken könne, wenn ihr mein Begehren erfüllt, falls ihr es aber nicht auf diesem Wege ausrichtet, so steht diese Lanze, dieses Schwert, meinem tapfern Arme zu Gebote, um euch mit Gewalt zu zwingen, es also zu vollstrecken.« »Nun, das ist hinlänglich toll,« sagte der Kommissarius, »ein herrlicher Unsinn nach all dem Geschwätz! Wir sollen die Sklaven des Königs frei lassen! Als wenn wir die Macht hätten, das zu tun, oder er da, es uns zu befehlen. O geht, mein Herr, mit Gott, und setzt Euch auf dem Kopfe Euer Bartbecken zurecht und bekümmert Euch nicht um ungelegte Eier.« »Ihr selbst seid ungelegt und ungefegt und ein Ungeheuer von Spitzbube!« antwortete Don Quijote. Und in demselben Augenblick rannte er so wütend auf jenen ein, daß er sich nicht zur Wehr setzen konnte, sondern von der Lanze schwer verwundet zu Boden stürzte, welches für ihn glücklich ausschlug, denn es war derselbe, der die Flinte führte. Die übrige Wache erstaunte und erschrak über diesen unerwarteten Angriff, da sie sich aber wieder sammelten, zogen die zu Pferde die Degen, die zu Fuß ergriffen ihre Spieße und alle machten sich über Don Quijote, der sie mit aller Geistesruhe erwartete. Ohne Zweifel wäre es ihm übel ergangen, wenn nicht die Ruderknechte, da sie diese günstige Gelegenheit, sich frei zu machen, sahen, sie in der Tat benutzt hätten, indem sie die Kette, an der sie aufgereiht waren, zerbrachen. Hierauf entstand eine solche Verwirrung, daß die Wachen, bald zu den Ruderknechten laufend, die sich losmachten, bald Don Quijote angreifend, der sie angriff, durchaus nichts ausrichten konnten. Sancho seinerseits half dem Gines Friedberg aus seinen Eisen heraus, der zuerst frei und ohne alle Fesseln im Felde herumlief, sich über den niedergestürzten Kommissarius machte und ihm Degen und Flinte abnahm; hierauf legte er die Flinte bald auf diesen an, bald zielte er nach jenem, ohne loszuschießen, so daß bald keiner von der Wache mehr das Feld behauptete, denn alle entflohen, teils vor der Flinte des Friedberg, teils vor dem Steinregen, den die frei gewordenen Ruderknechte erregten. Sancho wurde über diese Begebenheit sehr betrübt, denn er glaubte, daß die Entfliehenden sogleich der heiligen Brüderschaft den ganzen Vorfall anzeigen würden, die die Sturmglocken läuten möchte, um die Verbrecher einzufangen; diese Besorgnis trug er auch seinem Herrn vor und bat ihn, sich eiligst zu entfernen, damit sie sich in das nah gelegene Gebirge verstecken könnten. »Es mag drum sein,« sagte Don Quijote, »aber ich weiß, was mir vorerst zu tun obliegt.« Worauf er denn alle Ruderknechte zusammenrief, die sich schon zerstreut und den Kommissar bis aufs Hemd ausgezogen hatten; sie stellten sich um ihn her, um zu sehen was er haben wollte, er aber sagte: »Braven Leuten steht es gut an, für empfangene Wohltaten dankbar sein, und Undankbarkeit ist eine derjenigen Sünden, durch welche man Gott am meisten erzürnt; dieses sage ich, weil ihr, meine edlen Herren, gesehen und deutlich genug erfahren habt, wie großes ihr von mir empfangen; zum Lohn dafür wünsche und begehre ich, daß ihr diese Kette, die von eurem Halse abfiel, wieder auf euch nehmt, euch gleich auf den Weg macht, und euch nach der Stadt Toboso begebt, um euch dort der Dame Dulzinea von Toboso zu präsentieren, ihr sagend, daß ihr Ritter, der von der traurigen Gestalt, euch sende und schicke, worauf ihr denn Punkt für Punkt alles erzählen sollt, was sich in diesem berühmten Abenteuer bis zu eurer wirklichen Befreiung zugetragen hat; ist dieses vollbracht, so könnt ihr in Gottes Namen gehen, wohin es euch gefällt.« Im Namen der übrigen antwortete Gines Friedberg: »Was Ihr uns da, gnädiger Herr und unser Erretter, auftragt, ist von der äußersten Unmöglichkeit, es auszurichten, denn wir können nicht in Gesellschaft auf den Straßen ziehen, sondern einzeln und getrennt und jeder für sich besorgt, ja es wäre gut, wenn wir uns in die Eingeweide der Erde verkriechen könnten, damit uns nur die heilige Brüderschaft nicht findet, die gewiß sehr bald Jagd auf uns macht. Was Ihr tun mögt und mit Billigkeit tun könnt, ist, diese Dienstleistung und Wanderschaft nach der Dame Dulzinea von Toboso in eine Anzahl Ave Marias und Credos zu verwandeln, die wir zu Eurem Besten abbeten wollen, denn das läßt sich bei Tag und Nacht, auf der Flucht und auf der Ruhe, im Krieg und Frieden tun; aber zu glauben, daß wir wieder zu den Fleischtöpfen Ägyptens zurückkehren werden, ich meine, daß wir unsere Kette wieder aufnehmen und uns damit auf den Weg nach Toboso machen sollen, ist, als wollte man glauben, es sei jetzt Nacht, da es doch zehn Uhr morgens ist, und es von uns verlangen, heißt Birnen vom Ulmbaum fordern.« »Aber ich schwöre,« sagte Don Quijote sehr ergrimmt, »Ihr, Don Hurensohn oder Don Hans Gines Diebsfinger oder wie Ihr sonst heißen mögt, daß Ihr allein gehen sollt, alle Eure Eisen zwischen den Beinen und die ganze Kette über den Buckel gehängt!« Friedberg, der nicht von geduldiger Gemütsart war (auch schon daraus begriffen hatte, daß Don Quijote nicht gescheit sei, daß er das tolle Unternehmen angefangen, sie frei zu machen), gab, da er sich so behandelt sah, seinen Kameraden einen Wink, die sich alsbald von allen Seiten beabseiteten, und einen solchen Hagel von Steinen nach Don Quijote schleuderten, daß er nicht Hände genug hatte, um sich mit seinem Schilde zu schirmen, wobei der arme Rosinante sich aus allem Spornen nicht mehr machte, als wenn er aus Erz gegossen wäre. Sancho kroch hinter seinen Esel und verbarg sich dort vor dem Sturmwetter von Steinen, das auf beide herabstürzte. Don Quijote konnte sich nicht so ganz verschilden, daß ihn nicht einige Kiesel so gewaltig auf den Leib getroffen hätten, daß sie ihn auf die Erde warfen. Er war kaum niedergefallen, als sich der Student über ihn machte, ihm das Bartbecken vom Kopfe nahm, ihm damit drei oder vier Schläge auf den Rücken gab und es so lange gegen die Erde schmiß, bis es in Stücke brach; er nahm ihm überdies eine Schärpe ab, die er über der Rüstung trug und hätte ihm ohne Zweifel selbst die Hosen ausgezogen, wenn ihn daran nicht der Beinharnisch gehindert hätte. Dem Sancho nahmen sie seinen Mantel und ließen ihn entkleidet, worauf sie untereinander die in der Schlacht gewonnene Beute verteilten und jeder sich nach einer andern Gegend davonmachte, eifriger besorgt, der furchtbaren Brüderschaft zu entwischen, als sich mit der Kette zu beladen und sich vor der Dame Dulzinea von Toboso zu präsentieren. Der Esel und Rosinante, Sancho und Don Quijote blieben zurück, der Esel kopfhängend und nachdenklich, indem er je zuweilen die Ohren schüttelte, wohl in der Meinung, daß der Steinregen, der seine Ohren getroffen, noch nicht aufgehört habe; Rosinante neben seinem Herrn hingestreckt, ebenfalls durch einen Wurf niedergestürzt, Sancho ohne Mantel und in Furcht vor der heiligen Brüderschaft, Don Quijote ungemein verdrießlich, sich so schlecht von denen behandelt zu sehen, denen er so großes Gut verschafft hatte. ~Neuntes Kapitel~ Was dem berühmten Don Quijote in dem schwarzen Gebirge begegnete, eines der wundersamsten Abenteuer, die in dieser wahrhaftigen Geschichte vorgetragen werden Wie sich nun Don Quijote so übel behandelt sah, sagte er zu seinem Stallmeister: »Immer, Sancho, habe ich sagen hören, den Nichtswürdigen Gutes erzeigen, heiße, Wasser ins Meer tragen; hätte ich deinen Worten geglaubt, so hätte ich freilich diesen Verdruß nicht erfahren, aber da es nun geschehen ist, so sei die Geduld mein Trost und daß ich inskünftige vorsichtiger sein werde.« »Ihr werdet gerade so vorsichtig sein,« antwortete Sancho, »wie ich ein Türke bin, da Ihr aber doch sprecht, daß Ihr dieses Unglück nicht erfahren, wenn Ihr mir geglaubt hättet, so glaubt mir nur jetzt, damit Ihr nicht ein ander noch größer Unglück erlebt, denn Ihr müßt wissen, daß sich die heilige Brüderschaft nichts um die Ritterschaft schert, denn sie gibt für alle irrenden Ritter zusammen noch keine zwei Dreier, und mir ist immer schon, als wenn uns ihre Spieße um die Ohren brummen.« »Du bist eine geborene Memme, Sancho,« sagte Don Quijote, »damit du aber nicht sagen könnest, ich sei halsstarrig und befolge niemals deinen Rat, will ich dieses Mal tun, was du mir rätst, und dem Unheil, das du fürchtest, aus dem Wege gehen; doch nur unter der einen Bedingung, daß du niemals so im Leben wie im Sterben niemanden sagen dürfst, ich zöge mich aus Furcht vor der Gefahr, sondern nur deinen Bitten zu Gefallen zurück; denn sagst du es anders, so lügst du, und jetzt wie alsdann, auch alsdann so wie jetzt werde ich dich Lügen strafen, und du wirst lügen, so oft du es denken oder sagen magst und erwidre nichts weiter, denn wenn du es nur denkst, daß ich irgendeiner Gefahr aus dem Wege trete, vorzüglich dieser, die in der Tat einen kleinen Anschein von gegründeter Furcht mit sich führt, so bin ich entschlossen hierzubleiben und ganz allein alles zu erwarten, nicht allein diese heilige Brüderschaft, die dich besorgt macht, sondern zugleich alle Brüder der zwölf israelitischen Stämme, samt den sieben Brüdern, ingleichen Kastor und Pollux, wie nicht minder alle Brüder und Brüderschaften, die es nur in der Welt geben mag.« »Gnädiger Herr,« antwortete Sancho, »sich zurückziehen ist ja nicht fliehen, zu warten ist kein Verstand, wenn die Gefahr größer ist, als man sie nur erwarten kann, kluge Leute schonen sich heute für morgen und setzen ihr ganzes Glück nicht an einem Tage und wenn ich gleich nur ein gemeiner Mann und Bauer bin, so habe ich doch jederzeit meine Ehre darin gesucht, mich verständig aufzuführen; drum laßt's Euch nicht gereuen, meinen guten Rat anzunehmen, sondern steigt auf den Rosinante, wenn Ihr könnt, wo nicht, so will ich Euch helfen und folgt mir nach, denn es schwant mir, daß wir die Beine nötiger als die Hände brauchen werden.« Don Quijote stieg auf, ohne irgend etwas zu antworten, Sancho, auf seinem Esel sitzend, führte an und so gelangten sie in einen Teil des schwarzen Gebirges, dem sie sich nahe befanden, Sancho hatte die Absicht es ganz zu durchschneiden und sich nach Viso oder Almodovar del Campo zu begeben und sich etliche Tage in diesen Berggegenden zu verstecken, damit sie von der heiligen Brüderschaft nicht gefunden würden. Er faßte neuen Mut, als er entdeckte, daß sein Mundvorrat, der sich auf dem Esel befunden hatte, aus der Schlacht mit den Ruderknechten gerettet war, etwas, das er für ein Wunderwerk hielt, da die Ruderknechte auf dergleichen so heftige Jagd gemacht hatten. Noch in dieser Nacht kamen sie bis in die Mitte des schwarzen Gebirges und Sancho schlug vor, die Nacht und noch etliche nachfolgende Tage dort zuzubringen, wenigstens so lange, als ihre Speisekammer sie versorgte, und also machten sie ihr Nachtlager in einer Gegend zwischen zwei Felsen, in der sich viele Korkbäume befanden. Aber das Fatum, welches nach der Meinung derer, die nicht vom Licht der wahren Lehre erleuchtet sind, alles lenkt und nach seinem Kreise regiert und vollführt, führte den Gines Friedberg, diesen berühmten Schelm und Räuber, der durch Tugend und Tollheit des Don Quijote von der Kette erlöst war und der ebenfalls aus Besorgnis vor der heiligen Brüderschaft, die er mit großem Rechte fürchtete, auf den Einfall kam, sich in das Gebirge zu verstecken, diesen brachte sein Schicksal und seine Furcht an die nämliche Stelle, die sich Don Quijote und Sancho Pansa erwählt hatten, er erkannte sie und traf sie, da sie eben einschlafen wollten. Wie nun Bösewichter immer undankbar sind, die Not auch oft das Äußerste versucht, die gegenwärtige Hilfe auch der zukünftigen vorgezogen wird, so fiel Gines, der weder dankbar noch von edler Gesinnung war, darauf, dem Sancho Pansa seinen Esel zu stehlen, indem er auf den Rosinante keine Rücksicht nahm, den er für ein gänzlich wertloses Stück, sowohl zum Verpfänden als zum Verkaufen achtete. Sancho Pansa schlief, er stahl ihm sein Tierlein, und ehe es noch tagte, war er schon so weit entfernt, daß er nicht wiedergefunden werden konnte. Die Morgenröte ging auf, die Erde zu erfreuen und Sancho Pansa zu betrüben, denn er traf seinen Grauen nicht mehr an; wie er sich ohne ihn sah, begann er so heftig und laut den allerkläglichsten Jammer, daß Don Quijote bei seinem Geschrei erwachte und folgende Reden vernahm: »O du mein eingeborener Sohn! du in meinem väterlichen Hause erwachsen! du Kleinod meiner Kinder, Trost meines Weibes, Neid meiner Nachbarn, Stütze meiner Arbeiten! O du Ernährer meiner halben Person, du verdientest mir täglich sechsundzwanzig Maravedis und das war mein halbes Auskommen.« Da ihn Don Quijote so jammern hörte und die Ursache davon einsah, suchte er Sancho mit den besten Trostgründen zu beruhigen, er bat ihn, sich in Geduld zu fassen und versprach ihm zugleich eine Verschreibung, auf welche er drei von den fünf Eseln erhalten solle, die er zu Hause habe. Hiermit stellte sich Sancho zufrieden und trocknete seine Tränen, er faßte einen neuen Mut und sagte Don Quijote für seine Wohltätigkeit herzlichen Dank, dem sich, wie er nur das Gebirge betreten hatte, das Herz erhub, denn diese Orte schienen ihm besonders für Abenteuer schicklich, wie er sie suchte. Ihm fielen alle die wunderbaren Begebenheiten in die Gedanken, die in dergleichen Einsamkeiten und wilden Gebirgen den irrenden Rittern begegnet waren. Hingerissen und vergeistert von diesen Vorstellungen zog er fort, ohne an etwas anderes zu denken; auch Sancho hatte keinen andern Gedanken (seitdem er glaubte auf einer sicheren Straße zu reisen), als seinem Magen mit den Eßwaren gütlich zu tun, die ihm noch von der Beute der Geistlichen geblieben waren; so folgte er seinem Herrn, quer über seinem Esel sitzend, aus dem Beutel herauslangend, in seinen Wanst hineinstopfend, wobei er für ein neues Abenteuer, solange er auf solche Weise reiste, nicht einen Pfennig gegeben hätte. Indem hub er die Augen auf und bemerkte, wie sein Herr anhielt, bemüht, mit der Spitze seiner Lanze einen Bündel aufzuheben, der auf der Erde lag, er machte sogleich Anstalt, ihm zu helfen, wenn es nötig wäre und als er näher kam, hub jener mit der Lanzenspitze ein Reitkissen und einen Mantelsack auf, beide halb oder vielmehr ganz vermodert und zerrissen; sie waren aber von so großem Gewicht, daß Sancho absteigen mußte, um sie aufzuheben, worauf ihm sein Herr befahl, nachzusehen, was sich im Mantelsack befinde. Sancho richtete dieses Gebot mit vieler Behendigkeit aus, und ob der Mantelsack gleich mit Kette und Schloß zugemacht war, so konnte er doch durch die Löcher alles sehen, was er enthielt, nämlich vier Hemden von der feinsten Leinwand, noch anderes linnenes Gerät, sehr nett und sauber, in einem Tuche fand er eine ziemliche Summe goldener Taler, und sowie er diese erblickte, rief er aus: »Gelobt sei Gott, der uns endlich ein Abenteuer zubereitet, das was trägt!« Und sowie er weitersuchte, fand er ein kleines Taschenbuch mit reichen Verzierungen; dieses ließ sich Don Quijote reichen und befahl ihm, das Geld zu bewahren und für sich zu behalten. Sancho küßte ihm für diese Güte die Hand und indem er noch alle Wäsche aus dem Mantelsack aussackte, stopfte er alles in den Beutel, der seine Vorratskammer war, hinein. Alles dieses sah Don Quijote mit an und sagte: »Es scheint, Sancho, und anders ist es gar nicht möglich, daß ein verirrter Reisender, der durch dieses Gebirge gezogen ist, von Räubern angefallen sei, die ihn umgebracht und an irgendeiner verborgenen Stelle begraben haben.« »Das kann nicht sein,« antwortete Sancho, »denn wären es Räuber gewesen, so hätten sie das Geld wohl nicht liegenlassen.« »Du hast recht,« sagte Don Quijote, »und so kann ich nicht raten noch begreifen, was es wohl sein mag; doch Geduld, wir wollen sehen, ob sich in dieser Schreibtafel nicht irgend etwas aufgezeichnet findet, wodurch wir auf die Spur geraten und das entdecken, was wir gern wissen möchten.« Er schlug das Buch auf und zuerst fand er als Konzept, aber doch mit deutlichen Buchstaben geschrieben, ein Sonett, welches er laut ablas, damit es auch Sancho hören könnte: Du, Amor! weißt kein Wort von meinen Leiden, Ha! grausam bist du, oder willst mir zeigen, Wie Strafe ohne Schuld mich möge beugen, Drum wühlt die Qual in meinen Eingeweiden. Doch muß Allwissenheit den Gott bekleiden; Ein Gott ist er; auch muß der Vorwurf schweigen, Daß Götter wüten: aber warum steigen Die Martern in mein Herz, die es zerschneiden? Ich wag' es nicht, dich Phyllis, zu verklagen, Daß du so großes Unheil mir geschicket; Den Himmel schmähn, wer mag sich's unterwinden? Daß ich bald sterbe, dies nur kann ich sagen, Für Unheil, dessen Grund man nicht erblicket, Kann nur ein Wunderwerk die Heilung finden. »Aus diesen Reimen«, sagte Sancho, »wird auch nichts klar, wenn uns nicht, so Gott will's, der Filz da auf den rechten Weg bringt.« »Wo ist denn ein Filz?« fragte Don Quijote. »Mir war doch,« sagte Sancho, »als wenn Ihr von Filz oder Pilz etwas daher läset.« »Nein, Phyllis,« antwortete Don Quijote, »und dieses ist sonder Zweifel der Name der Dame, über welche sich der Verfasser dieses Sonettes beklagt, der in der Tat ein feiner Poet ist, bin ich anders in der Kunst nicht unerfahren.« »So versteht Euer Gnaden auch«, sagte Sancho, »Reime zu machen?« »Und besser als du wohl glauben magst,« antwortete Don Quijote, »das sollst du gewahr werden, wenn ich dich mit einem ganzen Bogen voller Verse, eng geschrieben, an meine Gebieterin Dulzinea von Toboso senden werde; denn du mußt wissen, Sancho, daß alle irrenden Ritter voriger Zeiten, oder doch die meisten, große Reimer und Musiker waren, mit welchen beiden Talenten, oder richtiger zu reden, Liebenswürdigkeiten, stets die verliebten Irrenden begabt sind; freilich wohl enthielten die Gedichte der ehemaligen Ritter mehr Geist als Kunst.« »Leset mehr,« sagte Sancho, »vielleicht finden wir, was wir wollen.« Don Quijote schlug das Blatt um und sagte: »Dieses ist Prosa und scheint ein Brief.« »Ein Sendschreiben, gnädiger Herr?« fragte Sancho. »Nach dem Anfange zu urteilen, handelt er von Liebe,« antwortete Don Quijote. »So leset es nur laut,« sagte Sancho, »ich habe eine große Freude an den Liebessachen.« »Gern,« antwortete Don Quijote und fing an laut zu lesen, wie Sancho ihn gebeten hatte, worauf er sah, daß der Brief folgenden Inhaltes war: »Dein falsches Versprechen und mein gewisses Unglück treiben mich weit hinweg, so daß du wohl die Nachricht von meinem Tode, nie aber meine Klagen vernehmen wirst. Du hast mich verworfen, Undankbare! für einen, der reicher, nicht aber besser ist als ich, denn wäre Tugend ein Reichtum, den man achtete, so würde ich nicht fremdes Glück beneiden, wie eigenes Unglück beweinen. Wie hoch deine Schönheit dich erhob, so tief stürzen deine Handlungen dich herab; nach jener schienst du ein Engel, diese beweisen mir, daß du ein Weib bist. Lebe in Frieden, du, die mir Krieg erregt hast, und gebe der Himmel, daß der Betrug deines Gemahls nie entdeckt werde, damit du das nicht bereust, was du getan hast und ich nicht so gerächt werde, wie ich es nicht wünsche.