The Project Gutenberg eBook of Simplicianische Schriften, Erster Theil (von 2) This ebook is for the use of anyone anywhere in the United States and most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this ebook or online at www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you will have to check the laws of the country where you are located before using this eBook. Title: Simplicianische Schriften, Erster Theil (von 2) Author: Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen Editor: Julius Tittmann Release date: September 15, 2016 [eBook #53054] Most recently updated: October 23, 2024 Language: German Credits: Produced by Jana Srna, Matthias Grammel, Norbert H. Langkau and the Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net (This book was produced from scanned images of public domain material from the Google Books project.) *** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK SIMPLICIANISCHE SCHRIFTEN, ERSTER THEIL (VON 2) *** Deutsche Dichter des siebzehnten Jahrhunderts. =Mit Einleitungen und Anmerkungen.= Herausgegeben von Karl Goedeke und Julius Tittmann. Zehnter Band. Grimmelshausen's Simplicianische Schriften. =Erster Theil.= [Illustration: Signet] Leipzig: F. A. Brockhaus. 1877. Simplicianische Schriften. Von Hans Jacob Christoph von Grimmelshausen. Herausgegeben von Julius Tittmann. Erster Theil. Trutz Simplex. -- Der seltzame Springinsfeld. Anhang: Der erste Bärnhäuter. -- Gaukel-Tasche. [Illustration: Signet] Leipzig: F. A. Brockhaus. 1877. Inhalt Die Simplicianischen Schriften. I. v Kurzer, doch ausführlicher Inhalt und Auszug der merkwürdigsten Sachen eines jeden Capitels dieser lust- und lehrreichen Lebensbeschreibung der Erzlandstörzerin und Zigeunerin Courage. 5 Das erste Capitel. 9 Das zweite Capitel. 12 Das dritte Capitel. 16 Das vierte Capitel. 20 Das fünfte Capitel. 23 Das sechste Capitel. 28 Das siebente Capitel. 32 Das achte Capitel. 35 Das neunte Capitel. 38 Das zehnte Capitel. 42 Das elfte Capitel. 46 Das zwölfte Capitel. 49 Das dreizehnte Capitel. 53 Das vierzehnte Capitel. 57 Das fünfzehnte Capitel. 62 Das sechzehnte Capitel. 67 Das siebzehnte Capitel. 71 Das achtzehnte Capitel. 76 Das neunzehnte Capitel. 81 Das zwanzigste Capitel. 87 Das einundzwanzigste Capitel. 89 Das zweiundzwanzigste Capitel. 93 Das dreiundzwanzigste Capitel. 98 Das vierundzwanzigste Capitel. 102 Das fünfundzwanzigste Capitel. 105 Das sechsundzwanzigste Capitel. 108 Das siebenundzwanzigste Capitel. 112 Das achtundzwanzigste Capitel. 115 Zugab des Autors. 119 Wahrhaftige Ursach und kurzgefaßter Inhalt dieses Tractätleins. 120 Der seltzame Springinsfeld. 121 Das erste Capitel. 127 Das zweite Capitel. 130 Das dritte Capitel. 135 Das vierte Capitel. 140 Das fünfte Capitel. 144 Das sechste Capitel. 149 Das siebente Capitel. 155 Das achte Capitel. 162 Das neunte Capitel. 166 Das zehnte Capitel. 172 Das elfte Capitel. 175 Das zwölfte Capitel. 181 Das dreizehnte Capitel. 186 Das vierzehnte Capitel. 191 Das fünfzehnte Capitel. 195 Das sechzehnte Capitel. 198 Das siebzehnte Capitel. 203 Das achtzehnte Capitel. 206 Das neunzehnte Capitel. 210 Das zwanzigste Capitel. 213 Das einundzwanzigste Capitel. 216 Das zweiundzwanzigste Capitel. 219 Das dreiundzwanzigste Capitel. 223 Das vierundzwanzigste Capitel. 227 Das fünfundzwanzigste Capitel. 231 Das sechsundzwanzigste Capitel. 234 Das siebenundzwanzigste Capitel. 240 Anhang. 243 Des ersten Bärnhäuters Bildnus. 246 Vom Ursprung des Namens Bärnhäuter. 247 Der Autor an den Käufer und sonst jedermann. 256 An die Umstehenden. 257 Die Geizigen und... 260 ...Mauschals betreffend. 261 Die Possenreißer und... 262 ...Schalksnarren betreffend. 263 Die Soldaten und... 264 ...Kriegsgurgeln betreffend. 265 Die Weinschläuch und... 266 ...Bierbrüder betreffend. 267 Die Courtisanen und... 268 ...Jungfernknechte betreffend. 269 Die Gaukler, Spitzbuben... 270 ...und Spieler betreffend. 271 Des Autoris poetische Erinnerung an den Leser. 272 Die Simplicianischen Schriften. I. Die wieder allgemeiner gewordene Theilnahme für Hans Jacob Christoph von Grimmelshausen und seinen biographischen Roman »Simplicissimus« gerade in dem Jahre, wo seit dem Ende seines reichen Dichterlebens zwei Jahrhunderte vergangen sind, ist an sich für den Kenner und Verehrer seiner Schriften eine erfreuliche Thatsache. Dieselbe beruht jedoch nur bei einem kleinen Theile der Lesewelt auf der Erkenntniß des vollen Werthes des vielgenannten Mannes; sie ist vielmehr durch eine besondere Veranlassung, man dürfte sagen, zufällig und gewaltsam geweckt worden. Darum scheint die Befürchtung nahe zu liegen, dieselbe werde bald und ohne Nachwirkung vorübergehen. Ueberdies ist die Bearbeitung des »Simplicissimus«, welche den ersten Anstoß zu dem Streite entgegenstehender Meinungen gegeben hat, leider nicht geeignet, ein genügendes oder gar nur ein wahres Bild von Grimmelshausen's schriftstellerischer Individualität zu geben. Darin aber liegt die Aufforderung an die Wissenschaft, das Recht zu wahren, das doch ein jeder hat: zu verlangen, daß seine Art, sein Wollen und Können unverkürzt und unentstellt zur Geltung gelange, namentlich wo so vielfach und nachdrücklich in der Oeffentlichkeit davon die Rede ist. Im »Simplicissimus« wird uns der Verlauf eines Menschenlebens vorgeführt, das in seinen allgemein gültigen Momenten immer verständlich bleibt, wenn auch der Entwickelungsgang desselben durch Zustände und Ereignisse bedingt wird, die der Gegenwart fremd erscheinen mögen. Diese Verhältnisse und Thatsachen gehören der Geschichte unseres Vaterlands an, die doch ein jeder, wenigstens ihren großen Zügen nach, kennen soll. Den meisten jedoch stellt sich gerade jener Zeitabschnitt nur in allgemeinen, dunkeln und unsichern Umrissen dar, die sich schwer mit ihren Localfarben, mit Schatten, Licht und Reflexen ausmalen lassen. Von Grimmelshausen's Hand aber besitzen wir ein nach dem Leben gemaltes, ausdruckvolles und farbenreiches Bild; das muß jeder empfinden, der überhaupt sehen kann und will. Aus der durch dieses Gemälde erleichterten Entgegenstellung des Sonst und Jetzt wird der eine dies, der andere jenes entnehmen, was ihm frommt, auch diejenigen, denen die Rede des Buchs hart klingt; vielleicht werden diese dabei auf den Gedanken kommen, daß ihre, überdies schlecht construirten Rückschraubungsmaschinen mindestens ohne Gewinn arbeiten, vielleicht sogar ihre Baumeister sammt der Bedienung schwer schädigen möchten. Der Herausgeber des soeben in zweiter Auflage erschienenen »Simplicissimus« erblickte in dem Gesagten die Aufforderung, das Seinige zu thun, um die volle Schätzung Grimmelshausen's in einem größern Leserkreise zu fördern, und entschloß sich zur Fortsetzung der Arbeiten für das Verständniß seiner Schriften durch die Aufnahme der beiden vorliegenden Bände in die Sammlung der »Deutschen Dichter des siebzehnten Jahrhunderts«. Dieselben schließen sich dem Hauptwerke unmittelbar an. Das innere Leben eines wahren Dichters ist eine kleine Welt für sich, ein geschlossener Kreis von Vorstellungen, Anschauungen und Empfindungen, in welchem alles zum harmonischen Abschluß gelangt ist; diese Harmonie durchdringt dann auch sein Schaffen und bedingt die Kunst der Darstellung bis auf ihr äußeres Mittel, die Sprache. In diesem Sinne ist auch Grimmelshausen ein wahrer Dichter; ich nehme keinen Anstand, dies hohe Lob auszusprechen. Für denjenigen freilich, der in eine bestimmte bedeutungsvolle Individualität sich hineingedacht hat, liegt die Gefahr einseitiger Ueberschätzung sehr nahe. Aber ich bin nach reiflicher Erwägung zu keinem andern Urtheil gelangt. Was für die gesammte Gattung der epischen Dichtung gilt, dem muß auch in der besondern Art derselben, dem Roman, derjenigen Form, in welche das eigentliche Epos in der neuern Zeit verlaufen mußte, im allgemeinen wenigstens, Geltung zukommen: daß die ideale Welt des Dichters, sein individuelles Geistesleben, mit dem thatsächlichen geistigen und sittlichen Inhalt gerade der realen Welt zusammenfalle, in der die geschilderten Ereignisse vorgehen, auf deren Boden die Charaktere erwachsen, die Handlung sich entwickelt. Wo hier ein Zwiespalt eintritt, da wird selbst die höchste formelle Kunst denselben nicht gänzlich ausgleichen; in die Auffassung und Darstellung wird die Reflexion sich einmischen, und möglicherweise werden sogar die Motive der Handlungen sich als künstliche Maschinerie erweisen. Diese Trennung zwischen einer vergangenen Zeit mit ihren Anschauungs- und Lebensformen und der Apperception des Dichters wird störend in der Dichtung selbst empfunden und läßt das Gefühl der Unbefriedigtheit zurück. Auf der andern Seite aber scheint in Bezug auf die Arbeit des Schaffens selbst eine Bedingung unerläßlich zu sein, sobald die Bühne, auf welcher die Handlung sich bewegt, der Wirklichkeit und der Gegenwart angehört, mehr noch da, wo das Thatsächliche der eigenen Persönlichkeit nahe tritt, =die= Bedingung, daß bei der Ausführung seines Werkes dem Dichter alles schon in eine gewisse Ferne gerückt und die durch subjective Theilnahme für Personen und Ereignisse gestörte Ruhe wiedergewonnen sei, denn nur einem ungetrübten Blick kann die klare Erfassung des Gegebenen und seiner Erfolge gelingen. Grimmelshausen wurde geboren, wuchs heran und lebte als Mann in der Zeit, die er schildert; sein eigenes Leben erscheint durch dieselbe so vollkommen bedingt, daß die Annahme fast mit Gewalt sich aufdrängt, er selbst sei der Held seines Hauptwerkes, obgleich das biographische Material noch fehlt, diese Identität auch nur in den wichtigsten Punkten festzustellen, und seine schriftstellerische Thätigkeit fällt erst gegen das Ende seines Lebens, wo der große Kampf, in dessen Mitte er die Leser versetzt, ausgekämpft war, wenngleich seine Heftigkeit noch in schmerzhaften Nachzuckungen sich fühlbar machte. Das, was wir die innere Welt des Dichters genannt haben, deren Ausbau die Einleitung zum »Simplicissimus« zu schildern versucht, in ihrem vollständigen Zusammenfallen mit der äußern Welt bildet die reale Grundlage einer Reihe von Schriften, die nach des Verfassers eigenem Ausdruck die »Simplicianischen« genannt werden. In ihnen bewegt sich alles innerhalb eines bestimmten Kreises; aber noch mehr, in der Mitte steht eine Hauptperson zu der die übrigen je nach ihren Charakteren in dauernde oder flüchtige Beziehung gesetzt sind. Er wollte auch, daß die Zusammengehörigkeit dieser Schriften, die er als die Hauptaufgabe seines eigentlichen Berufs betrachtete, neben denen seine übrige Schriftstellerei nur eine beiläufige und gelegentliche war, von seinen Lesern nicht übersehen werde. Er hat sich darüber kurz und bündig ausgesprochen, indem er die Reihefolge, die sich schon aus innern Gründen wie der Zeit der Entstehung nach ergibt, noch ausdrücklich feststellt. Dieser Zusammenhang zu einem größern Ganzen wird in nachstehender Weise vermittelt. Unter den Personen, mit denen Simplicissimus zu einer Zeit in Berührung kam, wo er einmal gute Tage hatte und der alte Leichtsinn sein Recht forderte, war auch eine vornehm auftretende Dame, die er im Sauerbrunnen zu Grießbach kennen lernte. Sie war schön und gewandt genug, ihn in einen Liebeshandel zu verwickeln, obgleich er gerechten Zweifel an ihrem Adel hegte und geneigt war, sie mehr für ~mobilis~ als ~nobilis~ zu halten. Ueberdies setzte sie ihm so übertrieben mit »liebreizenden Blicken und andern Bezeugungen ihrer brennenden Affection« zu, daß er sich vor sich selbst und in ihrer Seele schämen mußte. Deshalb suchte er sie bald wieder loszuwerden; die von ihr selbst erzählte »gute Manier«, mit welcher ihm dies gelang, war freilich ärgerlich und sehr wenig cavaliermäßig. Sie wurde zu aller Welt Spott und verließ so schnell, wie sie konnte, den Schauplatz ihrer Thaten. Nach der Abreise der Hochstaplerin überließ sich Simplicissimus ganz dem heitern Treiben des Badelebens. Aber bald schmerzlich berührt durch den Tod seines theuersten Freundes, des »Herzbruders«, begann er auf einsamen Gängen in den Bergen sich auf sich selbst zu besinnen und den Stand eines Kriegshelden gegen das Idyll des Lebens auf dem Lande mit gedeihlichem Ackerbau und vollem Viehstall abzuwägen; überdies verlangte sein Herz nach einem Aequivalent für verlorne Freundschaft. Das war die rechte Stimmung für die Hauptperson in einer Dorfgeschichte. Im schönen Renchthale beginnt die Einleitung unter Nachtigallengesang und am Ufer des rauschenden Wassers. Was die große Dame mit aller Kunst nicht zuwege gebracht, das gelang hier der einfachen Unschuld von Lande: sie warf dem Verliebten das Seil über die Hörner. Schön freilich müssen wir sie der Beschreibung nach nennen, die jugendfrische Dirne, die er mit ihrem Korbe am jenseitigen Ufer beschäftigt sah. Wenn sie mit ihren weißen Händen ihre weiche Butter im Wasser kühlte, so hatte sie dagegen mit ihren klaren schwarzen Augen sein ebenso weiches Herz in Brand gesetzt. Darauf geht alles seinen ordnungsmäßigen Gang: Gemüthszustand eines mit allen Thorheiten beladenen Phantasten, standhafte Weigerung -- der Weg zum Besitz geht natürlich nur durch die Kirche. Mittlerweile hatte Simplicissimus durch seine ersten Pflegeältern im Spessart die Beweise seiner adelichen Geburt erhalten, und er besaß Geld genug, eine reich ausgestattete Bauerwirthschaft zu gründen. Nun folgt die Hochzeit und der Anfang eines echten Junkerlebens, wozu die Frau trotz ihrer niedrigen Abkunft entschiedene Anlage besitzt. Sie trinkt gern und häufig den lieben Wein, und bald geht alles liederlich und rückwärts in Haus und Hof. Besonders denkwürdig aber war der Tag, an dem nicht bloß die junge Frau eines Knäbleins genaß, sondern auch die Magd, und wo zur selben Stunde ein drittes mit einem Brieflein von der Badebekanntschaft vor die Thür gelegt ward. Da wurde dem Ehemann doch bange, und es kam ihm vor, als müsse noch eins aus jedem Winkel hervorkriechen. Als ihm nun gar die Obrigkeit mit rechtschaffener Strafe ansah, hatte die Geschichte doch wenigstens das Gute, daß sie ihm das Umhertaumeln im Irrgarten der Liebe für immer verleidete. Spielte nun auch die Dame von Grießbach nur eine sehr kleine Rolle in dem Simplicianischen Lebensroman selbst, so war dieser Charakter doch interessant als Repräsentant einer Klasse von Weibern, die dem Soldatenleben jener Zeit eine eigenthümlichen Färbung gaben, jenen fahrenden Frauen, die den Heeren folgten. Einem solchen Leben konnte es an merkwürdigen Momenten in Scherz und Ernst nicht fehlen, die sich als interessantes Beiwerk für die detaillirte Ausmalung des Leitbildes verwerten ließen. Der Verfasser bedient sich dieses Charakters, um zunächst die Verbindung mit dem Werke in dem oben erörterten Sinne herzustellen und zugleich die Schilderung eines solchen verlornen Lebens daran zu knüpfen. Die Form ist geschickt gewählt. Die Landstreicherin erzählt, wie dies in der Natur der Picarischen Romane liegt, ihr Leben selbst. Der Zweck, den sie persönlich bei der Veröffentlichung verfolgt, liegt in der flüchtigen Beziehung zu Simplicissimus und ist ihr durch den Wunsch nach Rache eingegeben. Der Aufenthalt in Grießbach bezeichnet eigentlich das Ende ihres Großlebens, ja aller ihrer Erfolge. Von da ab will ihr kein Stern mehr leuchten. Der, den sie vielleicht mehr geliebt hatte als einen der begünstigten Männer, der sie sogar wenigstens äußerlich wieder hätte zu Ehren bringen können, war ihr aus dem Netz gegangen; daß er aber gar die fatale Geschichte aller Welt erzählt, schürte in ihrem Herzen einen Haß, den sie jahrelang mit sich umhertrug. Nun sollte aber zunächst Simplicissimus, dann jeder wissen -- denn an ihrer eigenen Reputation war ihr nicht das Geringste mehr gelegen --, wer sie eigentlich war, und was für einen Streich sie gegen ihn geführt, als sie ihm den Knaben ihrer Zofe unterschob, den er als seinen Sohn und Erben aufgezogen hatte. Die Schriftstellerei ist jedoch nicht ihre Sache; sie nimmt deshalb einen durch die Schule gelaufenen, brodlosen Schreiber gegen ein ansehnliches Honorar von ein paar Thalern und freie Station in Dienst, dem sie ihre Enthüllungen in die Feder dictirt. Nach der Veröffentlichung derselben hatte der Schreiber sich einst im Vorzimmer eines großen Herrn vergeblich um eine Stelle bemüht. Die strenge Kälte trieb ihn in eine Wirthsstube; dort findet er einen Gast sitzen, eine fremdartige, doch achtunggebietende Erscheinung: es ist der nun alt gewordene Simplicissimus; dann tritt ein bejahrter Stelzfuß herein, ein Spielmann mit der Geige, ein früherer Kamerad des Simplicissimus, einst ein anstelliger und tapferer Bursch, mit dem auch die Dame eine Zeitlang im Guten und Bösen verkehrt hatte, und bald folgt eine Erkennungsscene zwischen den beiden Kriegsgefährten. Der erste, von der Reise in fremde Länder, deren Hauptereigniß eine Robinsonade auf einer unbewohnten Insel der Südsee bildet, zurückgekehrt, wohnte als ehrsamer Landwirth in seiner Heimat am Spessart. Des andern Leben war auf die gewöhnliche Weise abgeschlossen worden, seine Rolle war ausgespielt. Der Schreiber erkennt natürlich die Urbilder der Personen, von denen er hatte berichten müssen, und bald kommt es zu unliebsamen Erörterungen; er erzählt, wie er zu der Autorschaft gekommen, und von dem Lohn, der ihm dafür geworden. Wir erfahren bei der Gelegenheit, daß dem alten Herrn durch das Buch der größte Dienst geschehen ist, denn die Erzählung läßt keinen Zweifel, daß der Knabe, der ihm untergeschoben werden sollte, wirklich der seinige, daß also der Zweck des Buchs verfehlt ist. Endlich, nachdem des Simplicissimus Pflegeältern, der »Knan« und die »Meuder«, sammt dem Sohn hinzugekommen, hat der Leser das Vergnügen, sich die ganze, übrigens sehr reputierlich auftretende Simplicianische Familie vorgestellt zu sehen. Die Gesellschaft bleibt den Tag über zusammen, und um die lange Winternacht zu kürzen, erzählt der alte Spielmann seine Lebensgeschichte. Simplicissimus beauftragt den Schreiber, auch diese niederzuschreiben und herauszugeben, damit die Welt erfahre, daß der junge Simplicius nicht von einer Landstreicherin abstamme. Wenn der Zusammenhang der beiden Erzählungen des vorliegenden Bandes mit dem Hauptwerke und unter sich ein ganz natürlicher ist, indem er in ansprechender Weise und durch dem Leser bekannte Personen vermittelt wird, so sind die beiden andern, der erste und zweite Theil des »Vogelnestes«, die freilich demselben ethischen Zwecke dienen, in einen künstlichen, nur mehr äußerlichen Zusammenhang gesetzt; nur schwache Fäden leiten zu beiden und von einer zur andern hinüber, die von einem wunderbaren Ereigniß im Leben des Stelzfußes ausgehen. Ueberdies wird der Leser aus den Kriegsunruhen in Gegenden des Friedens und in halbwegs geordnete Zustände geführt. Der abgedankte Soldat hatte sich eine Zeitlang mit einem Leiermädchen umhergetrieben. Der Zufall setzte sie in Besitz eines großen Schatzes, der ihrem Elend hätte ein Ende machen können, es ist ein zauberhaftes =Vogelnest=, das seinen Träger unsichtbar macht. Die Früchte des Fundes genießt die Leichtfertige allein, indem sie damit sofort verschwindet, um sich desselben zu Diebstahl und allerlei Unfug, endlich aber zu einem Liebesabenteuer zu bedienen. Mitten darin wird sie von dem Geschick erreicht und stirbt eines gewaltsamen Todes. Das kostbare Zaubermittel gelangt in die Hände eines jungen Mannes, der bei dem Ausgang des Abenteuers zugegen war. Seine Erlebnisse schildert die erste Abtheilung; als er endlich desselben überdrüssig geworden, wirft er das gefährliche Spielzeug von sich und sieht noch, wie es einem dritten zutheil wird. Auch dieser war schon beiläufig erwähnt worden; es ist ein Kaufmann, in dessen Hause die unsichtbare Landläuferin einen großen Diebstahl ausgeführt hatte, und der nun auf diese Weise zum Ersatz des verlornen Gutes und zur Befriedigung seiner Gelüste sich die Wege gebahnt sieht. Durch diese Verbindung wird auch die Reihefolge der einzelnen Schriften festgestellt. Nach der schon erwähnten Bemerkung Grimmelshausen's folgen auf die =sechs= Bücher des »Simplicissimus« -- wodurch also die Echtheit der sogenannten »Continuation« ausdrücklich anerkannt wird -- die übrigen in folgender Ordnung: »Trutz Simplex«, »Springinsfeld«, der erste und der zweite Theil des »Vogelnests«. Das Verhältniß dieser Schriften zu den spanischen Dichtern und den durch letztere angeregten ähnlichen Erscheinungen in der französischen Literatur ist in der Einleitung zum »Simplicissimus« erörtert worden. Für Grimmelshausen waren Diego Hurtado de Mendoza, Antonio Guevara, Mateo Aleman, Franz da Ubeda in deutschen Uebersetzungen zugänglich. Was etwa in Vergleichung gezogen werden kann, beruht auf innerlicher Verwandtschaft. Was dort in der Gesammtliteratur sich vollzog, das hat hier in dem reichen Geistesleben eines Einzelnen sich vollzogen. * * * * * Auch der »Trutz Simplex oder Ausführliche und wunderseltzame Lebensbeschreibung der Erzbetrügerin und Landstörzerin Courage«[1] ist nicht ohne Vorbild, wenn man es so nennen will. Ubeda's »~Picara Justina~« war durch eine Uebersetzung in Deutschland bekannt (Frankfurt 1626 -- 27.) Man könnte jedoch höchstens an eine formelle Anlehnung, aber man darf an keine Nachahmung, am wenigsten an eine bewußte Nachbildung denken. Zuvörderst verbietet das schon der Boden, auf dem der Deutsche seine Heldin Libuschka auftreten läßt. Was das Volksleben in Spanien begünstigte und als natürlich erscheinen läßt, wäre unter den gewöhnlichen Verhältnissen bei uns unmöglich gewesen. Der Krieg hatte hier die Möglichkeit erst geschaffen. Das junge böhmische Mädchen, körperlich und geistig reich ausgestattet, nicht schlecht erzogen und unterrichtet, wird in einem für die Bildung des Charakters gefährlichen Alter in das wilde Treiben des Soldatenlebens im Feld und in den Quartieren hineingestoßen. Es war dies »der erste Sprung in die Welt«, wie ihn ähnlich auch Simplicissimus gethan. Das verlorne Leben -- und hier tritt schon ein Unterschied gegen Simplicissimus, eher eine Aehnlichkeit mit Springinsfeld zu Tage -- entspricht jedoch durchaus ihren Neigungen. Der Spessarter Bauernknabe wird gegen seine eigentliche Neigung geworfen und getrieben; die Erkenntniß eines würdigen Lebenszieles geht ihm nie ganz verloren; die schlimmen Seiten seines Lebens sind von außen in ihn hineingebildet, und wo er mit vollkommenem Behagen und mit Lust sich gehen läßt, da sind die Triebfedern eben die edlern Regungen des männlichen Willens, der persönliche Muth, der Drang nach Auszeichnung und Ehre. Die Böhmin aber läßt sich nicht blos gehen, sondern verfolgt ihre Ziele, die eben nur in demjenigen liegen, was der Krieg und die Gesetzlosigkeit ihr persönlich eintragen können, mit der ganzen Energie ihrer Natur. Diese läßt sich mit wenigen Strichen zeichnen; in ihr sind alle schlimmen Eigenschaften verkörpert, welche die böse Welt überhaupt dem weiblichen Geschlecht nachzusagen pflegt: neben der maßlosesten Sinnlichkeit und einer wilden Sucht nach Aufregung, die sie persönlich in die Schlachten treibt, neben Neid und Habsucht auch nicht eine Andeutung von besserm und weicherm Gefühl, das sonst bei den verdorbensten Weibern noch hervorbricht; dafür eine rücksichtslose Härte, mit der sie alles ihren Zwecken dienstbar macht, und eine Elasticität, die nach den schwersten Schlägen wieder in die Höhe schnellt. Durch solche Eigenschaften gelingt es dem heillosen Weibe, eine hervorragende Stelle einzunehmen unter den Scharen von Dirnen, wie sie bei den Regimentern sich umhertrieben; mit diesen kommt sie jedoch persönlich kaum in Berührung. Jener verlorne Haufe rekrutierte sich zum Theil aus den »öffentlichen Frauen«, wie sie in den Städten, ehrlos freilich und unter strenger Aufsicht, meist des Nachrichters, geduldet wurden, zum Theil aber auch aus den vielen Unglücklichen, die außer Heimat und Familie die Ehre eingebüßt hatten. Ueber diese, die auch bei den Heeren unter der Zucht von besondern Waibeln standen, weiß sie sich zu erheben. Zu Anfang durfte sie sich zu den Offiziersfrauen rechnen, die nach damaliger Sitte nicht selten ihre Männer im Felde begleiteten. Als sie sich den Eintritt in ein höheres gesellschaftliches Leben eröffnet sah, fühlte sie wohl, daß es neben ihrer Schönheit und ihrem natürlichen Verstande doch einer besondern Vorbereitung für diese Kreise bedürfe. Es ist ein feiner Zug in der Darstellung Grimmelshausen's, daß er die junge Frau denjenigen Weg einschlagen läßt, welcher der bequemste und deswegen der gewöhnlichste war. In der für die höhern Stände zunächst berechneten Unterhaltungsliteratur hatte unter den eigentlichen Ritterromanen ein in den achtziger Jahren des 16. Jahrhunderts unmittelbar aus Frankreich importirtes, in deutscher Uebersetzung erschienenes Buch, der »Amadis aus Frankreich«, in der Gunst der Leser alle übrigen in den Schatten gestellt. Und in der That entsprach dasselbe, was seinen materiellen Gehalt betrifft, der leichtlebigen Oberflächlichkeit jener Gesellschaftsschichten ungleich besser als die alten, auf solidern Fundamenten aufgebauten Bücher, wie der »Fierabras«, die »Haimonskinder«, die »Magellone« oder der »Kaiser Octavianus«, die man gern dem Volke überließ. Jene endlosen Abenteuer nebst schlüpfrigen Liebesgeschichten, die freilich der Uebersetzer dadurch zu rechtfertigen sucht, daß denselben ja die nutzbare Lehre und Aufklärung über Welthändel und Regimente als Gegengift beigegeben werde, schmeichelten der innern Rohheit und den nobeln Passionen des Adels, der darin seine eigene, freilich zum guten Theil der Vergangenheit angehörige Herrlichkeit widergespiegelt sah. Vor allem aber war es die Form, die selbst besser gebildete Leser angezogen zu haben scheint. Die Vorrede der deutschen Ausgabe hatte dem Buche schon eine hervorragende Wichtigkeit »für die Polierung unserer Muttersprache« vindicirt. Eine heilsame Selbsterkenntniß scheint dann bemerkt zu haben, daß man hier lernen könne, die innere Rohheit unter äußerm Schliff zu verbergen, die Geistesarmuth mit buntem, entlehntem Flitterstaat zu bekleiden, die Inhaltslosigkeit der Gedanken und Empfindungen unter klingendem Wortschwall zu verhüllen. Der Einfall war nicht einmal neu und stammte aus derselben Bezugsquelle wie der Roman selbst, was natürlich demselben doppelten Werth verlieh. Schon war in Frankreich selbst ein Buch erschienen, das die Sache nicht allein für den Gebrauch merklich erleichterte, sondern auch die moralische Gefährlichkeit abschwächte, indem man alles Thatsächliche weggelassen hatte. Die im »Amadis« und seinen endlosen Ausspinnungen enthaltenen »besonders wohlgefälligen Reden, Briefe, Gespräche« hatte man zum Handgebrauch gesammelt; eine deutsche Uebersetzung erschien zuerst zu Straßburg 1597. Die Beliebtheit des Romans muß in der That außerordentlich gewesen sein; dies bekundet sich schon in der heftigen Reaction, die sich vorzugsweise in der neuen poetischen Richtung des Jahrhunderts aussprach. Auf das Urtheil des Chorführers am neudeutschen Parnassus ist nicht viel zu geben. Martin Opitz, der die »~Historia Amadaei~« mit überschwenglichen Lobpreisungen überschüttete, war, als er diese in seinem »Aristarchus« veröffentlichte, ein noch sehr jugendlicher Schriftsteller, der eben über die Schule hinaus war, und man erkennt hier unschwer eine Ueberschätzung des formellen Verdienstes. Ein solches kommt dem Buche und der Uebersetzung unzweifelhaft zu; das wurde auch von einzelnen Verständigen anerkannt, unter denen, abgesehen von Philipp von Zesen, auch Männer wie der Sprachforscher Schottelius und selbst noch ein Leibniz zu nennen sind. Die Reaction richtete sich vor allen Dingen gegen den materiellen Inhalt, den man ohne das directe Gegengewicht ausdrücklich betonter moralischer Tendenzen nicht gelten lassen wollte, dann gegen die Anachronismen, »die unchristlichen und närrischen Zauberpossen« u. s. w.; sie erblickte in solchen Dingen mit Recht eine die Phantasie mit inhaltslosen Träumereien erfüllende und die Sinne aufregende Lektüre. Philander von Sittewalt, der sittenstrenge Moscherosch, trägt kein Bedenken, dem Urheber solchen Unsinns neben andern Scribenten in der Hölle sein Quartier anzuweisen, und zwar in der reservierten Abtheilung der Procuratoren und Advocaten, »als Leuten, die in diesen Stücken vor andern wohl erfahren«. Logau bezeichnet die ganze Gattung, wie es kaum besser geschehen kann, durch die Bemerkung, sie schärfe die Zunge, aber stumpfe die Sinne; vor der dadurch erworbenen Klugheit habe die Keuschheit ein Grauen, nicht ohne Hinblick auf die alte gute Zeit, wo die Junker die Lieder vom »Tannenbaum« und »Lindenschmied« sangen und die Jungfern über Haus- und Landwirtschaft zu sprechen wußten, der modernen Heldenzeit gegenüber, die von Krieg und Mannesmuth =redet=, und wo die Damen ihren Beruf in der »Courtoisie« erblicken. Ja, der braunschweigische Superintendent Andreas Heinrich Buchholz trieb den Eifer so weit, daß er den Versuch machte, »das schandsüchtige Amadisbuch«, wie er es nannte, durch zwei dickleibige eigene Romane, den »Christlichen deutschen Großfürsten Hercules u.s.w.« (1659) und »den Christlichen königlichen Fürsten Herculiscus« (1665), die dem verhaßten Gegner an Umfang nichts nachgeben und sogar demselben in Bezug auf die Sprache viel verdanken, in der Gunst des Publikums zu verdrängen. Sie sollten den Leser zu einem heilsamern Geschmack hinüberziehen und nicht allein das »weltwallende«, sondern zugleich das »geisthimmlische« Gemüth erquicken und auf der Bahn der rechtschaffenen Gottseligkeit erhalten. Grimmelshausen wird den heiligen Zorn des Mannes belächelt haben wie die weitschweifige Art des Buches, das selbst so ziemlich an der Spitze der modernen Helden- und Liebesgeschichten steht. Er ist auch darin entschiedener Realist, daß er sich nicht in Declamationen ergeht, sondern einfach das Buch als Quelle der Bildung einer fahrenden Buhlerin in die Hand gibt, die damit dennoch nicht über die allgemeine Schwäche der Frauen im Gebrauch der Fremdwörter hinauskommt, und einen ungebildeten Landsknecht oder einen renommistischen Junker ihre Liebeswerbungen in Amadisischen Redewendungen anbringen läßt. Das Verhältniß zu Simplicissimus ist als durchgehendes Motiv für die Form der Darstellung in geschickter Weise benutzt. Die Benennung »Trutzsimplex« ist schon insofern bezeichnend, als dieselbe andeutet, die Lebensgeschichte der Landfahrerin stehe an Abenteuerlichkeit der ihres frühern Liebhabers ebenbürtig gegenüber, aber noch mehr, alles sei zum Aerger dieses Mannes geschrieben. Darum die häufigen Apostrophen an den Verhaßten, die Schadenfreude, mit der sie darauf aufmerksam macht, wie sie ihn angeführt, das Behagen, mit welchem sie erzählt, daß sie es war, die seinen Gefährten Springinsfeld in der Schule jeder Schlechtigkeit erzog, wie sie den verliebten jungen Mann endlich weggeworfen, nachdem sie ihn völlig beherrscht und ausgenutzt, und ihn in einem gewissen Anflug von Humor mit einem Danaergeschenk entlassen habe, das ihn, wie sie hoffte, noch schließlich um die ewige Seligkeit hätte bringen können. Wie die ganze Grundlage des kleinen Vagabundenromans eine historische ist, so wird auch die Heldin desselben persönlich in eine Art von geschichtlicher Beziehung gesetzt. Libuschka ist das Kind der Liebe eines hochgestellten Mannes[2], der einst der gewaltigste Herr von Böhmen gewesen war. Er gehörte zu der Zahl derer, die dem Racheact gegen »die Rebellen« zu Prag (im Juni 1621) entgangen waren. Dem Anfangsbuchstaben nach könnte man an den Grafen Matthias von Thurn denken, aber ich glaube, Grimmelshausen hat den Grafen Ernst von Mannsfeld im Sinne gehabt, auf den die Umstände zu passen scheinen. Er wurde schon 1618 »wegen eigenmächtiger Werbung, sonderlich wegen Belagerung und Einnahme der Stadt Pilsen in des Heiligen Römischen Reichs Acht verfallen« erklärt, »aus dem Frieden in Unfrieden gesetzt, und sein Leib, Hab und Gut jedermänniglich erlaubt« (Gottfried, Historische Chronik, ~II.~ 13). Diese Achtserklärung wurde 1622 wiederholt. Damals, als Courage durch einen schwedischen Offizier aus den Händen brutaler Soldaten gerettet wurde, befand sich Mannsfeld bei Bethlen Gabor in Ungarn; die Beziehungen dieses Fürsten zur Türkei und seine eigene Reise nach Konstantinopel, von wo er über Venedig nach England ging, um ein Hülfegesuch im Namen Bethlen's zu überbringen, mögen Veranlassung zu den Zeitungsgerüchten von seinem Uebertritt zum Islam gegeben haben. Die Aufzeichnungen der Landstörzerin beginnen mit dem ersten Act des Kriegsdramas, welches sich nach dem Tode des Kaisers Matthias, der dem Frieden mit den böhmischen Ständen nicht abgeneigt schien, auf dem Boden des Königreichs abspielte, zur Zeit als es dem jungen König Ferdinand, bei dessen Regierungsantritt alle Hoffnung auf Versöhnung aufgegeben wurde, eben gelungen war, seinen Freund und Studiengenossen zu Ingolstadt, Maximilian Emanuel von Baiern, für sich zu gewinnen, da nach der Wahl des Kurfürsten Friedrich von der Pfalz zum König von Böhmen seine Hausmacht zur Bekämpfung der evangelischen Union nicht mehr ausreichend erschien. Maximilian sammelte ein Heer bei Donauwörth. Indessen hatten diplomatische Unterhandlungen des gewandten Ferdinand, bei denen er das Gespenst des Calvinismus wirksam in Erscheinung treten ließ, den Erfolg gehabt, die Böhmen zu isolieren, was durch den Vertrag zu Ulm (3. Juli 1629) thatsächlich geschah. Maximilian ging sofort nach Oberösterreich, zwang die protestantischen Stände zur Huldigung, vereinigte sich mit dem kaiserlichen Heere unter Karl Bonaventura von Longueval, Grafen von Buquoi, in Unterösterreich und zwang so die böhmische Streitmacht, zum Schutz des Königreichs abzuziehen. Die festen Plätze in Niederösterreich wurden theils verlassen, theils von den Baiern und Kaiserlichen genommen. Als zuletzt auch die Belagerung des starken Drosendorf vor dem Anmarsch der siegreichen Armee aufgehoben werden mußte, wandten sich die Böhmen gegen Znaim nach Mähren; das kaiserliche Heer zog darauf nach Budweis, wo der Feldzugsplan festgestellt wurde (im September). Buquoi wollte zwar den Böhmen nach Mähren folgen, fügte sich aber der Ansicht daß es gerathener sei, direct auf Prag zu marschieren, und zwar noch vor Anbruch des Winters, der den Böhmen nur günstig sein konnte, um dem Feinde keine Zeit zu Verstärkungen und Befestigungsarbeiten zu lassen. Während der Baier sich gegen Wodnian an der Blanitz im Kreis Pissek wandte -- es ist also ein Irrthum Grimmelshausen's oder ein Druckfehler, wenn (Kap. ~II.~) statt dessen Budweis genannt wird --, zog Buquoi auf Pragatitsch, welches erst nach hartnäckiger Gegenwehr seiner Bewohner, und nachdem sich der Graf aus dem baierischen Lager durch Geschütz verstärkt hatte, im Sturm genommen wurde. Die erbitterten Truppen begannen nun die furchtbare »Kirchweih«, welche Libuschka, das junge »fürwitzige Ding«, aus der Stille des Hauses, in dem sie aufgewachsen, in den Strudel des Lebens hinauswarf. Es sind an diesem Tage in dem Städtchen, welches heute kaum 4000 Einwohner zählt, mehr als 1500 Menschen erschlagen worden. Es lag jetzt freilich in der Absicht der Kaiserlichen, auch Pilsen in ihre Gewalt zu bekommen, aber dieser Plan wurde damals noch nicht ausgeführt; also auch hier ist Grimmelshausen ungenau, denn erst 1621 ging die Stadt an Tilly verloren, der die Besatzung zum Theil durch Geld vermocht hatte, zu ihm überzugehen, während die übrigen mit Sack und Pack abzogen. Dagegen ist die Erwähnung einer Verwundung Buquoi's (S. 16) richtig; er erhielt in einem Gefecht bei Rakonitz (Ende October) gegen die Ungarn eine Schußwunde am Schenkel. Nach der Schlacht am Weißen Berge ging Maximilian nach Baiern zurück; den Fürsten von Lichtenstein hatte er zum Statthalter von Böhmen ernannt und ihm Tilly mit einem Theil der Armee beigegeben, während der Kurfürst von Sachsen zur Execution der Reichsacht in die Lausitz abzog. Buquoi dagegen wandte sich über Deutschbrod nach Mähren. Libuschka folgte mit ihrem Rittmeister seinen Fahnen. So kamen sie nach Iglau, waren zu Neujahr in Brünn, und darauf in Olmütz. Der weitere Marsch nach Ungarn im Frühling 1621 verlief anfangs glücklich, bis zur Belagerung von Neuhäusel, die dem tapfern General das Leben kostete. Als nun gar Bethlen Gabor's Vortrab heranrückte, sah das kaiserliche Heer sich zum Rückzuge genöthigt. Libuschka's Geliebter kam mit einer flüchtigen Abtheilung verwundet nach Preßburg, wo er starb. Die Belagerung der Stadt durch Bethlen mußte aufgegeben werden, was die Kaiserlichen hauptsächlich der von Grimmelshausen erwähnten Hülfe aus Mähren zu danken hatten. Bei Weidhausen in den Schanzen, welche damals der Mannsfelder den Baiern übergeben hatte, finden wir die junge Witwe mit einem andern Manne wieder. Der Graf hatte sich in gefährlicher Lage befunden, da Ritterschaft und Städte der Oberpfalz sich ergeben hatten. Er suchte sich durch eine List zu helfen, indem er den Schein annahm, als wolle er mit seinem Heere in kaiserliche Dienste treten; er war nach der Unterpfalz abgezogen und hatte erst hier die Maske fallen lassen, während wegen des glücklichen Ereignisses in Prag und andern Städten das Tedeum gesungen und die Glocken geläutet wurden. Libuschka war bei Mingelsheim und Wiesloch, wo die Baiern eine empfindliche Niederlage erlitten, unter Tilly bei Wimpfen gegen den Markgrafen von Durlach, bei Höchst gegen den tollen Braunschweiger Christian, lag mit vor Mannheim, welches im September 1622 accordierte, und verließ nach der Blokade von Frankenthal das Heer, während Tilly's Truppen Winterquartiere in der Wetterau bezogen. Der Lieutenant, der Libuschka schmählich verlassen, war indessen in der Schlacht bei Fleury gefallen. Es muß auffallen, daß Grimmelshausen hier geradezu dem spanischen Heere den Sieg zuschreibt, während derselbe doch mit größerm Recht von Mannsfeld und Herzog Christian in Anspruch genommen werden konnte. Die Auffassung Grimmelshausen's weist direct auf das »~Theatrum Europaeum~« als Quelle hin, wo ebenfalls Gonsalvo de Cordova als Sieger bezeichnet wird, obgleich der ausführliche Bericht über die Schlacht das Gegentheil ergibt. Aber der Dichter konnte ja unmöglich alles aus eigenen Erinnerungen schöpfen, und das genannte große Sammelwerk, welches seit 1664 herauskam, schien eine zuverlässige Quelle zu sein. Dagegen waren ihm die Ereignisse in Niedersachsen unter Tilly sehr genau bekannt. Wir wollen hier Einzelnes hervorheben, was nur wenigen Historikern von Fach bekannt sein dürfte und fast der Vermuthung Raum läßt, der Verfasser sei bei den erzählten Ereignissen persönlich zugegen gewesen. Wirklich schickte Wallenstein die Herzoge Georg von Lüneburg und Heinrich Julius von Sachsen-Lauenburg und die Obersten von Four, Hausmann und Cerbon dem Oberfeldherrn mit 7000 Mann zu Fuß und zu Pferd zu Hülfe. Courage kam ihrer Erzählung nach, wahrscheinlich mit diesen Truppen, bei den »Häusern Gleichen« in der Nähe von Göttingen, die damals dem Landgrafen von Hessen gehörten, zu den Tilly'schen, welche in jener Gegend übel hausten; namentlich hatte die als hessisches Lehn heimgefallene Herrschaft Plesse viel zu leiden. Im Frühling 1626 hatte hier das Regiment des Obersten Kronenberg Quartiere bezogen. Unter den Gleichen liegt ein zu jener Zeit hessisches Gut Wittmarshof, das Tilly zerstört hatte. Eine Compagnie des Herbersdorfer Regiments lag hier im Quartier. Der weitere Verlauf des Feldzugs ist, kurz gefaßt, folgender. Die Schlacht bei Lutter am Barenberge wurde am 17. August geschlagen. Nachdem seine Armee sich zu Wolfenbüttel einigermaßen erholt hatte, ließ der Dänenkönig sie jenseit der Unterelbe marschieren und verlegte sein Hauptquartier zuerst nach Buxtehude, von da nach Stade. Die im Bremischen gelegenen festen Plätze waren mittlerweile in die Hände der Kaiserlichen gefallen. Auf dem Landtage in Rendsburg versprachen nun die Stände, mit gesammter Hand die Gegenwehr zu ergreifen. Es folgte bald daraus die zu Ende des 11. Kapitels erwähnte Einnahme von Hoya, dessen Besatzung am 12. December, nachdem der erste Sturm abgeschlagen worden, capitulierte. Der König hatte es auch auf Verden abgesehen, mußte jedoch wegen der bei Hoya erlittenen Verluste diese Absicht aufgeben. Indessen war auch die Versöhnung des Herzogs Friedrich Ulrich von Braunschweig mit dem Kaiser zu Stande gekommen; der Widerstand in Niedersachsen war gebrochen, das dänische Heer über die Elbe bis nach Jütland gedrängt. Den Erlebnissen in Italien liegen folgende Thatsachen zu Grunde. Der Tod des Herzogs Vincenz Gonzaga von Mantua und Montserrat hatte zu ernstlichen Verwickelungen geführt. Durch den Fürsten war der nächste Agnat seines Hauses, der Herzog von Nevers, noch ausdrücklich durch Testament als Erbe eingesetzt worden. Die beiden Häuser von Habsburg erblickten darin eine Gefahr für ihren Einfluß in Italien zu Gunsten Frankreichs, das auch in der That dem legitimen Nachfolger seine Hülfe zusagte, und wünschten seinem Vetter aus der zweiten Gonzagischen Linie die Reichslehen zu verleihen, ein Plan, für den sich auch Savoyen erklärt hatte. Es wurde jedoch ein Vergleich geschlossen, durch den Frankreich dem Herzog von Savoyen einen Theil von Piemont restituirte und die begonnene Belagerung von Casale aufgehoben wurde. Doch schon im folgenden Jahre sagte sich Savoyen von dem Vergleich los. Die Spanier unter Spinola zogen wieder vor Casale, aber bei der kräftigen und geschickten Gegenwehr des Commandanten Tohras ohne Erfolg. Nun rückten auch die Oesterreicher unter Colalto, Gallas, Altringer ein. Mantua, seit dem November 1629 eingeschlossen, fiel im Juli des folgenden Jahres; die Kaiserlichen hatten ein Einverständniß in der Stadt unterhalten, so wurde es möglich, in der Nacht sich derselben auf Schiffen zu nähern, die Thore zu sprengen und die schwache Besatzung zu überwältigen. Die Folge war der Anfang von Unterhandlungen und der endliche Friedensschluß zu Chierasco, dessen Hauptbestimmung in der Anerkennung des Herzogs von Nevers bestand. Die Verhandlungen waren das Werk Mazarin's, der hier zuerst Gelegenheit fand, seine großen politischen Talente zu zeigen. In der letzten Zeit hatte die Pest Italien, namentlich Venedig, Mailand, Mantua schwer heimgesucht. Deshalb wurde nach Beendigung des Feldzugs die Heeresabtheilung, bei welcher Courage sich befand, in die kaiserlichen Erblande und zwar ins freie Feld an der Donau verlegt. Nach der Einnahme von Prag durch Wallenstein im Mai 1632, das seit November 1631 sich in den Händen der Sachsen unter Arnheim (Arnim) befunden hatte, lebte die Landfahrerin in dieser Stadt. Noch einmal verheirathet, begleitet sie ihren Mann wieder ins Feld bis zur Schlacht bei Nördlingen, die sie wieder zur Witwe macht, folgt darauf der Armee, auf dem Marsch gegen den Bodensee und nach Würtemberg, um sich in der Heimat ihres in Hoya gefallenen Hauptmanns, der sie zum Erben seiner liegenden Güter eingesetzt, häuslich niederzulassen. Nun geht es abwärts, die fatale Episode mit Simplicissimus und ihre Liederlichkeit bringen sie um Haus und Hof, und wir sehen sie wieder als Marketenderin bei den Weimarischen im armseligsten Aufzuge mit einem gemeinen Musketier umherziehend, bis zum Gefecht bei Herbsthausen, wo der baierische Generallieutenant von Mercy die Franzosen unter Turenne schlug. Sie geräth nun unter eine Zigeunerbande, die sie nach Böhmen begleitet, wo zu Anfang des Jahrs 1645 Torstenson eingerückt war. In diesem neuen Stande, der ihr auch in Friedenszeiten eine gewisse abenteuerliche Freiheit gewährte, findet das Leben der merkwürdigen Tochter Eva's einen anständigen Abschluß. In spätern Jahren sollte sie -- so erfahren wir aus einer der satirischen Schriften Grimmelshausen's -- den geliebten und gehaßten Simplicissimus noch einmal wiedersehen. In Grießbach, so erzählt das im Jahr 1672 erschienene »Rathstübel Plutonis oder Kunst reich zu werden«, hatte sich eine aus den verschiedensten Ständen zusammengesetzte Gesellschaft eingefunden. Einst unternahm man unter Führung eines vornehmen Touristen, eines »reisenden Landbeschauers«, einen Spaziergang in die Umgegend und stattete auch dem auf seinem Bauerhofe lebenden »weit berufenen« Simplicissimus einen Besuch ab. Hier beginnt ein Gespräch über das auf dem Titel genannte Thema, an dem auch der Knan und die Meuder theilnehmen. Da erscheint plötzlich die alte Courage auf ihrem Maulesel; Simplicissimus holt auch den alten Stelzfuß Springinsfeld herbei. Die Gesellschaft hat die Simplicianischen Schriften gelesen und kann nun die ehrenwerthe Sippschaft in der Nähe betrachten, und diese findet am Ende ihrer Tage Gelegenheit, in leidenschaftsloser Beurtheilung das Sonst und Jetzt zu erwägen. * * * * * Die Leser des »Simplicissimus« erinnern sich des jungen Kriegsmanns, mit dem der Jäger von Soest im westfälischen Feldzuge gute Kameradschaft geschlossen hatte. Sie werden ihre Erwartungen nicht zu hoch spannen, wenn sie in der zweiten Erzählung dieses Bandes die Geschichte seines Lebens: »Den seltzamen Springinsfeld«[3], zur Hand nehmen. Auch im »Trutzsimplex« ist ihm keine Rolle angewiesen, die ihn besonders interessant erscheinen ließe. Man muß den kleinen Roman nur im Zusammenhang des größern Ganzen, als Illustration einer eigenthümlichen Seite des Kriegslebens betrachten, in dieser Beziehung als einen Pendant zur »Landstörzerin Courage«. Springinsfeld ist der Repräsentant der gewöhnlichen Kriegsleute seiner Zeit, die eben nur Soldaten sind und weiter nichts, von der Art, wie das Geschick oder die Neigung sie zu Tausenden den Regimentern zuführte, wo manchem Fortuna hold war, die meisten aber ein frühes Grab auf grüner Heide fanden; auch darin ein Seitenstück zu Libuschka, daß beide, um sich durchzuschlagen, ihre natürlichen Gaben: Muth und Ausdauer, Kraft und Schönheit, Humor und Schlauheit, ihrem Geschlecht gemäß ausnutzen. Solche Leute waren den Führern willkommen; der frühere Seiltänzer und Gaukler war frisch und gewandt, unerschrocken und unbedenklich; sonst geistig nur mittelmäßig begabt, leichtsinnig und nur des nächsten Tages gedenkend, alles im geraden Gegensatz zu dem alten Kriegsgefährten, der gegen des Lebensende beider, als nach länger denn dreißig Jahren der Zufall sie zusammenführt, auf das schärfste hervortritt. Der Bauerknabe aus dem Spessart hatte redlich wider die Wellen des Stromes angekämpft und war endlich zu Land geschlagen; das Kind des Gauklers hatte sich treiben lassen, ohne nach Ruhe zu fragen, ja ohne dieselbe ertragen zu können, und mußte seinem guten Geschick danken, daß der alte Kamerad sich seiner erinnerte und ihn davor bewahrte, ein verfehltes Leben hinter dem Zaun oder besten Falls in einem Hospital zu enden. In dem Namen schon ist der ganze Charakter des Abenteurers, damals wie heute für jedermann verständlich, ausgesprochen, wenngleich Courage eine schalkhafte Geschichte erzählt, welche die Entstehung desselben auf eine besondere Veranlassung zurückführt. Er gehört zu der Zahl von Namen, die, alten volksthümlichen Benennungen von Elben und Kobolden entnommen, in Märchen und Sagen, vorzüglich aber in Hexenprocessen vorkommen. Dieser Ursprung ist auch darin erkennbar, daß die meisten derselben an Wald und Feld erinnern. So ist z. B. Zum-Wald-fliehen geradezu das Gegentheil von Spring-ins-Feld; andere sind: Hurlebusch, Hans vom Busch, Grünlaub, Grünewald, Grünedel mit einer Bedeutung, die sogar an die französischen ~noms de guerre~, wie ~Sautebuisson~, ~Jolibois~, ~Verdelet~ anklingt. Später wurden dieselben auf christliche Teufel übertragen und gingen als eigentliche Kriegsnamen, wo es galt den wahren Namen zu verstecken, auf Soldaten, Räuber und Landfahrer über. In pseudonymen Fehdeerklärungen, unter Droh- und Brandbriefen sind sie in Deutschland nicht selten. Ich glaube, in diesen leichthingeworfenen Schilderungen ist ein großer Theil eigener Erfahrungen und wirklich vorgefallener Geschichten aus dem Leben eines ehemaligen Kriegsgefährten Grimmelshausen's selbst niedergelegt, dessen Name in den Erinnerungen des gereiften und zur Ruhe gekommenen Mannes mit mancher Soldatengeschichte verknüpft war. Dafür sprechen auch die zahlreichen und genauen geschichtlichen Details, die kaum anderswoher als aus persönlichen Erlebnissen und eigener Beobachtung geschöpft sein können. Den meisten Lesern unserer Sammlung wird der Zusammenhang der rasch und ohne Ruhepunkte durch den alten Kriegsknecht erzählten Begebenheiten schwer verständlich sein; für diese sind die folgenden Bemerkungen bestimmt, nicht für den =Kenner= der Geschichte, der sich überall selbst zurecht finden wird; natürlich müssen wir auf vollkommene Klarstellung jeder Einzelheit verzichten. Springinsfeld's Soldatenlaufbahn beginnt unter Spinola in der Pfalz, er war bei der Belagerung von Frankenthal im October 1621 unter Gonsalvo de Cordova, und kam zu Tilly eben vor der unglücklichen Schlacht bei Wiesloch, dann bei Wimpfen und im Lohner Bruch bei Stadtlohn gegen Herzog Christian von Braunschweig. Nach Beendigung des dänischen Krieges ging er mit Libuschka nach Italien. Mit dem Obersten Johann Altringer (gefallen 1634 bei Landshut) kehrte er nach Deutschland zurück, diente in Niedersachsen und nahm an den Hauptereignissen, Schlachten und Belagerungen im Holsteinschen, in Thüringen und Hessen, eine Zeitlang auf schwedischer Seite, theil, nachdem er gefangen genommen; zog unter Pappenheim nach Westfalen, dann vor Hameln und gegen Banner bei Magdeburg. Mit Pappenheim's glücklichem Stern war er darauf wieder in Westfalen, darauf bei den Schanzen vor Mastricht gegen Bavadis und die Hessen, vor Wolfenbüttel und Hildesheim, bis er mit des Generals Scharen zu Wallenstein stieß. Nach der Schlacht bei Lützen, als in der Nacht darauf die kaiserliche Armee zunächst nach Leipzig und gleichsam flüchtig, obgleich von den Siegern unverfolgt, nach Böhmen marschirte, begann für unsern Abenteurer, der eben noch daran gedacht hatte, Offizier zu werden, eine trostlose Zeit. Er hatte alles, was er besaß, verloren und mußte, von den Altringerschen erkannt, wieder bei seinem alten Regiment eintreten, womit die lustige Freireuterschaft, die er eine Zeitlang geführt, ein Ende hatte. Er mußte nun bei Kempten und Memmingen und gegen den schwedischen Obersten Forbus als Dragoner dienen, und lag, nachdem das Regiment mit Wallenstein nach Schlesien gekommen war, an der Pest danieder. Als er wieder zu seinem Regiment kam, war das Trauerspiel zu Eger beendet; der junge König Ferdinand hatte selbst die Führung eines 60000 Mann starken Heers übernommen. Springinsfeld's weitere Erlebnisse bewegen sich in ziemlich bekannten Ereignissen; er kämpfte mit Altringer und Johann de Werth gegen die Schweden bei Landshut auf der Brücke, nach der Vereinigung mit dem Cardinal-Infanten Ferdinand bei Nördlingen. Inzwischen war das Bündniß mit Frankreich zu Stande gekommen. Der Heeresabtheilung Philipp von Mannsfeld's wurde durch Bernhard von Weimar scharf zugesetzt, und auch Springinsfeld's Regiment war bis auf einen kleinen Rest zusammengeschmolzen. In Westfalen von den Hessen gefangen, mußte er nun im Erzstift Köln gegen die Kaiserlichen dienen, half bei Kempten den Generalmajor Wilhelm Grafen von Lambboy aus dem Felde schlagen und gelangte, als die Franzosen unter dem Grafen Guebriant sich nach Frankreich zurückzogen, wieder zu seinem Regiment. So ging es in kleinen Gefechten weiter bis zur Affaire von Rottweil; besonders hier scheinen die erzählten Einzelheiten auf eigener Anschauung zu beruhen. Der geschichtliche Verlauf ist folgender. Die Weimarischen, in der Absicht, über die Donau in Baiern einzubrechen, hatten den Rhein überschritten und zogen über den Schwarzwald auf Rottweil; der Generalmajor Reinhold von Rosen rückte im November 1643 vor die feste Stadt Balingen, die er für unvertheidigt hielt, fand dieselbe aber von den Baiern schon besetzt und verlegte seine 1200 Reiter in das naheliegende Dorf Geislingen. Davon hatte aber der General Spork durch einen Bauern Nachricht erhalten und führte nur mit 520 Pferden einen nächtlichen Ueberfall aus, der so glänzend gelang, daß die feindliche Reiterei größtentheils niedergehauen, 200 Mann mit einer Anzahl höherer Offiziere gefangen wurden, und Rosen selbst nur mit wenigen Leuten auf ein benachbartes Schloß entkam. Um diesseit des Rheins einen festen Punkt für ihre Operationen zu haben, machten dann Guebriant und Ranzow den Versuch, Rottweil zu nehmen; dies gelang erst nach tapferster Gegenwehr und nach der tödtlichen Verwundung des französischen Generals durch Capitulation. Da jedoch die Gegend wegen Mangels an Fourrage für Winterquartiere sich als ungeeignet erwies, entschloß man sich, in die Landstrecken von Müllen bis Donaueschingen einzurücken. Die Stäbe mit allem Geschütz und zwei Regimentern zu Fuß kamen in Tuttlingen zu liegen; die übrigen unter Ranzow und Rosen erhielten ihren Stand in der Umgegend. Nun hatten die Kaiserlichen und Bairischen unter dem Herzog von Lothringen, Melchior von Hatzfeld und Franz von Mercy die Donau überschritten und erfuhren hier die Stellung des Feindes. Der Reitergeneral Johann von Werth führte den Vortrab; durch Wälder und Engpässe ging der Marsch direct auf die Stadt, wo das Heer, wegen heftigen Schneewetters unbemerkt, am 23. November a. St. 1643 anlangte. Die Ehre des ersten Angriffs wurde dem Regiment des kurbairischen Obersten Johann Wolff zutheil, zu dem Springinsfeld gehörte; derselbe erfolgte auf das weimarische Geschütz bei der Kirche unter dem Schloß Homburg so rasch, daß das Hauptquartier den Verlust erst bemerkte, als die Wolffischen die eroberten Stücke gegen die Stadt kehrten; auch das Schloß war bald genommen. Reinhold von Rosen zeigte sich zwar abends vor Tuttlingen, zog sich aber bald zurück, verfolgt von dem Oberstwachtmeister Caspar von Mercy (gefallen bei dem Angriff der französischen Armee auf die bairischen Schanzen vor Freiburg im Juli 1644); dieser vernichtete drei Brigaden Fußvolk, während Johann von Werth die feindliche Reiterei bei Müllen verjagte; bald befand sich die gesammte schwedische Armee sammt den Franzosen in voller Flucht, und das Hauptquartier mußte sich auf Gnade und Ungnade ergeben. Rosen, durch die Besatzung von Rottweil verstärkt, ging durch das Kinziger Thal bei Neuenburg über den Rhein nach dem Elsaß; ein Theil des geschlagenen Heeres war in die Schweiz entkommen. Dies war die sogenannte »Tuttlinger Kirchmeß«, die den Schweden mehr als dreißig Regimenter kostete. Kaum weniger heftig waren die Kämpfe des folgenden Sommers 1644. Ueberlingen ergab sich im Mai. Im Juli beginnt die Belagerung von Freiburg durch die Baiern. In den Gefechten vor der Stadt begegnen wir auch Rosen wieder und dem Obersten von Kürnreuter (Kürnrieder), den Springinsfeld den »Kürbereuter« nennt. Nach dreizehn Stürmen ging die Stadt an Mercy über. Die unter dem Herzog von Enghien und Turenne, die zum Entsatz zu spät kamen, um die Schanzen geführten Gefechte waren so blutig, daß Johann de Werth eines ähnlichen Kampfes sich nicht erinnerte; besonders heiß ging es den 4. August am Burghalder Berg her. Nach der Besetzung Freiburgs ging es gegen Villingen, darauf ins Würtembergische und die Unterpfalz. Springinsfeld war mit bei Mannheim, wo Rosen sich mit 300 Mann befand, und half die Stadt mit Sturm nehmen. Rosen selbst entkam mit wenigen Leuten in einem Nachen über den Rhein, die übrigen wurden niedergemacht. Darauf mußte Höchst accordiren. Mercy und de Werth hatten sich nach der Bergstraße gewandt; hier wurde das Städtchen Bensheim, nachdem Bresche geschossen und die Mauern auf Leitern erstiegen, im Sturm genommen. Bei dieser Gelegenheit fiel der Oberst Wolff, als er abends mit einer Fackel gegen das Thor lief, durch einen Schuß aus der Stadt. Springinsfeld deutet nur kurz an, wie dort gehaust wurde; alles, was Waffen trug, wurde niedergemacht. Wahrscheinlich war Springinsfeld's Regiment dabei besonders thätig; er verschweigt, daß dasselbe zusammen mit dem Sporkeschen die Stadt Wiesbaden erstiegen, alles rein ausgeplündert, viele Bürger erschlagen, selbst die Frauen und Mädchen nicht verschont und, wie das »~Theatrum Europaeum~« sich ausdrückt, »eine unerhörte Schande getrieben hatte«. Weinheim war besser davongekommen, indem es sich auf Discretion ergab, wobei die Offiziere gefangen genommen, die Soldaten aber unter ein junges Regiment, das Kolbische, gesteckt wurden. Die ferner nur beiläufig erwähnte Belagerung und Uebergabe des festen Schlosses Nagold, dessen Besatzung aus Franzosen bestand, an den bairischen Feldzeugmeister Baron von Rauschenberg erfolgte erst am 8. December 1645. Die Begebenheiten, mit denen das folgende Jahr beginnt, sind verständlich erzählt. Der von Springinsfeld erwähnte Geleen oder Gleen (Gottfried) war in Baiern bis zum Feldmarschall gestiegen, darauf in kaiserliche Dienste getreten und in den Grafenstand erhoben worden. In der Schlacht bei Allerheim wurde der linke Flügel unter dem Marschall Grammont geschlagen, während der rechte, von Turenne persönlich geführt, einen vollständigen Sieg davontrug, wobei die Baiern vierzig Fahnen verloren (3. August n. St.). Vielleicht dieses Unglücks wegen geht Grimmelshausen leicht darüber hin. Hier fiel Mercy, Geleen gerieth mit mehreren höhern Offizieren in französische Gefangenschaft, wurde jedoch bald wieder entlassen und übernahm das Commando für den gefallenen General. In den October 1646 fällt die erfolglose Belagerung der Stadt Augsburg durch die Schweden unter Wrangel. Auf besondern Befehl des Kurfürsten war kurz vorher der Oberst Franz Royer oder Rouyer mit seinem Regiment mitten durch die Schweden in der Stadt angelangt; er ist derselbe, an den Weinheim überging; er war, bei Allerheim gefangen, wieder freigegeben und wird nun als Stadtcommandant von Augsburg genannt. Als die kaiserlich-kurfürstliche Armee zum Entsatz anrückte, sahen sich die Schweden zum Abzug gezwungen; in den Gefechten vor der Stadt fand »der junge Kolb« besonders Gelegenheit sich auszuzeichnen. Royer blieb in Augsburg bis zum bairischen Armistitium, welches am 6. März 1647 mit Schweden und Frankreich abgeschlossen, aber bekanntlich am 14. September schon gekündigt wurde. Mit den von Springinsfeld im 19. Kapitel erwähnten »Generalspersonen« sind der General der Reiterei Johann de Werth und der Generalwachtmeister Spork gemeint. Der Kaiser hatte unter dem 14. Juli ein ~Mandatum avocatorium~ an die gesammten Kriegsleute der bairischen Armee »aller Grade und Nationen, als des Heil. Römischen Reichs Völker«, erlassen. Der Kurfürst antwortete mit einem Schreiben an die Generäle und Obersten, um dieselben zu beruhigen; dies gelang ihm so vollständig, daß sie jenen beiden Männern den Gehorsam aufkündigten. De Werth und Spork gelangten mit nur geringer Begleitung nach Pilsen. Zum Verständniß der sehr vorsichtig gehaltenen Erzählung werden die folgenden, dem »~Theatrum Europaeum~« (Theil ~VI.~ S. 57 fg., wo die Acten, Ausschreiben und Berichte über die Maximilian Emanuel schmerzlich berührende Angelegenheit mitgetheilt werden) entnommenen Notizen genügen. Werth hatte für die Truppen, die er nach Oesterreich führen wollte, und zwar für die Regimenter Werth Spork, Lapierre, Jungkolb, einen Theil von Fleckenstein und Walbote und die Kreutzischen Dragoner als Einstellungsort die Gegend bei Vilshofen an der Donau bestimmt; die übrigen waren nach einem andern Platz beordert, darunter der Oberst Schoch. Nur dieser neben Kreutz und Guschenitz soll um den wahren Zweck des Rendezvous gewußt haben. Die in der Oberpfalz liegenden Regimenter waren dem Befehl von vornherein nicht nachgekommen, ebensowenig der im zwanzigsten Kapitel neben Lapierre genannte Oberst Elter. Alle übrigen kehrten zu ihrer Pflicht und in ihre frühern Quartiere zurück. Auf Werth's Kopf setzte der Kurfürst einen Preis von zehntausend Thalern, und gegen alle Mitschuldige erging ein von den Kanzeln zu verlesender Haftbefehl. Gegen Spork scheint man mit weniger Eifer vorgegangen zu sein. Schoch entkam mit seinem Regiment nach Tirol; Kreutz wurde in Regensburg, als er Durchzug begehrte, angehalten und in Haft genommen, der Commandant aber, der mit ihm unter einer Decke spielte, ließ ihn entkommen. Die Meuterei, über welche nun weiter berichtet wird, kann ich nicht genauer nachweisen. Es wird dies eine von dem Werth'schen Handel unabhängige Militärrevolte gewesen sein, für die man die Zeit des Waffenstillstandes als günstig ansah, und wie sie, nur in größerm Maßstabe, auch bei den Weimarischen vorkamen. Vielleicht hängt die Maßregel damit zusammen, die Maximilian nach dem kurzen Bericht des »~Theatr. Europ.~« (~V~, 1293) gegen einige Regimenter, das Lullstorfsche, Salische, Stahlische und Luppische, ergreifen mußte. Dieselben wurden reformiert, die Offiziere abgedankt, die gemeinen Knechte untergesteckt. Möglich, daß auch unser Abenteurer bei dieser Gelegenheit seinen Abschied erhielt. Zu derselben Zeit resiginierte Gleen, um nach den Niederlanden zu gehen. Royer war als Geisel nach Regensburg geschickt, aus dem schwedischen Hauptquartier dagegen der Oberst Horn nach Augsburg. Die letzte Dienstzeit Springinsfeld's fällt in eine Periode der Miserfolge in der kaiserlichen Armee, die nach dem alten Glück unter energischen Führern um so schmerzlicher empfunden wurde. Das Heer scheint den Grund derselben in der Führung der Generale Holzapfel, genannt Melander, und des Grafen von Gronsfeld gefunden zu haben. Der letztere wurde im folgenden Jahre nach München geführt, um sich wegen seiner Nachlässigkeit, namentlich in der Vertheidigung des Lechstroms zu verantworten; er blieb bis 1649 in Haft. Als die alte Unruhe wieder erwachte, die Liederlichkeit und die Gaunernatur den Abenteurer von Haus und Hof trieben, war es längst in Deutschland Friede geworden. So entschloß er sich, über die Grenzen des Vaterlandes hinaus dem Kriege nachzuziehen. Er gedachte mit Nicolaus Zrinyi gegen die Türken zu fechten, ging aber zu den kaiserlichen Fahnen, denen er sein Leben hindurch gefolgt war. Wann dies geschehen, dafür fehlt in seiner ganz allgemein gehaltenen Erzählung jeder Anhaltspunkt. Zrinyi tritt erst mit dem Jahre 1664 in den Zenith seines Ruhmes ein. Unter der »letzten Hauptaction« (Kap. 22) kann jedoch nur der unter Montecuculi erfochtene Sieg bei St. Gotthard an der Raab im August 1664 verstanden werden, welchem ein von den Türken angebotener, auf zwanzig Jahre geschlossener Friede folgte. Als nach der Niederlage Rakoczi's in Ungarn und nach der Eroberung von Neuhäusel die Türken in aller Form den Krieg erklärten, hatte Frankreich eine Heerschar von fünftausend Mann zur Hülfe Oesterreichs gesandt. Bis dahin war der Krieg auf Candia gegen die Republik Venedig im ganzen ziemlich lässig geführt, auch um die Hauptstadt war bislang mit geringem Erfolge gekämpft worden. Der Friedensschluß erlaubte jetzt den Türken, eine bedeutende Streitmacht auf den Kriegsschauplatz zu werfen, und zu Anfang 1667 lagen unter persönlicher Anführung des Großveziers mehr als dreißigtausend Mann vor Candia. Die Generäle Barbaro und Villa schickten sich zu kräftiger Gegenwehr an. Von beiden Seiten wurde an Minen und Contreminen gearbeitet, wobei die Türken gegen zehntausend Mann verloren haben sollen. Als endlich im folgenden Jahre spanische, französische und braunschweig-lüneburgische Truppen anlangten, faßte die bedrängte Besatzung neue Hoffnung. Aber die französische Abtheilung wurde unter den Mauern der Stadt vollständig geschlagen und verließ die Insel im September, auf die Hälfte zusammengeschmolzen. In der Stadt lagen nur noch viertausend Mann, und der Feind war den Vertheidigungswerken so nahe gekommen, daß die Capitulation unvermeidlich war. Der Friede mit der Republik folgte bald darauf, den 17. September 1668. Der Gedanke, die Zeitgeschichte in einen Roman zu verweben, war nicht neu. Dietrich von Werder, der selbst eine Zeitlang Inhaber und Führer eines schwedischen Regiments gewesen, hatte in Episoden seiner »Dianea« (1644 nach Loredano), jedoch vorsichtig, indem er die Namen in Anagramme versteckte, einen Versuch gemacht. Auch dem weitschweifigen Buchholz, in den oben erwähnten »Heldengeschichten« war es, wie er selbst sich dessen rühmte, gelungen, »außer der ganzen Theologie und Philosophie in erbaulichen Discursen auch den ganzen Dreißigjährigen Krieg durch Veränderung etlicher weniger Umstände mit einzubringen«. Aber wie anders gestaltet sich das alles bei Grimmelshausen! Was dort als unnütze Spielerei eines Pedanten erscheint -- denn ein Zweck ist doch überhaupt nicht einzusehen -- ist hier der furchtbare Boden, auf dem mit Leben und Blut begabte Menschen erwachsen und die lebendige Handlung sich auswirkt. Grimmelshausen läßt den alten Landsknecht, der dem verlockenden Klange der venetianischen Werbetrommel nicht hatte widerstehen können und als Krüppel zurückkehrte, bald darauf mit Simplicissimus zusammentreten. Die Geschichte seines Lebens wird also im Winter 1669 auf 70, kurz nach dem »Trutz Simplex«, geschrieben sein, was auch mit den übrigen Angaben stimmt. Sein wüstes Leben endete nach kurzer Ruhe in der Stille und dem Frieden eines Schwarzwaldthales, unter dem Dach des trefflichen Freundes, dem es endlich noch gelungen war, die Seele des schwer zugänglichen alten Gesellen zu retten, nachdem er ihn zu christlicher Erkenntniß und einem ehrbaren Wandel bekehrt hatte. * * * * * Damit ist der engere Kreis der Simplicianischen Schriften geschlossen. Die Anknüpfung der beiden noch übrigen Erzählungen und deren Verbindung untereinander ist, wie oben schon gezeigt wurde, wenn auch künstlicher und loser, doch in ansprechender Weise hergestellt. Wenn gerade hier das Wunderbare mehr noch als anderswo in den Gang der Darstellung eingreift, so ist zu bedenken, daß Grimmelshausen, wie er immer zu thun pflegt, unmittelbar aus dem Aberglauben und der Märchen- und Sagenwelt des Volkes geschöpft hat. Für unsere Zeit freilich, die auch in dieser Beziehung dem alten Volksbewußtsein sich entfremdet, wird eine kurze Ausführung des Hauptgehalts der benutzten Motive nicht für überflüssig gehalten werden. In der Gabe der Unsichtbarkeit ist ein aus dunkelm Alterthum stammender Aberglaube zu erkennen, der in verschiedenen Formen auftritt, z. B. im Besitz eines Ringes, wie ihn der Lydierkönig Gyges trug, im germanischen Götterglauben unter den »Wunschdingen« als Tarnkappe. Hier ist das Zauberwerkzeug das Nest eines Vogels. Jakob Grimm (»Deutsche Sagen«, ~I~, 40) kennt für diesen Glauben keine andere Quelle als eben Grimmelshausen's »Springinsfeld«. Er meint, der Name hänge mit einer gleich der Mandragora oder der Alraun zauberkräftigen Pflanze, dem Zweiblatt, zusammen, das allgemein in den neuern Sprachen »Vogelnest« genannt werde. Aber in der That lebt der Glaube noch heute im Volke (in Niedersachsen, im Fürstenthum Göttingen und Grubenhagen). Ein Vogel trägt einen unsichtbar machenden Stein oder ein Kraut in sein Nest -- genau so faßt es Grimmelshausen --, um dasselbe vor Gefahren sicher zu stellen. Diese Kraft ist unter andern dem Heliotrop eigen; auch Iwein verdankte die Unsichtbarkeit einem in einen Ring gefaßten Stein (Hartmann von Aue, »Iwein«, Abent. ~II~, V. 1203 fg.). Unter den in Deutschland einheimischen Pflanzen besitzt sie das Farrnkraut, dessen Same, der freilich nur in der Johannisnacht zeitig wird, z. B. zufällig in den Schuh gefallen sofort den Menschen aus aller Augen verschwinden läßt. Daß das Nest im Wasser sichtbar bleibt, beruht auf der im gesammten Alterthum verbreiteten Vorstellung von der reinigenden, allem Bösen feindlichen Kraft des Elements, die jeden Zauber bricht, und erscheint durch Ideenverbindung auf den Spiegel übertragen, der im Volksglauben auch unsichtbar anwesende Geister erblicken läßt. Die Episode von dem Tode des Leiermädchens schließt sich unmittelbar an den Fund des köstlichen, doch in unrechter Hand gefährlichen Schatzes. Dieser Gefahr war ihr Gefährte, der schon einmal mit einem Spiritus familiaris in Noth gekommen, und zwar ebenfalls durch die Schuld eines Weibes, glücklich entgangen. Seine böse Ahnung sollte an der Besitzerin, die sofort damit verschwand, in Erfüllung gehen. Lange genug hatte die leichtfertige Dirne allerhand Gaunerstreiche, Neckereien und Spuk damit ausgeführt, als sie auf den Gedanken kam, ein großartigeres Zauberdrama, eine Feerie im romantischen Stil, worin sie selbst die Hauptrolle übernahm, in Scene zu setzen, ohne zu ahnen, daß das prosaische Fatum des modernen Weltalters, die Justiz, dem Lustspiele einen tragischen Schluß anhängen werde. Die Wahl des Stoffes ist sehr glücklich; sie entnahm denselben einer der reizendsten Geschichten aus den Volksbüchern des sechzehnten Jahrhunderts: wie eine überirdische Jungfrau einen sterblichen Menschen durch ihre Liebe beglückt. Grimmelshausen hat zwei in der Dichtung getrennte Ueberlieferungen miteinander verbunden, wie sie denn wirklich auf Einer ursprünglichen Auffassung beruhen werden. Ein mittelhochdeutsches Gedicht, um das Jahr 1300 verfaßt, nach einer nun verlornen Straßburger Handschrift zuerst 1480, dann öfter gedruckt, 1580 von Johann Fischart bearbeitet, zuletzt neu herausgegeben von Oskar Jänicke (»Altdeutsche Studien«, Berlin 1871), erzählt die Sage in folgender Gestalt: Ritter Petermann von Temringen, vom Schloß Stauffenberg in der Ortenau, wollte am Pfingsttag früh zur Messe nach Nußbach reiten, da fand er unterwegs eine wunderschöne Frau auf einem Felsen sitzend. Schon lange, sagte sie, habe sie ihn erwartet, schon lange sei sie ihm in Liebe zugethan, seit er ein Pferd überschritten; überall habe sie ihn geschirmt im Kampf, beim Turnier wie im Stürmen und Streiten. Sie werden einig, sich zu verbinden, und der Ritter geht die einzige ihm gestellte Bedingung freudig ein: »nimm welche du willst, doch nie ein ehelich Weib!« So leben sie zusammen; auf seinen Wunsch ist sie bei ihm, daheim und draußen, wo auch seine Ritterschaft ihn hinführt. Als er einst mit Ehre und Gut heimkehrte, lagen ihm die Verwandten an, sich endlich ein Weib zu suchen. Er bleibt standhaft und erneuert der Geliebten sein Gelübde, aber in banger Ahnung warnt sie ihn vor dem Treubruch, er werde sonst in drei Tagen sterben müssen. Als es sich darauf begab, daß zu Frankfurt ein Römischer König gewählt wurde, stellte auch er sich am Hoflager ein. Da dringt auch der König in ihn und bietet ihm die einzige Nichte, die Erbin von Kärnten, zur Braut; auch jetzt kann er sich nicht entschließen, und erst als die allein seligmachende Kirche in der Person eines Bischofs sich einmischt und ihm die Hölle heiß macht, gibt er nach. In der Nacht kündigt ihm die schmerzlich Betrogene die nahe Erfüllung seines Geschicks an, wenn er nicht jetzt noch von seinem Vorhaben abstehe; als näheres Vorzeichen werde er ihren nackten Fuß erblicken. Aber der Mann hält alles für Betrug des Teufels. Die Braut hält ihren Einzug auf der Burg, die Hochzeit wird gefeiert, da stößt plötzlich der schönste Frauenfuß durch die Decke des Saales. Nun bestellt der Ritter sein Haus und stirbt. Die junge Braut gelobt, in einem Kloster dem Vermählten treu zu bleiben. Es tritt hier, was wir nur andeuten können, die Beziehung der Sage zum germanischen Götterglauben noch deutlich kennbar hervor. Stauffenberg's Geliebte ist als Walküre aufzufassen, als »Wünschelweib« oder »Wunschmädchen«. Der »Wunsch«, wodurch eigentlich und ursprünglich ihr Zusammenhang mit Odin angedeutet wird, steht ihr zu Gebot, während die spätere Anschauung den Namen von der Gabe ableitet, zu erscheinen, so oft der Geliebte sie herbeiwünscht. Sie kann ihm Glück und Reichthum zuwenden. Auch darin gleicht sie den Walküren, daß sie unsichtbar den Auserwählten hütet und ihn schützend in den Kampf begleitet. Doch alles das sammt ihrer Liebe ist Bedingungen unterworfen, die sie selbst nicht aufheben kann. Auch das ist ein alter Zug, daß der Umgang mit göttlichen Frauen das Leben der Helden kürzt; meist werden sie in der Blüte des Lebens hinweggerafft; so selbst in dem Mythus von Aphrodite und Anchises im griechischen Götterglauben. Die »Melusina«, 1456 aus dem Französischen von Thüring von Ringolfingen übertragen, seit dem ersten Druck (Straßburg um 1474) bis in unsere Tage ein weitverbreitetes Volksbuch, berührt sich in den Grundzügen damit; Melusina ist jedoch entschieden eine Nixe, eine »Meerfein«, und das Ende ist anders gewandt. Sie verleiht einem Grafen von Poitiers alles Glück, Liebe und Treue, Sieg, Ehre, Reichthum, aber unter der Bedingung, daß er nie nach ihrem Ursprung noch jemals nach ihrem Thun und Lassen an einem bestimmten Wochentage fragen wolle, sonst werde jegliches Unheil über ihn kommen und er sie auf ewig verlieren. Er bricht wie der Temringer seinen Schwur und beschließt reuig sein Leben in einem arragonischen Kloster. Die Verbindung mit der ersten Sage wird bei Grimmelshausen dadurch vermittelt, daß das Leiermädchen sich Minolanda, Melusinnes Schwestertochter, nennt. König Helias hatte noch zwei zauberkundige Töchter, die vielleicht die Sage kannte, denn der Name erinnert an Minne, Meerminne. Eine solche ist auch in der localen Ueberlieferung, wie sie in Baden und am Schwarzwald zu Hause ist, die Geliebte des Stauffenbergers. Peter Diemringer, von der Jagd heimkehrend, findet sie an einem Born unfern Nußbachs. Sie nennt sich selbst ein »Mümmelchen« -- der Mummelsee liegt in der Nachbarschaft --; des Ritters Namen hat sie den Jägern abgehört. Das übrige stimmt ungefähr: statt des Römischen Kaisers ist es ein fränkischer Herzog, der den Diemringer für seine Thaten auf einem Heerzuge mit der Hand seiner Tochter belohnen will. Als dieser von der Hochzeit heimkehrend durch einen seichten Fluß reitet, wird er plötzlich von stürmisch heranbrausenden Wellen fortgerissen. Auch in dem Zauberspiel der Simplicianischen Leirerin stirbt der ungetreu gewordene Wanderbursch, aber auch die Schauspielerin büßt ihren Frevel. Das Zaubergeräth überdauert die Katastrophe, um als Leitmotiv von dem Verfasser der Simplicianischen Schriften noch ferner verwandt zu werden. * * * * * Die vorliegende Ausgabe des »Trutz Simplex« beruht auf dem einzigen bisjetzt bekannten Druck. Derselbe geht dem mit der Jahrzahl 1670 bezeichneten »Springinsfeld« voraus und ist also unmittelbar nach oder noch während der Abfassung der »Continuation« oder des sechsten Buchs des »Simplicissimus« geschrieben, aber nicht eher im Druck erschienen. Es würde also die Annahme nicht irren, dies sei zu Anfang 1669 geschehen. Das von mir benutzte Exemplar der Göttinger Bibliothek ist dem »Springinsfeld« vorgebunden. Den Text, den ich gewählt, denselben, für den auch Keller sich entschieden hat, halte ich nach reiflicher Erwägung für den besten, ohne jedoch die Frage beantworten zu wollen, ob der zweite bekannte Druck aus demselben Jahre eine rechtmäßige Wiederholung oder ein Nachdruck sei. Druckfehler sind stillschweigend verbessert; eine Aenderung ist nur da in den Anmerkungen angegeben, wo dieselbe der Rechtfertigung bedurfte, während einzelne Eigenthümlichkeiten der Rechtschreibung, soweit es die für unsere übrigen Publicationen und speciell für den »Simplicissimus« angenommenen Grundsätze erlaubten, beibehalten worden sind. * * * * * Den »Anhang« möge der Leser als eine, wenn an sich nicht sehr bedeutende, doch immerhin interessante Beigabe betrachten. Der erneuerte Abdruck der »Gaukel-Tasche« findet seine Berechtigung schon darin, daß das Titelblatt des »Springinsfeld« dieselbe erwarten läßt. Was den Inhalt und den Gebrauch derselben betrifft, so gibt darüber die ausführliche Beschreibung der Scene (»Springinsfeld« Kap. ~VII~), wo Simplicissimus auf seine alten Tage noch einmal als Gaukler auftritt, genügende Auskunft. Die Jahrzahl 1670 bestätigt auch das, was der Schreiber (»Springinsfeld« Kap. ~VIII~) von seiner Absicht sagt, das Büchlein zu veröffentlichen. Dasselbe war bisjetzt nur durch die Gesammtausgabe bekannt, wo es unmittelbar auf den »Ersten Bärnhäuter« folgt. Die alte Originalausgabe, die der unsrigen zu Grunde gelegt worden ist, befindet sich ebenfalls auf der Universitätsbibliothek zu Göttingen; die große Seltenheit erklärt sich leicht aus der Verwendung als Spielzeug. Ein zweites Exemplar besitzt Herr Wilhelm Seibt in Frankfurt, dessen gefälliger Mittheilung ich diese Nachricht verdanke. Ein für den Kenner der Simplicianischen Literatur sehr erfreulicher Aufsatz in der »Frankfurter Zeitung« (1876, Nr. 230 Morgenblatt) enthält auch einen Bericht über Seibt's Entdeckung, daß die Holzschnitte, welche die Verse illustrieren, von Jobst Amman sind, und daß Grimmelshausen's Verleger, wahrscheinlich I. I. Felsecker, die Originalstöcke zu des genannten Künstlers schönem, sehr selten gewordenen Kartenbuch: »Künstliche und wolgerissene Figuren in ein neues Kartenspiel« u.s.w. (Nürnberg 1588. 4.) für den Druck verwandt hat. Das bekannte Märchen vom »Ersten Bärnhäuter« ist der »Gaukel-Tasche« auch in der alten Ausgabe vorgedruckt. Die Art und Weise, wie Grimmelshausen dasselbe erzählt, ist in der Darstellung so vortrefflich, daß wir uns nicht entschließen mochten, dasselbe beiseite zu lassen. Wegen der verwandten Auffassungen dürfen wir auf der Brüder Grimm »Kinder- und Hausmärchen« (Nr. 100 und 101) verweisen, die sich in jedermanns Händen befinden. Den Anmerkungen (Bd. ~III~, S. 181 fg.) haben wir wenig hinzuzufügen. Das zweite Grimm'sche Märchen, ebenfalls »Der Bärenhäuter« genannt, stimmt mit dem Grimmelshausen'schen am meisten überein; dort ist der Vater der drei Töchter ein Mann, dem der Landsknecht Geld gegeben, hier ein reicher Kunstkenner, der die durch den Teufel für seinen Schützling gemalten Bilder sammt dessen Reichthümern besitzen möchte, ein Zug, der in dem ersten der Märchen: »Des Teufels rußiger Bruder«, darin sein Gegenstück findet, daß ein König von der in der Hölle gelernten Kunst des Soldaten so entzückt wird, daß er ihm eine seiner Töchter verspricht. Die österreichische Fassung kenne ich nur aus Happel's »Größten Denkwürdigkeiten der Welt« (~II~, 712). Die Geschichte spielt in einer Stadt, wo noch die »Abbildung derselben auf einer Tafel« aufbewahrt wird. Statt der verlornen Schlacht bei Nikopolis unter Sigismund 1396 wird die Niederlage des christlichen Heeres bei Varna 1414 unter Ladislav genannt. Die Wahrscheinlichkeit, daß Grimmelshausen aus dem Volksmunde geschöpft, würde diese Abweichung genügend erklären. * * * * * Zum Schluß sei es gestattet, hier eine Anmerkung zum ersten Kapitel des »Simplicissimus« zu vervollständigen. Grimmelshausen spricht über die Sucht geringer Leute, sobald sie es zu einigem Wohlstand gebracht, als vornehme Herren aufzutreten und von altem Adel sein zu wollen, wenn auch ihre Vorältern niedrige oder selbst unehrliche Gewerbe getrieben haben: »obgleich ihr ganzes Geschlecht von allen 32 Anichen her also besudelt und befleckt gewesen, als des Zuckerbastels Zunft zu Prag immer sein mögen.« Aus Seibt's erwähnten Mittheilungen, die mir erst nach dem Drucke des ersten Theils der zweiten Auflage zukamen, sehe ich, daß in Nicl. Ulenhart's Erzählung »Isaak Winterfelder und Jobst von der Schneid« (Augsburg 1617. 8. Vgl. Goedeke Grundriß, S. 432), einer Uebersetzung von Cervantes' Novelle »~Rinconete y Cortadillo~«, deren Schauplatz nach Prag verlegt wird, das Oberhaupt aller Gauner und Dirnen dieser Stadt »Zuckerbastel« genannt wird. Grimmelshausen wird also die Ulenhart'sche Bearbeitung gekannt haben. Meine Erklärung des Namens scheint daneben bestehen zu können. FUSSNOTEN: [1] Vgl. den Titel S. 3 dieses Bandes. Auf der Rückseite stehen im Original -- zur Erklärung des vorgehefteten Kupferstichs Courage als Zigeunerin auf einem Maulesel unter ihrer Bande, allerlei Toilettengegenstände auf der Erde verstreuend -- folgende Verse: Erklärung des Kupfers oder Die den geneigten Leser anredende Courage. Ob ich der Thorheit Kram hier gleich herunter streue, So wirf' ichs drum nicht weg, um daß es mich gereue, Daß ich ihn hiebevor geliebet und gebraucht, Sondern dieweil er jetzt zu meinem Stand nichts taugt. Haarpuder brauch' ich nicht, noch Schmink, noch Haar zu kräusen; Mein ganzer Anstrich ist nur Salbe zu den Läusen, Tracht sonsten nur nach Gold und mach mir das zu nutz, Und was ich möge thun dem Simplici zum Trutz. [2] S. 52 dieses Bandes Zeile 2 muß es statt »seiner leiblichen Frauen Tochter« heißen: seine leibliche Frau Tochter. [3] Titelkupfer: Der Stelzfuß mit der Geige. Auf der Rückseite des Titels: Vor Zeiten nennt man mich den tollen Springinsfeld, Da ich noch jung und frisch mich tummelt in der Welt, Zu werden reich und groß durch Krieg und Kriegeswaffen, Oder, wenn das nit glückt, soldatisch einzuschlafen. Mein Fatum, was thät das, die Zeit und auch das Glück? Sie stimmten in =ein= Horn, zeigten mir ihre Tück. Ich wurd des Glückes Ball, must wie das Glück umwälzen, Mich lassen richten zu, daß ich nun brauch ein Stelzen, Stelz jetzt vors Bauren Thür im Land von Haus zu Haus, Bitt den ums liebe Brot, den ich so oft jagt aus, Und zeig der ganzen Welt durch mein armselig Leben, Daß theils Soldaten jung alte Bettler abgeben. I. Trutz Simplex. Trutz Simplex Oder Ausführliche und wunderseltzame Lebensbeschreibung Der Erzbetrügerin und Landstörzerin Courage, Wie sie anfangs eine Rittmeisterin, hernach eine Hauptmännin, ferner eine Leutenantin, bald eine Marketenterin, Musquetiererin und letzlich eine Zigeunerin abgegeben, Meisterlich ~agiret~ und ausbündig vorgestellet: Eben so lustig, annehmlich u[=n] nutzlich zu betrachten als ~Simplicissimus~ selbst. Alles miteinander Von der Courage eigner Person, dem weit und breit bekannten ~Simplicissimo~ zum Verdruß und Widerwillen, dem ~Autori~ in die Feder ~dictirt~, der sich vor dißmal nennet ~Philarchus Grossus~ von Trommenheim, auf Griffsberg &c. Gedruckt in Utopia, bei Felix Stratiot. Kurzer, doch ausführlicher Inhalt und Auszug der merkwürdigsten Sachen eines jeden Capitels dieser lust- und lehrreichen Lebensbeschreibung der Erzlandstörzerin und Zigeunerin Courage. =Das erste Capitel.= Gründlicher und nothwendiger Vorbericht, weme zu Liebe und Gefallen und aus was dringenden Ursachen die alte Erzbetrügerin, Landstörzerin und Zigeunerin Courage ihren wundernswürdigen und recht seltzamen Lebenslauf erzählet und der ganzen Welt vor die Augen stellet. =Das zweite Capitel.= Jungfrau Lebuschka (hernachmal genante Courage) kommt in den Krieg und nennet sich Janco, muß in demselben eine Zeitlang einen Kammerdiener abgeben; dabei vermeldet wird, wie sie sich verhalten und was sich Verwunderliches ferner mit ihr zugetragen. =Das dritte Capitel.= Janco vertauschet sein edles Jungferkränzlein bei einem resoluten Rittmeister um den Namen Courage. =Das vierte Capitel.= Courage wird darum eine Ehefrau und Rittmeisterin, weil sie gleich darauf wieder zu einer Witwe werden muste, nachdem sie vorhero den Ehestand eine Weile lediger Weise getrieben hatte. =Das fünfte Capitel.= Was die Rittmeisterin Courage in ihrem Witwenstand vor ein ehrbares und züchtiges, wie auch verruchtes gottloses Leben geführet, wie sie einem Grafen zu Willen wird, einen Ambassador um seine Pistolen bringet und sich andern mehr, um reiche Beute zu erschnappen, willig unterwirft. =Das sechste Capitel.= Courage kommt durch wunderliche Schickung in die zweite Ehe und freiete einen Hauptmann, mit dem sie trefflich glückselig und vergnügt lebte. =Das siebente Capitel.= Courage schreitet zur dritten Ehe und wird aus einer Hauptmännin eine Leutenantin, triffts aber nicht so wol als vorhero, schlägt sich mit ihrem Leutenant um die Hosen mit Prügeln und gewinnet solche durch ihre tapfere Resolution und Courage; darauf sich ihr Mann unsichtbar macht und sie sitzen läßt. =Das achte Capitel.= Courage hält sich in einer Occasion trefflich frisch, haut einem Soldaten den Kopf ab, bekommt einen Major gefangen und erfährt, daß ihr Leutenant als ein meineidiger Ueberlaufer gefangen und gehenket worden. =Das neunte Capitel.= Courage quittirt den Krieg, nachdem ihr kein Stern mehr leuchten wil und sie fast von jederman vor einen Spott gehalten wird. =Das zehnte Capitel.= Courage erfähret nach langem Verlangen, Wünschen und Begehren, wer ihre Eltern gewesen, und freiet darauf wiederum einen Hauptmann. =Das elfte Capitel.= Die neue Hauptmännin Courage ziehet wieder in den Krieg und bekam einen Rittmeister, Quartiermeister und gemeinen Reuter durch ihre heldenmäßige Tapferkeit in einem blutigen Gefecht gefangen; verleurt darauf ihren Mann und wird eine unglückselige Witwe. =Das zwölfte Capitel.= Der Courage wird ihre treffliche Courage auch wieder trefflich von dem ehedessen von ihr gefangnen Major eingetränkt, wird jedermans Hur, darauf nackend ausgezogen und muß eine gar schändliche Arbeit verrichten, wird aber endlich von einem Rittmeister, den sie auch vorhero gefangen bekommen, erbeten, daß ihr nicht etwas Aergers widerfuhr, und darauf auf ein Schloß geführt. =Das dreizehnte Capitel.= Courage wird als ein gräfliches Fräulein auf einem Schloß gehalten, von dem Rittmeister gar oft besucht und trefflich bedienet, aber endlich auf Erfahrung der Eltern des liebhabenden Rittmeisters durch zween Diener gar listig aus dem Schloß nach Hamburg gebracht und daselbst elendiglich verlassen. =Das vierzehnte Capitel.= Courage wirft ihre Liebe auf einen jungen Reuter, der einen Corporal, so ihme Hörner aufsetzen wolte, also zeichnete, daß er des Aufstehens vergaß. Darauf wird ihr Liebster harquebusirt, die Courage aber mit Steckenknechten vom Regiment geschicket, die zweien Reutern, so Gewalt an sie legen wolten, ziemlich übel mitfuhre, da ihr ein Musquetierer zu Hülfe kame. =Das funfzehnte Capitel.= Courage hält sich bei einem Marketenter auf; ein Musquetierer verliebt sich trefflich in sie, dem sie etliche gewisse Conditiones vorschreibet, wie sie den Ehestand lediger Weise mit ihme treiben möchte; wird auch darauf eine Marketenterin. =Das sechzehnte Capitel.= Courage nennet ihren Courtisan, den Musquetierer, mit dem Namen Springinsfeld, dem ein Fänderich, auf der Courage Anstalt, gar listig ein paar großer Hörner aufsetzet, darzu der Courage vermeinte Mutter treulich hilft; kurz, sie ziehet ihn trefflich bei der Nasen herum und schicket sich stattlich in den Handel. =Das siebzehnte Capitel.= Der Courage widerfährt ein lächerlicher Posse, den ihr eine Kürschnerin auf Anstiften einer italiänischen Putanin erwiesen, als sie eben bei einem vornehmen Herrn beim Nachtimbiß war; sie bezahlet aber sowol die Putanin als die Kürschnerin wieder redlich und ausbündig, macht auch einem Apotheker ein wunderliches Stückchen. =Das achtzehnte Capitel.= Die gewissenlose Courage erkauft von einem Musquetierer einen ~Spiritum Familiarem~, empfindet darbei großes Glück, und gehet ihr alles nach Wunsch und Willen von statten. =Das neunzehnte Capitel.= Courage richtet ihren Springinsfeld zu allerlei Schelmenstücklein trefflich ab, der sich bei einer vornehmen Dame vor einen Schatzgräber ausgibt, in den Keller gelassen wird, darauf etliche kostbare Kleinodien listig erpracticirt und bei Nacht von Courage aus dem Keller gezogen wird. =Das zwanzigste Capitel.= Courage nebenst ihrem Springinsfeld bestiehlt zween Mailänder auf unerhörte Weise, indeme sie dem einen, der sehen wolte, was in ihrer Hütten vor ein Gepolter war, und den Kopf zum Guckloch aussteckte, mit scharfem Essig in die Augen sprützte, dem andern aber den Weg mit scharfen Dornen verlegte. =Das einundzwanzigste Capitel.= Courage wird von ihrem Springinsfeld im Schlaf mit Ohrfeigen angepacket und übel zugerichtet, der aber, nachdem er erwachet, sie demüthig um Gnade und Verzeihung bittet, welches doch nichts helfen wil. =Das zweiundzwanzigste Capitel.= Courage wird von ihrem Springinsfeld im Schlaf aus dem Bett nur im Hemd gegen des Obristen Wachtfeuer zugetragen, darüber sie erwacht und jämmerlich zu schreien beginnet, daß alle Officierer zulaufen und des Possens lachen; sie schaffet ihn darauf von sich und gibt ihm das beste Pferd, nebenst 100 Ducaten und dem ~Spiritu Familiari~. =Das dreiundzwanzigste Capitel.= Courage heurathet wiederum einen Hauptmann, wird aber dessen, ehe er kaum bei ihr erwarmet, wieder beraubet, lässet sich darauf auf ihres ersten Hauptmanns Güter in Schwabenland nieder und treibt ihr Hurenhandwerk wie zuvor, doch gar vorsichtig, mit den eingequartierten Soldaten. =Das vierundzwanzigste Capitel.= Courage bekommt eine unflätige Krankheit, reiset darauf in den Saurbronnen und macht mit Simplicio Kundschaft; als er sie betreugt, betreugt sie ihn redlich wieder und läßt ihm ihrer Magd neugebornes Kind vor seine Thür legen nebenst schriftlichem Bericht, als ob es Courage mit ihm erzeugt hätte. =Das fünfundzwanzigste Capitel.= Courage treibet mit einem alten Susannen-Mann in ihrem Garten ungebührliche Händel, als eben zween Musquetierer auf einem Baum Birnen mauseten und der eine aus Unvorsichtigkeit die geraubten Birnen alle fallen ließ; darüber die Courage mit ihrem alten Liebhaber vertrieben, endlich offenbaret und der Stadt verwiesen wird. =Das sechsundzwanzigste Capitel.= Courage wird eine Musquetiererin, schachert darbei mit Tabak und Brantewein. Ihr Mann wird verschicket, welcher unterwegs einen todten Soldaten antrifft, den er ausziehet und, weil die Hosen nicht herunter wolten, ihm die Schenkel abhaut, alles zusammen packet und bei einem Bauren einkehret, die Schenkel zu Nachts hinterlässet und reißaus nimmt; darauf sich ein recht lächerlicher Poß zuträgt. =Das siebenundzwanzigste Capitel.= Nachdem der Courage Mann in einem Treffen geblieben und Courage selbst auf ihrem Maulesel entrunnen, trifft sie eine Zigeunerschar an, unter welchen der Leutenant sie zum Weib nimmt; sie sagt einem verliebten Fräulein wahr, entwendet ihr darüber alle Kleinodien, behält sie aber nicht lang, sondern muß solche wol abgeprügelt wieder zustellen. =Das achtundzwanzigste Capitel.= Courage kommt mit ihrer Compagnie in ein Dorf, darinnen Kirchweih gehalten wird, reizet einen jungen Zigeuner an, eine Henne todt zu schießen; ihr Mann stellet sich, solchen aufhenken zu lassen; wie nun jederman im Dorf hinauslief, diesem Schauspiel zuzusehen, stahlen die Zigeunerinnen alles Gebratens und Gebackens und machen sich samt ihrer ganzen Zunft eiligst und listig darvon. Das erste Capitel. Gründlicher und nothwendiger Vorbericht, weme zu Liebe und Gefallen und aus was dringenden Ursachen die alte Erzbetrügerin, Landstörzerin und Zigeunerin Courage ihren wundernswürdigen und recht seltzamen Lebenslauf erzählet und der ganzen Welt vor die Augen stellet. Ja -- werdet ihr sagen, ihr Herren -- wer solte wol gemeint haben, daß sich die alte Schell[4] einmal unterstehen würde, dem künftigen Zorn Gottes zu entrinnen? Aber was wolt darvor sein? Sie muß wol, dann das Gumpen[5] ihrer Jugend hat sich geendigt, ihr Muthwill und Vorwitz hat sich gelegt, ihr beschwertes und geängstigtes Gewissen ist aufgewacht, und das verdrossene Alter hat sich bei ihr eingestellt, welches ihre vorige überhäufte Thorheiten länger zu treiben sich schämet und die begangene Stück länger im Herzen verschlossen zu tragen ein Ekel und Abscheu hat. Das alte Rabenaas fähet einmal an zu sehen und zu fühlen, daß der gewisse Tod nächstens bei ihr anklopfen werde, ihr den letzten Abdruck abzunöthigen, vermittelst dessen sie unumgänglich in ein andere Welt verreisen und von allem ihrem hiesigen Thun und Lassen genaue Rechenschaft geben muß. Darum beginnet sie im Angesicht der ganzen Welt ihren alten Esel von überhäufter Last seiner Beschwerden zu entladen, ob sie vielleicht sich um so viel erleichtern möchte, daß sie Hoffnung schöpfen könte, noch endlich die himmlische Barmherzigkeit zu erlangen. Ja, ihr liebe Herren, das werdet ihr sagen. Andere aber werden gedenken: Solte sich die Courage wol einbilden dörfen, ihre alte zusammen gerumpelte Haut, die sie in der Jugend mit französischer Grindsalb, folgends mit allerhand italian- und spanischer Schminke und endlich mit egyptischer Läussalben und vielem Gänsschmalz geschmieret, beim Feuer schwarz geräuchert und so oft eine andere Farbe anzunehmen gezwungen, widerum weiß zu machen? Solte sie wol vermeinen, sie werde die eingewurzelte Runzeln ihrer lasterhaften Stirn austilgen und sie wiederum in den glatten Stand ihrer ersten Unschuld bringen, wann sie dergestalt ihre Bubenstück und begangene Laster berichtsweis daher erzählet, von ihrem Herzen zu räumen? Solte wol diese alte Vettel jetzt, da sie alle beide Füße bereits im Grab hat, wann sie anders würdig ist, eines Grabs theilhaftig zu werden, diese Alte -- werdet ihr sagen --, die sich ihr Lebtag in allerhand Schand und Lastern umgewälzt und mit mehrern Missethaten als Jahren, mit mehrern Hurenstücken als Monaten, mit mehrern Diebsgriffen als Wochen, mit mehrern Todsünden als Tagen und mit mehrern gemeinen Sünden als Stunden beladen, die, deren[6], so alt sie auch ist, noch niemal keine Bekehrung in Sinn kommen, sich unterstehen, sich mit Gott zu versöhnen? Vermeinet sie wol, anjetzo noch zurecht zu kommen, da sie allbereit in ihrem Gewissen anfähet mehr höllische Pein und Marter auszustehen, als sie ihre Tage Wollüste genossen und empfunden? Ja, wann diese unnütze abgelebte Last der Erden neben solchen Wollüsten sich nicht auch in andern allerhand Erzlastern herum gewälzt, ja gar in der Bosheit allertiefsten Abgrund begeben und versenkt hätte, so möchte sie noch wol ein wenig Hoffnung zu fassen die Gnad haben können. Ja, ihr Herren, das werdet ihr sagen, das werdet ihr gedenken, und also werdet ihr euch über mich verwundern, wann euch die Zeitung von dieser meiner Haupt- oder Generalbeicht zu Ohren kommt. Und wann ich solches erfahre, so werde ich meines Alters vergessen und mich entweder wieder jung oder gar zu Stücken lachen. Warum das, Courage? Warum wirst du also lachen? Darum, daß ihr vermeinet, ein altes Weib, die des Lebens so lange Zeit wol gewohnet und die ihr einbildet, die Seele seie ihr gleichsam angewachsen, gedenke an das Sterben, eine solche, wie ihr wisset daß ich bin und mein Lebtag gewesen, gedenke an die Bekehrung, und diejenige, so ihren ganzen Lebenslauf, wie mir die Pfaffen zusprechen, der Höllen zugerichtet, gedenke nun erst an den Himmel. Ich bekenne unverhohlen, daß ich mich auf solche Hinreis, wie mich die Pfaffen überreden wollen, nicht zu rüsten, noch deme, was mich ihrem Vorgeben nach verhindert, völlig zu resignirn entschließen können, als worzu ich ein Stück zu wenig, hingegen aber etlicher, vornehmlich aber zweier zu viel habe. Das, so mir manglet, ist die Reu, und was mir manglen solte, ist der Geiz und der Neid. Wann ich aber meinen Klumpen Gold, den ich mit Gefahr Leib und Lebens, ja, wie mir gesagt wird, mit Verlust der Seligkeit zusammen geraspelt, so sehr haßte, als ich meinen Nebenmenschen neide, und meinen Nebenmenschen so hoch liebte als mein Geld, so möchte vielleicht die himmlische Gabe der Reue auch folgen. Ich weiß die Art der unterschiedlichen Alter eines jeden Weibsbilds und bestätige mit meinem Exempel, daß alte Hund schwerlich bändig zu machen. Die ~Cholera~[7] hat sich mit den Jahren bei mir vermehrt, und ich kan die Gall nicht herausnehmen, solche, wie der Metzger einen Säu-Magen, umzukehren und auszuputzen. Wie wolte ich dann dem Zorn widerstehen mögen? Wer wil mir die überhäufte ~Phlegmam~[8] evacuirn und mich also von der Trägheit curiren? Wer benimmt mir die melancholische Feuchtigkeit und mit derselbigen die Neigung zum Neid? Wer wird mich überreden können, die Ducaten zu hassen, da ich doch aus langer Erfahrung weiß, daß sie aus Nöthen erretten und der einzige Trost meines Alters sein können? Damal, damal, ihr Herrn Geistliche, wars Zeit, mich auf denjenigen Weg zu weisen, den ich euerm Rath nach jetzt erst antreten sol, als ich noch in der Blüt meiner Jugend und in dem Stand meiner Unschuld lebte; dann ob ich gleich damals die gefährliche Zeit der kützelhaften Anfechtung angieng, so wäre mir doch leichter gewesen, dem sanguinischen Antrieb, als jetzunder der übrigen dreien ärgsten Feuchtigkeiten gewaltsamen Anlauf zugleich zu widerstehen. Darum gehet hin zu solcher Jugend, deren Herzen noch nicht, wie der Courage, mit andern Bildnissen befleckt, und lehret, ermahnet, bittet, ja beschweret[9] sie, daß sie es aus Unbesonnenheit nimmermehr so weit soll kommen lassen, als die arme Courage gethan! Aber höre, Courage, wann du noch nicht im Sinn hast, dich zu bekehren, warum wilst du dann deinen Lebenslauf beichtsweis erzählen und aller Welt deine Laster offenbarn? Das thue ich dem Simplicissimo zu Trutz, weil ich mich anderer Gestalt nicht an ihm rächen kan; dann nachdem dieser schlimme Vocativus mich im Saurbrunnen geschwängert (scilicet[10]) und hernach durch einen spöttlichen Possen von sich geschafft, gehet er erst hin und ruft meine und seine eigne Schand vermittelst seiner schönen Lebensbeschreibung vor aller Welt aus. Aber ich wil ihm jetzunder hingegen erzählen, mit was vor einem ehrbarn Zobelchen er zu schaffen gehabt, damit er wisse, wessen er sich gerühmt, und vielleicht wünschet, daß er von unserer Histori allerdings still geschwiegen hätte; woraus aber die ganze ehrbare Welt abzunehmen, daß gemeiniglich Gaul als Gurr[11], Hurn und Buben eins Gelichters und keins um ein Haar besser als das ander sei. Gleich und gleich gesellt sich gern, sprach der Teufel zum Kohler; und die Sünden und Sünder werden wiederum gemeiniglich durch Sünden und Sünder abgestraft. FUSSNOTEN: [4] =Schelle=, »schellenlaute Thörin«. [5] =Gumpen=, Springen, Hüpfen. [6] =deren=, der, ~dat.~ wie öfters bei Grimmelshausen. [7] =~Cholera~=, Galle. [8] =~Phlegmam~=, Acc. als ~fem.~ genommen. [9] =beschweret=, beschwöret. Das zweite Capitel. Jungfrau Lebuschka (hernachmals genante Courage) kommt in den Krieg, nennet sich Janco und muß in demselben eine Zeitlang einen Kammerdiener abgeben; dabei vermeldet wird, wie sie sich verhalten und was sich Verwunderliches ferner mit ihr zugetragen. Diejenige, so da wissen, wie die sclavonische Völker ihre leibeigne Unterthanen tractirn, dörften wol vermeinen, ich wäre von einem böhmischen Edelmann und eines Bauren Tochter erzeugt und geboren worden. Wissen und Meinen ist aber zweierlei; ich vermeine auch viel Dings und weiß es doch nicht. Wann ich sagte, ich hätte gewust, wer meine Eltern gewesen, so würde ich lügen, und solches wäre nicht das erste mal. Dieses aber weiß ich wol, daß ich zu Bragoditz[12] zärtlich genug auferzogen, zur Schulen gehalten und mehr als ein geringe Tochter zum Nähen, Stricken, Sticken und anderer dergleichen Frauenzimmerarbeit angeführt worden bin. Das Kostgeld kam fleißig von meinem Vatter; ich wuste aber drum nicht woher, und meine Mutter schickte manchen Gruß, mit deren ich gleichwol mein Tage kein Wort geredet. Als der Baierfürst[13] mit dem Buquoy in Böhmen zog, den neuen König wiederum zu verjagen, da war ich eben ein fürwitzigs Ding von dreizehen Jahren, welches anfieng nachzutichten, wo ich doch herkommen sein möchte; und solches war mein größtes Anliegen[14], weil ich nicht fragen dorfte und von mir selbst nichts ergründen konte. Ich wurde vor der Gemeinschaft der Leut verwahrt wie ein schönes Gemäl vorm Staub. Meine Kostfrau behielte mich immer in den Augen, und weil ich mit andern Töchtern meines Alters keine Gespielschaft machen dorfte, sihe, so vermehrten sich meine Grillen und Dauben[15], die der Fürwitz in meinem Hirn ausheckte, außer welchen ich mich auch mit sonst nichts bekümmerte. Als sich nun der Herzog aus Baiern vom Buquoy separirte, gieng der Baier vor Budweis, dieser aber vor Bragoditz. Budweis ergab sich bei Zeiten und thät sehr weislich; Bragoditz aber erwartet und erfuhr den Gewalt der kaiserlichen Waffen, welche auch mit den Halsstarrigen grausam umgiengen. Da nun meine Kostfrau schmeckte[16], wo die Sach hinaus wolte, sagte sie zeitlich zu mir: »Jungfrau Libuschka, wann ihr eine Jungfrau bleiben wolt, so müst ihr euch scheren lassen und Mannskleider anlegen; wo nicht, so wolte ich euch keine Schnalle um euer Ehre geben, die mir doch so hoch befohlen worden zu beobachten.« Ich dachte: was vor fremde Reden sein mir das! Sie aber kriegte eine Scher und schnitte mir mein goldfarbes Haar auf der rechten Seiten hinweg; das auf der linken aber ließe sie stehen, in aller Maß und Form, wie es die vornehmste Mannspersonen damals trugen. »So, mein Tochter«, sagte sie, »wann ihr diesem Strudel mit Ehren entrinnet, so habt ihr noch Haar genug zur Zierd, und in einem Jahr kan euch das ander auch wieder wachsen.« Ich ließe mich gern trösten, dann ich bin von Jugend auf genaturt gewesen, am allerliebsten zu sehen, wann es am allernärrischten hergieng. Und als sie mir auch Hosen und Wamst angezogen, lernte sie mich weitere Schritte thun, und wie ich mich in den übrigen Geberden verhalten solte. Also erwarteten wir der kaiserlichen Völker Einbruch in die Stadt, meine Kostfrau zwar mit Angst und Zittern, ich aber mit großer Begierde, zu sehen, was es doch vor eine neue, ungewöhnliche Kürbe[17] setzen würde. Solches wurde ich bald gewahr. Ich will mich aber drum nicht aufhalten mit Erzählung, wie die Männer in der eingenommenen Stadt von den Ueberwindern gemetzelt, die Weibsbilder genothzüchtiget und die Stadt selbst geplündert worden, sintemal solches in dem verwichenen langwierigen Krieg so gemein und bekant worden, daß alle Welt genug darvon zu singen und zu sagen weiß. Diß bin ich schuldig zu melden, wann ich anders mein ganze Histori erzählen wil, daß mich ein teutscher Reuter vor einen Jungen mitnahm, bei dem ich der Pferde warten und forragirn, das ist stehlen helfen solte. Ich nennete mich Janco und konte ziemlich teutsch lallen, aber ich ließe michs, aller Böhmen Brauch nach, drum nicht merken. Darneben war ich zart, schön, und adelicher Geberden, und wer mir solches jetzt nicht glauben wil, dem wolte ich wünschen, daß er mich vor 50 Jahren gesehen hätte, so würde er mir dessentwegen schon ein ander gut Zeugniß geben. Als mich nun dieser mein erster Herr zur Compagnia brachte, fragte ihn sein Rittmeister, welches in Wahrheit ein schöner junger tapferer Cavalier war, was er mit mir machen wolte. Er antwortet: »Was andere Reuter mit ihren Jungen machen, mausen und der Pferde warten, worzu die böhmische Art, wie ich höre, die beste sein soll. Man sagt vor gewiß: wo ein Böhm Kuder[18] aus einem Haus trage, da werde gewißlich kein Teutscher Flachs in finden.« »Wie aber«, antwortet der Rittmeister, »wann er diß böhmisch Handwerk an dir anfieng und ritte dir zum Probstück deine Pferd hinweg?« »Ich wil«, sagt der Reuter, »schon Achtung auf ihn geben, biß ich ihn aus der Küheweid[19] bringe.« »Die Baurenbuben«, antwortet der Rittmeister, »die bei den Pferden erzogen worden, geben viel bessere Reuterjungen als die Burgerssöhne, die in den Städten nicht lernen können, wie einem Pferde zu warten. Zu dem dunkt mich, dieser Jung sei ehrlicher Leut Kind und viel zu häckel auferzogen worden, einem Reuter seine Pferd zu versehen.« Ich spitzte die Ohren gewaltig, ohne daß ich dergleichen gethan hätte, daß ich etwas von ihrem Discurs verstünde, weil sie teutsch redeten. Meine größte Sorg war, ich möchte wieder abgeschafft und nach dem geplünderten Bragoditz zuruckgejagt werden, weil ich die Trommeln und Pfeifen, das Geschütz und die Trompeten, von welchem Schall mir das Herz im Leib aufhupfte, noch nicht satt genug gehört hatte. Zuletzt schickte sichs, ich weiß nicht zu meinem Glück oder Unglück, daß mich der Rittmeister selbst behielte, daß ich seiner Person wie ein Page und Kammerdiener aufwarten solte; dem Reuter aber gab er einen andern böhmischen Knollfinken zum Jungen, weil er ja einen Dieb aus unserer Nation haben wolte. Also schickte ich mich nun gar artlich in den Possen; ich wuste meinem Rittmeister so trefflich zu fuchsschwänzen, seine Kleidungen so sauber zu halten, sein weiß leinen Zeug so nett zu accomodirn und ihn in allem so wol zu pflegen, daß er mich vor den Kern eines guten Kammerdieners halten muste. Und weil ich auch einen großen Lust zum Gewehr hatte, versahe ich dasselbe dergestalten, daß sich Herr und Knechte darauf verlassen durften; und dannenhero erhielte ich bald von ihm, daß er mir einen Degen schenkte und mich mit einer Maultasche[20] wehrhaft machte. Ueber das, daß ich mich hierin so frisch hielte, muste sich auch jederman über mich verwundern und vor die Anzeigung eines unvergleichlichen Verstands halten, daß ich so bald teutsch reden lernete, weil niemand wuste, daß ichs bereits von Jugend auf lernen müssen. Darneben beflisse ich mich aufs höchste, alle meine weibliche Sitten auszumustern und hingegen mannliche anzunehmen; ich lernte mit Fleiß fluchen wie ein anderer Soldat und darneben saufen wie ein Bürstenbinder, soff Brüderschaft mit denen, die ich vermeinte, daß sie meines Gleichens wären, und wann ich etwas zu betheuern hatte, so geschahe es bei Dieb- und Schelmenschelten, damit ja niemand merken solte, warum ich in meiner Geburt zu kurz kommen oder was ich sonst nicht mitgebracht. FUSSNOTEN: [10] =scilicet=, ironisch, öfter bei Grimmelshausen: wer es glauben will! [11] =Gurre=, schlechter Gaul. Die sprichwörtliche Redensart noch gebräuchlich. [12] =Bragoditz=, =Pragatitz=, jetzt Prachatitz in Böhmen, Prachiner Kreis. [13] Vgl. die Einleitung. [14] =Anliegen=, Sorge, Kummer. [15] =Dauben=, Einbildungen. [16] =schmecken=, riechen, merken. [17] =Kürbe=, =Kirbe=, Kirchweih, Festlichkeit, wobei es wild hergeht; auch im »Simplicissimus« öfters gebraucht. [18] =Kuder=, Werch, Heede. [19] =aus der Küheweid=, aus seiner Heimat, in eine andere Gegend. [20] =Maultasche=, Maulschelle, statt des Ritterschlags. Das dritte Capitel. Janco vertauschet sein edles Jungferkränzlein bei einem resoluten Rittmeister um den Namen Courage. Mein Rittmeister war, wie hieroben gemeldet, ein schöner junger Cavalier, ein guter Reuter, ein guter Fechter, ein guter Tänzer, ein reuterischer Soldat und überaus sehr auf das Jagen verpicht; sonderlich mit Windhunden die Hasen zu hetzen, war sein größter Spaß. Er hatte so viel Barts ums Maul als ich, und wann er Frauenzimmerkleider angehabt hätte, so hätte ihn der Tausendste vor eine schöne Jungfrau gehalten. Aber wo komm ich hin? Ich muß meine Histori erzählen. Als Budweis und Bragoditz über, giengen beide Armeen vor Pilsen, welches sich zwar tapfer wehrete, aber hernach auch mit jämmerlichem Würgen und Aufhenken seine Straf empfieng. Von dannen ruckten sie auf Rakonitz[21], allwo es die erste Stöß im Feld setzte, die ich sahe. Und damals wünschte ich ein Mann zu sein, um dem Krieg meine Tage nachzuhängen; dann es gieng so lustig her, daß mir das Herz im Leib lachte. Und solche Begierde vermehrte mir die Schlacht auf dem Weißen Berg bei Prag, weil die Unsere einen großen Sieg erhielten und wenig Volk einbüßten. Damals machte mein Rittmeister treffliche Beuten; ich aber ließe mich nicht wie ein Page oder Kämmerling, vielweniger als ein Mägdchen, sondern wie ein Soldat gebrauchen, der an den Feind zu gehen geschworen und darvon seine Besoldung hat. Nach diesem Treffen marschiert der Herzog aus Baiern in Oesterreich, der sächsische Churfürst in die Lausnitz, und unser General Buquoy in Mähren, des Kaisers Rebellen wiederum in Gehorsam zu bringen. Und indem sich dieser letztere an seiner bei Rakonitz empfangenen Beschädigung curiren ließe, sihe, da bekam ich mitten in derselbigen Ruhe, so wir seinethalber genossen, eine Wunden in mein Herz, welche mir meines Rittmeisters Liebwürdigkeit hinein druckte; dann ich betrachtete nur diejenige Qualitäten, die ich oben von ihm erzählet, und achtete gar nicht, daß er weder lesen noch schreiben konte und im übrigen so ein roher Mensch war, daß ich bei meiner Treu schweren kan, ich hätte ihn niemalen hören oder sehen beten. Und wann ihn gleich der weise König Alphonsus[22] selbst eine schöne Bestia genant hätte, so wäre mein Liebesfeur, das ich hegte, doch nicht darvon verloschen, welches ich aber heimlich zu halten gedachte, weil mirs meine wenig übrighabende jungfräuliche Schamhaftigkeit also riethe. Es geschahe aber mit solcher Ungeduld, daß ich, unangesehen meiner Jugend, die noch keines Manns werth war, mir oft wünschte, derjenigen Stelle zu vertreten, die ich und andere Leute ihm zu Zeiten zukuppelten. So hemmte anfänglich auch nicht wenig den ungestümen und gefährlichen Ausbruch meiner Liebe, daß mein Liebster von einem edlen und namhaften Geschlecht geboren war, von dem ich mir einbilden muste, daß er keine, die ihre Eltern nicht kennete, ehelichen würde; und seine Matresse zu sein, konte ich mich nicht entschließen, weil ich täglich bei der Armee so viel Huren sahe preißmachen. Ob nun gleich dieser Krieg und Streit, den ich mit mir selber führte, mich greulich quälte, so war ich doch geil und ausgelassen darbei, ja von einer solchen Natur, daß mir weder mein innerlichs Anliegen noch die äußerliche Arbeit und Kriegsunruhe etwas zu schaffen gab. Ich hatte zwar nichts zu thun, als einzig meinem Rittmeister aufzuwarten; aber solches lernete mich die Liebe mit solchem Fleiß und Eifer verrichten, daß mein Herr tausend Eid vor einen geschworen hätte, es lebte kein treuerer Diener auf dem Erdboden. In allen Occasionen, sie wären auch so scharf gewesen, als sie immer wolten, kame ich ihme niemalen vom Rucken oder der Seiten, wiewol ichs gar nicht zu thun schuldig war, und überdas war ich allzeit willig, wo ich nur etwas zu thun wuste, das ihm gefiele. So hätte er auch gar wol aus meinem Angesicht lesen können, wann ihn nur meine Kleider nicht betrogen, daß ich ihn weit mit einer anderen als eines gemeinen Dieners Andacht geehrt und angebetet. Indessen wuchse mir mein Busen je länger je größer, und druckte mich der Schuh je länger je heftiger, dergestalt, daß ich weder von außen meine Brüste noch den innerlichen Brand im Herzen länger zu verbergen getraute. Als wir Iylau[23] bestürmet, Trebitz[24] bezwungen, Znaim zum Accord gebracht, Brün und Olmütz unter das Joch geworfen und meistenteils alle andere Städte zum Gehorsam getrieben, seind mir gute Beuten zugestanden, welche mir mein Rittmeister meiner getreuen Dienste wegen alle schenkte, wormit ich mich trefflich mundirte[25] und selbst zum allerbesten beritten machte, meinen eignen Beutel spickte und zu Zeiten bei dem Marquetentern mit den Kerln ein Maß Wein trank. Einsmals machte ich mich mit etlichen lustig, die mir aus Neid empfindliche Wort gaben, und sonderlich war ein Feindseliger darunter, der die böhmische Nation gar zu sehr schmähete und verachtete. Der Narr hielte mir vor, daß die Böhmen ein faulen Hund voller Maden vor ein stinkenden Käs gefressen hätten, und foppte mich allerdings, als wann ich persönlich darbei gewesen wäre. Derowegen kamen wir beiderseits zu Scheltworten, von den Worten zu Nasenstübern, und von den Stößen zum Rupfen und Ringen, unter welcher Arbeit mir mein Gegentheil mit der Hand in Schlitz wischte, mich bei demjenigen Geschirr zu ertappen, das ich doch nicht hatte; welcher zwar vergebliche, doch mörderische Griff mich viel mehr verdrosse, als wann er nicht leer abgangen wäre. Und eben darum wurde ich desto verbitterter, ja gleichsam halber unsinnig, also daß ich aller meiner Stärk und Geschwindigkeit zusammengebote und mich mit Kratzen, Beißen, Schlagen und Treten dergestalt wehrete, daß ich meinen Feind hinunter brachte und ihn im Angesicht also zurichtete, daß er mehr einer Teufelslarven als einem Menschen gleich sahe. Ich hätte ihn auch gar erwürgt, wann mich die andere Gesellschaft nicht von ihm gerissen und Fried gemacht hätte. Ich kam mit einem blauen Aug darvon und konte mir wol einbilden, daß der schlimme Kund gewahr worden, was Geschlechts ich gewesen; und ich glaub auch, daß ers offenbart hätte, wann er nicht gefürchtet, daß er entweder mehr Stöße bekommen oder zu denen, die er allbereit empfangen, ausgelacht worden wäre, um daß er sich von einem Mägdchen schlagen lassen. Und weil ich sorgte, er möchte noch endlich schnellen[26], sihe, so drehete ich mich aus. Mein Rittmeister war nicht zu Haus, als ich in unser Quartier kam, sondern bei einer Gesellschaft anderer Officier, mit denen er sich lustig machte, allwo er auch erfuhr, was ich vor eine Schlacht gehalten, ehe ich zu ihm kam. Er liebte mich als ein resolutes junges Bürschel, und eben darum war mein Filz[27] desto geringer; doch unterließe er nicht, mir dessentwegen einen Verweis zu geben. Als aber die Predigt am allerbesten war und er mich fragte, warum ich meinen Gegentheil so gar abscheulich zugerichtet hätte, antwortet ich: »Darum, daß er mir nach der Courage gegriffen hat, wohin sonst noch keines Mannsmenschen Hände kommen sein.« Dann ich wolte es verzwicken[28] und nicht so grob nennen, wie die Schwaben ihre zusammengelegte Messer, welche man, wann ich Meister wäre, auch nicht mehr so unhöflich, sondern unzüchtige Messer heißen müste. Und weil meine Jungfrauschaft ohnedas sich in letzten Zügen befand, zumalen ich wagen[29] muste, mein Gegentheil würde mich doch verrathen, sihe, so entblößte ich meinen schneeweißen Busen und zeigte dem Rittmeister meine anziehende harte Brüste. »Sehet, Herr«, sagte ich, »hie sehet ihr eine Jungfrau, welche sich zu Bragoditz verkleidet hat, ihre Ehr vor den Soldaten zu erretten, und demnach sie Gott und das Glück in eure Hände verfügt, so bittet sie und hofft, ihr werdet sie auch als ein ehrlicher Cavalier bei solcher ihrer hergebrachten Ehr beschützen.« Und als ich solches vorgebracht hatte, fieng ich so erbärmlich an zu weinen, daß einer drauf gestorben wäre, es sei mein gründlicher Ernst gewesen. Der Rittmeister erstaunete zwar vor Verwunderung und muste doch lachen, daß ich mit einem neuen Namen viel Farben beschrieben hatte, die mein Schild und Helm führte. Er tröstete mich gar freundlich und versprach mit gelehrten Worten, meine Ehre wie sein eigen Leben zu beschützen; mit den Werken aber bezeugte er alsobalden, daß er der erste wäre, der meinem Kränzlein nachstellte, und sein unzüchtig Gegrabel gefiele mir auch viel besser als sein ehrlichs Versprechen. Doch wehrete ich mich ritterlich, nicht zwar ihme zu entgehen oder seinen Begierden zu entrinnen, sondern ihn recht zu hetzen und noch begieriger zu machen, allermaßen mir der Poß so artlich angieng, daß ich nichts geschehen ließe, biß er mir zuvor bei Teufelholen versprach, mich zu ehelichen, unangesehen ich mir wol einbilden konte, er würde solches so wenig im Sinn haben zu halten, als den Hals abzufallen. Und nun schaue, du guter Simplex, du dörftest dir hiebevor im Sauerbrunnen vielleicht eingebildet haben, du seiest der erste gewesen, der den süßen Milchraum abgehoben! Ach nein, du Tropf, du bist betrogen; er war hin, ehe du vielleicht bist geboren worden, darum dir dann billich, weil du zu spat aufgestanden, nur der Zeiger[30] gebührt und vorbehalten worden. Aber diß ist nur Puppenwerk gegen dem zu rechnen, wie ich dich sonst angeseilt und betrogen habe, welches du an seinem Ort auch gar ordenlich von mir vernehmen solt. FUSSNOTEN: [21] =Rakonitz=, Städtchen in Böhmen, Regierungsbezirk Prag. [22] =Alphonsus=, Alfons X., König von Leon und Castilien, reg. 1252 bis 1282, genannt der Weise. Er war Gelehrter, Philosoph, Astronom. Von ihm sind die Alfonsinischen Tafeln. Alfons V. von Aragonien, gest. 1458, wie H. Kurz glaubt, ist nicht gemeint. [23] =Iylau=, Iglau, Mähren, Regierungsbezirk Brünn. [24] =Trebitz=, =Trebitsch=, =Trzebicza=, Flecken, Fähren, Kreis Iglau. [25] =mundirte=, montirte, ausrüstete. [26] =schnellen=, in die Höhe, wieder zu stehen kommen. [27] =Filz=, Schelte, Strafrede. [28] =verzwicken=, zweideutig ausdrücken. [29] =wagen=, Gefahr laufen. [30] =Zeiger=, =Zieger=, Käse. Das vierte Capitel. Courage wird darum eine Ehefrau und Rittmeisterin, weil sie gleich darauf wieder zu einer Wittib werden muste, nachdem sie vorhero den Ehestand eine Weile lediger Weise getrieben hatte. Also lebte ich nun mit meinem Rittmeister in heimlicher Liebe und versahe ihm beides die Stelle eines Kammerdieners und seines Eheweibs. Ich quälte ihn oft, daß er dermalen eins[31] sein Versprechen halten und mich zur Kirchen führen solte; aber er hatte allzeit eine Ausrede, vermittelst deren er die Sach auf die lange Bank schieben konte. Niemalen konte ich ihn besser zu Chor treiben, als wann ich eine gleichsam unsinnige Liebe gegen ihn bezeugte und darneben meine Jungfrauschaft wie des Jephthae Tochter[32] beweinte, welchen Verlust ich doch nicht dreier Heller werth schätzte. Ja ich war froh, daß mir solche als ein schwerer unträglicher Last entnommen war, weil mich nunmehr der Fürwitz verlassen. Doch brachte ich mit meiner liebreizenden Importunität so viel zuwegen, daß er mir zu Wien ein toll[33] Kleid machen ließe auf die neue Mode, wie es damalen das adeliche Frauenzimmer in Italia trug, so daß mir nichts anders manglete als die Copulation, und daß man mich einmal Frau Rittmeisterin nennete, wormit er mir eine große Hoffnung machte und mich willig behielte. Ich dorfte aber drum dasselbig Kleid nicht tragen, noch mich vor ein Weibsbild, viel weniger aber vor seine Gespons ausgeben. Und was mich zum allermeisten verdrosse, war diß, daß er mich nicht mehr Janco, auch nicht Libuschka, sondern Courage nante. Denselben Namen ähmten andere nach, ohne daß sie dessen Ursprung wusten, sondern vermeinten, mein Herr hieße mich dessentwegen also, weil ich mit einer sonderbaren Resolution und unvergleichlichen Courage in die allerärgste Feindsgefahren zu gehen pflegte. Und also muste ich schlucken, was schwer zu verdauen war. Darum, o ihr lieben Mägdchen, die ihr noch euer Ehr und Jungfrauschaft unversehrt erhalten habt, seid gewarnet und lasset euch solche so liederlich nicht hinrauben, dann mit derselbigen gehet zugleich euere Freiheit in Duckas[34] und ihr gerathet in ein solche Marter und Sclaverei, die schwerer zu erdulden ist als der Tod selbsten. Ich habs erfahren und kan wol ein Liedlein darvon singen. Der Verlust meines Kränzleins thät mir zwar nicht wehe, dann ich hab niemal kein Schloß darum zu kaufen begehrt; aber dieses gieng mir zu Herzen, daß ich mich noch deswegen foppen lassen und noch gute Wort darzu geben muste, wolte ich nicht in Sorgen leben, daß mein Rittmeister aus der Schul schwatzen und mich aller Welt zu Spott und Schand darstellen möchte. Auch ihr Kerl, die ihr mit solcher betrüglichen Schnapphahnerei umgehet, sehet euch vor, daß ihr nicht den Lohn euerer Leichtfertigkeit von denen empfahet, die ihr zu billicher Rach beweget, wie man ein Exempel zu Paris hat, allwo ein Cavalier, nachdem er eine Dame betrogen und sich folgends an ein andere verheuraten wolte, wiederum zum Beischlaf gelockt, des Nachts aber ermordet, elend zerstümmelt und zum Fenster hinaus auf die offene Straß geworfen wurde. Ich muß von mir selbst bekennen, wann mich mein Rittmeister nicht mit allerhand herzlichen Liebsbezeugungen unterhalten und mir nicht stetig Hoffnung gemacht hätte, mich noch endlich ohne allen Zweifel zu ehelichen, daß ich ihm einmal unversehens in einer Occasion ein Kugel geschenkt hätte. Indessen marschierten wir unter des Buquoy Commando in Ungarn und nahmen zum ersten Preßburg ein, allwo wir auch unsere meiste Bagage und beste Sachen hinterlegeten, weil sich mein Rittmeister versahe, wir würden mit dem Bethlen Gabor eine Feldschlacht wagen müssen. Von dannen giengen wir nach S. Georgi[35], Possing, Moder und andere Ort, welche erstlich geplündert und hernach verbrennt wurden. Tyrnau, Altenburg und fast die ganze Insul[36] nahmen wir ein, und vor Neusoll[37] kriegten wir einige Stöße, allwo nicht allein mein Rittmeister tödtlich verwundet, sondern auch unser General, der Graf Buquoy, selbsten niedergemacht wurde, welcher Tod dann verursachte, daß wir anfiengen zu fliehen, und nicht aufhöreten, biß wir nach Preßburg kamen. Daselbst pflegte ich meinem Rittmeister mit ganzem Fleiß, aber die Wundärzte prophezeiten ihm den gewissen Tod, weil ihm die Lung verwundet war. Derowegen wurde er auch durch gute Leute erinnert und dahin bewegt, daß er sich mit Gott versöhnet, dann unser Regimentscaplan war ein solcher eiferiger Seelensorger, daß er ihm keine Ruhe ließ, biß er beichtet und communicirte. Nach solchem wurde er beides durch seinen Beichtvatter und sein eigen Gewissen angespornt und getrieben, daß er mich mit ihme im Bette copuliren ließe, welches nicht seinem Leib, sondern seiner Seelen zum besten angesehen war. Und solches gieng desto ehender, weil ich ihn überredet, daß ich mich von ihm schwanger befände. So verkehrt nun gehets in der Welt her; andere nehmen Weiber, mit ihnen ehelich zu leben; dieser aber ehelichte mich, weil er wuste, daß er solte sterben. Aus diesem Verlauf musten die Leute nun glauben, daß ich ihn nicht als ein getreuer Diener, sondern als seine Matreß bedient und sein Unglück beweinet hatte. Das Kleid kam mir wol zu der Hochzeitceremonien zu Paß, welches er mir hiebevor machen lassen; ich dorfte es aber nicht lang tragen, sondern muste ein schwarzes haben, weil er nach wenig Tagen mich zur Wittib machte. Und damals gieng mirs allerdings wie jenem Weib, die bei ihres Manns Begräbnis einem ihrer Befreundten, der ihr das Leid klagte[38], zur Antwort gab: Was einer zum liebsten hat, führt einem der Teufel zum ersten hin. Ich ließe ihn seinem Stand gemäß prächtig genug begraben, dann er mir nicht allein schöne Pferd, Gewehr und Kleider, sondern auch ein schön Stück Geld hinterlassen, und um alle diese Begebenheit ließe ich mir von dem Geistlichen schriftlichen Urkund geben, der Hoffnung, dardurch von seiner Eltern Verlassenschaft noch etwas zu erhaschen. Ich konte aber auf fleißiges Nachforschen nichts anders erfahren, als daß er zwar gut edel[39] von Geburt, aber hingegen so blutarm gewesen, daß er sich elend behelfen müssen, wann ihm die Böhmen keinen Krieg geschickt oder zugericht hätten. Ich verlore aber zu Preßburg nicht allein diesen meinen Liebsten, sondern wurde auch in selbiger Stadt vom Bethlen Gabor belägert. Dieweil aber zehen Compagnien Reuter und zwei Regiment zu Fuß aus Mähren durch ein Strategema die Stadt entsetzet, Bethlen an der Eroberung verzweifelt und die Belägerung aufgehoben, habe ich mich mit einer guten Gelegenheit samt meinen Pferden, Dienern und ganzer Bagage nach Wien begeben, um von dannen wiederum in Böhmen zu kommen, zu sehen, ob ich vielleicht meine Kostfrau zu Bragoditz noch lebendig finden und von ihr erkundigen möchte, wer doch meine Eltern gewesen. Ich kützelte mich damals mit keinen geringen Gedanken, was ich nämlich vor Ehr und Ansehens haben würde, wann ich wieder nach Haus käme und so viel Pferd und Diener mitbrächte, das ich alles laut meiner Urkund im Krieg redlich und ehrlich gewonnen. FUSSNOTEN: [31] =dermalen eins=, dermaleinst. [32] Libuschka faßt die Erzählung im Buch der Richter Cap. 11 in ihrer Weise auf! [33] =toll=, auffallend. [34] =in Duckas gehen=, sprichwörtlich wie: in die Brüche gehen. [35] =Georgi=, Szt. György. [36] =die Insul=, Schütt. [37] =Neusoll=, Neusohl, Ungarn, Com. Sohl. Der Verfasser ist im Irrthum; Buquoi fiel bei der Belagerung von Neuhäusel an der Neitra 1626; vgl. die Einleitung. [38] =das Leid klagte= (eigentlich: ihr Leid beklagte), sein Beileid bezeigte. [39] =gut edel=, von gutem Adel. Das fünfte Capitel. Was die Rittmeisterin Courage in ihrem Wittibstand vor ein ehrbares züchtiges, wie auch verruchtes, gottloses Leben geführet, wie sie einem Grafen zu Willen wird, einen Ambassador um seine Pistolen bringet und sich andern mehr, um reiche Beute zu erschnappen, willig unterwirft. Weil ich meine vorhabende Reise Unsicherheit halber von Wien aus nach Bragoditz so bald nicht ins Werk zu setzen getraute, zumalen es in den Wirthshäusern grausam theur zu zehren war, als verkaufte ich mein Pferde und schaffte alle meine Diener ab, dingte mir aber hingegen eine Magd und bei einer Wittib eine Stube, Kammer und Kuchel, um genau[40] zu hausen und Gelegenheit zu erwarten, mit deren ich sicher nach Haus kommen könte. Dieselbe Wittib war ein rechtes Daus-Es[41], die nicht viel ihres Gleichen hatte. Ihre zwo Töchter aber waren unsers Volks und beides bei der Hofbursch[42] und den Kriegsofficiern wol bekant, welche mich auch bei denselben bald bekant machten, so daß dergleichen Schnapphahnen in Kürze die große Schönheit der Rittmeisterin, die sich bei ihnen enthielte[43], unter einander zu rühmen wusten. Gleich wie mir aber mein schwarzer Traurhabit ein sonderbares Ansehen und ehrbare Gravität verliehe, zumalen meine Schönheit desto höher herfür leuchten machte, also hielte ich mich auch anfänglich gar still und eingezogen. Meine Magd muste spinnen, ich aber begab mich aufs Nähen, Wirken und andere Frauenzimmerarbeit, daß es die Leute sahen; heimlich aber pflanzte ich meine Schönheit auf und konte oft eine ganze Stund vorm Spiegel stehen, zu lernen und zu begreifen, wie mir das Lachen, das Weinen, das Seufzen und andere dergleichen veränderliche Sachen anstunden. Und diese Thorheit solte mir ein genugsame Anzeigung meiner Leichtfertigkeit und eine gewisse Prophezeiung gewesen sein, daß ich meiner Wirthin Töchtern bald nachähmen würde; welche auch, damit solches bald geschehe, samt der Alten anfiengen gute Kundschaft mit mir zu machen und, mir die Zeit zu kürzen, mich oft in meinem Zimmer besuchten, da es dann solche Discurs setzte, die so jungen Dingern, wie ich war, die Frommkeit zu erhalten gar ungesund zu sein pflegen, sonderlich bei solchen Naturen, wie die meinige inclinirt gewesen. Sie wuste mit weitläufigen Umschweifen artlich herum zu kommen, und lernete meine Magd anfänglich, wie sie mich recht auf die neue Mode aufsetzen[44] und ankleiden solte. Mich selbst aber unterrichtet sie, wie ich meine weiße Haut noch weißer, und meine goldfarbe Haar noch glänzender machen solte. Und wann sie mich dann so geputzt hatte, sagte sie: es wäre immer schad, daß so ein edele Creatur immerhin in einem schwarzen Sack stecken und wie ein Turteltäublein leben solte. Das thät mir dann trefflich kirr und war Oel zu dem ohnedas brennenden Feur meiner anreizenden Begierden. Sie lehnete mir auch den »Amadis«[45], die Zeit darin zu vertreiben und Complimenten daraus zu ergreifen, und was sie sonst erdenken konte, das zu Liebeslüsten reizen machte, das ließe sie nicht unterwegen. Indessen hatten meine abgeschaffte Diener ausgesprengt und unter die Leute gebracht, was ich vor eine Rittmeisterin gewesen und wie ich zu solchem Titul kommen; und weil sie mich nicht anders zu nennen wusten, verbliebe mir der Nam Courage. Auch fieng ich nach und nach an, meines Rittmeisters zu vergessen, weil er mir nicht mehr warm gab, und indem ich sahe, daß meiner Wirthin Töchter so guten Zuschlag hatten, wurde mir das Maul allgemach nach neuer Speise wässerig, welche mir auch meine Wirthin lieber als ihr selbst gern gegönnt hätte. Doch dorfte[46] sie mir, so lang ich die Traur nicht ablegte, noch nichts dergleichen so offentlich zumuthen, weil sie sahe, daß ich die Anwürf[47], so hierauf zieleten, gar kaltsinnig annahm. Gleichwol unterließen etliche vornehme Leute nicht, ihr täglich meinetwegen anzuliegen und um ihr Haus herum zu schwärmen wie die Raubbienen um ein Immenfaß. Unter diesen war ein junger Graf, der mich neulich in der Kirchen gesehen und sich aufs äußerste verliebt hatte. Dieser spendirte trefflich, einen Zutritt zu mir zu bekommen; und damit es ihm anderwärts gelingen möchte, weil ihn meine Wirthin noch zur Zeit nicht kecklich bei mir anzubringen getraute, die er dessentwegen oft vergeblich ersucht, erkundigte er von einem meiner gewesenen Diener alle Beschaffenheit des Regiments, darunter mein Rittmeister gelebt, und als er der Officier Namen wuste, demüthigt er sich, mir aufzuwarten oder mich persönlich zu besuchen, um seinen Bekanten nachzufragen, die er sein Lebtag nicht gesehen hatte. Von dannen kam er auch auf meinen Rittmeister, von welchem er aufschnitte, daß er in der Jugend neben ihm studiert und allzeit gute Kundschaft und Vertraulichkeit mit ihm gehabt hätte, beklagte auch seinen frühezeitigen Abgang und lamentirte damit zugleich über mein Unglück, daß es mich in einer solchen zarten Jugend so bald zu einer Wittib gemacht, mit Anerbieten, da ich in irgend was seiner Hülfe bedürftig wäre, &c. Mit solchen und dergleichen Aufzügen suchte der junge Herr sein erste Kundschaft mit mir zu machen, die er auch bekam; und ob ich zwar greifen konnte, daß er im Reden irrete, dann mein Rittmeister hatte ja das geringste nicht studiert, so ließe ich mir doch seine Weise wolgefallen, weil seine Meinung dahin gieng, des abgangnen Rittmeisters Stell bei mir zu ersetzen. Doch stellte ich mich gar fremd und kaltsinnig, gab kurzen Bescheid und zwang ein zierlichs Weinen daher, bedankte mich