« Als Don Quijote diesen Brief geendigt hatte, sagte er: »Hieraus sowie aus den Versen läßt sich nichts weiter ermessen, als daß der Verfasser von beiden ein unglücklich Liebender sei.« Er blätterte hierauf die ganze Schreibtafel durch und fand noch andere Verse und Briefe, von denen er einige lesen konnte, andere nicht; aber der Inhalt von allen waren Klagen, Trauer, Mißtrauen, Lust und Unlust, Gunst und Verschmähung; jene gepriesen, diese beweint. Indes Don Quijote das Buch durchsuchte, durchsuchte Sancho den Mantelsack, ohne in ihm sowie in dem Reitkissen eine Naht unbeachtet zu lassen, er untersuchte und erforschte jede Falte, er pflückte jedes Häufchen Wolle auseinander, denn er wollte nichts aus Eilfertigkeit oder Achtlosigkeit übergehen: eine solche Gier hatten in ihm die gefundenen Goldstücke erweckt, die sich auf über hundert beliefen, und obgleich er nicht mehr als die schon gefundenen fand, so glaubte er sich doch für die Prelle, für das Brechmittel, die Einsegnungen der Krippenstangen, die Faustschläge des Eseltreibers, für den Verlust des Schnappsackes, die Beraubung des Mantels und für allen Hunger, Durst und Mühseligkeiten, die er nur immer im Dienste seines vortrefflichen Herrn ausgestanden hatte, durch die Güte, daß ihm dieser Fund überlassen wurde, hinlänglich belohnt. Der Ritter von der traurigen Gestalt ging mit dem heftigen Wunsche schwanger, zu wissen, was der Herr des Mantelsackes sei, aus dem Sonette wie aus dem Briefe, aus den goldenen Münzen wie aus der feinen Wäsche zog er den Schluß, daß es kein anderer, als ein Verliebter von Rang und Stand sein könne, den Verschmähung und Unfreundlichkeit seiner Dame zu irgendeinem verzweifelten Entschlusse geführt habe; da aber in dieser unwohnbaren wilden Gegend niemand zu sehen war, den er hätte fragen können, so richtete er nunmehr seine Sorgfalt darauf, seinen Weg fortzusetzen, immer mit der Einbildung angefüllt, daß ihm in diesen Wüsteneien notwendig ein seltsames Abenteuer aufstoßen müsse. Sowie er noch mit diesen Gedanken fortzog, bemerkte er, wie auf dem Rücken des Berges, der vor ihm lag, ein Mensch sich mit wundernswürdiger Schnelligkeit von Stein zu Stein und von Busch zu Busch in Sprüngen fortbewegte: er war halb nackt, sein Bart schwarz und dick, die häufigen Haare in Verwirrung, die Füße ohne Schuh und die Beine ganz unbedeckt; um die Schenkel trug er Beinkleider, dem Anschein nach von bräunlichem Sammet, aber sie waren so zerrissen, daß man an vielen Stellen das Fleisch erblicken konnte; sein Kopf war entblößt, und obgleich er, wie gesagt, schnell vorüberlief, sah und erkannte der Ritter von der traurigen Gestalt dennoch alle diese Merkmale. So viele Mühe er sich aber auch gab, war es ihm doch unmöglich, ihm zu folgen, denn der Schwachheit des Rosinante widerstand es, scharf in diesen Umwegen zu rennen, da überdies sein Gemüt saumselig und phlegmatisch war. Plötzlich fiel es dem Don Quijote ein, daß ebendieser der Herr des Reitkissens und des Mantelsackes sein müsse, und zugleich faßte er den Vorsatz, ihn aufzusuchen, und wenn er auch ein Jahr im Gebirge herumziehen müßte, um ihn zu finden: somit befahl er dem Sancho, vom Esel abzusteigen und von der einen Seite die Runde um den Berg zu machen, indem er von der andern Seite herumgehen wollte, weil sie durch diese Anstalt vielleicht den Menschen anträfen, der mit so großer Eile an ihnen vorübergerannt sei. »Das kann nicht geschehen,« antwortete Sancho, »denn sowie ich mich von meinem werten Herrn entferne, ist die Furcht bei mir, die mir tausenderlei Schrecken und Einbildungen verursacht: das, was ich jetzt sage, mag zugleich zur Nachricht dienen, daß ich mich in Zukunft nicht um einen Finger breit von Euer Edlen entfernen werde.« »Es sei also,« sprach der von der traurigen Gestalt, »und es freut mich sehr, daß du meinem Geiste so fest vertraust, der dich auch niemals verlassen soll, selbst wenn dein Geist deinen Körper verließe: gehe mir also langsam oder wie es dir am besten deucht, nach, gebrauche deine Augen statt Lichter, indem wir durch diese Klüfte schweifen, vielleicht treffen wir den Menschen, den wir erblickten, der ohne allen Zweifel der Eigentümer unseres Fundes sein muß.« Worauf Sancho die Antwort gab: »Es wäre doch besser, ihn nicht zu suchen, denn wenn wir ihn finden und er vielleicht der Herr von dem Gelde ist, so folgt daraus erklärlich, daß ich es ihm wiedergeben muß, darum ist es besser, wir lassen diese unnütze Mühe, damit ich's mit gutem Gewissen einstecken kann, bis wir auf eine andere, nicht so vorwitzige und mühselige Weise den wahrhaftigen Herrn entdecken, vielleicht zu einer Zeit, wenn es schon verzehrt ist, wo dann der Kaiser sein Recht verloren hat.« »Du bist im Irrtum, Sancho,« antwortete Don Quijote, »denn indem wir nur auf die Vermutung geraten sind, daß er der Eigentümer sein möge, sind wir auch schon verpflichtet, ihn zu suchen und ihm sein Geld zurückzugeben: suchen wir ihn aber nicht, so ist die Vermutung, daß er der Eigentümer sein möchte, für uns so gut ein Verbrechen, als wenn wir es gewiß wüßten: also, Freund Sancho, möge dir das Suchen keinen Verdruß erregen, denn es ist meine Sache, ihn aufzufinden.« Mit diesen Worten spornte er den Rosinante und Sancho folgte auf seinem Esel nach. Nachdem sie um einen Teil des Berges geritten waren, sahen sie in einem Bache ein totes, von Hunden und Raben halb verzehrtes, gesatteltes und aufgezäumtes Maultier liegen, welches sie in der Vermutung bestätigte, daß der Flüchtling der Eigentümer des Tieres und des Mantelsackes sei. Wie sie es noch beschauten, hörten sie eine Pfeife, wie von einem Hirten, der eine Herde führt, und sie sahen auch links eine große Anzahl Ziegen und hinter diesen, oben auf dem Bergrücken einen Hirten, der sie hütete, einen alten Mann. Don Quijote rief und bat, daß er zu ihnen herunterkommen möchte. Jener antwortete mit lautem Geschrei, wie sie in diese Gegend gekommen wären, die wenig oder gar nicht betreten würde, außer von den Füßen der Ziegen oder der Wölfe oder anderer Bestien, die sich dort herumtrieben. Sancho antwortete, er möchte herunterkommen, und sie wollten ihm dann alles erzählen. Der Ziegenhirt stieg herunter und als er an die Stelle kam, wo Don Quijote stand, sagte er: »Ihr beschaut gewiß den Mietesel, der hier tot in dem Loche liegt, er liegt nun wahrhaftig schon seit sechs Monaten auf der Stelle da; aber sagt, habt Ihr nirgends seinen Herrn nicht getroffen?« »Wir haben nichts getroffen,« antwortete Don Quijote, »als ein Reitkissen und einen Mantelsack, die wir nicht weit von hier fanden.« »Auch ich hab's gefunden,« antwortete der Ziegenhirt, »aber ich hab's niemalen aufnehmen wollen, ja nicht einmal nahe kommen, weil ich vor Schaden bange war, und daß sie's mir mal für einen Diebstahl auslegen könnten; der Teufel ist pfiffig und legt uns oft was vor die Füße, worüber man stolpert und fällt, man weiß nicht, wie's kömmt.« »Gerade wie ich gesagt habe,« antwortete Sancho, »denn auch ich hab's gefunden, aber ich mochte ihm nicht auf einen Steinwurf nahe kommen; hab' ich's gelassen und da mag es bleiben wie es war, denn ich mag nicht die Katzen, daß sie mich kratzen.« »Sagt mir doch, guter Freund,« sprach Don Quijote, »wißt Ihr nicht etwas Näheres von dem Herrn der Sachen?« »Was ich Euch sagen kann,« antwortete der Ziegenhirt, »ist, daß es nun gerade sechs Monate sein mögen, einige Tage auf und ab, als ein junger Herr zu einer Schäferhütung kam, drei Meilen von hier; er sah vornehm und stattlich aus und ritt auf eben dem Maulesel, der nun hier tot liegt, er hatte auch das nämliche Felleisen, das Ihr, wie Ihr sagt, gefunden und nicht angerührt habt. Er fragte uns, welcher Teil des Gebirges am wildesten und einsamsten wäre, worauf wir ihm die Gegend nannten, in der wir uns jetzt befinden, und so ist es auch, denn wenn Ihr Euch nur noch eine halbe Meile tiefer hinein begebt, so findet Ihr vielleicht keinen Rückweg, und es ist schon ein Wunder, wie Ihr nur bis hierher gekommen seid, denn kein Weg noch Fußsteig führt nach dieser Stelle. Wie also der junge Mensch unsere Antwort vernommen hatte, ritt er nach der Gegend fort, die wir ihm bezeichnet hatten, indem uns allen sein schönes Ansehen gefiel und wir uns über seine Fragen verwunderten sowie über die Hast, mit der er alsbald den Weg ins Gebirge einschlug. Seitdem sahen wir ihn nicht mehr, bis er nach etlichen Tagen einem von unseren Hirten begegnete, ohne ein Wort zu sprechen sich an ihn machte und ihm viele Schläge und Stöße gab, worauf er sich der Schäfertasche bemächtigte und Brot und Käse, das drinnen war, herausnahm, hierauf aber mit erstaunlicher Schnelligkeit in das Gebirge zurückrannte. Da etliche von uns Ziegenhirten dies erfuhren, gingen wir wohl zwei Tage in den wüstesten Gegenden des Gebirges herum, um ihn zu suchen, worauf wir ihn denn auch in der Höhlung eines großen, dicken Korkbaumes fanden. Er kam sehr ruhig auf uns zu, seine Kleidung war schon zerrissen, sein Angesicht entstellt und von der Sonne verbrannt, so daß wir ihn kaum wiederkannten, doch gaben uns seine Kleider, obschon sie zerrissen waren, Merkmale genug, woraus wir entnahmen, daß er der nämliche sei, den wir suchten. Er grüßte uns sehr höflich und sagte uns in wenigen und verständigen Worten, daß wir uns nicht über sein Bezeigen verwundern möchten, denn so müsse er sein Wesen treiben, um eine gewisse Buße zu vollbringen, die ihm wegen seiner mannigfaltigen Sünden aufgelegt sei. Wir baten ihn hierauf, daß er uns doch sagen möchte, wer er sei, aber dazu konnten wir ihn nicht bringen: worauf wir ihn auch ersuchten, daß, wenn er zu seinem Unterhalte etwas bedürfe, er uns sagen sollte, wo wir ihn antreffen könnten, denn wir wollten es ihm mit aller Liebe und Freundschaft bringen, wäre aber auch dies nicht nach seinem Wohlgefallen, so möchte er uns wenigstens darum ansprechen, es aber den Hirten nicht mit Gewalt wegnehmen. Er dankte uns für unsere Freundschaft sehr und bat uns wegen der Gewalttätigkeiten um Verzeihung, versprach auch, uns künftig um Gottes willen darum anzusprechen, ohne jemand Leids zu tun. Was aber seine Wohnung betreffe, fuhr er fort, so habe er keine andere als das, was er gerade fände, wenn ihn die Nacht überraschte. Er endigte seine Rede mit solcher herzdurchdringenden Wehklage, daß wir alle, die wir zuhörten, von Stein hätten sein müssen, wenn wir nicht auch geweint hätten, denn wir erinnerten uns, in welcher Gestalt wir ihn das erstemal gesehen hatten und wie wir ihn nun vor uns sahen, denn wie gesagt, er war ein sehr schöner und ansehnlicher junger Herr, und seine höflichen und wohlgesetzten Reden bewiesen auch, daß er von vornehmer Familie sein mußte, und obgleich wir, seine Zuhörer, nur Bauersleute waren, so war doch seine Lieblichkeit so stark, daß selbst ein bäurisches Gemüt davon durchdrungen werden mußte. Indem er nun noch am besten in seiner Rede fortfuhr, hielt er plötzlich inne und verstummte, lange Zeit verschloß er die Augen, indes wir alle verwundert dastanden und warteten, was aus dieser Verzückung werden sollte, es war uns ein kläglicher Anblick, denn sowie er die Augen wieder aufmachte, sah er lange Zeit ganz starr den Boden an, ohne die Augenwimpern zu bewegen, dann drückte er sie wieder zu, rührte die Lippen und zog die Augenbrauen zusammen, woraus wir leicht entnahmen, daß ihn wieder ein Anstoß von Wahnsinn überfiele. Er gab uns auch zu erkennen, wie richtig unsere Vermutung gewesen sei, denn wild sprang er plötzlich von der Erde auf und warf sich auf den, der ihm am nächsten stand mit so großer Gewalt und Wütigkeit, daß, wenn wir ihn nicht aus den Händen rissen, er ihn gewiß mit Faustschlägen und Hieben umgebracht hätte, wobei er beständig ausrief: ha! nichtswürdiger Fernando! jetzt sollst du deine Beleidigungen bezahlen, diese Hände sollen dir das Herz ausreißen, in welchem alle Bosheiten herbergen und wohnen, vorzüglich Betrug und Hinterlist. Er fügte noch mehr Reden hinzu, die sich alle darauf bezogen, von einem Fernando Übles zu sprechen und ihn als einen Verräter und Nichtswürdigen zu behandeln. Wir verließen ihn sehr betrübt, und er, ohne ein Wort zu sagen, entfernte sich von uns und rannte so schnell in das Buschwerk und in die Steinklippen hinein, daß wir ihm nicht folgen konnten. Daraus schlossen wir aber, daß die Raserei ihn nur zuzeiten überfiele, und daß ein gewisser Fernando ihm ein überaus großes Unrecht zugefügt haben müsse, daß er dadurch so weit heruntergebracht sei. Diese Vermutungen haben sich auch bestätigt, denn er hat sich seitdem oftmals sehen lassen, manchmal um die Schäfer zu bitten, daß sie ihm etwas von ihrem Essen mitteilen möchten, manchmal nimmt er es aber auch wieder mit Gewalt weg, denn sobald er in seiner Raserei ist, achtet er nicht darauf, wenn ihm die Hirten auch alles in Güte anbieten, sondern er erobert es mit Schlägen, und wenn er wieder bei Sinnen ist, bittet er um Gotteswillen und mit vieler Höflichkeit und Artigkeit, auch dankt er ihnen mit vieler Rührung und Vergießung häufiger Tränen. Seitdem, meine Herrn«, fuhr der Ziegenhirte fort, »haben ich und vier andere Schäfer, zwei Knechte nämlich und zwei von meinen Freunden, uns vorgenommen, ihn so lange zu suchen, bis wir ihn finden, und wenn wir ihn gefunden haben, wollen wir ihn, sei's nun mit Güte oder Gewalt nach Almodovar führen, was nur acht Meilen von hier liegt und ihn da kurieren lassen, wenn seine Krankheit eine Kur verträgt oder doch, wenn er bei Sinnen ist, von ihm erfahren, wer er sein mag, damit man der Familie Nachricht von seinem Unglücke geben kann. Dies, meine Herrn, ist alles, was ich euch auf eure Fragen antworten kann; der, dem die Sachen gehören, die ihr gefunden habt, ist der nämliche, den ihr mit so großer Behendigkeit und halb nackt vorüberrennen saht« (denn Don Quijote hatte ihm schon erzählt, wie er einen Menschen im Gebirge habe klettern sehen). Dieser war durch das, was ihm der Ziegenhirt erzählt hatte, in Erstaunen gesetzt und seine Begierde, zu erfahren, wer der arme Wahnsinnige sei, war dadurch um vieles erhöht, er nahm sich also nochmals, wie er schon vorher beschlossen hatte, vor, ihn im ganzen Gebirge aufzusuchen und keine Kluft und keine Höhle unbeachtet zu lassen, bis er ihn endlich gefunden hätte. Das Schicksal führte es aber besser als er es erwartete oder erhoffte, denn in demselben Augenblicke zeigte sich in einem hohlen Wege zwischen den Bergen der junge Mensch, den er suchte, der etwas für sich murmelte, was man nicht nahe an ihm, viel weniger in der Entfernung verstehen konnte. Seine Tracht war wie sie oben beschrieben ist, nur bemerkte Don Quijote in der Nähe, daß das zerrissene Koller, das er trug, vom feinsten korduanischen Leder sei, wodurch er völlig überzeugt wurde, daß ein Mensch, der solche Kleider führe, von keinem gemeinen Stande sein müsse. Als der Jüngling näher kam, grüßte er sie mit rauher und heiserer Stimme, aber mit vieler Höflichkeit. Don Quijote erwiderte den Gruß ebenso artig, stieg vom Rosinante ab und umarmte ihn mit edlem Anstande und großer Leutseligkeit, indem er ihn eine geraume Zeit fest in seinen Armen geschlossen hielt, als wenn er ihn seit vielen Jahren kenne. Der andere, den man den Zerlumpten von der kläglichen Gestalt nennen könnte, wie Don Quijote der von der traurigen heißt, entfernte ihn ein wenig von sich, nachdem sie sich wieder aus den Armen gelassen hatten und legte seine Hände auf die Schultern Don Quijotes, er beschaute ihn dann, als wolle er sich besinnen, ob er ihn kenne, vielleicht ebenso erstaunt, die Gestalt, Bildung und Waffenrüstung Don Quijotes vor sich zu sehen, als Don Quijote erstaunt war, ihn zu erblicken. Der erste, der endlich nach der Umarmung redete, war der Zerlumpte, und er sagte, was man nachher erfahren wird. ~Zehntes Kapitel~ Enthält die Fortsetzung des Abenteuers in dem schwarzen Gebirge Die Geschichte erzählt, daß Don Quijote mit der gespanntesten Aufmerksamkeit der Rede des unglücklichen Ritters aus dem Gebirge zuhörte, welcher also sprach: »Wahrlich mein Herr, wer Ihr, da ich Euch nicht kenne, auch sein mögt, so danke ich Euch dennoch für diese Beweise von Freundschaft, die Ihr mir soeben gegeben habt, und ich wünschte imstande zu sein, daß ich etwas mehr als meinen guten Willen, Euch zu dienen, zur Vergeltung anbieten könnte; aber das Schicksal hat mir nichts weiter übriggelassen, womit ich dergleichen edle Teilnahme erwidern kann, als meine guten Wünsche.« »Meine Wünsche«, antwortete Don Quijote, »bestehen nur darin, Euch zu dienen, so daß ich entschlossen war, diese Berge nicht eher zu verlassen, bis ich Euch gefunden und von Euch erfahren hätte, ob für Euer übermäßiges Leiden, das Eure kümmerliche Lebensweise genug andeutet, nicht irgendeine Linderung zu finden sei, und wenn es nötig wäre, diese zu suchen, so wollte ich sie mit allem ersinnlichen Fleiße aufsuchen, wäre aber Euer Unglück von der Art, daß für Euch die Türen aller möglichen Hilfe verschlossen wären, so wollte ich zum mindesten mit Euch klagen und weinen, so gut ich es könnte, denn es ist im Unglücke immer ein Trost, einen zu finden, der mit uns trauert, und wenn also meine gute Absicht irgendeine höfliche Erwiderung verdient, so bitte ich Euch, edler Herr, der vielen Höflichkeit wegen, die ich an Euch gewahr werde, ja ich beschwöre Euch bei dem, was Ihr im Leben am meisten geliebt habt oder noch liebt, mir zu sagen, wer Ihr seid, mir den Grund zu entdecken, der Euch soweit führt, in diesen Einöden wie ein wildes Tier zu leben und zu sterben, denn hier sterben werdet Ihr, Euch selbst so entfremdet, wie Eure Tracht und Euer Anstand bezeugen. Und ich schwöre«, fuhr Don Quijote fort, »bei dem Orden der Ritterschaft, den ich empfangen habe, so ein unwürdiger Sünder ich auch bin, und bei dem Stande eines irrenden Ritters schwöre ich, daß, wenn Ihr hierin, edler Herr, mein Begehren erfüllt, ich mein Versprechen erfüllen werde, wie ich verpflichtet, da ich der bin, der ich bin, und Euer Unglück zu vermitteln, wenn es eine Vermittelung zuläßt, oder mindestens mit Euch zu weinen, wie ich es Euch versprochen habe.« Der Ritter vom Gebüsche, wie er diese Rede dessen von der traurigen Gestalt vernahm, tat nichts weiter, als daß er ihn beschaute und wieder beschaute und wiederum vom Kopfe bis zu den Füßen beschaute, und nachdem er ihn genug betrachtet hatte, sagte er: »Wenn Ihr etwas zu essen bei Euch habt, so gebt es mir um Gottes willen, denn sowie ich gegessen habe, will ich nach Eurem Befehle alles tun, als Danksagung für so freundschaftliche Gesinnungen, wie Ihr mir bewiesen habt.