seines Mitleidens und der anerbotenen Gnad mit so beschaffnen Complimenten, die genugsam waren, ihme anzudeuten, daß sich seine Liebe vor dißmal mit einem guten Anfang genügen lassen, er selbst aber wiederum einen ehrlichen Abscheid von mir nehmen solte. Den andern Tag schickte er seinen Laquaien, zu vernehmen, ob er mir kein Ungelegenheit machte, wann er käme mich zu besuchen. Ich ließe ihm wider sagen, er machte mir zwar keine Ungelegenheit und ich möchte seine Gegenwart auch wol leiden, allein weil es wunderliche Leute in der Welt gebe, denen alles verdächtig vorkäme, so bäte ich, er wolle meiner verschonen und mich in kein bös Geschrei bringen. Diese unhöfliche Antwort machte den Grafen nicht allein nicht zornig, sondern viel verliebter; er passierte maulhenkolisch bei dem Hause vorüber, der Hoffnung, aufs wenigst nur seine Augen zu weiden, wann er mich am Fenster sehe, aber vergeblich; ich wolte mein Waar recht theur an Mann bringen und ließe mich nicht sehen. Indessen nun dieser vor Liebe halber vergieng, legte ich meine Trauer ab und prangte in meinem andern Kleid, darin ich mich dorfte sehen lassen. Da unterließe ich nichts, das mich ziern möchte, und zohe damit die Augen und Herzen vieler großen Leut an mich, welches aber nur geschahe, wann ich zur Kirchen gieng, weil ich sonst nirgends hin kam. Ich hatte täglich viel Grüße und Botschaften von diesen und von jenen anzuhören, die alle in des Grafen Spital krank lagen[48]; aber ich bestunde so unbeweglich wie ein Felsen, biß ganz Wien nicht allein von dem Lob meiner unvergleichlichen Schönheit, sondern auch von dem Ruhm meiner Keuschheit und anderer seltenen Tugenden erfüllt ward. Da ich nun meine Sach so weit gebracht, daß man mich schier vor eine halbe Heiliginne hielte, dunkte mich Zeit sein, meinen bißher bezwungenen Begierden den Zaum einmal schießen zu lassen und die Leute in ihrer guten von mir gefaßten Meinung zu betrügen. Der Graf war der erste, dem ich Gunst bezeugte und widerfahren ließe, weil er solche zu erlangen weder Mühe noch Unkosten sparete. Er war zwar liebenswerth und liebte mich auch von Herzen, und ich hielte ihn vor den Besten unterm ganzen Haufen, mir meine Begierden zu sättigen; aber dannoch so wäre er nicht darzu kommen, wann er mir nicht gleich nach abgelegter Traur ein Stück columbinen[49] Atlas mit aller Ausstaffierung zu einem neuen Kleid geschickt und vor allen Dingen 100 Ducaten in meine Haushaltung, um daß ich mich über meines Manns Verlust desto besser trösten solte, verehrt hätte. Der ander nach ihm war eines großen Potentaten Ambassador, welcher mir die erste Nacht 60 Pistolen zu verdienen gabe. Nach diesen kamen auch andere, und zwar keine, die nicht tapfer spendieren konten, dann was arm war oder wenigst nicht gar reich und hoch, das mochte entweder draußen bleiben oder sich mit meiner Wirthin Töchtern behelfen. Und solcher Gestalt richtete ichs dahin, daß meine Mühle gleichsam nie leer stunde; ich malzerte[50] auch so meisterlich, daß ich inner Monatsfrist über 1000 Ducaten ~in specie~ zusammen brachte, ohne dasjenige, was mir an Kleinodien, Ringen, Ketten, Armbändern, Sammet, Seiden und Leinengezeug (mit Strümpfen und Handschuhen dorfte wol keiner aufziehen), auch an Victualien, Wein und anderen Sachen verehrt wurde. Und also gedachte ich mir meine Jugend fürderhin zu Nutz zu machen, weil ich wuste, daß es heißt: Ein jeder Tag bricht dir was ab Von deiner Schönheit biß ins Grab. Und es müste mich auch noch auf diese Stund reuen, wann ich weniger gethan hätte. Endlich machte ichs so grob, daß die Leute anfiengen mit Fingern auf mich zu zeigen, und ich mir wol einbilden konte, die Sach würde so in die Länge kein Gut thun; dann ich schlug zuletzt dem Geringen auch keine Reis[51] ab. Meine Wirthin war mir treulich beholfen und hatte auch ihren ehrlichen Gewinn davon. Sie lernete mich allerhand feine Künste, die nicht nur leichtfertige Weiber können, sondern auch solche, damit sich theils lose Männer schleppen, so gar daß ich mich auch fest machen und einem jeden, wann ich nur wolte, seine Büchsen zubannen konte. Und ich glaube, wann ich länger bei ihr blieben wäre, daß ich auch gar hexen gelernt hätte. Demnach ich aber getreulich gewarnet wurde, daß die Obrigkeit unser Nest ausnehmen und zerstören würde, kaufte ich mir eine Calesch und zwei Pferd, dingte einen Knecht und machte mich damit unversehens aus dem Staub, weil ich eben gute Gelegenheit hatte, sicher nach Prag zu kommen. FUSSNOTEN: [40] =genau=, sparsam. [41] =Daus-Es=, =Daus-As=, 2 und 1 im Kartenspiel = durchtriebenes Weib. [42] =Hofbursch=, Bursch = Gesellschaft, die Hofleute. [43] =sich enthalten=, sich aufhalten. [44] =aufsetzen=, frisieren und coiffieren. [45] =Amadis=, vgl. die Einleitung. [46] =dörfen=, wagen. [47] =Anwurf=, erster Angriff. [48] An derselben Krankheit litten wie der Graf, ebenso verliebt waren. [49] =columbinen=, ~colombin~, ~couleur gorge de pigeon~, taubenhalsfarbig [50] =malzern=, malzen, figürlich Ausbeute machen. [51] =Reise=, Dienst. Das sechste Capitel. Courage kommt durch wunderliche Schickung in die zweite Ehe und freiete einen Hauptmann, mit dem sie trefflich glückselig und vergnügt lebte. Ich hätte zu Prag feine Gelegenheit gehabt, mein Handwerk ferners zu treiben; aber die Begierde, meine Kostfrau zu sehen und meine Eltern zu erkundigen, triebe mich, auf Bragoditz zu reisen, welches ich als in einem befriedeten[52] Land sicher zu thun getraute. Aber potz Herz, da ich an einem Abend allbereit den Ort vor mir liegen sahe, da kamen eilf Mansfeldische Reuter, die ich, wie sonst jederman gethan hatte, vor kaiserisch und gutfreund ansahe, weil sie mit rothen Scharpen oder Feldzeichen mundirt waren. Diese packten mich an und wanderten mit mir und meinem Calesch dem Böhmerwald zu, als wann sie der Teufel selbst gejagt hätte. Ich schrei[53] zwar, als wann ich an einer Folter gehangen wäre, aber sie machten mich bald schweigen. Um Mitternacht kamen sie in eine Meierei, die einzig vorm Wald lag, allwo sie anfiengen zu füttern und mit mir umzugehen, wie zu geschehen pflegt, welches mir zwar der schlechteste Kummer war, aber es wurde ihnen gesegnet wie dem Hund das Gras; dann indem sie ihre viehische Begierden sättigten, wurden sie von einem Hauptmann, der mit dreißig Dragonern eine Convoy nach Pilsen verrichtet hatte, überfallen und, weil sie durch falsche Feldzeichen ihren Herren verläugnet, alle mit einander niedergemacht. Das Meinige hatten die Mansfeldische noch nicht gepartet[54], und demnach ich kaiserlichen Paß hatte und noch nicht 24 Stund in Feinds Gewalt gewesen, hielte ich dem Hauptmann vor, daß er mich und das Meinige vor keine rechtmäßige Beuten halten und behalten könte. Er muste es selbst bekennen, aber gleichwol, sagte er, wäre ich ihm um meiner Erlösung willen obligiert, er aber nicht zu verdenken, wann er einen solchen Schatz, den er vom Feind erobert, nicht mehr aus Händen zu lassen gedächte; seie ich eine verwittibte Rittmeisterin, wie mein Paß auswiese, so seie er ein verwittibter Hauptmann; wann mein Will darbei wäre, so würde die Beut bald getheilt sein; wo nicht, so werde er mich gleichwol mitnehmen und hernach erst mit einem jedwedern disputirn, ob die Beute rechtmäßig sei oder nicht. Hiermit ließe er genugsam scheinen, daß er allbereit den Narrn an mir gefressen, und damit er das Wasser auf seine Mühl richtete, sagte er, diesen Vortheil wolte er mir lassen, daß ich erwählen möchte, ob er die Beute unter seine ganze Bursch[55] theilen solte, oder ob ich vermittelst der Ehe samt dem Meinigen allein sein verbleiben wolte, auf welchen Fall er seine bei sich habende Leute schon bereden wolte, daß ich mit dem Meinigen keine rechtmäßige Beute, sonder ihme allein durch die Verehelichung zuständig worden wäre. Ich antwortete, wann die Wahl bei mir stünde, so begehrte ich deren keins, sondern meine Bitte wäre, sie wolten mich in meine Gewahrsam passieren lassen. Und damit fienge ich an zu weinen, als wann mirs gründlicher Ernst gewesen wäre, nach den alten Reimen: Die Weiber weinen oft mit Schmerzen, Aber es geht ihn nicht von Herzen, Sie pflegen sich nur so zu stellen; Sie können weinen, wann sie wöllen. Aber es war meine Meinung, ihm hierdurch Ursach zu geben, mich zu trösten, sich selbst aber stärker zu verlieben, sintemal mir wol bewust, daß sich die Herzen der Mannsbilder am allermeisten gegen dem weinenden und betrübten Frauenzimmer zu öffnen pflegen. Der Poß gienge mir auch an, und indem er mir zusprach und mich seiner Liebe mit hohem Betheuren versicherte, gab ich ihm das Jawort, doch mit diesem ausdrücklichen Beding und Vorbehalt, daß er mich vor der Copulation im geringsten nicht berühren solte, welches er beides verheißen und gehalten, biß wir in die Mansfeldische Befestigungen zu Weidhausen[56] ankamen, welches eben damals dem Herzogen aus Baiern vom Mannsfelder selbst per Accord übergeben worden. Und demnach meines Serviteurs heftige Liebe wegen unsers Hochzeitfests keinen längern Verzug gedulden mochte, ließe er sich mit mir ehelich zusammen geben, ehe er möchte erfahren, wormit die Courage ihr Geld verdienet, welches kein geringe Summa war. Ich war aber kaum einen Monat bei der Armee gewesen, als sich etliche hohe Officierer fanden, die mich nicht allein zu Wien gekant, sondern auch gute Kundschaft mit mir gehabt hatten. Doch waren sie so bescheiden[57], daß sie weder meine noch ihre Ehr offentlich ausschrien. Es gieng zwar so ein kleines Gemurmel um, darüber ich aber gleich wol keine sonderliche Beschwerung empfand, außer daß ich den Namen Courage wiederum gedulden muste. Sonst hatte ich einen guten geduldigen Mann, welcher sich eben so hoch über meine gelbe Batzen als wegen meiner Schönheit erfreute. Diese hielte er gesparsamer zusammen, als ich gerne sahe. Gleich wie ich aber solches geduldete, also gab er auch zu, daß ich mit Reden und Geberden gegen jederman desto freigebiger sein dorfte. Wann ihn dann jemands vexierte, daß er mit der Zeit wol Hörner kriegen dörfte, antwortet er auch im Scherz, es seie sein geringstes Anliegen; dann ob ihm gleich einer über sein Weib komme, so lasse ers jedoch bei dem, was ein solcher ausgerichtet, nicht verbleiben, sondern nehme Zeit, dieselbe fremde Arbeit wieder anders zu machen. Er hielte mir jederzeit ein trefflich Pferd, mit schönem Sattel und Zeug montirt. Ich ritte nicht wie andere Officiersfrauen in einem Weibersattel, sondern auf einem Mannssattel, und ob ich gleich überzwergs saße, so führte ich doch Pistolen und einen türkischen Säbel unter dem Schenkel, hatte auch jederzeit einen Stegreif auf der andern Seiten hangen und war im übrigen mit Hosen und einem dünnen taffeten Röcklein darüber also versehen, daß ich all Augenblick schrittling sitzen und einen jungen Reuterskerl präsentirn konte. Gab es dann eine Rencontra gegen dem Feinde, so war mir unmüglich, apart[58] nicht mit zu machen. Ich sagte vielmalen, eine Dame, die sich gegen einem Mann zu Pferd zu wehren nicht wagen dörfte, solte auch kein Plümage[59] wie ein Mann tragen. Und demnach mir es bei etlichen Betteltänzen glückte, daß ich Gefangne kriegte, die sich keine Bärnhäuter zu sein dunken, wurde ich so kühn, wann dergleichen Gefecht angieng, auch einen Carbiner oder, wie mans nennen will, ein Bandelierrohr an die Seite zu hängen und neben dem Troupen auch zweien zu begegnen, und solches desto hartnäckiger, weil ich und mein Pferd vermittelst der Kunst, die ich von vielgedachter meiner Wirthin erlernet, so hart war, daß mich keine Kugel öffnen[60] konte. So giengs und so stund es damal mit mir; ich machte mehr Beuten als mancher geschworner Soldat, welches auch Manchen und Manche verdroß; aber da fragte ich wenig nach, dann es gab mir Schmalz auf meine Suppen. Die Verträulichkeit meines sonst (gegen meiner Natur zu rechnen) ganz unvermöglichen Manns verursachte, daß ich ihm gleichwol Farb hielte, ob sich gleich Höhere als Hauptleute bei mir anmeldeten, die Stelle seines Leutenants zu vertreten, dann er ließe mir durchaus meinen Willen. Hingegen war ich nichts desto weniger bei den Gesellschaften lustig, in den Conversationen frech, aber auch gegen dem Feind so heroisch als ein Mann, im Feld so häuslich und zusammenhebig[61] als immer ein Weib, in Beobachtung der Pferde besser als ein guter Stallmeister, und in den Quartieren von solcher Prosperität, daß mich mein Hauptmann nicht besser hätte wünschen mögen. Und wann er mir zu Zeiten einzureden Ursach hatte, litte er gerne, daß ich ihm Widerpart hielte und auf meinen Kopf hinaus fuhr, weil sich unser Geld so sehr dardurch vermehrte, daß wir einen guten Particul darvon in eine vornehme Stadt zu verwahren geben musten. Und also lebte ich trefflich glückselig und vergnügt, hätte mir auch meine Tage keinen anderen Handel gewünscht, wann nur mein Mann etwas besser beritten gewest wäre. Aber das Glück oder mein Fatum ließe mich nicht lang in solchem Stand, dann nachdem mir mein Hauptmann bei Wißlach todt geschossen wurde, sihe, so ward ich wiederum in einer kurzen Zeit zu einer Wittib. FUSSNOTEN: [52] =befriedet=, wo Frieden ist. [53] =schrei=, schrie (mhd. ~schrei~, ~part.~ von ~schrien~). [54] =gepartet=, getheilt (von der Beute). [55] =Bursch=, Gesellschaft, Haufen. [56] =Weidhausen=. Vgl. die Einleitung. [57] =bescheiden=, verständig, discret. [58] =apart=, abgesondert, allein. [59] =Plümage=, Federbusch. [60] =öffnen=, in etwas eindringen, verwunden. [61] =zusammenhebig=, haushälterisch, wirtschaftlich. Das siebente Capitel. Courage schreitet zur dritten Ehe und wird aus einer Hauptmännin eine Leutenantin, triffts aber nicht so wol als vorhero, schlägt sich mit ihrem Leutenant um die Hosen mit Prügeln und gewinnet solche durch ihre tapfere Resolution und Courage; darauf sich ihr Mann unsichtbar macht und sie sitzen läßt. Mein Mann war kaum kalt und begraben, da hatte ich schon wiederum ein ganz Dutzend Freier und die Wahl darunter, welchen ich aus ihnen nehmen wolte, dann ich war nicht allein schön und jung, sondern hatte auch schöne Pferd und ziemlich viel alt Geld, und ob ich mich gleich vernehmen ließe, daß ich meinem Hauptmann sel. zu Ehren noch ein halb Jahr trauren wolte, so konte ich jedoch die importune Hummeln, die um mich wie um einen fetten Honighafen, der keinen Deckel hat, herum schwärmten, nicht abtreiben. Der Obriste versprach mir bei dem Regiment Unterhalt und Quartier, biß ich mein Gelegenheit anders anstellte; hingegen ließe ich zween von meinen Knechten Herrendienste versehen, und wann es Gelegenheit gab, bei deren ich vor mein Person vom Feind etwas zu erschnappen getraute, so sparte ich meine Haut so wenig als ein Soldat, allermaßen ich in dem anmuthigen und fast lustigen Treffen bei Wimpfen einen Leutenant und im Nachhauen unweit Heilbrunn einen Cornet samt seiner Standart gefangen bekommen. Meine beide Knechte aber haben bei Plünderung der Wägen ziemliche Beuten an baarem Geld gemacht, welche sie unserem Accord gemäß mit mir theilen musten. Nach dieser Schlacht bekam ich mehr Liebhaber als zuvor, und demnach ich bei meinem vorigen Mann mehr gute Täge als gute Nächte gehabt, zumalen wider meinen Willen seit seinem Tod gefastet, sihe, so gedachte ich, durch meine Wahl alle solche Versaumnus wieder einzubringen, und versprach mich einem Leutenant, der meinem Bedunken nach alle seine Mitbuhler beides an Schönheit, Jugend, Verstand und Tapferkeit übertraf. Dieser war von Geburt ein Italianer und zwar schwarz von Haaren, aber weiß von Haut und in meinen Augen so schön, daß ihn kein Maler hätte schöner malen können. Er bewiese gegen mir fast eine Hundsdemuth, biß er mich erlöffelt, und da er das Jawort hinweg hatte, stellte er sich so Freuden voll, als wann Gott die ganze Welt beraubt und ihn allein beseligt hätte. Wir wurden in der Pfalz copuliert und hatten die Ehre, daß der Obriste selbst neben den meisten hohen Officiern des Regiments bei der Hochzeit erschienen, die uns alle vergeblich viel Glück in eine langwürige Ehe wünschten. Dann nachdem wir nach der ersten Nacht bei Aufgang der Sonnen beisammen lagen, zu faulenzen, und uns mit allerhand liebreichem und freundlichem Gespräch unterhielten, ich auch eben aufzustehen vermeinte, da rufte mein Leutenant seinem Jungen zu sich vors Bette und befahl ihm, daß er zween starke Prügel herbei bringen solte. Er war gehorsam, und ich bildete mir ein, der arme Schelm würde dieselbe am allerersten versuchen müssen, unterließe derowegen nicht, vor den Jungen zu bitten, biß er beide Prügel brachte und auf empfangenen Befelch auf den Tisch zum Nachtzeug legte. Als nun der Jung wieder hinweg war, sagte mein Hochzeiter zu mir: »Ja, Liebste, ihr wißt, daß jederman davor gehalten und geglaubt, ihr hättet bei euers vorigen Manns Lebzeiten die Hosen getragen, welches ihme dann bei ehrlichen Gesellschaften zu nicht geringer Beschimpfung nachgeredet worden. Weil ich dann nicht unbillich zu besorgen habe, ihr möchtet in solcher Gewohnheit verharren und auch die meinige tragen wollen, welches mir aber zu leiden unmüglich oder doch sonst schwer fallen würde, sehet, so liegen sie dorten auf dem Tische und jene zween Prügel zu dem Ende darbei, damit wir beide uns, wann ihr sie etwan wie vor diesem euch zuschreiben und behaupten woltet, zuvor darum schlagen könten; sintemal mein Schatz selbst erachten kan, daß es besser gethan ist, sie fallen gleich jetzt im Anfang dem einen oder andern Theil zu, als wann wir hernach in stehender Ehe täglich darum kriegen.« Ich antwortete: »Mein Liebster!« -- und damit gab ich ihm gar einen herzlichen Kuß -- »ich hätte vermeint gehabt, diejenige Schlacht, so wir einander vor dißmal zu liefern, seie allbereit gehalten. So hab ich auch niemalen in Sinn genommen, euere Hosen zu prätendirn; sondern, gleich wie ich wol weiß, daß das Weib nicht aus des Manns Haupt, aber wol aus seiner Seiten genommen worden, also habe ich gehofft, meinem Herzliebsten werde solches auch bekant sein, und er werde derowegen sich meines Herkommens erinnern und mich nicht, als wann ich von seinen Fußsohlen genommen worden wäre, vor sein Fußtuch, sondern vor sein Ehegemahl halten, vornehmlich, wann ich mich auch nicht unterstünde, ihme auf den Kopf zu sitzen, sondern mich an seiner Seiten behülfe, mit demüthiger Bitte, er wolte diese abenteurliche Fechtschul einstellen.« »Ha ha«, sagte er, »das sein die rechte Weibergriffe, die Herrschaft zu sich zu reißen, ehe mans gewahr wird. Aber es muß zuvor darum gefochten sein, damit ich wisse, wer dem anderen künftig zu gehorsamen schuldig.« Und damit warfe er sich aus meinen Armen wie ein anderer Narr. Ich aber sprang aus dem Bette und legte mein Hemd und Schlafhosen an, erwischte den kürzsten, aber doch den stärksten Prügel und sagte: »Weil ihr mir je zu fechten befehlet und dem obsiegenden Theil die Oberherrlichkeit, an die ich doch keine Ansprach zu haben begehrt, über den Ueberwundenen zusprecht, so wäre ich wol närrisch, wann ich eine Gelegenheit aus Händen ließe, etwas zu erhalten, daran ich sonst nicht gedenken dörfte.« Er hingegen auch nicht faul, dann nachdem ich also seiner wartete und er sein Hosen auch angelegt, ertappete er den andern Prügel und gedachte mich beim Kopf zu fassen, um mir alsdann den Buckel fein mit guter Muße abzuraumen. Aber ich war ihm viel zu geschwind, dann ehe er sichs versahe, hatte er eins am Kopf, davon er hinaus dürmelte[62], wie ein Ochs, dem ein Streich worden. Ich raffte die zween Stecken zusammen, sie zur Thür hinaus zu werfen, und da ich solche öffnete, stunden etliche Officier darvor, die unserem Handel zugehöret und zum Theil durch einen Spalt zugesehen hatten. Diese ließe ich lachen, so lang sie mochten, schlug die Thür vor ihnen wieder zu, warf meinen Rock um mich und brachte meinen Tropfen, meinen Hochzeiter wolte ich sagen, mit Wasser aus einem Lavor[63] wieder zu sich selbst. Und da ich ihn zum Tische gesetzt und mich ein wenig angekleidet hatte, ließe ich die Officier vor der Thür auch zu uns ins Zimmer kommen. Wie wir einander allerseits angesehen, mag jeder bei sich selbst erachten. Ich merkte wol, daß mein Hochzeiter diese Officier veranlaßt, daß sie sich um diese Zeit vorn Zimmer einstellen und seiner Thorheit Zeugen sein solten; dann als sie den Hegel[64] gefoppet, er würde mir die Hosen lassen müssen, hatte er sich gegen ihnen gerühmt, daß er einen sonderbaren Vortheil[65] wisse, welchen er den ersten Morgen ins Werk setzen und mich dardurch so geschmeidig machen wolte, daß ich zittern würde, wann er mich nur schel ansehe. Aber der gute Mensch hätte es gegen einer anderen als der Courage probirn mögen; gegen mir hat er so viel ausgerichtet, daß er jedermans Gespött worden, und ich hätte nicht mit ihm gehauset, wann mirs nicht von Höheren befohlen und auferlegt worden wäre. Wie wir aber miteinander gelebet, kan sich jeder leicht einbilden, nämlich wie Hund und Katzen. Als er sich nun anderer Gestalt an mir nicht revangirn und auch das Gespött der Leute nicht mehr gedulden konte, rappelte er einsmals alle meine Baarschaft zusammen und gieng mit den dreien besten Pferden und einem Knecht zum Gegentheil[66] Das achte Capitel. Courage hält sich in einer Occasion trefflich frisch, haut einem Soldaten den Kopf ab, bekommt einen Major gefangen und erfährt, daß ihr Leutenant als ein meineidiger Ueberlaufer gefangen und gehenket worden. Also wurde ich nun zu einer Halbwittib, welcher Stand viel elender ist, als wann eine gar keinen Mann hat. Etliche argwohneten, ich würde ihm folgen und wir hätten unsere Flucht also mit einander angelegt. Da ich aber den Obristen um Rath und Befelch fragte, wie ich mich verhalten solte, sagte er, ich möchte bei dem Regiment verbleiben, so wolte er mich, so lang ich mich ehrlich hielte, wie andere Witweiber verpflegen lassen. Und damit benahme ich jederman den gedachten Argwohn. Ich muste mich ziemlich schmal behelfen, weil mein Baarschaft ausgeflogen und meine stattliche Soldatenpferd fort waren, auf denen ich auch manche stattliche Beut gemacht; doch ließe ich meine Armuth nicht merken, damit mir keine Verachtung zuwüchse. Meine beide Knechte, die Herrndienste versahen, hatte ich noch samt einem Jungen und noch etlichen Schindmären oder Bagagepferden; davon und von meiner Männerbagage versilberte ich, was Geld galte, und machte mich wieder trefflich beritten. Ich dorfte zwar als ein Weib auf keine Partei reiten, aber unter den Fouragierern fande sich nicht meines gleichen. Ich wünschte mir oft wieder eine Battalia wie vor Wimpfen, aber was halfs? Ich muste der Zeit erwarten, weil man mir zu Gefallen doch keine Schlacht gehalten, wann ichs gleich begehrt hätte. Damit ich aber gleichwol auch wiederum zu Geld kommen möchte, dessen es auf dem Fouragieren selten setzte, ließe ich, beides um solches zu verdienen und meinen Ausreißer um seine Untreu zu bezahlen, mich von denen treffen, die spendierten; und also brachte ich mich durch und dingte mir noch einen starken Jungen zum Knecht, der mir muste helfen stehlen, wann die andere beide musten wachen. Das trieb ich so fort, biß wir den Braunschweiger über den Mayn jagten und viel der Seinigen darin ersäuften, in welchem Treffen ich mich unter die Unserige mischte und in meines Obristen Gegenwart dergestalt erzeigte, daß er solche Tapferkeit von keinem Mannsbild geglaubt hätte; dann ich nahme in der Caracole[67] einen Major vom Gegentheil vor seinem Troupen hinweg, als er die Charge redoupliren wolte; und als ihn einer von den Seinigen zu erretten gedachte und mir zu solchem Ende eine Pistol an den Kopf losbrennete, daß mir Hut und Federn darvon stobe, bezahlte ich ihn dergestalt mit meinem Säbel, daß er noch etliche Schritte ohne Kopf mit mir ritte, welches beides verwunderlich und abscheulich anzusehen war. Nachdem nun dieselbe Esquadron getrennet und in die Flucht gewendet worden, mir auch der Major einen ziemlichen Stumpen Goldsorten samt einer güldenen Ketten und kostbarlichen Ring vor sein Leben gegeben hatte, ließe ich meinen Jungen das Pferd mit ihm vertauschen und lieferte ihn den Unserigen in Sicherheit, begab mich darauf an die zerbrochne Brucken, allwo es in dem Wasser an ein erbärmlichs Ersaufen und auf dem Land an ein grausams Niedermachen gieng; und alldieweil noch ein jeder bei seinem Troupen bleiben muste, so viel immer möglich, packte ich eine Gutsche mit sechs schönen Bräunen an, auf welcher weder Geld noch lebendige Personen, aber wol zwo Kisten mit kostbaren Kleidern und weißem Zeug sich befanden. Ich brachte sie mit meines Knechts oder Jungen Hülf dahin, wo ich den Major gelassen hatte, welcher sich schier zu Tod kränkte, daß er von einem solchen jungen Weib gefangen worden. Da er aber sahe, daß so wol in meinen Hosensäcken als in den Halftern Pistolen staken, die ich samt meinem Carbiner dort wieder lude und fertig machte, auch hörete, was ich hiebevor bei Wimpfen ausgerichtet, gab er sich wiederum etwas zufrieden und sagte, der Teufel möchte mit so einer Hexen etwas zu schaffen haben! Ich gieng mit meinem Jungen, den ich eben so fest als mich und mein Pferd gemacht hatte, hin, noch mehr Beuten zu erschnappen, fande aber den Obristleutenant von unserem Regiment dort unter seinem Pferde liegen, der mich kante und um Hülf anschriee. Ich packte ihn auf meines Jungen Pferd und führte ihn zu den Unserigen in meine erst eroberte Gutsche, alda er meinem gefangnen Major Gesellschaft leisten muste. Es ist nicht zu glauben, wie ich nach dieser Schlacht so wol von meinen Neidern als meinen Gönnern gelobt wurde. Beide Theil sagten, ich wäre der Teufel selber; und eben damals war mein höchster Wunsch, daß ich nur kein Weibsbild wäre. Aber was wars drum? Es war null und verhümpelt[68]. Ich gedachte oft, mich vor einen Hermaphroditen auszugeben, ob ich vielleicht dardurch erlangen möchte, offentlich Hosen zu tragen und vor einen jungen Kerl zu passirn; hergegen hatte ich aber durch meine unmäßige Begierden so viel Kerl empfinden lassen, wer ich wäre, daß ich das Herz nicht hatte, ins Werk zu setzen, was ich gerne gewolt, dann so viel Zeugen würden sonst ein anders von mir gesagt und verursacht haben, daß es dahin kommen wäre, daß mich beides Medici und Hebammen beschauen müsten. Behalfe mich derowegen, wie ich konte, und wann man mir viel verweisen wolte, antwortet ich, es wären wol ehe Amazones gewesen, die so ritterlich als die Männer gegen ihren Feinden gefochten hätten. Damit ich nun des Obristen Gnad erhalten und von ihme wider meine Mißgönstige beschützt werden möchte, präsentirte ich ihm neben dem Gefangnen auch meine Gutsche mit samt den Pferden, darvor er mir 200 Reichsthaler verehrete, welches Geld ich samt dem, was ich sonst auf ein neues erschnappt und sonst verdienet hatte, abermal in einer namhaften Stadt verwahrte. Indem wir nun Mannheim eingenommen und Frankenthal noch belagert hielten, und also den Meister in der Pfalz spielten, sihe, da schlugen Corduba und der von Anhalt abermal den Braunschweiger und Mannsfelder bei Floreack, in welchem Treffen mein ausgerissener Mann der Leutenant gefangen, von den Unserigen erkant und als ein meineidiger Ueberläufer mit seinem allerbesten Hals an einen Baum geknüpft worden, wordurch ich zwar wieder von meinem Mann erlöst und zu einer Wittib ward. Ich bekam aber so ein Haufen Feinde, die da sagten, die Strahlhex[69] hat den armen Teufel ums Leben gebracht, daß ich ihm das Leben gern länger gönnen und mich noch ein Weil mit ihm gedulden mögen, biß er gleichwol anderwärts ins Gras gebissen und einen ehrlichern Tod genommen, wann es nur hätte sein können. FUSSNOTEN: [62] =dürmeln=, türmeln, taumeln. [63] =Lavor=, ~lavoir~, Waschbecken. [64] =Hegel=, Hag, Zuchtstier. [65] =Vortheil=, List. [66] =Gegentheil=, Gegenpartei, Feind. [67] =Caracole=, Schwenkung einer Schwadron auf die linke oder rechte Seite. [68] =verhümpelt=, verpfuscht. [69] =Strahlhexe=, wie Blitzhexe, Wetterhexe. Das neunte Capitel. Courage quittiert den Krieg, nachdem ihr kein Stern mehr leuchten will und sie fast von jederman vor einen Spott gehalten wird. Also kam es nach und nach dahin, daß ich mich je länger je mehr leiden[70] muste. Meine Knechte wurden mir verführt, weil zu ihnen gesagt wurde: »Pfui Teufel, wie möcht ihr Kerl einer solchen Vettel dienen!« Ich hoffte, wieder einen Mann zu bekommen; aber ein jeder sagte: »Nim du sie! Ich begehr ihrer nicht.« Was ehrlich gesinnet war, schüttelt den Kopf über mich, und also thäten auch beinahe alle Officier; was aber geringe Leut und schlechte Potentaten waren, die dorften sich nicht bei mir anmelden, so hätte ich ohnedas auch keinen aus denselbigen angesehen. Ich empfande zwar nicht am Hals, wie mein Mann, was unser närrisch Fechten ausgerichtet; aber doch hatte ich länger daran als er am Henken zu verdauen. Ich wäre gerne in eine andere Haut geschloffen[71], aber beides die Gewohnheit und meine tägliche Gesellschaften wolten mir keine Besserung zulassen, wie dann die allermeiste Leute in Krieg viel eher ärger als frömmer zu werden pflegen. Ich putzte mich wieder und richtete dem einen und andern allerhand Netz und Strick, ob ich etwan diesen oder jenen anseilen und ins Garn bringen möchte; aber es half nichts; ich war schon allbereit viel zu tief im Geschrei; man kante die Courage schon allerdings bei der ganzen Armee, und wo ich bei den Regimentern vorüber ritte, wurde mir meine Ehre durch viel tausend Stimmen offentlich ausgerufen, also daß ich mich schier wie ein Nachteule bei Tage nicht mehr dorfte sehen lassen. Im Marschieren äußerten[72] mich ehrliche Weiber; das Lumpengesindel beim Troß schuhriegelte[73] mich sonst; und was etwan vor ledige Officier wegen ihrer Nachtweid mich gern geschützt hätten, musten bei den Regimentern bleiben, bei welchen mir aber durch ihr schändlichs Geschrei mit der allerschärfsten Laugen aufgegossen ward, also daß ich wol sahe, daß meine Sach so in die Länge kein Gut mehr thun werde. Etliche Officier hatte ich noch zu Freunden, die aber nicht meinen, sondern ihren Nutzen suchten. Theils suchten ihre Wollüste, theils mein Geld, andere meine schöne Pferd. Sie alle aber machten mir Ungelegenheit mit Schmarotzen, und war doch keiner, der mich zu heurathen begehrte, entweder daß sie sich meiner schämten, oder daß sie mir eine unglückliche Eigenschaft zuschrieben, die alle meinen Männern schädlich wäre, oder aber daß sie sich sonst, ich weiß nicht warum, vor mir förchteten. Derowegen beschlosse ich mit mir selbsten, nicht nur diß Regiment, sondern auch die Armada, ja den ganzen Krieg zu quittirn, und konte es auch um so viel desto leichter ins Werk setzen, weil die hohe Officier meiner vorlängst gern los gewesen wären. Ja ich kan mich auch nicht überreden lassen, zu glauben, daß sich unter andern ehrlichen Leuten viel gefunden haben, die um meine Hinfahrt viel geweinet, es seien dann etliche wenige junge Schnapper ledigs Stands unter den mittelmäßigen Officiern gewest, denen ich zu Zeiten etwan ein paar Schlafhosen gewaschen. Der Obriste hatte den Ruhm nicht gern, daß seine schöne Gutsche durch die Courage vom Feind erobert und ihm verehrt worden sein solte. Daß ich den verwundeten Obristleutenant aus der Battalia und Todsgefahr errettet und zu den Unserigen geführt, darvon schriebe er ihm so wenig Ehr zu, daß er mir meiner Mühe nicht allein mit »Potz-Velten« dankte, sondern auch, wann er mich sahe, mit griesgramenden Minen erröthet und mir, wie leicht zu gedenken, lauter Glück und Heil an den Hals wünschte. Das Frauenzimmer oder die Officiersweiber hasseten mich, weil ich weit schöner war als eine unter dem ganzen Regiment, zumalen theils ihren Männern auch besser gefiele, und beides hohe und niedere Soldaten waren mir feind, um daß ich trutz einem unter ihnen allen das Herz hatte, etwas zu unterstehen und ins Werk zu setzen, das die gröste Tapferkeit und verwegneste Hazarde erfordert, und darüber sonst manchen das Kalte Wehe[74] angestoßen hätte. Gleich wie ich nun leicht merkte, daß ich viel mehr Feinde als Freunde hatte, also konte ich mir auch wol einbilden, es würde ein jedwedere von meiner widerwärtigen Gattung gar nicht unterlassen, mir auf ihre sonderbare[75] Manier eins anzumachen, wann sich nur die Gelegenheit darzu ereignet. O Courage, sagte ich zu mir selbst, wie wilst du so vielen unterschiedlichen Feinden entgehen können, von denen vielleicht ein jeder seinen besonderen Anschlag auf dich hat? Wann du sonst nichts hättest als deine schöne Pferde, deine schöne Kleider, dein schönes Gewehr und den Glauben, daß du viel Geld bei dir habest, so wären es Feinde genug, einige Kerl anzuhetzen, dich heimlich hinzurichten.[76] Wie, wann dich dergleichen Kerl ermordeten oder in einer Occasion niedermachten, was würde wol für ein Hahn darnach krähen? Wer würde deinen Tod rächen? Was, soltest du auch wol deinen eigenen Knechten trauen dörfen? Mit dergleichen Sorgen quälte ich mich selbst und fragte mich auch selbst, was Raths, weil ich sonst niemand hatte, ders treulich mit mir meinete. Und eben deswegen muste ich mir auch selbst folgen. Demnach sprach ich den Obristen um einen Paß an in die nächste Reichsstadt, die mir eben an der Hand stunde und wolgelegen war, mich von dem Kriegsvolk zu retiriern. Den erlangte ich nicht allein ohne große Mühe, sondern noch an Statt eines Abschieds einen Urkund, daß ich einem Hauptmann vom Regiment, dann von meinem letzten Mann begehrte ich keinen Ruhm zu haben, ehrlich verheurathet gewesen und, als ich solchen vorm Feind verloren, mich eine Zeit lang bei dem Regiment aufgehalten und in solcher währenden Zeit also wol, fromm und ehrlich gehalten, wie einer rechtschaffnen ehr- und tugendliebenden Damen gebühre und wolanständig seie, mich derowegen jedermänniglichen um solchen meines untadelhaften tugendlichen Wandels willen bestens recommendirend. Und solche fette Lügen wurden mit eigenhändiger Subscription und beigedrucktem Sigill in bester Form bekräftigt. Solches lasse sich aber niemand wundern, dann je schlimmer sich einer hält, und je lieber man eines gerne los wäre, je trefflicher wird der Abschied sein, den man einem solchen mit auf den Weg gibt, sonderlich wann derselbe zugleich sein Lohn sein muß. Einen Knecht und ein Pferd ließe ich dem Obristen unter seiner Compagnie, welcher trutz einem Officier mundirt war, um meine Dankbarkeit darmit zu bezeugen; hingegen brachte ich einen Knecht, einen Jungen, eine Magd, sechs schöne Pferd, darunter das eine 100 Ducaten werth gewesen, samt einem wolgespickten Wagen darvon, und kan ich bei meinem großen Gewissen (etliche nennen es ein weites Gewissen) nicht sagen, mit welcher Faust ich alle diese Sachen erobert und zuwegen gebracht habe. Da ich nun mich und das Meinige in bemeldte Stadt in Sicherheit gebracht hatte, versilberte ich meine Pferd und gab sonst alles hinweg, was Geld golte und ich nicht gar nöthig brauchte. Mein Gesind schaffte ich auch mit einander ab, einen geringen Kosten zu haben. Gleich wie mirs aber zu Wien war gangen, also gieng mirs auch hier; ich konte abermal des Namens Courage nicht los werden, wiewol ich ihn unter allen meinen Sachen am allerwolfeilsten hinweggeben hätte; dann meine alte oder vielmehr die junge Kunden von der Armee ritten mir zu Gefallen in die Stadt und fragten mir mit solchem Namen nach, welchen auch die Kinder auf der Gassen ehender als das Vatterunser lerneten, und eben darum wiese ich meinen Galanen die Feigen. Als aber hingegen diese den Stadtleuten erzählten, was ich vor ein Daus-Es wäre, so erwiese ich hinwiederum denselben ein anders mit Brief und Siegel und beredet sie, die Officier geben keiner andern Ursachen halber solche lose Stück von mir aus, als weil ich nicht beschaffen sein wolte, wie sie mich gerne hätten. Und dergestalt bisse ich mich zimlich heraus und brachte vermittelst meiner guten schriftlichen Zeugnis zuwegen, daß mich die Stadt, biß ich meine Gelegenheit anders machen konte, um ein gerings Schirmgeld in ihren Schutz nahm, allwo ich mich dann wider meinen Willen gar ehrbarlich, fromm, still und eingezogen hielte und meiner Schönheit, die je länger je mehr zunahm, aufs beste pflegte, der Hoffnung, mit der Zeit wiederum einen wackern Mann zu bekommen. FUSSNOTEN: [70] =sich leiden=, Verdruß und Aerger haben. [71] =geschloffen=, ~part. praet.~ zu =schliefen=, schlüpfen, kriechen. [72] =äußern=, ~trans.~ meiden. [73] =schuhriegeln=, Verdruß bereiten. [74] =das Kalte Wehe=, auch bloß das »Kalte«, das kalte Fieber. [75] =sonderbare=, besondere, eigenthümliche. [76] =hinrichten=, tödten, in diesem Sinne immer in Grimmelshausen's Schriften. Das zehnte Capitel. Courage erfährt, wer ihre Eltern gewesen, und bekommt wieder einen andern Mann. Aber ich hätte lang harren müssen, biß mir etwas Rechts angebissen, dann die gute Geschlechter[77] verblieben bei ihres gleichen, und was sonst reich war, konte auch sonst reiche und schöne und vornehmlich (welches man damals noch in etwas beobachtete) auch ehrliche Jungfrauen zu Weibern haben, also daß sie nicht bedorften, sich an eine verlassene Soldatenhur zu henken. Hingegen waren etliche, die entweder Banquerot gemacht oder bald zu machen gedachten; die wolten zwar mein Geld, ich wolte aber darum sie nicht. Die Handwerksleut waren mir ohnedas zu schlecht. Und damit blieb ich ein ganz Jahr sitzen, welches mir länger zu gedulden gar schwer und ganz wider die Natur war, sintemal ich von der guten Sache, die ich genosse, ganz kützelig wurde; dann ich brauchte mein Geld, so ich hie und dort in den großen Städten hatte, den Kauf- und Wechselherren zuzeiten beizuschießen[78], daraus ich so ein ehrlich Gewinnchen erhielte, daß ich ziemliche gute Tag davon haben konte und nichts von der Hauptsumma verzehren dorfte. Weilen es mir dann an einem andern Ort mangelte und meine schwache Beine diese gute Sache nicht mehr ertragen konten oder wolten, machte ich mein Geld per Wechsel auf Prag, mich selbst aber mit etlichen Kaufherren hernach und suchte Zuflucht bei meiner Kostfrauen zu Bragoditz, ob mir vielleicht alldorten ein besser Glück anstehen möchte. Dieselbe fande ich gar arm, weder[79] ich sie verlassen, dann der Krieg hatte sie nit allein sehr verderbt[80], sondern sie hatte auch allbereit vor dem Krieg mit mir, und ich nit mit ihr gezehret. Sie freuete sich meiner Ankunft gar sehr, vornehmlich als sie sahe, daß ich nicht mit leerer Hand angestochen kam; ihr erstes Willkommenheißen aber war doch lauter Weinen; und indem sie mich küßte, nennete sie mich zugleich ein unglückseliges Fräulin, welches seinem Herkommen gemäß schwerlich würde sein Leben und Stand führen mögen, mit fernerem Anhang, daß sie mir fürderhin nit mehr wie vor diesem zu helfen, zu rathen und vorzustehen wisse, weil meine beste Freund und Verwandten entweder verjagt oder gar todt wären. Und überdas sagte sie, würde ich mich schwerlich vor den Kaiserlichen dörfen sehen lassen, wann sie meinen Ursprung wissen wolten. Und damit heulete sie immer fort, also daß ich mich in ihre Rede nicht richten, noch begreifen konte, ob es gehauen oder gestochen, gebrant oder gebohrt wäre. Da ich sie aber mit Essen und Trinken, dann die gute Tröpfin muste den jämmerlichen Schmalhansen in ihrem Quartier beherbergen, wiederum gelabt und also zurecht gebracht, daß sie schier ein Tummel[81] hatte, erzählte sie mir mein Herkommen gar offenherzig und sagte, daß mein natürlicher Vatter ein Graf und vor wenig Jahren der gewaltigste Herr im ganzen Königreich gewesen, nunmehr aber wegen seiner Rebellion wider den Kaiser des Lands vertrieben worden[82] und, wie die Zeitungen mitgebracht, jetzunder an der türkischen Porten sei, alda er auch so gar sein christliche Religion in die türkische verändert haben solle. Meine Mutter, sagte sie, sei zwar von ehrlichem Geschlecht geboren, aber eben so arm als schön gewesen. Sie hätte sich bei des gedachten Grafen Gemahlin vor eine Staatsjungfer aufgehalten, und indem sie der Gräfin aufgewartet, wäre der Graf selbst ihr Leibeigener worden, und hätte solche Dienste getrieben, biß er sie auf einen adelichen Sitz verschafft, da sie mit mir niederkommen; und weilen eben damals sie, meine Kostfrau, auch einen jungen Sohn entwöhnet, den sie mit desselbigen Schlosses Edelmann erzeugt, hätte sie meine Säugamme werden und mich folgends zu Bragoditz adelich auferziehen müssen, worzu dann beides Vatter und Mutter genugsame Mittel und Unterhaltung hergeben. »Ihr seid zwar, liebes Fräulin«, sagte sie ferner, »einem tapferen Edelmann von euerem Vatter versprochen worden, derselbe ist aber bei Eroberung von Pilsen gefangen und als ein Meineidiger neben andern mehr durch die Kaiserlichen aufgehenkt worden.« Also erfuhr ich, was ich vorlängst zu wissen gewünscht, und wünschte doch nunmehr, daß ichs niemal erfahren hätte; sintemal ich so schlechten Nutzen von meiner hohen Geburt zu hoffen. Und weil ich keinen andern und bessern Rath wuste, so machte ich einen Accord mit meiner Säugamm, daß sie hinfort meine Mutter und ich ihre Tochter sein solte. Sie war viel schlauer als ich, derowegen zog ich auch auf ihren Rath mit ihr von Bragoditz auf Prag; nicht allein zwar, daß wir den Bekanten aus den Augen kämen, sondern zu sehen, ob uns vielleicht alldorten ein anders Glück anscheinen möchte. Im übrigen so waren wir recht vor einander, nicht daß sie hätte kupplen und ich huren sollen, sondern weil sie eine Ernährerin, ich aber eine getreue Person bedorfte, gleich wie diese eine gewesen, deren ich beides Ehr und Gut vertrauen konte. Ich hatte ohne Kleider und Geschmuck bei 3000 Reichsthaler baar Geld beieinander und dannenhero damals keine Ursach, durch schändlichen Gewinn meine Nahrung zu suchen. Meine neue Mutter kleidete ich wie eine ehrbare alte Matron, hielte sie selbst in großen Ehren und erzeigte ihr vor den Leuten allen Gehorsam. Wir gaben uns vor Leute aus, die auf der teutschen Grenz durch den Krieg vertrieben worden wären, suchten unseren Gewinn mit Nähen, auch Gold-, Silber- und Seidensticken, und hielten uns im übrigen gar still und eingezogen, meine Batzen genau zusammen haltend, weil man solche zu verthun pflegt, ehe mans vermeint, und deren keine andere kan gewinnen, wann man gern wolte. Nun, diß wäre ein feines Leben gewest, das wir führten, ja gleichsam ein klösterliches, wann uns nur die Beständigkeit nicht abgangen wäre. Ich bekam bald Buhler; etliche suchten mich wie das Frauenzimmer im Bordell, und andere Tropfen, die mir meine Ehre nit zu bezahlen getrauten, sagten mir viel vom Heurathen, beide Theil aber wolten mich bereden, sie würden durch die grausame Liebe, die sie zu mir trügen, zu ihren Begierden angesporet. Ich hätte aber keinem geglaubt, wann ich selbst ein keusche Ader in mir gehabt. Es gieng halt nach dem alten Sprichwort: Gleich und gleich gesellt sich gern; dann gleich wie man sagt, das Stroh in den Schuhen, ein Spindel im Sack und eine Hur im Haus läßt sich nicht verbergen, also wurde ich auch gleich bekant und wegen meiner Schönheit überal berühmt. Dannenhero bekamen wir viel zu stricken, und unter anderem von einem Hauptmann ein Wehrgehenk, welcher vorgabe, daß er vor Liebe in den letzten Züge läge. Hingegen wuste ich ihm von der Keuschheit so ein Haufen aufzuschneiden, daß er sich stellte, als wolte er gar verzweifeln; dann ich ermaße die Beschaffenheit und das Vermögen meiner Kunden nach der Regul meines Wirths zum Guldenen Löwen zu N. Dieser sagte: Wann mir ein Gast kommt und gar zu unmäßig viel höflicher Complimenten macht, so ist ein gewisse Anzeigung, daß er entweder nicht viel zum besten, oder sonst nicht im Sinn hat, viel zu vergeben; kommt aber einer mit Trutzen und nimmt die Einkehr bei mir gleichsam mit Pochen und einer herrischen Botmäßigkeit, so gedenke ich: holla, diesem Kerl ist der Beutel geschwollen, dem must du schrepfen! Also tractiere ich die Höfliche mit Gegenhöflichkeit, damit sie mich und meine Herberg anderwärts loben, die Schnarcher[83] aber mit allem, das sie begehren, damit ich Ursach habe, ihren Beutel rechtschaffen zu actioniren. Indem ich nun diesen meinen Hauptmann hielte wie dieser Wirth seine höfliche Gäst, als hielte er mich hingegen, wo nicht gar vor einen halben Engel, jedoch wenigst vor ein Muster und Ebenbild der Keuschheit, ja schier vor die Frommkeit selbsten. In Summa er kam so weit, daß er von der Verehlichung mit mir anfieng zu schwätzen, und ließe auch nicht nach, biß er das Jawort erhielte. Die Heuratspuncten waren diese, daß ich ihm 1000 Reichsthaler baar Geld zubringen, er aber hingegen mich in Teutschland zu seinem Heimath um dieselbige versichern solte, damit, wann er vor mir ohne Erben sterben solte, ich deren wieder habhaft werden könte; die übrige 2000 Reichsthaler, die ich noch hätte, solten an ein gewiß Ort auf Zins gelegt und in stehender Ehe die Zins von meinem Hauptmann genossen werden, das Capital aber ohnverändert bleiben, biß wir Erben hätten; auch solte ich Macht haben, wann ich ohne Erben sterben solte, mein ganz Vermögen, darunter auch die 1000 Reichsthaler verstanden, die ich ihm zugebracht, hin zu vertestieren wohin ich wolte &c. Demnach wurde die Hochzeit gehalten, und als wir vermeinten, zu Prag bei einander, so lang der Krieg währete, in der Guarnison gleich wie im Frieden in Ruhe zu leben, sihe, da kam Ordre, daß wir nach Holstein in den Dänemärkischen Krieg marschiern müsten. FUSSNOTEN: [77] =Geschlechter=, Patricier. [78] =beischießen=, etwas in das Geschäft geben. [79] =weder=, als, wie; sonst häufiger nach Comparativen. [80] =verderben=, zu Grunde richten. [81] =Tummel=, Taumel, Rausch. [82] Vgl. die Einleitung. [83] =Schnarcher=, die mit groben Redensarten auftreten. Das elfte Capitel. Nachdem Courage anfähet sich fromm zu halten, wird sie wieder unversehens zu einer Wittib. Ich rüstete mich trefflich ins Feld, weil ich schon besser als mein Hauptmann wuste, was darzu gehörete; und indem ich mich ängstigte, daß ich wieder dahin muste, wo man die Courage kennete, erzählte ich meinem Mann mein ganzes geführtes Leben, biß auf die Hurenstücke, die ich hie und da begangen, und was sich mit mir und dem Rittmeister zugetragen. Vom Namen Courage überredet ich ihn, daß er mir wegen meiner Tapferkeit zugewachsen wäre, wie dann sonst auch jedermann von mir glaubte. Mit dieser Erzählung kam ich denjenigen vor, die mir sonst etwan bei ihm einen bösen Rauch gemacht, wann sie ihm vielleicht solches und noch mehr darzu, ja mehr als mir lieb gewesen, erzählet hätten. Und gleich wie er mir damal schwerlich glaubte, wie ich mich in offenen Schlachten gegen dem Feind gehalten, biß es folgends andere Leut bei der Armee bezeugten, also glaubte er nachgehends auch andern Leuten nicht, wann sie ihm von meinen schlimmen Stücken aufschnitten, weil ich solche läugnete. Sonst war er in allen seinen Handlungen sehr bedächtig und vernünftig, ansehenlich von Person und einer von den Beherzten, also daß ich mich selbst oft verwunderte, warum er mich genommen, da ihm doch billicher etwas Ehrliches gebührt hätte. Meine Mutter nahm ich mit mir vor eine Haushalterin und Köchin, weil sie nit zuruck bleiben wolt. Ich versahe unseren Bagagewagen mit allem dem, was man ersinnen hätte mögen, das uns im Feld solt nöthig gewesen sein, und machte eine solche Anstalt unter dem Gesind, daß weder mein Mann selbst drum sorgen noch einen Hofmeister darzu bedorfte; mich selbst aber mundirte ich wieder, wie vor diesem, mit Pferd, Gewehr, Sattel und Zeug, und also staffiert kamen wir bei den Häusern Gleichen[84] zu der Tillischen Armee, alwo ich bald erkant, und von den mehristen Spottvögeln zusammen geschrieen wurde: »Lustig, ihr Brüder, wir haben ein gut Omen, künftige Schlacht zu gewinnen!« »Warum?« »Darum, die Courage ist wieder bei uns ankommen.« Und zwar diese Lappen redeten nicht übel von der Sach, dann das Volk, mit dem ich kam, war ein Succurs von drei Regimentern zu Pferd und zweien zu Fuß, welches nicht zu verachten, sondern der Armada Courage genug mitgebracht, wann ich gleich nicht dabei gewesen wäre. Meines Behalts[85] den zweiten Tag nach dieser glücklichen Conjunction geriethen die Unserige dem König von Dänemark bei Lutter in die Haar, allwo ich fürwahr nicht bei der Bagage bleiben mochte, sondern als des Feinds erste Hitze verloschen und die Unserige das Treffen wieder tapfer erneuert, mich mitten ins Gedräng mischte, wo es am allerdicksten war. Ich mochte keine geringe Kerl gefangen nehmen, sondern wolte meinem Mann gleich in der Erste[86] weisen, daß mein Zunamen an mir nicht übel angelegt wäre, noch er sich dessen zu schämen hätte, machte derowegen meinen edlen Hengst, der seines gleichen in Prag nicht gehabt, mit dem Säbel Platz, biß ich einen Rittmeister von vornehmen dänischen Geschlecht beim Kopf kriegte und aus dem Gedräng zu meinem Bagagewagen brachte. Ich und mein Pferd bekamen zwar starke Püff; wir ließen aber keinen Tropfen Blut auf der Walstatt, sondern trugen nur etliche Mäler und Beulen darvon. Weilen ich dann sahe, daß es so glücklich abgieng, machte ich mein Gewehr wieder fertig, jagte hin und holete noch einen Quartiermeister samt einem gemeinen Reuter, welche nicht ehe gewahr wurden, daß ich ein Weibsbild war, als biß ich sie zu obengedachten Rittmeister und meinen Leuten brachte. Ich besuchte[87] keinen von ihnen, weil jeder selbst sein Geld und Geldswerth heraus gab, was er hatte; vornehmlich aber ließe ich den Rittmeister fast höflich tractiren und nit anrühren, viel weniger gar ausziehen. Aber als ich mich mit Fleiß ein wenig beiseits machte, vertauschten meine Knecht mit den andern beiden ihre Kleider, weil sie trefflich wol mit Köllern mondirt waren. Ich hätte es zum dritten mal gewagt und fortgeschmiedet, dieweil das Eisen weich gewesen und die Schlacht gewähret, so mochte ich aber meinem guten Pferd nicht zu viel zumuthen. Indessen bekam mein Mann auch etwas wenigs an Beuten von denen, die sich aufs Schloß Lutter retiriert und ewiglich auf Gnad und Ungnad ergeben hatten, also daß wir beide in und nach dieser Schlacht in allem und allem aus tausend Gulden werth vom Feind erobert, welches wir gleich nach dem Treffen zugemacht und ohnverweilt per Wechsel nacher Prag zu meinen alldortigen 2000 Reichsthalern überschafft, weil wir dessen im Feld nicht bedörftig und täglich hofften, noch mehr Beuten zu machen. Ich und mein Mann bekamen einander je länger je lieber, und schätzte sich als das eine glückselig, weil es das andere zum Ehegemahl hatte, und wann wir uns nit beide geschämt hätten, so glaub ich, ich wäre Tag und Nacht, in den Laufgräben, auf der Wacht und in allen Occasionen niemal von seiner Seiten kommen. Wir vermachten einander alles unser Vermögen, also daß das Letztlebende, wir bekämen gleich Erben oder nicht, das Verstorbene erben[88], meine Säugamme oder Mutter aber gleichwol auch ernähren solte, so lang sie lebte, als welche uns großen Fleiß und Treu bezeugte. Solche Vermächtnus hinterlegten wir, weil wirs in Duplo ausgefertigt, eine zu Prag hinter dem Senat, und die ander in meines Manns Heimath hin, Hochteutschland[89], so damals noch in seinem besten Flor stunde und von dem Kriegswesen das geringste nicht erlitten. Nach diesem Lutterischen Treffen nahmen wir Steinbruck, Verden[90], Langenwedel, Rotenburg, Ottersberg und Hoya ein, in welchem letztgenanten Schloß Hoya mein Mann mit etlichen commandirten Völkern ohne Bagage muste liegen verbleiben. Gleichwie mich aber sonst nirgends keine Gefahr von meinem Mann behalten[91] konte, also wolte ich ihn auch auf diesem Schloß nit allein lassen, aus Furcht, die Läuse möchten mir ihn fressen, weil keine Weibsbilder da waren, so die Soldatesca gesäubert hätten. Unsere Bagage aber verblieb bei dem Regiment, welches hingieng, die Winterquartier zu genießen, bei welcher ich auch verbleiben und solchen Genuß hätte einziehen sollen. Sobald nun solches bei angehendem Winter geschehen, und Tilly dergestalt seine Völker zertheilet, sihe, da kam der König in Dänemark mit einer Armee und wolte im Winter wieder gewinnen, was er im Sommer verloren. Er stellte sich, Verden einzunehmen; weil ihm aber die Nuß zu hart zu beißen war, ließe er selbige Stadt liegen und seinen Zorn am Schloß Hoya aus, welches er in 7 Tagen mit mehr als tausend Kanonschüssen durchlöchert, darunter auch einer meinen lieben Mann traf und mich zu einer unglückseligen Wittib machte. FUSSNOTEN: [84] Die festen Häuser, die =Gleichen=, südwestlich von Göttingen. Vgl. die Einleitung. [85] =meines Behalts=, soviel ich behalten habe. [86] =in der Erste= (nieders. ~in der erst~), gleich zu Anfang. [87] =besuchen=, durchsuchen nach Werthsachen. [88] =erben=, ~trans.~ beerben. [89] =Hochteutschland=, der höher liegende südliche Theil Deutschlands, Oberdeutschland, im Gegensatz gegen Niederdeutschland. [90] =Verden=, vgl. die Einleitung. [91] =behalten=, abhalten, trennen. Das zwölfte Capitel. Der Courage wird ihr treffliche Courage auch trefflich eingetränkt. Als nun die Unserige das Schloß aus Forcht, es möchte einfallen und uns alle bedecken, dem König übergaben und herauszogen, ich auch also ganz betrübt und weinend mit marschierte, sahe mich zu allem Unglück derjenige Major, den ich hiebevor von den Braunschweigischen bei dem Mainstrom gefangen bekommen. Er erkundiget alsobalden die Gewißheit meiner Person von den Unserigen, und als er auch meinen damaligen Stand erfuhre, daß ich nämlich allererst zu einer Wittib worden wäre, da nahme er die Gelegenheit in Acht und zwackte mich ohnversehens von dem Troupen hinweg. »Du Bluthex«, sagte er, »jetzt wil ich dir den Spott wieder vergelten, den du mir vor Jahren bei Höchst bewiesen hast, und dich lehren, daß du hinfort weder Wehr noch Waffen mehr führen, noch dich weiters unterstehen sollest, einen Cavalier gefangen zu nehmen!« Er sahe so gräßlich aus, daß ich mich auch nur vor seinem Anblick entsetzte. Wäre ich aber auf meinem Rappen gesessen und hätte ihn allein für mir im Feld gehabt, so hätte ich getraut, ihn eine andere Sprache reden zu lernen. Indessen führte er mich mitten unter einen Troupen Reuter und gab mich dem Fahnenjunker in Verwahrung, welcher alles, was ich mit dem Obristleutenant (dann er hatte seither diese Stell bekommen) zu thun hatte, von mir erkundigt. Der erzählte mir hingegen, daß er beinahe damals, als ich ihn gefangen bekommen, schier den Kopf oder wenigst sein Majorstell verloren hätte, um daß er sich von einem Weibsbild vor der Brigaden hinweg fangen lassen und dardurch dem Troupen eine Unordnung und gänzliche Zertrennung verursacht, wofern er nicht sich damit ausgeredet, daß ihn diejenige, so ihn hinweg genommen, durch Zauberei verblendet; zuletzt hätte er doch aus Scham resignirt und dänische Dienst angenommen. Die folgende Nacht logirten wir in einem Quartier, darin wenig zum besten war, allwo mich der Obristleutenant zwang, zu Revanche seiner Schmach, wie ers nennete, seine viehische Begierden zu vollbringen, worbei doch (pfui der schändlichen Thorheit) weder Lust noch Freud sein konte, indem er mir an statt der Küß, ob ich mich gleich nit sonderlich sperret, nur dichte Ohrfeigen gab. Den andern Tag rissen sie unversehens aus wie die flüchtige Hasen, hinter denen die Windhund herstreichen, also daß ich mir nichts anders einbilden konte, als daß sie der Tilly jagte, wiewol sie nur flohen aus Forcht gejagt zu werden. Die zweite Nacht fanden sie Quartier, da der Bauer den Tisch deckte. Da lude mein tapferer Held von Officiern seines Gelichters zu Gast, die sich durch mich mit ihm verschwägern musten, also daß meine sonst ohnersättliche fleischliche Begierden dermalen genugsam contentirt wurden. Die dritte Nacht, als sie den ganzen Tag abermal gelassen waren, als wann sie der Teufel selbst gejagt, gieng es mir gar nit besser, sondern viel ärger; dann nachdem ich dieselbe kümmerlich überstanden und alle diese Hengste sich müd gerammelt hatten (pfui, ich schämte michs beinahe zu sagen, wann ichs dir, Simplicissime, nit zu Ehren und Gefallen thäte), muste ich auch vor der Herren Angesicht mich von den Knechten treffen lassen. Ich hatte bißher alles mit Geduld gelitten und gedacht, ich hätte es hiebevor verschuldet; aber da es hierzu kam, war mirs ein abscheulicher Greuel, also daß ich anfieng zu lamentiren, zu schmälen und Gott um Hülf und Rach anzurufen. Aber ich fande keine Barmherzigkeit bei diesen viehischen Unmenschen, welche aller Scham und christlichen Ehrbarkeit vergessen mich zuerst nackend auszohen, wie ich auf diese Welt kommen, und ein paar Handvoll Erbsen auf die Erden schütten, die ich auflesen muste, worzu sie mich dann mit Spießruthen nöthigten. Ja sie würzten mich mit Salz und Pfeffer, daß ich gumpen und plützen[92] muste wie ein Esel, dem man ein Handvoll Dorn oder Nesseln unter den Schweif gebunden; und ich glaube, wann es nicht Winterszeit gewesen wäre, daß sie mich auch mit Brennesseln gegeißelt hätten. Hierauf hielten sie Rath, ob sie mich den Jungen preis geben, oder mir als einer Zauberin den Proceß durch den Henker machen lassen wollten. Das letzte, bedunkte sie, gereiche ihnen allen zu schlechter Ehr, weil sie sich meines Leibs theilhaftig gemacht. Zudem sagten die Verständigste (wann anders diese Bestien auch noch ein Fünklein des menschlichen Verstands gehabt haben), wann man ein solche Procedur mit mir hätte vornehmen wollen, so solte mich der Oberstleutenant gleich anfangs unberührt gelassen und in die Hände der Justitz geliefert haben. Also kam das Urtheil heraus, daß man mich den Nachmittag (dann sie lagen denselben Tag in ihrer Sicherheit still) den Reuterjungens preisgeben solte. Als sie sich nun des elenden Spectaculs des Erbsenauflesens satt gesehen, dorfte ich meine Kleider wieder anziehen, und da ich allerdings damit fertig, begehrte ein Cavalier mit dem Obristleutenant zu sprechen, und das war eben derjenige Rittmeister, den ich vor Lutter gefangen bekommen; der hatt von meiner Gefangenschaft gehört. Als dieser den Obristleutenant nach mir fragte und zugleich sagte, er verlange mich zu sehen, weil ich ihn vor Lutter gefangen, führete ihn der Obristleutenant gleich bei der Hand in das Zimmer und sagte: »Da sitzt die Carania[93]; ich will sie jetzt strack den Jungen preisgeben.« Dann er nicht anders vermeinte, als der Rittmeister würde sowol als er ein grausame Rach an mir üben wollen. Aber der ehrliche Cavalier war ganz anders gesinnet. Er sahe mich kaum so kläglich dort sitzen, als er anfieng mit einem Seufzen den Kopf zu schütteln. Ich merkte gleich sein Mitleiden, fiele derowegen auf die Knie nieder und bat ihn um aller seiner adelichen Tugenden willen, daß er sich über mich elende Dame erbarmen und mich vor mehrerer Schand beschirmen wolte. Er hub mich bei der Hand auf und sagte zu dem Oberstenleutenant und seinen Cameraden: »Ach, ihr rechtschaffene Brüder, was habt ihr mit dieser Damen angefangen?« Der Obersteleutenant, so sich bereits halber bierschellig gesoffen, fiele ihm in die Red und sagte: »Was, sie ist eine Zauberin!« »Ach mein Herr verzeihe mir«, antwortet der Rittmeister; »so viel ich von ihr weiß, so bedunkt mich, sie sei des tapfern alten Grafen von T.[94] seiner leiblichen Frauen Tochter, welcher rechtschaffene Held bei dem gemeinen Wesen Leib und Leben, ja Land und Leut aufgesetzt, also daß mein gnädigster König nicht gut heißen wird, wann man dessen Kinder so tractirt, ob sie gleich ein paar Officier von uns auf die kaiserliche Seiten gefangen bekommen. Ja ich dörfte glauben, ihr Herr Vatter richtet auf diese Stunde in Ungarn noch mehr wider den Kaiser aus, als mancher thun mag, der eine fliegende Armada gegen ihn zu Felde führet.« »Ha«, antwortet der flegelhaftige Oberstleutenant, »was hab ich gewust? Warum hat sie das Maul nicht aufgethan?« Die andern Officier, welche den Rittmeister wol kanten und wusten, daß er nicht allein von einem hohen dänischen Geschlecht, sondern auch bei dem König in höchsten Gnaden war, baten gar demüthig, der Rittmeister wolte diß übersehen, als eine geschehene Sach zum besten richten und vermittlen, daß sie hierdurch in keine Ungelegenheit kämen; dahingegen obligirten sie sich, ihme auf alle begebende Gelegenheit mit Darsetzung Guts und Bluts bedient zu sein. Sie baten mich auch alle auf den Knien um Verzeihung; ich konte ihnen aber nur mit Weinen vergeben. Und also kam ich, zwar übel geschändt, aus dieser Bestien Gewalt in des Rittmeisters Hände, welcher mich weit höflicher zu tractiren wuste; dann er schickte mich alsobalden, ohne daß er mich einmal berührt hatte, durch einen Diener und einen Reuter von seiner Compagnia in Dänemark auf ein adelich Haus, das ihm kürzlich von seiner Mutter Schwester erblich zugefallen war, allwo ich wie eine Princessin unterhalten wurde; welche unversehene Erlösung ich beides meiner Schönheit und meiner Säugamme zu danken, als die ohne mein Wissen und Willen dem Rittmeister mein Herkommen verträulich erzählt hatte. FUSSNOTEN: [92] =plitzen=, =plützen=, plutzen, niederfallen. [93] =Carania=, ital. ~carogna~, Luder, liederliches Weib. [94] Vgl. die Einleitung. Das dreizehnte Capitel. Was vor gute Täge und Nächte die gräflich Fräulin im Schloß genosse, und wie sie selbige wieder verloren. Ich pflegte meiner Gesundheit und bähete mich aus, wie einer, der halb erfroren aus einem kalten Wasser hinter einem Stubenofen oder zum Feuer kommt; dann ich hatte damals auf der Welt sonst nichts zu thun, als auf der Streu zu liegen und mich wie ein Streitpferd im Winterquartier auszumästen, um auf den künftigen Sommer im Feld desto geruheter zu erscheinen und mich in den vorfallenden Occasionen desto frischer gebrauchen zu lassen. Davon wurde ich in Bälde wieder ganz heil, glatthärig und meines Cavaliers begierig. Der stellte sich auch bei mir ein, ehe die längste Nächt gar vergiengen, weil er der lieblichen Frühlingszeit so wenig als ich mit Geduld erwarten konte. Er kame mit vier Dienern, da er mich besuchte, davon mich doch nur der eine sehen dorfte, nämlich derjenige, der mich auch hingebracht hatte. Es ist nicht zu glauben, mit was vor herzbrechenden Worten er sein Mitleiden, das er mit mir trug, bezeugete, um daß ich in den leidigen Wittibstand gesetzt worden, mit was vor großen Verheißungen er mich seiner getreuen Dienste versicherte, und mit was vor Höflichkeit er mir klagte, daß er beides mit Leib und Seel vor Lutter mein Gefangner worden wäre. »Hochgeborne schönste Dam«, sagte er, »dem Leib nach hat mich mein Fatum zwar gleich wieder ledig gemacht und mich doch in übrigen ganz und gar eueren Sclaven bleiben lassen, welcher jetzt nichts anders begehrt und darum hieher kommen, als aus ihrem Munde den Sentenz zum Tod oder zum Leben anzuhören; zum Leben zwar, wann ihr euch über eueren elenden Gefangenen erbarmet, ihn in seinem schweren Gefängnus der Liebe mit tröstlichem Mitleiden tröstet und vom Tod errettet, oder zum Tod, wann ich ihrer Gnad und Gegenliebe nicht theilhaftig werden oder solcher euerer Liebe unwürdig geschätzt werden solte. Ich schätzte mich glückselig, da sie mich wie ein andere ritterliche Penthesilea[95] mitten aus der Schlacht gefangen hinweg geführt hatte; und da mir durch äußerliche Lediglassung meiner Person meine vermeintliche Freiheit wieder zugestellt wurde, hube sich allererst mein Jammer an, weil ich diejenige nicht mehr sehen konte, die mein Herz noch gefangen hielte, zumalen auch kein Hoffnung machen konte, dieselbe wegen beiderseits wider einander strebenden Kriegswaffen jemals wiederum ins Gesicht zu bekommen. Solchen meinen bißherigen elenden Jammer bezeugen viel tausend Seufzer, die ich seithero zu meiner liebwürdigen Feindin gesendet, und weil solche alle vergeblich in die leere Luft giengen, geriethe ich allgemach in Verzweifelung und wäre auch ----« Solche und dergleichen Sachen brachte der Schloßherr vor, mich zu demjenigen zu persuadirn, wornach ich ohne das so sehr als er selbst verlangte. Weil ich aber mehr in dergleichen Schulen gewesen und wol wuste, daß man dasjenige, was einem leicht ankommt, auch gering achtet, als stellte ich mich, gar weit von seiner Meinung entfernt zu sein, und klagte hingegen, daß ich im Werk befande, daß ich sein Gefangner wäre, sintemal ich meines Leibs nit mächtig, sondern in seinem Gewalt aufgehalten würde. Ich müste zwar bekennen, daß ich ihm vor allen andern Cavalieren in der ganzen Welt zum allergenauesten verbunden, weilen er mich von meinen Ehrenschändern errettet, erkennete auch, daß mein Schuldigkeit seie, solche ehrliche und lobwürdige Rach wieder gegen ihm mit höchster Dankbarkeit zu beschulden; wann aber solche meine Schuldigkeit unter dem Deckmantel der Liebe mit Verlust meiner Ehr abgelegt werden müste, und daß ich eben zu solchem Ende an dieses Ort gebracht worden wäre, so könte ich nicht sehen, was er bei der ehrbarn Welt vor die beschehene ruhmwürdige Erlösung vor Ehr und bei mir vor einen Dank zu gewarten, mit demütiger Bitte, er wolle sich durch eine That, die ihn vielleicht bald wieder reuen würde, keinen Schandflecken anhenken, noch dem hohen Ruhm eines ehrliebenden Cavaliers den Nachklang zufreien[96], daß er ein armes verlassenes Weibsbild in seinem Hause wider ihren Willen &c. Und damit fieng ich an zu weinen, als wann mirs ein lauterer gründlicher Ernst gewesen wäre, nach dem alten Reimen: Die Weiber weinen oft mit Schmerzen, Gleich als gieng es ihn von Herzen; Sie pflegen sich nur so zu stellen Und können weinen, wann sie wöllen. Ja, damit er mich noch höher ästimiren solte, bote ich ihm 1000 Reichsthaler vor meine Ranzion an, wann er mich unberührt lassen und mich wiederum zu den Meinigen sicher passieren lassen wolte. Aber er antwortet, seine Liebe gegen mir sei so beschaffen, daß er mich nicht vor das ganze Königreich Böhmen verwechseln könte; zu dem seie er seines Herkommens und Standes halber mir gar nit ungleich, daß es eben etwan wegen einer Heurath zwischen uns beiden viel Difficultäten brauchen solte. Es hatte mit uns beiden natürlich ein Ansehen, als wann ein Täubler irgend einen Tauber und eine Täubin zusammen sperret, daß sie sich paaren sollen, welche sich anfänglich lang genug abmatten, biß sie des Handels endlich eins werden. Eben also machten wirs auch, dann nachdem mich Zeit sein bedunkte, ich hätte mich lang genug widersetzt, wurde ich gegen diesem jungen Buhler, welcher noch nicht über zweiundzwanzig Jahr auf sich hatte, so zahm und geschmeidig, das ich auf seine güldene Promessen in alles einwilligte, was er begehrte. Ich schlug ihm auch so wol zu, daß er einen ganzen Monat bei mir bliebe; doch wuste niemand warum als obgemeldter einiger Diener und eine alte Haushofmeisterin, die mich in ihrer Pfleg hatte und E. Gräfl. Gnaden tituliren muste. Da hielte ich mich, wie das alte Sprichwort lautet: Ein Schneider auf eim Roß, Ein Hur aufm Schloß, Ein Laus auf dem Grind -- Seind drei stolzer Hofgesind. Mein Liebhaber besuchte mich denselben Winter gar oft, und wann er sich nicht geschämt hätte, so glaub ich, er hätte den Degen gar an einen Nagel gehenkt; aber er muste beides seinen Herren Vattern und den König selbst scheuen, als der sich den Krieg, wiewol mit schlechtem Glück, ernstlich angelegen sein ließe. Doch macht ers mit seinem Besuchen so grob und kam so oft, daß es endlich sein alter Herr Vatter und Frau Mutter merkten und auf fleißig Nachforschen erfuhren, was er vor einen Magnet in seinem Schloß heimlich aufhielte, der seine Waffen so oft aus dem Krieg an sich zoge. Derowegen erkundigten sie die Beschaffenheit meiner Person gar eigentlich und trugen große Sorge für ihren Sohn, daß er sich vielleicht mit mir verplempern und hangen bleiben möchte an einer, davon ihr hohes Hause wenig Ehr haben konte. Derowegen wolten sie ein solche Ehe beizeiten zerstören, und doch so behutsam damit umgehen, daß sie sich auch nicht an mir vergriffen, noch meine Verwandte vor den Kopf stießen, wann ich etwan, wie sie von der Haushofmeisterin vernommen, von einem gräflichen Geschlecht geboren sein und ihr Sohn auch mir allbereit die Ehe versprochen haben solte. Der allererste Angriff zu diesem Handel war dieser, daß mich die alte Haushofmeisterin gar verträulich warnete, es hätten meines Liebsten Eltern erfahren, daß ihr Herr Sohn eine Liebhaberin heimlich enthielte, mit derer er sich wider ihrer, der Eltern, Willen zu verehelichen gedächte, so sie aber durchaus nicht zugeben könten, dieweil sie ihn allbereit an ein fast hohes Haus zu verheurathen versprochen; wären derowegen gesinnet, mich beim Kopf nehmen zu lassen; was sie aber weiters mit mir zu thun entschlossen, seie ihr noch verborgen. Hiermit erschreckte mich zwar die Alte, ich ließe aber meine Angst nicht allein nicht merken, sondern stellte mich darzu so freudig, als wann mich der große Moger[97] aus India wo nit beschützen, doch wenigst revanchiren würde, sintemal ich mich auf meines Liebhabers große Liebe und stattliche Verheißung verlassen, von welchem ich auch gleichsam[98] alle acht Tage nit nur bloße liebreiche Schreiben, sondern auch jedesmal ansehenliche Verehrungen empfieng. Dargegen beklagte ich mich in Widerantwort gegen ihm, wes ich von der Haushofmeisterin verstanden[99], mit Bitt, er wolte mich aus dieser Gefahr erledigen und verhindern, daß mir und meinem Geschlecht kein Spott widerführe. Das End solcher Correspondenz war, daß zuletzt zween Diener, in meines Liebhabers Liberei gekleidet, angestochen kamen, welche mir Schreiben brachten, daß ich mich alsobalden mit ihnen verfügen solte, um mich nacher Hamburg zu bringen, allda er mich, es wäre seinen Eltern gleich lieb oder leid, offentlich zur Kirchen führen wolte; wann alsdann solches geschehen wäre, so würden beides Vatter und Mutter wol ja sagen und als zu einer geschehenen Sach das Beste reden müssen. Ich war gleich fix und fertig, wie ein alt Feuerschloß, und ließe mich so Tags so Nachts erstlich auf Wismar und von dannen auf gedachtes Hamburg führen, allda sich meine zween Diener abstohlen und mich so lang nach einem Cavalier aus Dänemark umsehen ließen, der mich heurathen würde, als ich immer wolte. Da wurde ich allererst gewahr, daß der Hagel geschlagen und die Betrügerin betrogen worden wäre. Ja mir wurde gesagt, ich möchte mit stillschweigender Patienz verlieb nehmen und Gott danken, daß die vornehme Braut unterwegs nicht in der See ertränkt worden wäre, oder man sei auf des Hochzeiters Seiten noch stark genug, mir auch mitten in einer Stadt, da ich mir vielleicht ein vergebliche Sicherheit einbilde, einen Sprung[100] zu weisen, der einer solchen gebühre, worvor man wüste daß ich zu halten sei. Was solt ich machen? Mein Hochzeiterei, meine Hoffnung, meine Einbildungen und alles, worauf ich gespannet[101], war dahin und mit einander zu Grund gefallen. Die verträuliche liebreiche Schreiben, die ich an meinen Liebsten von einer Zeit zur andern abgehen lassen, waren seinen Eltern eingeloffen, und die jeweilige Widerantwortbriefe, die ich empfangen, hatten sie abgeben, mich an den Ort zu bringen, da ich jetzt saße und allgemach anfienge mit dem Schmalhansen zu conferirn, der mich leichtlich überredete, mein täglich Maulfutter mit einer nächtlichen Handarbeit zu gewinnen. FUSSNOTEN: [95] =Penthesilea=, Tochter des Ares und der Otrera, Königin der Amazonen, bei Pausanias und Quint. Smyrn.; vgl. auch Ovid, ~Heroid~., Ep. 21. V. 118. Sie kam den Troern zu Hülfe, wurde aber von Achilleus getödtet, der, als er sie sterben sah, von Liebe erfüllt wurde. [96] =zufreien=, verbinden mit, hinzufügen. [97] =Moger=, Mogor, Mogul. [98] =gleichsam=, fast, beinahe, =schier=, in dieser letzten Bedeutung öfter bei Grimmelshausen. [99] =verstehen= ~c. genet.~, von etwas verständigen, unterrichten. [100] =einen Sprung weisen=, wie: die Wege weisen. [101] =spannen=, abzielen. Das vierzehnte Capitel. Was Courage ferners anfieng, und wie sie nach zweier Reuter Tod sich einem Musquetierer theilhaftig machte. Ich weiß nit, wie es meinem Liebhaber gefallen, als er mich nicht wieder in seinem Schlosse angetroffen, ob er gelacht oder geweint habe. Mir wars leid, daß ich seiner nicht mehr zu genießen hatte, und ich glaub, daß er auch gern noch länger mit mir vorlieb genommen hätte, wann ihm nur seine Eltern das Fleisch nicht so schnell aus den Zähnen gezogen. Um diese Zeit überschwemmte der Wallensteiner, der Tilly und der Graf Schlick ganz Holstein und andere dänische Länder mit einem Haufen kaiserlicher Völker wie mit einer Sündflut, deren die Hamburger so wol als andere Ort mit Proviant und Munizion aushelfen musten. Dannenhero gab es viel Aus- und Einreutens und bei mir ziemliche Kundenarbeit. Endlich erfuhre ich, daß meine angenommene Mutter sich zwar noch bei der Armee aufenthielte, hingegen aber alle meine Bagage biß auf ein paar Pferde verloren, welches mir den Compaß gewaltig verruckte. Es schlug mir in Hamburg zwar wol zu, und ich hätte mir mein Lebtage kein bessere Händel gewünscht. Weil aber solche Fortuna nicht länger bestehen konte, als so lang das Kriegsvolk im Land lag, so muste ich bedacht sein, mein Sach auch anders zu karten. Es besuchte mich ein junger Reuter, der bedeuchte mich fast liebwürdig, resolut und bei Geldmitteln zu sein. Gegen diesem richtet ich alle meine Netz und unterließe kein Jägerstücklein, biß ich ihn in meine Strick brachte und so verliebt machte, daß er mir Salat aus der Faust essen mögen ohne einigen Ekel. Dieser versprach mir bei Teufelholen die Ehe und hätte mich auch gleich in Hamburg zur Kirchen geführt, wann er nicht zuvor seinem Rittmeisters Consens hierzu hätte erbitten müssen, welchen er auch ohnschwer erhielte, da er mich zum Regiment brachte, also daß er nur auf Zeit und Gelegenheit wartete, die Copulation würklich vollziehen zu lassen. Indessen verwunderten sich seine Cameraden, woher ihm das Glück so eine schöne junge Maitresse zugeschickt, unter welchen die allermeiste gern seine Schwäger hätten werden mögen; dann damals waren die Völker bei dieser sieghaften Armee wegen langwürigen glücklichen Wolergehens und vieler gemachten Beuten durch Ueberfluß aller Dinge dergestalt fett und ausgefüllt, daß der gröste Theil, durch Kützel des Fleisches angetrieben, mehr ihrer Wollust nachzuhängen und solchen abzuwarten als um Beuten zu schauen oder nach Brod und Fourage zu trachten gewohnt war; und sonderlich so war meines Hochzeiters Corporal ein solcher Schnaphahn, der auf dergleichen Nascherei am allermeisten verpicht war, als welcher gleichsam eine Profession daraus machte, anderen die Hörner aufzusetzen, und sichs vor eine große Schand gerechnet hätte, wann er solches irgends unterstanden und nicht werkstellig machen mögen. Wir lagen damals in Stormaren[102], welches noch niemals gewust, was Krieg gewesen; dannenhero war es noch voll von Ueberfluß und reich an Nahrung, worüber wir uns Herren nanten und den Landmann vor unsere Knechte, Köch und Tafeldecker hielten. Da währete Tag und Nacht das Banquetieren, und lude je ein Reuter den andern auf seines Hauswirths Speis und Trank zu Gast. Diesen ~modum~ hielte mein Hochzeiter auch, worauf angeregter Corporal sein Anschlag machte, mir hinter die Haut zu kommen; dann als mein besagter Hochzeiter sich mit zweien von seinen Cameraden, so aber gleichwol auch des Corporals Creaturen gewesen, in seinem Quartier lustig machte, kam der Corporal und commandirte ihn zu der Standarten auf die Wacht, damit, wann mein Hochzeiter fort wäre, er sich selbst mit mir ergötzen könte. Weil aber mein Hochzeiter den Possen bald merkte und ungern leiden wolte, daß ein anderer seine Stell vertreten oder, daß ichs fein teutsch gebe, daß ihn der Corporal zum Gauch machen solte, sihe, da sagte er ihm, daß noch etliche wären, denen vor ihm gebührte, solche Wacht zu versehen. Der Corporal hingegen sagte ihm, er solte nicht viel disputirn, sondern seinem Commando parirn, oder er wolte ihm Füße machen; dann er wolte diese seine Gelegenheit, meiner theilhaftig zu werden, einmal nicht aus Handen lassen. Demnach ihm aber solche mein Liebster nicht zu gönnen gedachte, widersetzte er sich dem Corporal so lang, biß er von Leder zog und ihn auf die Wacht nöthigen, oder in Kraft habenden Gewalts so exemplarisch zeichnen wolte, daß ein andermal ein anderer wisse, wie weit ein Untergebener seinem Vorgesetzten zu gehorsamen schuldig wäre. Aber ach, mein lieber Stern verstund den Handel leider übel, dann er war eben so bald mit seinem Degen fertig, und verdingte dem Corporal eine solche Wunden in Kopf, die ihn des unkeuschen und erhitzten Geblüts alsobald entledigte und allen Kitzel dergestalt vertriebe, daß ich wol sicher vor ihm sein konte. Die beide Gäst giengen ihrem Corporal auf sein Zuschreien zu Hülf und mit ihren Fochteln auch auf meinen Hochzeiter los, davon er den einen alsobalden durchstach und den andern zum Haus hinaus jagte, welcher aber gleich wieder kam und nit allein den Feldscherer vor die Verwundte, sondern auch etliche Kerl brachte, die meinen Liebsten und mich zum Profosen führten, allwo er an Händ und Füßen in Band und Ketten geschlossen wurde. Man machts gar kurz mit ihm, dann den andern Tag ward Standrecht über ihn gehalten, und ob zwar sonnenklar an Tag kam, daß der Corporal ihn keiner andern Ursachen halber auf die Wacht commandirt, als selbige Nacht an Statt seiner zu schlafen, so wurde doch erkant, um den Gehorsam gegen den Officiern zu erhalten, daß mein Hochzeiter aufgehenkt, ich aber mit Ruthen ausgehauen werden solte, weil ich an solcher That ein Ursächerin gewesen. Jedoch wurden wir beide so weit erbeten[103], daß mein Hochzeiter harquebusirt, ich aber mit dem Steckenknecht vom Regiment geschickt wurde, welches mir gar ein abgeschmackte Reis war. So sauer kam mich aber diese Reis nicht an, so fanden sich doch zween Reuter in unserm Quartier, die mir und ihnen solche versüßen wolten, dann ich war kaum ein Stund gehend hinweg, da saßen diese beide in einem Busch, dardurch ich muste passiren, mich willkommen zu heißen. Ich bin zwar, wann ich die Wahrheit bekennen muß, meine Tage niemal so hechel[104] gewesen, einem guten Kerl eine Fahrt abzuschlagen, wann ihn die Noth begriffen; aber da diese zween Halunken mitten in meinem Elend eben dasjenige von mir mit Gewalt begehrten, wessentwegen ich verjagt und mein Auserwählter todt geschossen worden, widersetzte ich mich mit Gewalt; dann ich konte mir wol einbilden, wann sie ihren Willen erlangt und vollbracht, daß sie mich auch erst geplündert hätten, als welches Vorhaben ich ihnen gleichsam aus den Augen und von der Stirnen ablesen konte, sintemal sie sich nicht schämten, mit entblößten Degen auf mich wie auf ihren Feind loszugehen, beides mich zu erschrecken und zu dem, was sie suchten, zu nöthigen. Weil ich aber wuste, daß ihre scharfe Klingen meiner Haut weniger als zwo Spießgerten abhaben würden, sihe, da waffnete ich mich mit meinen beiden Messern, von denen ich in jede Hand eins nahm und ihnen dergestalt begegnete, daß der eine eins davon im Herzen stecken hatte, ehe er sichs versahe. Der ander war stärker und vorsichtiger als der erste, wessentwegen ich ihme dann so wenig als er mir an den Leib kommen konte. Wir hatten unter währendem Gefecht ein wildes Geschrei. Er hieße mich eine Hur, eine Vettel, eine Hex und gar einen Teufel; hingegen nante ich ihn einen Schelmen, einen Ehrendieb, und was mir mehr von solchen ehrbarn Tituln ins Maul kam, welches Balgen einen Musquetierer überzwergs[105] durch den Busch zu uns lockte, der lang stunde und uns zusahe, was wir vor seltzame Sprüng gegen einander verübten, nicht wissend, welchem Theil er unter uns beistehen oder Hülfe leisten solte. Und als wir ihn erblickten, begehrte ein jedes, er wolte es von dem andern erretten. Da kan nun ein jeder wol gedenken, daß Mars der Veneri viel lieber als dem Vulcano beigestanden, vornehmlich als ich ihm gleich güldene Berge versprach und ihn meine ausbündige Schönheit blendet und bezwang. Er paßte auf und schlug auf den Reuter an und brachte ihn mit Bedrohung dahin, daß er mir nicht allein den Rucken wendet, sondern auch anfieng darvon zu laufen, daß ihm die Schuchsohlen hätten herunter fallen mögen, seinen entseelten Cameraden sich in seinem Blut wälzend hinterlassend. Als nun der Reuter seines Wegs war und wir uns allein beisammen befanden, erstummte dieser junge Musquetierer gleichsam über meiner Schönheit und hatte nit das Herz, etwas anders mit mir zu reden, als daß er mich fragte, durch was vor ein Geschick ich so gar allein zu diesem Reuter kommen wäre. Darauf erzählte ich alles ihm haarklein, was sich mit meinem gehabten Hochzeiter, item mit dem Corporal und dann auch mit mir zugetragen, so dann, daß mich diese beide Reuter, nämlich der gegenwärtige Todte und der Entloffene, als ein armes verlassenes Weibsbild mit Gewalt schänden wollen, deren ich mich aber bißher, wie er selbst zum Theil wol gesehen, ritterlich erwehrt, mit Bitt, er wolte als mein Nothelfer und Ehrenretter mich ferner beschützen helfen, biß ich irgendshin zu ehrlichen Leuten wieder in Sicherheit käme, versicherte ihn auch ferner, daß ich ihme vor solche seine erwiesene Hülfe und Beistand mit einem ehrlichen Recompens zu begegnen nicht ermanglen würde. Er besuchte darauf den Todten und nahme zu sich, was er Schätzbarliches bei sich hatte, welches ihm seine Mühe ziemlich belohnte. Darauf machten wir uns beide bald aus dem Staub, und indem wir unseren Füßen gleichsam über Vermögen zusprachen, kamen wir desto ehender durch den Bosch und erreichten denselben Abend noch des Musquetierers Regiment, welches fertig stunde, mit dem Colalto, Altringer und Gallas in Italia zu gehen. FUSSNOTEN: [102] =Stormarn=, im südlichen Theil Holsteins. [103] erbitten, losbitten. [104] =hechel=, heikel. [105] =überzwergs=, quer. Das fünfzehnte Capitel. Mit was vor Conditionen sie den Ehestand lediger Weis zu treiben einander versprochen. Wann eine ehrliche Ader in meinem Leibe gewesen wäre, so hätte ich damals meine Sach anders anstellen und auf einen ehrlichern Weg richten können, dann meine angenommene Mutter mit noch zweien von meinen Pferden und etwas an baarem Geld erkundigt mich und gab mir den Rath, ich solte mich aus dem Krieg zu meinem Geld auf Prag oder auf meines Hauptmanns Güter thun und mich im Frieden haushäblich[106] und geruhlich ernähren. Aber ich ließe meiner unbesonnenen Jugend weder Weisheit noch Vernunft einreden, sondern je toller das Bier gebrauet wurde, je besser es mir schmeckte. Ich und gedachte meine Mutter hielten sich bei einem Marquetenter unter demjenigen Regiment, darunter mein Mann, der zu Hoya umkommen, Hauptmann gewesen, alwo man mich seinetwegen ziemlich respectirte; und ich glaub auch, daß ich wieder einen wackern Officier zum Mann bekommen hätte, wann wir geruhig gewest und irgends in einem Quartier gelegen wären. Aber dieweil unsere Kriegsmacht von 20000 Mannen, in drei Heeren bestehend, schnell auf Italia marschierte und durch Graubünden, das viel Verhinderungen gemacht, brechen muste, sihe, da gedachten wenig Witzige[107] an das Freien, und dannenhero verbliebe ich auch desto länger eine Wittib. Ueberdas hatten auch etliche nicht das Herz, andere aber sonst ihr Bedenken, mich um die Verehlichung anzureden und sonst mir extra oder neben her etwas zuzumuthen. Darzu hielten sie mich vor viel zu ehrlich, weil ich mich bei meinem vorigen Mann gehalten, daß mich männiglich vor ehrlicher hielte, als ich gewesen. Gleichwie mir aber mit einer langwierigen Fasten wenig gedienet, also hatte sich hingegen derjenige Musquetier, so mir in der Occasion, die ich mit obengedachten beiden Reutern gehabt, zu Hülfe kommen, dergestalt an mir vergafft und vernarret, daß er Tag und Nacht keine Ruhe hatte, sondern mir manchen Trab schenkte[108], wann er nur Zeit haben und abkommen konte. Ich sahe wol, was mit ihm umgieng und wo ihn der Schuch druckte; weil er aber die Courage nicht hatte, sein Anliegen der Courage zu entdecken, war bei mir die Verachtung so groß als das Mitleiden. Doch änderte ich nach und nach meinen stolzen Sinn, der anfangs nur gedachte, eine Officiererin zu sein; dann als ich des Marquetenters Gewerb und Hantierung betrachtete und täglich vor Augen sahe, was ihm immerzu vor Gewinn zugieng, und daß hingegen mancher braver Officier mit dem Schmalhansen Tafel halten muste, fieng ich an darauf zu gedenken, wie ich auch eine solche Marquetenterei aufrichten und ins Werk stellen möchte. Ich machte den Ueberschlag mit meinem bei mir habenden Vermögen und fande solches, weil ich noch ein ziemliche Quantität Goldstücker in meiner Brust vernähet wuste, gar wol bastant[109] zu sein. Nur die Ehr oder Schand lag mir noch im Weg, daß ich nämlich aus einer Hauptmännin eine Marquetenterin werden solte. Als ich mich aber erinnerte, daß ich damals keine mehr war, auch wol vielleicht keine mehr werden würde, sihe, da war der Würfel schon geworfen, und ich fieng bereits an, in meinem Sinn Wein und Bier um doppelt Geld auszuzapfen und ärger zu schinden und zu schachern, als ein Jud von 50 oder 60 Jahren thun mag. Eben um diese Zeit, als wir nämlich mit unserem dreifachen kaiserlichen Heer über die Alpes oder das hohe Gebürg in Italiam gelangt, war es mit meines Galanen Liebe aufs höchste kommen, ohne daß er noch das geringste Wort darvon mit mir gesprochen. Er kam einsmals unter dem Vorwand, ein Maß Wein zu trinken, zu meines Marquetenters Zelt und sahe so bleich und trostlos aus, als wann er kürzlich ein Kind bekommen und keinen Vatter, Mehl noch Milch darzu gehabt oder gewüst hätte. Seine traurige Blick und seine sehnliche Seufzer waren seine beste Sprach, die er mit mir redet, und da ich ihn um sein Anliegen fragte, erkühnete er gleichwol also zu antworten: »Ach, meine allerliebste Frau Hauptmännin (dann Courage dorfte er mich nicht nennen), wann ich ihr mein Anliegen erzählen solte, so würde ich sie entweder erzörnen, daß sie mir ihre holdselige Gegenwart gleich wieder entzuckt[110] und mich in Ewigkeit ihres Anschauens nicht mehr würdigt; oder ich würde einen Verweis meines Frevels von ihr empfangen, deren eins von diesen beiden genugsam wäre, mich dem Tod vollends aufzuopfern.« Und darauf schwiege er wieder stockstill. Ich antwortet: »Wann euch deren eins kan umbringen, so kan euch auch ein jedes davon erquicken. Und weil ich euch dessentwegen verbunden bin, daß ihr mich, als wir in den Vierlanden zwischen Hamburg und Lübeck lagen, von meinen Ehrenschändern errettet, so gönne ich euch herzlich gern, daß ihr euch gesund und satt an mir sehen möget.« »Ach, mein hochgeehrte Frau«, antwortet er, »es befindet sich hierin ganz das Widerspiel; dann da ich sie damals das erste mal ansahe, fieng auch meine Krankheit an, welche mir aber den Tod bringen wird, wann ich sie nicht mehr sehen solte, ein wunderbarlicher und seltzamer Zustand, der mir zum Recompens widerfahren, dieweil ich mein hochzuehrende Frau aus ihrer Gefährlichkeit errettete.« Ich sagte, so müste ich einer großen Untreu zu beschuldigen sein, wann ich dergestalt Gutes mit Bösem vergolten hätte. »Das sag ich nicht«, antwortet mein Musquetierer. Ich replicirte: »Was habt ihr dann zu klagen?« »Ueber mich, über meine Unglückseligkeit«, antwortet er, »und über meine Verhängnus oder vielleicht über meinen Vorwitz, über meine Einbildung oder ich weiß selbst nicht über was. Ich kan nicht sagen, daß die Frau Hauptmännin undankbar sei, dann um der geringen Mühe willen, die ich anlegte, als ich den noch lebenden Reuter verjagte, der ihrer Ehr zusetzte, bezahlte mich dessen Verlassenschaft genugsam, welchen mein hochzuehrende Frau zuvor des Lebens hochrühmlich beraubte, damit er sie ihrer Ehr nicht schändlich berauben solte. Meine Frau Gebieterin«, sagte er ferner, »ich bin in einem solchen verwirrten Stand, der mich so verwirret, daß ich auch weder meine Verwirrung, noch mein Anliegen, noch mein oder ihre Beschuldigung, weniger meine Unschuld oder so etwas erläutern[111] möchte, dardurch mir geholfen werden könte. Sehet, allerschönste Dam, ich sterbe, weil mir das Glück und mein geringer Stand nicht gönnet, ihrer Hoheit zu erweisen, wie glückselig ich mich erkennete, ihr geringster Diener zu sein.« Ich stunde da wie eine Närrin, weil ich von einem geringen und noch sehr jungen Musquetierer solche, wiewol untereinander und, wie er selbst sagte, aus einem verwirrten Gemüth laufende Reden hörete. Doch kamen sie mir vor, als wann sie mir nichts desto weniger einen muntern Geist und sinnreichen Verstand anzeigten, der einer Gegenlieb würdig und mir nicht übel anständig sei, mich dessen zu meiner Marquetenterei, mit welcher ich damals groß schwanger gieng, rechtschaffen zu bedienen. Derowegen machte ichs mit dem Tropfen gar kurz und sagte zu ihm: »Mein Freund, ihr nennet mich fürs erst euer Gebieterin, fürs zweit euch selbst meinen Diener, wann ihrs nur sein köntet; fürs dritt klagt ihr, daß ihr ohne meine Gegenwart sterben müst. Daraus nun erkenne ich eine große Liebe, die ihr vielleicht zu mir traget. Jetzt sagt mir nur, wormit ich solche Liebe erwidern möge; dann ich will gegen einen solchen, der mich von meinen Ehrenschändern errettet, nicht undankbar erfunden werden.« »Mit Gegenlieb«, sagte mein Galan; »und wann ich dann würdig wäre, so wolte ich mich vor den allerglückseligsten Menschen in der ganzen Welt schätzen.« Ich antwortet: »Ihr habt allererst selbst bekennet, daß euer Stand zu gering sei, bei mir zu sein, den ihr zu sein wünschet, und was ihr gegen mir mit weitläufigen Worten weiters zu verstehen gegeben habt. Was Raths aber, damit euch geholfen und ich von aller Bezüchtigung der Undankbarkeit und Untreu, ihr aber euers Leidens entübrigt werden möchtet?« Er antwortet, seines Theils sei mir alles heimgestellt, sintemal er mich mehr vor eine Göttin als vor eine irdische Creatur halte, von deren er auch jederzeit entweder den Sentenz des Todes oder des Lebens, die Servitut oder Freiheit, ja alles gern annehmen wolte, was mir nur zu befehlen beliebte. Und solches bezeugte er mit solchen Geberden, daß ich wol erachten konte, ich hätte einen Narren am Strick, der eher in seiner Dienstbarkeit mir zu Gefallen erworgen[112], als in seiner Libertät ohne mich leben würde. Ich verfolgte das, was ich angefangen, und unterstunde zu fischen, dieweil das Wasser trüb war; und warum wolte ichs nicht gethan haben, da doch der Teufel selbst diejenige, die er in solchem Stand findet, wie sich mein Leffler befande, vollends in seine Netze zu bringen unterstehet? Ich sage diß nicht, daß ein ehrlicher Christenmensch, den Werken dieses seines abgefeimten bösen Feindes zu folgen an mir ein Exempel nehmen soll, weil ich ihm damals nachahmte, sondern daß Simplicius, dem ich diesen meinen Lebenslauf allein zueigne, sehe, was er vor eine Dame an mir geliebt. Und höre nur zu, Simplex, so wirst du erfahren, daß ich dir dasjenige Stücklein, so du mir im Sauerbrunnen erwiesen, dergestalt wieder eingetränkt, daß du vor ein Pfund, so du ausgeben, wieder ein Centner eingenommen. Aber diesen meinen Galanen brachte ich so weit, daß er mir folgende Puncten eingieng und zu halten versprach. Erstlich solte er sich von seinem Regiment loswürken, weil er anderer Gestalt mein Diener nicht sein könte, ich aber keine Musquetiererin sein möchte. Alsdann solte er zweitens bei mir wohnen und mir, wie ein anderer Ehemann alle Lieb und Treu seiner Ehefrauen zu erweisen pflege, eben desgleichen zu thun schuldig sein, und ich ihme hinwiederum. Jedoch solte solche Verehlichung drittens vor der christlichen Kirchen nicht ehe bestätigt werden, ich befände mich dann zuvor von ihm befruchtet. Biß dahin solte ich viertens die Meisterschaft nicht allein über die Nahrung, sondern auch über meinen Leib, ja auch über meinen Serviteur selbsten haben und behalten, in aller Maß und Form, wie sonst ein Mann das Gebiet[113] über sein Weib habe. Kraft dessen solte er fünftens nicht Macht haben, mich zu verhindern noch abzuwehren, viel weniger sauer zu sehen, wann ich mit andern Mannsbildern conversire oder etwas dergleichen unterstünde, das sonst Ehemänner zum Eifern[114] verursachte. Und weil ich sechstens gesinnet sei, eine Marquetenterin abzugeben, solte er zwar in solchem Geschäfte das Haupt sein und der Handelschaft wie ein getreuer und fleißiger Hauswirth so Tags, so Nachts emsig vorstehen, mir aber das Obercommando, sonderlich über das Geld und ihn selbsten lassen und gehorsamlich gedulden, ja ändern und verbessern, wann ich ihme wegen einiger seiner Saumsal corrigirn würde; in Summa er solte von männiglich vor den Herrn zwar gehalten und angesehen werden, auch solchen Namen und Ehre haben, aber gegen mir obenangeregte Schuldigkeit in allweg in Acht nehmen. Und solches alles verschrieben wir einander. Damit er auch solcher Schuldigkeit sich allezeit erinnern möge, solte er zum siebenden gedulden, daß ich ihn mit einem sonderbaren Namen nennete, welcher Nam aus den ersten Wörtern des Befehls genommen werden solte, wormit ich ihn das erste mal etwas zu thun heißen würde. Als er mir nun alle diese Puncten eingangen und zu halten geschworen, bestätigte ich solches mit einem Kuß, ließe ihn aber vor dißmal nicht weiter kommen. Darauf brachte er bald sein Abscheid; ich hingegen griffe mich an und brachte unter einem andern Regiment zu Fuß zuwegen alles, was ein Marquetenter haben solte, und fieng an mit dem Judenspieß zu laufen[115], als wann ich das Handwerk mein Lebtag getrieben hätte. FUSSNOTEN: [106] =haushäblich=, angesessen mit einer eigenen Haushaltung. [107] =witzig=, verständig. [108] manchen Gang um mich that. [109] =bastant=, genügend. [110] =entzucken=, entrücken. [111] =erläutern=, erklären, ausführlich darstellen. [112] =erworgen=, ~intr.~ ersticken, umkommen. [113] =Gebiet=, Herrschaft. [114] =zum Eifern=, zur Eifersucht. [115] =mit dem Judenspieß laufen=, wuchern und schachern. Vgl. Simplicissimus, ~II~, Cap. 25 (Th. ~I~, S. 69). Das sechzehnte Capitel. Wie Springinsfeld und Courage miteinander hauseten. Mein junger Mann ließe sich trefflich wol an in allem demjenigen, worzu ich ihn angenommen und zu brauchen hatte. So hielte er auch oben vermeldte Articul so nett und erzeigte sich so gehorsam, daß ich die geringste Ursach nicht hatte, mich über ihn zu beschweren. Ja, wann er mir ansehen konte, was mein Will war, so war er schon bereit, solchen zu vollbringen; dann er war in meiner Liebe so gar ersoffen, daß er mit hörenden Ohren nit hörete noch mit sehenden Augen nit sahe, was er an mir und ich an ihm hatte, sondern er vermeinete vielmehr, er hätte die allerfrömste, getreueste, verständigste und keuscheste Liebste auf Erden, worzu mir und ihm dann meine angenommene Mutter, die er meinetwegen auch in großen Ehren hielte, trefflich zu helfen wuste. Diese war viel listiger als eine Füchsin, viel geiziger[116] als eine Wölfin, und ich kan nicht sagen, ob sie in der Kunst Geld zu gewinnen oder zu kupplen am vortrefflichsten gewesen sei. Wann ich ein los Stücklein in dergleichen Sachen im Sinn hatte, und ich mich um etwas scheuete (dann ich wolte vor gar fromm und schamhaftig angesehen sein), so dorfte ichs ihr nur anvertrauen, und war damit soviel als versichert, daß mein Verlangen ins Werk gestellt würde; dann ihr Gewissen war weiter als des Rhodiser Colossi Schenkel auseinander gespannet, zwischen welchen die gröste Schiff ohne Segelstreichung durchpassiren können. Einmal hatte ich große Begierden, eines Jungen von Adel theilhaftig zu sein, der selbiger Zeit noch Fähndrich war und mir seine Liebe vorlängstens zu verstehen gegeben. Wir hatten eben damals, als mich diese Lust ankam, das Läger bei einem Flecken geschlagen, wessentwegen so wol mein Gesind als ander Volk um Holz und Wasser aus war; mein Marquetenter aber gieng beim Wagen herum nisteln[117], als er mir eben mein Zelt aufgeschlagen und die Pferd zunächst bei uns zu andern auf die Weid laufen lassen. Weil ich nun mein Anliegen meiner Mutter eröffnet, schaffte sie mir denselben Fähndrich, wiewol zur Unzeit, an die Hand, und als er kam, war das erste Wort, das ich ihn in Gegenwart meines Mannes fragte, ob er Geld hätte, und da er mit ja antwortet, dann er vermeinte, ich fragte allbereit um ~s. v.~[118] den Hurenlohn, sagte ich zu meinem Marquetenter: »Spring ins Feld und fange unsern Schecken! Der Herr Fähndrich wolte ihn gern bereuten und uns denselben abhandlen und gleich baar bezahlen.« Indessen nun mein guter Marquetenter gehorsamlich hingieng, meinen ersten Befelch zu vollbringen, hielte die Alte Schildwacht, dieweil wir den Kauf miteinander machten und auch einander ritterlich bezahlten. Demnach sich aber das Pferd nicht von meinem Marquetenter so leichtlich wie seine Marquetenterin vom Fähndrich fangen lassen wolte, kam er ganz ermüdet wiederum zum Zelt, eben so ungeduldig, als sich der Fähndrich wegen seines langen Wartens stellet. Dieser Geschichten halber hat besagter Fähndrich nachgehends ein Lied gemacht, »der Scheck«[119] genant, anfahend: »Ach was für unaussprechliche Pein &c.«, mit welchem sich in folgender Zeit ganz Teutschland etliche Jahr geschleppt, da doch niemand wuste, woher es seinen Ursprung hatte. Mein Marquetenter aber bekam hierdurch kraft unserer Heuratsnotul[120] den Namen Springinsfeld, und diß ist eben der Springinsfeld, den du, Simplicissime, in deiner Lebensbeschreibung oftermal vor einen guten Kerl rühmest. Du must auch wissen, daß er alle diejenige Stücklein, die er und du beides in Westphalen und zu Philippsburg verübet, und sonst noch viel mehr darzu, von sonst niemand als von mir und meiner Mutter gelernet; dann als ich mich mit ihm paaret, war er einfältiger als ein Schaf, und kam wieder abgefeimter von uns, als ein Luchs und Kernessig[121] sein mag. Aber die Wahrheit zu bekennen, so sind ihm solche seine Wissenschaften nicht umsonst ankommen, sondern er hat mir das Lehrgeld zuvor genug bezahlen müssen. Einsmals da er noch in seiner ersten Einfalt war, discurirten er, ich und meine Mutter von Betrug und Bosheit der Weiber, und er entblödete sich[122] zu rühmen, daß ihn kein Weibsbild betrügen solte, sie wäre auch so schlau als sie immer wolte. Gleichwie er nun seine Einfalt hiermit genugsam an den Tag legte, also bedauchte mich hingegen, solches wäre meiner und aller verständigen Weiber Dexterität viel zu nahe und nachtheilig geredet, sagte ihm derowegen unverhohlen, ich wolte ihn neunmal vor der Morgensuppe betrügen können, wann ichs nur thun wolte. Er hingegen vermaß sich zu sagen, wann ich solches könte, so wolte er sein Lebtag mein leibeigner Sclave sein, und trutzte[123] mich noch darzu, wann ich solches zu thun mich nicht unterstünde, doch mit dem Geding, wann ich in solcher Zeit gar keinen Betrug von den neunen bei ihm anbrächte, daß ich mich alsdann zur Kirchen führen und mit ihm ehrlich copuliren lassen solte. Nachdem wir nun solcher Gestalt der Wettung eins worden, kam ich des Morgens frühe mit der Suppenschüssel, darin das Brod lag, und hatte in der andern Hand das Messer samt einem Wetzstein, mit Begehren, er solte mir das Messer ein wenig schärfen, damit ich die Suppe einschneiden könte. Er nahm Messer und Stein von mir; weil er aber kein Wasser hatte, leckte er den Wetzstein mit der Zunge, um selbigen zu befeuchtigen. Da sagte ich: »Nun, das walt Gott! das ist schon zwei mal.« Er befremdet sich und fragte, was ich mit dieser Rede vermeine. Hingegen fragte ich ihn, ob er sich dann unserer gestrigen Wettung nicht mehr zu erinnern wisse. Er antwortet: »ja«, und fragte, ob und womit ich ihn dann schon betrogen. Ich antwortet: »Erstlich machte ich das Messer stumpf, damit du es wieder schärfer wetzen müstest; zweitens zog ich den Wetzstein durch ein Ort, das du dir leicht einbilden kanst, und gab dir solchen mit der Zung zu schlecken.« »Oho!« sagte er, »ists um diese Zeit[124], so schweig nur still und höre auf! Ich gib dir gern gewonnen und begehre die restirende Mal nit zu erfahren.« Also hatte ich nun an meinem Springinsfeld einen Leibeignen. Bei Nacht, wann ich sonst nichts Bessers hatte, war er mein Mann, bei Tag mein Knecht, und wann es die Leute sahen, mein Herr und Meister überall. Er konte sich auch so artlich in den Handel und in meinen Humor schicken, daß ich mir die Tage meines Lebens keinen besseren Mann hätte wünschen mögen, und ich hätte ihn auch mehr als gern geehlicht, wann ich nicht besorget, er würde dadurch den Zaum des Gehorsams verlieren und in Behauptung der billichen Oberherrlichkeit, die ihm alsdann gebühren würde, mir hundertfältig wiederum eintränken, was ich ihm etwan ohnverehlicht zuwider gethan und er ohne Zweifel mit großem Verdruß zuzeiten verschmerzen müssen. Indessen lebten wir bei und mit einander so einig, aber nicht so heilig als wie die liebe Engel. Mein Mutter versahe die Stelle einer Marquetenterin an meiner Statt, ich den Stand einer schönen Köchin oder Kellerin, die ein Wirth darum auf der Streu hält, damit er viel Gäst bekommen möge; mein Springinsfeld aber war Herr und Knecht und was ich sonst haben wolte, das er sein solte. Er muste mir glatt parirn und meiner Mutter Gutachten folgen; sonst war ihm alles mein Gesind gehorsam, als ihrem Herrn, dessen ich mehr hielte als mancher Hauptmann; dann wir hatten liederliche Commißmetzger bei dem Regiment, welche lieber Geld zu versaufen als zu gewinnen gewohnt waren; darum drang ich mich durch Schmiralia[125] in ihre Profession und hielte zween Metzgerknecht vor einen, also daß ich das Prä allein behielte und jene nach und nach caput spielte, weil ich einem jeden Gast, er wäre auch herkommen, woher er immer wolte, mit einem Stück von allerhand Gattung Fleisch zu Hülf kommen konte, ob er es gleich rohe, gesotten, gebraten oder lebendig haben wollen. Gieng es dann an ein Stehlen, Rauben und Plündern, wie es dann in dem vollen und reichen Italia treffliche Beuten setzt, so musten nit nur Springinsfeld samt meinem Gesind ihre Hälse daran wagen, etwas einzuholen, sondern die Courage selbst fieng ihre vorige Gattung zu leben, die sie in Teutschland getrieben, wiederum an, und indem ich dergestalt gegen dem Feind mit Soldatengewehr, gegen den Freunden aber im Lager und in den Quartiern mit dem Judenspieß fochte, auch wo man mir in aller Freundlichkeit offensive begegnen wolte, den Schild vorzusetzen wuste, wuchse mein Beutel so groß darvon, daß ich beinahe alle Monat einen Wechsel von 1000 Kronen nach Prag zu übermachen hatte, und litte samt den Meinigen doch niemals keinen Mangel; dann ich beflisse mich dahin, daß mein Mutter, mein Springinsfeld, mein übrig Gesind und vornehmlich meine Pferde zu jederzeit ihr Essen, Trinken, Kleid und Fütterung hatten, und hätte ich gleich selbst Hunger leiden, nackend gehen und Tag und Nacht unter dem freien Himmel mich behelfen sollen. Hingegen aber musten sie sich auch befleißen, einzutragen und in solcher Arbeit weder Tag noch Nacht zu feiern, und solten sie Hals und Kopf darüber verloren haben. FUSSNOTEN: [116] =geizig=, gierig. [117] =nisteln=, nesteln, festbinden, schnüren, sonst auch im Allgemeinen: sich zu schaffen machen. [118] ~s. v. salva venia.~ [119] Grimmelshausen meint sicher ein damals verbreitetes Schelmenlied, das noch nicht wieder aufgefunden worden ist. [120] =Heuratsnotul=, Ehecontract. [121] =Kernessig=, =ausgestochener Essig=, ein ausgemachter Schelm. Vgl. Simplicissimus, ~I~, Cap. 18 (Th. ~I~, S. 77). [122] =sich entblöden=, (die Blödigkeit ablegen) sich erdreisten. [123] =trutzen=, ~trans.~ Trotz bieten. [124] =Ists um diese Zeit=, verhält es sich so. [125] =Schmiralia=, von schmieren, Bestechungen. Das siebzehnte Capitel. Was der Courage vor ein lächerlicher Poß wiederfuhre, und wie sie sich deswegen wieder rächete. Schaue, mein Simplice, also war ich bereits deines Cameraden Springinsfelds Matresse und Lehrmeisterin, da du vielleicht deinem Knan noch der Schwein hütetest und ehe du geschickt genug warest, anderer Leute Narr zu sein, und hast dir doch einbilden dörfen, du habest mich im Saurbrunnen betrogen. Nach der ersten Mantuanischen Belägerung bekamen wir unser Winterquartier in einem lustigen Städtlein, allwo es bei mir anfieng ziemlich Kundenarbeit zu geben. Da vergieng kein Gasterei oder Schmaus, dabei sich nicht die Courage fand, und wo sie sich einstellete, da galten die italiänische Putani[126] wol nichts, dann bei den Italiänern war ich Wildbret und etwas Fremds, bei den Teutschen konte ich die Sprach, und gegen beiden Nationen war ich viel zu freundlich, darneben noch trefflich schön; so war ich auch nicht so gar hoffärtig und theuer, und hatte sich niemands keines Betrugs von mir zu besorgen, von dem aber die Italiänerinnen dichte voll staken. Solche meine Beschaffenheiten verursachten, daß ich den welschen Huren viel gute Kerl abspannete, die jene verließen und mich hingegen besuchten, welches bei ihnen kein gut Geblüt gegen mir setzte. Einsmals lude mich ein vornehmer Herr zum Nachtessen, der zuvor die berühmteste Putana bedient, sie aber auch meinetwegen verlassen hatte. Solches Fleisch gedachte mir jene wiederum zu entziehen und brachte mir derowegen wiederum durch eine Kürschnerin bei demselben Nachtimbiß etwas bei, davon sich mein Bauch blähete, als ob er hätte zerspringen wollen; ja die Leibsdünste drängten mich dergestalt, daß sie endlich den Ausgang mit Gewalt öffneten und eine solche liebliche Stimm über Tafel hören ließen, daß ich mich deren schämen muste. Und sobald sie die Thür einmal gefunden, passierten sie mit einer solchen Ungestüm nach einander heraus, daß es daher donnerte, als ob etliche Regimenter eine Salve geben hätten. Als ich nun dessentwegen vom Tisch aufstunde, um hinweg zu laufen, gieng es bei solcher Leibsbewegung allererst rechtschaffen an. Alle Tritt entwischte mir aufs wenigst einer oder zehen, wiewol sie so geschwind auf einander folgten, daß sie niemand zählen konte. Und ich glaube, wann ich sie alle wol anlegen oder der Gebühr nach fein ordentlich austheilen können, daß ich zwo ganzer geschlagener Glockenstund trutz dem besten Tambour den Zapfenstreich darmit hätte verrichten mögen. Es währete aber ungefähr nur eine halbe Stund, in welcher Zeit beides Gäst und Aufwarter mehr Qual von dem Lachen, als ich von dem continuirlichen Trompeten erlitten. Diesen Possen rechnete ich mir vor einen großen Schimpf und wolte vor Scham und Unmuth ausreißen; eben also thät auch mein Gastherr, als der mich zu etwas anders, als diese schöne Music zu halten, zu sich kommen lassen, hoch und theuer schwerend, daß er diesen Affront rächen wolte, wann er nur erfahren könte, durch was vor Pfefferkörner- und Ameiseneier-Köch[127] diese Harmonia angestimmt worden wäre. Weil ich aber daran zweifelt, ob nicht er vielleicht selbst den ganzen Handel angestellt, sihe, so saße ich dort zu protzen, als wann ich mit den blitzenden Strahlen meiner zornigen Augen alles hätte tödten wollen, biß ich endlich von einem Beisitzenden erfuhr, daß obengedachte Kürschnerin damit umgehen könte, und weil er sie unten im Hause gesehen, müste er gedenken, daß sie irgends von einer eifersüchtigen Damen gedinget worden, mich einem oder andern Cavalier durch diesen Possen zu verleiden; maßen man von ihr wüste, daß sie eben dergleichen einem reichen Kaufherrn gethan, der durch eine solche Music seiner Liebsten Gunst verloren, weil er sie in ihrer und ander ehrlichen Leute Gegenwart hören lassen. Darauf gab ich mich zufrieden und bedachte mich auf eine schleunige Rach, die ich aber weder offentlich noch grausam ins Werk setzen dorfte, weil wir in den Quartiern (ohnangesehen wir das Land dem Feind abgenommen) gute Ordre halten musten. Demnach ich nun die Wahrheit erfahren, daß es nämlich nit anders hergangen, als wie obengedachter Tischgenoß geargwohnet, als erkundigt ich derjenigen Damen, die mir den Possen hatt zugerichtet, Handel und Wandel, Thun und Lassen auf das genaueste, als ich immer konte. Und als mir ein Fenster gewiesen wurde, daraus sie bei Nacht denen, so zu ihr wolten, Audienz zu geben pflegte, offenbart ich meinen auf sie habenden Grollen zweien Officiern; die musten mir, wolten sie anders meiner noch fürderhin genießen, die Rach zu vollziehen versprechen, und zwar auf solche und kein andere Weis, als wie ich ihnen vorschriebe; dann mich däuchte, es wäre billich, weil sie mich nur mit dem Dunst vexirt, daß ich sie mit nichts anders als mit dem Dreck selbst belohnen solte. Und solches geschahe folgender Gestalt. Ich ließe eine rinderne Blasen mit dem ärgsten Unrath füllen, der in den untersichgehenden Caminen durch M. Asmussen[128], deren Säuberern, zu finden. Solche ward an eine Stange oder Schwinggerten, damit man die Nüß herunter schlägt oder die Rauchcamin zu säubern pflegt, angebunden und von dem einen bei finsterer Nacht, als der ander mit der Putanen leffelte, welche oben an ihrem gewöhnlichen Audienzfenster lag, ihr mit solcher Gewalt in das Angesicht geschlagen, daß die Blase zersprang und ihr der Speck beides Nasen, Augen, Maul und ihren Busen samt allen Zierden und Kleinodien besudelte, nach welchem Streich sowol der Leffler als Executor darvon liefen und die Hur am Fenster lamentiren ließen, so lang sie wolte. Die Kürschnerin bezahlte ich also. Ihr Mann war gewohnet, alle Haar, und solten sie auch von den Katzen gewesen sein, so genau zusammen zu halten, als wann er sie von dem güldenen Widderfell aus der Insul Colchis abgeschoren hätte, so gar daß er auch kein Abschrötlin von dem Pelzflecklin hinwarf oder in die Dung kommen ließe, es wäre gleich vom Biber, Hasen oder dem Lamm gewesen, er hätte solches dann zuvor seiner Haar oder Woll blutt[129] hinweg beraubt gehabt. Und wann er dann so ein paar Pfund beisammen hatte, gab ihm der Hutmacher Geld darum, welches ihm auch etwas zu bröslen[130] ins Haus verschaffte; und wann es gleich langsam und gering kam, so kam es doch wol zu seiner Zeit. Solches wurde ich von einem andern Kürschner innen, der mir denselben Winter einen Pelz fütterte. Derowegen bekam ich von dergleichen Woll und Haaren so viel, als genug war, und macht eitel Schermesser[131] daraus. Als solche fertig oder, besser zu erläutern, als mit ihrer Materi wie der Quacksalber ihre Büchslin versehen oder besalbet waren, ließe ich sie einem von meinen Jungen dem Kürschner unten um sein Secret herum streuen, als welches ziemlich weit hinaus offen stunde. Da nun der erbsenzählerische Haushalter diese Klumpen Haar und Woll sonder[132] liegen sahe und sie vor die seinige hielte, konte er sich nicht anderst einbilden, als sein Weib muste sie dergestalt verunehrt und zu Schanden gemacht haben, fienge derowegen an mit ihr zu kollern, gleichsam als wann sie allbereit Mantua und Casal verwahrloset und verloren hätte, und weil sie ja so beständig als eine Hex leugnete und noch darzu trutzige Wort gab, schlug er sie so lederweich, als gelind er sonst anderer wilder und bissiger Thieren Felle bereiten konte, der heimischen Katzenbälg zu geschweigen, welches mich so wol contentirte, daß ich keinen Dutzend Kronen darvor genommen haben wolte. Nun war der Apotheker noch übrig, der meines Vermuthens das Recept verfertigt hatte, dardurch ich aus der Niedere ein so variable Stimme erheben müssen; dann er hielte Singvögel, die solche Sachen zur Speise genossen, so die Würkungen haben sollen, einen Lärmen zu erregen, wie ich allererst einen erzählet. Weil er aber bei hohen und niedern Officiern wol dran war, zumaln wir ihn täglich bei unseren Kranken, die den italiänischen Luft nicht wol vertragen konten, brauchen musten, ich auch selbst zu sorgen, ich möchte ihm etwan heut oder morgen in die Kur kommen, als dorfte ich mich nicht kecklich an ihn reiben; gleichwol wolte und konte ich so viel Luftkerls, die zwar vorlängst wieder in der Luft zerstoben waren, ohngerochen nicht verdauen, obwol sie auch andere riechen musten, da gleichwol sie selbst schon verdauet waren. Er hatte einen kleinen gewölbten Nebenkeller unter seinem Hause, darin er allerhand Waar enthielte[133], die zu ihrer Aufenthaltung[134] einen solchen Ort erforderten; dahinein richtete ich das Wasser aus dem Röhrbrunnen, der auf dem Platz zunächst dabei stunde, durch einen langen Ochsendarm, den ich am Brunnenröhrn anbande, mit dem andern Ende aber zum Kellerloch hinein henken und also das Brunnenwasser die ganze lange Winternacht so ordentlich hineinlaufen ließe, daß der Keller am Morgen geschwappelt voll Wasser war. Da schwammen etliche Fäßlein Malvasier, spanischer Wein und was sonst leicht war; was aber nit schwimmen konte, lag mannstief unter dem Wasser, zu verderben. Und demnach ich den Darm vor Tags wieder hinweg nehmen ließe, vermeinte jederman des Morgens, es wäre entweder im Keller eine Quell entsprungen, oder dieser Posse seie dem Apotheker durch Zauberei zugerichtet worden. Ich aber wuste es zum besten, und weil ich alles so wol ausgerichtet, lachte ich in die Fäuste, als der Apotheker um seine verderbte Materialia lamentirte. Und damals war mirs gesund, daß der Name Courage bei mir so tief eingewurzelt gewesen, dann sonst hätten mich die unnütze Bursch ohne Zweifel die Generalfarzerin genant, weil ichs besser als andere gekönt. FUSSNOTEN: [126] =Putani=, ital. ~puttane~. [127] Dies Recept wird auch in Grimmelshausen's »Ewigwährendem Calender« empfohlen. [128] In dem Namen liegt ein Wortspiel, das sich der Leser erklären mag. [129] =blutt=, mhd. ~blut~, leer, bloß, rein. [130] =bröslen=, brocken, einbrocken. [131] =Schermesser=, sehr uneigentlich so genannt, vgl. Simplicissimus, ~IV~, 11. [132] =sonder=, einzeln, zerstreut. [133] =enthalten=, aufbewahren. [134] =Aufenthaltung=, Bewahrung vor dem Verderben, Conservirung. Das achtzehnte Capitel. Gar zu übermachte[135] Gottlosigkeit der gewissenlosen Courage. Der Gewinn, der mir in so mancherlei Hantierungen zugieng, thät mir so sanft, daß ich dessen je länger je mehr begehrte; und gleich wie es mir allbereit eines Dings war, ob es mit Ehren oder Unehren geschehe, also fieng ichs auch an nicht zu achten, ob es mit Gottes oder des Mammons Hülf besser prosequirt werden möchte. Einmal[136] es galte mir endlich gleich, mit was für Vörtheilen, mit was für Griffen, mit was für einem Gewissen und mit was für Hantierungen ich prosperirte, wann ich nur reich werden möchte. Mein Springinsfeld muste einen Roßtäuscher abgeben, und was er nit wuste, das must er von mir lernen, in welcher Profession ich mich tausenderlei Schelmstücke, Diebsgriff und Betrüge gebrauchte. Keine Waar, weder von Gold, Silber, Edelgesteinen, geschweige des Zinns, Kupfers, Getüchs[137], der Kleidung und was es sonst sein mögen, es wäre gleich rechtmäßig erbeutet, geraubet oder gar gestohlen gewesen, war mir zu köstlich oder zu gering, daß ich nicht daran stunde, solches zu erhandeln. Und wann einer nicht wuste, wohin mit demjenigen, das er zu versilbern, er hätte es gewonnen, wie er wolte, so hatte er einen sichern Zutritt zu mir wie zu einem Juden, die den Dieben getreuer sein, sie zu conservirn, als ihrer Obrigkeit, selbige zu strafen. Dannenhero waren meine beide Wägen mehr einem Materialistenkram gleich, als daß man nur kostbare Victualia bei mir hätte finden sollen, und eben deswegen konte ich hinwiederum auch einem jedwedern Soldaten, er wäre gleich hoch oder nieder gewest, mit demjenigen ums Geld helfen, dessen er benöthigt war. Hingegen muste ich auch spendiren und schmieren, um mich und meine Hantierungen zu beschützen. Der Profoß war mein Vatter, seine alte Mär (seine alte Frau, wolt ich sagen) meine Mutter, die Obristin meine gnädige Frau und der Obrist selbst mein gnädiger Herr, welche mich alle vor allem demjenigen sicherten, dardurch ich und mein Anhang oder auch meine Handelschaft einbüßen mögen. Einsmals brachte mir ein alter Hühnerfänger, ich wolte sagen, so ein alter Soldat, der lang vor dem böhmischen Unwesen eine Musquet getragen hatte, so etwas in einem verschlossenen Gläslein, welches nicht recht einer Spinnen und auch nicht recht einem Scorpion gleich sahe. Ich hielte es vor keine Insect oder lebendige Creatur, weil das Glas keinen Luft hat, dardurch das beschlossene Ding sein Leben hätte erhalten mögen, sondern vermeinte, es wäre irgends ein Kunststuck eines vortrefflichen Meisters, der solches zugerichtet, um dardurch ein Gleichnus, ich weiß nit von was vor einer ewigwährenden Bewegung vorzustellen, weil sich dasselbe ohn Unterlaß im Glas regte und herum grabelte. Ich schätzte es hoch, und weil mirs der Alte zu verkaufen anbote, fragte ich: »Wie theuer?« Er bote mir den Bettel um zwo Kronen, die ich ihm auch alsobalden darzahlte, und wolte ihm noch ein Feldmaß Wein darzu schenken. Er aber sagte, die Bezahlung seie allbereit zu Genügen geschehen, welches mich an einen solchen alten Weinbeißer verwunderte und verursachte, ihn zu fragen, warum er einen Trunk ausschlüge, den ich doch einem jeden im Kauf zu geben pflegte, der mir nur das Geringste verhandelte. »Ach, Frau Courage«, antwortet er, »es ist hiermit nicht wie mit anderer Waar beschaffen. Sie hat ihren gewissen Kauf und Verkauf, vermög dessen die Frau zusehen mag, wann sie diß Kleinod wieder hingibt, daß sie es nämlich wolfeiler verkaufe, als sie es selbsten erkauft hat.« Ich sagte: »So würde ich auf solche Weis wenig daran gewinnen.« Er antwortet: »Darum lasse ich sie sorgen. Was mich anbelangt, so hab ichs allbereit bei 30 oder mehr Jahren in Händen und noch keinen Verlust dabei gehabt, wiewol ichs um 3 Kronen kauft und um 2 wieder hingeben.« Diß Ding war mir ein Gesäg[138], darein ich mich nicht richten konte oder vielleicht auch nicht richten wolte; dann weil ich ein satten Rausch und[139] zu gewarten hatte, ich würde etliche Abgesandte der Venere abzufertigen kriegen, war mirs eine desto geringere Bekümmernus, oder (lieber Leser, sag mir selbst, was ich sagen sol!) ich wuste nit, was ich mit dem alten Kracher machen solte. Er däuchte mich nicht Manns genug zu sein, die Courage zu betrügen, und die Gewohnheit, daß mir andere, die ein besser Ansehen als dieser hatten, oft etwas um ein Ducaten hingaben, das deren hundert werth war, machte mich so sicher, daß ich mein erkauften Schatz einsteckte. Des Morgens, da ich meinen Rausch verschlafen, fande ich meinen Kaufmannschatz in meinem Hosensack, dann man muß wissen, daß ich allzeit Hosen und meinen Rock trug. Ich erinnerte mich gleich, welcher Gestalt ich das Ding kauft hatte, legte es derowegen zu andern meinen raren und lieben Sachen, als Ringen, Kleinodien und dergleichen, um solches aufzuheben, biß mir etwan ein Kunstverständiger an die Hand käme, der mich um seine Beschaffenheit berichtete. Als ich aber ungefähr[140] unter Tags wieder in meinen Sack griffe, fande ich dasselbe nicht, wohin ichs aufgehoben, sondern wieder in meinem Hosensack, welches mich mehr verwunderte als erschreckte, und mein Fürwitz, zu wissen was es doch eigentlich wäre, machte, daß ich mich fleißig nach dessen Verkäufer umsahe, und als derselbe mir aufstieße, fragte ich ihn, was er mir zu kaufen gegeben hätte, erzählte ihm darneben, was vor ein Wunderwerk sich damit zugetragen, und bat ihn, er wolte mir doch desselben Wesen, Kraft, Würkung, Künste, und wie es umständlich damit beschaffen, nicht verhalten. Er antwortet: »Frau Courage, es ist ein dienender Geist, welcher demjenigen Menschen, der ihn erkauft und bei sich hat, groß Glück zuwegen bringt. Er gibt zu erkennen, wo verborgene Sachen liegen, er verschafft zu jedwederer Handelschaft genugsame Kaufleute und vermehret die Prosperität. Er macht, daß sein Besitzer von seinen Freunden geliebt und von seinen Feinden geförchtet werde. Ein jeder, der ihn hat und sich auf ihn verläßt, den macht er so fest als Stahl und behütet ihn vor Gefängniß. Er gibt Glück, Sieg und Ueberwindung wider die Feinde und bringt zuwegen, daß seinen Besitzer fast alle Welt lieben muß.« In Summa der alte Lauer[141] schnitte mir so einen Haufen daher, daß ich mich glückseliger zu sein dauchte als Fortunatus mit seinem Seckel und Wünschhütel. Weil ich mir aber wol einbilden können, daß der sogenannte dienende Geist diese Gaben nit umsonst geben würde, so fragte ich den Alten, was ich hingegen dem Ding zu Gefallen thun müste, dann ich hätte gehöret, daß diejenige Zauberer, welche andere Leute in Gestalt eines Galgenmännels[142] bestehlen, das sogenannte Galgenmännel mit wochentlicher gewisser Badordnung und anderer Pfleg verehren müsten. Der Alte antwortet: es dörfte des Dings hier gar nicht; es sei viel ein anders mit einem solchen Männel als mit einem solchen Ding, das ich von ihm gekauft hätte. Ich sagte: Es wird ohne Zweifel mein Diener und Narr nicht umsonst sein wollen; er solte mir nur kecklich und verträulich offenbaren, ob ichs so gar ohne Gefahr und auch so gar ohne Belohnung haben und solcher seiner ansehenlichen Dienste ohne andere Verbindung und Gegendienste genießen könte. »Frau Courage«, antwortet der Alte, »ihr wüst bereits genug, daß ihrs nämlich um geringern Preis hingeben solt, wann ihr dessen Diensten müd seid, als ihrs selbsten erkauft habt, welches ich euch gleich damals, als ihr mirs abgehandelt, nicht verhalten habe. Die Ursach zwar, warum, mag die Frau von andern erfahren.« Und damit gieng der Alte seines Wegs. Meine böhmische Mutter war damals mein innerster Rath, mein Beichtvatter, mein Favorit, mein bester Freund und mein Sabud Salomonis[143]; ihr vertrauet ich alles, und also auch was mir mit dem erkauften Markschatz begegnet wäre. »He«, antwortet sie, »es ist ein Stirpitus flammiliarum, der alles dasjenige leistet, was euch der Verkaufer von ihm erzählet; allein wer ihn hat, biß er stirbt, der muß, wie mir gesagt worden, mit ihm in die ander Welt reisen, welches ohne Zweifel seinem Namen nach die Höll sein wird, allwo es voller Feuer und Flammen sein soll. Und eben deswegen läßt er sich nicht anderst als je länger je wolfeiler verkaufen, damit ihm endlich der letzte Käufer zu theil werden müsse. Und ihr, liebe Tochter, stehet in großer Gefahr, weil ihr ihn zum allerletzten zu verkaufen habt; dann welcher Narr wird ihn von euch kaufen, wann er ihn nit mehr verkaufen darf, sondern eigentlich weiß, daß er seine Verdammnus von euch erhandelt?« Ich konte leichtlich erachten, daß mein Handel schlimm genug bestellt war; doch machte mein leichter Sinn, meine blühende Jugend, die Hoffnung eines langen Lebens und die gemeine Gottlosigkeit der Welt, daß ich alles auf die leichte Achsel nahm. Ich gedachte: du wilst dieser Hülfe, dieses Beistands und dieser glückseligen Accantage[144] genießen, so lang du kanst; indessen findest du wol einen leichtfertigen Gesellen in der Welt, der entweder beim schweren Trunk oder aus Armuth, Desperation, blinder Hoffnung großen Glückes, oder aus Geiz, Unkeuschheit, Zorn, Neid, Rachgier oder etwas dergleichen diesen Gast wieder von dir um die Gebühr annimmt. Diesem nach gebrauchte ich mich dessen Hülf in aller Maß und Form, wie es mir beides von dem alten Verkäufer als auch meiner Kostfrauen oder angenommenen böhmischen Mutter beschrieben worden. Ich verspürte auch seine Würkung täglich; dann wo ein Marquetenter ein Faß Weins auszapfte, vertrieb ich deren drei oder vier. Wo ein Gast einmal meinen Trank oder meine Speis kostete, so bliebe er das andermal nit aus. Welchen ich ansahe und wünschte seiner zu genießen, derselbe war gleich fix und fertig, mir in der allerunterthänigsten Andacht aufzuwarten, ja mich fast wie eine Göttin zu ehren. Kam ich in ein Quartier, da der Hauswirth entflohen, oder daß es sonsten ein Herberg oder verlassene Wohnung war, darin sonst niemand wohnen konte (maßen man die Marquetenter und Commißmetzger in keinem Palast zu logieren pfleget), so fande ich gleich, wo das Messer steckte, und wuste, weiß nit durch was vor ein innerliches Einsprechen, solche Schätze zu finden, die in vielen, vielleicht 100 Jahren keine Sonne beschienen &c. Hingegen kan ich nicht leugnen, daß auch etliche waren, die der Courage nichts nachfragten, sondern sie viel mehr verachten, ja verfolgten als ehreten, ohne Zweifel darum, weil sie von einem größeren ~lumen~ erleuchtet, als ich von meinem ~flamine~[145] bethört gewesen. Solches machte mich zwar witzig und lernete mich durch allerhand Nachdenken philosophiren und betrachten, wie, was und dergleichen. Ich war aber allbereit in der Gewinnsüchtigkeit und allen ihren nachgehenden Lastern dermaßen ertränkt, daß ichs bleiben ließe, wie es war, und nichts zum Fundament zu raumen[146] gedachte, darauf meine Seligkeit bestunde, wie auch noch. Diß, Simplice, sage ich dir zum Ueberfluß, dein Lob zu bekrönen, weil du dich in deiner Lebensbeschreibung gerühmt hast, einer Damen im Saurbrunnen genossen zu haben, die du doch noch nicht einmal kantest. Indessen wurde mein Geldhaufen je länger je größer, ja so groß, daß ich mich auch bei meinem Vermögen fürchtete. Höre, Simplice, ich muß dich wieder etwas erinnern. Wärest du etwas nutz gewest, als wir mit einander im Saurbrunnen das Verkehren spielten, so wärest du mir weniger ins Netze gerathen als diejenige, die im Schutz Gottes waren, da ich den Spiritum familiarem hatte. FUSSNOTEN: [135] =übermacht=, übertrieben. [136] =einmal=, kurz, überhaupt. [137] =Getüch=, Tuchwaaren. [138] =Gesäg=, Gerede. [139] =und= fehlt in allen Ausgaben. [140] =ungefähr=, zufällig. [141] =Lauer=, Spitzbube, nach dem Sprichwort: der Bauer ein Lauer. [142] Vgl. »Simplicissimi Galgenmännlein« &c. 1673 und die Einleitung zum »Simplicissimus«, S. ~LXV~. [143] =Sabud Salomonis.= Sabud, der Sohn Nathan's, des Priesters, war des Königs Freund. 