« Sogleich holten Sancho aus seinem Beutel und der Ziegenhirt aus seiner Tasche etwas hervor, womit der Zerlumpte seinen Hunger stillen konnte, der wie ein Blödsinniger alles mit solcher Hast verschlang, daß er schnell einen Bissen nach dem andern ohne zu kauen hinunterschluckte, wobei während dem Essen weder von ihm noch von denen, die ihm zusahen, ein Wort gesprochen wurde. Als er gegessen hatte, machte er Zeichen, daß sie ihm folgen möchten, wie sie auch taten; er führte sie auf einen grünen Wiesenplatz, den sie in der Nähe um die Biegung eines Felsen, antrafen. Als sie dort waren, setzte er sich im Grase nieder, die übrigen taten das nämliche und keiner sprach ein Wort, bis der Zerlumpte, nachdem er sich ganz nach seiner Bequemlichkeit gesetzt hatte, sagte: »Wenn ihr es wünscht, meine Herrn, daß ich euch kürzlich die Unermeßlichkeit meiner Leiden erzähle, so müßt ihr mir versprechen, weder durch eine Frage noch auf andere Weise den Faden meiner traurigen Geschichte zu zerreißen, denn sowie dieses geschieht, werde ich keineswegs die Erzählung vollenden können.« Diese Forderung des Zerlumpten erinnerte Don Quijote an jene Geschichte, die ihm sein Stallmeister vorgetragen hatte, als er die Zahl der Ziegen, die über den Fluß gesetzt waren, nicht wußte und dadurch die Historie unvollendet blieb. Der Zerlumpte aber fuhr fort: »Ich verlange dieses nur, damit ich um so schneller die Geschichte meines Unglücks vollenden kann, denn es meinem Gedächtnis wiederholen, dient nur dazu, neue Leiden zu den alten hinzuzufügen, und je weniger ihr mich also unterbrecht, je schneller werde ich meine Erzählung endigen, ohne deshalb etwas Wichtiges auszulassen, um ganz eurem Verlangen Genüge zu leisten.« Don Quijote versprach alles im Namen der übrigen und jener fing nach dieser Versicherung also an: »Mein Name ist Cardenio, mein Geburtsort eine der vornehmsten Städte in Andalusien, meine Familie ist edel, meine Eltern sind reich und mein Unglück ist so groß, daß meine Eltern es beweinen werden, meine Familie darüber trauern wird, ohne daß sie mir mit ihren Reichtümern helfen können, denn um die Verhängnisse des Himmels abzuwenden, sind die Güter des Glücks von wenigem Nutzen. In dieser nämlichen Stadt lebte der Himmel, den die Liebe mit aller ihrer Herrlichkeit geschmückt hatte, um meine Sehnsucht zu erregen, so groß war die Schönheit Lucindens, eines Mädchens, nicht minder edel und reich als ich, aber von besserem Glück und geringerer Sündhaftigkeit, als sie meiner edlen Liebe schuldig war. Diese Lucinde ward von mir seit meinen frühesten Jahren geliebt und angebetet und sie liebte mich mit jener Kindlichkeit und Einfalt, die ihrer Jugend natürlich waren. Unsere Eltern kannten unsere Absicht und waren nicht unwillig darüber, denn sie sahen wohl ein, daß die Zeit unsere Vermählung herbeiführen würde, etwas, das gut mit der Gleichheit unsers Adels und Vermögens übereinstimmte. Unsere Jahre nahmen zu und mit ihnen wuchs unsere beiderseitige Liebe, so daß es Lucindens Vater für gut hielt, mir aus unverwerflichen Rücksichten den Zutritt in seinem Hause zu verweigern, und so war er hierin dem Vater der Thisbe ähnlich, die von den Poeten so oft besungen ist. Durch diesen Vorfall ergossen sich Tränen auf Tränen, Wünsche beflügelten Wünsche, denn war auch unsern Zungen Stillschweigen auferlegt, so konnten sie doch unsere Federn nicht verstummen machen, die gewöhnlich dreister als die Zungen die Empfindungen des Herzens zu erkennen geben, denn die Gegenwart des geliebten Gegenstandes macht nur zu oft den kühnsten Vorsatz und die verwegenste Zunge zaghaft und unberedt. O Himmel! wie viele Briefe schrieb ich ihr, wie viele Antworten, so erfreulich als anständig erhielt ich von ihr! Wie viele Gesänge, wie so manche verliebten Lieder wurden von mir gedichtet, in denen das Herz alle seine Empfindungen darstellte, seine brünstigen Wünsche malte, ihr Andenken feierte und sich ihrem Dienste widmete! Wie ich nun sah, daß diese Liebe mich verzehrte, daß mein Geist über den Wunsch sie zu sehen, verschmachtete, faßte ich den Vorsatz, das Beste und Einzige zu tun, um das erwünschte und verdiente Gut zu besitzen, und dies war, sie von ihrem Vater zu meiner rechtmäßigen Gattin zu verlangen. Es geschah und er antwortete, wie er meinen Vorschlag annehmlich und ehrenvoll fände und wünsche, mir ebenso zu erwidern, da aber mein Vater noch lebe, sei es diesem am besten anständig, diese Anfrage zu tun, sei er aber nicht mit ganzem Willen damit übereinstimmend, so sei Lucinde kein Mädchen, um sie verstohlen zu versprechen oder anzunehmen. Ich dankte ihm für seine edle und verständige Antwort und versprach, daß mein Vater selbst sogleich meinen Antrag wiederholen werde, worauf ich mich auch sogleich zu meinem Vater begab, um ihm meine Wünsche mitzuteilen und so wie ich in sein Zimmer trat, finde ich ihn mit einem offenen Brief in der Hand, und ehe ich ihn noch anreden kann, sagt er zu mir: »Lies, Cardenio, diesen Brief und sieh, welche Gnade dir der Herzog Ricardo erzeigt. Dieser Herzog Ricardo ist ein Großer von Spanien, der seine Besitzungen im schönsten Teile von Andalusien hat.« Ich nahm und las den Brief, der mir so schmeichelhaft schien, daß es mir selber unverständig vorkam, wenn mein Vater sich nicht dem Willen des Herzogs gefügt hätte, der mich sogleich zu sich verlangte, um der Gesellschafter, nicht der Diener, seines ältesten Sohnes zu sein, wofür er versprach, mich so zu befördern, wie es der Achtung angemessen sei, die er für mich habe. Ich las den Brief und verstummte, noch mehr, als mein Vater sagte: ›In zwei Tagen, Cardenio, wirst du abreisen, um den Willen des Herzogs zu erfüllen, und danke dem Himmel, daß sich dir so ein Weg eröffnet, auf dem deine Verdienste ihren schönsten Lohn erhalten können.‹ Diesen Worten fügte mein Vater noch andere väterliche Ermahnungen hinzu. Die Zeit meiner Abreise näherte sich, in einer Nacht sprach ich Lucinden, erzählte ihr, was vorgefallen sei, ging dann zu ihrem Vater und bat einige Zeit zu warten und auf keine Partie für sie zu denken, bis ich gesehen hätte, was Ricardo mit mir vorhabe; er versprach es, und sie bestätigte sich mir mit tausend Schwüren und heißen Tränen. Ich kam beim Herzog Ricardo an, er empfing mich so gnädig und freundschaftlich, daß dies sogleich den Neid seiner älteren Diener in Bewegung setzte, weil sie meinten, die Gunstbezeugungen, die der Herzog mir bewies, könnten ihnen zum Nachteil gereichen; wer mir aber vor allen mit Freundschaft entgegenkam, war der zweite Sohn des Herzogs, Fernando, ein schöner, feuriger Jüngling, großmütig und verliebt, der mich in kurzer Zeit so sehr zu seinem Freunde machte, daß sich alle darüber verwunderten, und ob mir gleich der ältere Sohn auch sehr günstig war, so war dies doch nicht mit dem Enthusiasmus zu vergleichen, mit dem mich Don Fernando liebte. Wie es nun unter wahren Freunden kein Geheimnis gibt, das sie sich nicht mitteilten, so wurde ich auch so sehr Don Fernandos Vertrauter, daß ich alle seine Gedanken erfuhr, vorzüglich eine Liebschaft, die ihm nicht wenige Unruhe verursachte. Er liebte nämlich ein Landmädchen, eine Vasallin seines Vaters, die so schön, eingezogen, verständig und tugendhaft war, daß man schwer bestimmen konnte, welche von diesen Eigenschaften in ihr die vorzüglichsten wären. Diese Vorzüge des schönen Landmädchens führten die Leidenschaften Don Fernandos so weit, daß er, um ihre ganze Gunst und Liebe völlig zu besitzen, ihr versprach, ihr Gemahl zu werden, weil sie sich ihm auf keine andere Weise ergeben wollte. Ich versuchte es als Freund ihn mit den dringendsten Gründen und überzeugendsten Wahrheiten von diesem Vorsatz zurückzubringen; da ich aber sah, wie unnütz meine Bemühungen waren, nahm ich mir vor, die Sache seinem Vater, dem Herzog Ricardo zu entdecken. Don Fernando aber, der schlau und klug war, argwöhnte und fürchtete dies, weil er wohl einsehen konnte, daß ich in meiner Lage als ein redlicher Diener gezwungen sei, eine Sache zu entdecken, die dem herzoglichen Hause so nachteilig werden konnte, um mich also zu hintergehen, sagte er mir, daß er kein besseres Mittel wüßte, aus seinem Gedächtnis das Bild jener Schönheit, die sich seiner so gänzlich bemächtigt hatte, zu entfernen, als auf einige Monate zu verreisen, und zwar, wie er wünschte, meinen Vater zu besuchen und zugleich in Angelegenheiten des Herzogs einige schöne Pferde in meiner Vaterstadt aufzusuchen und zu kaufen, die in der Tat die trefflichsten Pferde hervorbringt. Ich hatte kaum diesen Vorschlag vernommen, als ich auch, von meiner Leidenschaft angetrieben, ihn als den glücklichsten und heilsamsten Gedanken billigte, obgleich die wahre Ursache dieses Entschlusses nicht die beste war, denn sogleich fiel er mir als die glücklichste Gelegenheit auf, meine teure Lucinde wieder zu sehen. Ich billigte und lobte also seinen Vorsatz und bestätigte ihn darin, ihn sobald als möglich auszuführen, denn die Abwesenheit vermöge viel selbst über die heftigste Leidenschaft; indem er mir aber diesen Vorschlag tat, hatte er schon, wie ich nachher erfuhr, unter dem Titel eines Gemahls die Gunst des Landmädchens genossen und wartete nur auf eine schickliche Gelegenheit, sich ohne Schaden dem Herzoge entdecken zu können, weil er sich vor den Maßregeln seines Vaters fürchtete, wenn dieser seine Unbesonnenheit erführe. Wie aber die Liebe bei den Jünglingen fast immer nur Begierde ist, die sich das Vergnügen zu ihrem letzten Ziele setzt, im Genusse dann alle Wünsche mit verschwinden und sich dann das vermindert, was Liebe schien, weil sie die Grenze nicht überschreiten können, die die Natur setzt, welche Grenze aber für die wahrhaftige Liebe gar nicht gestellt ist, also, wie Don Fernando die Gunst seines Landmädchens genossen hatte, verstummten seine Wünsche, sein Feuer erlosch und wie er erst diese Reise vorgab, um seine Leidenschaft zu heilen, so nahm er sie jetzt im Ernste vor, um das nicht zu erfüllen, was er in der Leidenschaft versprochen hatte. Der Herzog gab die Erlaubnis und befahl mir, ihn zu begleiten; wir kamen in meiner Heimat an, mein Vater empfing ihn nach seinem Stande und ich besuchte sogleich Lucinden, wodurch meine Liebe, die weder gestorben noch eingeschläfert war, von neuem belebt wurde. Zu meinem Unglück erzählte ich dem Don Fernando von ihr, weil ich meinte, ich dürfte ihm, als meinem vertrautesten Freunde, nichts verhehlen; ich lobte ihm die Schönheit, Liebenswürdigkeit und den Verstand der Lucinde so sehr, daß meine Lobpreisungen in ihm den Wunsch erregten, ein Mädchen zu sehen, das mit allen Vollkommenheiten so ausgestattet sei. Zu meinem Verderben erfüllte ich seinen Wunsch, ich zeigte sie ihm beim Scheine einer Nacht an einem Fenster, wo wir uns gewöhnlich zu sprechen pflegten; er sah sie so schön, daß er über diesen Anblick alle Schönheit, die er nur je gesehen hatte, durchaus vergaß. Er wurde still, verlor seine Munterkeit, ward in sich verschlossen und mit einem Worte so verliebt, wie ihr es in der fortgesetzten Erzählung meines Unglücks erfahren werdet. Um seine Leidenschaft noch mehr zu entflammen, die er mir verbarg und nur in der Einsamkeit dem Himmel vertraute, mußte er durch einen Zufall an einem Tage einen Brief von ihr finden, in welchem sie mich bat, sie von ihrem Vater zur Gemahlin zu verlangen, der so geistreich, edel und in solchen Ausdrücken der Liebe geschrieben war, daß er mir schwur, in Lucinden vereinigten sich alle Schönheiten des Körpers und der Seele, die unter den übrigen Weibern einzeln verteilt wären. Ich muß gestehen, daß, so gerecht die Lobeserhebungen mir auch schienen, in denen sich Don Fernando über Lucinden ergoß, so fiel es mir doch verdrießlich, sie aus seinem Munde zu hören, ich fing an ihn zu fürchten und ihm weniger zu trauen, denn es verging kein Augenblick, in welchem er nicht über Lucinden gesprochen hätte, ja er lenkte das Gespräch auf sie, wenn es gleich noch so gewaltsam geschehen mußte, wodurch in meiner Brust eine gewisse Eifersucht erweckt wurde, nicht, weil ich an Lucindens Tugend und Treue gezweifelt hätte, sondern weil ich das Unglück ahnte, was mich nachher wirklich betroffen hat. Don Fernando ließ sich immer die Papiere zeigen, die ich an Lucinden schrieb und die sie mir zur Antwort schickte, unter dem Vorwande, daß ihm der geistreiche Ton in beiden so wohl gefalle. So geschah es auch, daß Lucinde mich einst um ein Ritterbuch gebeten hatte, welches sie lesen wollte und welche Lektüre sie ungemein liebte, sie forderte nämlich den Amadis von Gallia.« Don Quijote hatte kaum die Ritterbücher nennen hören, als er sagte: »Hättet Ihr mir, mein Herr, gleich im Anfange Eurer Erzählung gesagt, daß das Fräulein Lucinde die Ritterbücher geliebt habe, so wäre keine weitere Lobpreisung nötig gewesen, um mir ihren hohen Verstand kundzugeben, auch würde sie mir nicht so trefflich erschienen sein, wie Ihr sie uns, Sennor, gezeichnet habt, wenn ihr der Geschmack an dieser lieblichen Lektüre ermangelt hätte; meinethalben ist es auch nicht vonnöten, noch mehr Worte zur Beschreibung ihrer Schönheit zu verschwenden, so wie über ihren hohen Wert und Verstand, denn aus diesem ihrem Geschmacke ersehe ich, daß sie die schönste und verständigste Frau von der Welt gewesen, doch, Sennor, würde es mir zur Freude gereichen, wenn Ihr ihr mit dem Amadis von Gallia zugleich den herrlichen Don Rugel von Graecia übersandt hättet, denn ich weiß, Donna Lucinde hätte sich sehr über Darayda und Garaya gefreut, nicht minder über die Wohlredenheit des Schäfers Darinel, sowie über die wundernswürdigen Verse in seinen Eklogen, die er mit ungemeiner Anmut, mit Witz und Freimütigkeit singt. Doch läßt sich diese Fahrlässigkeit mit der Zeit vielleicht verbessern, und um sie zu verbessern, dürfte mein werter Herr nur mit mir nach meiner Heimat kommen, wo ich ihm mit mehr als dreihundert Büchern aufwarten könnte, die die Freude meiner Seelen und die Unterhaltung meines Lebens ausmachen. Doch halte ich im stillen dafür, daß ich keins von allen behalten habe, soweit hat es die Bosheit der schlechten und neidhaften Zauberer durchgesetzt. Doch mein Herr vergebe mir, daß ich meinem Versprechen zuwidergehandelt, seine Erzählung nicht zu unterbrechen, denn da ich von Ritterschaft und irrenden Rittern hörte, war es mir ebenso unmöglich, nicht etwas darüber zu sagen, wie es den Sonnenstrahlen unmöglich ist, nicht zu wärmen, oder dem Schimmer des Mondes, nicht feucht zu sein. Ich bitte also um Verzeihung, sowie um die Fortsetzung, denn dieses ist, was ich mir zur Stunde am meisten wünsche.« Indem Don Quijote dies alles sprach, ließ Cardenio seinen Kopf auf die Brust heruntersinken und schien in tiefen Gedanken vergraben, und obgleich ihn Don Quijote zweimal bat, in seiner Geschichte fortzufahren, hob er doch weder den Kopf auf, noch sprach ein Wort; nach langer Zeit aber richtete er den Kopf gerade und sagte: »Ich kann es mir nicht aus den Gedanken schlagen und kein Mensch auf Erden wird es mir aus den Gedanken schlagen oder mich eines andern überreden und der soll ein Lümmel sein, der sich selbst vom Gegenteil überredet oder etwas anderes glaubt, als daß der Schuft von Meister Elisabat wirklich bei der Königin Madasima geschlafen habe.« »Und ich sage nein und beschwöre das,« antwortete Don Quijote mit großer Heftigkeit, indem er sich wie gewöhnlich erzürnte, »und dies ist eine schreckliche Bosheit, oder richtiger zu reden, Hundsfötterei! Die Königin Madasima war eine hocherhabene Dame, und es läßt sich unmöglich glauben, daß eine so glorreiche Prinzessin bei derlei Lausekerl geschlafen habe, und wer das Gegenteil meint, lügt es wie ein Hundsfott: und dieses will ich ihm zu Fuß oder zu Pferde, bewaffnet oder unbewaffnet, bei Tage oder in der Nacht, oder wie es ihm gut dünkt, beweisen.« Cardenio schaute ihm sehr ernsthaft ins Gesicht, er hatte schon seinen Anfall von Wahnsinn und war wenig aufgelegt, seine Geschichte fortzusetzen, Don Quijote war aber ebensowenig zum Hören aufgelegt, so sehr war er durch das erbittert, was er von der Madasima hatte hören müssen. Wie sonderbar! daß er sich so für sie verwandte, als wäre sie seine eigene und wahrhaftige Dame: so sehr hielten ihn seine sündhaften Bücher in Stricken! Wie sich aber Cardenio, der schon verrückt war, für einen Lügner und Hundsfott schelten hörte, nebst anderen ähnlichen Benennungen, so empfand er den Spaß übel, ergriff einen Kieselstein und warf ihn mit solcher Gewalt dem Don Quijote auf die Brust, daß dieser rücklings überstürzte. Als Sancho Pansa seinen Gebieter in solcher Manier behandelt sah, machte er sich mit geballter Faust über den Verrückten; der Zerlumpte aber empfing ihn so, daß er ihn mit einem Faustschlage zu seinen Füßen niederstreckte, worauf er sich auf ihn begab und ihm nach Herzenslust die Rippen eintrampelte. Der Ziegenhirt, der jenem beistehen wollte, unterwarf sich der nämlichen Gefahr, und nachdem er sie alle besiegt und zerprügelt hatte, stand er ab und entfernte sich mit edler Ruhe, um sich in den Bergen zu verlieren. Sancho richtete sich auf und wütig, sich so ohne Verschulden zerklopft zu sehen, fiel er darauf, am Ziegenhirten seine Rache zu nehmen, weil er ihm die ganze Schuld zuschrieb, daß er sie nicht gewarnt hätte, wie jenen Menschen zuzeiten eine Tollheit befiele, damit sie sich nach dieser gegebenen Warnung vor ihm hätten hüten können. Der Ziegenhirt antwortete, daß er es wohl gesagt habe, wenn er es aber nicht gehört habe, so sei das nicht seine Schuld. Sancho Pansa erwiderte und ebenfalls erwiderte der Ziegenhirt, und aus allen diesen Erwiderungen ergab sichs, daß sie sich in die Haare gerieten und solche Faustschläge zuteilten, daß, hätte Don Quijote nicht Frieden gestiftet, sie in Stücke gegangen wären. Sancho rief, mit dem Ziegenhirten verwickelt: »Laßt mich nur, gnädiger Herr Ritter von der traurigen Gestalt, denn dieser da ist ein Bauer wie ich und kein geschlagener Ritter, ich kann also selbst für die verübte Beschwer Genugtuung nehmen und mich Faust gegen Faust wie ein ehrlicher Kerl prügeln.« »So ist es,« sagte Don Quijote, »aber ich sehe ein, daß er an dem, was uns zustieß, unschuldig ist.« Er machte sie also friedsam und Don Quijote fragte den Ziegenhirten von neuem, ob es nicht möglich sein sollte, den Cardenio aufzufinden, denn er hege den herzlichsten Wunsch, den Beschluß seiner Historie zu erfahren. Der Ziegenhirt wiederholte, was er schon einmal gesagt hatte, daß man seinen Aufenthalt nicht mit Gewißheit angeben könne, wolle er aber fleißig in diesen Gegenden herumwandern, so würde er ihn gewiß, gescheit oder verrückt, antreffen. ~Elftes Kapitel~ Handelt von den wunderbaren Dingen, die dem tapferen Ritter von la Mancha im schwarzen Gebirge begegneten, und wie er die Buße des Dunkelschön nachahmte Der Ziegenhirt trennte sich von Don Quijote und dieser bestieg wiederum den Rosinante und befahl dem Sancho ihm zu folgen, der es auf seinem Tiere in hohem Verdrusse tat. Sie reisten langsam weiter und gelangten in die rauhesten Gegenden des Gebirges; Sancho starb beinahe vor Lust, mit seinem Herrn zu disputieren und wünschte nur, daß jener das Gespräch anfangen möchte, damit er nicht dem gegebenen Befehle zuwider handelte; da er aber das lange Stillschweigen nicht aushalten konnte, sagte er endlich: »Herr Don Quijote, gebt mir Euren Segen und die Erlaubnis, nach meinem Hause zurückzukehren, daß ich meine Frau und Kinder wiedersehe, denn mit ihnen kann ich doch alles sprechen und schwatzen, was ich Lust habe, aber daß Ihr verlangt, ich soll mit Euch Tag und Nacht durch diese Wüsteneien ziehen, ohne zu reden, was mir in den Mund kömmt, heißt mich bei lebendigem Leibe begraben. Ja, wäre es noch der Fall, daß die Tiere sprechen könnten, wie es zu den Zeiten des Oelsop gewesen ist, so könnte ich doch mit meinem Esel alles reden, wozu ich nur Lust hätte und so mein schlimmes Glück verschmerzen; aber das ist zu hart, und keine Geduld reicht da aus, Zeit seines Lebens nach Abenteuern herumzusuchen und immer nur Prügel und Prellen, Tritte und Faustschläge anzutreffen, und bei alledem nicht einmal das Maul auftun dürfen, daß man gar nicht herausreden darf, was man auf dem Herzen hat, als wenn man stumm wäre.