1 Könige 4, 5. [144] Die Gesammtausgabe hat »abbantage«; Courage will sagen Avantage, Vortheil. [145] =~flamen~=, es ist wol gemeint: geistiger Hauch, geistiges Wesen. [146] =raumen=, aufräumen, ebnen, Hindernisse aus dem Wege schaffen. Das neunzehnte Capitel. Was Springinsfeld vor einen Lehrmeister gehabt, biß er zu seiner Perfection kommen. Und noch ein anders must du auch wissen, Simplice. Nicht nur ich gieng den obenerzählten Weg; sondern auch mein Springinsfeld, den du allerdings vor deinen besten Cameraden und vor einen braven Kerl in deiner Lebensbeschreibung gerühmt hast, muste mir auch folgen. Und was wolts gehindert haben oder vor ein großes Meerwunder gewesen sein, sintemal andere meines gleichen lose Weiber ihre liederliche Männer (wann ich anders Männer sagen darf, ich hätte aber schier fromme Männer gesagt) eben zu dergleichen losen Stücken vermögen, ich will nicht sagen, zwingen, ob sie gleich bei ihrer Vermählung keinen solchen Accord eingangen, wie Springinsfeld gethan? Höre die Histori! Als wir vor dem berühmten Casal lagen, fuhren ich und Springinsfeld in eine benachbarte Grenzstadt, die neutral war, Victualia einzukaufen und in unser Läger zu bringen. Gleichwie nun aber ich in dergleichen Fällen nicht allein ausgieng, als ein Nachkömmling der hierosolymitanischen Bürger zu schachern, sondern auch, als ein cyprianische Jungfrau[147] meinen Gewinn zu suchen, also hatte ich mich auch wie eine Jesebel herausgeputzt, und galte mir gleich, ob ich einen Ahab oder Jehu[148] verführen möchte. Zu solchem Ende gieng ich in eine Kirche, weil ich mir sagen lassen, die meiste Buhlschaften würden in Italia an solchen heiligen Oertern gestiftet und zu Faden geschlagen[149], aus Ursach, daß man die schöne Weiber daselbsten, so liebeswürdig zu sein scheinen, sonst nirgends hinkommen lasse. Ich kam neben eine junge Dame zu stehen, mit deren Schönheit und Schmuck ich zugleich eiferte[150], weil mich derjenige nicht ansahe, der ihr so manchen liebreichen Blick schenkte. Ich gestehe es, daß mich im Herzen verdroß, daß sie mir vorgezogen und ich vor einem Leimstängler gegen ihr, wie ich mir einbildete, verachtet werden solte. Solcher Verdruß und daß ich mich zugleich auf eine Rache bedacht, war meine gröste Andacht unter dem ganzen Gottesdienst. Ehe nun solcher gar geendigt war, stellte sich mein Springinsfeld auch ein; ich weiß aber darum nit warum, kan auch schwerlich glauben, daß ihn die Gottesfurcht dahin getrieben, dann ich hatte ihn nicht darzu gewöhnet; so wars ihm auch weder angeborn noch aus Lesung der heiligen Schriften oder Hörung der Predigten eingepflanzt. Nichts destoweniger stellte er sich neben mich und kriegte den Befehl von mir in ein Ohr, daß er Achtung geben solte, wo gemeldte Dame ihre Wohnung hätte, damit ich des überaus schönen Smaragds, den sie am Hals hatte, habhaft werden möchte. Er thät seinem schuldigen Gehorsam gemäß wie ein treuer Diener und hinterbrachte mir, daß sie eine vornehme Frau eines reichen Herrn wäre, der sein Palatium an dem Markt stehen hätte; ich hingegen sagte ihm ausdrücklich, daß er fürderhin weder meiner Huld länger genießen noch meinen Leib einigmal mehr berühren solte, es wäre dann Sach, daß er mir zuvor ihren Smaragd einhändigte, worzu ich ihm aber sichere Anschläg, Mittel und Gelegenheit an die Hand geben wolte. Er kratzte sich zwar hinter den Ohren und entsetzte sich vor meinem Zumuthen als wie vor einer unmüglichen Sach; aber da es lang herum gieng[151], erklärt er sich, meinetwegen in Tod zu gehen. Solcher Gestalt, Simplice, hab ich deinen Springinsfeld gleichsam wie einen jungen Wachtelhund abgerichtet. Er hatte auch die Art darzu, und vielleicht besser als du, wäre aber nimmermehr von ihm selbsten zu einem solchen Ausbund worden, wenn ich ihn nicht in meiner Schul gehabt hätte. Eben damals muste ich mir wieder einen neuen Stiel in meinen Fausthammer machen lassen, welchen ich beides vor ein Gewehr und einen Schlüssel brauchte, der Bauren Trög oder Kästen zu öffnen, wo ich zukommen konte. Ich ließe denselben Stiel inwendig hohl drehen in gemessener Weite, daß ich entweder Ducaten oder eine Schiedmünz in selbiger Größe hinein packen möchte; dann weil ich selbigen Hammer jederzeit bei mir zu haben pflegte, indem ich weder ein Degen dorfte, oder ein Paar Pistolen mehr führen wolte, so gedachte ich ihn inwendig mit Ducaten zu spicken, die ich auf alle Glücks- oder Unglücksfäll, deren es unterschiedliche im Krieg abgibt, bei der Hand hätte. Da er fertig, probierte ich seine Weite mit etlichen Lutzern[152], die ich zu mir genommen, solche um ander Geld zu veralieniren. Die Hohle meines Stabs hatte eben die Weite ihres Bezirks[153], doch also eng und beschnitten, daß ich sie, die Lutzer, um etwas hinein nöthigen muste, doch bei weitem nicht so stark, als wann man eine halbe Carthaunen laden thut. Ich konte aber den Stiel nicht damit ausfüllen, weil ihrer zu wenig waren; dahero kams gar artlich, daß wann die Lutzer gegen dem Hammer lagen und ich das Eisen in der Hand hatte, mich des Stiels an Statt eines Steckens zu gebrauchen, daß zuweilen, wann ich mich darauf steuerte[154], etlich Lutzer herunter gegen der Handhaben klunkerten und ein dünsteres[155] Geklingel machten, welches seltzam und verwunderlich genug lautet, weil niemand wuste, woher das Getön rührete. Was darfs vieler weitläuftigen Beschreibung? Ich gab meinem Springinsfeld den Fausthammer mit einer richtigen Instruction, welcher Gestalt er mir den Smaragd damit erhandeln solte. Darauf verkleidet sich mein Springinsfeld, setzt eine Parücke auf, wickelt sich in einen entlehnten schwarzen Mantel und thät zween ganzer Tag nicht anders, als daß er gegen der Damen Palatio hinüber stunde und das Haus vom Fundament an biß übers Dach hinaus beschauete, gleichsam als ob ers hätte kaufen wollen. So hatte ich auch einen Tambour im Taglohn bestellt, welcher ein solcher Erzessig war, mit dem man andere Essig hätte sauer machen können, der dorfte auch sonst im geringsten nichts thun, als auf dem Platz herum vagiren und auf meinen Springinsfeld Achtung zu geben, wann er etwan seiner nothwendig bedörfte, dann der Vogel redete so gut italiänisch als teutsch, welches aber jener nicht konte. Ich selbsten aber hatte ein Wasser (hier ohnnöthig zu nennen) durch einen Alchimisten zuwegen gebracht, das in wenig Stunden alle Metalla durchfrißt und mürb macht oder wol gar auch zu Wasser resolvirt; mit demselben bestrich ich ein stark Gegitter vor einem Kellerloch. Als nun den dritten Tag Springinsfeld noch nicht abließe, das Haus anzugaffen wie die Katz ein neu Scheuerthor, sihe, da schickte angeregte Dame hin und ließe fragen um die Ursach seines continuirlichen Dastehens, und was er an ihrem Haus auszukundschaften hätte. Springinsfeld hingegen ließe bemeldten Tambour kommen und dolmetschen, daß ein solcher Schatz im Hause verborgen läge, den er nicht allein zu erheben, sondern auch eine ganze Stadt damit reich zu machen getrauete. Hierauf ließe die Dame beides den Springinsfeld und den Tambour zu sich ins Haus kommen, und nachdem sie wieder von dem verborgenen Schatz Springinsfelds Lügen angehört und große Begierden geschöpft, solchen zu holen, fragte sie den Tambour, was dieser vor einer wäre, ob er ein Soldat sei, und dergleichen. »Nein«, antwortet der Tausendschelm, »er ist ein halber Schwarzkünstler, wie man sagt, und hält sich nur zu dem Ende bei der Armee auf, damit er verborgene Sachen finde, hat auch, wie ich gehöret, in Teutschland auf alten Schlössern ganze eiserne Trög und Kästen voll Geld gefunden und zuwegen gebracht.« Im übrigen aber seie er, Springinsfeld, ihme, Tambour, gar nicht bekant. In Summa nach langem Discurs wurde die Glock gegossen[156] und beschlossen, daß Springinsfeld den Schatz suchen solte. Er begehrte zwei geweihte Wachsliechter, er selbst aber zündete das dritte an, welches er bei sich hatte und vermittelst eines messenen[157] Drahts, der durch die Kerze gieng, ausleschen konte, wann er wolte. Mit diesen dreien Liechtern giengen die Dame, zween ihrer Diener, Springinsfeld und der Tambour im Haus herum zu leuchten, weil eben der Herr nicht zu Haus war, dann Springinsfeld hatte sie überredet, wo der Schatz läge, da würde seine Kerzen von sich selbst ausgehen. Da sie nun viel Winkel also processionsweis durchstrichen und Springinsfeld an allen Orten, da sie hingeleuchtet, wunderbarliche Wörter gebrummelt, kamen sie endlich in den Keller, alwo ich das eiserne Gegitter mit meinem ~A. R.~[158] befeuchtet hatte. Da stunde Springinsfeld vor einer Mauer, und indem er seine gewöhnliche Ceremonien machte, zuckte er sein Liecht aus. »Da, da«, ließe er durch den Tambour sagen, »liegt der Schatz eingemauret.« Brummelte darauf noch etliche närrische Wörter und schlug etlichmal mit meinem Fausthammer an die Mauer, davon die Lutzer nach und nach, so manchen Streich er an die Mauer thät, herunter rollten und ihr gewöhnliches Getön machten. »Höret ihr?« sagte er darauf, »der Schatz hat abermal verblühet[159], welches alle sieben Jahr einmal geschiehet. Er ist zeitig und muß ausgenommen werden, dieweil die Sonne noch im Igel gehet, sonst wirds künftig vor Verfließung anderer sieben Jahr umsonst sein.« Weil nun die Dame und ihre beide Diener tausend Eid geschworen hätten, das Geklingel wäre in der Mauer gewesen, als stellten sie meinem Springinsfeld völligen Glauben zu, und die Dame begehrte an ihn, er wolte um die Gebühr den Schatz erheben, wolte auch gleich um ein Gewisses mit ihm accordirn. Als er sich aber hören ließe, er pflege in dergleichen Fällen nichts zu heischen noch zu nehmen, als was man ihm mit gutem Willen gebe, ließe es die Dame auch dabei bewenden mit Versicherung, daß sie ihn dergestalt contentirn wolte, daß er damit zufrieden sein würde. Demnach begehrte er 17 erlesene Körner Weihrauch, vier geweihte Wachskerzen, acht Ellen vom besten Scharlach, einen Diamant, einen Smaragd, einen Rubin und einen Saphir, welche Kleinodien ein Weibsbild beides in ihrem jungfräulichen und fräulichen Stand am Halse getragen hätte; zweitens solte er alleinig in den Keller geschlossen oder versperrt, und von der Damen selbst der Schlüssel zur Hand genommen werden, damit sie so wol um ihre Edelgestein und den Scharlach versichert sein, als auch er, bis er den Schatz glücklich zur Hand gebracht, unverhindert und ohnbeschrien verbleiben möchte. Hierauf gab man ihm und dem Tambour eine Collation und ihme, Tambour, wegen seines Dolmetschens ein Trinkgeld. Indessen wurden die begehrte Zugehörungen herbeigeschafft, nach solchen Springinsfeld in Keller verschlossen, woraus unmüglich schiene, einen Kerl zu entrinnen[160], dann das Fenster oder Tagelicht, so auf die Gasse oder den Platz gieng, war hoch und noch darzu mit gedachtem eisernen Gegitter wohl verwahret. Der Dolmetsch aber ward fortgelassen, welcher gleich zu mir kam und mich allen Verlauf berichtete. Weder ich noch Springinsfeld verschliefen die rechte Zeit, darin die Leute am härtesten zu schlafen pflegen, sondern nachdem ich das Gegitter so leicht als einen Rübschnitz hinweg gebrochen, ließe ich ein Seil hinunter zu meinem Springinsfeld in Keller und zoge ihn daran samt aller Zugehör zu mir herauf, da ich dann auch den verlangten schönen Smaragd fande. Die Beut erfreuete mich bei weitem nicht so sehr als das Schelmstück, welches mir so wol abgangen war. Der Tambour hatte sich bereits den Abend zuvor schon aus der Stadt gemacht, mein Springinsfeld aber spazierte den Tag nach vollbrachter Schatzerhebung mit andern in der Stadt herum, die sich über den listigen Dieb verwunderten, eben als man unter den Thoren Anstalt machte, solchen zu erhaschen. Und nun sihe, Simplice, solcher Gestalt ist deines Springinsfelds Dexterität durch mich zuwegen gebracht und ausgeübet worden. Ich erzähle dir auch dieses nur zum Exempel, dann wann ich dir alle Buben- und Schelmenstück sagen solte, die er mir zu Gefallen werkstellig machen müssen, so dorfte ich wetten, es würde mir und dir, wiewol es lustige Schosen[161] seind, die Zeit zu lang werden; ja wann man alles beschreiben solte, wie du deine Narrenpossen beschrieben hast, so würde es ein größer und lustiger Buch abgeben als deine ganze Lebensbeschreibung. Doch will ich dich noch ein kleines lassen hören. FUSSNOTEN: [147] =Cyprianische Jungfrau.= Justin., ~Hist. XVIII.~ cap. 5, erzählt, Elissa (Dido) habe nach ihrer Flucht auf Kypros achtzig Jungfrauen geraubt, die nach der Sitte des Landes an das Ufer des Meeres geschickt worden waren, um sich dort ihre Aussteuer zu verdienen. [148] =Jesebel=, die Gemahlin Ahab's. Jehu, der das Haus Ahab's ausrottete. 2 Könige 10. [149] =zu Faden schlagen=, vom Schneiderhandwerk, ein Stück mit losen und weiten Stichen zusammennähen, in Norddeutschland =reihen=, dann von dem Beginn jeder Arbeit gebraucht, der Gegensatz ist =auswirken=, die Arbeit fertig machen. Beide Ausdrücke gebraucht Grimmelshausen im übertragenen Sinne, selbst z. B. vom Essen. [150] =eifern mit=, eifersüchtig sein auf. [151] =da es lang herumgieng=, nachdem die Sache länger besprochen worden war. [152] =Lutzer=, Blutzer, schweizerische Scheidemünze. [153] =Bezirk=, Umfang. [154] =steuern=, stützen. [155] =dünster=, düster, dumpf. [156] =die Glock gegossen=, sprichwörtlich: die Sache abgemacht. [157] =messene=, von ~mësse~, mhd., Bronze; diese alte Form steht hier für messingene, welche Metallmischung um die Mitte des 16. Jahrh. erfunden wurde. [158] ~A. R. Aqua Regis~, Königswasser, Goldscheidewasser. [159] =verblüht=, ausgeblüht, gezeitigt zur Hebung. [160] Wunderliche Construction, jedoch in allen Ausgaben, ~Accus. c. infin.~ daß ein Kerl entrinne. [161] =Schosen=, ~choses~, Sachen. Das zwanzigste Capitel. Welcher Gestalt Springinsfeld und Courage zween Italiäner bestohlen. Als wir uns versahen, wir würden noch lang vor Casal liegen bleiben müssen, lagen wir nit nur in Zelten, sondern ihrer viel baueten ihnen auch sonst Hütten aus andern Materialien, sich desto besser in die Länge zu behelfen. Unter anderen Schacherern befanden sich zween Mailänder im Lager, die hatten ihnen eine Hütte von Brettern zugerichtet, ihre Kaufmannswaare desto sicherer darin zu verwahren, welche da bestunde in Schuhen, Stiefeln, Kollern, Hemdern und sonst allerhand Kleidungen, beides vor Officierer und gemeine Soldaten zu Roß und Fuß. Diese thäten mir meines Bedunkens viel Abtrag[162] und Schaden, indem sie nämlich von den Kriegsleuten allerhand Beuten von Silbergeschmeid und Juweln um den halben, ja den vierten Theil ihres Werths erhandelten, welcher Gewinn mir zum Theil zukommen wäre, wann sie nit vorhanden gewesen. Solches nun gedachte ich an ihnen aufs wenigst zu wuchern[163], weil in meiner Macht nit stunde, ihnen das Handwerk gar niederzulegen. Unten in der Hütten war die Behaltnus ihrer Waar, und dasselbige war auch zugleich ihr Gaden[164]; oben auf dem Boden aber unter dem Dach war ihr Liegerstatt, allwo sie schliefen, wohinauf ungefähr sieben oder acht Staffeln giengen; und durch den Boden hatten sie ein offenes Loch gelassen, um dadurch nicht allein desto besser zu hören, wann etwan Mauser einbrächen, sie zu bestehlen, sondern auch solche Diebe mit Pistolen zu bewillkommen, mit welchen sie trefflich versehen waren. Als ich nun selbst wahrgenommen, wie die Thür ohne sonderlichen Rumor aufzumachen wäre, machte ich meinen Anschlag gar gering[165]. Mein Springinsfeld muste mir eine Welle scharfer Dörner in Mannslänge zuwegen bringen, woran auch beinahe ein Mann zu tragen hatte, und ich füllete eine messene Spritze mit scharfem Essig. Also versehen, giengen wir beide an die gedachte Hütte, als jedermann im besten Schlaf war. Die Thür in der Stille zu öffnen, war mir gar keine Kunst, weil ich zuvor alles fleißig abgesehen; und da solches vollbracht und geschehen, stackte Springinsfeld die Dornwell vor die Stiegen, als welche vor sich selbst keine Thür hatte, von welchem Geräusch beide Italiäner erwachten und zu rumpeln anfiengen. Wir konten uns wol einbilden, daß sie zum ersten zu obigen Loch herunter schauen würden, als dann auch geschahe; ich aber spritzte dem einen die Augen alsobald so voller Essig, daß ihm seine Vorsichtigkeit in einem Augenblick vergieng; der ander aber liefe im Hemd und Schlafhosen die Stiegen hinunter und wurde von der Dornwell so unfreundlich empfangen, daß er gleichwie auch sein Camerad in solcher unversehenen Begebenheit und großem Schrecken sich nichts anders einbilden konten, also es wäre eitel Zauberei und Teufelsgespenst vorhanden. Indessen hatte Springinsfeld ein Dutzet zusammen gebundene Reuterkoller erwischt und sich damit fort gemacht, ich aber ließe mich mit einem Stück Leinwat genügen, drehete mich damit aus und schlug die Thür hinter mir wieder zu, die beide Welsche also in ihrer Anfechtung hinterlassend, wovon der eine ohne Zweifel die Augen noch gewischt, der ander aber noch mit seiner Dornwell zu handeln gehabt haben wird. Schaue, Simplice, so konnte ichs, und also habe ich den Springinsfeld nach und nach abgerichtet. Ich stahle, wie gehöret, nicht aus Noth oder Mangel, sondern mehrentheils darum, damit ich mich an meinen Widerwärtigen[166] revangiren möchte. Springinsfeld aber lernete indessen die Kunst und kam so meisterlich in die Griff, daß er sich unterstanden hätte, alles zu mausen, es wäre dann gar mit Ketten an das Firmament geheftet gewesen, und ich ließe ihn solches auch treulich genießen, dann ich gönnete ihm, daß er einen eigenen Säckel haben und mit dem halben gestohlenen Gut, maßen wir solche Eroberungen miteinander theilten, thun und handeln dörfte, was er wolte. Weil er aber trefflich auf das Spielen verpicht war, so kam er selten zu großem Geld; und wann er gleich zu Zeiten den Anfang zu einer ziemlichen Summa zuwegen brachte, so verblieb er jedoch die Länge nicht in Possession, sintemal ihm sein unbeständig Glück das Fundament zum Reichthum durch den unbeständigen Würfel jederzeit wieder hinweg zwackte. Im übrigen verblieb er mir ganz getreu und gehorsam, also daß ich mir auch keinen bessern Sclaven in der ganzen Welt zu finden getrauet hätte. Jetzt höre auch, was er damit verdienet, wie ich ihm gelohnet, und wie ich mich endlich wieder von ihm geschieden. FUSSNOTEN: [162] =Abtrag=, Abbruch. [163] =wuchern=, reichlich vergelten. [164] =Gaden=, Laden. [165] =gering=, leicht, anstellig, schlau. [166] =Widerwärtige=, Gegner, Feinde. Das einundzwanzigste Capitel. Erzählung eines Treffens, welches im Schlaf vorgangen. Kurz zuvor, ehe Mantua von den Unserigen eingenommen wurde, muste unser Regiment von Casal hinweg und auch in die Mantuanische Belägerung. Daselbsten liefe mir mehr Wasser auf meine Mühl als in dem vorigen Läger, dann gleich wie alldorten mehr Volk war, sonderlich Teutsche, also bekame ich auch mehr Kunden und Kundenarbeit, davon sich mein Geldhaufen wieder ein merkliches geschwinder vergrößerte, so daß ich etlichmal Wechsel nach Prag und anderswohin in die teutsche Reichsstädte übermachte, bei welcher glücklichen Prosperität, großem täglichen Gewinn und genugsamem Ueberfluß, dessen ich und mein Gesindel genossen, da sonst mancher Hunger und Mangel leiden muste, mein Springinsfeld anfienge allerdings das Junkernhandwerk zu treiben. Er wolte eine tägliche Gewohnheit daraus machen, nur zu fressen und zu saufen, zu spielen und spazieren zu gehen und zu faulenzen, und ließe allerdings die Handelschaft der Marquetenterei und die Gelegenheiten, sonsten irgends etwas zu erschnappen, ein gut Jahr haben. Ueber das hatte er auch etliche ungerathene und verschwenderische Cameraden an sich gehenkt, die ihn verführten und zu allem demjenigen untüchtig machten, worzu ich ihn zu mir genommen und auf allerlei Art und Weise abgeführet[167] hatte. »Ha«, sagten sie, »bist du ein Mann, und läst deine Hur beides über dich und das Deinige Meister sein? Es wäre noch genug, wann du ein böses Eheweib hättest, von deren du dergleichen leiden müstest. Wann ich in deinem Hemd verborgen stäke, so schlüg ich sie, biß sie mir parirte, oder jagte sie vor alle Teufel hinweg.« Solches alles vernahm ich bei Zeiten mit großem Unwillen und Verdruß und gedacht auf Mittel und Weg, wie ich meinen Springinsfeld möchte ins Feld springen machen, ohne daß ich mich im geringsten etwas dergleichen gegen ihm oder seinem Anhang hätte vermerken lassen. Mein Gesind, darunter ich auch vier starke Tremel[168] zu Knechten hatte, war mir getreu und auf meiner Seiten; alle Officierer des Regiments waren mir nicht übel gewogen; der Obrist selbst wolte mir wol und die Obristin noch viel besser, und ich verbande mir alles noch mehrers mit Verehrungen, wo ich vermeinte, daß ich Hülf zu meinem künftigen Hauskrieg zu hoffen hätte, dessen Ankündigung ich stündlich von meinem Springinsfeld gewärtig war. Ich wuste wol, daß der Mann, welchen mir Springinsfeld aber nur ~pro forma~ repräsentiren muste, das Haupt meiner Marquetenterei darstellte, und daß ich unter dem Schatten seiner Person in meiner Handelschaft agirte, auch daß ich bald ausgemarquetentert haben würde, wann ein solches Haupt mir mangelte. Derohalben gieng ich gar behutsam; ich gab ihm täglich Geld, beides zu spielen und zu banquetieren, nicht daß ich die Beständigkeit seiner vorigen Verhaltung bestätigen wollen, sondern ihn desto kirrer, verwegener und ausgelassener gegen mir zu machen, damit er sich dardurch verplumpen und durch ein rechtschaffenes grobianisches Stückel dem Besitz meiner und des Meinigen sich unwürdig machen, mit einem Wort, daß er mir Ursach geben solte, mich von ihme zu scheiden; dann ich hatte allbereit schon so viel zusammen geschunden und verdienet, zumalen auch anderwärtshin in Sicherheit gebracht, daß ich mich weder um ihn noch die Marquetenterei, ja um den ganzen Krieg, und was ich noch darin kriegen und hinweg nehmen konte, wenig mehr bekümmerte. Aber ich weiß nicht, ob Springinsfeld das Herz nicht hatte, seinen Cameraden zu folgen, um die Oberherrschaft offentlich von mir zu begehren, oder ob er sonst in erzähltem seinem liederlichen Leben unachtsamer Weis fortfuhre, dann er stellte sich gar freundlich und demüthig und gab mir niemalen kein sauern Blick, geschweige ein böses Wort. Ich wuste sein Anliegen wol, worzu ihn seine Cameraden verhetzt hatten; ich konte aber aus seinen Werken nicht spüren, daß er etwas dergleichen wider mich zu unterstehen bedacht gewesen wäre. Doch schickte sichs endlich wunderbarlich, daß er mich offendirte, wessentwegen wir dann, es sei ihm nun gleich lieb oder leid gewesen, von einander kamen. Ich lag einsmals neben ihm und schlief ohne alle Sorg, als er eben mit einem Rausch heimkommen war. Sihe, da schlug er mich mit der Faust von allen Kräften ins Angesicht, daß ich nicht allein darvon erwachte, sondern das Blut liefe mir auch häufig zum Maul und der Nasen heraus, und wurde mir von selbigem Streich so törmisch[169] im Kopf, daß mich noch Wunder gibt, daß er mir nit alle Zähn in Hals geschlagen. Da kan man nun wol erachten und abnehmen, was ich ihm vor eine andächtige Letenei[170] vorbetete. Ich hieße ihn einen Mörder und was mir sonst noch mehr von dergleichen ehrbaren Tituln ins Maul kommen. Er hingegen sagte: »Du Hundsfut, warum läßest du mir mein Geld nicht? Ich hab es ja redlich gewonnen!« Und wolte noch immer mehr Stöße hergeben, also daß ich zu schaffen hatte, mich deren zu erwehren, maßen wir beede im Bette aufrecht zu sitzen kamen und gleichsam anfiengen mit einander zu ringen. Und weil er noch fort und fort Geld von mir haben wolte, gabe ich ihm eine kräftige Ohrfeigen, die ihn wieder niederlegte; ich aber wischt zum Zelt hinaus und hatte ein solches Lamentiren, daß nit nur meine Mutter und übriges Gesind, sondern auch unsere Nachbaren davon erwachten und aus ihren Hütten und Gezelten hervorkrochen, um zu sehen, was da zu thun oder sonst vorgangen wäre. Dasselbe waren lauter Personen vom Stab, als welche gemeiniglich hinter die Regimenter zu den Marquetentern logirt werden, nämlich der Caplan, Regimentsschultheiß, Regimentsquartiermeister, Proviantmeister, Profos, Henker, Hurenwaibel und dergleichen; denen erzählet ich ein langs und ein breits, und der Augenschein gab auch, wie mich mein schöner Mann ohne einige Schuld und Ursach tractirt. Mein angehender[171] milchweißer Busem war überall mit Blut besprengt, und des Springinsfelds unbarmherzige Faust hatte mein Angesicht, welches man sonst niemalen ohne lustreizende Lieblichkeiten gesehen, mit einem einzigen Streich so abscheulich zugerichtet, daß man die Courage sonst nirgends bei als an ihrer erbärmlichen Stimme kennete, ohnangesehen niemands vorhanden war, der sie anderwärts jemalen hätte klagen hören. Man fragte mich um die Ursach unserer Uneinigkeit und daraus erfolgten Schlacht. Weil ich nun allen Verlauf erzählte, vermeinte der ganze Umstand, Springinsfeld müste unsinnig worden sein; ich aber glaubte, er habe dieses Spiel aus Anstiftung seiner Cameraden und Saufbrüder angefangen, um mir erstlich hinter die Hosen, zweitens hinter die Oberherrlichkeit und letzlich hinter mein vieles Geld zu kommen. Indem wir nun so miteinander pappelten[172], und etliche Weiber umgiengen, mir das Blut zu stellen[173], grabelte Springinsfeld auch aus unserem Zelt. Er kam zu uns zum Wachtfeuer, das bei des Oberisten Bagage brante, und wuste beinahe nicht Wort genug zu ersinnen und vorzubringen, mich und jedermann wegen seines begangenen Fehlers um Verzeihung zu bitten. Es mangelte wenig, daß er nicht vor mir auf die Knie niederfiel, um Vergebung und die vorige Huld und Gnad wieder von mir zu erlangen; aber ich verstopfte die Ohren und wolte ihn weder wissen noch hören, biß endlich unser Obristleutenant von der Rund darzu kam, gegen welchen er sich erboten, einen leiblichen Eid zu schweren, daß ihm geträumt hätte, er wäre auf dem Spielplatz gesessen, allwo ihm einer um eine ziemliche Schanz[174] auf dem Spiel gestandenen Gelds unrecht thun wollen, gegen welchem er deswegen geschlagen und wider seinen Willen und Meinung seine liebe unschuldige Frau im Schlaf getroffen. Der Obristleutenant war ein Cavalier, der mich und alle Huren wie die Pest haßte, hingegen aber meinem Springinsfeld nit ohngewogen war; derowegen sagte er zu mir, ich solte mich wieder mit ihm alsobald in die Zelt packen und das Maul halten, oder er wolte mich zum Profosen setzen und wol gar, wie ich vorlängsten verdient, mit Ruthen aushauen lassen. Potz Blech, das ist ein herber Sentenz, dieser Richter gibts[175] nicht viel! gedachte ich bei mir selber; aber es schadet nichts; bist du gleich Obristleutenant und beides vor meiner Schönheit und meinen Verehrungen schußfrei, so seind doch andere, und zwar deren mehr als einer, die sich gar gern dadurch berücken lassen, mir recht zu geben. Ich schwieg so still wie ein Mäusel; mein Springinsfeld aber auch, als dem er sagte, wann er noch mehrmal so kommen würde, so wolte er ihn bei Tag auf einmal dergestalt strafen um das, was er bei Nacht zu zweien malen gegen mir gesündigt, daß er gewißlich das dritte mal nicht wieder kommen würde; uns beiden zugleich aber sagte er, wir solten den Frieden machen, ehe die Sonne aufgieng, damit er den künftigen Morgen kein Ursach hätte, uns einen Tädigsmann[176] zu geben, aber über dessen Procedere[177] wir uns hinter den Ohren zu kratzen würden Ursachen haben. Also giengen wir wieder mit einander zu Bette und hatten beiderseits unsere Stöße, maßen ich dem Springinsfeld so wenig gefeiret als er mir. Er bekräftigt nochmals seinen gehabten Traum mit großen Schwüren, ich aber behauptete, daß alle Träume falsch wären, derentwegen ich aber nichts desto weniger keine falsche Maulschelle bekommen. Er wolte mit den Werken seine Liebe bezeugen, aber der empfangene Streich, oder vielmehr daß ich seiner gern los gewest wäre, entzogen ihm bei mir alle Willfährigkeit. Ja ich gab ihm auch den andern Tag nicht allein kein Geld mehr zum Spielen, sondern auch zum Saufen, und sonst wenig guter Wort; und damit er mir nicht hinter die Batzen käme, die ich noch bei mir behalten, unser Handelschaft damit zu treiben, verbarg ich solche hinter meine Mutter, welche solche so Tags so Nachts wol eingenähet auf ihrem bloßen Leib tragen muste. FUSSNOTEN: [167] =abführen=, wie anführen, anleiten, namentlich zum Schlechten. [168] =Tremel=, Trämel, Prügel, Bengel. [169] =törmisch=, schwindlig. [170] =Letenei=, soll heißen Litanei. [171] =angehend=, sich hebend, schwellend. [172] =pappeln=, ~ns.~ babbeln, schwatzen. [173] =stellen=, zum Stehen bringen, stillen. [174] =Schanz=, ~chance~, Einsatz. [175] =gibts=, fehlt in allen Ausgaben. [176] =Tädigmann=, (Theidungsmann) Vermittler in einem Streit, Schiedsrichter. [177] =Procedere=, Vorgehen, Verfahren. Das zweiundzwanzigste Capitel. Aus was Ursachen Springinsfeld und Courage sich gescheiden, und wormit sie ihn zur Letze[178] begabt. Gleich nach dieser unserer nächtlichen Schlacht stunde es wenig Zeit an, daß Mantua mit einem Kriegspossen[179] eingenommen wurde, ja der Fried selbst zwischen den Römisch-Kaiserlichen und Franzosen, zwischen den Herzogen von Savoia und Nivers[180] folgte ohnlängst hernach, gleichsam als wann der welsche Krieg mit unserm Treffen hätte geendigt werden müssen. Und eben deswegen giengen die Franzosen aus Savoya und stürmeten wieder in Frankreich, die kaiserliche Völker aber in Teutschland, zu sehen, was der Schwed machte, mit denen ich dann so wol fortschlendern muste, als wann ich auch ein Soldat gewesen wäre. Wir wurden, uns entweder zu erfrischen, oder weil die rothe Ruhr und die Pest selbst unter uns regierte, an einem Ort in den kaiserlichen Erblanden etliche Wochen an die Donau ins freie Feld mit unserem Regiment logirt, da es mir bei weitem nicht solche Bequemlichkeiten setzte wie in dem edlen Italia. Doch behalfe ich mich, so gut als ich konte, und hatte mit meinem Springinsfeld, weil er mehr als eine Hundsdemuth gegen mir verspüren ließe, den Frieden wiederum, doch nur ~pro forma~, geschlossen; dann ich laurete täglich auf Gelegenheit, vermittelst deren ich seiner los werden möchte. Solcher mein inniglicher Wunsch widerfuhre mir folgender Gestalt, welche Begebenheit genugsam bezeuget, daß ein vorsichtiger, verständiger, ja unschuldiger Mann, dem wachend und nüchtern weder Weib, Welt noch der Teufel selbst nicht zukommen kan, gar leichtlich durch seine eigene blöde Gebrechlichkeit schlaf- und weintrunkener Weis in alles Unheil und Unglück gestürzt und also um alles sein Glück und Wolfahrt gebracht werden mag. Gleichwie nun aber ich in meinem Gemüth auch um die allergeringste Schmach und vermeinte zugefügte Unbillichkeit ganz rachgierig und unversöhnlich war, als erzeigte sich auch mein Leib, wann er im geringsten verletzt würde, gleichsam ganz unheilsam. Nicht weiß ich, ob derselbe dem Gemüth nachähmte, oder ob die Zärte meiner Haut und sonderbaren Complexion so grobe Stöße wie ein Salzburger Holzbauer nicht ertragen konte; einmal ich hatte meine blaue Fenster und von Springinsfelds Faust die Wahrzeichen noch in meinem sonst zarten Angesicht, die er mir im Lager von Mantua eingetränkt, da er mich in obbemeldten Lager an der Donau, als ich abermal mitten im besten Schlaf lag, bei der Mitten kriegte, auf die Achsel nahm, mit mir also im Hemd, wie er mich ertappt gehabt, gegen des Obristen Wachtfeuer zuliefe und mich allem Ansehen nach hinweg werfen wolte. Ich wuste, nachdem ich erwachte, zwar nicht, wie mir geschahe, aber gleichwol merkte ich meine Gefahr, da ich mich ganz nackend befande und den Springinsfeld mit mir so schnell gegen dem Feuer zueilen sahe. Derowegen fienge ich an zu schreien, als wann ich mitten unter die Mörder gefallen wäre. Davon erwachte alles im Läger, ja der Obrist selbst sprang mit seiner Partisan aus seiner Zelten, und andere Officier mehr, welche kamen der Meinung, einen entstandenen großen Lärmen zu stillen, dann wir hatten damals ganz keine Feindsgefahr, sondern aber nichts anders als ein schönes lächerliches Einsehen und närrisches Spectacul. Ich glaube auch, daß es recht artlich und kurzweilig anzuschauen gewesen sein muß. Die Wacht empfienge den Springinsfeld mit seiner unwilligen und schreienden Last, ehe er dieselbige ins Feuer werfen konte; und als sie solche nackend sahen und vor seine Courage erkanten, war der Corporal so ehrliebend, mir einen Mantel um den Leib zu werfen. Indessen kriegten wir einen Umstand von allerhand hohen und niedern Officiern, der sich schier zu Tod lachen wolte und welchem nicht allein der Obrist selbst, sondern auch der Obristeleutenant gegenwärtig war, der allererst neulich den Frieden zwischen mir und dem Springinsfeld durch Drohung gestiftet hatte. Als indessen Springinsfeld sich wieder witzig stellte, oder, ich weiß selbst schier nit, wie es ihm ums Herz war, als er wieder zu seinen sieben Sinnen kommen, fragte ihn der Obriste, was er mit dieser Gugelfuhr[181] gemeint hätte. Da antwortet er, ihm hätte geträumt, seine Courage wäre überall mit giftigen Schlangen umgeben gewesen, derowegen er sie seinem Einfall nach, sie zu erretten und davon zu befreien, entweder in ein Feuer oder Wasser zu tragen vors Beste gehalten, hätte sie auch zu solchem Ende aufgepackt und wäre, wie sie alle vor andern sehen, also mit ihr daher kommen, welches ihm mehr als von Grund seines Herzens leid seie. Aber beides der Obrist selbst und der Obristleutenant, der ihm vor Mantua beigestanden, schüttelten die Köpf darüber und ließen ihn, weil sich schon jedermann satt genug gelacht hatte, vor die lange Weil zum Profosen führen, mich aber in mein Gezelt gehen, vollends auszuschlafen. Den folgenden Morgen gieng unser Proceß an und solte auch gleich ausgehen[182], weil sie im Krieg nicht so lang zu währen pflegen als an einigen Orten im Frieden. Jederman wuste zuvor wol, daß ich Springinsfelds Ehefrau nicht war, sondern nur seine Matreß, und dessentwegen bedorften wir auch vor kein Consistorium zu kommen, um uns scheiden zu lassen, welches ich begehrte, weil ich im Bette meines Lebens bei ihm nicht sicher war; und eben dessentwegen hatte ich einen Beifall schier von allen Assessoribus, die davor hielten, daß ein solche Ursach auch eine rechte Ehe scheiden könte. Der Obristleutenant, so vor Mantua ganz auf Springinsfelds Seiten gewesen, war jetzt ganz wider ihn, und die übrige vom Regiment schier alle auf meiner Seiten. Demnach ich aber mit meinem Contract schriftlich hervorkam, was Gestalt wir beisammen zu wohnen einander versprachen biß zur ehrlichen Copulation, zumalen meine Lebensgefahr, die ich künftig bei einem solchen Ehegatten zu sorgen hätte, trefflich aufzumutzen und vorzuschützen wuste, fiel endlich der Bescheid, daß wir bei gewisser Strafe von einander gescheiden und doch verbunden sein solten, uns um dasjenig, so wir miteinander errungen und gewonnen, zu vergleichen. Ich replicirte hingegen, daß solches Letzte wider den Accord unserer ersten Zusammenfügung laufe, und daß Springinsfeld, seit er mich bei ihm hätte, oder, teutscher zu reden, seit ich ihn zu mir genommen und die Marquetenterei angefangen, mehr verthan als gewonnen hätte, welches ich dann mit dem ganzen Regiment beweisen und darthun könte. Endlich hieße es, wann der Vergleich nach Billichkeit solcher Umstände zwischen uns beeden selbst nicht gütlich getroffen werden könte, daß alsdann nach befindenden Dingen von dem Regiment ein Urthel gesprochen werden solte. Ich ließe mich mit diesem Bescheid mehr als gern genügen, und Springinsfeld ließe sich auch gern mit einem Geringen beschlagen[183]; dann weil ich ihn und mein Gesind nach dem eingehenden Gewinn und also nit mehr wie in Italia tractirte, also daß es schiene, als ob der Schmalhans bei uns anklopfen wolte, vermeinte der Geck, es wäre mit meinem Geld auf der Neige und bei weitem nicht mehr so viel vorhanden, als ich noch hatte und er nicht wuste. Und es war billich, daß ers nicht wuste, dann er wuste ja auch nicht, warum ich damit so halsstarrig zuruck hielte. Eben damals, Simplice, wurde das Regiment Dragoner, darunter du etwan zu Soest dein A-b-c gelernet hast, durch allerhand junge Bursch, die sich hin und wieder bei den Officiern der Regimenter zu Fuß befanden und nun erwachsen waren, aber keine Musquetierer werden wolten, verstärkt, welches eine Gelegenheit vor den Springinsfeld war, wessentwegen er sich auch mit mir in einen desto leidenlichern[184] Accord einließe, den wir auch allein miteinander getroffen, solcher Gestalt: Ich gab ihm das beste Pferd, das ich hatte, samt Sattel und Zeug, item einhundert Ducaten baar Geld und das Dutzet Reuterkoller, so er in Italia durch meine Anstalt[185] gestohlen; dann wir hatten uns bißher damit nicht dörfen sehen lassen. Damit wurde auch eingedingt, daß er mir zugleich meinen Spiritus familiaris um eine Kron abkaufen solte, welches auch geschahe. Und in solcher Maß habe ich den Springinsfeld abgeschafft und ausgesteuret. Jetzt wirst du auch bald hören, mit was vor einer seinen Gab ich dich selbst beseligt und deiner Thorheit im Sauerbrunnen belohnet hab. Habe nur eine kleine Geduld und vernimm zuvor, wie es dem Springinsfeld mit seinem Ding im Glas gangen. Sobald er solches hatte, bekam er Würm über Würm im Kopf. Wann er nur einen Kerl ansahe, der ihme sein Tage niemal nichts Leids gethan, so hätte er ihn gleich an Hals schlagen mögen; und er spielte auch in allen seinen Duellen den Meister. Er wuste alle verborgene Schätze zu finden und andere Heimlichkeiten mehr, hier ohnnöthig zu melden. Demnach er aber erfuhre, was vor einen gefährlichen Gast er herbergte, trachtete er seiner los zu werden. Er konte ihn aber drum nicht wieder verkaufen, weil der Satz oder der Schlag seines Kaufschillings aufs Ende kommen war. Ehe er nun selbst Haar lassen wolte, gedachte er mir denselbigen wieder anzuhenken und zuruck zu geben, wie er mir ihn dann auch auf dem General-Rendezvous, als wir vor Regenspurg ziehen wolten, vor die Füße warf. Ich aber lachte ihn nur aus, und solches zwar nicht darum vergebens, dann ich hube ihn nicht allein nicht auf, sondern da Springinsfeld wieder in sein Quartier kam, da fande er ihn wieder in seinem Schubsack. Ich hab mir sagen lassen, er habe den Bettel etlichmal in die Donau geworfen, ihn aber alleweg wieder in seinem Sack gefunden, biß er endlich denselbigen in einen Bachofen geworfen und also seiner los worden. Indessen er sich nun so hiermit schleppte, wurde mir ganz ungeheuer[186] bei der Sach; derowegen versilberte ich, was ich hatte, schaffte mein Gesind ab und setzte mich mit meiner böhmischen Mutter nach Passau, vermittelst meines vielen Gelds des Kriegs Ausgang zu erwarten, sintemal ich zu sorgen hatte, wann Springinsfeld solches Kaufs und Verkaufs halber über mich klagen würde, daß mir alsdann als einer Zauberin der Proceß gemacht werden dörfte. FUSSNOTEN: [178] =Letze=, Abschiedsmahl, Abschied. [179] =Kriegspossen=, Kriegslist. [180] Vgl. die Einleitung. [181] =Gugelfuhr=, Kappenfahrt, Narrenaufzug. [182] =ausgehen=, zu Ende gelangen. [183] =beschlagen=, reichlich versehen, ausrüsten, vgl. gut beschlagen sein, befriedigen, abfinden. [184] =leidenlich=, leidlich, erträglich. [185] =Anstalt=, Veranstaltung. [186] =ungeheuer=, wie nicht geheuer, unheimlich. Das dreiundzwanzigste Capitel. Wie Courage abermal einen Mann verloren und sich darnach gehalten habe. Zu Passau schlug es mir bei weitem nicht so wol zu, als ich mich versehen hatte. Es war mir gar zu pfäffisch und zu andächtig; ich hätte lieber an Statt der Nonnen Soldaten oder an Statt der Mönche einige Hofbursch dort sehen mögen, und gleichwol verharrete ich daselbsten, weil damals nicht nur Böhmen, sondern auch fast alle Provinzen des Teutschlandes mit Krieg überschwemmt waren. Indem ich nun sahe, daß alles der Gottesforcht daselbst zugethan zu sein schiene, accommodirte ich mich gleichfalls aufs wenigst äußerlich nach ihrer Weis und Gewohnheit; und was mehr ist, so hatte meine böhmische Mutter oder Kostfrau das Glück, daß sie an diesem andächtigen Ort unter dem Glanz der angenommenen Gottseligkeit den Weg aller Welt gieng, welche ich dann auch ansehenlicher begraben ließe, als wann sie zu Prag bei S. Jacobs Thor gestorben wäre. Ich hielte es vor ein Omen meiner künftigen Unglückseligkeit, weil ich nunmehr niemanden auf der Welt mehr hatte, dem ich mich und das Meinige rechtschaffen hätte vertrauen mögen, und derentwegen haßte ich den unschuldigen Ort, darin ich meiner besten Freundin, Säugammen und Auferzieherin war beraubt worden. Doch patientirt ich mich daselbst, biß ich Zeitung bekam, daß der Wallensteiner Prag, die Hauptstadt meines Vatterlands, eingenommen und wiederum in des Römischen Kaisers Gewalt gebracht; dann auf solche erlangte Zeitung und weil der Schwed zu München und in ganz Baiern dominirt, zumalen in Passau seinetwegen große Forcht war, machte ich mich wieder in besagtes Prag, wo ich mein meistes Geld liegen hatte. Ich war aber kaum dort eingenistelt, ja ich hatte mich noch nicht recht daselbst gesetzt, mein zusammengeschundenes Geld und Gut im Frieden und meinem Bedunken nach in einer so großen und dannenhero auch meinem Vermuthen nach sehr sichern Statt wollustbarlich zu genießen, sihe, da schlug der Arnheim die Kaiserlichen bei Liegnitz, und nachdem er daselbst 53 Fähnlin erobert, kam er, Prag zu ängstigen. Aber der Allerdurchlauchtigst dritte Ferdinand schickte seiner Stadt, als er selbsten Regenspurg zusetzte, den Gallas zu Hülfe, durch welchen Succurs die Feinde nicht allein Prag, sondern auch ganz Böhmen wiederum zu verlassen genöthigt wurden. Damals sahe ich, daß weder die große und gewaltige Städte noch ihrer Wäll, Thürn, Mauren und Gräben mich und das Meinige vor der Kriegsmacht derjenigen, die nur im freien Feld, in Hütten und Zelten logieren und von einem Ort zum andern schweifen, beschützen könten. Derowegen trachtet ich dahin, wie ich mich wiederum einem solchen Kriegsheer beifügen möchte. Ich war damal noch ziemlich glatt und annehmlich, aber gleichwol doch bei weitem nicht mehr so schön als vor etlich Jahren. Dannoch brachte mein Fleiß und Erfahrenheit mir abermal aus dem Gallassischen Succurs einen Hauptmann zuwegen, der mich ehelichte, gleichsam als wann es der Stadt Prag Schuldigkeit oder sonst ihre eigne Art gewest wäre, mich auf allen Fall mit Männern und zwar mit Hauptleuten zu versehen. Unsere Hochzeit wurde gleichsam gräflich gehalten, und solche war kaum vorüber, als wir Ordre kriegten, uns zu der kaiserlichen Armada vor Nördlingen zu begeben, die sich kurz zuvor mit dem hispanischen Ferdinand Cardinal-Infant conjungirt, Donauwerth eingenommen und Nördlingen belagert hatte. Diese nun kamen der Fürst von Weimar und Gustavus Horn zu entsetzen, worüber es zu einer blutigen Schlacht geriethe, deren Verlauf und darauf erfolgte Veränderung nicht vergessen werden wird, so lang die Welt stehet. Gleichwie sie aber auf unserer Seiten überall glücklich abliefe, also war sie mir gleichsam allein schädlich und unglückhaft, indem sie mich meines Manns, der noch kaum bei mir erwarmet, im ersten Angriff beraubte. Ueberdas so hatte ich nicht das Glück, wie mir etwan hiebevor in anderen Schlachten widerfahren, vor mich selbsten und mit meiner Hand Beuten zu machen, weil ich wegen anderer, die mir vorgiengen, sodann auch wegen meines Manns allzufrühen Tods nirgends zukommen konte. Solches bedunkten mich eitel Vorbedeutungen meines künftigen Verderbens zu sein, welches dann die erste Melancholia, die ich mein Tage rechtschaffen empfunden, in meinem Gemüth verursachte. Nach dem Treffen zertheilte sich das sieghafte Heer in unterschiedliche Troupen, die verlorne teutsche Provinzen wieder zu gewinnen, welche aber mehr ruinirt als eingenommen und behauptet worden. Ich folgte mit dem Regiment, darunter mein Mann gedienet, demjenigen Corpo, das sich des Bodensees und Wirtenberger Landes bemächtigt, und ergriffe dardurch Gelegenheit, in meines ersten Hauptmanns, den mir hiebevor Prag auch gegeben, Hoya aber wieder genommen, Vatterland zu kommen und nach seiner Verlassenschaft zu sehen, allwo mir dasselbe Patrimonium und des Orts Gelegenheit so wol gefiele, daß ich mir dieselbige Reichsstadt gleich zu einer Wohnung erwählete, vornehmlich darum, weil die Feinde des Erzhauses Oesterreich zum Theil biß über den Rhein und anderwärts, ich weiß als nit wohin, verjagt und zerstreuet waren, also daß ich mir nichts Gewissers einbildete, dann ich würde ihrentwegen mein Lebtage dort sicher wohnen. So mochte ich ohnedas nicht wieder in Krieg, weil nach dieser namhaften Nördlinger Schlacht überall alles dergestalt aufgemauset wurde, daß die Kaiserlichen wenige rechtschaffene Beuten meiner Muthmaßung nach zu hoffen. Derowegen fienge ich an auf gut Bäurisch zu hausen; ich kaufte Viehe und liegende Güter, ich dingte Knecht und Mägd und schickte mich nit anderst, als wann der Krieg durch diese Schlacht allerdings geendigt, oder als ob sonst der Friede vollkommen beschlossen worden wäre. Und zu solchem Ende ließe ich alles mein Geld, das ich zu Prag und sonst in großen Städten liegen hatte, herzu kommen und verwendete das meiste hierzu an. Und nun sihe, Simplice, dergestalt seind wir meiner Rechnung und deiner Lebensbeschreibung nach zu =einer= Zeit zu Narren worden, ich zwar bei den Schwaben, du aber zu Hanau; ich verthät mein Geld unnützlich, du aber deine Jugend; du kamest zu einem schlechten Krieg, ich aber bildet mir vergeblich eine Friedenszeit ein, die noch in weitem Feld stunde; dann ehe ich recht eingewurzelt war, da kamen Durchzüg und Winterquartier, die doch die beschwerliche Contributiones mit nichten aufhuben; und wann die Menge meines Gelds nicht ziemlich groß, oder ich nicht so witzig gewesen wäre, dessen Besitzung weislich zu verbergen, so wäre ich zeitlich caput worden; dann niemand in der Stadt ware mir hold, auch meines gewesenen Manns Freunde nicht, weil ich dessen hinterlassene Güter genosse, die sonst ihnen erblich zugefallen wären, wann mich, wie sie sagten, der Hagel nicht hingeschlagen hätte. Dannenhero wurde ich mit starken Geldern belegt und nichts destoweniger auch mit Einquartierungen nicht verschonet. Es gieng mir halt wie den Wittiben, die von jederman verlassen sein. Aber solches erzähle ich dir darum nicht klagender Weis, begehre auch dessentwegen weder Trost, Hülf noch Mitleiden von dir, sondern ich sage dirs darum, daß du wissen soltest, daß ich mich gleichwol nicht viel deswegen bekümmerte noch betrübte, sondern daß ich mich noch darzu freuete, wann wir einem Regiment musten Winterquartier geben; dann sobald solches geschahe, machte ich mich bei den Officiern zutäppisch; da war Tag und Nacht nichts als Fressen und Saufen, Huren und Buben in meinem Hause, ich ließe mich gegen ihnen an, wie sie wolten, und sie musten sich auch hinwiederum, wann sie nur einmal angebissen hatten, gegen mir anlassen, wie ichs haben wolte, also daß sie wenig Geld mit sich aus dem Quartier ins Feld trugen; worzu ich dann mehr als tausenderlei Vörtel zu gebrauchen wuste und trutz jederman, der damals etwas darwider gesagt hätte. Ich hielte allezeit ein paar Mägd, die kein Haar besser waren als ich, gienge aber so sicher, klüglich und behutsam damit um, daß auch der Magistrat, meine damalige liebe Obrigkeit, selbsten mehr Ursach hatte, durch die Finger zu sehen, als mich deswegen zu strafen, sintemal ihre Weiber und Töchter, so lang ich vorhanden war und mein Netz ausspannen dörfte, nur desto länger from verblieben. Dieß Leben führete ich etliche Jahr, ehe ich mich übel dabei befande, zu welcher Zeit ich jährlich gegen dem Sommer, wann Mars wieder zu Felde gieng, meinen Ueberschlag und Rechnung machte, was mich denselbigen Winter der Krieg gekostet, da ich dann gemeiniglich fande, daß meine Prosperität und Einnahm die Ausgab meiner schuldigen Kriegskosten übertroffen. Aber, Simplice, jetzt ists an dem, daß ich dir auch sage, mit was vor einer Laugen ich dir gezwaget[187]; wil derowegen jetzt nicht mehr mit dir, sondern mit dem Leser reden; du magst aber wol auch zuhören und, wann du vermeinest, daß ich lüge, mir ohngehindert in die Rede fallen. FUSSNOTEN: [187] =zwagen= ~c. dat.~, waschen. Das vierundzwanzigste Capitel. Wie Simplicissimus und Courage Kundschaft zusammen bekommen und einander betrogen. Wir musten in unserer Stadt eine starke Besatzung gedulden, als die Churbairische und Französische, Weimarische in der schwäbischen Gränze einander in den Haaren lagen und sich zwackten. Unter denselbigen waren die meiste Officierer trefflich geneigt auf dasjenige, was ich ihnen gern um die Gebühr mitzutheilen pflegte. Demnach ichs aber beides aus großer Begierde des Gelds, das ich wieder damit gewonnen, als meiner eigenen unersättlichen Natur halber gar zu grob machte, und beinahe ohne Unterschied zuließe, wer nur wolte, sihe, da bekam ich dasjenige, was mir bereits vor zwölf oder funfzehen Jahren rechtmäßiger Weise gebühret hätte, nämlich die liebe Franzosen, mit wolgeneigter Gunst. Diese schlugen aus und begunten mich mit Rubinen zu zieren, als der lustige und fröhliche Frühling den ganzen Erdboden mit allerhand schönen wolgezierten Blumen besetzte. Gesund war mirs, daß ich Mittel genug hatte, mich wiederum darvon curiren zu lassen, welches dann in einer Stadt am Bodensee geschahe. Weil mir aber meines Medici Vorgeben nach das Geblüt noch nicht vollkommen gereinigt gewesen, da riethe er mir, ich solte die Saurbrunnencur brauchen und also meine vorige Gesundheit desto völliger wiederum erholen. Solchem zufolge rüstet ich mich aufs beste aus, mit einem schönen Calesch, zweien Pferden, einem Knecht und einer Magd, die mit mir vier Hosen eines Tuchs war, außer daß sie die obengemeldte lustige Krankheit noch nicht am Hals gehabt. Ich war kaum acht Tage im Saurbrunnen gewesen, als Herr Simplicius Kundschaft zu mir machte; dann Gleich und Gleich gesellt sich gern, sprach der Teufel zum Kohler. Ich trug mich ganz adelich, und weil Simplicius so toll aufzoge und viel Diener hatte, hielte ich ihn auch vor einen tapfern Edelmann und gedachte, ob ich ihm vielleicht das Seil über die Hörner werfen und ihn, wie ich schon zum öftern mehr practicirt, zu meinem Ehemann kriegen könte. Er kam meinem Wunsch nach mit völligem Wind in den gefährlichen Port meiner sattsamen Begierden angesegelt, und ich tractirte ihn wie etwan die Circe den irrenden Ulissem; und alsobald faßte ich eine gewisse Zuversicht, ich hätte ihn schon gewiß an der Schnur. Aber der lose Vogel risse solche entzwei, vermittelst eines Funds[188], dardurch er mir seine große Undankbarkeit zu meinem Spott und seinem eigenen Schaden bezeugte; sintemal er durch einen blinden Pistolenschuß und einer Wasserspritze voll Blut, das er mir durch ein Secret beibrachte, mich glauben machte, ich wäre verwundet, wessentwegen mich nicht nur der Balbierer, der mich verbinden solte, sondern auch fast alles Volk im Saurbrunnen hinten und vornen beschauete, die nachgehends alle mit Fingern auf mich zeigten, ein Lied darvon sangen und mich dergestalt aushöhneten, daß ich den Spott nicht mehr vertragen und erleiden konte, sondern eh die Cur gar vollendet, den Saurbrunnen mitsamt dem Bad quittirte. Der Tropf Simplex nennet mich in seiner Lebenserzählung im 5. Buch am 6. Capitel leichtfertig, item sagt er, ich sei mehr mobilis als nobilis gewesen. Ich gebe beides zu. Wann er selbst aber nobel, oder sonst ein gut Haar an ihm gewesen wäre, so hätte er sich an so keine leichtfertige und unverschämte Dirne, wie er mich vor eine gehalten, nicht gehenkt, viel weniger seine eigene Unehr und meine Schand also vor der ganzen Welt ausgebreitet und aufgeschrien. Lieber Leser, was hat er jetzt vor Ehr und Ruhm darvon, daß er (damit ich seine eigene Wort gebrauche) in kurzer Zeit einen freien Zutritt und alle Vergnügung, die er begehren und wünschen mögen, von einer Weibsperson erhalten, vor deren Leichtfertigkeit er ein Abscheuen bekommen, ja von deren, die noch kaum der Holzcur[189] entronnen? Der arme Teufel hat eine gewaltige Ehre darvon, sich dessen zu rühmen, welches er mit besseren Ehren billich hätte verschweigen sollen. Aber es gehet dergleichen Hengsten nicht anderst, die wie das unvernünftige Viehe einem jedwedern geschleierten Thier wie der Jäger einem jeden Stück Wild nachsetzen. Er sagt, ich seie glatthärig gewesen; da muß er aber wissen, daß ich damals den siebenzehenden Theil meiner vorigen Schönheit bei weitem nicht mehr hatte, sonderlich behalfe mich allbereit mit allerhand Anstrich und Schminke, deren er mir nicht wenig, sondern einer großen Menge abgeleckt. Aber genug hiervon! Narren soll man mit Kolben lausen. Das war noch ein Gerings; jetzt vernehme der Leser, wormit ich ihn endlich bezahlet. Ich verließe den Sauerbrunnen mit großem Verdruß und Unwillen, also bedachte ich mich auf eine Rach, weil ich von Simplicio beides beschimpft und verachtet worden. Und meine Magd hatte sich daselbsten eben so frisch gehalten als ich, und weil die arme Tröpfin keinen Scherz verstehen konte, ein junges Söhnlein vor ein Trinkgeld aufgebündelt, welches sie auch auf meinem Meierhof außer der Stadt glücklich zur Welt gebracht. Dasselbe muste sie mit Namen Simplicium nennen lassen, wiewol sie Simplicius sein Tage niemals berührte. Sobald ich nun erfahren, daß sich Simplicius mit einer Baurentochter vermählet, muste meine Magd ihr Kind entwöhnen und dasselbige, nachdem ichs mit zarten Windeln, ja seidenen Decken und Wickelbinden ausstaffiret, um meinem Betrug eine bessere Gestalt und Zierde zu geben, in Begleitung meines Meiers Knechts zu Simplici Haus tragen, da sie es dann bei nächtlicher Weile vor seine Thür gelegt, mit einem beigelegten schriftlichen Bericht, daß er solches mit mir erzeugt hätte. Es ist nicht zu glauben, wie herzlich mich dieser Betrug erfreuete, sonderlich da ich hörete, daß er dessentwegen von seiner Obrigkeit so trefflich zur Straf gezogen worden, und daß ihm diesen Fund sein Weib alle Tag mit Merrettig und Senf auf dem Brod zu essen gab, item, daß ich dem Simpeln guten Glauben gemacht, die Unfruchtbare hätte geboren, da ich doch, wann ich der Art gewest wäre, nicht auf ihn gewartet, sondern in meiner Jugend verrichtet haben würde, was er in meinem herzunahenden Alter von mir glaubte; dann ich hatte damals allbereit schier vierzig Jahr erlebt und war eines schlimmen Kerls nicht würdig, als Simplicius einer gewesen. FUSSNOTEN: [188]: =Fund=, Erfindung, List. [189] =Holzcur=, Decoct von Pockenholz, ~lignum Guajaci~. Das fünfundzwanzigste Capitel. Courage wird über ihren Uebelthaten erwischt und der Stadt verwiesen. Jetzt solte ich zwar abbrechen und aufhören von meinem fernern Lebenslauf zu erzählen, weilen genugsam verstanden worden, was vor eine Dame Simplicius übertölpelt zu haben sich gerühmet. Gleichwie er aber von deme, was allbereit gesagt worden, ohne Zweifel fast nichts als Spott und Schand haben wird, also wirds ihm auch wenig Ehr bringen, was ich noch fürters anzeigen werde. Ich hatte hinter meinem Hause einen Garten in der Stadt, beides von Obsgewächs, Kräuter und Blumen, der sich dorfte sehen lassen und alle andere trutzte; und neben mir wohnete ein alter Mechaberis[190] oder Susannenmann, welcher ein Weib hatte, die viel älter war als er selbsten. Dieser wurde zeitlich innen, von was vor einer Gattung ich war, und ich schlug auch nicht ab, im Nothfall mich seiner Hülf zu bedienen, wessentwegen wir dann oft in besagtem Garten zusammen kamen und gleichsam im Raub und höchster Eil Blumen brachen, darmit es sein eifersüchtige Alte nit gewahr würde, wie wir dann auch nirgends so sicher als in diesem Garten zusammen kommen konten, als da das grüne Laub und die verdeckte Gäng unserer Meinung nach vor den Menschen, aber nicht vor den Augen Gottes, unsere Schand und Laster bedeckten. Gewissenhafte Leut werden darvor halten, unser Sündenmaß seie damal entweder voll und überhäuft gewesen, oder die Güte Gottes hätte uns zur Besserung und Buße berufen wollen. Wir hatten einander im Anfang des Septembris Losung[191] gegeben, denselbigen lieblichen Abend im Garten unter einem Birnbaum zusammen zu kommen, eben als zween Musquetierer aus unserer Guarnison ein Anschlag gemacht hatten, selbigen Abend ihren Part von meinen Birn zu stehlen, wie sie auch den Baum bestiegen und zu brechen anfiengen, ehe ich und der Alte in Garten kommen. Es war ziemlich finster, und mein Buhler stellte sich ehender ein als ich, bei dem ich mich aber auch gar bald befande und dasjenige Werk mit ihm angienge, das wir ehmalen mit einander zu treiben gewohnt waren. Potzherz! ich weiß nicht wie es gienge, der eine Soldat regte sich auf dem Baum, um unserer Gaukelfuhr besser wahrzunehmen, und war so unvorsichtig, daß er alle seine Birn, die er gebrochen hatte, verschüttelt, und als selbige auf den Boden fielen, bildeten ich und der Alte sich nichts anders ein, als es wäre etwan ein starkes Erdbiden von Gott gesendet und verhängt, uns von unsern schandlichen Sünden abzuschrecken, wie wir dann einander auch solches mit Worten zu verstehen gaben und beide in Angst und Schrecken von einander liefen. Die auf dem Baum aber konten sich des Lachens nicht enthalten, welches uns noch größere Furcht einjagte, sonderlich dem Alten, der da vermeinte, es wäre ein Gespenst, das uns plagte. Derowegen begab sich ein jedes von uns in seine Gewahrsam. Den andern Tag kam ich kaum auf den Markt, da schrie ein Musquetierer: »Ich weiß was.« Ein anderer fragte ihn mit vollem Hals: »Was weist du dann?« Jener antwortet: »Es hat heut Birnen geerdbidmet.« Diß Geschrei kam je länger je stärker, also daß ich gleich merkte, was die Glocke geschlagen, und mich in Angesicht anröthete, wiewol ich mich sonst zu schämen nit gewohnet war. Ich machte mir gleich die Rechnung, daß ich eine Hatz ausstehen müste, gedachte aber nicht, daß es so grob hergehen würde, wie ich hernach erfuhr; dann nachdem die Kinder auf der Gassen von unserer Geschicht zu sagen wusten, konte der Magistrat nichts anders thun, als daß er mich und den Alten beim Kopf nehmen und jedweders besonders gefangen setzen ließe. Wir leugneten aber beide wie die Hexen, ob man uns gleich mit dem Henker und der Tortur dräuete. Man inventirt und verpetschirt das Meinige und examinirt mein Hausgesind bei dem Eid, deren Aussag aber wider einander liefe, weil sie nit alle von meinen losen Stücken wusten und mir die Mägd getreu waren. Endlich verschnappte ich den Handel selbst, als nämlich der Schultheiß, welcher mich Frau Bas nennete, oft zu mir in das Gefängniß kam und großes Mitleiden vorwandte, in Wahrheit aber mehr ein Freund der Gerechtigkeit als mein Vetter war. Dann nachdem er mich in aller falschen Verträulichkeit überredet, mein Alter hätte den begangenen und oftmals wiederholten Ehebruch gestanden, fuhre ich unversehens heraus und sagte: »So schlag ihm der Hagel ins Maul, weils der alte Scheißer nicht hat halten können!« Bate demnach meinen vermeinten Freund, er wolte mir doch getreulich dadurch helfen. Er aber hingegen machte mir eine scharfe Predigt daher, thät die Thür auf und wiese mir einen Notarium und beisichhabende Zeugen, die alle meine und seine Reden und Gegenreden angehört und aufgemerkt hatten. Darauf gieng es wunderlich her, die meiste Rathsherrn hielten darvor, man solte mich an die Folter werfen, so würde ich viel mehr dergleichen Stücke bekennen und alsdann nach befindenden Dingen als eine unnütze Last der Erden um eines Kopfs kürzer zu machen sein, welcher Sentenz mir auch weitläuftig notificirt wurde. Ich hingegen ließe mich vernehmen, man suche nicht so sehr der lieben Gerechtigkeit und den Gesetzen ein Genügen zu thun, als mein Geld und Gut zu confisciren. Würde man so streng mit mir procedirn, so würden noch viel, die vor ehrliche Burger gehalten werden, mit mir zur Leiche gehen oder mir das Geleit geben müssen. Ich konte schwätzen wie ein Rechtsgelehrter, und meine Wort und Protestationes fielen so scharf und schlau, daß sich Verständige darvor entsetzten. Zuletzt kam es dahin, daß ich auf eine Urfed die Stadt quittiren und, zu mehr als wohlverdienter Strafe, alle meine Mobilia und liegende Güter dahinten lassen muste, darunter sich gleichwol mehr als über 1000 Reichsthaler baar Geld befande. Meine Kleidungen und was zu meinem Leib gehörte, wurde mir gefolgt, außer etliche Kleinodien, die einer hier, der ander dort zu sich zwackte. In Summa was wolte ich thun? Ich hatte wol Größeres verdient, wann man strenger mit mir hätte procediren wollen; aber es war halt im Krieg, und dankte jedermänniglich dem gütigen Himmel (ich solte gesagt haben: jederweiberlich), daß die Stadt meiner so ~taliter qualiter~[192] los worden. FUSSNOTEN: [190] =Mechaberis=, scherzhaft oder misverstanden statt ~moechator~, Ehebrecher. [191] =Losung=, verabredetes Wort oder Zeichen. [192] =~taliter qualiter~=, auf diese gute Art. Das sechsundzwanzigste Capitel. Courage wird eine Musquetiererin, schachert darbei mit Tabak und Branntewein. Ihr Mann wird verschicket, welcher unterwegs einen todten Soldaten antrifft, den er ausziehet und, weil die Hosen nicht herunter wolten, ihm die Schenkel abhaut, alles zusammen packet und bei einem Bauren einkehret, die Schenkel zu Nachts hinterlässet und reißaus nimmt; darauf sich ein recht lächerlicher Poß zuträgt. Damals lagen weit herum keine kaiserliche Völker oder Armeen, zu welchen ich mich wieder zu begeben im Sinn hatte. Weil mirs dann nun an solchen mangelte, so gedachte ich mich zu den Weimarischen oder Hessen zu machen, welche damal im Kintzger Thal[193] und der Orten herum sich befanden, um zu sehen, ob ich etwan wieder einen Soldaten zum Mann bekommen könte. Aber ach! die erste Blüte meiner ohnvergleichlichen Schönheit war fort und wie eine Frühlingsblum verwelket, wie mich dann auch mein neulicher Unfall und daraus entstandene Bekümmernus nicht wenig verstellet. So war auch mein Reichthum hin, der oft die alte Weiber wieder an Männer bringet. Ich verkaufte von meinen Kleidern und Geschmuck, so mir noch gelassen worden, was Geld golte, und brachte etwan zweihundert Gulden zuwegen; mit denen machte ich mich samt einem Boten auf den Weg, um mein Glück zu suchen, wo ichs finden möchte. Ich trafe aber nichts als Unglück an, dann ehe ich Schiltach[194] erlangte, kriegte uns eine weimarische Partei Musquetierer, welche den Boten abprügelten, plünderten und wieder von sich jagten, mich aber mit sich in ihr Quartier schleppeten. Ich gab mich vor ein kaiserliches Soldatenweib aus, deren Mann vor Freiburg im Breisgau todt blieben wäre, und überredet die Kerl, daß ich in meines Mannes Heimath gewesen, nunmehr aber Willens sei, mich ins Elsaß nach Haus zu begeben. Ich war, wie obgedacht, bei weitem nicht mehr so schön als vor diesem, gleichwol aber doch noch von solcher Beschaffenheit, die einen Musquetierer aus der Partei so verliebt machte, daß er meiner zum Weib begehrte. Was wolte oder solte ich thun? Ich wolte lieber diesem Einzigen mit gutem Willen gönnen, als von der ganzen Partei mit Gewalt zu demjenigen gezwungen werden, was dieser aus Lieb suchte. In Summa, ich wurde eine Frau Musquetiererin, ehe mich der Caplan copulirte. Ich hatte im Sinn, wieder wie zu Springinsfeld's Zeiten eine Marquetenterin abzugeben, aber mein Beutel befand sich viel zu leicht, solches ins Werk zu setzen. So mangelte mir auch meine böhmische Mutter, und überdas bedunkte mich, mein Mann wäre viel zu schlecht und liederlich zu solchen Handel. Doch fienge ich an, mit Tabak und Branntewein zu schachern, gleichsam als ob ich wieder halbbatzenweis hätte gewinnen wollen, was ich kürzlich bei Tausenden verloren. Es kam mich blutsauer an, so zu Fuß daher zu marschieren und noch darzu einen schweren Pack zu tragen, neben dem, daß es auch zu Zeiten schmal Essen und Trinken setzte, welches unangenehmlichen Dings ich mein Lebtag nicht versucht, viel weniger gewohnet hatte. Zuletzt brachte ich einen trefflichen Maulesel zuwegen, der nicht allein schwer tragen, sondern auch schneller laufen konte als manch gutes Pferd. Gleich wie ich nun dergestalt zween Esel zusammen brachte, also verpflegte ich sie auch besten Fleißes, damit ein jeder seine Dienste desto besser versehen könte. Solcher Gestalt nun, weil ich und meine Bagage getragen wurde, konte ich mich auch um etwas besser patientirn, und verzögerte[195] also mein Leben, biß uns der von Mercy, in Anfang des Maien, bei Herbsthausen[196] treffliche Stöße gab. Ehe ich aber fortfahre, solchen meinen Lebenslauf weiters hinaus zu erzählen, so will ich dem Leser zuvor ein artliches Stückel eröffnen, das mein damaliger Mann wider seinen Willen ins Werk setzte, als wir noch im Kintzger Thal lagen. Er gieng ein[197], auf seiner Officier Zumuthen und mein Gutbefindung, sich in alte Lumpen zu verkleiden und mit einer Axt auf der Achsel, in Gestalt eines armen exulirenden Zimmermanns, einige Brief an Ort und Ende zu tragen, dahin sonst niemand zu schicken wegen der kaiserlichen Parteien, welcher wegen es unsicher war. Solche Briefe betrafen die Conjunction etlicher Völker und andere Kriegsanschläg. Es ware damals von grimmiger Kälte gleichsam Stein und Bein zusammen gefroren, so daß mich das arme Schaf auf seiner Reise schier gedauret hätte. Doch muste es sein, weil ein ziemlich Stück Geld zu verdienen war, und er verrichtet auch alles sehr glücklich. Unterwegs aber fande er einen todten Körper in seinen Abwegen, die er der Enden wol wuste, welcher ohne Zweifel eines Officiers gewesen sein muß, weil er ein Paar rother scharlachener Hosen mit silbern Galaunen[198] verbrämt anhatte, welcherlei Gattung damal die Officier zu tragen pflegten; so war sein Köller samt Stiefeln und Sporen auch den Hosen gemäß. Er besahe den Fund und konte nicht ersinnen, ob der Kerl erfroren oder von den Schwarzwäldern todtgeschlagen worden wäre. Doch galte es ihm gleich, welches Tods er gestorben; das Koller gefiele ihm so wol, daß ers ihm auszog, und da er dasselbige hatte, gelüstet ihn auch nach den Hosen, welche zu bekommen er zuvor die Stiefel abziehen muste. Solches glückte ihm auch; als er aber die Hosen herab streifte, wolten solche nicht hotten[199], weil die Feuchtigkeit des allbereit verwesenden Körpers sich unter den Knien herum, allwo man dazumal die Hosenbändel zu binden pflegte, sich beides in das Futter und den Ueberzug gesetzt hatte und dannenhero Schenkel und Hosen wie ein Stein zusammen gefroren waren. Er hingegen wolte diese Hosen nicht dahinten lassen, und weil der Tropf sonst kein ander Mittel in der Eil sahe, eins vom andern zu ledigen, hiebe er dem Corpo mit seiner Axt die Füße ab, packte solche samt Hosen und Koller zusammen, und fande mit seinem Bündel bei einem Bauern ein solche Gnad, daß er bei ihme hintern warmen Stubenofen übernachten dorfte. Dieselbe Nacht kälbert dem Bauern zu allem Unglück eine Kuhe, welches Kalb seine Magd wegen der großen Kälte in die Stuben trug und zunächst bei meinem Mann auf eine halbe Well Stroh zum Stubenofen setzte. Indessen war es gegen Tag, und meines Manns eroberte Hosen allbereit von den Schenkeln aufgethauet; derowegen zog er seine Lumpen zum Theil aus und hingegen das Köller und die Hosen, die er umkehrte oder letz[200] machte, an, ließe sein altes Gelümp samt den Schenkeln beim Kalb liegen, stiege zum Fenster hinaus und kam wieder glücklich in unser Quartier. Des Morgens frühe kam die Magd wiederum, dem Kalb Rath zu schaffen. Als sie aber die beide Schenkel samt meines Mannes alten Lumpen und Schurzfell darbei liegen sahe und meinen Mann nicht fande, fienge sie an zu schreien, als wann sie mitten unter die Mörder gefallen wäre. Sie liefe zur Stuben hinaus und schlug die Thür hinter ihr zu, als wann sie der Teufel gejagt hätte, von welchem Lärmen dann nicht allein der Bauer, sondern auch die ganze Nachbarschaft erwachte und sich einbildete, es wären Krieger vorhanden, wessenwegen ein Theil ausrisse, das ander aber sich in die Wehr schickte. Der Bauer selbst vernahm von der Magd, welche vor Forcht und Schrecken zitterte, die Ursach ihres Geschreis, daß nämlich das Kalb den armen Zimmermann, den sie über Nacht geherbergt, biß auf die Füße gefressen und ein solches gräßliches Gesicht gegen ihr gemacht hätte, daß sie glaube, wann sie sich nicht aus dem Staub gemacht, daß es auch an sie gesprungen wäre. Der Bauer wolte das Kalb mit seinem Knebelspieß[201] niedermachen, aber sein Weib wolte ihn in solche Gefahr nicht wagen noch in die Stub lassen, sondern vermittelte, daß er den Schultheißen um Hülf ansuchte. Der ließe alsobald der Gemein zusammen läuten, um das Haus gesamter Hand zu stürmen und diesen gemeinen Feind des menschlichen Geschlechts, ehe er gar zu einer Kuhe aufwüchse, bei Zeiten auszureuten[202]. Da sahe man nun ein artliches Spectakel, wie die Bäurin ihre Kinder und den Hausrath zum Kammerladen nacheinander heraus langte, hingegen die Bauren zu den Stubenfenstern hinein guckten und den schröcklichen Wurm samt bei sich liegenden Schenkeln anschaueten, welches ihnen genugsame Zeugnüs einer großen Grausamkeit einbildete. Der Schultheiß gebote, das Haus zu stürmen und dieses greuliche Wunderthier niederzumachen; aber es schonete ein jeder seine Haut. Jeder sagte: was hat mein Weib und Kind darvon, wann ich umkäme? Endlich wurde auf eines alten Bauren Rath beschlossen, daß man das Haus mitsamt dem Kalb, dessen Mutter vielleicht von einem Lindwurm oder Drachen besprungen worden, hinweg brennen und dem Bauern selbst aus gemeinem Seckel eine Ergötzung und Hülfe thun solte, ein anders zu bauen. Solches wurde fröhlich ins Werk gesetzet, dann sie sich damit trösteten, sie müsten gedenken, es hätten solches die Diebskrieger hinweg gebrant. Diese Geschichte machte mich glauben, mein Mann würde trefflich Glück zu dergleichen Stücken haben, weil ihm dieses ungefähr begegnet. Ich gedachte: was würde er erst ins Werk setzen, wann ich ihn wie hiebevor den Springinsfeld abrichte! Aber der Tropf war viel zu eselhaftig und hundsklinkerisch[203] darzu; überdas ist er mir auch bald hernach in dem Treffen vor Herbsthausen todt geblieben, weil er keinen solchen Scherz verstehen konte. FUSSNOTEN: [193] =Kintzger Thal=, an der Kinzig im Schwarzwald. [194] =Schiltach=, Baden, Mittelrheinkreis. [195] =verzögern=, hinhalten, kümmerlich durchbringen. [196] =Herbsthausen=, Jaxtkreis, Würtemberg. [197] =eingehen=, einwilligen, übernehmen. [198] =Galaunen=, Galonen, Tressen. [199] =hotten=, vorwärts gehen. [200] =letz=, verkehrt, dem Rechten entgegengesetzt, links. [201] =Knebelspieß=, Spieß mit einer Querstange unter der Spitze, für die Saujagd bestimmt. [202] =ausreuten=, ausrotten. [203] =hundsklinkerisch=, niederträchtig, verkommen. Das siebenundzwanzigste Capitel. Nachdem der Courage Mann in einem Treffen geblieben, und Courage selbst auf ihrem Maulesel entrunnen, trifft sie eine Zigeunerschar an, unter welchen der Leutenant sie zum Weib nimmt. Sie sagt einem verliebten Fräulein wahr, entwendet ihr darüber alle Kleinodien, behält sie aber nicht lang, sondern muß solche wol abgeprügelt wieder zustellen. In erstgemeldtem Treffen kame ich vermittelst meines guten Maulesels darvon, nachdem ich zuvor meine Zelt und schlechteste Bagage hinweg geworfen, retterirte mich auch mit dem Rest der übrig gebliebenen Armee, so wol als der Touraine[204] selbsten, biß nach Cassel; und demnach mein Mann todtgeblieben und ich niemand mehr hatte, zu dem ich mich hätte gesellen mögen oder der sich meiner angenommen, nahme ich endlich meine Zuflucht zu den Zigeunern, die sich von der schwedischen Hauptarmada bei den Königsmarkischen Völkern befanden, welche sich mit uns bei Wartburg[205] conjungirt. Und indem ich bei ihnen einen Leutenant antrafe, der gleich meiner guten Qualitäten und trefflichen Hand zum Stehlen, wie auch etwas Geldes hinter mir wahrnahm samt andern mehr Tugenden, deren sich diese Art Leut gebrauchen, sihe, so wurde ich gleich sein Weib und hatte diesen Vortheil, daß ich weder ~Oleum Talci~[206] noch ander Schmiersel mehr bedorfte, mich weiß und schön zu machen, weil sowol mein Stand selbsten als mein Mann diejenige Couleur von mir erforderte, die man des Teufels Leibfarb nennet. Derowegen fienge ich an mich mit Gänsschmalz, Läussalbe und andern haarfärbenden Unguenten also fleißig zu beschmieren, daß ich in kurzer Zeit so höllrieglerisch[207] aussahe, als wann ich mitten in Aegypten geboren worden wäre. Ich muste oft selbst meiner lachen und mich über meine vielfältige Veränderung verwundern. Nichts desto weniger schickte sich das Zigeunerleben so wol zu meinem Humor, daß ich es auch mit keiner Obristin vertauscht haben wolte. Ich lernete in kurzer Zeit von einer alten ägyptischen Großmutter wahrsagen; lügen und stehlen aber kunte ich zuvor, außer daß ich der Zigeuner gewöhnliche Handgriff noch nicht wuste. Aber was darfs viel Wesens? Ich wurde in Kürze so perfect, daß ich auch vor eine Generalin aller Zigeunerinnen hätte passiren mögen. Gleichwol aber war ich so schlau nicht, daß es mir überall ohne Gefahr, ja ohne Stöße abgangen wäre, wiewol ich mehr einheimste und meinem Mann zu verschlemmen zubrachte, als sonst meiner zehne. Höret, wie mirs einsmals so übel gelungen! Wir lagen über Nacht und ein Tag ohnweit von einer Freundsstadt im Vorbeimarschiren, da jedermann hinein dorfte, um seinen Pfenning einzukaufen, was er wolte. Ich machte mich auch hin, mehr einzunehmen und zu stehlen, als Geld auszugeben oder etwas zu kaufen, weil ich sonst nichts zu erkaufen gedachte, als was ich mit fünf Fingern oder sonst einem künstlichen Griff zu erhandeln verhoffte. Ich war nicht weit die Stadt hinein passirt, als mir eine Madamoiselle eine Magd zuschickte und mir sagen ließe, ich solte kommen, ihrer Fräulin wahrzusagen; und von diesem Boten selbsten vernahm ich gar von weitem und gleichsam über hundert Meilen her, daß ihrer Fräulin Liebhaber rebellisch worden und sich an ein andere gehenkt. Solches machte ich mir nun trefflich zu Nutz, dann da ich zu der Damen kame, trafe ich mit meiner Wahrsagung so nett zu, daß sie auch alle Calendermacherei, ja der elenden[208] Madamoisellen Meinung nach alle Propheten samt ihren Prophezeiungen übertrafe. Sie klagte mir endlich ihre Noth und begehrte zu vernehmen, ob ich kein Mittel wisse, den variablen Liebhaber zu bannen und wieder in das gerechte Gleis zu bringen. »Freilich, tapfere Dame«, sagte ich, »er muß wieder umkehren und sich zu euerm Gehorsam einstellen, und solte er gleich einen Harnisch anhaben wie der große Goliath.« Nichts Angenehmers hätte diese verliebte Tröpfin hören mögen als eben diß und begehrte auch nichts anders, als daß meine Künst alsobald ins Werk gesetzt würden. Ich sagte, wir müssen allein sein, und es müste alles unbeschrieen zugehen. Darauf wurden ihr Mägd abgeschafft und ihnen das Stillschweigen auferlegt; ich aber gieng mit der Madamoisellen in ihr Schlafkammer. Ich begehrte von ihr einen Trauerschleier, den sie gebraucht, als sie um ihren Vatter Leid getragen, item zwei Ohrgehäng, ein köstlich Halsgehäng, das sie eben anhatte, ihren Gürtel und liebsten Ring. Als ich diese Kleinodien hatte, wickelt ich sie zusammen in den Schleier, machte etliche Knöpf[209] daran, murmelte unterschiedliche närrische Wörter darzu und legte alles zusammen in der Verliebten Bette. Hernach sagte ich: »Wir müssen mit einander in Keller.« Da wir hinkamen, überredet ich sie, daß sie sich auszöge biß aufs Hemd, und unterdessen als solches geschahe, machte ich etliche wunderbare Characteres an den Boden eines großen Fasses voll Wein, zoge endlich den Zapfen heraus und befahl der Damen, ihren Finger vorzuhalten, biß ich die Kunst mit dem Zapfen droben im Hause auch der Gebühr nach verrichtet hätte. Da ich nun das einfältige Ding dergestalten gleichsam angebunden, gieng ich hin und holete die Kleinodien aus ihrem Bette, mit welchen ich mich ohnverweilt aus der Stadt machte. Aber entweder wurde diese fromme leichtglaubige Verliebte samt dem Ihrigen[210] vom gütigen Himmel beschützt, oder ihre Kleinodia waren mir sonst nicht bescheret, dann ehe ich unser Lager mit meiner Beute gar erreichte, ertappte mich ein vornehmer Officier aus der Guarnison, der solche wieder von mir fordert. Ich leugnete zwar, er wiese mir aber was anders; doch kan ich nicht sagen, daß er mich geprügelt, hingegen aber schweren, daß er mich rechtschaffen gedegelt[211] habe; dann nachdem er seinen Diener absteigen lassen, um mich zu besuchen, ich aber demselbigen mit meinem schröcklichen Zigeunermesser begegnet, mich dessen zu erwehren, sihe, da zog er von Leder und machte mir nicht allein den Kopf voller Beulen, sondern färbte mir auch Arm, Lenden und Achseln so blau, daß ich wol 4 Wochen daran zu salben und zu verblauen hatte. Ich glaube auch, der Teufel hätte biß auf diese Stund noch nicht aufgehöret zuzuschlagen, wann ich ihm meine Beut nicht wieder hingeworfen. Und dieses war vor dißmal der Lohn beides meiner artlichen Erfindung und des künstlichen Betrugs selbsten. FUSSNOTEN: [204] =Touraine=, Turenne, vgl. die Einleitung. [205] Die =Wartburg= in Thüringen. [206] ~=Oleum Talci=~, flüssige Schminke aus Talk. [207] =höllrieglerisch=, von Höllenriegel, mhd.~helle-rigel~, wie Höllenbrand, der Hölle angehörig, wie ein Teufel. [208] =elend=, leidend. [209] =Knopf=, Knoten. [210] Im Druck steht »=dieser=« -- »=Seinigen=«. [211] =degeln=, von =Degen=, als Gegensatz zu prügeln, fuchteln, mit der flachen Klinge schlagen. Das achtundzwanzigste Capitel. Courage kommt mit ihrer Compagnie in ein Dorf, darinnen Kirchweih gehalten wird, reizet einen jungen Zigeuner an, eine Henne todt zu schießen; ihr Mann stellet sich, solchen aufhenken zu lassen; wie nun jederman im Dorf hinauslief, diesem Schauspiel zuzusehen, stahlen die Zigeunerinnen alles Gebratens und Gebackens und machten sich samt ihrer ganzen Zunft eiligst und listig darvon. Unlängst nach diesem überstandenen Strauß kam unsere zigeunerische Rott von den Königsmarkischen Völkern wieder zu der schwedischen Hauptarmee, die damals Torstensohn commandirt und in Böhmen geführt, allwo dann beide Heer zusammenkamen. Ich verbliebe samt meinem Maulesel nicht allein biß nach dem Friedensschluß bei dieser Armada, sondern verließe auch die Zigeuner nicht, da es bereits Frieden worden war, weil ich mir das Stehlen nicht mehr abzugewöhnen getrauete. Und demnach ich sehe, daß mein Schreiber noch ein weiß Blatt Papier übrig hat, also will ich noch zu guter Letzt oder zum Valete ein Stücklein erzählen und darauf setzen lassen, welches mir erst neulich eingefallen und alsobalden probirt und practicirt hat werden müssen, bei welchem der Leser abnehmen kan, was ich sonst möchte ausgerichtet haben, und wie artlich ich mich zu den Zigeunern schicke. Wir kamen im lothringischen Gebiet einsmals gegen Abend vor einen großen Flecken, darinnen eben Kürbe[212] war, welcher Ursachen wegen und weil wir einen ziemlichen starken Troupen von Männern, Weibern, Kindern und Pferden hatten, uns das Nachtläger rund abgeschlagen wurde. Aber mein Mann, der sich vor den Obristleutenant ausgab, versprach bei seinen adelichen Worten, daß er gut vor allen Schaden sein, und weme etwas verderbt oder entwendet würde, solches aus dem Seinigen bezahlen und noch darzu den Thäter an Leib und Leben strafen wolte, wormit er dann endlich nach langer Mühe erhielte, daß wir aufgenommen wurden. Es roche überall im Flecken so wol nach dem Kürbe-Gebratens und Gebackens, daß ich gleich auch einen Lust darzu bekam und einen Verdruß empfande, daß die Bauern allein solches fressen solten, erfand auch gleich folgenden Vortheil, wie wir dessen theilhaftig werden könten. Ich ließe einen wackern jungen Kerl aus den Unserigen eine Henne vor dem Wirthshause todtschießen, worüber sich alsobald bei meinem Mann eine große Klage über den Thäter erhube. Mein Mann stellte sich schröcklich erzörnet und ließe gleich einen, den wir vor einen Trompeter bei uns hatten, die Unserigen zusammen blasen. Indeme nun solches geschahe und sich beides Bauren und Zigeuner auf dem Platz versammleten, sagte ich etlichen auf unsere Diebssprach, was mein Anschlag wäre, und daß sich ein jedes Weib zum Zugreifen gefaßt machen solte. Also hielte mein Mann über den Thäter ein kurzes Standrecht und verdammte ihn zum Strang, weil er seines Obristleutenanten Befelch übergangen. Darauf erscholle alsobalden im ganzen Flecken das Geschrei, daß der Obristleutenant einen Zigeuner nur wegen einer Hennen wolte henken lassen. Etlichen bedunkte solche Procedur zu rigorose; andere lobten uns, daß wir so gute Ordre hielten. Einer aus uns muste den Henker agiren, welcher auch alsobalden dem Maleficanten die Hände auf den Rucken bande. Hingegen thät sich eine junge Zigeunerin vor dessen Weib aus, entlehnte von andern drei Kinder und kam damit auf den Platz geloffen. Sie bat um ihres Manns Leben und daß man ihre kleine Kinder bedenken wolte, stellte sich darneben so kläglich, als wann sie hätte verzweifeln wollen. Mein Mann aber wolte sie weder sehen noch hören, sondern ließe den Uebelthäter hinaus gegen einen Wald führen, an ihm das Urtheil exequiren zu lassen, eben als er vermeinte, der ganze Flecken hätte sich nunmehr versammlet, den armen Sünder henken zu sehen, wie sich dann auch zu solchem Ende fast alle Inwohner, jung und alt, Weib und Mann, Knecht und Mägd, Kind und Kegel mit uns hinaus begab. Hingegen ließe gedachte junge Zigeunerin mit ihren dreien entlehnten Kindern nicht ab, zu heulen, zu schreien und zu bitten, und da man an den Wald und zu einem Baum kam, daran der Hennenmörder dem Ansehen nach geknüpft werden solte, stellte sie sich so erbärmlich, daß erstlich die Baurenweiber und endlich die Bauren selbst anfiengen vor den Misthäter zu bitten, auch nicht aufhöreten, biß sich mein Mann erweichen ließe, dem armen Sünder ihrentwegen das Leben zu schenken. Indessen wir nun außerhalb dem Dorf diese Comödi agirten, mausten unsere Weiber im Flecken nach Wunsch, und weil sie nicht nur die Bratspieß und Fleischhäfen leereten, sondern auch hie und da namhafte Beuten aus den Wägen gefischt hatten, verließen sie den Flecken und kamen uns entgegen, sich nicht anders stellend, als wann sie ihre Männer zur Rebellion wider mich und meinen Mann verhetzten, um daß er einer kahlen[213] Hennen halber einen so wackern Menschen hätte aufhenken lassen wollen, dardurch sein armes Weib zu einer verlassenen Wittib und drei unschuldige junge Kinder zu Waisen gemacht wären worden. Auf unsere Sprache aber sagten sie, daß sie gute Beuten erschnappt hätten, mit welchen sich bei Zeiten aus dem Staub zu machen seie, ehe die Bauren ihren Verlust innen würden. Darauf schriee ich den Unserigen zu, welche sich rebellisch stellen und, sich dem Flecken zu entfernen, in den Wald hinein ausreißen solten; denen setzte mein Mann und was noch bei ihm war mit bloßem Degen nach, ja sie gaben auch Feuer drauf und jene hinwiederum, doch gar nicht der Meinung, jemand zu treffen. Das Bauersvolk entsetzte sich vor der bevorstehenden Blutvergießung, wolte derowegen wieder nach Haus; wir aber verfolgten einander mit stetigem Schießen biß tief in Wald hinein, worin die Unsern alle Weg und Steg wusten. In Summa, wir marschierten die ganze Nacht, theilten am Morgen frühe nicht allein unsere Beuten, sondern sonderten uns auch selbsten von einander in geringere Gesellschaften, wordurch wir dann aller Gefahr und den Bauern mit unserer Beut entgangen. Mit diesen Leuten habe ich gleichsam alle Winkel Europä seithero unterschiedlichmal durchstrichen und sehr viel Schelmenstück und Diebsgriffe ersonnen, angestellt und ins Werk gerichtet, daß man ein ganz Ries Papier haben müste, wann man solche alle mit einander beschreiben wolte. Ja ich glaube nicht, daß man genug damit hätte. Und eben dessentwegen habe ich mich mein Lebtag über nichts mehrers verwundert, als daß man uns in den Ländern geduldet, sintemal wir weder Gott noch den Menschen nichts nützen noch zu dienen begehren, sondern uns nur mit Lügen, Betriegen und Stehlen genähret, beides zu Schaden des Landmanns als[214] der großen Herren selbst, denen wir manches Stück Wild verzehren. Ich muß aber hiervon schweigen, damit ich uns nicht selbst einen bösen Rauch mache, und vermeine nunmehr ohnedas, dem Simplicissimo zu ewigem Spott genugsam geoffenbart zu haben, von waserlei[215] Haaren seine Beischläferin im Sauerbrunnen gewesen, deren er sich vor aller Welt so herrlich gerühmet, glaube auch wol, daß er an andern Orten mehr, wann er vermeint, er habe eines schönen Frauenzimmers genossen, mit dergleichen französischen Huren oder wol gar mit Gabelreuterinnen[216] betrogen und also gar des Teufels Schwager worden sei. FUSSNOTEN: [212] =Kürbe=, Kirchweih. [213] =kahl=, geringfügig, elend, werthlos. [214] =als=, wie. [215] =waserlei=, wie welcherlei. [216] =Gabelreuterin=, Hexe (die zum Hexensabbat reitet). Zugab des Autors. Darum dann nun, ihr züchtige Jüngling, ihr ehrliche Wittwer, und auch ihr verehlichte Männer, die ihr euch noch bißhero vor diesen gefährlichen Chimeris vorgesehen, denen schröcklichen Medusen entgangen, die Ohren vor diesen verfluchten Sirenen verstopft und diesen unergründlichen und bodenlosen Belidibus[217] abgesagt oder wenigst mit der Flucht widerstanden seid, lasset euch auch fürderhin diese ~lupas~[218] nicht bethören, dann einmal mehr als gewiß ist, daß bei Hurenlieb nichts anders zu gewarten als allerhand Unreinigkeit, Schand, Spott, Armuth und Elend und, was das meiste ist, auch ein bös Gewissen. Da wird man erst gewahr, aber zu spat, was man an ihnen gehabt, wie unflätig, wie schändlich, lausig, grindig, unrein, stinkend beides am Athem und am ganzen Leib, wie sie inwendig so voll Franzosen und auswendig voller Blattern gewesen, daß man sich endlich dessen bei sich selbsten schämen muß und oftermals viel zu spat beklagt. =Ende=. FUSSNOTEN: [217] =Beliden=, die Danaiden, Töchter des Danaus, nach ihrem Großvater Belos so genannt; sie ermordeten ihre Gatten in der Nacht; zur Strafe mußten sie Wasser in ein durchlöchertes Faß schöpfen. [218] =lupa=, Wölfin, gemeine Buhlerin. Wahrhaftige Ursach und kurzgefaßter Inhalt dieses Tractätleins. Demnach die Zigeunerin Courage aus Simplicissimi Lebensbeschreibung, ~lib. 5~, ~cap. 6~, vernimmt, daß er ihrer mit schlechtem Lob gedenkt, wird sie dermaßen über ihn erbittert, daß sie ihm zu Spott, ihr selbsten aber zu eigner Schand, worum sie sich aber wenig bekümmert, weil sie allererst unter den Zigeunern aller Ehr und Tugend selbst abgesagt, ihren ganzen liederlich geführten Lebenslauf an Tag gibt, um vor der ganzen Welt gedachten Simplicissimum zu Schanden zu machen, weiln er sich mit einer so leichten Vettel, wie sie sich eine zu sein bekennet, auch in Wahrheit eine gewesen, zu besudeln kein Abscheuen getragen und noch darzu sich seiner Leichtfertigkeit und Bosheit berühmet, maßen daraus zu schließen, daß Gaul als Gurr, Bub als Hur, und kein Theil um ein Haar besser sei als das ander; reibet ihm darneben trefflich ein, wie meisterlich sie ihn hingegen bezahlt und betrogen habe. II. Der seltzame Springinsfeld. Der seltzame =Springinsfeld=, Das ist Kurtzweilige, lusterweckende und recht lächerliche Lebensbeschreibung Eines weiland frischen, wolversuchten und tapfern Soldaten, Nunmehr aber ausgemergelten, abgelebten, doch dabei recht verschlagnen Landstörzers und Bettlers, Samt seiner wunderlichen Gaukeltasche. Auf Anordnung des weit und breit bekanten Simplicissimi Verfasset und zu Papier gebracht von ~Philarcho Grosso~ von Tromerheim. * * * * * Gedruckt in ~Paphlagonia~ bei Felix Stratiot. Anno 1670. Inhalt. =Das erste Capitel.= Was vor eine schwer verdäuliche Veranlassung den Autor zu Verfassung dieses Werkleins befürdert. =Das zweite Capitel.= Conjunctio Saturni, Martis et Mercurii. =Das dritte Capitel.= Ein lächerlicher Poß, der einem Zechbruder widerfahren. =Das vierte Capitel.= Der Autor geräth unter einen Haufen Zigeuner und erzählet den Aufzug der Courage. =Das fünfte Capitel.= Wo Courage dem Autor ihr Lebensbeschreibung dictirt. =Das sechste Capitel.= Der Autor continuirt vorige Materiam und erzählet den Dank, den er von der Courage vor seinen Schreiberlohn empfangen. =Das siebente Capitel.= Simplicissimi Gaukeltasch und erhaltene treffliche Losung. =Das achte Capitel.= Mit was vor einem Geding Simplicissimus den Springinsfeld die Kunst lernete. =Das neunte Capitel.= Tisch- und Nachtgespräch, und warum Springinsfeld kein Weib mehr haben wolte. =Das zehnte Capitel.= Springinsfeld's Herkunft, und wie er anfangs in Krieg kommen. =Das elfte Capitel.= Von dreien merkwürdigen Verschwendern wahrhafte Historien. =Das zwölfte Capitel.= Springinsfeld wird ein Trommelschlager, hernach ein Musquetierer, item wie ihn ein Baur zaubern lernete. =Das dreizehnte Capitel.= Durch was vor Glücksfall Springinsfeld wieder ein Musquetierer unter den Schweden, hernach ein Pikenierer unter den Kaiserlichen und endlich ein Freireuter worden. =Das vierzehnte Capitel= erzählet Springinsfeld's ferner Glück und Unglück. =Das funfzehnte Capitel.= Wie heroisch sich Springinsfeld im Nördlinger Treffen gehalten. =Das sechzehnte Capitel.= Wo Springinsfeld nach der Nördlinger Schlacht herum vagirt, und wie er von etlichen Wölfen belägert wird. =Das siebzehnte Capitel.= Springinsfeld bekomt Succurs und wird wiederum ein reicher Dragoner. =Das achtzehnte Capitel.= Wie es dem Springinsfeld von dem Tuttlinger Meßtag an biß nach dem Treffen vor Herbsthausen ergangen. =Das neunzehnte Capitel.= Springinsfeld's fernere Historia biß auf das kaiserliche Armistitium. =Das zwanzigste Capitel.= Continuatio solcher Histori biß zum Friedensschluß und endlicher Abdankung. =Das einundzwanzigste Capitel.= Springinsfeld verheurathet sich, gibt einen Wirth ab, welches Handwerk er misbraucht, wird wieder ein Wittwer und nimt sein ehrlichen Abschied hinter der Thür. =Das zweiundzwanzigste Capitel.= Türkenkrieg des Springinsfelds in Ungarn und dessen Verehelichung mit einer Leirerinen. =Das dreiundzwanzigste Capitel.= Seines blinden Schwähers, der Schwiegermutter und seines Weibs wird Springinsfeld wieder nacheinander los. =Das vierundzwanzigste Capitel.= Was die Leirerin vor lustige Diebsgriff und an andern Possen angestellt, wie sie einen unsichtbaren Poltergeist, ihr Mann aber wieder ein Soldat gegen dem Türken wird. =Das fünfundzwanzigste Capitel.= Was und wie Springinsfeld in Candia kriegt, auch wie er wieder in Teutschland kam. =Das sechsundzwanzigste Capitel.= Was die Leirerin weiters für Possen angestellt, und wie sie endlich ihren Lohn bekommen habe. =Das siebenundzwanzigste Capitel.= Endlicher Beschluß von des Springinsfeld seltzamen Lebenslauf. Das erste Capitel. Was vor eine schwer verdäuliche Veranlassung den Autor zu Verfassung dieses Werkleins befördert. Als ich verwichne Weihnachtmeß in eines vornehmen Herrn Hof mit höchst verdrießlicher Patienz, um eine Resolution zu erlangen, aufwartete, auf eine Supplication, darinnen ich gar beweglich um einen Schreiberdienst gebeten und in derselben meinen hohen Fleiß mit den allerandächtigsten Worten gerühmt, auch die Beständigkeit meiner unvergleichlichen Treu genugsam versichert hatte, gleichwol aber der gewünschte Bescheid dermaleins nicht kommen wolte, sihe, da wurde ich noch viel ungeduldiger, vornehmlich als ich sahe, daß die schmutzige Kuchen- und stinkende Stallratzen in ihrer Aestimation passirt, ich aber wie ein ungesalzener Stockfisch, den man auch keiner fernerer Versuchung würdigt, verachtet wurde. Ich hatte damals allerlei Gedanken und grillenhaftige Einfäll, und wie ich in erstgedachter Bursche höhnischen Angesichtern lesen konte, bedunkte mich, sie würden sich endlich unterfangen, mir den Hut zu drehen und den Kunzen mit mir zu spielen[219], wann ich entweder nicht bald ein angenehme Resolution kriegte oder ohne dieselbige von mir selbst darvon gienge. Bald sprach ich mir wiederum ein anders[220] zu und versichert mich selbst eines weit bessern Ausgangs. Geduld, Geduld! sagte ich zu mir, Gut Weil will Ding haben! dann ich brachte alles das hinterst zum vördersten vor, weil ich ganz verwirret ware. Erlangstu diesen Dienst, so kanstu diesen Schindhunden diese Fachtung[221] schon eintränken. Ich wurde aber nicht allein von diesen unerträglichen[222] innerlichen Anfechtungen, sonder auch von der damaligen grimmigen Kälte von außenhero dergestalt geplagt, daß ein jeder, der mich gesehen und die Kält nit selbst empfunden, tausend Eid geschworen hätte, ich wäre mit einem drei- oder viertägigen Fieber behaft. Das Gesind liefe hin und wieder, ohne daß sie meiner viel geachtet oder mich besprochen[223]. Als ich mich aber am allerbesten mit guter Hoffnung speisete und aufenthielte[224], da wurde ich eines holdseligen Kammerkätzchens gewahr; deren schenkte ich gleich mein Herz; dann als sie recta gegen mich gieng, konte ich mir nichts anders einbilden, als dieses wäre ein ohnzweifelbares Omen, daß ich ihr Serviteur werden würde. Das Herz hupfte mir gleichsam vor Freuden, weil mich der Wahn einer solchen künftigen Glückseligkeit versicherte. Da sie aber zu mir kam und ihr kirschenrothes Mäulchen aufthät, sagte sie: »Guter Freund, was habt ihr hier zu thun? Seid ihr vielleicht ein armer Schüler, der etwan ein Almusen begehrt?« Da gedachte ich gleich: diese Wort schlagen alle deine Hoffnung zu Boden; dann weil wir Schreiber eben so hoffärtige Geister, was sage ich: hoffärtige? ich will sagen: gleich so großmüthige Sinne haben und besitzen, als etwan die Schneider selbsten, die sich bei großen Herren zutäppisch machen, wann sie erstlich ihre Kammerdiener und endlich zu ihren Herrn -- man denke doch nur, wie verwirrt ich damals in mir selbst gewesen, weil ich noch jetzt alles so irrig und verwirrt vorbringe -- ich hatte sagen wollen: zu Herrn werden (dann große Herren werden ja weder Schreiber noch Schneider über sich zu Herrn setzen), als bedunkte mich, die Jungfer solte sich nach meiner Einbildung accommodirt und gesagt haben: Was beliebt meinem hochgeehrten Herrn? oder: Was verlangt derselbe hier vor Geschäfte zu verrichten? Nun was bedarfs vieler Wort? Ich wurde ganz bestürzt und konte die Jungfer doch keiner Unbescheidenheit beschuldigen, weil sie ihre Frag mit einer wolständigen Red vorgebracht; auch konte ich kaum so viel Wort in meinem Capitolio (so der alten Römer Rüst- und Waffenkammer gewesen) aus allem Vorrath, den ich darin hatte, zusammen bringen, diesem ersten Streich, der mir empfindlicher als eine dichte Maulschell vorkam, der Gebühr nach zu begegnen. Doch lallete ich endlich mit[225] aus Forcht, Hoffnung und Kälte verursachter zitterender oder babender Stimme so viel daher, daß ich derjenig Monsieur wäre, der auf Recommendation ehrlicher Leute ihres Herrn Schreiber zu werden verhoffte. »Ach mein gar lieber Gott«, antwortet das Rabenaas, »ist er derselbig? Ach, er schlage solche Gedanken aus dem Sinn, dann ein solcher, der den Dienst haben will, welchen er verlangt, muß meinen gn. Herren entweder um 1000 Thaler gesessen sein[226], oder um solche Summa einen Bürgen stellen. Mir ist allbereit vor dreien Tagen ein halber Reichsthaler gegeben worden, ihme solchen zuzustellen, wann er sich anmeldet, und unser los Gesind hat mir nit einmal gesagt, daß ihr da seied; ich wolte euch sonst so lang in dieser Kälte nit haben stehen lassen.« Man kan leicht gedenken, was ich damal vor eine Nase hatte. Ich gedachte: halt, da schlag Venus zu, so darf Vulcanus eines Knechts weniger! Ich hatte gar nit den Willen, angeregten halben Thaler zu nehmen, maßen ich mich auch drum wehrete, weil ich mir einbildete, solche Abfertigung wäre meiner schreiberischen Reputation schimpflich und zuwider. Doch gedachte ich: wer weiß, wo dir dieser Herr noch eine Gnad erweisen kan! Schob ihn derowegen in Sack und faßte eine Hoffnung, mit der Zeit durch die liebe Geduld den gebetenen Dienst noch zu erlangen, welchen ich mitsamt des Herrn Gnad verscherzen würde, wann ich so trutzig und halsstärrig diß geringe Geld ausschlug. Solcher Gestalt nahm ich meine Abfertigung, und die Jungfer selbst gab mir das Geleit biß unter das Thor, weil sie dasselbe, als gegen dem Mittagimbs, gleich zu beschließen willens. Da machten wir nun noch als mithin[227] wegen des halben Thalers unsere Complimenten, unter welchen der Jungfer diese Wort entfuhren: »Er nehme ihn nur kecklich hin und versichere sich, daß mein gn. Herr und Frau auch das Geringste, so ihnen zu Dienst geschihet, nit unbelohnt lassen, und solte ihnen einer nur auf die Heimlichkeit mit einem Liecht vorgehen.« Das verdrosse mich so grausam übel und jagte mich so in Harnisch, daß ich der Jungfer mehr unbescheiden[228] als vernünftig antwortet: »So saget euren gn. Herrn«, sprach ich, »wann er mir einen jeden ~s. h.~[229] Arschwisch, darzu er meine Supplication unweislich brauchen möchte, ehe er sie gelesen, so theur bezahlen wolle, so werde es ihm ehender an Geld, als mir an Papier, Federn und Dinten manglen.« Darauf trollte ich mich eine lange Gasse hinauf, vor Zorn mehr unsinnig als ohnwillig. Ich wuste es denen, so mich ~in literis~ abgeführt[230] hatten, so wenig Dank, daß mich auch reuete, daß ich meinen Präceptoribus mit dem Hintern nit ins Angesicht geloffen, wann sie mir etwan zu Zeit einen Product[231] geben. Ach, sagte ich, warum haben dich doch deine Eltern nicht ein Handwerk oder Dreschen, Strohschneiden oder dergleichen so etwas lernen lassen? So hättest du da jetzunder auch bei jedem Bauren Arbeit und dörftest nicht vor großen Herren thun stehen, ihnen zu schmeichlen; köntestu doch nur jetzt das allerverächtlichste Handwerk, das sein mag, so fändestu gleichwol Meister, die dich des Handwerks halber aufnehmen und dir das Geschenk hielten[232], wann sie dir gleich keine Arbeit gäben &c. In diesem deinem Stand nimt sich aber kein Mensch deiner an, und bist der allerverachtetste Bärnhäuter, der sein mag! In diesem meinem Unwillen passirte ich ein weiten Weg. Gleichwie mir aber der Zorn nach und nach vergieng, also empfande ich die damalige grausame Kälte je länger je mehr, deren ich bißhero so hoch noch nit geachtet hatte; ja sie quälte mich dergestalt, daß ich nach einer warmen Stub seufzete, und demnach eben ein Wirthshaus gegen mir stunde, gienge ich mehr der Wärme halber hinein, als den Durst zu löschen. FUSSNOTEN: [219] Sprichwörtlich: verhöhnen und schimpflich behandeln. [220] =ein anders=, auf andere Weise. [221] =Fachtung=, von Facht, Fächer, Fächelung. Der Autor will sagen Verachtung. Jakob Grimm, Wörterbuch, nimmt ebenfalls eine absichtliche Entstellung an. [222] In den Ausgaben als Druckfehler: »und täglich«. [223] =besprechen=, anreden. [224] =aufenthalten=, trösten. [225] =mit=; die Ausgaben haben »mit einer«, oder »mit meiner«. [226] =gesessen sein=, durch Grundbesitz sicher sein? [227] =als=, mhd. ~allez~, stets, fortwährend; =mithin=, im Gehen, unterwegs. [228] =unbescheiden=, indiscret, unverständig. [229] =~s. h.~=, ~salvo halore~, wie ~salva venia~. [230] =abführen=, wie anführen, anleiten; vgl. oben S. 89, Anm. 1. [231] =Product=, Schulwitz, an manchen Orten noch jetzt gebräuchlich, Schlag auf den Hintern. [232] =das Geschenk=, den üblichen Zehrpfennig für wandernde Handwerksburschen. Das zweite Capitel. Conjunctio Saturni, Martis et Mercurii. Daselbst wurde ich viel höflicher empfangen als von obengedachter höflichen Jungfrauen; dann der Hausknecht kam gleich und fragte: »Was beliebt dem Herrn?« Ich gedachte[233] zwar heut diesen ganzen Tag der Schreiberdienst, jetzt aber der Stubenofen, sagte aber doch zu ihm: »Ein gute halb Maß Wein«, die er mir auch gleich langte, dann es war kein Badstub, darin man die Hitz bezahlte, sonder ein Ort der Zehrung, darin man die benöthigte Wärme umsonst hatte oder wenigist in die Zech rechnete. Ich setzte mich mit meiner halben Maß Wein sehr nahe zum Ofen, um mich rechtschaffen auszubähen, alwo sich an eben demselbigen Tische ein Mann befande, der im Pfenningwerth zehrete[234] und dreschermäßiger Weis mit beiden Backen so gewaltig zuhiebe, daß ich mich darüber verwunderte. Er hatte allbereit eine Supp im Magen und vor[235] zwei Kraut und Fleisch allerdings aufgerieben[236], da ich hinkam, und fragte noch darzu nach einem guten Stück Gebratens, welches verursachte, daß ich ihn besser betrachtete; da sahe ich, daß er nicht nur zum Fressen, sonder auch an der Gestalt viel ein anderer Mensch war, als ich mein Lebtag jemals einen gesehen; dann von Proportion des Leibs war er so groß, als wäre er in Chili[237] oder Chica[238] geboren worden. Sein Bart war ebenso lang und breit als des Wirths Schiefertafel, dahin er der Gäste aufgetragene Zehrung annotirte; die Haupthaar aber kamen mir vor wie diejenige, die ich mir etwan hiebevor eingebildet, daß Nabuchodonosor dergleichen in seiner Verstoßung getragen habe. Er hatte einen schwarzen Kittel an von wüllenem Tuch, der gieng ihm biß an die Kniekehlen, auf ein ganz fremde und beinahe auf die alte antiquitätische Manier mit grünem Wüllentuch an den Näthen unterlegt, gefüttert und ausgemacht. Neben ihm lag sein langer Pilgerstab, oben mit zweien Knöpfen und unten mit einem langen eisernen Stachel versehen, so dick und kräftig, daß man einem gar leicht in einem Streiche die letzte Oelung damit hätt reichen mögen. Ich vergaffte mich schier zum Narren über diesem seltzamen Aufzug, und indeme ich ihn je länger je mehr betrachtete, wurde ich gewahr, daß sein ungeheurer Bart ganz widersinns, das ist wider die europäischen Bärt geart und gefärbt war; dann die Haar, so ererst bei einem halben Jahr gewachsen, sahen ganz falb, was aber älter war, brandschwarz, da doch hingegen bei andern Bärten von solcher Farb die Haar zunächst an der Haut ganz schwarz und die übrige je älter je falber oder wetterfärbiger zu erscheinen pflegen. Ich gedachte der Ursach nach und konte keine andere ersinnen, als daß die schwarze Haar in einem hitzigen Lande, die falbe aber in einem viel kältern müsten gewachsen sein, und solches war auch die Wahrheit; dann nachdem dieser auf sein Gebratens warten und also mit dem Essen ein wenig pausiren muste, ließe ers über das Trinken gehen, da er dann nit weniger thun konte, als mir eins zuzubringen, wann er anders haben wolte, daß ihm jemand den Trunk gesegnen solte, weil ohne mich noch kein anderer Gast vorhanden; und demnach mir das Maul, welches die grausame Kälte ganz starrhart zugefrört hatte, auch nunmehr wieder ein wenig begunte aufzuthauen, sihe, da kamen wir gar miteinander in ein Gespräch, warin ich ihn zum allerersten fragte, ob er nicht ererst vor ungefähr einem halben Jahr aus India kommen wäre. Doch damit er keine Ursach haben möchte, zu antworten: was gehets dich an? brachte ichs meines Bedunkens gar höflich vor, dann ich sagte: »Mein hochgeehrter Herr beliebe meiner vorwitzigen Jugend zu vergeben, wann sie sich erkühnet zu fragen, ob derselbe nicht allererst vor einem halben Jahr aus India kommen.« Er verwunderte sich, sahe mich an und antwortet: »Wann ihr sonst keine Nachricht und Kundschaft von meiner Person habt, als daß ihr mich jetzt das erste mal sehet, so messe ich euerer Jugend keinen Vorwitz, sonder einen rechtschaffenen Verstand und ein solches Judicium zu, welche beide ein Begierde in euch erwecken, dasjenig eigentlich zu wissen, was euer Verstand von mir gefaßt und das Judicium beschlossen habe; derowegen sagt mir zuvor, woraus ihr abgenommen, daß ich vor einem halben Jahr noch in India gewesen, so will ich euch hernach zu vernehmen geben, daß ihr von mir und meiner Reise recht geurtheilt.« Als ich ihm nun sagte, daß mir die Haar seines Barts solches zu verstehen geben, antwortet er, ich hätte recht und damit an Tag gelegt, daß noch mehr als nur dieses hinter mir stecke. Hierauf mahnet er mich, Bescheid zu thun. Dieweil er aber seinen Wein mixtirt, scheuete ich mich zu trinken; dann er hatte aus seinem Sack ein zinnern Büchse gezogen, in deren ein Electuarium[239] war, das allerdings dem Theriak[240] gleich sahe; aus derselben nahm er eine Messerspitze voll derselbigen Materi und mischets unter ein gemeines Trinkgläslein neuen Wein (dann er trank kein alten, sonder nur neuen Zweenbatzenwein), davon er so dick und gelb wurde, daß er schier einer widerwärtigen Purgation oder doch wenigist einem alten Baumöl sich vergliche. Wann er nun trinken wolte, so gosse er jederzeit ein einzigen Tropfen hiervon in das Glas, davon der milchfarbe neue Wein sich alsobalden veränderte, alle noch in sich habende unvergohrne ~faeces~[241] zu Boden fallen ließe und wie ein alter abgelegner Wein von Farb dem Gold gleich erschiene. Er sahe wol, daß ich keinen sonderlichen Lust zu seinem Getränk trug, sagte derowegen, ich solte kecklich trinken, es würde mir nichts schaden; und als ich mich überreden ließe, den Wein zu versuchen, befande ich ihn so lieblich kräftig und gut, daß ich ihn vor Malvasier oder spanischen Wein getrunken hätte, wann ich nicht gesehen, daß es ein neuer Elsasser gewesen. Darauf erzählte er mir, daß er diese Kunst bei den Armeniern gelernet, und erwiese im Werk, daß ein alter abgelegener, sonst an sich selbst sehr köstlicher Wein, wie ich damal vor mir stehen hatte, von diesem Elixir, wie ers nennet, bei weitem nicht so gut wurde als ein gemeiner neuer; dessen gab er Ursach, daß der neue seine Kräfte noch völliger bei einander und, wie in etlichen Jahren dem alten geschehen, noch nichts darvon verloren hätte. Wie wir nun so von dem Wein und dieser Kunst miteinander discurirten, da trat ein alter Kronzer[242] mit einem Stelzfuß zur Stuben hinein, den die eingenommene Kälte auch gleich wie mich zum Stubenofen triebe. Er hatte sich kaum ein wenig gewärmet, als er eine kleine Discantgeige hervorzog, dieselbe stimmte, vor unsern Tisch trate und eins daher striche, worzu er mit dem Maul so artlich humset und quickelirt, daß einer, der ihn nur gehört und nicht gesehen, hätt glauben müssen, es wären dreierlei Saitenspiel untereinander gewesen. Er war ziemlich schlecht auf den Winter gekleidet und hatte auch allem Ansehen nach keinen guten Sommer gehabt, dann sein magere Gestalt bezeugte, daß er sich mit den Schmalhansen betragen[243], und seine ausgefallene Haar, daß er noch darzu eine schwere Krankheit überstehen müssen. Der Schwarzrock, so bei mir saße, sagte zu ihm: »Landsmann, wo hastu dein anderes Bein gelassen?« »Herr«, antwortet dieser, »in Candia.« Darauf sagte jener: »Das ist schlimm.« »O nein, nit so gar schlimm«, antwortet der Stelzer, »dann jetzt freurt[244] mich nur an ein Fuß, und ich bedarf auch nur einen Schuch und einen Strumpf.« »Höre«, sagte der im schwarzen Rock ferner, »bistu nit der Springinsfeld?« »Vor Zeiten«, antwortet dieser, »war ichs, aber jetz bin ich der Stelzvorshaus, nach dem gemeinen Sprichwort: Junge Soldaten, alte Bettler! Aber wie kennet mich der Herr?« »An deiner artlichen Music«, antwortet jener, »als welche ich bereits vor mehr als dreißig Jahren zu Soest gehöret habe. Hastu nicht damals einen Cameraden gehabt unter denen daselbst gelegenen Dragonern, der sich Simplicius genennet?« Da nun Springinsfeld solches bejahete, sagte der Schwarzrock: »Und eben derselbe Simplicius bin ich.« Hierüber sagte Springinsfeld vor Verwunderung: »Daß dich der Hagel erschlag!« »Wie«, sprach Simplicius zu ihm, »schämestu dich nicht, daß du allbereit so ein alter Krüppel und dannoch noch so rohe, gottlos und ungeheißen[245] bist, deinen alten Cameraden mit einem solchen Wunsch zu bewillkommen?« »Potz hundert tausend Sack voll Enten, du hasts gewiß besser gemacht«, sagte Springinsfeld, »oder bistu seither vielleicht zu einem Heiligen worden?« Simplicius antwortet: »Wann ich gleich kein Heiliger bin, so hab ich mich doch gleichwol beflissen, mit Aufsammlung der Jahr die böse Sitten der unbesonnenen Jugend abzulegen, und bin der Meinung, solches würde deinem Alter auch anständiger sein als Fluchen und Gottslästern.« »Mein Bruder«, antwortet Springinsfeld gar ehrerbietig, »vergeb mir vor dißmal und sei mit mir zufrieden. Ich begehr mit dir um nichts, es seien dann etwan ein paar Kandel Wein, zu disputiren.« Und indem er sich unter diesen Worten ganz ungeheißen zu uns an Tisch gesetzt hatte, zog er einen alten Lumpen hervor, knüpfte denselbigen auf, ferners sagende: »Und damit du nicht etwan vermeinen möchtest, der bettelhafte Springinsfeld wolte bei dir schmarotzen, so sehe, hier hab ich auch noch ein paar Batzen, die zu deinen Diensten stehen.« Und damit schütte er eine Hand voll Ducaten auf den Tisch, welche ich etwas mehr als 200 zu sein schätzte, und befahl dem Hausknecht, ihme auch eine Maß Wein herzubringen, welches aber Simplicius nicht zugeben wolte, sonder brachte ihm eins und sagte, was es des Geprängs mit dem Gelde viel bedörfte; er solte es nur wieder einstecken, weil er dergleichen wol mehr hätte gesehen. FUSSNOTEN: [233] =gedenken=, denken an etwas. [234] =im Pfenningwerth zehren=, einzelne Gerichte verzehren, wobei der Wirth den Preis angibt, damals gebräuchlich, etwa wie jetzt ~à la carte~ essen. [235] =vor=, zuvor. [236] =aufreiben=, vertilgen. [237] =Chili=, vielleicht durch die Größe der Einwohner bekannt, wie das angrenzende Patagonien. [238] =Chica=, vielleicht Chico, Stadt in Mexico. [239] =Electuarium=, Latwerge. [240] =Theriak=, Gegenmittel gegen (thierische) Gifte. [241] =~faeces~=, Hefen. [242] =Kronzer=, Grunzer, Schnorrer, Bettler. [243] =sich betragen=, sich behelfen. [244] =freurt=, friert (mhd. ~vriust~). [245] =ungeheißen= (unaufgefordert), dreist, frech. Das dritte Capitel. Ein lächerlicher Poß, der einem Zechbruder widerfahren. Ich muste mich verwundern und freuete mich, daß ich derjenigen unversehenen Zusammenkunft beiwohnen solte, von welchen ich in Simplicissimi Lebensbeschreibung so viel seltzams Dings gelesen, und von denen ich aus Anstalt der Courage selbst dergleichen geschrieben. Als sich ihre Wortwechslung geendigt und Simplicius ein Glas voll Wein heraus gehoben, das er dem Springinsfeld zum Willkomm zugetrunken hatte, da kam noch ein Gast herein, welchen ich der Kleidung und Jugend nach vor meines gleichen, das ist vor einen Schreiberknecht hielte. Er stellete sich an eben den Ort zum Stubenofen, wo ich zuvor und nach mir auch Springinsfeld gestanden, gleichsam als wann alle ankommende Gäste zuvor dorthin hätten stehen müssen, ehe sie sich hätten niedersetzen dörfen; und gleich hernach folgte ein überrheinischer Baur, der ohn Zweifel ein Rebmann[246] war; dieser ruckte vor jenem die Kappe und sagte: »Herr Schaffner, ich bitte, ihr wollet mir einen Reichsthaler geben, damit ich mein Kärst[247] aus der Schmieden lösen möge, alwo ich sie hab gerben[248] lassen.« »Ach was zum Schinder ist das?« antwortet jener; »was machstu mit der Gerst in der Schmieden? Ich hab vermeinet, man gerbe sie in der Mühlen.« »Meine Kärst! meine Kärst!« sagte der Baur. »Ich hörs wol«, antwortet der Schaffner; »vermeinestu dann, ich sei taub? Mich wundert nur, was du damit in der Schmieden machst, sintemal man die Gersten in der Mühl zu gerben oder zu röllen[249] pflegt.« »Ei, Herr Schaffner«, sagte der Baur, »ich sagte euch von keiner Gersten, sonder von meinem Kärsten, damit ich hacke.« »Ja so«, antwortet der Schaffner, »das wäre ein anders«, und zählet damit dem Bäuerlein einen Thaler hin, den er auch gleich in seine Schreibtafel aufnotirte. Ich aber gedachte: Sollestu ein Schaffner über Rebleut sein und weist noch nichts von den Kärsten! Dann er befahl dem Bauren, daß er solche zu ihm bringen solte, um zu sehen, was es vor Creaturen wären, und was der Schmied daran gemacht hätte. Simplicius aber, der diesem Gespräch auch zugehöret, fieng an zu lachen, daß er hotzelte[250], welches auch das erste und letzte Gelächter war, das ich von ihm gehöret und gesehen, dann er verhielte sich sonst gar ernsthaftig und redete, ob zwar mit einer groben und mannlichen Stimme, viel lieblicher und freundlicher, als er aussahe, wiewol er auch mit den Worten gar gesparsam umgieng. Springinsfeld hingegen verlangte die Ursach solches Lachens zu hören, ließe auch nicht ab am Simplicio zu bitten, biß er endlich sagte, die vom Schaffner letztverstandene Wort des Bauren hätten ihn an einen Possen erinnert, den er auch wegen eines misverstandenen Worts in seiner unschuldigen Jugend, zwar wider seinen Willen, angestellet, wessentwegen er gleichwol ziemliche Stöße eingenommen. »Ach, was war das?« fragte Springinsfeld. »Es ist unnöthig«, antwortete Simplicius, »daß ich euch zu einer eitelen Thorheit reize, darvor ich das übermäßige Gelächter halte, ohne welches ihr aber die Histori nit anhören könnet, dann ich würde mich auf solchen Fall mit fremder Sünde beladen.« Ich warf meine Karten mit unter und sagte: »Hat doch mein hochgeehrter Herr selbsten in seiner Lebensbeschreibung so manchen lächerlichen Schwank eingebracht; warum wolte er dann jetzt seinen alten Cameraden zu Gefallen ein einzige lächerliche Geschicht nicht erzählen?« »Jenes thät ich«, antwortet Simplicius, »weil fast niemand mehr die Wahrheit gern bloß beschauet oder hören will, ihr ein Kleid anzuziehen, dardurch sie bei den Menschen angenehm verbliebe, und dasjenig gutwillig gehöret und angenommen würde, was ich hin und wider an der Menschen Sitten zu corrigiren bedacht war. Und gewißlich, mein Freund, er sei versichert, daß ich mir oft ein Gewissen drum mache, wann ich besorge, ich seie in eben derselben Beschreibung an etlichen Orten all zu frei gangen.« Ich replicirt hinwider und sagte: »Das Lachen ist den Menschen angeborn, und hat solches nit allein vor allen andern Thieren zum Eigenthum, sonder es ist uns auch nutzlich, wie wir dann lesen, daß der lachende Democritus[251] in guter Gesundheit 109 Jahr alt worden, dahingegen der weinende Heraclitus[252] in frühem Alter eines elenden Tods und zwar in einer Kühhaut, darin er sich wicklen lassen, seine Glieder zu heilen, gestorben; dahero dann auch Seneca[253] ~in libro de tranquillitate vitæ~, alwo er dieser beiden Philosophen gedenkt, vermahnet, daß man mehr dem Democrito als dem Heraclito nachfolgen soll.« Simplicius antwortet: »Das Weinen gehöret dem Menschen so wol als das Lachen eigentlich zu, aber gleichwol allzeit zu lachen oder allzeit zu weinen, wie diese beide Männer gethan, wäre eine Thorheit; dann alles hat seine Zeit. Gleichwol aber ist das Weinen dem Menschen mehr als das Lachen angeboren, dann nicht allein alle Menschen, wann sie auf die Welt kommen, weinen (man hat nur das einige Exempel des Königs Zoroastris[254], der, wie er geborn, alsbald gelacht, so zwar von Nerone[255] auch gesagt wird), sonder es hat der Herr Christus unser Seligmacher selbst etlichmal geweinet; aber daß er jemals gelacht, wird in H. Schrift nirgends gefunden, sonder hat vielmehr gesagt: Selig seind, die weinen und Leid tragen, dann sie werden getröst werden! Seneca, als ein Heid, mag das Lachen dem Weinen wol vorziehen; wir Christen aber haben mehr Ursach, über die Bosheit der Menschen zu weinen als über ihre Thorheit zu lachen, weil wir wissen, daß auf die Sünde der Lachenden ein ewiges Heulen und Wehklagen folgen wird.« »Bei mein Eid«, sagte hierauf Springinsfeld, »wann ich nit glaube, du seiest ein Pfaff worden!« »Du grober Gesell«, antwortet ihm Simplicius, »wie darfst du das Herz haben, so leichtfertig vor ein Ding zu schwören, wann du mit deinen eignen Augen das Widerspiel sihest? Weist du auch wol, was ein Eid ist?« Springinsfeld muste sich ein wenig schämen und bat um Verzeihung; dann Simplici Mienen waren so ernsthaft und bedrohenlich, daß er einen jeden damit erschröcken konte. Ich aber sagte zu demselbigen: »Weil meines hochgeehrten Herrn Reden und Schriften voller Sittenlehren stecken, so muß ohne Zweifel diejenige Geschichte, deren er sich mit einem so herzlichem Gelächter erinnert, beides lustig zu hören und etwas Nutzlichs daraus zu lernen sein«, mit Bitte, er wolte sie doch ohnbeschwert erzählen. »Nichts anders«, antwortet Simplicius, »lernet[256] sie, als daß einer, so jemand etwas Nöthiges fragt, solche Sprach und Wort gebrauchen soll, daß sie der, so gefragt wird, geschwind verstehe und in der Eil einen richtigen Bescheid darüber geben könne; sodann, daß einer, der gefragt worden, die Frag aber nicht eigentlich und gewiß verstanden, nit alsobald antworten, sonder von dem Fragenden, vornehmlich wann er von höherer Qualität ist, noch einmal seine Frag zu vernehmen gebührend begehren soll. Die lächerliche Histori ist diese. Als ich noch Page beim Gouverneur in Hanau war, da hatte er einsmals ansehenliche Officier zu Gaste, darunter sich auch etliche Weimarische befanden, denen er mit dem Trunk trefflich zusprechen ließe. Die Fremde und Heimische waren gleichsam in zwo Parteien unterschieden, einander wie in einer Battalia mit Saufen zu überwinden. Das Frauenzimmer stund auf und verfügte sich in sein Gemach, gleich nachdem man das Confect aufgestellt, weil ihnen mitzugehen die Gewohnheit verbote; die Cavalier aber sprachen einander so scharf zu, sich stehend vollends aufzufüllen, daß sich auch etliche mit dem Rucken an die Stubthür lehneten, damit ja keiner aus dieser Schlacht entrunne, welches mich an diejenige Marter ermahnet, darmit Tiberius[257], der römische Kaiser, viel Leut getödtet; dann wann er solche umbringen lassen wolte, ließe er sie zuvor zu vielem Trinken nöthigen, ihnen hernach die ~s. h.~ Harngäng dermaßen vernußbicklen[258], daß sie den Urin nicht lassen könten, sonder endlich mit unaussprechlichen Schmerzen sterben musten. Endlich entwischte einer, der damal kein größer Anliegen und Begierde hatte, als das Wasser zu lassen, und weil es ihn ohn Zweifel gewaltig drängte, liefe er wie ein Hund aus der Kuchen, der mit heißem Wasser gebrühet worden, in welcher Eil er mir zu seinem und meinem Unglück begegnete, fragende: «Kleiner, wo ist das Secret?» »Ich wuste damal weniger als der Teutsche Michel[259], was ein Secret war, sonder vermeinte, er fragte nach unserer Beschließerin, welche wir Gret nanten, die sonst aber Margaretha hieße und sich eben damals beim Frauenzimmer befand, dahin sie die Jungfer rufen lassen. Ich zeigte ihm hinten am Gang das Gemach und sagte: «Dort drinnen.»« »Darauf rennete er darauf los, wie einer, der mit eingelegter Lanzen in einem Turnier seinem Mann begegnet. Er war so fertig, daß das Thüraufmachen, das Hineintreten und der Anbruch des strengen Wasserflusses in einem Augenblick miteinander geschahe in Ansehung und Gegenwart des ganzen Frauenzimmers. Was nun beide Theil gedacht und wie sie allerseits erschrocken, mag jeder bei sich selbst erachten. Ich kriegte Stöße, weil ich die Ohren nit besser aufgethan; der Officier aber hatte Spott darvon, daß er nicht anders mit mir geredet.« FUSSNOTEN: [246] =Rebmann=, Weinbauer. [247] =Kärst=, zweizinkige Hacke, besonders zum Gebrauch in den Weinbergen. [248] =gerben=, gar, fertig machen, speciell von Hülsenfrüchten: entkörnen, also doppelsinnig. [249] =röllen=, durch Rollen enthülsen. [250] =hotzeln= (schaukeln, wiegen), sich schütteln. [251] =Demokritos= von Abdera zwischen 470 und 360 v. Chr. Das Hauptziel der Erkenntniß ist ihm die Gemüthsruhe. Daher die Sage, die ihn den lachenden nennt (γελασῖνος). [252] =Heraklitos= aus Ephesus, 500 v. Chr., wegen der ernsten Richtung seiner Philosophie dem Demokritos entgegengesetzt. [253] ~L. Ann. Seneca, de tranquillitate =animi=, cap. 15: Democritum potius imitemur quam Heraclitum.~ [254] =Zoroastris=, nach Plinius, ~hist. natur. VII, 15, fin.~ [255] =Nero.= Grimmelshausen's Quelle? Plinius weiß nichts davon; er sagt in angeführter Stelle: ~risisse =unum= hominem accepimus~. [256] =lernen=, lehren, wie gewöhnlich bei Grimmelshausen. [257] =Tiberius Nero=, Suet., ~Tiber. cap. 62~, hatte diese Marter erfunden, ~ut larga meri potione oneratos repente veretris =deligatis= fidiculorum simul et urinae tormento distenderet~. [258] =vernußbicklen= heißt demnach: fest unterbinden. [259] Gemeint ist der »T. Michel« in Grimmelshausen's Schrift dieses Namens. Das vierte Capitel. Der Autor geräth unter einen Haufen Zigeuner und erzählet den Aufzug der Courage. Ich sagte zum Simplicio, es wäre schad, daß er diese Histori nicht auch in seine Lebensbeschreibung eingebracht hätte; er aber antwortet mir, wann er alle seine so beschaffne Begegnussen hinein bringen hätte sollen, so wäre sein Buch größer worden als des Stumpfen Schweizerchronik[260]; überdas reue ihn, daß er so viel lächerlich Ding hinein gesetzt, weil er sehe, daß es mehr gebraucht werde, anstatt des Eulnspiegels die Zeit dardurch zu verderben, als etwas Guts daraus zu lernen. Darauf fragte er mich, was ich selbst von seinem Buche hielte, und ob ich dardurch geärgert oder gebessert worden wäre. Ich antwortet, mein Judicium wäre viel zu gering, entweder dasselbige zu schelten oder zu loben; und ob ich gleich nit wider das Buch, sonder ihn, Simplicissimum, selbsten schreiben müssen, dabei auch des Springinsfelds nicht zum rühmlichsten gedacht worden, so hätte ich doch das Buch weder gelobt noch getadelt, sonder damals gelernet, daß derjenig, so übermannet sei, sich nach derjenigen Willen und Anmuthung schicken müste, in deren Gewalt er sich befände. Als ich dieses gesagt und meiner Muttersprach nach ziemlich schweizerisch geredet, welche Mundart andere Teutsche vor grob, ja zum Theil gar vor hoffärtig und unhöflich zu halten pflegen, Springinsfeld aber solches mit angehöret, als welcher die Ohren wie ein alter Wolf spitzte, da ich ihn nennete, sagte er: »Potz grütz, du Gölschnabel! hätt ich di dußa, i wottar da garint[261] rüra!« Aber Simplicius antwortet ihm: »Ich hätte schier gesagt: du alter Geck, es ist nit mehr um die Zeit, die wir zu Soest belebten[262] und unserm Muthwillen nach gleichsam über das ganze Land herrschten. Du must jetzt mit deiner Stelzen nach einer andern Pfeifen tanzen, oder gewärtig sein, wann du es zu grob machst, daß man dir einen steinernen oder wol gar einen spanischen Mantel[263] anlegt. In dieser freien Stadt stehet jedem zwar auch frei, zu reden was er will; wer aber über die Schnur hauet, der muß es auch verantworten oder büßen.« Mich hingegen fragte Simplicius, wer oder was mich dann gemüßiget hätte, wider seine Person zu schreiben; und sonderlich verwundere ihn, daß auch neben ihm des Springinsfelds gedacht werden müssen, neben welchem er doch die Tage seines Lebens über drei Vierteljahr nicht zugebracht. Ich antwortet: »Wann ihm mein hochgeehrter Herr, wie ich mich dann keines andern versehe, die Wahrheit gefallen lassen und mir, was ich gethan, verzeihen, zumalen auch vor diesem importunen Springinsfeld, dessen Humor und ohngewichtiger Sinn mir vorlängst andictirt worden, versichern will, so will ich ihnen beeden so wunderliche Geschichten von ihnen selbsten erzählen, daß sie sich auch beede selbst darüber verwundern sollen, mit Versicherung, wann ich meinen hochgeehrten Herren von solchen löbl. Qualitäten beschaffen zu sein gewust hätte, als ich jetzunder vor Augen sehe, daß ich seinetwegen keine Feder angesetzt haben wolte, und solten mir gleich die Zigeuner den Hals zerbrochen haben.« Ob nun gleich Simplicius ein groß Verlangen hatte, zu hören, was ich vorbringen würde, so sagte er doch zuvor: »Mein Freund, es wäre ein dumme Unbesonnenheit, ja wider alle Gerechtigkeit und die Darstellung eines tyrannischen Sinns, wann wir einander[264] strafen wolten um Sachen, die wir selbst begangen. Hat er in seinem Schreiben meine Laster gerüttelt, so übertrage ichs billich mit Geduld, dann ich habe andern die ihrige, doch, daß es ihnen an ihren Ehren nicht nachtheilig sein kan, unter fremden Namen, auch rechtschaffen durchgehechelt. Verdreust es diejenige, so ich getroffen, warum haben sie dann nicht tugendlicher gelebt, oder warum haben sie mir Ursach gegeben, solche Laster und Thorheiten zu tadlen, die mir, ehe ich sie gesehen, in meiner Unschuld ganz unbekant gewesen? Er erzähle nur her; ich versprich und versichere alles, was er von mir begehrt und gebeten.« Ich antwortet: »Ich möchte gleich reden oder schweigen, so würde doch bald weltkündig werden, was ich zu schreiben mich zwingen lassen müssen.« Darauf wandt ich mich gegen dem Springinsfeld und fragte ihn, ob er in Italia nit eine Matresse gehabt, die Courage genant worden. Er antwortet: »Ach die Bluthex! Schlag sie der Donner! Lebt das Teufelsviehe noch? Es ist kein leichtfertigere Bestia seit Erschaffung der Welt von der lieben Sonnen niemal beschienen worden!« »Ei, ei«, sagte Simplicius zu ihm, »was seind das abermal vor leichtfertige unbesonnene Wort?« Zu mir aber sprach er: »Ich bitte, er fahre doch nur fort, oder er fahe doch vielmehr an zu erzählen, was ich so herzlich zu hören verlange.« Ich antwortet: »Mein hochgeehrter Herr wird sich bald müd gehört haben, dann dieses ist eben diejenige, deren er im sechsten Capitul des fünften Buchs seiner Lebensbeschreibung selbst gedacht hat.« »Es gilt gleich«, antwortet Simplicius, »er sage nur, was er von ihr weiß, und schone meiner auch nit!« Auf solches erzählete ich folgender Gestalt, was Simplicius wissen wolte. »Gleich auf nächstverstrichnem Herbst, da es, wie bekant, einen ausbündigen Nachsommer setzte, war ich auf dem Weg begriffen, mich aus meinem Vatterland gegen dem Rheinstrom, und zwar auf hieher zu begeben, entweder als ein armer Schüler Präceptorsweis, wie es hier gebräuchlich, meine Studien fortzusetzen, oder auf Recommendation meiner Verwandten, von denen ich zu solchem Ende Schreiben bei mir hatte, einen Schreiberdienst zu bekommen. Da ich nun auf der Höhe des Schwarzwaldes von Krummenschiltach[265] hieherwarts wanderte, sahe ich von weitem einen großen Haufen Lumpengesindel gegen mir avanzirn, welches ich im ersten Anblick vor Zigeuner erkennete, mich auch nicht betrogen fande; und weil ich ihnen nit trauete, verbarg ich mich in eine Hecke, da sie zum allerdicksten war. Aber weil diese Bursch viel Hunde, so wol Stäuber[266] als Winde bei sich hatten, spürten mich dieselbige gleich, umstellten mich und schlugen an, als wann ein Stück Wildbret vorhanden gewest wäre. Das höreten ihre Herren alsobalden und eileten mit ihren Büchsen oder langen Schnaphahnen-Röhren auf mich zu. Einer stellte sich hieher, der ander dorthin, wie auf einem Gejaid[267], da man dem bestäten[268] und aufgetriebenen Wild aufpasset. Als ich nun solche meine Gefahr vor Augen sahe, zumalen die Hunde auch allbereit an mir zu zwacken anfiengen, da fieng ich auch an zu schreien, als wann man mir allbereit das Weidmesser an die Gurgel gesetzt hätte; hierauf liefen beides Männer, Weiber, Knaben und Mägdlein herzu und stellten sich so werklich[269], daß ich nicht schließen konte, ob mich das garstige Volk umbringen oder von den Hunden erretten wolte. Ja ich bildete mir vor Forcht ein, sie ermordeten die Leute, die sie dergestalt wie mich an einsamen Orten betreten, und zehrten sie hernach selbst auf, damit ihre Todtschläge verborgen blieben. Es gab mich auch wie noch[270] Wunder, und ich verfluchte das Zusehen derjenigen, denen das Wild und die jagdbare Gerechtigkeiten zuständig, daß sie ihre Länder mit bei sich habenden Hunden und Gewehr von diesem beschreiten Diebsgesindel also durchstreichen lassen!« »Da ich mich nun solchermaßen zwischen ihnen befande wie ein armer Sünder, den man jetzt aufknüpfen will, so daß er selbst nicht weiß, ob er noch lebendig oder bereits halb todt seie, sihe, da kam ein prächtige Zigeunerin auf einem Maulesel daher geritten, dergleichen ich mein Tage nicht gesehen, noch von einer solchen gehöret hatte, wessentwegen ich sie dann, wo nicht gar vor die Königin, doch wenigst vor eine vornehme Fürstin aller anderer Zigeunerinnen halten muste. Sie schiene eine Person von ungefähr sechzig Jahren zu sein, aber wie ich seithero nachgerechnet, so ist sie ein Jahr oder sechs älter. Sie hatte nicht so gar wie die andere ein pechschwarzes Haar, sonder etwas falb, und dasselbe mit einer Schnur von Gold und Edelgesteinen wie mit einer Kron zusammen gefaßt, an dessen Statt andere Zigeunerinn nur einen schlechten Bendel oder, wans wol abgehet, einen Flor oder Schleier oder auch wol gar nur eine Weide zu brauchen pflegen. In ihrem annoch frischem Angesicht sahe man, daß sie in ihrer Jugend nicht häßlich gewesen. In den Ohren trug sie ein Paar Gehenk von Gold und geschmelzter Arbeit[271], mit Diamanten besetzt, und um den Hals eine Schnur voll Zahlperlen[272], deren sich keine Fürstin hätte schämen dörfen. Ihre Serge[273] war von keinem groben Teppich, sonder von Scharlach und durchaus mit grünem Plüsch-Samet gefüttert; nebenher aber, wie ihr Rock, der von kostbarem grünem englischen Tuch war, mit silbernen Passamenten verbrämt. Sie hatte weder Brust noch Wams an, aber wol ein Paar lustiger[274] polnischer Stiefel; ihr Hemd war schneeweiß, von reinem Auracher Leinwat[275], überall um die Näthe mit schwarzer Seiden auf die böhmische Manier ausgenähet, woraus sie hervor schiene wie eine Heidelbeer in einer Milch. So trug sie auch ihr langes Zigeunermesser nicht verborgen unterm Rock, sondern offentlich, weil sichs seiner Schöne wegen wol damit prangen ließe; und wann ich die Wahrheit bekennen soll, so bedunkt mich noch, der alten Schachtel seie dieser Habit sonderlich zu Esel (hätte schier: zu Pferd, gesagt) überaus wol angestanden, wie ich sie dann auch noch biß auf diese Stund in meiner Einbildung sehen kann, wann ich will.« FUSSNOTEN: [260] Johann Stumpf, geb. 1500, gest. 1566 zu Zürich. Seine Schweizer Chronik, 1548, ist ein umfangreicher Foliant. [261] =garind=, grind, Kopf. [262] =belebten=, verlebten. [263] =spanischer Mantel=, ein schwerer Zuber mit einem Loch im Boden, den der Delinquent tragen mußte; mit einem =steinernen Mantel= ist das Gefängniß gemeint. [264] Die ersten Drucke haben »von andern«. [265] =Krumm-Schiltach=, Baden, Oberrheinkreis. [266] =Stäuber=, Stöber, Spürhund; =Wind=, Windhund. [267] =Gejaid=, Jagd. [268] =bestäten=, bestätigen, das Vorhandensein eines Wildes an einem bestimmten Orte, den die Hunde anzeigen, feststellen. [269] =werklich=, spaßhaft, wunderlich. [270] =wie noch=, wie jetzt noch. [271] =Geschmelzte Arbeit=, Schmelz, Email. [272] =Zahlperlen=, die größten, die nicht nach dem Gewicht, sondern nach der Zahl verkauft werden. [273] =Serge=, deutsch Sarsche, leichtes Tuch. [274] =lustig=, reizend, hübsch. [275] =Aurach=, Urach, Würtemberg, Schwarzwaldkreis, hatte schon damals bedeutende Leinenindustrie. Das fünfte Capitel. Wo Courage dem Autor ihre Lebensbeschreibung dictirt. »Nun diese tolle[276] Zigeunerin, welche von den andern eine gnädige Frau genannt, von mir aber vor ein Ebenbild der Dame von Babylon gehalten wurde, wann sie nur auf einem siebenköpfigen Drachen gesessen und ein wenig schöner gewesen wäre, sagte zu mir: «Ach, mein schöner weißer junger Gesell, was machstu hier so gar allein und so weit von den Leuten?» »Ich antwortet: «Mein großmächtige, hochgeehrte Frau, ich komm von Haus aus dem Schweizerlande und bin Willens an den Rheinstrom in eine Stadt zu reisen, entweder daselbst ein mehrers zu studieren, oder einen Dienst zu bekommen, dann ich bin ein armer Schuler.»« »«Daß dich Gott behüet, mein Kind», fragte sie, «woltestu mir nicht ein Tag oder vierzehen mit deiner Feder dienen und etwas schreiba? Ich wolte dir alle Tag ein Reichsthaler geben.»« »Ich gedachte: Alle Tag ein Thaler wäre nicht zu verachten; wer weiß aber, was du schreiben solst! So großes Anerbieten ist vor suspect zu halten. Und wann sie nicht selbst gesagt hätte, daß mich Gott behüten solte, so hätte ich vermeinet, es wäre ein Teufelsgespenst gewesen, das mich durch solches Geld verblenden und in die leidige Congregation der Hexenzunft hätt einverleiben wollen. Mein Antwort war: Wann es mir nichts schadet, so will ich der Frauen schreiben, was sie begehrt.« »«Ai wol nai, main Kind», sagte sie hierauf; «es wird dir gar nichts schaden, behüt Gott! Komm nur mit uns; ich will dir darneben auch Essen und Trinken geben, so gut ichs hab, biß du fertig sein wirst.»« »Weil dann mein Magen eben so leer von Speisen, als der Beutel öd von Geld, zumalen ich bei diesem Diebsgeschmeiß wie ein Gefangner war, sihe, so schlendert ich mit dahin und zwar in einem dicken Wald, da wir die erste Nacht logirten, allwo sich allbereit etliche Kerl befanden, die einen schönen Hirsch zerlegten. Da gieng es nun an ein Feuermachens, Siedens und Bratens, und soviel ich sahe, auch hernach vollkommen versichert wurde, so hat die Frau Libuschka, dann also nennete sich meine Zigeunerin, alles zu commandirn. Dieser wurde ein Zelt von weißem Barchet aufgeschlagen, welches sie auf ihrem Maulesel unterm Sattel führet; sie aber führte mich etwas beiseits, setzte sich unter einen Baum, hieße mich zu ihr sitzen und zog des Simplicissimi Lebensbeschreibung hervor.