« »Ich verstehe dich, Sancho,« antwortete Don Quijote, »du willst platzen, weil ich deiner Zunge einen Zaum aufgelegt habe; ich will ihn also hiermit auflösen, sprich was du willst, doch unter der Bedingung, daß diese Freiheit nur gilt, solange wir in diesen Bergen herumziehen.« »Ich nehm' es an,« sagte Sancho, »und so will ich auch gleich reden, was Gott nur bescheren mag, ich will gleich anfangen meine Erlaubnis zu benutzen, und also, wie kamt Ihr denn dazu, Euch so der Königin Madam Trine anzunehmen oder wie sie heißen mag? Was ging's Euch an, ob sie Freunds mit dem Salbader gewesen ist oder nicht? Hättet Ihr Euch darum nicht bekümmert, denn Ihr waret nicht Richter in der Sache, so wäre der Verrückte in seiner Geschichte fortgefahren und so wäre nichts von Kieselstein noch Prügeln oder Maulschellen vorgefallen.« »Wahrlich, Sancho,« antwortete Don Qutjote, »wüßtest du es so gut, wie ich es weiß, welch eine ehrenvolle und vorzügliche Dame diese Königin Madasima gewesen, gewiß würdest du finden, daß ich noch zu viel Geduld bewiesen, indem ich den Rachen nicht sogleich zerschmetterte, der dergleichen Lästerungen ausstieß: denn eine Lästerung ist es, zu sagen, ja nur zu denken, daß eine Königin die Beischläferin eines Wundarztes sei. Das Wahre an der Sache ist, daß dieser Meister Elisabat, von dem der Verrückte redete, ein sehr verständiger Mann und kluger Kopf war. Er diente der Königin zum Ratgeber und Arzte; aber zu vermeinen, daß sie seine Geliebte gewesen, ist eine Widersinnigkeit, die schwere Züchtigung verdient: und damit du einsiehst, wie Cardenio nicht wußte, was er redete, mußt du nur darauf merken, daß, als er dieses sagte, er schon ohne Verstand war.« »Das sag' ich eben,« antwortete Sancho, »daß man auf die Reden eines Verrückten nicht achtgeben müsse, denn hätte das Glück Euch nicht beigestanden, so daß der Kieselstein Euch nach dem Kopfe wie nach der Brust geflogen wäre, so befänden wir uns nun herrlich dafür, daß wir uns der Dame angenommen haben, die Gott verderben mag, und beim Wetter, dann war's gleich, Cardenio mochte verrückt sein oder nicht.« »Gegen Gescheite und gegen Verrückte ist jedweder irrende Ritter gezwungen, sich für die Ehre der Frauen, welche es auch seien, einzustellen, wie vielmehr für Königinnen von so hohem Stande und gar für die Königin Madasima, die ich wegen ihrer guten Eigenschaften ganz vorzüglich liebe, denn außer daß sie über alle Maßen schön war, war sie auch sehr vorsichtig und in allen Leiden, deren sie viele erlebte, außerordentlich geduldig, und eben der Rat und die Gesellschaft des Meister Elisabat waren ihr von großem Nutzen und halfen ihr alles Unglück mit Klugheit und Gelassenheit ertragen, und hieraus nahm der unwissende und schlechtdenkende Pöbel Gelegenheit, zu denken und zu sagen, daß sie seine Beischläferin gewesen, aber sie lügen, sag' ich abermals, und lügen tausendmal, alle diejenigen, die es denken oder sagen.« »Ich denk's nicht, ich sag's nicht,« antwortete Sancho, »sie mögen's selber ausmachen, jeder wische seine eigene Nase; haben sie beieinander geschlafen oder nicht, Gott mag's wissen, jeder fege vor seiner Tür, ich bekümmere mich um nichts, es ist nicht meine Sache, fremde Eier zu bekritteln, wer einkauft und lügt, es auf seine Rechnung kriegt: und nicht wahr, nackt bin ich auf die Welt gekommen, nackt geh' ich wieder fort, mir kann's nichts eintragen? Mag's jeder treiben, wie er will, was kümmert's mich? So mancher geht nach Wolle und kommt geschoren nach Hause; wie kann man ein freies Feld durch Tore verschließen? Gott ist der Richter über alles.« »In Gottes Namen, halt!« rief Don Quijote, »welche Tollheiten, Sancho, stopfst du da ineinander? Was haben deine Sprichwörter mit unserer Materie zu tun? Bei deinem Leben, Sancho, schweig und denke künftig nur darauf, wie du deinen Esel anspornen mögest, laß dich aber über das unbekümmert, was dich nichts angeht. Begreife überdies mit allen deinen fünf Sinnen, daß alles, was ich getan habe, tue und tun werde, durchaus und in allen Stücken den Gesetzen der Ritterschaft gemäß ist, die ich besser inne habe, als alle die Ritter, die sich nur jemals zu ihnen bekannten.« »Gnädiger Herr,« antwortete Sancho, »ist denn das auch eins von den herrlichen Rittergesetzen, daß wir hier, ohne Weg und Steg, wie die Unsinnigen in den Bergen herumziehen, um einen Verrückten aufzusuchen, der, wenn wir ihn nun finden, vielleicht darauf fällt, das zu beschließen, was er angefangen hat; ich meine nicht seine Geschichte, sondern Euern Kopf und meine Rippen, wo er dann wohl beschließt, sie ganz in Stücke zu schmeißen?« »Schweig! sag' ich dir abermal,« rief Don Quijote, »wisse, daß ich nicht bloß aus Begier, den Verrückten zu finden, durch diese Berge schweife, sondern ich will hier vielmehr eine Tathandlung unternehmen, wodurch ich mir ewigen Namen und Ruhm auf dem ganzen Umkreise der entdeckten Erde zu erwerben gedenke: diese soll so beschaffen sein, daß ich dadurch allem, was einen irrenden Ritter vollendet und berühmt machen kann, die Krone aufsetzen will.« »Und ist sie sehr gefährlich, diese Tathandlung?« fragte Sancho Pansa. »Nein,« erwiderte der von der traurigen Gestalt, »denn der Würfel mag wohl so fallen, daß wir uns bald wieder antreffen; aber alles beruht auf deiner Betriebsamkeit.« »Auf meiner Betriebsamkeit?« fragte Sancho. »Ja,« sagte Don Quijote, »denn kehrst du bald von dorten zurück, wohin ich dich schicken will, so wird sich auch bald meine Qual endigen und sofort meine Glorie zu leuchten anfangen. Und damit du nicht länger in Erwartungen bleiben und sinnen mögest, worauf meine Reden hinauswollen, so wisse, Sancho, daß Amadis von Gallia einer der vollkommensten irrenden Ritter war. Nein, unrecht ist es zu sagen, einer; er war von allen der fürnehmste, ja der einzige, der König von allen, die der Lauf der Zeiten seitdem hervorgebracht. Schlimm möchte es dem Don Belianis und allen denen bekommen, die da meinen, daß sie sich ihm in irgend etwas vergleichen dürfen, denn ich schwöre, daß sie darinnen irren. Ich behaupte, daß ein Maler, der in seiner Kunst berühmt werden will, die Originale der vorzüglichsten Maler, die er kennt, nachahmen muß. Dieses Gesetz erstreckt sich auf alle Künste und Gewerbe, die zur Zierde der Staaten dienen: so soll und wird auch der handeln, der den Ruhm eines Klugen und Duldenden erwerben will, indem er dem Ulysses nachahmt, in dessen Taten und Leiden uns Homerus ein lebendiges Bildnis von Klugheit und Duldung malt sowie uns auch Virgilius in seinem Helden Äneas die Tugend eines frommen Sohnes und den Scharfsinn eines tapferen und verständigen Feldherrn zeigt, indem sie sie uns nicht malen oder darstellen wie sie waren, sondern wie sie sein sollten, um den zukünftigen Menschen ein Musterbild ihrer Tugenden vorzuhalten. Auf gleiche Weise ist Amadis den tapferen und verliebten Rittern zum Kompaß, Leitstern, zur Sonne gesetzt, damit wir ihm alle nachahmen sollen, die wir zu den Fahnen der Liebe und der Ritterschaft geschworen haben. Wenn dies nun alles Wahrheit ist, so leuchtet es mir ein, Freund Sancho, daß der irrende Ritter, der ihm am nächsten kommt, auch dem Kranze und Ruhme eines vollendeten Ritters am nächsten steht: ein Ding aber, in welchem dieser Ritter vorzüglich seine Klugheit, seine Würde, sein Dulden, seine Standhaftigkeit und Liebe bewies, war, wie er sich entfernte, von der Dame Oriana verschmäht, um auf dem Felsen Armut Buße zu tun, als er seinen Namen in Dunkelschön veränderte, ein wahrlich bedeutender Name, der sich zu der Lebensweise schickte, die er sich vorgesagt hatt. Es ist mir nur viel leichter, ihm hierin nachzuahmen, als darin, daß ich Riesen zerspalte, Drachen köpfe, Schlangen erdroßle, Armeen vernichte, Flotten aufreibe und Bezauberungen löse: da nun diese Orte sich so gut zu dergleichen Vornehmen schicken, so will ich auch diese Gelegenheit nicht aus den Händen lassen, die mir jetzt mit so großer Bequemlichkeit ihr Stirnhaar anbeut.« »Vornehmlich,« sagte Sancho, »was wollt Ihr denn nun hier in der Einsamkeit tun?« »Es ist dir ja schon gesagt,« antwortete Don Quijote, »daß ich den Amadis nachahmen will, einen Verzweifelten, Törichten und Wütigen vorstellen, um zugleich den gewaltigen Don Roldan in die Nachahmung zu ziehen, als er an einer Quelle die Zeichen fand, daß Angelika, die schöne, mit dem Medor eine Schändlichkeit begangen habe, worüber er aus Verdruß rasend wurde, Bäume ausriß, die Gewässer der klaren Quellen trübte, Hirten erschlug, Herden zerriß, die Hürden verbrannte, die Häuser niederriß, das Vieh gebunden führte und tausend andere Tollheiten beging, die eines ewigen Andenkens in Büchern würdig sind. Will ich aber den Roldan, Orlando oder Rotolando (denn er führt alle drei Namen) nicht in allen seinen Rasereien nachahmen, so nehme ich mir doch vor, so gut ich kann, eine Auswahl unter denen, die mir die vorzüglichsten scheinen, zu veranstalten, vielleicht begnüge ich mich aber auch in der Nachahmung des Amadis, der keine schädlichen Rasereien beging, sondern sich mit Weinen und Klagen zufriedenstellte und dennoch den allerschönsten Ruhm errang.« »Es scheint doch,« sagte Sancho, »daß die Ritter, die so etwas taten, dazu gereizt wurden und eine Ursache hatten, diese Narrheit und Buße zu machen; aber was hat Euer Gnaden für Ursache, rasend zu werden? Welche Dame hat Euch verschmäht? Oder was für Zeichen habt Ihr gefunden, um zu wissen, daß die Dame Dulzinea von Toboso mit einem Mohren oder Christen Narrenpossen gemacht habe?« »Da, da liegt's eben,« antwortete Don Quijote, »und das ist gerade die Blume meiner Unternehmung: denn daß ein irrender Ritter aus Gründen rasend wird, darin zeigt sich so wenig Anstand als Talent; die Kunst liegt darin, ohne alle Ursache unsinnig zu werden, um dadurch seiner Dame zu verstehen zu geben, daß, wenn das am grünen Holze geschieht, wie vielmehr am dürren. Vollends da ich hinlänglich Ursache in der langen Abwesenheit von meiner ewig geliebten Dulzinea von Toboso finde, denn wie du den Schäfer von neulich, Ambrosius, sagen hörtest, daß wer abwesend sei, alle Übel erleide und fürchte: also, Freund Sancho, verdirb nicht die Zeit damit, mir eine so edle, glückliche und nie erhörte Nachahmung ausreden zu wollen; unsinnig bin ich und unsinnig will ich bleiben, bis du mir die Antwort auf einen Brief bringst, mit dem ich dich an meine Dulzinea senden will. Ist die Antwort von der Art, wie sie meine Treue verdient, so ist meine Narrheit und meine Buße zu Ende; erfolgt das Gegenteil, so werde ich im Ernste unsinnig: du magst also eine Antwort zurückbringen, von welcher Art sie auch sei, so werde ich auf jeden Fall aus dem Kampfe und den Leiden erlöst, in denen du mich verläßt, so daß ich, gescheit, mich des Glückes freue, welches du mir bringst, oder, unsinnig, das Unglück nicht empfinde, das du mit dir führst. Aber sage mir, Sancho, verwahrst du auch den Helm Mambrins sorgfältig? Ich sah, wie du ihn vom Boden aufhobst, als ihn jener Undankbare zerschmettern wollte und es ihm nicht gelang, woraus man eben die Trefflichkeit seines Metalls ermessen kann.« Auf dieses antwortete Sancho: »Bei Gott, Herr Ritter von der traurigen Gestalt, alles kann ich nicht ausstehen und in Geduld anhören, was Ihr sagt, und dadurch komme ich manchmal auf den Gedanken, daß alles, was Ihr mir von Ritterschaft sagt und von Königreiche und Kaisertümer gewinnen und Inseln verschenken und andere Gnaden und Herrlichkeiten auszuteilen, wie es die irrenden Ritter in der Art haben sollen, daß alles das nur Windbeuteleien und Lügen sind und alles nur Luftklöße oder Luftschlösser, wie es heißen mag; denn wenn ich Euch sagen höre, daß ein Barbierbecken ein Helm Mambrins sei, und daß Ihr länger als vier Tage in diesem Irrtume beharrt, was soll ich wohl anders denken, als daß dem, der so etwas glaubt und behauptet, im Kopfe etwas losgegangen ist? Das Becken, das voller Beulen ist, habe ich im Beutel hier, bei mir zu Hause will ich's mir zurechtmachen lassen und mich drinnen barbieren, wenn Gott mir so gnädig ist, daß ich noch einmal meine Frau und Kinder wiedersehe.« »Wahrlich, Sancho, bei demselben Gotte, bei dem du vorher geschworen hast,« antwortete Don Quijote, »du hast den allerdümmsten Verstand, den nur jemals noch ein Stallmeister gehabt hat. Wie ist es möglich, daß du, der schon so lange in meiner Gesellschaft ist, nicht einsiehst, wie alles, was die irrenden Ritter angeht, nur wie Hirngespinst, Narrheit und Unsinn aussieht und alles verkehrt und wunderlich scheint? Nicht deswegen, weil es sich also befindet, sondern weil immer ein ganzes Regiment von Zauberern hinter uns herläuft, die alle unsere Dinge verändern und verwandeln und sie nach ihrem Gefallen auswechseln, je nachdem sie uns beschützen oder verfolgen, und so scheint, was dir wie ein Barbierbecken aussieht, mir der Helm Mambrins, und ein anderer wird es wieder für was andres ansehen: auch war es eine herrliche Vorsicht des Weisen, der auf meiner Seite ist, es so einzurichten, daß allen das ein Bartbecken scheint, was doch wahrhaftig und in der Tat der Helm Mambrins ist, denn da er von so unermeßlichem Werte ist, würde mich die ganze Welt verfolgen, um ihn nur zu besitzen; da sie ihn aber nur für ein Barbierbecken ansehen, kümmern sie sich nicht sonderlich darum, wie es sich auch bei jenem auswies, der ihn zerbrechen wollte und ihn dann mit Verachtung am Boden liegenließ, wo er ihn wahrhaftig nicht um alle Welt gelassen hätte, wenn er seine Preislichkeit gekannt. Hebe ihn gut auf, Freund Sancho, denn jetzt brauche ich ihn nicht, sondern ich will im Gegenteil alle diese Waffenstücke ablegen, damit ich so nackt sei, wie ich vom Mutterleibe kam, wenn es mir einfällt, in meiner Buße mehr den Roldan als den Amadis nachzuahmen.« Unter diesen Gesprächen waren sie an den Fuß eines hohen Felsen gelangt, der unter vielen umgebenden wie eine einzelne abgeschnittene Klippe dastand; an seinem Saume floß ein sanfter Bach vorüber und bewässerte in seinen Krümmungen eine grüne und angenehme Wiese, die dem Auge einen sehr erfreulichen Anblick darbot; viele wilde Bäume standen umher, auch häufige Pflanzen und Blumen machten die Gegend sehr anmutig. Diesen Platz erwählte sich der Ritter von der traurigen Gestalt, um seine Buße zu vollbringen, und sowie er angelangt war, rief er mit lauter Stimme, als ob er schon unsinnig wäre: »Dieses, o ihr Himmel, ist der Ort, den ich mir absondere und erwähle, um hier das Unglück zu beweinen, welches ihr selbst über mich verhängt habt! Dieses hier ist der Platz, wo die Tränen meiner Augen die Wellen dieses kleinen Bächleins anschwellen sollen, hier sollen meine immerwährenden tiefen Seufzer immerwährend das Laub dieser Bergbäume bewegen, als Zeugen und Beweise der Qual, die mein tief zerschnittenes Herz erleidet. O ihr, wo ihr auch sein mögt, ländliche Gottheiten, die ihr in dieser unbewohnbaren Gegend euren Aufenthalt habt, o hört die Klagen des unglücklich Liebenden, den schwere Trennung und eingebildeter Argwohn hierhergeführt haben, in dieser Wildnis zu jammern und über die Härtigkeit jener schönen Undankbaren zu klagen, jenem Preise, jener Krone aller menschlichen Schönheit. O ihr Napäen und Dryaden, die ihr in den dicken Wäldern der Gebirge wohnt (mögen die flüchtigen und wollüstigen Satyrn, die vergeblich gegen euch entbrannt sind, eure süße Ruhe nicht stören dürfen), o helft mir mein Unglück beweinen oder mindestens sei es euch nicht entgegen, mir zuzuhören. O Dulzinea von Toboso, du Tag meiner Nacht, Glanz meiner Trübsale, Kompaß meines Weges, Stern meines Glücks (schenke dir der Himmel so gutes Glück, als du es dir nur selber wünschen magst), erwäge den Ort und den Zustand, zu dem mich die Trennung von dir geführt hat, o erwidere mir mit Güte, wie es meine Treue wohl verdient hat. O ihr einsamen Bäume, ihr zukünftigen Gesellschafter meiner Abgeschiedenheit, gebt mir mit dem sanften Rauschen eurer Zweige ein Zeichen, daß euch meine Gegenwart nicht lästig fällt. O du, mein Stallmeister, liebwerter Gefährte im Glück und Unglück, fasse nunmehr wohl in dein Gedächtnis auf, was du mich wirst verrichten sehen, damit du es jener wiedersagen und erzählen kannst, die die Ursache von allem ist.« -- Und sowie er dieses sagte, stieg er vom Rosinante herunter, nahm ihm augenblicklich Zaum und Sattel ab, gab ihm mit der flachen Hand einen Schlag auf den Rücken und sagte: »Die Freiheit gibt dir der, der ohne Freiheit ist, o du Roß, so wunderbar in deinen Taten, wie unglücklich in deinem Schicksale, wandle, wohin du willst, denn dir steht es auf der Stirn geschrieben, daß weder der Hippogryph des Astolfo dir an Flüchtigkeit gleichkomme, noch der bekannte Frontin, der dem Bradamante so kostbar war.« Wie Sancho dies sah, sagte er: »Es ist gut, daß uns einer der Mühe überhoben hat, dem Grauen den Sattel abzunehmen, sonst sollte es wahrhaftig so wenig fehlen, ihm einen Schlag mit der Hand zu geben, als Lobpreisungen herzusagen; wäre er aber auch zugegen, so litte ich es doch nicht, daß man ihm den Sattel herunternähme, denn ihn geht das nichts an, er ist auf keine Weise in die Liebhaberei mit verwickelt, ebensowenig in die Verzweiflung, denn soweit denke ich es mit Gottes Hilfe niemals zu bringen. Aber wahrhaftig, Herr Ritter von der traurigen Gestalt, wenn es mit meinem Abmarsch und Euren Unsinnigkeiten ein Ernst werden soll, so wäre es wohl besser, da der Graue weg ist, den Rosinante dafür wieder aufzuzäumen, denn sonst möchte die Zeit meines Abreisens und Wiederkommens lange währen, denn wenn ich den Weg zu Fuß mache, so weiß ich nicht, wenn ich dasein oder wiederkommen möchte, denn ich bin, um es kurz zu machen, ein schlechter Wandersmann.« »Ich sage dir, Sancho,« antwortete Don Quijote, richte es so ein, wie es dir gut deucht, denn deine Idee scheint mir nicht übel, ich sage ferner, daß du in drei Tagen abreisen sollst, während welcher Zeit du das, was ich tue und rede, beobachten sollst, damit du darüber Rede stehen kannst.« »Was soll ich noch weiter sehen,« fragte Sancho, »als was ich schon gesehen habe.« »Sauber hast du dich verrechnet,« antwortete Don Quijote, »ich habe noch gar nicht meine Kleider zerrissen, die Waffenstücke umhergestreut, ich bin noch nicht gegen diese Felsen mit Kopfstößen angerennt, sowie ich noch viele andere Dinge gleicher Art unterlassen habe, worüber du dich verwundern wirst.