« »«Seht da, mein Freund», sagte sie, «dieser Kerl, von dem diß Buch handelt, hat mir ehemalen den grösten Schabernack angethan, der mir die Tage meines Lebens jemal widerfahren, welches mich dergestalt schmirzt, daß mir unmüglich fällt, ihm seine Buberei ungerochen hingehen zu lassen; dann nachdem er meiner gutwilligen Freundlichkeit genug genossen, hat sich der undankbare Vogel (mein hochgeehrter Herr verzeihe mir, daß ich ihr eigne Wort brauche!) nicht gescheut, nicht allein mich zu verlassen und durch einen zuvor nie erhörten schlimmen Possen abzulassen, sonder er hat sich auch nicht geschämet, alle solche Handlungen, die zwischen mir und ihm vorgangen, beides mir und ihm zu ewiger Schand der ganzen Welt durch den offentlichen Druck zu offenbaren. Zwar hab ich ihm seine erste an mir begangene Leichtfertigkeit bereits stattlich eingetränkt; dann als ich vernommen, daß sich der schlimme Gast verheurathet, hab ich ein Jungferkindchen, welches meine Kammermagd eben damals aufgelesen, als er im Sauerbrunnen mit mir zuhielte, auf ihn taufen und ihm vor die Thür legen lassen, mit Bericht, daß ich solche Frucht von ihm empfangen und geboren hätte, so er auch glauben, das Kind zu seinem großen Spott annehmen und erziehen und sich noch darzu von der Obrigkeit tapfer strafen lassen müssen, vor welchen Betrug, daß er mir so rechtschaffen angangen[277], ich nicht 1000 Reichsthaler nehme, vornehmlich weil ich erst neulich mit Freuden vernommen, daß dieser Bankert des betrognen Betriegers einiger Erb sein werde.»« Simplicius, so mir bißher andächtig zugehöret, fiele mir hier in die Red und sagte: »Wann ich noch wie hiebevor in dergleichen Thorheiten meine Freud suchte, so würde mirs keine geringe Ergetzung sein, daß ihr diese Närrin einbildet, sie habe mich hiemit hinters Liecht geführt, da sie mir doch dardurch den allergrößten Dienst gethan und sich noch mit ihrem eitlen Kützlen biß auf diese Stund selbst betreugt; dann damals, als ich sie caressirte, lag ich mehr bei ihrer Kammermagd als bei ihr selbsten, und wird mir viel lieber sein, wann mein Simplicius, dessen ich nicht verläugnen kann, weil er mir sowol im Gemüt nachartet, als im Angesicht und an Leibsproportion gleichet, von derselben Kammermagd als einer losen Zigeunerin geboren sein wird. Aber hierbei hat man ein Exempel, daß oft diejenige, so andere zu betriegen vermeinen, sich selbst betriegen, und daß Gott die große Sünden, wo kein Besserung folgt, mit noch größern Sünden zu strafen pflege, davon endlich die Verdammnus desto größer wird. Aber ich bitte, er fahre in seiner Erzählung fort; was sagte sie ferners?« Ich gehorchte und redet weiters folgendermaßen: »Sie befahle mir, ich solte mich ein wenig in meines hochgeehrten Herrn Lebensbeschreibung informirn, um mich darnach haben zu richten, dann sie wäre Willens, ihren Lebenslauf auf eben diese Gattung durch mich beschreiben zu lassen, um solche gleichfalls der ganzen weiten Welt zu communiciren, und das zwar dem Simplicissimo zum Trutz, damit jedermann seine begangene Thorheit belache. Ich solte mir, sagte sie, alle andere Gedanken und Sorgen, die ich etwan vor dißmal haben möchte, aus dem Sinn schlagen, damit ich diesem Werk desto besser obliegen möchte; sie wolte indessen Schreibzeug und Papier zur Hand bringen und mich nach vollendter Arbeit dergestalt belohnen, daß ich zufrieden mit ihr sein müste.« »Also hatte ich die zween erste Täge anderster nichts zu thun, als zu lesen, zu fressen und zu schlafen, in welcher Zeit ich auch meines hochgeehrten Herrn Lebensbeschreibung ganz expedirte. Da es aber den dritten Tag an ein Schreibens gehen solte, wurde es unversehens Alarm, nit daß uns jemand angegriffen oder verfolgt hätte, sondern als ein einzige[278] Zigeunerin in Gestalt eines armen Bettelweibs ankam, die eine reiche Beut von Silbergeschirr, Ringen, Schaupfenningen, Göttelgeld[279] und allerhand Sachen, so man den Kindern zur Zierde um die Hälse zu hängen pflegt, erschnappt hatte. Da war ein seltzam Gewelsch[280] zu hören und ein geschwinder Aufbruch zu sehen. Die Courage (dann also nennet sich diese allervornehmste Zigeunerin selbst in ihrem Trutz-Simplex) stellte die Ordre und theilet das Lumpengesindel in unterschiedliche Troupen aus, mit Befelch, welche Wege diese oder jene brauchen, auch wie, wo und wann sie wieder an einem gewissen Ort, den sie ihnen bestimmte, zusammenkommen solten. Als nun die ganze Compagnie sich in einem Augenblick wie Quecksilber zertheilt und verschwunden, gieng Courage selbst mit den fertigsten und zwar eitel[281] wolbewehrten Zigeunern und Zigeunerinnen den Schwarzwald hinunter, in solcher unsäglichen schnellen Eil, als wann sie die Sach selbst gestohlen und ihro deswegen ein ganzes Heer nachgejagt hätte. Sie höret auch nicht auf zu fliehen, und zwar als[282] auf der obersten Höhe des Schwarzwalds, biß wir das Schutter-, Kinzcher-, Peters-, Noppenauer-, Cappler-, Saßwalder- und Bieler-Thal[283] passirt und die hohe und große Waldungen über der Murg[284] erlangt hatten. Daselbst wurde abermal unser Lager aufgeschlagen. Mir ward auf derselben geschwinden Reise ein Pferd untergegeben[285], darauf mirs nach dem gemeinen Sprichwort ergieng: Wer selten reit &c.[286]« »Ich merkte wol, daß diese Suite der Courage, die mit mir in 13 Pferden und eitel Männern und Weibern, aber in keinen Kindern bestunde, alles Vermögen der übrigen Zigeuner, so viel sie an Gold, Silber und Kleinodien zusammen gestohlen, mit sich führte und verwahrte. Ueber nichts verwundert ich mich mehr, als daß diese Leute alle Rick[287], Weg und Steg an diesen wilden unbewohnten Orten so wol wusten, und daß bei diesem sonst unordenlichen Gesindel alles so wol bestellt war, ja ordenlicher zugieng als in mancher Haushaltung. Noch dieselbe Nacht, als wir kaum ein wenig gessen und geruhet hatten, wurden zwei Weiber in die Landstracht verkleidet und gegen Horb[288] geschickt, Brod zu holen, unterm Vorwand, als wann sie solches vor einen Dorfwirth einkauften, wie dann ebenfalls ein Kerl gegen Gernsbach[289] ritte, der uns gleich den andern Tag ein paar Lägel Wein brachte, die er seinem Vorgeben nach von einem Rebmann gekauft hatte.« »An diesem Ort, mein hochgeehrter Herr Simplice, hat die gottlose Courage angefangen mir ihren Trutz-Simplex, wie sie es intitulirt, oder vielmehr ihres leichtfertigen Lebens Beschreibung in die Feder zu dictiren. Sie redete gar nicht zigeunerisch, sonder brauchte eine solche Manier, die ihren klugen Verstand und dann auch dieses genugsam zu verstehen gab, daß sie auch bei Leuten gewesen und sich mit wunderbarer Verwandelung der Glücksfäll weit und breit in der Welt umgesehen und viel darin erfahren und gelernet hätte. Ich fande sie überaus rachgierig, so daß ich glaube, sie sei zu dem Anacharse[290] selbst in die Schul gangen, aus welcher gottlosen Neigung sie dann auch besagtes Tractätel, um den Herrn zu verehren[291], zu ihrer eignen Hand[292] hat schreiben lassen; von welchem ich weiters nichts melden, sonder mich auf dasselbige, weil sie es ohn Zweifel bald drucken lassen wird, bezogen haben will.« FUSSNOTEN: [276] =toll=, keck und auffallend gekleidet. [277] =angehen=, gelingen. [278] =einzig=, einzeln. [279] =Göttelgeld=, Pathengeld; vgl. Gotte, Göttel, Pathe. [280] =Gewelsch=, Sprachverdrehen, von =welschen=. [281] =eitel=, (nicht anders als) durchaus. [282] =als=, stets, fortwährend. [283] sämmtlich in Baden, Mittelrheinkreis. [284] Die =Murg=, Nebenfluß des Rheins, am Fuß des Kniebis entspringend, bei Rastatt mündend. [285] =untergeben=, zum Reiten geben. [286] Das Sprichwort lautet: Wer selten reitet, dem thut der A. weh. [287] =Rick=, Rück, Rücken, Höhenzug. [288] =Horb=, Städtchen, Würtemberg, Schwarzwaldkreis. [289] =Gernsbach= in Baden, Mittelrheinkreis. [290] =Anacharsis=, ein Scythe, der auf seinen Reisen in Griechenland Aufsehen machte durch seine Weisheit und Einfachheit der Lebensweise. Er lernte auch Solon kennen. Nach seiner Rückkehr wurde er von seinem Bruder Saulios getödtet, weil er griechischen Götterdienst einführen wollte. Herodot, ~IV~, 76. Cicer. ~Tusc.~ B. 32. 90. Für die ihm hier zugeschriebene Rachsucht findet sich nirgends ein Anhaltspunkt. Wahrscheinlich soll sich die Bemerkung auf die weiten Reisen und die Welterfahrung der Courage beziehen, und gehört dann an den Schluß des vorhergehenden Satzes. [291] =verehren=, ~trans.~, um dem Herrn damit ein Geschenk zu machen. [292] =zu ihrer eigenen Hand=, in ihrem Namen. Das sechste Capitel. Der Autor continuirt vorige Materia und erzählet den Dank, den er von der Courage vor seinen Schreiberlohn empfangen. Simplicius fragte, wie dann Springinsfeld mit ins Gelag kommen wäre, und was sie mit ihm zu schaffen gehabt hätte. Ich antwortet: »Soviel ich mich noch zu erinnern weiß, ist sie, wie ich bereits gemeldet, in Italia seine Matreß oder, allem Ansehen nach, er vielmehr ihr Knecht gewesen, maßen sie ihm auch, wann es anders wahr ist, was mir diese Schandvettel angeben, den Namen Springinsfeld zugeeignet.« »Schweig, daß dich der Hagel erschlag, du Schurk«, sagte Springinsfeld, »oder ich schmeiß dir Blackscheißer[293], der Teufel soll sterben, die Kandel[294] übern Kopf, daß dir der rothe Saft hernach gehet!« Und seine Wort wahr zu machen, ertappte er die Kandel. Aber Simplicius war eben so geschwind und weit stärker als er, auch eines andern Sinns, enthielte ihne derowegen vom[295] Streich und bedrohete ihn, ihn zum Fenster hinaus zu werfen, wann er nicht zufrieden sein wolte. Indessen kam der Wirth darzu und gebote uns den Frieden, mit ausdrucklicher Anzeigung, wann wir nicht still wären, daß bald Thurnhüter und Fausthämmer vorhanden sein würden, die den Ursächer solcher Händel oder wol gar uns alle drei an ein ander Ort führen solten. Ob ich nun gleich hierauf vor Angst zitterte und so still wurde wie ein Mäusel, so wolte ich doch gleichwol die Scheltwort nicht auf mir haben, sonder zum Ammeister[296] gehen und mich der empfangnen Injuri halben beklagen; aber der Wirth, so Springinsfelds Ducaten gesehen und einige davon zu kriegen verhoffte, sprach mir neben Simplicio so freundlich zu, daß ichs unterwegen ließe, wiewol Springinsfeld noch immerhin wie ein alter böser Hund gegen mir griesgramete. Zuletzt wurde der Verglich gemacht, daß ich dem Springinsfeld auf beschehene Abbitt die empfangene Schmach vergeben und hingegen sein und Simplici Gast sein solte, so lang ich nur[297] selber wolte. Nach diesem Vertrag fragte mich Simplicius, wie ich dann wieder von den so genannten Zigeunern hinweg kommen wäre, und mit was vor Geschäften dieselbige ihre Zeit in den Wäldern passirt hätten. Ich antwortet: »Mit Essen, Trinken, Schlafen, Tanzen, herum Rammlen, Tabaksaufen[298], Singen, Ringen, Fechten und Springen. Der Weiber größte Arbeit war Kochen und Feuern, ohne[299] daß etliche alte Hexen hie und da saßen, die junge im Wahrsagen oder vielmehr im Liegen[300] zu unterrichten. Theils Männer aber giengen dem Gewild nach, welches sie ohne Zweifel durch zauberische Segen zum Stillstehen zu bannen und mit abgetödten Pulver, das nicht laut kläpfte[301], zu fällen wusten, maßen ich weder an Wild noch Zahm keinen Mangel bei ihnen verspüren konte. Wir waren kaum zween Tag dort still gelegen, als sich wieder eine Partei nach der andern bei uns einfande, darunter auch solche waren, die ich bißhero noch nicht gesehen. Etliche, die zwar nit beim besten empfangen wurden, anticipirten bei der Courage (ich schätze, aus ihrem allgemeinen Seckel) Geld; andere aber brachten Beuten, und kein Theil gelangte an, das nicht entweder Brod, Butter, Speck, Hühner, Gäns, Enten, Spanferkel, Geißen, Hämmel oder auch wol gemäste Schwein mit sich gebracht hätte, ohne eine arme alte Hex, welche anstatt der Beuten einen himmelblauen Buckel mitbracht, als die über der verbotenen Arbeit ertappt und mit trefflichen Stößen und Schlägen abgefertigt worden war. Und ich schätze, wie dann leicht zu gedenken, daß sie obengedachte zahme Schnabelweid und das kleine Viehe entweder in oder um die Dörfer und Baurenhöfe hinweg gefüchslet oder hin und wieder von den Heerden hinweg gewölfelt haben. Gleichwie nun täglich solche Compagnien bei uns ankamen, also giengen auch alle Tag wieder einige von uns hinweg, zwar nicht alle als Zigeuner, sonder auch auf andere Manieren bekleidet, je nachdem sie meines Davorhaltens ein Diebsstück zu verrichten im Sinn hatten. Und dieses, mein hochgeehrter Herr, waren die Geschäfte der Zigeuner, die ich, so lang ich bei ihnen gewesen, observirt habe. »Wie ich aber wieder von ihnen kommen, das will ich meinem hochgeehrten Herrn, weil ers zu wissen verlangt, jetzunder auch erzählen, ob mir gleich die gehabte Kundschaft mit der Courage zu eben so geringen Ehren gereicht als dem Springinsfeld oder dem Simplicissimo selbsten.« »Ich dorfte[302] täglich über 3 oder 4 Stund nicht schreiben, weil Courage nicht mehr Zeit nahm mir zu dictirn; und alsdann mochte ich mit andern spazieren gehen, spielen oder andere Kurzweil haben, worzu sich dann alle gar geneigt und gesellig gegen mir erzeigten; ja die Courage selbst leiste mir die mehrigste Gesellschaft, dann bei diesen Leuten findet durchaus einige Traurigkeit, Sorg oder Bekümmernus keinen Platz. Sie ermahnten mich an die Marder und Füchse, welche in ihrer Freiheit leben und auf den alten Kaiser[303], doch vorsichtig und listig genug, hinein stehlen, wann sie aber Gefahr vermerken, eben so geschwind als vortheilhaftig[304] sich aus dem Staub machen. Einsmals fragte mich Courage, wie mir diß freie Leben gefiele. Ich antwortet: Ueberaus wol! Und ob gleich alles erlogen war, was ich gesagt, so henkte ich jedoch noch ferner dran, daß ich mir schon nicht nur einmal gewünscht, auch ein Zigeuner zu sein.« »«Mein Sohn», sagte sie, «wann du Lust hast, bei uns zu bleiben, so ist der Sach bald geholfen.»« »Ja, mein Frau«, antwortet ich, »wann ich auch die Sprache könte.« »«Diß ist bald gelernet», sagte sie; «ich hab sie ehe als in einem halben Jahr begriffen. Bleibt ihr nur bei uns! Ich will euch ein schöne Beischläferin zum Heurath verschaffen.»« »Ich antwortet, ich wolte noch ein paar Tag mit mir selbst zu Rath gehen und bedenken, ob ich sonst irgends ein besser Leben als hier zu kriegen getraute; des Studierens und Tag und Nacht über den Büchern zu hocken, wäre ich schon vor längsten müd worden; so möchte ich auch nicht arbeiten, viel weniger erst ein Handwerk lernen; ohne, welches das Schlimmste wär, daß ich auch ein schlecht Patrimonium von meinen Eltern zu hoffen hätte.« »«Du hast einen weisen Menschensinn, mein Sohn», sagte das Rabenaas weiters, «und kanst leicht hierbei abnehmen und probieren, was unser Manier zu leben vor anderer Menschen Leben vor einen Vorzug habe, wann du nämlich sihest, daß kein einzig Kind aus unserer Jugend zu dem allergrößten Fürsten gieng, der es aufnehmen und zu einem Herrn machen wolte; es würde alle solche hohe fürstliche Gnaden vor nichts schätzen, die doch andere knechtisch gesinnte Menschen so hoch verlangen.»« »Ich gab ihr gewonnen und gedachte doch bei mir selber, was ihr Springinsfeld gewünscht, und indem ich ihr dieser Gestalt das Maul machte[305], als wenn ich bei ihr verbleiben wolte, hoffte ich desto ehender die Freiheit, mit andern auszugehen, und also Gelegenheit zu bekommen, mich wieder von ihr abzuscheiblen[306].« »Eben um dieselbe Zeit kam eine Schar Zigeuner, die brachten eine junge Zigeunerin mit sich, die schöner war, als die allerschönste aus diesen Leuten zu sein pflegen. Diese machte so wol als andere bald Kundschaft zu mir (dann man muß wissen, daß unter dieses Volks ledigen Leuten wegen ihres Müßiggangs die Löffelei eine Gewohnheit ist, deren sie sich weder zu schämen noch zu scheuen pflegen) und erzeigte sich so freundlich, holdselig und liebreizend, daß ich glaube, ich wäre angangen[307], wann mich nicht die Sorg, ich würde auch hexen lernen müssen, darvon abgeschröckt, und ich nicht zuvor der Courage Leichtfertigkeit und lasterhaftes Leben aus ihrem eignen Maul gehört hätte. Eben darum traute ich desto weniger und sahe mich desto besser vor; doch erzeigte ich mich gestältiger[308] gegen ihr als gegen einer andern. Sie fragte mich gleich nach gemachter Kundschaft, was ich der Frau Gräfin, dann also nannte sie die Courage, zu schreiben hätte. Als ich ihr aber die Antwort gabe, es wäre ohnnöthig, daß es die Jungfer wüste, war sie nit allein wol damit zufrieden, sonder ich merkte auch an der Courage selbsten meiner Einbildung nach, daß sie solche Frag an mich zu thun befohlen und also meine Verschwiegenheit probiert hatte, dann sie ward mir immer je freundlicher, wie ich Narr vermeinte.« »Damals war ich allbereit in 14 Tagen nicht mehr aus den Kleidern kommen, wessentwegen sich dann die Müllerflöhe häufig bei mir einfanden, welches heimliche Leiden ich meiner Jungfer Zigeunerin klagte. Dieselbe lachte mich anfänglich gewaltig aus und nannte mich einen einfaltigen Tropfen; aber den andern Morgen brachte sie eine Salbe, welche alle Läuse vertreiben würde, wann ich nur darmit nackend bei einem Feur, der Zigeuner Gewohnheit nach, mich wolte schmieren lassen, welche Arbeit sie, die Jungfer, auch gern verrichten wolte. Ich schämte mich aber viel zu sehr und sorgte darneben, es möchte mir gehen wie Apulejo[309], welcher durch dergleichen Schmiersel in ein Esel verwandelt worden. Indessen quälte mich aber das Ungeziefer so greulich, daß ichs nicht mehr erleiden kunte; dannenhero ward ich gezwungen, diese Salbung zu gebrauchen, doch mit dieser Condition, daß sich die Jungfer zuvor von mir schmieren lassen solte, und alsdann wolte ich ihr nachfolgen und ihr auch stillhalten. Zu solcher Verrichtung nun machten wir etwas fern von unserm Läger ein absonderlichs Feur und thäten dabei, was wir abgeredet hatten.« »Die Läuse giengen zwar fort, aber den Morgen frühe sahe ich mit Haut und Haar so schwarz aus wie der Teufel selber. Ich wuste es noch nicht an mir, biß mich die Courage vexierte und sagte: «So, mein Sohn, ich sehe wol, du bist deinem Wunsch nach schon ein Zigeuner worden.»« »Ich weiß noch nichts darvon, mein hochgeehrte Frau Mutter«, antwortet ich. Sie aber sagte: «Beschaue deine Hände!»« »Und mit dem ließe sie einen Spiegel holen, in welchem sie mir eine Gestalt wiese, die ich wegen übermäßiger Schwärze selbst nicht mehr vor die meinige erkante, sonder darvor erschrak.« »«Diese Salbung, mein Kind», sagte sie, «gilt bei uns so viel, als bei den Türken die Beschneidung; und welche dich gesalbet hat, die mustu auch zum Weib haben, sie gefalle dir gleich oder nicht.»« »Und mit dem fieng das Teufelsgesindel mit einander an zu lachen, daß sie hätten zerbersten mögen.« »Als ich nun sahe, wie mein Handel stunde, hätte ich Stein und Bein zusammen fluchen mögen; aber was wolte oder solte ich anders thun, als nach deren Willen mich zu accomodirn, in welcher Gewalt ich damals war?« »«Hei», sagte ich, «was geschneidts[310] dann auch mich? Vermeinet ihr dann wol, diese Veränderung sei mir so gar ein großer Kummer? Höret nur auf zu lachen, und sagt mir darvor, wann ich Hochzeit haben soll!»« »«Wann du wilt, wann du wilt», antwortet Courage; «doch der Gestalt, wann wir auch einen Pfaffen darbei werden haben können.»« »Ich war damals mit der Courage Lebenslauf allbereit fertig, ohne[311] daß ich noch ein paar, ich weiß aber nit was vor, Diebsstück darzu hätte setzen sollen, die sie verübet, seit sie eine Zigeunerin worden. Derowegen begehrte ich gar höflich die versprochene Bezahlung. Sie aber sagte: «Ho, mein Sohn, du bedarfst jetzt kein Geld; es wird dir noch wol kommen, wann du Hochzeit gehalten haben wirst.»« »Ich gedachte: Hat dirs der Schinder in Sinn geben, daß du mich hiermit halten solst? Und als sie merkte, daß ich etwas sauers darzu sehen wolte, setzte und verordnete sie mich vor der ägyptischen Nation Obersten Secretarium durch ganz Teutschland und that Promessen, daß mein Heurath mit ihrer Jungfer Basen, sobald es nur Gelegenheit geben würde, vollzogen und mir zwei schöne Pferd zum Heurathgut mitgegeben werden solten. Und damit ich dieses desto steifer glauben solte, dorfte meine Jungfrau Hochzeiterin nit unterlassen, mich mit ihrer gewöhnlichen Freundlichkeit zu unterhalten. Diese Geschichte war kaum verloffen, als wir aufbrachen und mit guter Ordre fein gemach samt Weib und Kind etwan selbdreißigst das Bielerthal herunter marschierten, auf welchem Weg Courage ihren stattlichen Habit nicht anhatte, sonder auch wie sonst ein andere alte Hex aufzog. Ich war unter den Fourieren und halfe das Quartier auf etlichen Bauernhöfen machen, in welcher Verrichtung ich mich keine Sau, sonder ein vornehmes Mitglied der ansehenlichsten Zigeuner zu sein bedunken ließe. Den andern Tag marschierten wir vollends biß an den Rhein und blieben zunächst an einem Dorf, alwo ein Ueberfahrt war, in einem Busch bei der Landstraßen über Nacht, um den folgenden Tag vollends über Rhein zu gehen. Aber des Morgens, da der schwarze Secretarius erwachte, sihe, da befande sich der gute Herr ganz allein, maßen ihn die Zigeuner und seine Braut so gar verlassen, daß er von ihnen auch sonst nichts als nur die holdselige Farbe zum freundlichen Gedächtnus noch übrig hatte.« FUSSNOTEN: [293] =Blackscheißer=, Schreiber, Pedant, als Schimpfwort, =Black=, Dinte. [294] =Kandel=, Bier- oder Weinkrug. [295] =enthalten von=, abhalten. Im Text steht »=vorm=«, dies würde nicht den richtigen Sinn geben. [296] =Ammeister=, Bürgermeister. [297] =nur=, die ältesten Ausgaben haben »mir«. [298] =Tabaksaufen=, wie im Französischen ~boire~, rauchen. [299] =ohne=, ausgenommen. [300] =Liegen=, Lügen. [301] =kläpfen=, vom oberdeutschen Schallwort »klapf«, »klapp«, klappen, knallen. [302] =dürfen=, brauchen. [303] =auf den alten Kaiser= (gleichsam auf den verstorbenen Kaiser sich berufend), sorglos in den Tag hinein. Simplicissimus ~III.~ 20: »auf den alten Kaiser dahin leben«. [304] =vortheilhaftig=, listig. [305] =das Maul machen=, die Miene machen, sich das Ansehen geben, so thun. [306] =sich abscheibeln=, abdrehen, sich davon machen. [307] =angehen=, anbeißen, ins Netz gehen, sich fangen lassen. [308] =gestältig=, fügsam, zuthunlich. [309] =Lucius Apulejus= aus Madaura in Afrika, geboren unter der Regierung Hadrian's, wohnte zuletzt nach vielen Reisen in Karthago. Er schrieb: »~Metamorphoseon s. de asino aureo libri~«; ein liederlicher Jüngling Lucius, den Grimmelshausen mit dem Verfasser identificirt, wird in einen Esel verwandelt, aber in den Mysterien wieder zum Menschen neugeboren. [310] =geschneiden=, kümmern. [311] =ohne=, ausgenommen. Das siebente Capitel. Simplicissimi Gaukeltasch und erhaltene treffliche Losung[312]. »Da saße ich nun, als wann mir Gott nit mehr hätte gnädig sein wollen, dem ich gleichwol zu danken Ursach hatte, daß mich diß lose Gesindel nit gar ermordet und mich im Schlaf visitirt und mir mein wenig Geld, so ich noch zur Zehrung bei mir trug, genommen. Und ihr, Springinsfeld, was habt ihr jetzt mehr vor Ursachen, über mich zu kollern, der ich doch so freiwillig erzähle, daß mich diese arge Vettel so wol als euch betrogen, als deren List und Bosheit gleichsam kein Mensch, an den sie sich machen will, entgehen kan, wie dann gegenwärtigem ehrlichen Herrn Simplicissimo beinahe selbst widerfahren wäre?« Springinsfeld antwortet mir: »Nichts, nichts, gar nichts, guter Freund! Sei nur zufrieden, und hol der Teufel die Hex!« »Mein«[313], antwortet ihm Simplicius, »wünsche doch der armen Tröpfin nicht Böses mehr! Hörestu nicht, daß sie allbereits ohnedas der Verdammnus nahe, biß über die Ohren im Sündenschlamm, ja allerdings schon gar der Höllen im Rachen steckt? Bete darvor ein paar andächtiger Vatterunser vor sie, daß die Güte Gottes ihr Herz erleuchten und sie zu wahrer Buße bringen wolle!« »Was?« sagte Springinsfeld; »ich wolte lieber, daß sie der Donner erschlüg!« »Ach daß Gott walt!« antwortet Simplicius; »ich versichere dich, wann du nicht anders thust als so, daß ich um die Wahl, die sich zwischen deiner und ihrer Seligkeit findet, keine Stiege hinunterfallen[314] wolte.« Springinsfeld sagte darauf: »Was geheits mich?« Aber der gute Simplicius schüttelt den Kopf mit einem tiefen Seufzen[315]. Es war damals schier um 2 Uhr Nachmittag, und wir hatten alle drei überflüssig genug gefüttert, als Springinsfeld Simplicium fragte, womit er sich doch ernähre, und was sein Stand, Handel und Wandel wäre. Er antwortet ihm: »Daß will ich dich sehen lassen, ehe ein halbe Stund vergehet.« Und als er kaum das Maul zugethan hatte, kam sein Knan[316] und Meuder samt einem starken Bauernknecht daher, welche zwei Paar ausgemäste Ochsen vor sich trieben und in Stall stelleten. Er verschaffte, daß besagte seine beide Alte alsobalden aus der Kälte in die warme Stub gehen musten, welche in der Wahrheit aussahen, wie ihre Bilder auf Simplicii Ewigem Calender[317] darstellen; und als der Knecht auch hineinkam, befahl er dem Wirth, daß er ihnen Essen und Trinken geben solte; er selbst aber nahm den Sack, den sein Knecht getragen, und sagte dem Springinsfeld: »Jetzt komm mit mir, damit du sehest, womit ich mich ernähre!« Mir aber sagte er, wann ich wolte, so könte ich wol auch mitgehen. Also zottelten wir alle drei auf einen volkreichen Platz, wohin Simplicius einen Tisch, eine Maß neuen Wein und ein halb Dutzet leere Gläser bringen ließe. Das hatte ein Ansehen, als wann wir dorten auf offenem Markt in der größten Kälte hätten mit einander zechen wollen. Wir kriegten bald viel Zuseher, behielten aber keinen beständigen Umstand[318], dieweil die grimmige Kälte einen jeden wieder fortzugehen drang[319]. Das sahe Springinsfeld, sagte derohalben zum Simplicio: »Bruder, wiltu, daß ich dir diese Leute hier still stehend mache?« Simplicius antwortet: »Die Kunst kan ich wol selber, aber wann du wilt, so lasse sehen, was du kanst!« Hierauf wischte Springinsfeld mit seiner Geige herfür und fieng an zu agirn und zugleich darunter zu geigen. Er machte ein Maul von 3, 4, 5, 6, ja 7 Ecken, und indem er giege[320], musicirte er auch mit dem Maul darunter, wie er zuvor im Wirthshause gethan hatte. Da aber die Geige, als welche in der Wärme gestimmt worden, kein gut in der Kälte mehr thun wolte, übte er allerhand Thierer Geschrei, von dem lieblichen Waldgesang der Nachtigallen an bis auf das forchterlich Geheul der Wölfe, beides inclusive, warvon wir dann ehender als in einer halben Viertelstund einen Umstand bekamen von mehr als 600 Menschen, die vor Verwunderung Maul und Augen aufsperrten und der Kälte vergaßen. Simplicius befahl dem Springinsfeld zu schweigen, damit auch er dem Volk sein Meinung vorbringen könte. Als diß geschahe, sagte Simplicius zum Umstand: »Ihr Herren, ich bin kein Schreier, kein Storger, kein Quacksalber, kein Arzt, sonder ein Künstler. Ich kan zwar nit hexen, aber meine Künste seind so wunderbarlich, daß sie von vielen vor Zauberei gehalten werden. Daß aber solches nit wahr sei, sonder alles natürlicher Weis zugehe, ist aus gegenwärtigem Buche zu ersehen, als warinnen sich genugsame glaubwürdige Urkunden und Zeugnussen dessentwegen befinden werden.« Mit dem zog er ein Buch aus dem Sack und blättert darin herum, dem Umstand seine glaubwürdige Schein zu weisen, aber sihe, da erschienen eitel weiße Blätter. »So!« sagt er darüber, »so sehe ich wol, ich stehe da wie Butter an der Sonnen. Ach«, sagte er zum Umstand, »ist kein Gelehrter unter euch, der mir einige Buchstaben hinein blasen könte?« Und demnach zween Stutzer zunächst bei ihm stunden, bat er den einen, er solte ihm nur ein wenig ins Buch blasen, mit Versicherung, daß es ihm weder an seinen Ehren noch an seiner Seligkeit nichts schaden würde. Da derselbe solches gethan, blättert Simplicius im Buch herum. Da erschiene nichts anders als lauter Wehr und Waffen. »Ha«, sagte er, »diesem Cavalier gefallen Degen und Pistolen besser als Bücher und Buchstaben; er wird ehender einen braven Soldaten als ein Doctor abgeben. Aber was soll mir das Gewehr in meinem Buch? Es muß wieder hinaus.« Und mit dem bliese Simplicius selbst an das Buch, gleichsam als wann er dardurch geblasen, und wiese darauf dem Umstand wiederum im Umblättern nur weiße Blätter, warüber sich jedermann verwunderte. Der ander Stutzer, der neben erstgedachtem stunde, begehrte von sich selbst, auch in das Buch zu blasen. Als selbiges geschehen, blättert Simplicius im Buche herum und wiese dem Stutzer und Umstand eitel Cavaliers und Dames. »Sehet«, sagte er, »dieser Cavalier löffelt gern, dann er hat mir lauter junge Gesellen und Jungfern in mein Buch geblasen. Was soll mir aber so viel müßige Bursch? Es seind fressende Pfänder, die mir nichts taugen; sie müssen wieder fort.« Und alsdann bliese er wieder durch das Buch und zeigte allem Umstand im Umblättern eitel Weißes. Diesem nach ließe Simplicius einen ansehenlichen Burger hineinblasen, aus dessen Ansehen ein großes Vermögen zu vermuthen war, hernach umblättert er das Buch und wiese ihm und dem Umstand lauter Thaler und Ducaten, sagende: »Dieser Herr hat entweder viel Geld, oder wird bald viel bekommen, oder wünscht doch aufs wenigst ein ziemliche Summa zu haben. Das, was er herein geblasen, wird mein sein.« Und damit hieße er mich seinen Sack aufhalten, in welchem er wol 300 zinnene Büchsen hatte; dahinein bliese er durchs Buch und sagte: »So muß man diese Kerl aufheben.« Wiese hernach dem Umstand abermal in seinem Buch nur weiß Papier. Ließe darauf einen andern mittelmäßigen Stands hinein blasen, blättert im Buch herummer, und als eitel Würfel und Karten erschienen, sagte er: »Dieser spielt gern, hingegen ich nit, darum müssen mir die Karten wieder weg.« Und als er selbst wieder durch das Buch geblasen, zeigte er abermal dem Umstand nur weiße Blätter. Ein Fatzvogel[321] unterm Umstand sagte, er könte lesen und schreiben, er solte ihn hinein blasen lassen, er wüste, daß alsdann schöne Testimonia erscheinen würden. »O ja«, antwortet Simplicius, »diese Ehr kann euch gleich widerfahren.« Hielte ihm demnach das Buch vor, ließe ihn blasen, so lang er wolte, und als es geschehen, zeigte er ihm und dem Umstand lauter Hasen-, Esels- und Narrenköpf im Umblättern und sagte: »Wann ihr sonst nichts als meine und euere Brüder habt herein blasen wollen, so hättet ihrs auch wol unterweg können lassen.« Das gab ein solches Gelächter, daß mans über das neunte Haus hörete. Simplicius aber sagt, er müste die Unziefer wieder abschaffen, könt deren Stell wol selbst vertreten. Und mit dem bliese er wieder durch das Buch und zeigte dem Umstand wiederum wie zuvor nur weiße Blätter. »Ach«, sagt er, »wie bin ich doch so herzlich froh, daß ich dieser Narren wieder los bin worden!« Es stund einer dort, der allbereit mit Kupfer anfieng zu handlen[322]. Zu selbigem sagte Simplicius: »Mein, blaset doch auch herein, zu sehen was ihr könnet!« Er folgte; und als es geschehen war, wiese er ihm und andern sonst nichts als Trinkgeschirr. »Ha!« sagte Simplicius, »dis ist meines gleichen; der trinkt gern, und ich mache gern Gesegne Gott.« Und damit klopfte er auf die Kandel und sagte ferner zu ihm: »Secht, mein Freund, in dieser Kandel steckt ein Ehrentrunk vor euch, der euch auch bald zu theil werden soll.« Zu mir aber sprach er, ich solte die Gläser nacheinander einschenken, welches ich auch verrichtete. Indessen bliese er wieder durch das Buch, zeigte dem Umstand abermal weiße Blätter und sagte, so viel Trinkgeschirr könte er vor dißmal nit füllen, er hätte selber Gläser genug zu gegenwärtiger seiner einzigen Maß Wein. Endlich ließe er einen jungen Studenten in das Buch blasen, blättert darauf und zeigte dem Umstand lauter Schriften. »Haha«, sagte er, »bistu einmal da? Recht, ihr Herren! Diß sein meine glaubwürdige Zeugnusse, davon ich euch zuvor gesagt. Diese will ich in dem Buch lassen, gegenwärtigen jungen Herrn aber vor einen Gelehrten halten und ihm auch eins bringen, um daß er mir wieder zu meinen trefflichen Urkunden geholfen hat.« Und damit steckte er das Buch in Sack und machte seiner Gaukelei ein Ende. Hingegen ließe er einen aus dem Umstand eine Büchse aus dem Sack langen und sagte: »Ihr Herren habt verstanden, daß ich mich vor keinen Arzt, sonder vor einen Künstler ausgebe. Das sag ich noch, aber gleichwol kan man mich gar wol vor einen Weinarzt halten; dann die Wein haben auch ihre Krankheiten und Mängel, die ich alle curirn kan. Ist ein Wein weich und so zähe, daß man ihn aufhasteln[323] könte, so hilf ich ihm, ehe man zweinzig zählen kan, daß er im Einschenken rauschet und seine Geisterlein über das Glas hinausspringen; ist er rahn[324] und so roth wie ein Fuchs, so bring ich ihm seine natürliche Farb in dreien Tagen wieder; schmeckt er nach einem schimmlichten Faß, so bring ich ihm in wenig Tagen einen solchen Geschmack zuwegen, daß man ihn vor Muscateller trinken wird; ist er so saur, als wann er in Bairn oder in Hessen gewachsen wäre, und darneben wegen seiner Jugend oder anderer Ursachen halber so trüb, daß er die Würmlöcher stopfen und beides vor Speis und Trank, wie an theils Orten das nahrhaftig Bier, gebrauchet werden könte, sehet, ihr Herren, so mache ich ihn alsobalden, daß ihr ihn entweder vor Malvasier oder vor spanischen oder sonst vor den allerbesten oder doch aufs wenigst vor einen guten alten Wein trinken sollet. Und diese Kunst als die allerunglaublichste will ich hie gegenwärtig probirn und euch deren Gewißheit vor Augen stellen.« Demnach thät er einer Erbsen groß aus der Büchsen in ein Glas voll Wein und rührete alles unter einander; davon gosse er in das eine Glas einen Tropfen, in das ander zwei, ins dritte drei und ins vierte vier, davon sich der Wein in den Gläsern alsobalden in unterschiedliche Farben veränderte, je nachdem er wenig oder viel Tropfen in ein jedes gegossen hatte; das fünfte Glas Wein aber, darin er nichts gegossen, verblieb wie es war, nämlich ein neuer trüber roher Wein, wie er allererst dasselbe Jahr gewachsen. Alsdann ließe er die Vornehmste aus dem Umstand diese Wein versuchen, welche sich alle über diese geschwinde Veränderung und unterschiedliche Geschmack und Arten der Wein verwunderten. »Ja, ihr Herren«, fuhr er weiters fort, »nachdem ihr nun die Gewißheit dieser Kunst gesehen, so müst ihr auch wissen, daß einer Erbsen groß dieses Elixirs in eine Maß und ein solche Büchse voll in einen Ohmen zu viel sei, den Wein aufs allerhöchste zu verbessern und ihn dem spanischen Wein oder Malvasier gleich zu machen, derjenige neue Wein, den man verändern will, seie dann gar zu sauer. Wer nun Lust hat, lieber einen delicaten als sauren Wein zu trinken, der mag mir heut von diesem Elixir abkaufen, dann morgen findet er ein Büchsel wol nit mehr feil um 6 Batzen, wie heut, sintemal was mir übrig bleibt, morgen einen halben Gulden gelten muß; zwar nit eben darum, daß ich so gar nöthig Geld brauche, sonder weil ichs mit diesem Elixir mache wie die Sibylla mit ihren Büchern[325]«. Wir hatten damals bei 1000 Personen zum Umstand, mehrentheils erwachsene Mannsbilder, und da es an ein Kaufens gieng, hatte Simplicius beinahe nicht Hände genug, Geld einzunehmen und Büchsen hinzugeben; ich aber verspendirte den vorhandenen Wein vollends, den er mir jeweils mit seiner Mixtur nachtemperirte; und ehe ein halb Stund herum war, hatte er allbereit seine Büchsen versilbert und sein gut baar Geld darvor eingenommen, also daß er die halbe Theil Leut, so deren noch begehrten, muste leer hingehen lassen. Nach diesem Verlauf schaffte er Tischgläser und Kannen wieder an sein Ort, und als er dem Verleiher seinen Willen darvor gemacht[326], giengen wir wieder miteinander in unser Herberg, alwo Simplici Knan die 4 Ochsen allbereit um hundert und dreißig Reichsthaler verkauft hatte und fertig war, Simplicio das Geld darzuzählen. »Sihestu nun«, sagte Simplicius zum Springinsfeld, »womit ich mich ernähre?« »Freilich sihe ichs«, antwortet Springinsfeld; »ich hab vermeinet, ich sei ein Rabbi[327], Geld zu machen, aber jetzt sehe ich wol, daß du mich weit übertriffst; ja ich glaube, der Teufel selbst sei nur vor ein spitzigs Lederlein[328] gegen dir zu rechnen.« FUSSNOTEN: [312] =Losung=, Erlös, Einnahme. [313] =Mein=, ~interj.~: Ich bitte dich, ~quæso~. [314] =keine Stiege= &c., soll wol heißen; wenn ich die Wahl hätte zwischen deiner und ihrer Seligkeit, so würde ich mir keine Mühe geben, keinen Schritt darum thun, denn es ist kein Unterschied dazwischen. [315] =Seufzen=, ~subst. masc.~ Seufzer. [316] =Knan=, Vater. [317] Auf dem Titelkupfer zum »Ewigwährenden Calender« befinden sich Bildnisse der gesammten Simplicianischen Familie. [318] =der Umstand=, die Umstehenden. [319] =dringen=, ~trans.~, wie drängen. [320] =giege=, gieg, starkes ~præt.~ zu geigen, wie =stieg= zu steigen. [321] =Fatzvogel=, wie Spaßvogel. [322] =mit Kupfer handeln=, rothen Ausschlag im Gesicht haben. [323] =aufhasteln=, aufhaspeln, wie die spätern Drucke haben. [324] =rahn=, rahnig, dünn. [325] Es ist die bekannte Geschichte von den Büchern der Cumäischen Sibylle gemeint, die Tarquinius Priscus kaufte. Vgl. Lactant., ~Divin. instit.~ B. ~I~, 6. [326] =seinen Willen darvor gemacht=, gegeben hatte, was er haben wollte. [327] =Rabbi=, Meister. [328] =spitzigs Lederlein=, spitzer Lederschwamm, Spitzmorchel, gebraucht wie Pfifferling. Das achte Capitel. Mit was vor einem Beding Simplicissimus den Springinsfeld die Kunst lernete. »Mein Gott, Springinsfeld«, sagte Simplicius, »wie hast du doch so gar ein ungeschliffen Maul!« »Das ist noch nichts«, antwortet Springinsfeld; »ich sage das Halbe nicht heraus, wie mirs ums Herz ist.« »Wie ist dir dann?« fragte jener. »Mir ist schier«, antwortet Springinsfeld, »wann ichs nur sagen dörfte, du seiest ein halber Hexenmeister, oder habest doch wenigst sonst einen trefflichen Lehrmeister gehabt.« »Und mir«, sagte Simplicius, »ist ganz zu Sinn und glaube es auch festiglich, du seiest ein ganzer Narr und habest dein Handwerk auch ohne einen Lehrmeister gelernet. Mein, was geb ich dir vor Ursachen, so böse Gedanken von mir zu machen?« »Ich«, antwortet Springinsfeld, »habe ja heut deine Verblendungen genugsam gesehen.« Simplicius antwortet hingegen: »Es ist dir allerdings ein Schand, daß du allbereit so alt, so lang in der Welt herum geloffen und gleichwol noch so alber bist, daß du natürliche Kunststück und Wissenschaften, wie du heut an Veränderung des Weins, und schlechte Kinderpossen, davon du heut ein Exempel an meinem Buche gesehen hast, vor Zauberei und Verblendungen hältst.« »Ja«, sagte Springinsfeld, »es ist nit nur das; ich sihe, daß dir das Geld gleichsam zuschneiet, da[329] ich doch mit so großer Müh und Arbeit Pfenning erobern, und wann ich dessen einen Vorrath haben und behalten will, beides an meinem Leib und an meinem Maul ersparen muß.« »Du Phantast!« sprach Simplicius; »vermeinest du dann, diß Geld komme mich ohne Schnaubens und Bartwischens an? Meine beide Alte haben die 4 Ochsen mit Mühe und Kosten erziehen und ausmästen, ich aber auch laboriren müssen, biß ich die ~materiam~ verfertigt, daraus ich heut Geld gelöst.« »Was ists aber mit dem Buch?« fragte Springinsfeld; »ists keine Verblendung? lauft nit das kleine Hexenwerk mit unter?« Simplicius antwortet: »Was ists mit den Taschenspielern und Gauklern? Narren- und Kinderwerk ists, darüber ihr einfältige Tropfen euch nur deshalber verwundert, weil es euer grober Verstand nicht begreifen kan!« Nach langer solcher Wortwechslung schätzte endlich Springinsfeld den Simplicium glückselig, wann er diese Künste natürlicher Weis könte, und bote ihm 20 Reichsthaler an, wann er ihn die Kunst lernete, daß er auch wie er aus einem Buche wahrsagen oder gauklen könte. »Dann«, sagt er, »lieber Bruder, ich muß mich mit Bettlen und meiner Geige ernähren; wie vermeinest du wol, daß es mir so trefflich zustatten kommen würde, wann ich mich irgends bei einer Bauernkürbe oder einer Hochzeit einfinden und meine Zuhörer mit diesem artlichen Stückel belustigen und zur Verwunderung bringen könte? Würde es nicht zehenmal mehr Heller bei mir setzen, als wann ich nur geige und meine alte Possen und Grillen übe?« »Mein Freund«, antwortet Simplicius, »es wäre gut, wann du deine alte Possen und Grillen, wie du es nennest, gar unterwegen ließest; dann sihe, du bist allerdings ein siebenzigjähriger Mann, der auf der Gruben gehet und allerdings kein Stund sicher vorm Tod ist; hingegen hastu, wie ich gesehen, ein fein Stück Geld, darmit du dich, so lang dir Gott das Leben noch gönnen möchte, gar wol ausbringen kanst. Wann ich in deiner Haut steckte, so begäbe ich mich in einen geruhigen Stand, darin ich mein geführtes Leben bedenken, meine begangene Stücklein bereuen, mich zu Gott bekehren und ihme nunmehr allein dienen könte; welches gar füglich irgends in einem Spital, darinnen du dir eine Pfründ kaufen köntest, oder etwan in einem Kloster, da du noch einen Thorhüter abgeben möchtest, beschehen könte. Es ist mehr als genug getobt und Gott versucht, wann wir biß an das Alter der Welt Thorheiten angeklebet und in allerhand Sünden und Lastern gleichsam wie ein Sau im Morast geschwemmt und umgewälzt haben; aber viel ärger und noch eine größere Thorheit ists, wann wir gar bis ans End darin verharren und nicht einmal an unsere Seligkeit oder an unsere Verdammnus, und also auch nicht an unsere Bekehrung gedenken.« »Närrisch thät ich«, antwortet Springinsfeld, »wann ich mein Geld, das ich mit großer Müh und Arbeit zusammen gebracht, in ein Kloster oder Spital steckte, solches zu belohnen damit es mich meiner Freiheit beraubte.« Simplicius hingegen sagte: »Alsdann thustu närrisch, wann du eine vermeinte Freiheit zu genießen gedenkest, indessen aber ein Knecht der Sünd, ein Sclav des Teufels und also, ach leider, auch ein Feind Gottes verbleibest. Ich beharre noch meiner vorigen Meinung, daß dir nämlich beides rathsam und nutzlich wäre, zur Bekehrung zu schreiten, ehe dich der Schlaf der ewigen Nacht und Finsternus überfällt, dann sihe, der Tag hat sich bei dir um mehr als 20 Jahr als bei mir geneiget, und dein spater Abend erinnert dich, ehist schlafen zu gehen.« Springinsfeld antwortet: »Bruder, empfang du zwanzig Thaler von mir vor die begehrte Kunst und lasse die Pfaffenpredigen denen, die ihnen gern zuhören. Hingegen will ich dir versprechen, daß ich mich gleichwol auch auf deine Erinnerung bedenken wolle.« Gleich wie nun in der ganzen Welt sich nichts so eitel und unnütz befindet, das nicht zu etwas Guts könte emploirt und verwendet werden, also gedachte auch Simplicius durch sein Buch, welches er seine Gaukeltasche nennet, den Springinsfeld zu bekehren; derowegen sagte er zu ihm: »Höre, mein Freund, hieltestu in Ernst darvor, es wäre Zauberei oder wenigst eine geringe Verblendung, als du mich die Kunst auf dem Mark mit dem Buch üben sahest?« Springinsfeld antwortet: »Ja, und ich glaubte es auch noch, wann ich dich jetzt nicht so gottselig reden hörete.« »Nun dann«, sagte Simplicius, »dieser Rede und dieses Wahns[330], der dich betrogen, bleib eingedenk biß in dein End, und versprech mir, dich auch desjenigen allweg, so oft du das Buch brauchest, zu erinnern, was ich dir ferner sagen werde! So will ich dich nit allein die vermeinte Kunst umsonst und ohne deine offerirte 20 Reichsthaler lernen, sonder ich will dir noch das Buch darzu schenken, ohne welches du auch die Kunst nit wirst üben können.« Springinsfeld fragte, was dann dasjenige vor Sachen wären, deren er sich jederzeit bei dem Buch erinnern solte. Simplicius antwortet: »Wann du erstlich den Zusehern lauter weiße Blätter zeigest, so erinnere dich, daß dir Gott in der heiligen Tauf das weiße Kleid der Unschuld wiederum geschenkt habe, welches du aber seither mit allerhand Sünden so vielmal besudelt habest; weisest du dann die Kriegswaffen, so erinnere dich, wie ärgerlich und gottlos du dein Leben im Krieg zugebracht habest; kommstu an das Geld, so gedenke, mit was vor Leibs- und Seelengefahr du demselben nachgestellt. Also erinnere dich auch bei den Trinkgeschirren deiner verübten unflätigen Sauferei, bei den Würfeln und Karten, wie manche edle Zeit und Stund du unnützlich damit zugebracht, was vor Betrug darbei vorgelossen, und mit was vor grausamen Gotteslästerung der Allerhöchste dabei geunehret worden; bei den Knaben und Jungfrauen erinnere dich deiner Hurenjägerei, und wann du an die Narrenköpfe komst, so glaube sicherlich, daß diese ohn allen Zweifel Narren sein, die sich durch obenerzählte der Welt Lockungen betrügen und um ihre ewige Seligkeit bringen lassen. Weisestu aber die Schrift auf, so gedenke, daß die heilige Schrift nicht lüge, die da sagt, daß die Geizige, die Neidige, Zornsüchtige, Haderkatzen, Balger und Mörder, die Spieler, die Saufer und die Hurer und Ehebrecher schwerlich das Reich Gottes werden besitzen, und daß dannenhero derjenig einem Narren gleich thue, der sich von solchen Lastern verführen und so schandlich um seine Seligkeit bringen lasse. Gleich wie nun die meiste und zwar die einfältigste von deinen Zusehern vermeinen, sie würden durch dich verblendet, so doch in Wahrheit nit ist, also bedenke du hingegen und führe wol zu Gemüth, daß die allermeiste von den unverständigen Menschen von dem Teufel und der Welt durch obige Laster unvermerkt verblendet und in die ewige Verdammnus gebracht werden.« »Mein Bruder«, sagte hierauf Springinsfeld, »des Dings ist gar zu viel; wer zum S. Peter wolte alles im Kopf behalten!« Simplicius antwortet: »Mein Freund, wann du das nicht kanst, so wirstu auch nit behalten können, wie du recht geschicklich mit dem Buch umgehen sollest.« »Ei«, sagte Springinsfeld, »das will ich schon lernen.« »Und das Buch«, antwortet Simplicius, »wird dich alsdann auch schon selber an dasjenig erinnern, waran du meinet- oder vielmehr deinetwegen gedenken sollest.« »Ich gäbe dir aber«, sagt Springinsfeld, »lieber die 20 Reichsthaler und wäre dieser Obligation ledig.« Simplicius antwortet: »Diß will aber Simplicius nicht thun; nicht allein darum, weil das Buch und die Wissenschaft, solches zu gebrauchen, ohne die begehrte Erinnerung nicht so viel Gelds werth ist, sonder weil sich Simplicius auch ein Gewissen macht, den geringsten Heller von dir zu nehmen, sintemal er nicht weiß, wie du dein Geld gewonnen und erobert hast. Ja ich gebe dir das Buch nicht, du versprechest mir dann, dich allweg dessen zu erinnern, was ich dir gesagt, wann du mir gleich 100 Reichsthaler baar daher zahltest.« Springinsfeld kratzte sich im Kopf und sagte: »Du erweckest bei mir fast ängstige Gedanken; ich sihe, daß du deinen Nutzen und auch meinen Schaden nicht begehrest. ~Ma foi~, Bruder, es steckt etwas darhinter, das ich nicht verstehe. So viel kan ich schließen, weil du mir mit Annehmung des Gelds nit schädlich zu sein begehrest, daß du es treulich mit mir meinen und das Gebot der Erinnerung, welches ich vor eine schwere Bürde gehalten, zu meinem Frommen aufladen werdest. Derowegen verspriche ich hiemit, alles dessen eingedenk zu sein, was du von mir vor solche Kunst haben willst.« Hierauf zog Simplicius das Buch hervor und zeigte dem Springinsfeld alle Vörthel und Griff; und demnach sie mich auch zusehen ließen, faßte ich die Beschaffenheit desselben so genau ins Gedächtnus, daß ich auch stracks eins dergleichen machen könte, wie ich dann etliche Tage hernach thät, um solche Simplicianische Gaukeltasch der ganzen Welt gemein zu machen[331] FUSSNOTEN: [329] =da=, in den Ausgaben steht als Druckfehler »=das=«. [330] =Wahns=, alle Ausgaben haben: »wann«. [331] Vgl. den Anhang. Das neunte Capitel. Tisch- und Nachtgespräch, und warum Springinsfeld kein Weib haben wolte. Indessen dieser Discurs und Handlung zwischen Simplicio und Springinsfelden vergieng, näherte sich die Zeit des Nachtessens. Ich wolte mir besonder anrichten lassen, aber Simplicius sagte, ich müste so wol als Springinsfeld sein Gast sein, jener zwar als ein alter Camerad und jetziger neuangestandener[332] Lehrjung, ich aber um dessentwillen, daß ich ihm heut so ein annehmliche Botschaft gebracht, daß nämlich sein Sohn Simplicius von der leichtfertigen Courage nicht geboren worden seie; zu dem seie auch billich, daß er mich beides um den Schreiberlohn und was ich sonst seinetwegen bei den Zigeunern ausgestanden, befriedige. Da wir nun so mit einander redeten, kam auch der junge Simplicius mit noch einem von seinen Collegen, als welcher damals in dieser Stadt studierte und seines Vattern Ankunft vernommen hatte. Er war auch ein riesemäßiger langer Kerl, allerdings wie sein Vatter, und sahe ihm von Angesicht so ähnlich, daß ein jeder, der es auch nicht gewust hätte, unschwer abnehmen können, daß er sein natürlicher Sohn gewesen, ohnangesehen die elende Courage sich einbildet, sie hätte ihn mit einem fremden Kind so meisterlich betrogen. Also setzten sich zu Tisch der Knan und die Meuder, der alt und junge Simplicius samt seinem Cameraden, dem Studenten, den er mitgebracht, ich, Springinsfeld und Simplicii Baurenknecht. Der Imbs war kurz und gut, weil beide Alte zu Bett eileten, dann sie sagten, ob sie gleich nicht schlafen könten, so thät ihnen doch die Ruhe wol, und dannenhero setzte es auch desto weniger Discursen. Eins gieng vor, woraus ich abnahm, daß Springinsfelds Gedächtnus und Verstand, etwas geschwind zu fassen, nit so gar hölzern war; dann als ermeldter Student verlangte, Simplicii Buch zu sehen, das er ihme von etlichen, die auf dem Mark damit agiren sehen, gar verwunderlich hatte beschreiben lassen, ließe er durch den jungen den alten Simplicium bitten, ob er nicht die Ehr haben könte, solches zu sehen; aber er antwortet, er hätte solches nicht mehr in seiner Possession, doch sagte er zum Springinsfeld, er solte beiden Studenten weisen, was er heut gelernt hätte. Der zog alsbald das Buch herfür und blättert den Studenten die weiße Blätter vor den Augen herum, sagende: »Also glatt und unbeschrieben wie diß weiße Papier seind euere Seelen erschaffen und in diese Welt kommen, und derowegen haben euch euere Eltern hieher gethan (mit solchen Worten wiese er ihnen die Schriften vor), die Schrift zu lernen und zu studieren; aber ihr Kerl pflegt, anstatt löbliche Wissenschaften zu ergreifen, das Geld vergeblich (hie wiese er ihnen die Geldsorten) durchzujagen und zu verschwenden, dasselbe zu versaufen (hie zeigte er die Trinkgeschirr), zu verspielen (und hie die Würfel und Karten), zu verhuren (hie die Dames und Cavaliers) und zu verschlagen (hie das Gewehr). Ich sage euch aber, daß alle diejenige, die solches thun, seien lauter solche Kerl, wie ihr hier vor Augen sehet.« Und damit zeigte er ihnen die Narren-, Hasen- und Eselsköpfe; und damit wischte er wieder mit dem Buch in Schubsack. Dem alten Simplicius gefiel dieses Stuck so wol, daß er zum Springinsfeld sagte, wann er gewust hätte, daß er die Kunst so bald und so wol begreifen würde, so wolte er ihm nicht halber so viel Lehrgeld abgefordert haben. Wir machtens mit dem Nachtessen, wie oben gemeldet, nicht lang; bei welchem ich in acht nahm, wie freundlich Simplicius seine beide Alte und diese hinwiederum ihn und seinen Sohn ehreten und tractirten. Da sahe und verspürte man nichts als Lieb und Treu, und ob zwar ein Theil das ander aufs höchste respecirte, so merkte man doch bei keinem einige Forcht, sonder bei jedem blickte ein aufrichtige Verträulichkeit herfür. Der junge Simplicius wuste sich gegen allen am artlichsten zu schicken, und der Baurenknecht, welches sonst plumpe ~Grobiani~ zu sein pflegen, erzeigte mehr Zucht und Ehrbarkeit, als mancher eines andern Herkommens, der einen eignen Präceptorem gehabt, ~mores~ zu lernen, so daß ich mich verwunderte, wie der ehmal ganz rohe und gottlos gewesene Simplicissimus seine Haushaltung auf einen solchen reputirlichen Fuß setzen und seine so einfältige als grobe Hausgenossen zu solchen löblichen Sitten gewöhnen können. Der Springinsfeld war ganz still, nicht weiß ich, verwundert er sich auch, wie ich, oder spintisiert er über die Geheimnussen, so in der Simplicianischen Gaukeltaschen staken, welche ihm meines Davorhaltens allerhand Nachsinnungen verursachten. Im übrigen ists gewiß, daß selten ein Tisch mit so unterschiedlich bekleidten Leuten besetzt wird, miteinander zu speisen, als wie damals der unserige war. Der Knan sah aus wie ein alter ehrbarer Baurenschultheiß, die Meuder wie seine Frau Schultheißin, der Baurenknecht wie ihr Sohn, der alt Simplicius wie ich ihn bereits oben im zweiten Capitel beschrieben, der jung und dessen Camerad wie zwei Stutzer, Springinsfeld wie ein Bettler, und ich wie ein armer Blackscheißer oder Präceptor in seinem abgeschabenen schwarzen Kleidel zu sehen pflegt. Wir wurden zusammen in eine Kammer logirt, weil es Simplicius also haben wolte und Springinsfeld den Wirth versicherte, daß er keine Läuse hätte. Diese beide lagen jeder allein, gleichwie hingegen der Knan und die Meuder, die beide Studiosi, und ich und der Baurenknecht beisammen schliefen. Dieser hielte mich so hart, daß ich ohnangesehen der großen Kälte dieselbige Nacht meine Nase wenig unter der Decken behalten konte, der alte Simplicius aber erwiese mit Schnarchen, daß er so wol stark schlafen als viel Essen und Trinken verdauen könte. Gleich wie wir nun gar zeitlich zu Bett gangen, also verbliebe uns an der winterlangen Nacht viel übrig, daß wir nicht durchzuschlafen vermöchten. Der Knan und die Meuder erwachten zum ersten, und indem jener kröchzet, diese aber mit ihm pappelt, wurden wir übrige allsammen munter. Da nun Simplicius merkte, daß Springinsfeld wachte, fieng er an mit ihm zu reden, weil er sich der Zeit ihrer alten Cameradschaft, und was sich da und dort zwischen ihnen beiden zugetragen, erinnerte. Dannenhero gab es Ursach zu fragen, wie es ihm seithero ergangen, wo er bißher in der Welt herum gestürzt[333], wo sein Vatterland wäre, ob er daselbsten keine Verwandte oder nicht auch Weib und Kind und etwan irgends eine häusliche Wohnung hätte, warum er so armselig und zerrissen daher ziehe, da er doch ein Stückel Geld beisammen hätte &c. »Ach, Bruder«, antwortet Springinsfeld, »wann ich dir alles erzählen müste, so würde uns der siebenstündige Rest dieser langen Nacht viel zu kurz werden. In meinem Vatterland bin ich zwar kürzlich gewesen; gleich wie ich aber niemal nichts Eigens darin besessen, also gönnete es mir auch vor dißmal kein bleibende Statt, sonder ließe mir die Beschaffenheit meines Zustands rathen, ich solte noch ferner wie der flüchtige Mercurius herum wanderen; wie ich dann auch daselbst keinen Verwandten von siebenzehen Graden, geschweige einige Brüder oder sonst nahe Freund angetroffen. Ja es wolte beinahe niemand meinen Stiefvatter kennen, in dessen Heimat ich gleichwol ihm und seinen Freunden gar genau nachgefragt; wie wolte ich dann etwas von meines rechten Vatters und meiner Mutter Freundschaft[334] haben erfahren können, von welchen ich nicht eigentlich weiß, wo sie gebürtig gewesen? Weilen dann nun hieraus leicht abzunehmen, daß ich kein eigen Haus vermag, also ist auch leicht zu gedenken, daß ich keine Hausfrau noch Kinder hab; und lieber[335], warum solte ich mich mit einer solchen Beschwerung beladen? Daß ich aber meine Batzen zusammen halte, daran thu ich nit unrecht, seitemal ich beides weiß, wie schwerlich sie zu bekommen und wie tröstlich sie einem im verlassenen und mühseligen Alter seien. Und daß ich schließlich so schlecht bekleidet aufziehe, solches geschicht auch nicht ohne sonderbare Ursach, seitemal mein Stamm[336] und Interesse dergleichen Kleidungen und noch wol schlimmere erfordert.« »Ich hätte gleichwol vermeint«, antwortet Simplicius, »wann ich in deiner Haut steckte, es wäre mir rathsamer, wann ich ein Weib hätte, die mir in meinem gebrechlichen Alter vermittelst ehrlicher Lieb und Treu mit Hilf und Rath zu Trost und Statten käme, als dergestalt im Elend herum zu kriechen und mich von aller Welt verlassen zu sehen. Wie vermeinestu wol, daß dirs gehen wird, wann du irgends bettlägerig würdest?« »O Bruder«, sagte Springinsfeld, »dieser Schuch ist an meinen Fuß nicht gerecht; dann hätte ich eine Alte, so müste ich vielleicht mehr an ihr als sie an mir apothekern; wäre sie jung, so wäre ich nur der Deckmantel; wäre sie mittelmäßig, so wäre sie vielleicht bös und zanksüchtig; wär sie reich, so wär ich veracht; wäre sie arm, so könt ich ja wol denken, daß sie nur meine paar Batzen genommen, geschweige daß ein jeder sich einbilden kan, etwas Rechts werde keinen Stelzfuß nehmen.« »Ach«, antwortet Simplicius, »wann du jede Hecken fürchten wilst, so wirstu dein Lebtag in keinen Wald kommen.« »Ja, Bruder«, sagte Springinsfeld, »wann du wüstest, wie übel mirs mit einem Weib gangen, so würdest du dich gar nit verwundern, wann verbrennte Kinder das Feur förchten.« Simplicius fragte: »Vielleicht mit der leichtfertigen Courage?« »Wol nein«, antwortet Springinsfeld; »bei derselbigen hatte ich ein güldene Herrnsach, ohnangesehen sie mir gleichsam offentlich aus dem Geschirr schlug[337]; aber was geheite es mich? Sie war doch nicht meine Ehefrau.« »Ei pfui«, sagte Simplicius, »rede doch nicht so grob und unbescheiden; denke, daß du bei ehrlichen Leuten seiest! Aber höre, wann dich eine etwan betrogen, vermeinestu drum, es sei kein ehrlich Weib mehr, die treulich mit dir hausen werde?« Springinsfeld antwortete: »Das will ich nicht läugnen; gleichwol aber ist gewiß, daß alle Wolthaten, die ein Weib dem Mann zu erzeigen pflegt, theur genug bezahlt werden müssen; ihre allerbeste Arbeiten, die sie verrichten, verkündigen dem Mann eitel Kösten und beschwerliche Ausgaben, dardurch dasjenig, was der Mann mit Mühe und Arbeit erworben, zum öftern unnützlich verschwendet wird. Hab ich ein Weib, so ist nichts Gewissers, als daß mir ein jede von meinen Ducaten hinfort nit mehr als einen Thaler gilt. Spinnet sie mir und ihr ein Stück Tuch an Leib, so muß ich Flachs, Woll und Weberlohn bezahlen. Soll sie mir was kochen, so muß ich Speis, Holz, Salz und Schmalz samt dem Kuchengeschirr herbei schaffen. Wolte sie mir bachen, wer muß anders das Mehl hergeben als eben ich? Also auch, wer zahlt Holz, Seif und Wäscherlohn, wann sie mir und ihr das leinen Geräth säubern läßt? Und wie gehts allererst, wann man mit einem Haufen Kindern beladen wird (welches ich zwar nit erfahren habe, aber auch nicht zu erfahrn begehre), wann nämlich eins krank, das ander gesund, das dritte faul, das vierte muthwillig, das fünfte eselhaftig und das sechste sonst widerspenstig, ungehorsam und nichts nutz ist?« Simplicius antwortet: »Du bist halt ein alter Kracher, der keines rechtschaffenen Weibs werth ist; du würdest sonst von dem heiligen, von Gott selbst eingesetzten und mit vielen Verheißungen gesegneten Ehestand weit anderst reden. Und gleich wie eine fromme, tugendhafte Frau eine Gabe Gottes und eine Kron und Zierd des Manns ist, also verdrüßt dich, daß dich der gütige Himmel mit keiner solchen gewürdigt hat.« »Wahrhaftig, Simplice«, antwortet Springinsfeld, »du kanst bei deinen Biren wol merken, wann andere zeitigen[338].« FUSSNOTEN: [332] =neuangestandener=, neu eingetretener. [333] =stürzen=, störzen, sich als Landfahrer umhertreiben. [334] =Freundschaft=, Verwandtschaft. [335] =lieber=, ~interj.~, ~quæso~. [336] =Stamm=, Abstammung, Stand. [337] =aus dem Geschirr schlagen=, wie: über den Strang schlagen. [338] d. h. an deinen eigenen Erfahrungen abnehmen, wie es andern ergeht. Das zehnte Capitel. Springinsfelds Herkunft, und wie er anfangs in Krieg kommen. »Nun, das sei dann genug von den Weibern geredet«, sagte Simplicius, »seitemal ich sehe, daß ich dich doch nicht anders oder eine zu heurathen persuadirn können; hingegen aber möchte ich wol von dir vernehmen, wo du gebürtig, wie du in Krieg kommen und wie es dir bißhero darinnen ergangen, biß du aus einem so tapfern Soldaten zu einem solchen elenden Stelzer worden seiest.« Springinsfeld antwortet: »So du dich nicht gescheuet hast, deinen eignen Lebenslauf aller Welt durch den offenen Druck vor Augen zu legen, so werde ich mich auch nit schämen, den meinigen hier im Finstern zu erzählen; vornehmlich weil bereits offenbar sein soll, was zwischen mir und der Courage vorgangen, die gleichwol uns beide, wie ich vernehme, mit einander verschwägert. Jetzt höre dann deines Schwagers Ankunft.« »Meine Mutter ist eine Griechin aus Peloponeso von hohem altem Geschlecht und großen Reichthumen, mein rechter Vatter aber ein albanesischer Gaukler und Seiltanzer und darneben von schlechter Ankunft[339] und geringen Mittlen gewesen. Als dieser mit einem zahmen Löwen und einem Dromedari in der Gegend, darin meiner Mutter Eltern gewohnet, herum zohe[340] und beides diese Thier und seine Kunst um Geld sehen ließe, gefiele Besagter meiner Mutter, die damal ein junges Ding von 17 Jahren war, dessen Leibsproportion und Geradigkeit so wol, daß sie sich gleich in ihn vernarrete, also daß sie mit Hülf ihrer Ammen einen Anschlag machte, ihren Eltern ein Stück Geld auszufischen und mit besagtem meinem Vatter wider ihrer Eltern Wissen und Willen darvonzuziehen. Und solches hat ihr auch zu ihrem Unglück geglückt, unangesehen sie einander aufrecht[341] geehlicht. Also wurde meine Mutter aus einer seßhaften vornehmen Damen eine umschweifende Comödiantin, mein Vatter ein halber Junker, und ich selbst die erste und letzte Frucht dieser ersten Ehe, sintemal mein Vatter, da ich kaum geboren worden, von einem Seil herunter stürzet und den Hals zerbrach, durch welchen leidigen Fall meine Mutter also zeitlich zu einer Wittib wurde.« »Zu ihren erzörnten Eltern hatte sie das Herz nit wieder heimzukehren, ohne daß sie sich damaln auch über die hundert Meilen von denselbigen im Dalmatia bei einer Compagnie Comödianten befande; hingegen war sie schön, jung und reich und hatte dannenhero unter meines Vattern hinterlassenen Cameraden viel Werber. Von dem sie sich freien ließe, der war ein geborner Sclavonier und der allerfertigste in derjenigen Profession, die mein Vatter geübt hatte. Dieser zohe mich auf, biß ich das elfte Jahr erreichte, und lehrete mich alle ~principia~ seiner Kunst, als Trompetn, Trommelschlagen, Geigen, Pfeifen, beides auf der Schalmei und Sackpfeifen, aus der Taschen spielen, durch den Reif springen und andere seltzame Aufzüg und närrische Affen-Posturen machen, also daß ein jeder leichtlich sehen konte, daß mir das eine und das ander mehr angeborn als angeflogen oder durch fleißige Instruction angewöhnet worden. Dabei lernete ich lesen und schreiben, griechisch reden von meiner Mutter und sclavonisch von meinem Vatter. So begriffe ich auch mithin in Steyr, Kärnten und andern angrenzenden teutschen Provinzen um etwas die teutsche Sprach und wurde in Summa Summarum in Bälde ein solcher feiner kurzweiliger Gauklerknab, daß mich gedachter mein Vatter bei seinem Handwerk zu missen um keine 1000 Ducaten verkauft hätte, wann gleich alle Tag Jahrmark gewesen wäre.« »In solcher meiner blühenden Jugend vagirten wir mehrentheils in Dalmatia, in Sclavonia, Macedonia, Servia, Wossen[342], Walachei, Siebenbürgen, Reußen, Polen, Littau, Mährn, Böhmen, Ungarn, Steyr und Kärnten herummer; und da wir in diesen Ländern viel Geld aufgehoben[343] hatten und mein Stiefvatter willens war, seines Weibs Eltern auch zu besuchen (als vor denen zu erscheinen er sich nicht scheuete, weil er sich gar einen reichen Kerle zu sein bedunkte und wie ein Graf aufziehen konte), sihe, so nahm er seinen Weg aus Histria[344] in Croatiam und Sclavoniam; von dannen führt ers durch Dalmatia und Albania per Gräciam in Moream zu gehen, alwo dann meiner Mutter Eltern sich befanden.