« »Um Gottes Barmherzigkeit willen,« sagte Sancho, »sehen Euer Gnaden doch ja recht zu, wie Ihr es mit diesen Kopfstößen treibt, denn gegen einen solchen Felsen anzurennen könnte so ablaufen, daß mit dem allerersten Kopfstoß die ganze schön ausgedachte Buße aus wäre. Ich wäre der Meinung, wenn Ihr doch ja diese Kopfstöße für so nötig achtet und daß das Werk ohne sie nicht vollführt werden könne, daß Ihr Euch damit begnügtet, denn alles ist ja doch nur erdichtet und ein nachgemachtes Ding zum Spaße, daß Ihr Euch damit begnügtet, sag' ich, Euch diese Stöße im Wasser zu geben oder doch gegen ein Ding, das so weich wie Baumwolle ist, und dann laßt es nur meine Sorge sein, wie ich der gnädigen Gebieterin sagen will, daß Ihr Euch die Stöße gegen eine Felskante gebt, die härter als der Diamant ist.« »Ich danke dir für deinen guten Willen, Freund Sancho,« antwortete Don Quijote, »aber du mußt wissend sein, daß alle diese Dinge, die ich vornehme, kein Spaß sind, sondern bitterer Ernst, denn anders hieße das die Gesetze der Ritterschaft verletzen, die uns gebieten, niemals eine Lüge zu sagen, unter der Strafe der Ächtung, und ein Ding für das andere tun, ist um nichts besser, als lügen; darum also müssen meine Kopfstöße wahrhaftige, herzhafte und tüchtige sein und nichts Sophistisches und Erdichtetes an sich führen; es wird deshalb auch nötig sein, daß du mir etwas Charpie zum Verbinden zurückläßt, denn durch einen Zufall fehlt uns der Balsam, den wir verloren haben.« »Schlimmer war's, den Esel zu verlieren,« antwortete Sancho, »denn mit dem ist Charpie und alles verloren; ich wollte Euch auch wohl gebeten haben, daß Ihr mich nicht mehr an das vermaledeite Gesöff erinnert, denn wenn ich es nur nennen höre, kehrt sich mir Seele und Magen um. Noch mehr aber bitte ich Euch, daß Ihr Euch vorstellt, die drei Tage wären nun schon vorbei, in denen ich die Unsinnigkeiten, die Ihr begeht, ansehen sollte, denn ich nehme sie mit allem Danke für gesehen und genossen an und will der Gnädigen Wunderdinge davon erzählen: schreibt mir nur den Brief und gebt mir geschwind meinen Abschied, denn ich habe ein gar zu großes Verlangen, Euch recht bald aus dem Fegefeuer zu erlösen, worin Ihr hier bleibt.« »Du nennst es Fegefeuer, Sancho?« sagte Don Quijote, »richtiger würdest du es eine Hölle nennen oder noch etwas Schlimmeres, wenn es etwas Schlimmeres gibt.« »Wen die Hölle hat,« antwortete Sancho, »=nulla est retentio=, wie ich gehört habe.« »Ich verstehe nicht, was du mit =retentio= meinst,« sagte Don Quijote. »=Retentio= ist so viel,« erwiderte Sancho, »daß, wer einmal in der Hölle ist, niemals wieder herauskommen kann, das wird aber mit Euer Gnaden nicht so sein, oder ich müßte kein Bein mehr haben, um den Rosinante anzuspornen; dann will ich mich stracks nach Toboso begeben und gleich zur gnädigen Dulzinea, und dann will ich ihr so viel von den Narrheiten und Unsinnigkeiten (das ist doch eins) erzählen, die Ihr vornehmt und noch vornehmen wollt, daß sie geschmeidiger als ein Handschuh werden soll, wäre sie auch härter als ein Eichbaum; mit ihrer zärtlichen honigsüßen Antwort komme ich dann durch die Luft wie ein Hexenmeister zurück und nehme Euch aus dem Fegefeuer, das Euch wie eine Hölle vorkommt, es aber nicht ist, denn Ihr habt die Hoffnung herauszukommen, was aber, wie ich schon gesagt habe, die niemals hoffen dürfen, die sich in der Hölle aufhalten, und darin werdet Ihr mir gewiß Recht geben.« »Du sprichst die Wahrheit,« sagte der von der traurigen Gestalt, »aber wie werden wir es anfangen, um den Brief zu schreiben?« »Und auch die Eselsverschreibung?« fügte Sancho hinzu. »Wir müssen alles,« sagte Don Quijote, »und der Gedanke ist passend, da wir kein Papier haben, auf den Blättern der Bäume schreiben, wie es die Alten taten, ingleichen auf etlichen Wachstafeln, obgleich diese wohl jetzt ebenso schwer zu erhalten sein dürften als Papier. Ich denke aber eben daran, wie ich es am schicklichsten schreiben kann, nämlich in dem Taschenbuche, das dem Cardenio zugehörte; du wirst alsdann Sorge tragen, es auf Papier abschreiben zu lassen, und zwar deutlich, im ersten Orte, wo du einen Knabenschulmeister oder wenigstens einen Küster antriffst, die es abschreiben können; gib es aber ja nicht zum Kopieren einem Schreiber hin, der sich mit Prozeßsachen abgibt, sonst würde es der Satan selber nicht verstehen.« »Wie wird's aber mit der Unterschrift werden?« fragte Sancho. »Niemals hat Amadis seine Briefe unterschrieben,« antwortete Don Ouijote. »Ganz gut,« antwortete Sancho, »aber die Verschreibung muß mit aller Gewalt eine Unterschrift haben, und wenn ich die nun abschreiben lasse, so werden sie sagen, die Unterschrift wäre falsch und mir die jungen Esel nicht ausliefern.« »Die Verschreibung will ich hier im Taschenbuche selbst unterzeichnen, und wenn meine Nichte dies sieht, wird sie in Ansehung der Auslieferung keine Schwierigkeiten machen; was aber den Liebesbrief betrifft, so darfst du nur so viel zur Unterschrift setzen: Der Eurige bis in den Tod, der Ritter von der traurigen Gestalt. Es wird auch wenig zur Sache tun, daß dieses von einer fremden Hand sei, denn soviel ich weiß, kann Dulzinea weder lesen noch schreiben, hat auch Zeit ihres Lebens keinen Brief oder Buchstaben von mir gesehen, denn meine und ihre Liebe blieb immer platonisch, ohne sich weiter bis auf ein anständiges Anblicken zu erstrecken, und auch das nur je zuweilen, denn ich könnte mit Wahrheit schwören, daß ich in den zwölf Jahren, seit ich sie mehr als das Licht dieser Augen liebe, nicht viermal gesehen habe, und es kann überdies wohl sein, daß sie es in diesen vier Malen kein einziges Mal gesehen hat, wie ich sie beschaute, so genau und eingezogen haben sie ihre Eltern Lorenzo Corchuelo und Aldonzo Nogales erzogen.« »Sieh da! sieh da!« sagte Sancho, »die Tochter des Aldonzo Corchuelo ist also die Gebieterin Dulzinea von Toboso, mit einem andern Namen Aldonza Lorenzo getauft?« »Sie ist es,« sagte Don Quijote, »sie ist dieselbe, die es verdient, Gebieterin des Universums zu sein.« »Ich kenne sie recht gut,« sagte Sancho, »und wahrhaftig, sie hebt Euch einen Sack auf, wie der stärkste Großknecht im ganzen Dorfe; so wahr Gott lebt, das ist ein ganzes Mensch, so wie sie nur sein muß, Haare auf den Zähnen, die zieht Euch den besten irrenden Ritter aus dem Drecke, daß einem das Herz im Leibe lacht. O du Hurenkind! was sie für ein Maul am Halse hat und was für eine Stimme! Sie war einmal oben im Dorfe auf dem Kirchturm und rief von da etlichen Knechten ihres Vaters im Brachfelde, wohl eine halbe Meile davon, und die hörten's, als hätten sie unten am Turm gestanden; und was das Beste an ihr ist, so heuchelt sie nicht, nein, sie ist sehr beredsam, sie ist lustig mit allen, und über alles hat sie ihren Spaß und ihr Gelächter. Nun sag' ich auch, Herr Ritter von der traurigen Gestalt, daß Ihr für diese nicht nur Eure Unsinnigkeiten vornehmen könnt, sondern Ihr mögt auch wohl mit vollem Rechte desperat, ja besessen werden, und jeder, der es erfährt, wird gewiß meinen, daß Ihr nicht zuviel leidet, wenn Euch auch der Teufel gar holen sollte. Ich wünschte nur, daß ich schon auf dem Wege wäre, bloß um sie zu sehen, denn ich habe sie sehr lange nicht gesehen und sie muß sich wohl sehr verändert haben, denn die Weiber verderben ihr Gesicht bald, wenn sie immer im Felde, in der Sonne und in der Luft herumlaufen müssen. Aber ich gestehe meinem gnädigen Herrn Don Quijote, daß ich bisher in einem tüchtigen Irrtum gelebt habe, denn ich meinte nicht anders, als die Dame Dulzinea sei irgendeine Prinzessin, in die Ihr verliebt wäret, oder so eine Person, die die reichen Präsente verdiente, die Ihr ihr zugeschickt habt, wie die Biskayer und die Ruderknechte, nebst noch vielen andern, denn Ihr müßt doch wohl schon viele Siege in jener Zeit gewonnen und davongetragen haben, als ich noch nicht Euer Stallmeister war; aber im Ernst gesprochen, was sollen sie wohl bei der gnädigen Aldonza Lorenzo, ich will sagen, gnädigen Dulzinea von Toboso, die Überwundenen, die Euer Gnaden schickt und noch schicken wird, daß sie sich vor ihr auf die Knie hinschmeißen sollen? Denn es kann sich fügen, wenn die Gefangenen ankommen, daß sie gerade Flachs hechelt oder auf der Tenne drischt, so werden die sich ärgern, und sie wird wohl gar darüber spotten und sich lustig machen.« »Ich habe es dir schon sonst oftmals gesagt, Sancho,« sagte Don Quijote, »daß du ein Schwätzer seist und so dummköpfig du bist, willst du dich doch oft mit Spitzfindigkeiten befassen; damit du aber einsiehst, wie narrenhaft du bist und wie verständig ich bin, so höre nur eine kurze Erzählung an. Eine schöne, junge, unabhängige und reiche Witwe, die überdies noch sehr lebhaft war, verliebte sich nämlich in einen jungen Burschen, der rundlich und von versprechender Statur war. Dies erfuhr ihr Oheim und sagte eines Tages in Form eines freundschaftlichen Vorwurfes zu ihr: ›Ich bin sehr darüber verwundert, gnädige Frau, und nicht ohne Ursache, wie eine so vornehme, schöne und reiche Dame sich in einen so albernen, geringen, einfältigen und bäurischen Menschen verlieben kann, da doch in diesem Hause so viele Doktoren, Magister und gelehrte Theologen sind, unter denen Ihr nur, wie unter gutem Obste, auswählen dürftet und sagen, diesen mag ich, jenen mag ich nicht.‹ Aber mit Lächeln und vieler Freimütigkeit antwortete ihm die Witwe: ›Mein gnädiger Herr, Ihr seid im Irrtum und schlecht beraten, wenn Ihr meint, ich hätte mit diesem Einfältigen eine schlechte Wahl getroffen, wenn er auch noch so sehr Dummkopf ist, denn dazu, wozu ich ihn will, weiß er so viel und mehr Philosophie als Aristoteles.‹ -- Ebenso, Freund Sancho, wozu ich die Dulzinea von Toboso will, gilt sie mir soviel wie die höchste Prinzessin auf Erden. Ebenso machen es die Poeten, wenn sie eine Dame unter irgendeinem Namen vergöttern, den sie nach ihrer Willkür erdichten. Meinst du, daß alle Amarillis, Phyllis, die Sylvien, Dianen, Galatheen, Alinen und noch viele andere, von denen die Bücher, Romanzen, Barbierstuben und Schauspiele angefüllt sind, wirkliche Damen von Fleisch und Blut waren und die wirklichen Geliebten von denen, die sie besungen? Nein wahrhaftig nicht, sondern die meisten erfinden sie nur, um einen Gegenstand für ihre Gedichte zu haben und damit man sie für verliebt halte und für Leute, die imstande wären, es zu sein; und darum ist es mir auch genug, wenn ich denke und glaube, daß die ehrliche Aldonza Lorenzo schön und tugendhaft sei, die Abkunft tut wenig, denn sie wird niemals danach gefragt werden, um ein Stiftsfräulein abgeben zu können, und so bilde ich mir meinerseits ein, daß sie die höchste Prinzessin auf Erden ist. Denn du mußt wissen, Sancho, wenn du es nicht schon weißt, daß zwei Dinge von allen am meisten zur Liebe reizen, nämlich große Schönheit und guter Ruf, und diese beiden Dinge finden sich allervollkommenst bei Dulzinea, denn in der Schönheit kommt ihr niemand gleich und im guten Rufe kommen ihr nur wenige nahe; und um alles kürzlich zu beschließen, ich bilde mir ein, daß alles so ist, wie ich es sage, ohne daß weder links noch rechts etwas mangelt, in meiner Einbildung male ich sie mir so aus, wie ich sie wünsche, sowohl was Schönheit als hohe Tugend betrifft, und so kommt ihr Helena nicht nahe und Lukrezia erreicht sie nicht, noch irgendeine andere berühmte Frau der verflossenen Zeitalter, sei sie griechisch, barbarisch oder lateinisch; jeder mag hierauf antworten, was er Lust hat, denn wenn mich auch deshalb die Einfältigen tadeln sollten, so werden mich doch die Strengen gewiß darum nicht schelten.« »Ich sehe, gnädiger Herr, Ihr habt vollkommen recht,« antwortete Sancho, »und ich bin ein Esel. Doch, wie kommt mir nur dies Wort aus dem Munde? In dem Hause des Gehängten soll man ja nicht vom Stricke reden; aber macht nur den Brief und ich will mein Maul halten.« Don Quijote nahm die Schreibtafel, ging beiseite und schrieb mit vieler Andacht den Brief nieder; als er fertig war, rief er den Sancho herbei und sagte, daß er ihm den Brief vorlesen wolle, damit er ihn im Gedächtnisse behalte, wenn die Schreibtafel etwa auf der Reise verlorenginge, weil er von seinem Unglück alles zu fürchten habe. Hierauf antwortete Sancho: »Schreibt es nur drei- oder viermal im Buche nieder und gebt es mir, denn ich will es wohl gut aufheben; aber zu glauben, daß ich's im Gedächtnisse behalten könnte, ist nur Narrheit, denn mein Gedächtnis ist so schlecht, daß ich oft meinen eigenen Namen vergesse. Aber leset es mir doch vor, gnädiger Herr, und ich werde mich sehr darüber freuen, denn der Brief ist gewiß wie gegossen.« »Höre zu, denn also lautet er,« sagte Don Quijote. ~Don Quijotes Brief an Dulzinea von Toboso.~ Monarchin! Erhabene Herrscherin! Der von der Trennung tief Verwundete, der von den Pfeilen zerrissenen Herzens, sendet Dir, o süßeste Dulzinea von Toboso, das: Wohl sei Dir! welches ihm mangelt. Wenn Deine Schönheit mich geringschätzt, wenn Dein Adelsinn mir entgegen, wenn Deine Verschmähung zu meiner bitteren Qual gereicht, obgleichen ich schon im Leiden geübt, so vermag doch nicht, in dieser Pein länger zu verharren, die, außer daß sie schrecklich, auch zu immerwährend ist. Mein wackerer Stallmeister Sancho wird Dir, o schöne Undankbare, geliebte Feindin meiner, getreu erzählen, auf was Weise ich zu Liebe Dir zurück verbleibe: gefällt es Dir, mir beizustehen, so bin ich der Deinige, wenn nicht, so tue, was zu Deinem Gefallen gereicht, denn mein Leben beschließend habe ich alsdann so Deiner Grausamkeit genug getan, wie meinem Wunsche. Der Deinige bis in den Tod. Der Ritter von der traurigen Gestalt. »Bei meines Vaters armer Seele,« rief Sancho aus, als er diesen Brief gehört hatte, »das ist das erhabenste Ding, das mir nur jemals vorgekommen ist! Wahrhaftig, wie steht da alles zusammen, wie man's nur wünschen kann und wie herrlich schraubt es sich endlich ein in die Unterschrift: Der Ritter von der traurigen Gestalt. Meiner Seel, ich sage doch immer, Ihr seid der leibhaftige Teufel, es gibt gar nichts, was Ihr nicht könntet.« »Alles«, antwortete Don Quijote, »ist in dem Amte, welches ich bekleide, vonnöten.« »Nun aber«, sagte Sancho, »schreibt mir auch auf einem andern Blatte den Zettul wegen der drei Eselsfüllen und macht die Unterschrift klar und deutlich, damit sie jeder gleich kennt.« »Gern,« sagte Don Quijote, und nachdem er geschrieben hatte, las er ihm folgendes vor: »Bitte Ew. Wohlgeboren, meine liebe Nichte, auf diesen Schein über Eselsfüllen, dem Sancho Pansa, meinem Stallmeister, drei von den fünfen, die im Hause geblieben, zu überliefern. Solche drei Füllen bitte ihm als Bezahlung für gleichmäßige Valuta zu reichen, die bar empfangen. Dies und seine Quittung hierüber werden alles berichtigen. Gegeben im Innern des schwarzen Gebirges, am zweiundzwanzigsten Augustus des jetzt laufenden Jahres.« »Es ist gut,« sagte Sancho, »nun unterschreibet nur.« »Das Unterschreiben ist nicht nötig,« sagte Don Quijote, »sondern ich will nur meinen Namenszug hinzufügen, der gilt soviel als eine Unterschrift für die drei Esel, und selbst wenn es dreihundert wären.« »Ich verlasse mich auf Euer Gnaden,« antwortete Sancho; »nun gut, so wollen wir denn den Rosinante satteln und Ihr erteilt mir Euren Segen; denn ich will nun gleich abreisen, ohne die Narrheiten weiter zu sehen, die Ihr angeben wollt, und ich will sagen, daß ich so viele gesehen habe, als nur mein Herz wünschen konnte.« »Ich wünsche wenigstens, Sancho, und nur weil es nötig ist, wünsche ich dieses, daß du mich nackt sehen mögest und nur ein oder zwei Dutzend Unsinnigkeiten vollführen, denn ich will sie in weniger als einer halben Stunde fertig haben; hast du diese selbst mit Augen gesehen, so magst du auf alle übrigen schwören, die du noch hinzufügen willst, wobei ich versichere, daß du nicht so Mannigfaltiges sollst erzählen können, als ich zu vollbringen mir vorgesetzt habe.« »Um Gottes willen, liebster gnädiger Herr, laßt mich Euch nicht nackend sehen, denn das würde mich so betrübt machen, daß ich weinen müßte, und der Kopf ist mir schon von dem Weinen so schwer, was ich diese Nacht des Grauen halber getrieben habe, daß ich das Heulen nicht von neuem anfangen mag: gefällt es Euch aber, daß ich ihrer etliche von Euren Unsinnigkeiten sehe, so macht sie doch in den Kleidern, und zwar die ersten besten, die Euch in den Wurf kommen, denn für mich ist dergleichen eigentlich gar nicht nötig, denn, wie gesagt, es verspätet nur meine Zurückkunft, wo ich Euch solche Nachrichten bringen werde, wie Ihr sie wünscht und verdient; geschieht's nicht, so nehme sich die Dame Dulzinea nur in acht, denn wenn sie nicht antwortet, wie sich's gehört, so schwör' ich hoch und teuer, ich will Ihr die schickliche Antwort mit Tritten und Maulschellen aus dem Magen herausholen, denn warum soll man's denn leiden, daß ein so berühmter irrender Ritter wie Ihr seid, um nichts und wieder nichts unsinnig wird für eine -- -- --. Die gute Dame soll mich nur nicht ausreden lassen, denn wahrhaftig, wenn ich erst ins Sprechen komme, so ist es um sie getan, ich bin dazu der rechte Kerl, sie kennt mich nicht, aber meiner Seel, wenn sie mich kennt, so mag sie mich zum Frühstück nehmen.« »Wahrlich, Sancho,« sagte Don Quijote, »dem Anscheine nach bist du nicht gescheiter als ich.« »So unsinnig bin ich nicht,« antwortete Sancho, »aber hitzköpfiger; doch, von was anderem, was werdet Ihr denn unterdessen essen, bis ich wiederkomme? Wollt Ihr wie Cardenio auf der Straße lauern und die Hirten plündern?« »Sei deshalb unbesorgt,« antwortete Don Quijote, »denn hätte ich gleich andere Speise, so würde ich doch nichts als die Krauter dieser Wiese und die Früchte essen, die mir diese Bäume reichen, denn das ist eben die Blume meiner Unternehmung, nicht zu essen und andere Kasteiungen auszuhalten.« Hierauf sagte Sancho: »Wißt Ihr, gnädiger Herr, was ich fürchte? daß ich den Platz nicht wiederfinde, wo ich Euch jetzt verlasse, denn er ist gar zu abgelegen.« »Präge dir gut die Merkmale ein, denn ich will mich gewiß nicht aus dieser Gegend entfernen,« sagte Don Quijote, »auch werde ich darauf denken, oft den Gipfel der allerhöchsten Felsen zu besteigen, um mich droben umzusehen, ob du nicht wiederkommst; das Beste und Sicherste aber wird sein, damit du nicht zweifelst und dich verirrst, daß du von dem hier häufigen Ginster etwas nimmst und es von Zeit zu Zeit ausstreust, bis du das offene Land gewinnst, dies wird dir ebenso zum Wegweiser und Merkmal dienen, mich wiederzufinden, wie der Faden dem Perseus aus dem Labyrinthe half.« »Das soll geschehen,« antwortete Sancho Pansa; er nahm Ginster, bat seinen Herrn um seinen Segen und unter häufigen Tränen von beiden Seiten nahm er Abschied von ihm. Er bestieg den Rosinante, den ihm Don Quijote fleißig empfahl, daß er für ihn sorgen möchte, als wenn er es selbst wäre, worauf sich Sancho auf den Weg nach dem flachen Lande machte, indem er von Zeit zu Zeit Zweige des Ginsters ausstreute, wie es ihm sein Herr geraten hatte: so entfernte er sich, obgleich ihn Don Quijote noch immer quälte, daß er bleiben möchte, um ihn etliche Tollheiten machen zu sehen. Er hatte sich aber noch nicht hundert Schritte entfernt, als er wieder umkehrte und sagte: »Ihr habt doch recht gehabt, gnädiger Herr, daß ich Euch muß Unsinnigkeiten anstellen sehen, damit ich mit gutem Gewissen schwören kann, und darum will ich um etliche bitten, obwohl das freilich die tollste ist, daß ich Euch hier allein lasse.« »Habe ich es dir nicht gesagt?« sagte Don Quijote, »warte, mein Sancho, in einem Vaterunser ist es geschehen.« Mit großer Eile zog er hierauf die Beinkleider ab und blieb im Hemde, und mir nichts dir nichts schlug er zweimal Rad und warf sich zweimal über, den Kopf unten und die Beine in die Höhe, indem er Dinge zeigte, die, um sie nicht noch einmal zu sehen, den Sancho bewogen, den Rosinante umzuwenden, völlig zufrieden und hinlänglich vorbereitet, um schwören zu können, sein Herr sei unsinnig. Wir lassen ihn seine Straße ziehen, bis er wiederkommt, welches nicht lange dauern wird. ~Zwölftes Kapitel~ Welches die Fortsetzung der Subtilitäten enthält, die Don Quijote als Verrückter im schwarzen Gebirge unternahm Um auf das zurückzukommen, was der von der traurigen Gestalt vornahm, als er sich allein sah, so erzählt die Geschichte, daß, wie Don Quijote mit seinem Radschlagen fertig war, von der Mitte bis unten nackt und seine obere Hälfte bekleidet, und er bemerkte, daß Sancho fortgeritten, ohne weiter nach seinen Narrheiten hinzuschauen, bestieg er den Gipfel eines hohen Felsen und überlegte noch einmal, was er schon oft überlegt hatte, ohne einen Entschluß fassen zu können, ob es nämlich besser und ihm geziemlicher sei, den Roldan in seinen schädlichen, oder den Amadis in seinen schwermütigen Unsinnigkeiten nachzuahmen, worauf er so zu sich selber redete: War Roldan wirklich ein so wackerer und tapferer Ritter, wie allgemein von ihm gesagt wird, wo steckt da das Wunderbare? denn am Ende war er doch immer bezaubert und keiner konnte ihn umbringen, wenn er ihn nicht mit einer Nadel in einen einzigen Punkt seines Fußes stach, weshalb er immer Schuhe mit siebenfachen eisernen Sohlen trug: ob ihm gleich diese Kunst nichts gegen den Bernardo del Carpio half, der sie wußte und ihn bei Roncesvalles in seinen Armen erdrückte. Wir wollen aber seine Tapferkeit beiseitesetzen und nun auf sein Verstandverlieren kommen; gewiß ist es, er verlor ihn wegen der Zeichen, die er an der Quelle fand und über die Nachrichten, die ihm ein Schäfer gab, wie Angelika viele Stunden mit dem Medor, einem jungen Mohren mit schönen Locken und Edelknaben des Agramant, geschlafen habe: und indem er die Wahrheit davon einsah, und daß seine Dame ihm diesen Schimpf wirklich angetan habe, vollbrachte er nichts sonderliches darin, unsinnig zu werden. Aber ich, wie kann ich ihm in seinen Unsinnigkeiten nachahmen, wenn ich ihn nicht auch in der Ursache derselben nachahme? denn ich möchte wohl darauf schwören, daß meine Dulzinea von Toboso zeit ihres Lebens keinen Mohren mit Augen gesehen hat, so wie er ist und in seiner Landestracht, und daß sie so unschuldig ist, wie die Mutter, die sie gebar: auch bezeigte ich ein hauptsächliches Unrecht, wenn ich anders von ihr dächte und also in der Art unsinnig würde, wie der rasende Roldan seine Unsinnigkeiten beging. Auf der andern Seite leuchtet mir ein, wie Amadis von Gallia, ohne den Verstand zu verlieren, ohne Unsinnigkeiten zu begehen, sich wohl als Verliebter noch größeren Ruhm erwarb, denn wie seine Geschichte erzählt, wurde er von seiner Dame Oriana verschmäht, die ihm geboten hatte, nicht eher, als bis es ihr Wille sei, in ihrer Gegenwart zu erscheinen: er zog sich deshalb auf den Felsen Arnuth zurück, seine Gesellschaft war ein Einsiedel, und dorten weinte er so lange, bis ihm der Himmel in seiner größten Not und Bedrängnis Hilfe sendete. Ist dies nun wahr, wie es wahr ist, warum soll ich mich damit abquälen, ganz nackt herumzulaufen, diesen Bäumen Schaden zuzufügen, die mir kein Leid tun, warum soll ich das Wasser dieser klaren Bächlein trüben, die mir, wenn ich durstig bin, zu trinken reichen müssen? Nein! es lebe Amadis! und ihm will Don Quijote von la Mancha nachahmen, so gut er es nur kann: wenigstens soll man auch auf ihn den bekannten Ausspruch anwenden können, daß, wenn er große Taten nicht vollendet, er im Versuche starb. Und wenn ich auch nicht von meiner Dulzinea verworfen oder verachtet bin, so ist es, wie schon gesagt, genug, von ihr entfernt zu sein. Auf dann! die Hand ans Werk! Kommt in mein Gedächtnis, all ihr Handlungen des Amadis und lehrt mich, wie ich den Anfang mache, euch nachzuahmen! Doch ich erinnere mich, das Vorzüglichste, was er tat, war beten und dieses will ich auch tun. -- Er zog hierauf einige große Galläpfel vou einer Eiche auf einen Faden, die ihm zum Rosenkranze dienen mußten; was ihn aber sehr bekümmerte, war, daß er keinen Einsiedler auffinden konnte, dem er beichtete und mit dem er sich tröstete, er mußte sich also damit unterhalten, auf der kleinen Wiese auf und ab zu gehen, Verse in die Rinde der Bäume zu schneiden oder im Sande niederzuschreiben, die seine Traurigkeit besangen und andere zum Lobe Dulzineas waren; diejenigen, die man noch fand und die man noch lesen konnte, als man sie fand, waren nicht mehr als folgende: Ihr Pflanzen, so frisch und so heiter, die ihr auf dem Platze hier seid, ihr Bäume, ihr grünenden Kräuter, wenn ihr euch des Unglücks nicht freut, so hört meine Klagen nun weiter. Macht doch meinen Schmerz nicht zur Zote, denn er ist so fürchterlich ja, so steht euch ein Bach zu Gebote, denn hier bewein' ich, Don Quijote, die Trennung von Dulzinea von Toboso. Hier ist er, der Ort, den erwählet der Liebende, ewig getreu, der ihn der Geliebten verhehlet, hier reißet der Schmerz ihn entzwei, er weiß nicht recht, was ihn so quälet. Die Liebe, sie schleppt ihn im Kote, wie keinem es jemals geschah, drum welkt er wie Bohn' oder Schote denn hier bewein' ich, Don Quijote, die Trennung von Dulzinea von Toboso. Er suchte wohl hier Abenteuer in Orten, an Felsen so reich, er flüchtete dem Ungeheuer, doch hört er im wüsten Gesträuch von Leiden nur die alte Leier. Es peitscht ihn die Liebe zu Tode und bleibet zur Marter ihm nah, drum kratzt er den Kopf mit der Pfote, denn hier bewein' ich, Don Quijote, die Trennung von Dulzinea von Toboso. Bei denjenigen, die diese Verse fanden, erregte der Zusatz von Toboso nach dem Namen Dulzinea ungemeines Gelächter, denn sie glaubten, daß Don Quijote glauben müsse, daß, wenn er Dulzinea nenne und nicht auch das Toboso hinzufügte, die Strophe unverständlich bliebe: und dies war auch in der Tat der Fall, wie er es nachher gestanden hat. Er schrieb noch mehr Gedichte, aber wie gesagt, sie erhielten sich nicht und nur diese drei Strophen blieben vollständig übrig. Hiermit und daß er seufzte und die Faunen und Sylvanen der Gebüsche dort anrief, die Nymphen der Flüsse und die trauernde klägliche Echo, wie sie ihm alle antworten, Trost geben und zuhören möchten, unterhielt er sich; auch suchte er Kräuter, um sich mit diesen so lange zu erhalten, bis Sancho wiederkäme: wenn dieser so drei Wochen weggeblieben wäre, wie er drei Tage ausblieb, so wäre der von der traurigen Gestalt so ungestalt geworden, daß ihn seine leibliche Mutter selbst nicht wiedererkannt hätte. Wir wollen ihn jetzt in seinen Seufzern und Versen verhüllt lassen, um zu erzählen, was dem Sancho Pansa auf seiner Gesandtschaft begegnete. Als er auf die große Straße gelangt war, machte er sich auf den Weg nach Toboso und gelangte am folgenden Tage bei der Schenke an, wo ihn das Mißglück mit der Prelle betroffen hatte; er hatte die Schenke kaum erblickt, als es ihm auch schon so war, als wenn er wieder in den Lüften flöge, weshalb er auch nicht einkehren wollte, obgleich es eine Stunde war, in der er es wohl gekonnt und gesollt hätte, denn es war um die Mittagszeit, und er auch ein großes Verlangen spürte, etwas Warmes zu essen, weil er schon seit vielen Tagen danach großen Hunger empfunden hatte. Dieser große Appetit trieb ihn auch bis dicht an die Schenke hinan, aber doch blieb er noch ungewiß, sollte er einkehren oder nicht: wie er noch in dieser Gemütsverfassung war, kamen zwei Leute aus der Schenke, die ihn sogleich kannten und von denen der eine zum andern sagte: »Herr Lizentiat, ist der auf dem Pferde da nicht Sancho Pansa, von dem die Haushälterin unseres Abenteurers sagte, daß er mit seinem Herrn als Stallmeister fortgezogen sei?« »Er ist es,« sagte der Lizentiat, und ebendas Pferd gehört auch unserm Don Quijote. Diese Leute kannten ihn so gut, weil sie der Pfarrer und der Barbier desselben Ortes waren, die nämlichen, die das Verhör und Gericht über die Bücher gehalten hatten. Wie diese nun den Sancho Pansa samt dem Rosinante erkannt hatten, begierig, von Don Quijote Neuigkeiten zu hören, liefen sie gleich zu ihm, und der Pfarrer rief ihn bei seinem Namen und sagte: »Freund Sancho Pansa, wo bleibt denn Euer Herr?« Sancho Pansa kannte sie auch gleich und nahm sich vor, es nicht zu verraten, wo und wie sein Herr zurückgeblieben war: er antwortete also, sein Herr sei in voller Arbeit an einer gewissen Stelle und in einer gewissen Sache zurückgeblieben, die erstaunlich wichtig sei, die er aber nicht verraten dürfte, so lieb ihm die Augen im Kopfe wären. »Nein, nein,« sagte der Barbier, »wenn Ihr uns, Sancho Pansa, nicht sagt, wo er geblieben ist, so werden wir glauben, wie wir es schon glauben, daß Ihr ihn umgebracht und geplündert habt, denn Ihr reitet auf seinem Pferde: wahrhaftig, Ihr müßt uns den Herrn des Gaules schaffen, oder es ergeht Euch übel.« »Ihr braucht mir nicht so zu drohen, denn ich bin ein Mann, der keinen plündert und keinen umbringt, jeden bringt sein Schicksal nur, oder vielmehr Gott selbst. Mein Herr ist hier mitten im Gebirge zurückgeblieben, wo er nach Herzenslust Buße tut.« -- Und zugleich erzählte er ihnen in einem ununterbrochenen Strome, wie er zurückgeblieben sei, samt allen gehabten Abenteuern und wie er einen Brief an die Dame Dulzinea von Toboso bei sich führe, die Tochter des Lorenzo Corchuelo, in die sein Herr bis über die Augen verliebt sei. Die beiden standen voll Erstaunen über das, was Sancho Pansa ihnen erzählte, denn obgleich sie Don Quijotes Narrheit sowie die Art derselben kannten, so waren sie doch immer von neuem verwundert, so oft sie davon hörten. Sie baten Sancho Pansa, ihnen den Brief zu zeigen, den er an die Dame Dulzinea von Toboso mit sich führe. Er sagte, daß er in ein Taschenbuch geschrieben sei und wie ihm sein Herr befohlen habe, ihn auf Papier im ersten Orte abschreiben zu lassen, worauf der Pfarrer sagte, daß er ihn nur zeigen möchte, denn er wolle ihn selber sehr schön abschreiben. Sancho Pansa fuhr hierauf mit der Hand in den Busen und suchte die Schreibtafel; aber er fand sie nicht und hätte sie nicht gefunden, wenn er auch ewig gesucht hätte, denn Don Quijote hatte sie behalten und ihm nicht gegeben, sowie er es auch vergessen hatte, sie von ihm zu fordern. Als Sancho sah, wie er das Buch nicht fand, wurde er blaß im Gesichte, er fühlte sich hierauf noch einmal hastig am ganzem Körper herum und sah und begriff zum zweiten Male, daß er sie nicht fand, worauf er sich ohne weiteres mit beiden Fäusten in den Bart griff, ihn halb zerzauste und sich dann sehr hastig ohne auszuruhen ein halbes Dutzend Faustschläge ins Gesicht und gegen die Nase gab, daß das Blut herunterfloß. Da dies der Pfarrer und Barbier sahen, fragten sie, was ihm denn zugestoßen sei, daß er sich so übel begegne? »Was wird mir zugestoßen sein,« antwortete Sancho, »als daß ich, wie man eine Hand umkehrt, drei junge Esel verloren habe, wovon mir jeder so wert wie ein Palast war.« »Wie das?« fragte der Barbier. »Das Taschenbuch habe ich verloren,« antwortete Sancho, »worin der Brief an die Dulzinea war und auch eine Wechselverschreibung von meinem Herrn, auf die mir die Nichte drei junge Esel von den vieren oder fünfen ausliefern sollte, die er im Hause hat;« worauf er ihnen auch den Verlust seines Grauen erzählte. Der Pfarrer tröstete ihn und sagte, daß, wenn er seinen Herrn anträfe, er ihn die Verschreibung wollte erneuern lassen, und zwar so, daß er sie auf Papier aufzeichnete wie es gebräuchlich und gewöhnlich sei, denn Verschreibungen in Taschenbüchern würden nicht für gültig anerkannt. Damit tröstete sich Sancho und sagte, daß, wenn dem so sei, er sich nicht sonderlich gräme, daß er den Brief an Dulzinea verloren habe, denn er wüßte ihn auswendig, so daß er niedergeschrieben werden könnte, wo und wann sie es wollten. »Sagt ihn gleich her, Sancho,« sprach der Barbier, »wir wollen ihn gleich niederschreiben.« Sancho Pansa stand still, kratzte den Kopf, um den Brief ins Gedächtnis zu locken; bald stellte er sich auf den einen Fuß und bald auf den andern, jetzt schaute er die Erde an und jetzt wieder den Himmel, und nachdem er sich die halbe Spitze vom Finger heruntergebissen hatte und die beiden in der größten Erwartung standen, was er doch sagen würde, sagte er endlich nach einer ewigen Pause: »Mein Seel, Herr Lizentiat, der Teufel soll gleich das Wort holen, das ich noch aus dem ganzen Briefe weiß, außer das im Anfange gesagt wurde: Erhabene Herrscherin! Mein Närrchen!« »Es wird nicht«, sagte der Barbier, »mein Närrchen heißen, sondern vielleicht meine Königin oder Monarchin.« »So ist es auch,« sagte Sancho, »und gleich darauf, wenn ich mich recht erinnere, kam -- -- -- -- wenn ich mich recht erinnere -- -- -- -- der Geplagte und Schlaflose und der Verwundete küßt eure gnädigen Hände, undankbare und vorzüglich unbekannte Schöne; und dann kam, ich weiß nicht, was von Gesundheit und Krankheit, die er schickte, und dann ging's so weiter, bis es am Ende hieß: Der Eurige bis in den Tod, der Ritter von der traurigen Gestalt.« Das gute Gedächtnis des Sancho Pansa machte den beiden kein geringes Vergnügen, sie lobten ihn sehr und baten ihn, den Brief noch einmal und dann noch einmal wieder herzusagen, und jedesmal sagte er wieder tausend neue Tollheiten. Hierauf erzählte er selbst alle Geschichten seines Herrn, aber er sagte kein einziges Wort von der Prelle, die ihm in der Schenke widerfahren war, in die er nicht einkehren wollte; er beschloß damit, wie sein Herr, wenn er von der Dame Dulzinea von Toboso gute Botschaft brächte, willens sei, sich auf den Weg zu machen und Kaiser zu werden oder wenigstens Despot, denn so wäre es unter ihnen beiden ausgemacht, nach der Tapferkeit seiner Person und der Gewalt seines Armes müsse ihm auch dieses Ding ziemlich leicht werden, wenn das geschehe, so wolle er ihn verheiraten, denn er würde dann wohl Witwer sein und müßte es sein, dann sollte er das Fräulein der Kaiserin zur Gemahlin kriegen, die eine reiche und große Herrschaft auf dem festen Lande erbte, denn aus Inseln oder Eiländern mache er sich nichts. Dies alles sagte Sancho mit solcher Ruhe, indem er sich von Zeit zu Zeit die Nase wischte und so ohne Verstand, daß die beiden sich von neuem verwunderten, indem sie erwogen, wie gewaltig Don Quijotes Tollheit sein müsse, weil sie auch den Verstand dieses armen Kerls mit sich genommen habe. Sie wollten sich die Mühe nicht geben, ihm seinen Irrtum zu benehmen, denn sie meinten, daß dadurch seinem Gewissen kein Schaden widerführe, wenn sie ihn darin ließen, wodurch seine Narrheiten ihnen überdies Vergnügen machten; sie sagten ihm also, er möchte nur für die Wohlfahrt seines Herrn zu Gott beten, denn es sei ein überaus mögliches und wahrscheinliches Ding, daß er im Verlaufe der Zeit wohl Kaiser würde, oder wenigstens Erzbischof oder eine andere ähnliche Würde bekäme. Worauf Sancho antwortete: »Meine Herren, wenn das Schicksal nun die Sachen so einrichten sollte, daß es meinem Herrn einfiele, nicht Kaiser, sondern Erzbischof zu werden, so möchte ich wohl wissen, was denn die irrenden Erzbischöfe ihren Stallmeistern zu geben pflegen.« »Sie geben ihnen wohl«, antwortete der Pfarrer, »irgendeine Kirchenstelle oder einen Küsterdienst, der etwas Tüchtiges einträgt, die Akzidenzen ungerechnet, die sich wohl ebenso hoch belaufen mögen.« »Da wird's wohl nötig sein,« versetzte Sancho, »daß der Stallmeister nicht verheiratet ist und daß er wenigstens bei der Messe helfen kann, aber ach! ich armes Kind! ich bin verheiratet und weiß nicht die ersten Buchstaben vom Abc. Was soll aus mir werden, wenn sich's mein Herr in den Kopf setzt, Erzbischof und nicht Kaiser zu werden, wie es doch sonst bei den irrenden Rittern Gebrauch und Herkommen ist?« »Seid ohne Sorgen, Freund Sancho,« sagte der Barbier, »denn wir wollen euren Herrn bitten und ihm noch dazu den Rat geben, ja es ihm zur Gewissenssache machen, Kaiser und nicht Erzbischof zu werden, für ihn wird dies auch viel leichter sein, denn er ist mehr ein Held als ein Gelehrter.« »Das glaub' ich auch,« sagte Sancho, »doch muß ich sagen, daß er zu allen Dingen Fähigkeiten hat; was ich von meiner Seite tun will, ist, den lieben Herrgott zu bitten, daß er ihm das gebe, was ihm am meisten diene und wobei er mir das meiste geben kann.« »Das ist eine verständige Gesinnung,« sagte der Pfarrer, »und darin handelt Ihr wie ein guter Christ; worauf wir aber jetzt denken müssen, ist auf die Art, wie wir Euren Herrn aus der unnützen Buße erlösen, die er jetzt verübt, wie Ihr sagt; damit wir aber besser darauf sinnen und zugleich essen können, denn es ist Mittag, wollen wir in diese Schenke hineingehen.« Sancho sagte, daß sie nur hineingehen möchten, er aber wolle draußen warten und ihnen nachher die Ursache entdecken, warum er nicht hineingehe und es ihm widerwärtig sei, hineinzugehen; daß er sie aber bäte, ihm etwas zu essen, und zwar etwas Warmes zu bringen, auch Hafer für den Rosinante. Sie gingen hinein und er blieb draußen, und nach einiger Zeit brachte ihm der Barbier etwas zu essen. Hierauf beratschlagten sich die beiden gründlich, wie sie ihren Vorsatz ausführen wollten, und der Pfarrer kam endlich auf einen Gedanken, der ganz in Don Quijotes Sinn und auch so beschaffen war, wie er zu ihrem Zwecke taugte; er sagte nämlich dem Barbier, wie sein Gedanke sei, sich als eine irrende Jungfrau anzukleiden, und daß er sich, so gut es anginge, als Stallmeister zurechtmachen möchte, so wollten sie sich hinbegeben, wo Don Quijote sei, er wolle dann eine betrübte und bedrängte Jungfrau vorstellen, die eine Gabe von ihm flehte, welche er ihr nicht als ein wackerer irrender Ritter abschlagen könne; die Gabe aber, um die er flehen wolle, sei, daß er mit ihr ziehen möge, wohin sie ihn führte, um ein Leiden zu entwickeln, in das sie ein schlechter Ritter verwickelt habe, und daß er ihn auch darum bäte, daß er nicht befehlen möchte, sie solle den Schleier aufheben, auch nichts Weiteres von ihr zu erfahren trachten, bis er die Ungeradheit jenes schlechten Ritters gerade gemacht. Er glaube, Don Quijote würde in dieser Form alles bewilligen, worum er nur bäte, und so wollten sie ihn aus dem Gebirge locken und nach seiner Heimat bringen, um ihn dort, wenn es möglich wäre, von seiner außerordentlichen Tollheit zu heilen. ~Dreizehntes Kapitel~ Wie es mit dem Plane des Pfarrers und Barbiers geriet, nebst anderen Dingen, würdig, in dieser großen Geschichte vorgetragen zu werden Dem Barbier mißfiel die Erfindung des Pfarrers nicht, sondern sie erschien ihm so gut, daß sie sogleich zur Ausführung schritten. Sie ließen sich von der Wirtin ein Kleid und etliche Röcke geben, wofür der Pfarrer ein ganz neues Priesterkleid zum Pfand einsetzte. Der Barbier machte sich einen weißlichen oder gelblichen Bart von einem Ochsenschwanze, an dem der Wirt seine Kämme aufhing. Die Wirtin fragte sie, was sie mit diesen Dingen anstellen wollten. Der Pfarrer erzählte ihr kürzlich Don Quijotes Narrheit und wie diese Verkleidung dazu dienen solle, ihn aus dem Gebirge herauszulocken, in dem er sich jetzt aufhielte. Der Wirt und die Wirtin fielen sogleich darauf, daß dieser Narr gewiß ihr Gast mit dem Balsam und der Herr des geprellten Stallmeisters sein müsse; sie erzählten dem Pfarrer hierauf alles, was sich mit diesen beiden zugetragen hatte, ohne das zu verschweigen, was Sancho so vorsorglich verschwieg. Die Wirtin kleidete endlich den Pfarrer so an, wie man nichts Schöneres sehen konnte, sie legte ihm nämlich ein tuchenes Kleid an, das voller schwarzer Samtbänder hing, die eine Spanne breit und ausgepackt waren, hierauf ein Leibchen von grünem Samt mit ganz weißen Bandschleifen, wovon alles aus den Zeiten des Königs Bamba zu sein schien. Der Pfarrer litt nicht, daß man ihn coiffürte, sondern er setzte auf den Kopf ein baumwollenes Mützchen, das er nachts zum Schlafen bei sich hatte, und um die Stirn band er ein Strumpfband von schwarzem Taft, mit einem andern Strumpfband machte er sich ein Vorhängsel, womit er ziemlich gut Bart und Gesicht verdeckte; dann drückte er sich den Hut in die Augen, der so groß war, daß er ihm wohl zum Sonnenschirm dienen konnte, worauf er noch einen langen Mantel überwarf und sich quer auf sein Maultier setzte. Der Barbier bestieg seinen Esel, mit seinem Barte, der ihm bis auf den Gürtel reichte und ins Weiße und Gelbliche spielte und der, wie schon gesagt, aus dem Schwanze eines tüchtigen Ochsen gemacht war. Sie nahmen von allen Abschied, auch von der braven Maritorne, die, so sündhaft sie auch selber sei, einen Rosenkranz zu beten versprach, damit Gott seinen Segen verleihe, daß sie die schwierige und so christliche Unternehmung, die sie unternommen hatten, glücklich beendigen möchten. Sie hatten kaum die Schenke verlassen, als dem Pfarrer der Gedanke kam, daß es von ihm nicht gut gehandelt sei, sich so auszustaffieren, sondern im Gegenteil unschicklich für einen Priester, wenn der Zweck, weshalb es geschähe, auch noch so gut sei; er sagte dies dem Barbier und bat ihn, den Anzug umzutauschen, weil es anständiger sei, daß er die notgedrängte Jungfrau vorstelle; er wolle der Stallmeister sein und daß er so seinem Amte weniger vergebe; wolle er dies nicht tun, so sei er fest entschlossen, nicht weiterzugehen und wenn den Don Quijote auch der Teufel selbst holen sollte. Indem kam Sancho hinzu, der über den Aufzug lachen mußte, in welchem er die beiden sah. Der Barbier ging alles ein, wie es der Pfarrer wollte, sie tauschten ihre Masken um, der Pfarrer unterrichtete ihn, wie er sich gebärden und welche Redensarten er gegen Don Quijote zu führen habe, um ihn zu bewegen und zu zwingen, mit ihm zu gehen und den Ort zu verlassen, den er zu seiner unnützen Buße ausgewählt hatte. Der Barbier antwortete, daß er selbst seine Lektion wüßte und sie gewiß aufs pünktlichste hersagen wolle. Er wollte sich aber noch nicht ankleiden, bis sie sich an der Stelle befänden, wo Don Quijote sei; er legte also den Anzug zusammen, der Pfarrer machte seinen Bart fest, und so setzten sie ihren Weg fort, von Sancho Pansa angeführt, der ihnen erzählte, was ihnen mit dem Verrückten begegnet sei, den sie im Gebirge gefunden hätten, wobei er aber sorgfältig den Fund des Mantelsacks und das, was er in diesem angetroffen hatte, verschwieg, denn so dumm er auch war, so war dieser brave Herr doch gut auf sein Bestes bedacht. Am andern Tage kamen sie an die Stelle, wo Sancho seine Merkmale, nämlich die Zweige ausgestreut hatte, um den Platz wiederzufinden, wo er seinen Herrn gelassen hatte und sowie er sie erkannte, sagte er, daß dieses der Eingang sei, und daß sie sich nun anziehen könnten, wenn dies nötig sei, um seinen Herrn frei zu machen; denn sie hatten es ihm vorher gesagt, daß diese Reise und diese Verkleidung bloß angestellt sei, um seinen Herrn von dem unglückseligen Leben zu befreien, welches er sich auserwählt habe, und daß es sehr nötig sei, daß er seinem Herrn nicht sagte, wer sie wären, oder daß er sie kenne, und wenn er fragte, wie er gewiß fragen würde, ob er den Brief an Dulzinea abgegeben habe, sollte er ja sagen, und weil sie nicht lesen könne, habe sie ihm die mündliche Antwort gegeben und ihm bei Strafe ihrer Ungnade befohlen, augenblicklich zu ihr zu kommen, weil ihr dies vorzüglich am Herzen liege; dadurch und durch das, was sie ihm sagen wollten, wären sie versichert, ihn zu einem besseren Leben zurückzubringen und ihn so anzufrischen, daß er sich gleich auf den Weg mache, um Kaiser oder Despot zu werden, denn was den Erzbischof betreffe, darüber solle er ohne Sorgen sein. Sancho hörte alles an und prägte es sich gut ins Gedächtnis, dankte ihnen auch für die gute Absicht, daß sie seinem Herrn zureden wollten, er möchte Kaiser und nicht Erzbischof werden, denn er seinerseits halte dafür, daß, was das angehe, die Stallmeister trefflich zu bedenken, ein Kaiser mehr als ein irrender Erzbischof tun könne. Er sagte auch, daß es besser wäre, wenn er voranginge, ihn zu suchen und ihm die Antwort von seiner Dame zu sagen, denn vielleicht sei das schon hinreichend, ihn von der Stelle zu bringen, ohne daß sie sich so viele Mühe zu geben brauchten. Den beiden schien das gut, was Sancho sagte, sie beschlossen also, dort zu warten, bis er mit der Nachricht, daß er seinen Herrn gefunden habe, zurückgekehrt sei. Sancho ritt in die Schlüfte des Gebirges hinein und ließ die beiden auf einem Platze, wo ein kleiner friedlicher Bach murmelte und auf dem Felsen und einige Bäume einen angenehmen frischen Schatten verbreiteten; die Hitze war groß, denn es war im August, in welchem Monat die Sonne dort sehr heiß brennt; drei Stunden nach Mittag waren verflossen, welches alles ihnen diesen Ort sehr angenehm machte und sie einlud, hier die Rückkehr des Sancho zu erwarten, wie sie auch taten. Indem die beiden im Schatten sich erquickten, vernahmen sie eine Stimme, die ohne den begleitenden Ton eines Instrumentes, süß und lieblich erklang, worüber sie sich nicht wenig verwunderten, denn sie hielten dies für keine Gegend, in der sich so gute Sänger aufhalten könnten; denn wenn auch oft erzählt wird, wie in Wäldern und auf Gefilden Schäfer mit lieblichen Stimmen wohnen, so ist dies mehr schöne Erfindung der Poeten als Wahrheit; da sie überdies noch bemerkten, daß die Verse, die sie singen hörten, kein Lied eines Bauern sein könne, sondern von einem feinen Manne herrühren müssen. Sie wurden hierin bestätigt, denn die Verse, die sie hörten, waren folgende: Wer hat mir zerstört mein gutes Glücke? Die Tücke. Und was macht mich nun in Qual vergehen? Verschmähen. Welcher Lehrer, daß ich dulden lerne? Die Ferne: und also machen bessre Sterne mir niemals lichtern Himmel offen, vereinigt töten mich das Hoffen, Verschmähen, Tücke, wie die Ferne. Wer macht mir mein Leben schwarz und trübe? Die Liebe. Und wer scheucht die Freude weit zurücke? Das Glücke. Und wer weigert mir zu sein ein Retter? Die Götter: Und also brechen tausend Wetter daß ich muß ein Verlorner sein nur zum Verderben auf mich ein, das Glück, die Liebe und die Götter. Wie kann ich ein beßres Glück erwerben? Durch Sterben. Und was macht, das uns die Lieb' erfreue? Untreue. Und für wen ist alles Leid verloren? Dem Toren: und also bin ich nur geboren, in meinem Leiden zu verschmachten, für Helfer sind ja nur zu achten Untreue, Sterben, oh, des Toren! Die Stunde, die Einsamkeit, die Stimme und die Geschicklichkeit dessen, der sang, erregte den beiden Zuhörern ebensoviel Vergnügen als Verwunderung, sie hielten sich ruhig, indem sie noch mehr zu hören erwarteten. Da sie aber sahen, daß alles schwieg, beschlossen sie aufzustehen und den Sänger zu suchen, dessen Stimme so lieblich erklang, und indem sie dies eben ins Werk setzen wollten, machte dieselbe Stimme, daß sie sich nicht rührten, denn ein neuer Ton traf ihr Ohr und folgendes Sonett wurde gesungen. Sonett Du heil'ge Freundschaft, von uns zu entweichen Hat dich dein leichter Flug emporgeschwungen, Du bist zu sel'gen Geistern hingedrungen, Zu den gebenedeiten Himmelsreichen. Von dort reichst du uns oft als schönes Zeichen Die Eintracht, dicht von Schleiern eingeschlungen, Oft scheint uns dann ein edles Herz errungen, Das Laster weiß der Tugend wohl zu gleichen. Vom Himmel steige, holde Freundschaft, nieder, Der Trug hat sich dein schönstes Kleid ersonnen, Er tötet schleichend jegliches Vertrauen. Nimmst du ihm nicht die falsche Zierde wieder, So wird die Welt den alten Krieg begonnen Und Zwietracht wieder als Regenten schauen. Den Gesang beschloß ein tiefer Seufzer und die beiden blieben sehr still und aufmerksam, ob sie noch mehr hören würden; da sie aber sahen, daß sich die Musik in Jammer und klägliches Ächzen verkehrt hatte, beschlossen sie zu erfahren, wer der Traurige sei, dessen Stimme so schön, wie sein Seufzen rührend war; sie waren nicht weit gegangen, als sie, indem sie um einen Felsen bogen, einen Menschen von eben der Gestalt gewahr wurden, wie Sancho ihn beschrieben hatte, als er von Cardenio erzählte. Als der Mensch sie erblickte, blieb er unverändert in seiner traurigen Stellung, den Kopf auf die Brust herabgesunken und wie in tiefen Gedanken verloren, ohne die Augen aufzuschlagen oder sie noch einmal anzusehen. Der Pfarrer, der ein beredter Mann war und schon von seinem Unglücke wußte, da er ihn an den Merkmalen erkannt hatte, ging auf ihn zu und bat und beschwur ihn in wenigen, aber vernünftigen Worten, dieses unglückselige Leben zu verlassen, damit er nicht darin umkäme, welches das allerhöchste Elend zu nennen sei. Cardenio war gerade bei vollem Verstande und ohne einen Anfall von Raserei, der ihn oft gänzlich von ihm selbst entfernte; da er also die beiden sah, anders gekleidet als ihm sonst die Menschen dieser Wüsteneien aufstießen, verwunderte er sich nicht wenig, noch mehr, da er von seinen Leiden wie von einer Sache reden hörte, die man kannte; auf das aber, was ihm der Pfarrer gesagt hatte, antwortete er mit diesen Worten: »Ich sehe wohl, wer ihr auch sein mögt, meine Herren, daß der Himmel, der für die guten Menschen Sorge trägt und ihnen hilft, wie er es auch oft den Bösen tut, mir gegen mein Verdienst in diese Einöden, vom Verkehr aller Menschen entfernt, Männer sendet, die mir mit Eindringlichkeit und Vernunft, obgleich ich ohne diese bin, vor Augen stellen, wie ich mich von hier entreißen und ein besseres Los aufsuchen solle. Ihr wißt aber nicht, wer ich bin und wie es wohl möglich ist, daß, wenn ich dieser Lage entrinne, wohl in ein noch schlimmeres Unglück stürzen kann, ihr müßt mich also für einen Menschen von schwachem Verstande halten, oder, was noch schlimmer ist, für ganz vernunftlos erklären, und freilich wäre es kein Wunder, wenn ihr es tätet, denn ich weiß es wohl, wie mich das ewig gegenwärtige Bild meines Elendes so überwältigt hat und so zu meinem Verderben wirkt, daß ich mich selber nicht mehr besitze, sondern oft besinnungslos wie ein Stein bin und jeder menschlichen Empfindung entbehre; darum muß ich alles glauben, was mir manche erzählen und mir durch Spuren beweisen, wie ich gehandelt habe, wenn jener schreckliche Zufall alle meine Kräfte beherrscht. Ich kann nun nichts weiter tun, als vergeblich klagen und ohne Zweck mein Schicksal verwünschen und zur Entschuldigung meines Wahnsinns jedem, der mich anhören will, mein Unglück erzählen, damit, wenn die Klugen die Ursache erfahren, sie sich nicht über die Folgen desselben wundern und wenn sie mir nicht helfen können, mich doch wenigstens nicht anklagen, weil ihr Zorn über meinen Frevel in Mitleid über mein Unglück verwandelt werden muß. Kommt ihr also, meine Herren, in der nämlichen Absicht hierher, in der schon manche hergekommen sind, so bitte ich euch, ehe ihr noch in euren gütigen Überredungen fortfahrt, die Geschichte meines Unglücks anzuhören, weil ihr vielleicht nachher selber eure Mühe unnütz findet, mir in meinem Elende Trost zu geben, das durchaus keinen Trost zuläßt.« Es war gerade der Wunsch der beiden, aus seinem eigenen Munde die Ursache seiner Schwermut zu erfahren, sie baten ihn daher, seine Geschichte vorzutragen, wobei sie versprachen, ihm keine andere Hilfe und keinen andern Trost anzubieten, als die er selber wünschen würde. Der traurige Ritter fing also seine betrübte Geschichte an und trug sie fast mit den nämlichen Worten und Wendungen vor, wie er sie dem Don Quijote und dem Ziegenhirten vor wenigen Tagen erzählt hatte, als bei Gelegenheit des Meister Elisabat und durch die Gewissenhaftigkeit Don Quijotes, den Gesetzen der Ritterschaft Folge zu leisten, die Erzählung abgebrochen wurde, wie es die Historie oben vorträgt. Jetzt aber fügte es das gute Glück, daß sie durch keinen Anfall von Wahnsinn gestört wurden, sondern er führte seine Geschichte bis zu Ende. Als er an die Stelle kam, wo Don Fernando im Amadis von Gallia den Brief fand, sagte Cardenio, daß er ihn auswendig wisse, und deshalb sagte er ihn mit diesen Worten her: Lucinde an Cardenio. ›Jeden Tag entdecke ich neue Vorzüge in Euch, die mich zwingen und verpflichten, Euch von neuem hochzuschätzen, wenn Ihr mich also von meinen Schulden befreien wollt, ohne Euch mit meiner Ehre bezahlt zu machen, so könnt Ihr es leicht tun. Ich habe einen Vater, der Euch kennt und mich liebt, und der ohne mich zu zwingen Euch das bewilligen wird, was er für recht erkennt, wenn Ihr mich so hochschätzt, wie Ihr es sagt und wie ich es glaube.‹ Durch dieses Blatt wurde ich, wie schon gesagt, bewogen, um Lucinden als meine Gemahlin anzuhalten, und durch dieses Blatt wurde Fernando in seiner Meinung bestätigt, Lucinden für das verständigste und klügste Mädchen seiner Zeit zu halten, und dies erregte in ihm zuerst den Wunsch, mich lieber zu vernichten, als daß mein Wunsch in Erfüllung ginge. Ich erzählte Don Fernando was mir Lucindens Vater erwidert hatte, daß es meinem Vater zustehe, um sie anzuhalten, wie ich es aber nicht wagte, es ihm zu sagen, aus Furcht, daß er nicht einstimmen möchte, nicht deshalb, weil ihm der Wert, die Tugend und Schönheit der Lucinde unbekannt sei, denn ihre Eigenschaften wären hinreichend, ihre Verbindung mit jeder spanischen Familie ehrenvoll zu machen; sondern ich begriff wohl, daß mein Vater nicht suchen würde, mich so schnell zu verheiraten, bis er erst sähe, was der Herzog Ricardo für mich tun würde. Kurz, ich sagte ihm, daß ich nicht Stärke genug habe, mit meinem Vater darüber zu sprechen, denn nicht nur dies Hindernis, sondern noch manches andere mache mich mutlos, ohne daß ich recht sagen könne, was; es wäre mir aber, als wenn meine Wünsche niemals in Erfüllung gehen würden. Don Fernando antwortete mir, daß er es über sich nehme, mit meinem Vater zu sprechen und ihn dahin zu bringen, daß er mit Lucindens Vater redete. -- O du ehrsüchtiger Marius! grausamer Catilina! schändlicher Sylla! verräterischer Galalon! du hinterlistiger Vellido! rachsüchtiger Julian! o habsüchtiger Judas! du Verräter, Grausamer, Rachsüchtiger, Hinterlistiger! Was hatte dir der Unglückliche getan, der dir so offen die geheimsten Wünsche seines Herzens entdeckte? Wie habe ich dich beleidigt? Welchen Rat habe ich dir je gegeben, welches Wort jemals gesprochen, das nicht hätte dazu dienen sollen, deine Ehre wie dein Glück zu befördern? Aber worüber klag' ich, Elender! es ist ja gewiß, daß, wenn der Lauf der Gestirne Unglück mit sich führt und es sich mit Gewalt und Wut von oben herniederwälzt, keine Kraft des Irdischen es aufhalten, keine Vorsicht des Menschen es abwenden kann. Wer hätte es glauben können, daß Don Fernando, ein edler, ehrenvoller Ritter, den meine Dienste verpflichtet hatten, der so angesehen war, daß er nur wählen durfte, um seine Liebe erwidert zu sehen, daß dieser nicht ruhte, bis er mir mein einziges Schäfchen geraubt hatte, das ich selbst noch nicht besaß! Aber ich will diese unnützen, unersprießlichen Betrachtungen lassen und wieder den abgebrochenen Faden meiner unglücklichen Geschichte anknüpfen. Da dem Don Fernando meine Gegenwart hinderlich war, um seine schändliche Falschheit auszuüben, beschloß er, mich zu seinem älteren Bruder zu schicken, unter dem Vorwande, Geld von diesem für sechs Pferde zu verlangen, die er bloß deshalb gekauft hatte, um mich zu entfernen und seine verdammte Absicht desto besser durchzuführen; er kaufte sie den nämlichen Tag, als er sich anbot, mit meinem Vater zu sprechen, und er verlangte, daß ich des Geldes wegen sogleich abreisen sollte. Konnte ich dieser Verräterei vorbeugen? Konnte ich sie nur ahnden? Weit davon entfernt, bot ich mich vielmehr mit der größten Bereitwilligkeit an, sogleich abzureisen, weil ich den Kauf für sehr vorteilhaft hielt. In derselben Nacht sprach ich mit Lucinden und erzählte ihr, was ich mit Don Fernando verabredet habe, und daß sie die feste Hoffnung fassen könne, daß nun unsere tugendhaften Wünsche in Erfüllung gehen würden. Sie bat mich, vor Don Fernandos Verräterei ebenso sicher wie ich, ich möchte bald wiederkommen, denn sie sei überzeugt, wie es nur davon abhinge, daß mein Vater mit dem ihrigen spreche, um alles in Erfüllung zu bringen. Ich weiß nicht, wie es geschah, aber indem sie es gesagt hatte, wurden ihre Augen von Tränen naß, das Wort stockte in der Kehle, so daß sie nichts mehr hervorbringen konnte, obgleich es mir schien, sie habe mir noch vieles zu sagen. Ich erstaunte über diesen Zufall, den ich noch niemals an ihr wahrgenommen hatte, denn so oft das gute Glück und meine Sorgfalt uns eine Unterredung ausmittelten, war unser Gespräch jedesmal munter und fröhlich, ohne in unsere Unterhaltung Tränen, Seufzer, Argwohn und Furcht einzumischen. Ich pries jederzeit mein Glück, daß der Himmel mir sie zur Geliebten vergönnt habe, ich erhob ihre Schönheit und bewunderte ihren Witz und Verstand, und sie zur Vergeltung lobte mit ihrer Liebe das an mir, was ihr Lob zu verdienen schien. Nebenher erzählten wir uns tausend lustige Vorfälle von unseren Nachbarn und Bekannten, und das höchste, was meine Kühnheit dann wagte, war, eine ihrer schönen weißen Hände wie mit Gewalt zu ergreifen, um sie durch die engen Stäbe des niedrigen Gitters, das uns trennte, zu meinem Munde zu führen. Aber in dieser Nacht vor dem traurigen Tage meiner Abreise weinte sie, sie ächzte und seufzte, wodurch sie mich in Verwirrung und Schrecken setzte, denn ich erstaunte über diese ungewohnte Traurigkeit Lucindens. Um aber meine Hoffnungen nicht sinken zu lassen, maß ich alles der Stärke ihrer Liebe bei und dem Schmerze, den wohl die Trennung bei denen verursacht, die sich innig lieben. Traurig und nachdenklich schied ich endlich von ihr, meine Seele war voller Gedanken und Argwohn, ohne daß ich wußte oder erdenken konnte, was ich argwöhnte; Zeichen, die mir den traurigen Erfolg und das Unglück, das meiner wartete, deutlich genug zu erkennen gaben. Ich langte an, wohin ich geschickt wurde; ich überreichte meine Briefe dem Bruder des Don Fernando. Man empfing mich freundlich, fertigte mich aber nicht so freundlich ab, sondern ich erhielt zu meinem größten Mißvergnügen den Befehl, acht Tage zu warten und mich zu hüten, daß mich der Herzog, sein Vater, nicht sähe, denn sein Bruder schriebe ihm, daß er ihm ohne dessen Vorwissen Geld schicken möchte. Alles dies war aber nur eine Erfindung des falschen Fernando, denn es fehlte seinem Bruder nicht an Geld, um mich sogleich abzufertigen. Dieser Befehl brachte mich beinahe dahin, nicht zu gehorchen, denn es schien mir unmöglich, so viele Tage von Lucinden entfernt zu leben, besonders da ich sie so schwermütig verlassen hatte; dennoch aber gehorchte ich als ein redlicher Diener, obgleich ich einsah, daß es auf Kosten meiner Wohlfahrt geschah. Indem aber vier Tage verflossen waren, kam ein Mann, der mich aufsuchte und mir einen Brief brachte, von dem ich sogleich die Aufschrift erkannte, denn es war Lucindens Hand. Ich eröffnete ihn erschrocken, denn nur eine sehr wichtige Ursache konnte sie bewogen haben, mir, dem Abwesenden, zu schreiben, denn sie tat es, auch wenn ich gegenwärtig war, nur selten. Ehe ich noch las, fragte ich den Mann, wer ihm den Brief gegeben und wie viele Zeit er auf dem Wege zugebracht habe. Er erzählte mir, wie er durch eine Gasse der Stadt gegangen sei um die Mittagstunde, als ihm aus einem Fenster eine Dame zugerufen, die Augen von Tränen naß und zu ihm mit vieler Hast gesagt habe: Wenn Ihr ein Christ seid, mein Freund, wie ich glaube, so bitte ich Euch im Namen Gottes, diesen Brief gleich nach dem Orte und an die Person zu besorgen, an die er gerichtet ist; es ist ein gutes Werk, womit Ihr dem Herrn des Himmels einen Dienst erweiset, damit Ihr es aber bequem tun könnt, so nehmt das, was in dem Tuche ist. Und wie sie dies gesagt hatte, warf sie mir aus dem Fenster ein Schnupftuch herab, in dem hundert Realen eingebunden waren und dieser goldene Ring, den ich am Finger habe, samt diesem Briefe. Ohne meine Antwort abzuwarten, ging sie schnell vom Fenster zurück, doch sah sie vorher zu, ob ich den Brief und das Tuch nahm, worauf ich ihr durch Zeichen sagte, daß ich ihren Befehl ausführen würde. Da ich mich nun für die Mühe des Überbringens so reichlich bezahlt sah und aus der Überschrift erkannte, daß der Brief an Euch, mein Herr, gerichtet war, den ich sehr gut kenne, mich auch die Tränen der schönen Dame gerührt hatten, so nahm ich mir vor, das Geschäft keinem andern zu vertrauen und den Brief selbst zu überliefern; seitdem sind sechszehn Stunden verflossen, in welchen ich den Weg zurückgelegt habe, der, wie Ihr wißt, achtzehn Meilen beträgt. Indem der gute Mann dies erzählte, stand ich, von seinen Reden verwirrt, mit zitternden Füßen, daß ich mich kaum aufrechterhalten konnte. Ich erbrach den Brief und fand folgenden Inhalt: »Das Versprechen, welches Don Fernando Euch gab, Euren Vater zu bereden, mit dem meinigen zu sprechen, hat er zu seinem Besten, nicht aber zu Eurem Vorteile erfüllt. Wißt, daß er mich zur Gemahlin begehrt hat und mein Vater, von Don Fernandos Vorzügen vor Euch, wie er ihn ansieht, verleitet, nimmt die Sache so ernst, daß innerhalb zwei Tagen die Vermählung gefeiert werden soll, und zwar so verborgen und geheim, daß nur der Himmel und einige Leute aus dem Hause Zeugen sein werden. Was ich leide, könnt Ihr fühlen; wenn Ihr kommen wollt, so eilt; und ob ich Euch liebe oder nicht, soll der Erfolg zu erkennen geben. Gebe Gott, daß dies in Eure Hände fällt, ehe ich mich gezwungen sehe, die Meinigen mit dem zu verbinden, der so schlecht die versprochene Treue zu halten weiß.« Dies war der Inhalt des Briefes, der mich sogleich fort auf den Weg trieb, ohne Antwort oder Geld zu erwarten, denn ich sah nun wohl ein, daß nicht der Kauf der Pferde, sondern seines Vergnügens, den Don Fernando bewogen hatte, mich zu seinem Bruder zu schicken. Die Wut gegen Don Fernando sowie die Furcht, den Lohn zu verlieren, den ich mir durch so viele Jahre des Dienstes und der Liebe erworben hatte, gaben mir Flügel, denn ohne daß ich wußte wie, war ich schon am andern Tage um die Stunde an dem Orte, in der ich Lucinden zu sprechen pflegte. Heimlich ging ich hin und ließ mein Maultier in dem Hause des braven Mannes, der mir den Brief gebracht hatte; es fügte sich so glücklich, daß ich Lucinden gerade am Gitterfenster traf, dem Zeugen unserer Liebe. Lucinde sah mich gleich und ich sah sie, aber nicht so, wie wir uns hätten wiedersehen müssen. Wer aber in der Welt kann sich rühmen, das verwirrte Gemüt und den veränderlichen Sinn eines Weibes zu kennen und ergründet zu haben? Wahrlich keiner. Wie mich Lucinde erblickte, sagte sie: Cardenio, ich bin zur Hochzeit angezogen, im Saale warten schon der Verräter Don Fernando und mein geiziger Vater, nebst anderen Zeugen, die wohl Zeugen meines Todes, aber niemals meiner Vermählung sein sollen. Sei nicht in Sorgen, mein lieber Freund und suche bei diesem Opfer gegenwärtig zu sein, denn wenn meine Sinne Kraft behalten, so soll dieser Dolch, den ich hier verborgen habe, alle Gewalt entkräften, indem er mein Leben endigt und du anfängst, meine Liebe zu dir völlig zu erkennen. Ich antwortete in verwirrter Hast, weil ich fürchtete, gestört zu werden: Laß, Geliebte, deine Taten deine Worte wahr machen, führst du einen Dolch, um dich zu schützen, so führe ich ein Schwert, um dich zu verteidigen oder mich umzubringen, wenn uns das Glück entgegen ist. Ich glaube nicht, daß sie alles hören konnte, denn sie riefen sie schnell hinein, weil der Bräutigam wartete. Zugleich brach die Nacht meiner Traurigkeit herein, die Sonne meiner Freude ging unter, ohne Sehkraft, ohne Bewußtsein blieb ich zurück. Ich vergaß in das Haus zu gehen, ich hatte jede Bewegung verlernt; doch fiel mir ein, wie nötig meine Gegenwart bei irgendeinem Zufalle sein könne, ich ermunterte mich daher, so gut ich konnte, ich ging in das Haus hinein, und weil ich alle Aus- und Eingänge kannte, noch mehr mich aber der Tumult begünstigte, gelang es mir, von niemand gesehen zu werden. Ohne bemerkt zu werden, begab ich mich in die Ausbeugung eines Fensters, wo ich von herabhängenden Teppichen so verdeckt wurde, daß ich ungesehen alles sehen konnte. Wie soll ich die Empfindungen schildern, die in diesen Augenblicken mein Herz bestürmten! die Gedanken, mit denen ich kämpfte! die Überlegungen, die ich anstellte! so viele und von solcher Art drängten sich mir auf, daß ich sie weder sagen kann noch mag. Der Bräutigam trat endlich ohne weiteren Schmuck in den Saal, denn er trug seine gewöhnlichen Kleider. Als Zeuge kam ein Verwandter Lucindens mit ihm und weiter war niemand im Saale zugegen, als Diener des Hauses. Bald darauf erschien Lucinde aus einem Nebenzimmer, von ihrer Mutter und zwei Mädchen begleitet; ihre Kleidung war so schön und reich, wie es ihr Stand und ihre Schönheit verdienten und so schön, als sich der Putz mit edler Pracht gepaart erweisen kann. Meine Angst und Verwirrung ließen es nicht zu, ihren Anzug genauer zu betrachten, ich merkte nur die Farben Rot und Weiß und den Glanz der Edelgesteine, die auf dem Kopfe schimmerten, wie auf ihrem ganzen Kleide, wodurch die seltene Schönheit ihrer glänzenden goldenen Haare noch erhöht wurde, so daß sie mit den funkelnden Steinen und dem Schimmer von vier großen Lichtern, die im Saale waren, wetteiferten und ihr Schimmer dennoch den Augen heller dünkte. O du Gedächtnis, Todfeind meiner Ruhe! Wozu nützt es, mir noch jetzt die unvergleichliche Schönheit meiner angebeteten Feindin vorzustellen? Wär' es, grausames Gedächtnis, nicht besser, daß du mir vorstelltest, was ich damals tat, damit ich von so unendlicher Beleidigung empöret, wenn mir nicht Rache schaffe, doch mindestens dies Leben verliere? -- Laßt es euch, meine Herren, nicht verdrießen, diese Ausschweifungen mit anzuhören, denn meine Leiden scheinen mir so groß, daß ich sie nicht kürzlich und in wenigen Worten erzählen kann, denn jeder Umstand erfordert in meinen Augen eine lange Rede.« Der Pfarrer antwortete, daß es ihnen so wenig verdrießlich fiele, ihn anzuhören, daß diese genauern Umstände ihnen vielmehr sehr angenehm wären, denn sie schienen auch ihnen so wichtig, daß man sie nicht mit Stillschweigen übergehen, sondern ihnen ebenso viele Aufmerksamkeit als den Hauptbegebenheiten schenken müsse. »Indem ich also im Saale wartete,« fuhr Cardenio fort, »trat der Pfarrer des Kirchspiels herein, faßte die beiden bei der Hand, um die nötige Zeremonie vorzunehmen, indem er sagte: Wollt Ihr, Fräulein Lucinde, diesen hier gegenwärtigen Don Fernando zu Eurem rechtmäßigen Gemahl, wie es die heilige Mutter Kirche befiehlt? Ich stürzte mit Kopf und Hals hinter den Teppichen hervor, ich hörte mit der gespanntesten Aufmerksamkeit und mit verwirrter Seele, um Lucindens Antwort zu vernehmen, das Urteil meines Todes oder die Bestätigung meines Lebens! O wär' ich doch damals hervorgebrochen und hätte laut gerufen: Lucinde! Lucinde! bedenke, was du tust, erwäge, was du mir schuldig bist, bedenke, daß du die Meine bist, und daß du keinem andern angehören darfst! Glaube mir, daß dein Ja und das Ende meines Lebens ein und dasselbe ist. Ha! Verräter Don Fernando! du Räuber meines Glücks, du Tod meines Lebens! Was willst du? Was verlangst du? Erwäge, daß du als Christ nicht das Ziel deiner Wünsche erlangen kannst, denn Lucinde ist meine Gattin und ich bin ihr Gemahl! O ich Tor! jetzt abwesend und fern von der Gefahr, jetzt erzähl' ich, was ich damals hätte tun sollen und nicht tat! Jetzt, nachdem mir mein köstliches Gut geraubt ist, verwünsche ich den Räuber, an dem ich mich rächen konnte, hätte ich ein Herz im Busen gefühlt, wie ich es jetzt fühle, Klagen auszustoßen: nun gut, ich war damals ein Feiger und Nichtswürdiger, so ist es auch nicht zuviel, wenn ich jetzt sterbe, als Landstreicher, in Reue und Wahnsinn. -- Der Priester erwartete Lucindens Antwort, die lange zögerte, und als ich nun glaubte, daß sie den Dolch ziehen würde, sich zu verteidigen, oder daß sie reden würde, um die Wahrheit zu bekennen und sie alle zu meinem Besten zu enttäuschen, da hörte ich, daß sie mit schwacher und ohnmächtiger Stimme sagte: Ja; das nämliche sagte Don Fernando, die Ringe wurden gewechselt, das unauflösliche Band war geknüpft. Der Bräutigam wollte seine Braut umarmen, aber sie fuhr mit der Hand nach dem Herzen und sank ohnmächtig in die Arme ihrer Mutter. Als ich das Ja von ihren Lippen vernommen hatte und nun meine Hoffnungen getäuscht sah, die Worte und Versprechungen Lucindens falsch fand und die Möglichkeit fühlte, in irgendeiner Zeit das Gut wiederzugewinnen, das ich in diesem Augenblicke verloren hatte; da verließ mich jeder Gedanke, mir war's, als würde der Himmel mir abtrünnig, als trüge die Erde mich nur als ihren Feind, als verweigerte die Luft meinen Seufzern Nahrung und das Wasser meinen Tränen Unterhalt: nur das Feuer blieb mir zurück, so daß ich vor Wut und Eifersucht mich an allen Adern brennen fühlte. Alle waren durch Lucindens Ohnmacht verwirrt; die Mutter öffnete ihren Busen, um ihr Luft zu machen und fand ein zusammengelegtes Papier, welches Don Fernando sogleich ergriff und es bei dem Scheine eines Lichtes las; sowie er geendigt hatte, sank er in einen Stuhl und stützte den Kopf in die Hand, wie ein Mensch, in Gedanken versunken, ohne den übrigen zu helfen, seine Braut ins Leben zurückzurufen. Da ich so alle Leute des Hauses im Tumulte sah, beschloß ich, fortzugehen, unbekümmert, ob man mich sehen möchte oder nicht, mit dem Vorsatze, im Fall man mich erblickte, ein Unheil anzurichten, daß die ganze Welt den gerechten Zorn meiner Brust in Bestrafung des falschen Fernando erführe, sowie den Wankelmut der ohnmächtigen Verräterin. Aber mein Schicksal, welches mich für größere Übel aufbewahrt hat, wenn es größere gibt, führte es so, daß ich in diesem Augenblicke meine Vernunft fand, die mich seitdem wieder verlassen hat. Ohne also an meinem ärgsten Feinde Rache zu nehmen, wie ich leicht gekonnt hätte, wär' ich nicht von allen Gedanken verlassen worden, beschloß ich, die Strafe, die sie verdienten, an mir selber auszuüben. Ich war also grausamer gegen mich, wie ich gegen sie gewesen wäre, wenn ich sie auch ermordet hätte, denn dessen Qual ist bald vorüber, der schnell stirbt, wer aber in Martern hinschmachtet, ermordet sich unaufhörlich, ohne sein Leben zu beschließen. Ich ging aus dem Hause, dahin, wo mein Maultier stand; ich ließ es satteln, stieg, ohne Abschied zu nehmen, auf und ritt aus der Stadt, ohne es, wie ein zweiter Lot, zu wagen, die Augen rückwärts zu wenden. Als ich mich auf dem einsamen Felde sah, die Dunkelheit der Nacht mich verdeckte und ihre Stille zum Klagen einlud, da erhob ich laut ein Geschrei, unbekümmert, ob mich einer hörte oder erkannte; mit tausend Flüchen begleitete ich die Namen Lucinde und Don Fernando, als wenn sie dadurch das Unrecht büßten, das sie an mir verübt hatten. Ich nannte sie grausam, undankbar, falsch und nichtswürdig, vorzüglich aber habsüchtig, weil sie von den Reichtümern meines Feindes geblendet, mich verlassen und sich dem ergeben hatte, dem das Glück mit mehr Freigebigkeit entgegenging. In dem Tumult dieser Flüche und Schmähungen entschuldigte ich sie dann wieder, sie sei ein Kind, streng im Hause der Eltern erzogen, gewöhnt, diesen zu gehorchen, sie konnte nicht widersprechen, da ihr diese einen reichen, schönen und vornehmen Mann gaben, ohne den Argwohn zu erregen, daß sie unbesonnen handle oder ihr Wille schon gebunden sei, welches ihrem guten Namen und ihrer Ehre so nachteilig war. Dann sagte ich wieder, wie sie nur hätte bekennen dürfen, daß ich ihr Gemahl sei, so hätten sie gesehen, daß ihre Wahl nicht unanständig gewesen, denn vor Don Fernandos Bewerbung konnten sie selbst keinen besseren Gatten für ihre Tochter wünschen; ehe sie aber der äußersten Gewalt nachgegeben hätte und die Hand gereicht, hätte sie sagen können, sie habe sie mir schon gegeben, daß ich kommen und alles das bestätigen werde, was sie so gut gefunden hätte, zu erdichten. Ich ward endlich überzeugt, daß wenig Liebe, wenig Vernunft und viel Ehrgeiz und Streben nach Größe sie dahin gebracht hätten, das Versprechen zu vergessen, womit sie mich getäuscht und in meiner festen Hoffnung und meinen tugendhaften Wünschen hingehalten hatte. So schreiend und in dieser Verwirrung reiste ich die ganze Nacht hindurch, mit Anbruch des Tages fand ich mich am Eingange dieses Gebirges, in dem ich wieder drei Tage ohne Weg und Steg herumirrte, bis ich endlich auf Wiesen kam, die, ich weiß nicht nach welcher Seite dieser Berge liegen, und etliche Schäfer nach der wildesten Gegend des Gebirges fragte. Sie wiesen mir diese Gegend nach und sogleich begab ich mich mit dem Entschlusse hierher, hier mein Leben zu endigen. Wie ich in die Gegend dieser Wildnis kam, fiel mein Maultier vor Ermüdung und Hunger tot nieder, oder, wie ich eher glaube, um eine so unnütze Last, wie ich war, abzuwerfen. Ich war zu Fuß, von der Natur überwältigt, vom Hunger gemartert, ohne mir die Mühe zu geben, die Befriedigung meiner Bedürfnisse zu suchen. So lag ich, ich weiß nicht wie lange, auf der Erde, worauf ich, ohne Hunger zu fühlen, mich aufhob und mich bei einigen Ziegenhirten fand, die mir wohl mußten beigestanden haben, denn sie erzählten mir, wie sie mich angetroffen hätten, und daß ich so vielen Unsinn und mancherlei Tollheiten gesagt, daß sie wohl eingesehen, wie ich den Verstand verloren habe. Ich habe es auch seitdem selbst empfunden, daß er nicht immer hinreichend stark ist, sondern oft so schwach und dünn, daß ich tausend Torheiten begehe, mir die Kleider zerreiße, durch die Einsamkeit schreie, mein Schicksal verfluche und vergeblich den geliebten Namen meiner Feindin wiederhole, meine Absicht ist dann, mir mit diesem Geschrei das Leben zu nehmen, und wenn ich dann wieder zur Besinnung komme, fühle ich mich so matt und erschöpft, daß ich mich kaum regen kann. Mein gewöhnlicher Aufenthalt ist die Höhlung eines geräumigen Korkbaumes, in dem ich diesen elenden Körper verberge. Die Ochsentreiber und Ziegenhirten, die in diesen Bergen streifen, legen mir, aus Mitleid bewegt, im Wege und auf den Felsen Nahrung hin, wo sie meinen, daß ich vorübergehe und sie finden werde, und ob ich gleich dann nicht Besinnung habe, so treibt mich doch der Instinkt der Natur, meine Nahrung zu suchen, und erweckt in mir die Begierde, sie zu nehmen und sie zu verzehren. Oft, sagen sie, wenn sie mir im Wahnsinne begegnen, falle ich sie auf den Wegen an und nehme ihnen mit Gewalt, so gern sie's mir auch aus gutem Willen geben, wenn die Schäfer aus dem Dorfe nach den Hütungen gehen. So lebe ich dies elende, unglückselige Leben, bis es dem Himmel gefallen wird, es zu beschließen, oder mein Gedächtnis so zu ändern, daß ich nicht mehr der Schönheit und des Verrats Lucindens, sowie Don Fernandos Schändlichkeiten gedenke, geschieht das vor meinem Tode, so will ich meine Gedanken anders richten, wo nicht, so bitte ich ihn nur darum, daß er meiner Seele gnädig sein möge, denn in mir selber fühle ich nicht Kraft und Stärke genug, meinen Körper aus diesem Elend zu reißen, in das ich mich freiwillig gestürzt habe. Dies, meine Herren, ist die trübselige Geschichte meiner Leiden, sagt mir nun, ob ich weniger empfinden kann als wie ihr an mir gesehen habt? Gebt euch darum keine Mühe, mir mit vernünftigem Rate beizustehen, er kann mir so wenig nützen, wie die Arznei eines geschickten Arztes dem Kranken, der sie nicht einnehmen will. Ich will keine Wohlfahrt ohne Lucinden, und da sie einen andern erwählt hat, indem sie die Meine war oder sein sollte, wähle ich mir nun das Unglück, da ich sonst hätte glücklich sein können. Sie machte durch ihren Wankelmut mein Verderben beständig, ich will mich selbst verderben und dadurch ihren Willen erfüllen; ich bin für die Zukunft ein Beispiel, wie mir allein das fehlte, was sonst allen Elenden bleibt, die sich immer damit trösten, daß ihre Leiden nicht ewig dauern, und darum leide ich um so grössere Marter, weil ich glaube, daß sie sich nicht mit dem Tod endigen werden.« Hier beschloß Cardenio seine lange Rede und die Geschichte seiner unglücklichen Liebe, und indem ihm der Pfarrer etwas Tröstliches sagen wollte, unterbrach ihn eine Stimme, die er vernahm, und sie alle hörten in traurigen Akzenten das, was der vierte Teil dieser Erzählung sagen wird, denn hier beschließt den dritten der weise und genaue Geschichtschreiber Cide Hamete Benengeli. *** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK LEBEN UND TATEN DES SCHARFSINNIGEN EDLEN DON QUIJOTE VON LA MANCHA, ERSTER BAND *** Updated editions will replace the previous one—the old editions will be renamed. 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