« »Als wir nun durch Dalmatiam passirten, wolte mein Vatter seine Kunst auch in der berühmten Stadt Ragusa sehen lassen, oder vielmehr dieselbige auch um einen guten Zehrpfenning schätzen[345], als welche damal in völligem Flor und Reichthum stunde. Wir kehrten daselbst zu solchem Ende ein, und zwar nicht in der Kirchen, sonder unserer Gewohnheit nach in dem allerbesten Wirthshause; und als wir blößlich[346] eine Nacht ausgeruhet, gieng mein Stiefvatter hin, um Consens anzuhalten, daß er beides seine bei sich habende fremde Thier und seine Kunst um die Gebühr dem Volk möchte weisen. Es wurde erlaubt, und ehe solche Erlaubnus kaum erbeten ward, wurde ich samt meinem Stiefbruder, der mir weder in Dexterität unserer Kunst noch in andern Stücken bei weitem nicht zu vergleichen, mit einem Reif, einer Gaukeltaschen und andern Instrumenten, geschickt, zu sehen, ob ich nicht auf den Schiffen, die damals im Hafen lagen, ein Stuck Geld verdienen könte. Ich gehorsamte gern, der Meinung, dem Schiff- und Wasservolk durch meine krumme und seltzame Luftsprüng Freud und Lust zu machen; aber ach! ich gelangte an ein Ort, das alles meines Jammers, Elends und eignen Unlusts ein Anfang war; dann nachdem etliche Schiffe außer dem Hafen segelfertig auf der Reide[347] lagen, die nur auf guten Wind warteten, etliche neugeworbene Völker, darunter zwo Compagnien albanesische Speerreuter waren, nach Hispanien zu führen, sihe, da geriethen wir unversehens auf dieselbe Schiffe, weil wir durch einen der Ihrigen im Nachen[348] überredet worden waren, es würde daselbst ein trefflich Trinkgeld setzen, maßen uns auch derselbige Nache mit überführte. Wir hatten unsere Exercitia kaum angefangen, als sich aus Mitternacht ein Wind erhub, der bequem war, aus dem Adriatischen Meer in das Sicilianische zu laufen; demselben vertrauten sie die Segel, nachdem die Anker gelupft waren, und lehreten mich und meinen Bruder das Schiffen wider unsern Willen erdulden. Jener thät, als wolte er verzweifeln; ich aber ließe mich noch trösten, nicht allein darum, weil ich von Natur alles gern auf die leichte Achsel nehme, sonder auch, weil mir der eine Rittmeister, der sich ganz in meine Gestuosität[349] verliebt, gleichsam güldene Berge versprach, wann ich bei ihm bleiben und sein Page abgeben würde. Was solte ich thun? Ich konte wol gedenken, daß kein Schiff unserthalben wieder zurück fahren, noch die Raguser zweier entführten Gauklerbuben wegen, wann sie nicht geliefert wurden, diesen Schiffen nachjagen und mit ihnen eine Seeschlacht angehen oder einen Krieg anfahen würden. Derowegen gab ich mich nur desto geduldiger drein, genosse es auch besser als mein Bruder, welcher sich dergestalt kränkte, daß er starb, ehe wir wieder von Sicilia abfuhren, alwo wir noch einige Fußvölker einnahmen.« »Von dannen gelangten wir in das Mailändische, und so fort zu Land durch Saphoiam, Burgund, Lotharingen ins Land von Lützenburg, und also in die Spanische Niederlande, alwo wir neben andern Völkern mehr unter dem berühmten Ambrosio Spinola wider des Königs Feinde agirten. Um dieselbige Zeit befande ich mich noch ziemlich wol content: ich war noch jung, mein Herr liebte mich und ließe mir allen Muthwillen zu; ich wurde weder durch strenges Marschiern noch andere Kriegsarbeiten abgemattet; so wuste ich auch noch nichts vom verdrüßlichen Schmalhansen, als welcher damals bei weitem noch nicht so bekant bei unser Soldatesca war, als er sich nachgehends im teutschen Krieg gemacht hat, in welchem ihn auch Obriste und Generalspersonen haben kennen lernen.« FUSSNOTEN: [339] =Ankunft=, Abkunft. [340] =zohe=, altes ~præt.~ zu ziehen, zog. [341] =aufrecht=, ~adv.~, aufrichtig, ehrlich. [342] =Wossen=, Bosnien. [343] =aufheben=, erheben, einnehmen. [344] =Histria=, Istria. [345] =schätzen=, in Contribution setzen, brandschatzen. [346] =blößlich=, bloß, nur. [347] =Reide=, Rhede. [348] =Nache=, Boot. [349] =Gestuosität=, Beweglichkeit; ~gestuosus~ kommt bei Apul. vor. Das elfte Capitel. Von dreien merkwürdigen Verschwendern wahrhafte Historien. »Es gehet gemeiniglich denen, so in den Krieg kommen, wie denjenigen, so hexen lernen; dann gleichwie dieselbige, so einmal zu solcher unseligen Congregation gelangen, schwerlich oder wol gar nit mehr darvon kommen können, also gehets auch dem mehrentheils[350] von den Soldaten, welche, wann sie gut Sach haben, nicht aus dem Krieg begehren, und wann sie Noth leiden, gemeiniglich nicht draus kommen können. Von denen, welche sich im Krieg wider ihren Willen ferners gedulden müssen, biß sie entweders durch eine Occasion[351] bleiben oder sonst crepirn, verderben und gar Hungers sterben müssen, könte man darvor halten, daß es ihr Fatum oder Verhängnus so mit sich brächte; von denen aber, so reiche Beut machen und gleichwol solche wieder unnützlich verschleudern, kan man gedenken, daß ihnen der gütige Himmel nicht gönne, sich ihr großes Glück zu nutz, sonder vielmehr das Sprichwort wahr zu machen: So gewonnen, So zerronnen. und: Was mit Trommeln erobert wird, gehet mit Pfeifen wieder fort.« »Ich weiß von dreien gemeinen Soldaten auch drei unterschiedliche denkwürdige Exempel, welche solches bestätigen, und derselbigen muß ich hier weitläufiger gedenken. Des ersten, der berühmte Tilly, nachdem er die Stadt Magdenburg ihres jungfräulichen Kränzels, seine Unterhabende[352] aber dieselbe ihrer Zierd und Reichthum beraubt gehabt, erfuhr, daß ein gemeiner Soldat von den Seinigen eine große Beut von Baarschaft, so in lauter Geldsorten bestanden, erobert und alsogleich wieder mit Würfeln verloren hätte. Die Wahrheit zu erfahren, ließe er solchen vor sich kommen, und nachdem er von diesem unglückseligen Spieler selbsten verstanden, daß die gewonnene und wieder verschwendete Summa größer gewesen, als er von andern vernommen (etliche sagten wol von 30000, andere von weit mehrern Ducaten), sagte der Graf zu ihme: Du hättest an diesem Geld die Tag deines Lebens genug haben und wie ein Herr darbei leben können, wann du dirs nur selber hättest gönnen wollen; dieweil du aber dir selbsten nichts nutzen noch zu gut thun wollen, so kan ich nicht sehen, was du meinem Kaiser nutz zu sein begehrest. Und damit erkante dieser General, der sonst den Ruhm eines Soldatenvatters gehabt, daß dieser Kerl als eine unnütze Last der Erden in freien Luft gehenkt werden solte, welches Urtheil auch alsobalden vollzogen worden.« »Des andern, als der schwedische Königsmark die kleine Seit[353] der Stadt Prag überrumpelt und gleichmäßig ein gemeiner Soldat über 20000 Ducaten ~in specie~ darin erwischt, solche aber bald hernach auf einen Sitz wiederum verspielt hatte, wurde solches dem Königsmark gleichfalls zu Ohren getragen, welcher auch diesen Soldaten vor sich kommen ließe, um ihn erstlich zu sehen und ihm alsdann nach Erkundigung der Wahrheit ebenmäßig obenangeregten Tillyschen Proceß machen zu lassen, wie er ihm dann auch auf eben dieselbige Manier zusprach[354]. Als aber dieser Soldat seines Generals Ernst vermerkte, sagte er mit einer unerschrockenen Resolution: Euer Excellenz können mich mit Billichkeit um dieses Verlusts willen nicht aufhängen lassen, weil ich Hoffnung hab, in der Altstadt noch wol eine größere Beute zu erhalten. Diese Antwort, welche vor ein Omen gehalten wurde, erhielte dem guten Gesellen zwar das Leben, aber gleichwol nicht die eingebildte Beut, vielweniger den Schweden die Stadt, welche damals von deren Exercitu hart bedrängt wurde.« »Des dritten, wer bei der kurbairischen Armada unter dem Holtzischen Regiment[355] zu Fuß bekant gewesen ist, der wird ohne Zweifel den sogenannten Obristen Lumpus entweder gesehen oder doch wenigst viel von ihm gehöret haben. Er war bei besagtem Regiment ein Musquetierer, und kurz vorm Friedensschluß trug er eine Pique, wie ich ihn dann in solchem Stand und zwar sehr übel bekleidet, also daß ihm das Hemd hinten und vornen zu den Hosen heraushieng, unter währendem Stillstand der Waffen bei selbigem Regiment selbst gesehen. Diesem geriethe in dem Treffen vor Herbsthausen in einem Fäßlein voller französischen Duplonen ein solche Beut in die Hände, daß er selbige schwerlich ertragen, weniger zählen und noch weniger aus ihrer Zahl die Substanz seines damaligen Reichthums wissen und rechnen konte! Was thät dieser liederliche Lumpus aber, da er den übermäßigen Anfall[356] seines großen Glücks nicht erkante? Er verfügte sich in eine Stadt und Vestung[357] der Baiern, über welche ehemalen der große Gustavus Adolphus die Zähne zusammen gebissen, daß er sie nach so viel erhaltenen herrlichen Siegen ungewonnen muste liegen lassen; daselbst staffirte er sich heraus wie ein Freiherr und lebte täglich wie ein Prinz, der jährlich etliche Millionen zu verzehren hat; er hielte zween Kutscher, zween Laquaien, zween Page, ein Kammerdiener in schöner Liberei, und nachdem er sich auch mit einer Kutschen und sechs schönen Pferden versehen, reiste er auch in die Hauptstadt desselbigen Landes über die Donau hinüber, allwo er in der besten Herberg einkehrte, die Zeit mit Essen, Trinken und täglichem Spatzierenfahren zubrachte und sich selbsten mit einem neuen Namen, nämlich den Obristen Lumpus nennete. Solches herrliche Leben währete ungefähr sechs Wochen, in welcher Zeit sein eigner und rechter Obrister, der General von Holtz[358] auch dorthin kam und eben in derselbigen Herberg einkehrte, weilen er ein sonderbares lustigs Zimmer darin hatte, in welchem er zu seiner Hinkunft zu logieren pflegte. Der Wirth sagte ihm gleich, daß ein fremder Cavalier sein gewöhnlich Logement einhätte, welchem er zu weichen nicht zumuthen dörfte, weil er ein ansehenlich Stuck Geld bei ihm verzehrte. Dieser tapfere General war auch viel zu discret, solches zu gestatten. Demnach ihm aber besser als dem großen Atlante[359] sowol alle Weg und Steg, Wälder und Felder, Berge und Thäler, Päß und Wasserflüsse, als auch alle adeliche Familien des Römischen Reichs bekant waren, als fragte er nur nach dieses Cavaliers Namen. Als er aber verstunde, daß er sich den Obristen Lumpus nennete und sich weder eines alten adelichen Geschlechts noch eines Soldaten von Fortun von solchem Namen zu erinnern wuste, bekam er ein Begierde, mit diesem Herrn zu conversirn und sich mit ihm bekant zu machen. Er fragte den Wirth um seine Qualitäten, und da er verstunde, daß er zwar sehr gesellig, eines lustig Humeurs, gleichsam die Freigebigkeit selber, doch aber von wenig Worten wäre, wurde seine Begierde desto größer. Derowegen verfügte[360] er mit dem Wirth, des Lumpi Consens zu erhalten, daß er denselben Abend mit ihm über einer Tafel speisen möchte.« »Der Herr Obriste Lumpus ließe ihm solches wol gefallen und bei dem Confect in einer Schüssel 500 neue französische Pistolen und eine göldene Ketten von 100 Ducaten auftragen. «Mit diesem Tractament», sagte er zu seinem Obristen, «wollen euer Excellenz verlieb nehmen und meiner dabei im besten gedenken.» Der von Holtz verwundert sich über diß Anerbieten und antwortet, daß er nicht wisse, womit er ein solch Präsent um den Herrn Obristen verdienet oder ins künftig würde verdienen können, derowegen wolte ihm nicht gebühren, solches anzunehmen. Aber Lumpus bat hingegen, er wolte ihn nicht verschmähen; er hoffte, es würde sich die Zeit bald ereignen, in deren ihr Excellenz selbst erkennen würden, daß er diese Verehrung zu thun obligirt sei, und alsdann verhoffe er hinwiederum von seiner Excellenz eine Gnad zu erhalten, die zwar keinen Pfenning kosten würde, daraus er aber erkennen könte, daß er diese Schankung nit übel angelegt. Gleichwie nun dergleichen göldene Streich viel seltener ausgeschlagen als jemanden versetzt werden, also wehrete sich auch der von Holtz nicht länger, sonder acceptirte beides Ketten und Geld, weil es Lumpus überein[361] so haben wolte, mit courtoisen[362] Promessen, solches auf begebende Fäll zu remeritirn.« »Nach seiner Abreis verschwendete Lumpes immerfort; er passirte nie bei keiner Wacht verüber, da er nicht der Soldatesca, die ihm zu Ehrn ins Gewehr stunde, ein Dutzet oder wenigst ein halb Dutzet Thaler zuwarf, und also machte ers überall, wo er Gelegenheit hatte, sich als ein reicher Herr zu erzeigen. Alle Tag hatte er Gäst und zahlte auch alle Tag den Wirth aus[363], ohne daß er ihm jemals den geringsten Heller abgebrochen oder über eine allzu theure Rechnung sich beschwert hätte. Gleichwie aber ein Brunnen bald zu erschöpfen, also wurde er auch mit seiner Baarschaft bald fertig, und zwar, wie ich schon erwähnet, in sechs Wochen. Darauf versilbert er Kutschen und Pferd; das gieng auch bald hindurch. Endlich musten seine stattliche Kleider samt dem weißen Zeug daran; das jagte er alles durch die Gurgel. Und da seine Diener sahen, daß er auf der Neige war, nahmen sie nacheinander ihren Abschied, welche er auch gern passirn ließe. Zuletzt, da er nichts mehr hatte, als wie er gieng und stunde, nämlich in einem schlechten Kleid, ohne einigen Heller oder Pfenning, schenkte ihm der Wirth 50 Reichsthaler, weil er so viel Geld bei ihm verzehret hatte, auf den Weg; er aber wiche nicht, biß solche auch allerdings wiederum verzehret waren. Der Wirth, entweder daß er sich bei ihm wol begraset, oder ihn übernommen und sich deswegen ein Gewissen macht, oder anderer Ursachen halber, gab ihm wieder 25 Reichsthaler, mit Bitt, sich damit seines Wegs zu machen; aber er gieng nicht, biß er selbe auch verzehrt hatte. Und als er nun fertig war, schenkte ihm der Wirth wiederum 10 Reichsthaler zum Zehrpfennig auf den Weg; er aber antwortet, weil es Zehrgeld sein solte, so wolte ers lieber bei ihm als einem andern verzehren, hörete auch nit auf, biß solche wiederum biß auf den letzten Heller hindurch waren, warüber sich der Wirth mit wunderlichen Gedanken ängstigte und ihm gleichwol noch 5 Reichsthaler gab, sich damit fort zu machen. Und den er zuvor ihr Gnaden genennet und anfänglich unterthänlich willkommen sein heißen, den muste er damal dutzen, wolte er anders seiner los werden; dann als er sahe, daß er auch diese letztere 5 Reichsthaler verzehren wolte, verbote er seinem Gesinde, daß sie ihm weder eins nochs ander darvor geben solten. Da er nun solcher Gestalt gezwungen, dasselbe Wirthshaus zu quittirn, sihe, da gieng er in ein anders und verlöschte in demselbigen das noch übrige kleine Fünklein seines großen Schatzes vollends mit Bier. Folgends kam er wiederum bei Heilbrunn zu seinem Regiment, allwo er alsobalden in die Eisen geschlossen und ihm vom Henken gesagt worden, weil er bei acht Wochen lang ohne Erlaubnus vom Regiment verblieben war. Wolte nun der gute Obriste Lumpes seiner Band und Eisen wie auch der Gefahr des Stricks entübrigt sein, so muste er sich wol seinem Obristen, den er deswegen stattlich verehret, offenbaren, welcher ihn auch alsobalden von beiden befreien ließe, doch mit einem großen Verweis, daß er so viel Gelds so unnützlich verschwendet, worauf er anders nichts antwortet, als daß er zu seiner Enschuldigung sagte, er hätt alle sein Tag nichts mehrers gewünscht, als zu wissen, wie einem großen Herrn zu Muth wäre, der alles genug hätte; und solches hätte er auf solche Weis durch seine Beut erfahren müssen.« FUSSNOTEN: [350] =mehrentheils=, ~adv.~, wie »theils« von Grimmelshausen öfter als Substantiv gebraucht. [351] =Occasion=, Treffen, Gefecht. [352] =Unterhabende=, Untergebene. [353] =die kleine Seit=, die Kleinseite, ein Stadtviertel von Prag. [354] =zusprechen=, zuerkennen. [355] =dem Holtzischen Regiment=, vgl. S. 178, Anm. 1. [356] =Anfall=, das Zufallen. [357] =eine Stadt und Vestung=: Ingolstadt, auf welches der König von Schweden im April 1632 einen vergeblichen Angriff machte; dabei fiel Markgraf Christoph von Baden. [358] =Georg Friedrich von Holtz=, ein »Soldat von Fortun«, stieg bis zum Feldmarschall-Lieutenant im Dienst des Kurfürsten von Baiern; starb 1666. [359] =dem großen Atlante.= Es ist hier nicht der mythische Atlas, sondern eine der mit diesem Namen damals schon benannten Kartensammlungen gemeint. Vgl. unten S. 208. [360] =verfügen=, ausmachen, verabreden. [361] =überein=, durchaus. [362] =courtois=, höflich. [363] =auszahlen=, voll bezahlen. Das zwölfte Capitel. Springinsfeld wird ein Trommelschlager, darnach ein Musquetierer; item wie ihn ein Baur zaubern lernet. Als Springinsfeld Obiges von diesen dreien namhaften Verschwendern erzählt hatte und nun ein wenig pausirte, sagte Simplicissimus: »Dieser letzte thät zwar thörlich genug, aber gleichwol weislicher als die zween erstern, und ich kan mir keine größere Thorheit unter den Menschen einbilden, als derjenige eine begehet, der viel Gelds hat und mit einem anfahet zu spielen, der wenig vermag. Aber mit dieser Erzählung bistu aus dem Gleis deines eignen Lebenslaufs gefahren, welchen ich so herzlich zu vernehmen verlange. Wir verblieben bei den Spanischen in Niederland. Wie gieng dirs daselbst weiters?« Springinsfeld antwortet: »Ich kan nit anders sagen, als wol; dann wann ich denselben Krieg gegen dem letzteren vergleichen soll, so war jener gülden und dieser eisern. In jenem wurden die Soldaten ausbezahlt und gebraucht, doch aber ihr Leben nicht leichtlich hazardirt; in diesem aber wurden sie ohnbezahlt gelassen, die Länder ruinirt und beides Bauern und Soldaten durch Schwert und Hunger aufgeopfert, also daß man auf die Letzte schier nicht mehr kriegen konte.« Simplicius fiele ihm in die Rede und sagte: »Entweder redestu im Schlaf, oder wilst wieder aus dem Weg treten. Du wilst den Krieg unterscheiden und vergißt abermal deiner eignen Person; sage darvor, wie es dir selbst gangen.« »Ich muß ja wol«, antwort Springinsfeld, »ein wenig Umstände machen, wann ich der vorigen guten Täge gedenke und mich zugleich des nachfolgenden Ellends erinnere; aber die Folge meiner Histori ist diese. Ich kam mit den Spanischen in die untere Pfalz, als Ambrosius Spinola dasselbe glückselige Land gleichwie mit einer Sündflut überfiele und in kurzer Zeit wunderviel Städte unter seinen Gewalt brachte. Da machte ichs mit unordenlichem Leben so grob, daß ich darüber erkrankte und zu Worms (allwohin sich Don Gonsales de Cordua retirirt, nachdem er die Frankenthalische[364] Belägerung wegen Ankunft des Mansfelders, welchen Tilly zu Mannheim über den Rhein gejagt, aufheben müssen) krank zuruck geblieben, alwo ich den ersten Tuck empfand, den mir das Glück im Krieg erwiesen; dann ich muste mich mit Bettlen behelfen und viel schmähliche Reden hören, weil ich nichts zu verzehren hatte. Sobald ich aber wieder ein wenig erstarkte, ließe ich mich durch zween andere Kerl überreden, daß ich mit ihnen gegen[365] der Tillyschen Armee gieng, welche wir durch Abweg erreichten, eben als sie auf Wiseloch zugleich dem Mansfelder und ihrem Unglück entgegen marschierte.« »Ich war damals ein aufgeschossen Bürschlin von 17 Jahren, und gleichwol wurde ich noch nicht vor capabel gehalten, mich unter die ~Tirones~[366] aufzunehmen; aber zu einem Tambour hätte man keinen ärgern Ausbund kriegen können, maßen ich auch vor einen solchen aufgenommen und, so lang ich mich darzu gebrauchen ließe, auch darvor gehalten wurde. Wir bekamen damal zwar ein wenig Stöße, es war aber nichts gegen denen zu rechnen, die wir hernach vor Wimpfen wieder austheileten. Hier kam unser Regiment nicht einmal zum Treffen, weil es sich in dem Nachzug befande; dort aber erwies es seinen Valor desto tapferer. Ich selbst thät damals etwas Ohngewöhnlichs: ich henkte meine Trommel auf den Buckel und nahm hingegen eines Todtbliebenen Musquet und Bandelier und gebrauchte mich damit im allervördersten Glied dermaßen, daß es mein Hauptmann nicht allein geschehen, sonder ihm auch mein Obrister selbst gefallen lassen muste. Und damit erlangte ich dasselbig mal nicht allein Beuten, sonder auch ein ziemlich Ansehen, daß ich meine Trommel gar ablegen und fürderhin eine Musquete tragen dörfte.« »Unter diesem Regiment half ich den Braunschweiger bei dem Main schlagen, item bei Stattlo[367], und kam auch endlich mit demselbigen in Dänemärkischen Krieg in Holstein, ohne daß ich noch ein einzig Härlein Bart oder eine empfangene Wunden aufzuweisen gehabt hätte. Und nachdem ich bei Lutter den König selbst besiegen helfen, wurde ich kurz hernach in eben solcher Jugend gebraucht, Steinbruck, Verden, Langwedel, Rothenburg, Ottersberg und andere Ort mehr einnehmen zu helfen, und endlich um meines Wolverhaltens, auch meiner Officier Gunst willen ein lange Zeit an ein fettes Ort auf Salva Guardi[368] gelegt, allwo ich beides meinen Leib erquickte und meinen Beutel spickte. So kriegte ich auch unter diesem Regiment drei seltzame Nachnamen. In der Erste nante man mich den General Farzer, weil ich, da ich noch ein Trommelschlager war, auf einer Bank liegend den Zapfenstreich ein ganze Stund lang, auch wol länger, mit dem Hintern verrichten oder hören lassen konte. Zum andern wurde ich der hürnen Seifrid[369] genant, weil ich mich einsmals allein mit einem breiten Banddegen[370], den ich in beiden Händen führte, dreier Kerl erwehrete und sie übel zu schanden hauete. Den dritten brachte mir ein Diebsbaur auf, als welcher verursachte, daß man der ersten beiden Namen vergaß und mich wegen eines lächerlichen Possens, den ich mit ihm anstellete, forthin den Teufelsbanner nennete. Das fügte sich also. Demnach ich einsmals etliche Roßhändler mit friesländischen Pferden aus unserm Quartier in ein anders convoirte und selbigen Tag nicht wieder heim kommen konte, übernachtet ich bei gedachtem Bauren, der auch ein paar Kerl von unserm Regiment bei sich im Quartier liegen und eben denselbigen Tag ein paar feister Schwein gemetzget hatte. Er war nit wol mit übrigem[371] Bettwerk versehen und hatte auch keine warme Stub, wie dann selbiger Orten der gemeine Brauch auf dem Land ist, und derowegen logirte ich im Heu, nachdem er mich zuvor mit allerhand Sorten guter neugebachener Würste abgespeiset hatte. Dieselbe schmeckten mir so wol, daß ich nicht darvor schlafen konte, sonder lag und spintisirte, wie ich auch der Schweine selbst theilhaftig werden möchte. Und weil ich wol wuste, wo sie hiengen, nahm ich die Mühe, stunde auf und trug ein halb Schwein nach dem andern in einen Nebenbau und verbarg sie daselbst unter das Stroh, der Meinung, solche die künftige Nacht mit Hülf meiner Cameraden zu holen. Des Morgens aber, als es tagen wolte, nahm ich beides von dem Bauren und seinen Söhnen, das ist den Soldaten, die bei ihm lagen, einen freundlichen Abschied und gieng meines Wegs; aber der Baur war so bald in meinem Quartier als ich selbsten, und klagte mir, daß ihm die verwichne Nacht zwei Schwein gestohlen worden wären. Was, sagte ich, du schlimmer Vogel, wilstu mich mit Diebsaugen ansehen? Ich machte auch so gräßliche Mienen, daß dem Tropfen angst und bang bei mir wurde, sonderlich als ich ihn fragte, ob er Stöße von mir haben wolte. Weil er ihm nun leicht die Rechnung machen konte, wo es hinaus laufen würde, wann er mich desjenigen, so ich verrichtet, bezüchtigte, das zwar auch sonst niemand als eben ich gethan haben, er aber gleichwol nicht auf mich erweisen könte, da kam der schlaue Vocativus auf ein andern Schlag und sagte: «Min Heer, ik vertruwe ju nichtes Böse, maer iken hebbe mi segen laten, dat welche[372] Kriegers wat Künste konden maken, derliken Saken weder bitobrengen; wann gi dat künnt, ik sal ju twen Richsdaler gewen.»« »Ich überschlug die Sach, weil wir gleich wol als in unsern Quartiern Ordre halten musten, und ersanne bald, wie ihm zu thun wäre, damit ich die zween Thaler mit Manier bekommen möchte, sagte derohalben zum Bauern: «Mein Vatter, das wäre ein anders. Er bitte meinen Officier, daß er mir erlaube, mit ihm heim zu gehen, so will ich sehen, was ich kan ausrichten.»« »Dessen war er zufrieden und gieng alsobalden mit mir zu meinem Corporal, der mir um soviel desto ehender erlaubte, mitzugehen, weil er mir an dem Winken meiner Augen ansahe, daß ich den Bauren betriegen wolte; dann wir hatten in den Quartiern sonst nichts zu thun, als zu kurzweilen, seitemal wir den König von Dänemark aus dem Feld gejagt und alle Belägerung geendigt hatten, maßen wir damals der Cimbrier ganzen Chersonesum[373], alles was zwischen dem Baltischen Meer und großen Oceano, zwischen Norwegen, der Elb und Weser lag, geruhiglich beherrschten.« »Zu unserer Hinkunft ins Baurenhaus fanden wir den Tisch schon gedeckt und mit einem Potthast[374], einem Stück kalten Rindfleisch aus dem Salz, mit trögen[375] Schunken, Knackwürsten und dergleichen Dings wie auch mit einem guten Trunk Hamburger Bier geziert. Mir aber beliebte, zuvor die Kunst zu brauchen und alsdann erst zu schlampampen. Zu solchem Ende machte ich mit meinem bloßen Degen enmits over Deelen[376] zween Ring in einander und zwischen dieselbige etliche Pentalpes[377] und ander närrisch Gribes-Grabes, wie mirs einfiele, und als ich fertig damit war, sagte ich zum Umstand, wer sich förchte oder zum erschröcken geneigt sei und derohalben den leibhaftigen Teufel und sein Mutter selbst in grausamer Gestalt nicht anzusehen getraue, der möge wol abtreten. Darauf gieng alles von mir weg, biß auf einen Böhmen, der auch bei dem Bauren in Quartier lag, welcher bei mir verblieb, mehr weil er auch gern zaubern gelernet, wann er nur einen Lehrmeister gehabt, als daß er vor anderen beherzter gewesen wäre. Wir wurden beide verschlossen und verriegelt, damit ja niemand das Werk verhinderte, und nachdem ich dem Böhmen bei Leib- und Lebensgefahr still zu schweigen auferlegt, trate ich mit ihm in den Ring, wie er eben anfieng wie ein Espenlaub zu zittern. Weil ich dann nun einen Zuseher hatte, so muste ich der Sach auch ein Ansehen machen und eine Beschwerung brauchen, so in einer fremden Sprach geschehen muste. Derowegen thät ich solche auf Sclavonisch und sagte mit verkehrten Augen und seltzamen Geberden: «Hier stehe ich zwischen den Zeichen, welche die Einfältige bethören und Narren den Kolben lausen. Derohalben, so sag du mir, du General Farzer, wohin der Hürnen Seifrid die vier Schwein versteckt, welche er verwichne Nacht diesem närrischen Bauren gestohlen, um solche künftige Nacht mit seinen guten Brüdern vollends abzuholen.« »Und nachdem ich solche Beschwerung ein paar mal wiederholet, machte ich so seltzame Gauklersprüng in meinem Ring und ließe so vielerlei Thierer Stimme mithin hören, daß der Böhm, wie er mir hernach selbst bekant, vor Angst in die Hosen gethan hätte, wann er meine schnackische Beschwerung nicht verstanden. Wie ich nun des Dings bald müd wurde, antwortet ich mir selber mit einer hohlen dümpern[378] Stimme, gleichsam als wann sie von fernen gehöret würde: Die vier halbe Schwein liegen im Nebenbau auf dem Stall unterm Stroh verborgen.« »Und damit hatte das ganze Werk meiner Zauberei ein Ende. Der Böhm aber konte das Lachen kaum verhalten, biß wir aus dem Ring kamen.« »«O Bruder», sagte er auf Böhmisch zu mir, «du bist wol ein Schalk, die Leute zu äffen.» Ich aber antwortet ihm in gleicher Sprach: «Und du bist wol ein Schelm, wann du die Geheimnus dieses Stücks nicht verschweigest, biß wir aus diesen Quartieren kommen; dann solcher Gestalt muß man den Bauren kratzen, wo sie es bedörfen.»« »Er versprach, reinen Mund zu halten, und hielte es nicht nur schlecht hinweg, sonder log noch einen solchen Haufen Dings darzu, was er nämlich in währender Action vor Spectra gesehen, daß die, so mich vorm Hause nur gehöret hatten, alles glaubten und mit ihrer Autorität so viel bezeugten, daß man mich vor ein Schwarzkünstler hielte, und mich beides Baurn und Soldaten den Teufelsbanner nenneten. Ich bekam auch bald mehr Kundenarbeit und glaube, wann ich noch länger bei demselbigen Regiment verblieben wäre, es hätten mir etliche auch zugemuthet, ich solte Reuter in Feld und hingegen ganze Parteien und Esquadronen unsichtbar machen[379]. Der Baur, nachdem er sein schweinen Fleisch wieder hatte, gab mir die zween Reichsthaler mit großem Dank und samt seinen Soldaten den ganzen Tag Fressen und Saufen vollauf.« FUSSNOTEN: [364] =Frankenthal=, Bezirksstadt in Baiern, Pfalz, an der Esenach, mit einem Kanal zum Rhein. =Don Gonsales von Cordua= wurde vom Mansfelder gezwungen, die Belagerung aufzuheben. [365] =gegen=, entgegen. [366] =~Tirones~=, Rekruten. [367] =Stattlo=, Stadtlohe, Stadt Loën, Preußen, Regierungsbezirk Münster. [368] =Salva Guardi=, ~sauvegarde~, Schutzwache. [369] =hürnen Seifrid=, nach dem bekannten Volksbuche. [370] =Banddegen=, seiner Breite wegen so genannt, vgl. Bandeisen. [371] =übrig=, überflüssig, reichlich. [372] =welche=, einige, manche. [373] =der Cimbrier Chersonesus=, Jütland und Schleswig-Holstein. [374] =Potthast=, im nördlichen Deutschland noch jetzt gebräuchlich, sauer eingemachte Stücke Schweinefleisch. [375] =tröge=, trocken, gedörrt, geräuchert. [376] =enmits over Deelen=, mitten über die Dielen. [377] =Pentalpes= oder =Pentaples=, vielleicht für Pentagramm, Drudenfuß. [378] =dump=, =dümper=, dumpf. [379] Davon ist auch im zweiten Theil des »Vogelnestes« die Rede. Vgl. über diesen Aberglauben das in der Einleitung Gesagte. Das dreizehnte Capitel. Durch was vor Glücksfäll Springinsfeld wieder ein Musquetierer unter den Schweden, hernach ein Piquenierer unter den Kaiserlichen und endlich ein Freireuter worden. Die alte Meuder, welche so wol als der Knan dieser Erzählung zuhörete, ließe sich hier hören und sagte: »O du alter Scheißer, wie bistu gewißlich so ein arger Baurenschinder, so ein schlauer Hühnerfänger gewesen!« »Was, Mutter«, antwortet Springinsfeld, »Hühnerfänger? Wollet ihr euch dann einbilden, ich seie mit solchen Kinderpossen, mit solchem Bubenspiel umgangen? Es musten vierfüßige Thierer sein und darzu keine kranke, wann ich sie würdigen solte, selbige mir zuzuschreiben. Und zwar so waren alte Kühe die allerschlechtiste Waar, deren ich mich annahm zu Beuten, und gleichwol hab ich ihrer hin und wieder so viel rauben und stehlen helfen, daß, wann eine nach der andern und also sie allesamen mit den Schwänzen an die Hörner zusammen gebunden wären, sie gewißlich von hier biß auf euren Baurenhof reichen würden, ohnangesehen er, wie ich höre, bei vier Schweizer Meilen von hier entlegen sein soll. Was vermeint ihr dann wol, was ich vor Pferd, Ochsen, Mastschwein und fette Hämmel gestohlen? Bedäucht euch auch wol, daß ich vor dem großen Viehe hab Zeit gehabt, an das kleiner, als Hühner, Gäns und Enten, zu gedenken?« »Ja, ja«, sagte die Meuder, »drum hat dir der liebe Gott auch das Handwerk niedergelegt und dich eines Fußes beraubt, damit du hinfort des Kriegs müßig stehen, die ehrliche Bauren ungeplagt lassen und dich, deine alte Diebsgriff zu büßen, mit Bettlen ernähren müssest.« Springinsfeld lachte hierüber einen großen Schallen[380] und sagte: »Schweigt nur still, liebe Mutter; euer Simplicius hats kein Haar besser gemacht und gleichwol noch seine beide Füße übrig, woraus ihr genugsam abnehmen könnet, daß ich mich nit an den Bauren versündigt und ihrentwegen meinen Fuß verloren. Die Soldaten seind darum erschaffen, daß sie die Bauren trillen sollen, und welchers nicht thut, der thut auch seinem Beruf nicht genug.« Die Meuder antwortet: »Der Teufel in der Höllen würde ihnen den Lohn schon darum geben, dann wann der gütige Vatter das Kind genugsam gezüchtigt hätte, so pflege er alsdann die Ruthe ins Feuer zu werfen.« »Nein, Mutter, ihr werdet euch irren«, sagte Springinsfeld, »nach dem alten Sprichwort oder Reimen der ehrlichen Soldaten, welcher also lautet: So bald ein Soldat wird geboren, Sein ihm drei Bauren auserkoren: Der erste, der ihn ernährt, Der ander, der ihm ein schönes Weib beschert, Und der dritt, der vor ihn zu Höllen fährt. »Und das zwar nicht unbillich, dann es habens in verwichenen Kriegstroublen etliche Bauren viel ärger gemacht als die fromme Soldaten selbsten, indem sie nit nur die Krieger, beides schuldige und unschuldige, wo sie ihrer mächtig worden, ermordet, sonder auch ihre eigne Nachbarn, ja sogar ihre Vettern und Gevattern bestohlen, wo sie nur zukommen können.« Simplicius sagte: »Was darfs viel Disputirens? Es war halt Gaul als Gurr, vier Hosen eins Tuchs. Die Bauren wurden von den Soldaten Schelmen und hingegen diese von jenen Diebe genant, so daß diesen Reden nach kein ehrlicher oder redlicher Mann im Land sich mehr befand; und dannenhero war nöthig, daß der edel Friedensschluß alles Beschehene aufhube, verbesserte und einen jeden wieder redlich machte. Erzähle du vor dißmal darvor, wie dirs hernach weiter ergieng, und vornehmlich, wo du den heroischen Namen Springinsfeld aufgetrieben habest.« »Den hat mir«, antwortet Springinsfeld, »die Courage, das Rabenaas, aufgesattelt, von welcher Hex ich wenig reden wolte, wann es nicht die Folge meiner Histori erfordert. Zu dieser Vettel kam ich, nachdem ich mich ihrentwegen bei obengedachten Regiment mit einem Stück Geld ledig gemacht hatte. Ich kan aber nicht sagen, ob ich ihr Mann oder ihr Knecht gewesen sei; ich schätze, ich war beides und noch ihr Narr darzu, und eben deswegen wolte ich lieber die Geschichten, so sich zwischen mir und ihr verloffen, verschwiegen als offenbar wissen. Hat sie aber ihr Schreiberknecht auch in ihrem ehrbaren Lebenslauf entdeckt, so mag sie dort lesen wer will; ich mag einmal mein eigne Guckgaucherei[381] nit selbst ausblasen, sonder es ist mir genug, wann ich glauben muß, sie werde meiner so wenig als deiner verschonet haben. Diß ist gewiß, mein Simplice, daß ihre damalige liebreizende Schönheit von solchen Kräften war, daß sie noch wol andere Kerl, als ich gewesen, an sich zu ziehen vermochte. Ja sie hätte auch meritirt, von den allervornehmsten und ehrlichsten Cavalieren bedient zu werden, wann sie nicht so gottlos und verrucht gewesen wäre; aber sie war in den Begierden nach Geld so ersoffen, in allerlei Schelmstücken und Diebsgriffen, solches zu erobern, so abgeführt[382] und fertig, und in Vergnügung ihrer brünstigen Geilheit so gar ~insationabilis~[383], daß ich gänzlich darvor halte, es hätte niemand keine Sünde daran gethan, wann er ihr zu Ersparung Holzes einen halben Mühlstein an Hals gehenkt und sie ohne Urtheil und Recht in ein Wasser geworfen hätte. Diese Unholde[384], als sie meiner müd worden, brachte beides durch Schmiralia und ohn Zweifel auch durch ihre tapfere Faust, darauf sie saß, zuwegen, daß ich sie wider meines Herzen Willen quittirn muste. Sie gab mir zwar ein Stuck Geld, Pferd, Kleider und Gewehr mit, hingegen aber auch den Teufel im Glas, wessentwegen ich große Angst ausstunde, biß ich seiner wieder ohne Schaden los wurde.« »Nachdem ich nun diese Bestia solcher Gestalt verlassen und unter dem Generalwachtmeister von Altringen erstlich ins Würtenbergische, folgends in Thüringen und endlich in Hessen kommen, haben wir sich daselbst mit andern Völkern mehr conjungirt und doch sonst nichts ausgericht, als daß wir wiederum wie der Schnee vergiengen. Ich selbst wurde auf einer Partei wider[385] die Schwedische gefangen, unter denen ich auch ein Musquetierer werden muste, biß mich die Kaiserlichen ohnweit Bacherach wieder erwischten, nachdem ich zuvor dem Schweden Würzburg, Werthheim, Aschaffenburg, Mainz, Worms, Manheim und andere Ort mehr einnehmen helfen. Da wurde ich in Westphalen geschickt, dem Kurfürsten von Cöln selbige Bisthumer unter dem berühmten Pappenheimer vor den Hessen beschützen zu helfen. Ich muste eine Pique tragen, welches mir so widerwärtig war, daß ich mich ehe hätt aufhenken lassen, als mit solchen Waffen lang zu kriegen. Es war mir gar nicht wie jenem Schwaben, der ein halb Dutzet solcher Stänglein auf sich nehmen wolte, dann ich hatte 18 Schuh lang zu viel an einer, derowegen trachtete ich auch alle Stund darnach, wie ich ihrer wieder mit Ehren los werden möchte. Ein Musquetierer ist zwar ein wolgeplagte arme Creatur, aber wann ich ihn gegen einen ellenden Piquenierer schätze, so besitzt er noch gegen ihm eine herrliche Glückseligkeit. Es ist verdrießlich, zu gedenken, geschweige zu erzählen, was die gute Tropfen vor Ungemach ausstehen müssen, und es kans auch keiner glauben, ders nicht selber erfährt. Und dannenhero glaube ich, daß derjenige, der einen Piquenierer niedermacht, den er sonst verschonen könte, einen Unschuldigen ermordet und solchen Todtschlag nimmermehr verantworten kan; dann ob diese arme Schiebochsen (mit diesem spöttischen Namen werden sie genennet) gleich creirt[386] sein, ihre Brigaden vor dem Einhauen der Reuter im freien Feld zu beschützen, so thun sie doch vor sich selbst niemand kein Leid, und geschicht dem allererst recht, der einem oder dem andern in seinen langen Spieß rennet. In Summa, ich habe mein Tage viel scharfe Occasionen gesehen, aber selten wahrgenommen, daß ein Piquenierer jemand umgebracht hätte.« »Wir lagen an der Weser dort um Hameln, als ich meinen Cameraden überredet, daß er mir sein Musquete auf die Mauserei verliehe und so lang mein Pique trug, biß ich wieder käme und eine Beut mitbrächte. Es glückte mir, dann unserer drei, darunter ein Landskind war, der alle Weg und Winkel wol wuste, erkundigten einen Güterwagen, so von Bremen nach Cassel zu gehen willens und nur einen einzigen hessischen Musquetierer zur Convoi bei sich hatte; demselben giengen wir zu Gefallen allerdings biß an Harzwald, und da er an den Ort kam, wohin wir ihn gewünscht, schossen wir gleich im Angriff den Musquetierer, den Fuhrmann und den Knecht nieder, weil jeder seinen Mann gewiß vor sich genommen, spannten hernach 6 schöner Pferde aus und öffneten in der Eil von Ballen und Fassen, was wir konten, worinnen es viel Seidenwaar und englisch Tuch setzte. Das Allerbeste aber vor uns stak in einem Fäßlein voller Karten, nämlich ungefähr bei 1200 Reichsthalern, welches ich zwar fande, aber mit meinen Cameraden treulich theilte. Wir sprachen den Pferden gleichsam über ihr Vermögen zu, und indem wir in kurzer Zeit einen langen Weg hintersich legten, entronnen wir aller Gefahr und langten eben bei den Unserigen wieder an, als Pappenheim sich fertig gemacht, den Bannier vor Magdeburg hinweg zu schlagen.« »Gleichwie nun dieser in Unordnung aufbrach, davon zu fliehen, ehe wir recht an ihn kamen, also konte solches so eilends nicht geschehen, daß er uns von seinem Nachzug nicht etlich hundert Mann auf dem Platz lassen muste. Und nachdem wir alles wol ausgerichtet, die Guarnison zu uns genommen[387] und der Stadt oder vielmehr des Steinhaufens Befestigung an Wällen und Bollwerken ziemlich ruinirt und zersprengt hatten, brachte ich von meinem Hauptmann, weil ich ohnedas nicht ihm, sonder unter ein Regiment Dragoner gehörig, welches sich damals bei den Tillyschen befande, mit einer leidenlichen Verehrung zuwegen, daß er mich entließe.« »Also wurde ich meiner verdrießlichen Pique wieder los, montierte mich und einen Knecht zum besten und nahm bei einem Regiment zu Pferd vor einen Freireuter Aufenthalt, so lang biß ich wieder zu meinem Regiment, darunter ich gehörte, gelangen möchte.« FUSSNOTEN: [380] =einen großen Schallen=, so wird zu lesen sein statt »Schollen«: lachte, daß es laut schallte. [381] =Guckgaucherei=, Thorheit (vgl. Guckgauch, Kukuk). [382] =abgeführt=, (zum Schlechten) angeleitet, ausgelernt. [383] =~insationabilis~=, Springinsfeld will sagen ~insatiabilis~, unersättlich. [384] =Unholde=, Unholdin, Hexe. [385] =wider=, die Drucke haben »unter«. [386] =creirt=, geschaffen, bestimmt. [387] =zu uns genommen=, gefangen genommen. Das vierzehnte Capitel erzählet Springinsfelds ferner Glück und Unglück. »Bei diesem Corpo genosse ich des Pappenheimers Glückseligkeit, der nach diesem glücklichen Streich in Westphalen herum fuhr wie eine Windsbraut, und das war ein Leben vor mich, dergleichen ich mir vorlängst eins gewünscht hatte. Als er die Städte Lemgau[388], Herfort, Bielefeld und andere um Geld schätzte, bestahl ich hingegen da und dort die Dörfer und Bauren auf dem Land. Als wir aber Paderborn einnahmen, setzte es bei mir zwar keine Beut, aber da wir den Bannier mit seinen vier Regimentern überfielen und Herzog Georg von Lüneburg putzten, folgte das Glück meiner gewohnlichen Verwogenheit und schaffte mir desto mehr Raubs. Vor Stade, alwo wir den schwedischen General Todt hinweg schlugen und es allerdings machten wie hiebevor zu Magdeburg, bekam ich einen Rittmeister gefangen und mit demselbigen ein göldene Kette von 300 Ducaten. Darneben brachten ich und mein Knecht so viel Pferde zusammen, daß ich mich gar wol vor einen Roßhändler hätte ausgeben dörfen; und dieweil sich mein Geld und Glück zugleich mit vermehrte, fieng ich an zu gedenken, ob ich nicht auch ein Officier abgeben würde.« »Nirgendhin gelangten wir, da wir nit siegten und Ehr einlegten, außer daß wir die Holländer aus ihren Schanzen vor Mastricht nit schlagen konten. Den Hessen und den Bavadis[389] berupften wir gleichsam wie wir wolten, und den Lüneburger, der Wolfenbüttel einzunehmen sich bemühete, lehreten wir einen Sprung, daß er sich selbst unter das braunschweigische Geschütz in Schutz geben müste. Nachdem wir aber Hildesheim bezwungen, eilete unser Pappenheimer zu dem Wallensteiner und künftiger Schlacht vor Lützen wie zu einer Hochzeit, in welcher aber beiderseits allertapferste Helden und berühmteste Generalen ihrer Zeit gleichsam mitten in ihrem Glückslauf anstatt der Lorberkränze mit Myrrhen und Rauten[390] bekrönet worden.« »Nachdem nun daselbsten der große Gustavus Adolphus und unser berühmte Pappenheimer, beide ritterlich streitend, ihr Leben zu =einer= Zeit in =einem= Flügel gelassen, wie dann der Graf kaum eine viertel oder halbe Stund länger als der König gelebt haben soll, sihe, da erhub sich ererst die wüthende Grausamkeit beiderseits fechtender Soldaten. Jedwedere Seite stund vor sich selbst so fest als eine unbewegliche Maur, und was von der Battalia todt niederfiele, machte mit den entseeleten Körpern seiner standhaften Partei eine Brustwehr biß an den Nabel; gleichsam als wann selbige Wahlstatt, um willen[391] sie mit zweier so tapferer Helden martialischen Blut angefeuchtet worden, eine sonderbare Kraft und Würkung empfangen, beides die auf sich habende Todte und Lebendige zu demjenigen anzufrischen und zu entzünden, was ein rechtschaffner Soldat in dergleichen Occasionen zu leisten schuldig, maßen beide Theil in solcher Beständigkeit verharreten, biß die stockfinstere Nacht den übrig verbliebenen abgematten Rest selbiger streitbaren Kriegsheer von einander sonderte.« »Wir giengen noch dieselbige Nacht gegen Leipzig und folgends in Böhmen, wie die Flüchtige, unangesehen unser Gegentheil die Kräfte nit hatte, uns zu jagen; und da ichs beim Liecht besahe, wurde ich gewahr, daß ich in der Schlacht meinen Knecht und bei der Bagage meinen Jungen samt allem, was ich vermocht[392], verloren. Den letztern Schaden zwar hatten mir unsere eigne Völker zugefügt, und demnach solches auch andern mehr widerfahren, als seind von den Thätern auch viel aufgeknüpft worden; wordurch ich gleichwol das Meinig nit wieder bekam.« »Diese Schlacht und darin erlittener Verlust war nur der Anfang und gleichsam nur ein Omen oder Präludium desjenigen Unglücks, das noch länger bei mir continuiren solte; dann nachdem mich die Altringische erkanten, muste ich wieder unter demjenigen Regiment ein Dragoner sein, worunter ich mich anfänglich vor einen unterhalten lassen; und solcher Gestalt hatte nicht allein meine Freireuterschaft ein End, sonder weil ich auch alles verloren außer dem, was ich am Leib darvon gebracht, so war auch die Hoffnung pritsch[393], ein Officier zu werden.« »In diesem Stand hab ich wie ein redlicher Soldat Memmingen und Kempten einnehmen und den Schwedischen Forbus[394] striegeln helfen, in allen diesen dreien Occasionen aber kein andere Beut als die Pest an Hals bekommen, und zwar allererst als wir mit dem Wallenstein in Sachsen und Schlesien gangen. Unserer zween von meiner Compagnie verblieben an dieser abscheulichen Krankheit zuruck, leisteten einander auch in unserm Ellend getreue Gesellschaft. Wann ich die erbärmliche Zufäll betrachte, denen ein Soldat unterworfen, so gibt mich Wunder, daß dem einen und andern der Lust in Krieg zu ziehen nit vergehet. Aber viel ein mehrers verwundert mich, wann ich sehe, daß alte Soldaten, die allerhand Unglück, Leiden und Noth ausgestanden, viel erfahren und zum öftern ihrem Verderben kümmerlich entronnen, dannoch den Krieg nicht quittiren, es seie dann, daß er selbst ein Loch gewinne[395], oder ihre Personen nichts mehr taugen, ferners in demselbigen fortzukommen und auszuharren. Nicht weiß ich, was vor eine Art einer sonderbaren unbesonnenen Unsinnigkeit uns behaftet; schätze wol, es seie ein Art derjenigen Thorheit, damit sich die Hofleute schleppen, welche dem Hofleben, darwider sie doch täglich murren, nicht ehender resigniren, als biß sie solches mit ihres Prinzen Ungnad aufgeben müssen, sie wollen oder wollen nicht.« »Wir verharreten in einem Städtlein, welches auch mit unserer Contagion behaftet war, und zwar bei einem Barbierer, der unsers Gelds gleichwie wir seiner Arzneimittel bedörftig, wiewol beide Theil desjenigen, so das ander mangelte, wenig übrig hatte, dann der Barbierer war arm und wir waren nicht reich; derowegen muste meine göldene Kette, die ich hiebevor vor Stade erwischt, täglich ein Gleich[396] nach dem andern hergeben, biß wir wieder gesund wurden. Und als wir wieder zu reuten getrauten, machten wir sich auf den Weg, uns durch Mähren in Oesterreich zu begeben, alwo unser Regiment gute Winterquartier genosse.« »Aber sihe, kein Unglück allein, wann es anfangt zu wüthen. Wir beide Schwache und noch halb Kranke wurden von einer Rott Räuber, die wir mehr vor Bauren als Soldaten hielten, angegriffen, abgesetzt[397], biß auf die nackende Haut ausgezogen und noch darzu mit Stößen übel tractirt, und konten schwerlich unser eigen Leben und vor unsere Kleider etwas von ihren alten Lumpen von ihnen erhalten, uns vor der damaligen grausamen Winterskälte zu beschützen, welches aber nicht viel mehrers thät, als wann wir uns in zerrissene Fischergarn bekleidet gehabt hätten, weil gleichsam Stein und Bein zusammen gefroren war. Ich hatte noch etliche Gleich von meiner göldenen Kette verschluckt: darauf bestund all mein übriger Trost und Hoffnung; aber ich glaub, daß ihnen der Teufel gesagt haben muß, dann sie behielten uns 2 Tag bei ihnen, biß sie solche alle aus dem Excrement bekommen, und muste ichs noch vor einen großen Gewinn halten, daß sie mir den Bauch nicht aufgeschnitten, anstatt daß sie uns endlich wieder lebendig von sich ließen. In solchem ellenden Zustand, da uns zugleich Geld, Kleider, Gewehr, Gesundheit und bequem Wetter zu unserer Reis mangelte, bewegten wir kaum etliche Leute, daß sie uns mit Nachtherberg und einem Stück Brod zu Hülf kamen, und war uns trefflich gesund, daß ich wie mein Camerad kein Niemezy[398] oder Niemey gewesen, der die slavonische Sprach nicht gekönt, sintemalen ich durch solches Parlaren[399] vom mährischen Landmann beides Essensspeis und alte Kleider erbettelte, damit wir sich, ob zwar nit ansehenlicher ziert[400], jedoch dicker wider die grimmige Winterskälte bewaffneten. Also armselig haben wir Mähren allgemach durchkrochen, viel Ellend erlitten und von dem Bauersmann, der dem Soldaten niemals hold wird, mehr spitzige Schmachreden als willige Steur und Almosen eingenommen.« FUSSNOTEN: [388] =Lemgau=, Lemgo. [389] =Bavadis=, Wolf Henrich von Baudis oder Baudissin kam als Oberst mit Gustav Adolph nach Deutschland; er mußte sich damals vor Pappenheim aus Westphalen zurückziehen. [390] =Myrrhen und Rauten=, als Leichenschmuck. [391] =um willen=, deswegen weil. [392] =vermögen=, im Vermögen haben, besitzen. [393] =pritsch=, dahin. [394] =Forbus=, vgl. die Einleitung, wo auch die sonst vorkommenden weniger bekannten Ereignisse und Namen, so weit dies möglich war, nachgewiesen worden sind. [395] =ein Loch gewinnen=, auch sonst bei Grimmelshausen und selbst in geschichtlichen Werken, z. B. im ~Theatrum Europæum~, vorkommend, sprichwörtlich: ein Ende nehmen. [396] das =Gleich=, Gelenk, Knoten, Absatz, z. B. an einem Rohr. Glied einer Kette. [397] =absetzen=, vom Pferde reißen. [398] =Niemezy=, Deutscher. [399] =Parlaren=, Sprechen. [400] =ziert=, geziert. Das fünfzehnte Capitel. Wie heroisch sich Springinsfeld in der Schlacht vor Nördlingen gehalten. »Zu[401] unserer Hinkunft zu unserem Regiment wurden wir wieder beritten gemacht und montirt, der Wallensteiner aber zu Eger umgebracht, weil er, wie man sagte, mit der ganzen Armada zum Gegentheil übergehen, das Erzhaus Oesterreich vertilgen und sich selbst zum König in Böhmen machen wollen. Hierdurch wurde zwar diß hochlöblich erzfürstlich Haus errettet, aber zugleich auch das kaiserlich Kriegsheer, dessen Obriste zum Theil um der verfluchten Wallensteinischen Zusammenverschwörung halber vor verdächtig gehalten werden wolten, zum Gebrauch vor untüchtig geschätzt, weil man ihre Treu zuvor probieren muste. Und eben deswegen musten wir auf ein neues dem Kaiser wiederum schwören; aber dieser Verzug verursachte, daß es liederlich um den kaiserlichen Krieg anfieng zu stehen, maßen die schwedische Generalen da und dort mit Einnehmung unterschiedlicher Städte gewaltig um sich griffen, biß endlich der unüberwindlichste dritte Ferdinand, damaliger ungar- und böheimischer König, die Waffen selbst ergriffen. Dieser mustert uns und führte uns bei 60000 stark samt einer unvergleichlichen Artigleria in Bairn vor Regenspurg, welche Stadt ich hiebevor, nachdem ich mich von der Courage scheiden lassen müssen, mit List einnehmen helfen, von dannen ich mit meinem General, dem Altringer, und Joan de Werdt denen Schwedischen unter Gustav Horn entgegen commandirt worden; da es dann sonderlich zu Landshut auf der Brücke ziemlich heiß hergienge, alwo mir nicht allein mein Pferd unterm Leib, sonder auch (an welchem ein Mehrers gelegen) besagter unser rechtschaffene General von Altringen todt geschossen wurde.« »Nachdem nun Regenspurg und Donawerth an uns übergangen und sich der hispanische Ferdinandus, Cardinal Infant, mit uns völlig conjungirt, zogen wir auf das Ries[402] und belägerten Nördlingen. Damals war ich ein unberittener und auch sonst (weil ich die Winterquartier schlecht genossen, ein Krankheit ausgestanden und lang nichts Beuthaftiges erschnappt hatte) Vermögens halber ein fast armer Schelm, so gar, daß man meiner auch nicht achtete noch mich irgendhin commandirte, als die Schweden kamen, die belägerte Stadt zu entsetzen. Indem es aber hierüber zu einem fast blutigen Treffen geriethe, gedachte ich auch eine Beut zu holen oder das Leben darüber zu verlieren, dann ich wolte viel lieber todt als ein solcher Bärnhäuter sein, der nur dastehet und zusihet, wie tapfer andere ehrlich und wol montirte Soldaten sich um den Barchet jagen[403]. Und demnach mirs gleich golte, ob Kaiser oder Schwed siegen wurde, wann ich nur mein Theil auch darvon kriegte, sihe, so mischte ich mich ganz ohne Waffen ins Gedräng, als die Victori noch in der Wag stunde und der meiste Theil der Kriegsheer mit Rauch und Staub bedeckt war. Gleich hierauf kehrte die schwedische Reuterei der Battalia den Rucken, weil sie sahen, daß ihr Sach allerdings verloren. Nachdem sie aber vom Lothringer, Joan de Werth, den Ungern und Croaten wieder zuruck gejagt wurden über eben denjenigen Ort, da ich mich befande, des Willens, in Eil die da und dort liegende Todte zu besuchen und zu plündern, wird[404] ich gezwungen niederzufallen und mich denjenigen gleich zu stellen, die ich zu berauben im Sinn hatte. Das thät ich etlichmal, biß beiderseits einander jagende Troupen den Ort passirt, quittirt und den Todten und noch halb Lebenden, deren sie abermal daselbst ziemlich sitzen ließen, allein überlassen.« »Ich hatte mich kaum wieder aufgerichtet, als mir ein ansehenlicher wolmontirter Officier, der dort lag, sein Pferd beim Zaum hielte und den einen Schenkel entzwei geschossen, den andern aber noch im Stegreif stecken hatte, mir um Hülf zuschrie, weil er ihm selbst nicht helfen könte.« »Ach, Bruder, sagte er, hilf mir!« »Ja, gedachte ich, jetzt bin ich dein Bruder, aber vor einer Viertelstund hättest du mich nicht gewürdigt, nur ein einziges Wort mir zuzusprechen, du hättest mich dann etwan einen Hund genant.« »Ich fragte: Was Volks?« »Er antwort: Gut schwedisch.« »Darauf erwischte ich das Pferd beim Zaum und mit der andern Hand eine Pistole von seinem eignen Gewehr und endet damit den wenigen Rest des bittenden Lebens. Und diß ist die Würkung des verfluchten Geschützes, daß nämlich ein geringer Bärnhäuter dem allertapfersten Helden, nachdem er zuvor vielleicht auch durch einen liederlichen Stallratzen ungefähr beschädigt worden, das Leben nehmen kan. Ich fande Goldstücker bei ihm, die ich nicht kante, weil ich von der gleichen Größe meine Tag noch niemalen gesehen. Sein Wehrgehenk war mit Gold und Silber gestickt, das Degengefäß von Silber gemacht, und sein Hengst ein solches unvergleichlichs Soldatenpferd, dergleichen ich meine Tag niemalen überschritten[405]. Solches alles nahm ich zu mir, und nachdem ich Gefahr merkte, also daß ich nit länger Mist bei ihm zu machen oder ihn gar auszuziehen getraute, setzte ich mich aufs Pferd, und da ich die eroberte Pistolen wieder lude, dann die Pistolenhalftern oder Büchsenscheiden, wie sie die Bauren nennen, waren nach damaligem Gebrauch genugsam mit Patronen versehen, muste ich gleichwol bei mir selbst erseufzen und gedenken: wann der unüberwindliche starke Hercules jetziger Zeit selbst noch lebte, so könte er solcher Gestalt sowol als dieser brave Officier auch von dem allergeringsten Roßbuben erlegt werden.« »Ich rennete im vollen Galop hinter die Unserige und fand, daß sie sonst nichts mehr zu thun hatten, als todtzuschlagen, gefangen zu nehmen und Beuten zu machen, welches lauter Zeichen der erhaltenen Victori waren. Ich machte mir anderer gehabte Mühe zu Nutz und stund zu den Siegern in ihr Arbeit, da es mir zwar sonderlich nicht glückte, ohne daß ich blößlich noch so viel erschnappte, daß ich mich daraus kleiden konte. Dergleichen geringes Glück hatten auch die übrige Kerl von meinem ganzen Regiment, doch einer mehr als der ander, ohnangesehen sie tapfer gefochten hatten.« FUSSNOTEN: [401] =Zu=, bei. [402] =das Ries=, Ebene im Osten von Würtemberg bis gegen Baiern. [403] =um den Barchet jagen=; ein Stück dieses Zeuges war ein gewöhnlicher Preis beim Wettlaufen an Volksfesten. Vgl. Schmeller, Bayr. Wörterb. [404] =wird=, ~præs.~ zu werden. [405] =überschreiten=, besteigen. Das sechzehnte Capitel. Wo Springinsfeld nach der Nördlinger Schlacht herum vagirt, und wie er von etlichen Wölfen belägert wird. »Gleichwie nun nach Erhaltung[406] dieser gewaltigen und namhaften Schlacht das große sieghafte kaiserliche Kriegsheer in unterschiedliche Länder geschickt wurde, also empfanden auch alle Provinzen, dahin diese gelangten, die Würkung des gedachten blutigen Treffens, und zwar nicht allein was das Schwert, sonder auch was der Hunger und was die Pest jedes absonderlich zu thun vermöchte, ja wie grausam die zusammen gestimmte erschröckliche Harmonia dieser gesamten dreien Hauptstrafen die Menschen zum Grab tanzen machen könne. Den Antheil meines Unglücks, damit die damalige armselige Zeit gleichsam ganz Europa heimsuchte, überstunde ich an den aller unglückseligsten Oertern, nämlich am Rheinstrom, der vor allen andern teutschen Flüssen mit Trübsal überschwemmt wurde, seitemal er erstlich das Schwert, darauf den Hunger, drittens die Pest und endlich alle drei Plagen zu einer Zeit und auf einmal tragen muste, in welcher unruhigen Zeit, die zwar viel zur ewigen Ruhe oder Unruhe befürderte, ich dem Kaiser wiederum Speir, Worms, Mainz und andere Ort mehr einnehmen halfe. Und demnach der weimarische Herzog Bernhardus damals durch die Kräfte der französischen Flügel am Rhein herum schwebte und durch sein stetigs Agirn, indem er an besagtem Fluß wie auf einer Fickmühl[407] zu spielen wuste, nit nur zu der anstoßenden Länder Ruin Ursach gabe, sonder auch zum theil die Seinige selbsten, vornehmlich aber unsere Armee, die damals Graf Philips von Mansfeld commandirte, äußerist und zwar ohne sonderliche Schwertstreich ruinirte, sihe, da büßte ich mit ein nit nur mein Pferd, das mir vor Nördlingen zugestanden, deren es, wo wir nur hin marschirten, aller Orten voll lag, den Untergang unserer Armee bezeugen zu helfen, sonder auch mein gutes Geld, das ich daselbsten bekommen; dann wann mir ein Pferd verreckte, so erhandelte ich ein anders und gab darvor meine spanische Real und Jacobiner[408], Umgicker[409] &c. vor guldene spanische und englische Kopfstücker aus, deren ein zwei oder drei silberne in meinem Sinn golte und werth war, welche auch jedermann in solchem Preis gern von mir annahm, so lang ich deren auszugeben hatte.« »Als ich nun solcher Gestalt mit meiner Reichthum, gleichwie das ganze Land mit der seinigen, in Bälde fertig worden, gieng der kleine Rest unsers vor diesem unvergleichlichen Regiments in Westphalen; alwo wir unter dem Grafen von Götz die Städte Dortmund, Paderborn, Ham, Une[410], Kammen[411], Werl[412], Soest und andere Ort mehr einnehmen helfen. Und damals kam ich in Soest in Guarnison zu liegen, alwo ich, mein Simplice, Kund- und Cameradschaft mit dir bekommen. Und weil du selber zuvor weist, wie ich daselbst gelebt, ist unnöthig, etwas darvon zu erzählen.[413]« »Du bist aber nicht über drei Vierteljahr zuvor vom Feind gefangen und der Graf von Götz ist kaum ein Vierteljahr aus Westphalen hinweg marschiert gewesen, als der Obriste S. Andreas, Commendant in der Lippstadt, durch einen Anschlag Soest einnahm. Damals verlore ich alles, was ich in langer Zeit zusammen geraspelt und vorm Maul erspart hatte. Solches und mich selbst bekamen zween Kerl von der Guarnison in Koesfeld, alwo ich mich auch vor einen Musquetierer gebrauchen lassen und mich so lange hinter der Maur patientirn muste, biß beides die Hessen und Französisch-Weimarische über Rhein in das Erzstift Cöln giengen, alwo es ein Leben setzte, dergleichen ich lang nachgeseufzet.« »Dann wir fanden gleichsam ein volles Land und unter dem Lamboy ein solche Armatur, die wir leicht übermeisterten und von der Kemper Landwehr, ja gar aus dem Feld hinweg schlugen. Diesem Sieg folgten Neuß, Kempen und andere Oerter mehr ohne die gute Quartier, die wir genossen, und ohne die gute Beuten, die hin und wieder gemacht wurden. Doch wurde ich armer Tropf gleichwol anfangs nicht reich darbei, weil ich unter meiner Musquete gemeiniglich bei der Compagni verbleiben muste. Demnach wir aber Gülch[414] plünderten und mit den Leuten auf dem Land sowol im Erzstift Cöln als Herzogthum Gülch unsers Gefallens procedirn dörften, erschunde ich so viel Gelds zusammen, daß ich mich wieder von der Musquete los zu kaufen und mich zu Pferd zu montirn getraute.« »Solches setzte ich ins Werk, da es beinahe selbiger Orten schon ausgemauset war, da wir nämlich Lechnich[415] vergeblich zur Uebergab ängstigten, und uns nicht nur die Kurbaierische, die bei Zons[416] lagen, sonder auch die Spanische ans Leder wolten. Dannenhero schlupfte Guebrian den Kopf aus der Schlinge, quittirte den Rheinstrom und führte uns durch den Thüringer Wald in Franken, alwo wir wiederum zu rauben, zu plündern, zu stehlen und gleichwol nichts zu fechten gefunden, biß wir in das Würtenbergische kommen, da uns zwar Jean de Werd nächtlicher Zeit ohnweit Schorndorf[417] in die Haar gerathen und einen Biß versetzt, aber gleichwol das Fell nicht grob zerrissen. Aber wer kein Glück hat, der fällt die Nas ab, wann er gleich auf den Rucken zu liegen kommt, dann ich wurde kurz hernach von dem Obristleutenant von Kürnried, welchen die gemeine Bursch den Kirbereuter[418] zu nennen pflegten, auf einer Partei gefangen und zu Hechingen, wo damals das baierische Hauptquartier war, wiederum demjenigen Regiment Dragoner zugestellt, darunter ich anfänglich gedienet.« »Also wurde ich wieder ein Dragoner, aber nur zu Fuß, weil ich noch kein Pferd vermochte. Wir lagen damals zu Balingen[419] und widerfuhre mir ein Poß um selbige Zeit, welcher zwar von keiner Importanz, gleichwol aber so seltzam, verwunderlich und mir so eine schlechte Kurzweil gewesen, daß ich ihn erzählen muß; ohnangesehen ihrer viel, denen der damalige ellende Stand des ruinirten Teutschlandes unbekant, mir solches nicht glauben werden.« »Demnach unser Commendant in Balingen Kundschaft bekommen, daß die Weimarische unter Reinholden von Rose 1200 Pferd stark ausgangen, uns aufzuheben, gedachte er solches an Ort und End zu notificirn, von dannen succurirt werden könte. Weil ich dann, wie obgemeldet, noch ohnberitten, zumalen mir Weg und Steg wol bekant, auch meine Person so beschaffen war, daß man mir kecklich zutrauen konte, ich würde die Sach wol ausrichten, als wurde ich in Baurenkleidern mit einem Schreiben nach Villingen[420] geschickt, von dieser obhandenen Rosischen Cavalcada Nachricht dorthin zu bringen; und golte gleich, ob ich vom Gegentheil unterwegs gefangen würde oder nicht, dann wann solches geschehen wäre, so hätte der Feind erfahren, daß sein Anschlag entdeckt gewesen, und derowegen solchen wieder eingestellt. Aber ich kam glücklich durch und ließe mich auch gegen Abend wieder abfertigen, um die Nacht über wieder auf Balingen zu kommen. Als ich nun durch ein Dorf passirte, darinnen keine Mäus, geschweige Katzen, Hund und ander Vieh, viel weniger Menschen sich befunden, sahe ich gegen mir einen großen Wolf avanziren, welcher ~recta~ mit aufgesperrtem Rachen auf mich zugieng. Ich erschrak, wie leicht zu gedenken, weil ich kein ander Gewehr als einen Stecken bei mir hatte, retirirte mich derowegen in das nächste Haus und hätte die Thür hinter mir gern zugeschlagen, wann es nur eine gehabt, aber es mangelte deren sowol als der Fenster und des Stubenofens. Ich gedachte wol nit, daß mir der Wolf in das Haus nachfolgen würde, aber er war so unverschamt, daß er den Ort nicht respectirte, der zur menschlichen Wohnung gewidmet worden, sonder zottelte in einem reputirlichen Wolfgang fein allgemach hernach; dannenhero ich nothwendig mein Refugium die erste und andre Stiege hinauf nehmen muste. Und weil mich der Wolf sehen ließe, daß er auch Stiegen steigen konte so wol als ich, wurde ich gezwungen, mich in aller Eil, welches zwar kümmerlich und mit großer Noth geschahe, durch ein Tageloch hinauf auf das Dach zu begeben. Da muste ich eilends die Ziegel rucken und zerbrechen, um mich auf den Latten zu behelfen, auf welchen ich je länger je höher hinauf kletterte. Und als ich mich hoch genug daroben und also vor dem Wolf in Sicherheit zu sein befande, öffnete ich im Dach ein größere Lucken, um dardurch zu sehen, wann der Wolf die Stiege wieder hinab spazieren, oder was er sonsten thun wolte.« »Da ich nun hinunter schauete, sihe, da hatte er noch mehr Cameraden bei sich, welche mich ansahen und sich mit Geberden stelleten, als ob sie einen Anschlag zu erstimmen[421] begriffen, wie sie mir beikommen möchten. Ich hingegen chargirte mit halben und ganzen Zieglen auf sie hinunter, konte aber durch die Latten weder gewisse noch satte[422] oder starke Würf thun; und wann ich gleich den einen oder andern auf den Pelz traf, so bekümmerten sie sich doch nichts darum, sonder behielten mich also belägert oder bloquirt. Indessen ruckte die stockfinstere Nacht herbei, welche mich, so lang sie unsern Horizont bedeckte, mit scharfen durchschneidenden Winden und untermischten Schneeflocken gar unfreundlich tractirte, dann es war im Anfang des Novembri und dannenhero ziemlich kalt Wetter, so daß ich mich kümmerlich dieselbe winterlange Nacht auf dem Dach behelfen konte. Ueberdas fiengen die Wölfe nach Mitternacht eine solche erschröckliche Music an, daß ich vermeinte, ich müste von ihrem grausamen Geheul übers Dach herunter fallen. In Summa, es ist unmüglich zu glauben, was vor eine ellende Nacht ich damals überstanden. Und eben um solcher äußersten Noth willen, darin ich stak, fienge ich an zu bedenken, in was vor einem jämmerlichen Zustand die trostlose Verdammte in der Höllen sich befinden müsten, bei denen ihr Leiden ewig währet, welche nit nur bei etlichen Wölfen, sondern bei den schröcklichen Teufeln selbsten, nicht nur auf einem Dach, sonder gar in der Höllen, nicht nur in gemeiner Kälte, sonder in ewig brennendem Feur, nicht nur eine Nacht, in Hoffnung erlöst zu werden, sonder ewig, ewig gequält würden. Diese Nacht war mir länger als sonst vier, so gar daß ich auch sorgte, es würde nimmermehr wieder Tag werden, dann ich hörete weder Hahnen krähen noch die Uhr schlagen und saße so unsanft und erfroren dorten im rauhen Luft, daß ich gegen Tag all Augenblick vermeinte, ich müste herunter fallen.« FUSSNOTEN: [406] =Erhaltung=, Gewinnung: nachdem die Schlacht gewonnen war. [407] =Fickmühle=, Zwickmühle, Stellung der Steine im Mühlenspiel, wo beim Aufziehen der Mühle eine andere geschlossen wird. [408] =Jacobiner=, englische Goldkronen. [409] =Umgicker=, das Wort kann ich nicht nachweisen. [410] =Une=, Unna, Regierungsbezirk Arnsberg, Kreis Hamm. [411] =Kammen=, Kamen, ebendaselbst. [412] =Werl=, ebend., Kreis Soest. [413] Vgl. »Simplicissimus«, Buch ~II~ und ~III~. [414] =Gülch=, Jülich. [415] =Lechnich=, Städtchen, Regierungsbezirk Köln, Kreis Euskirchen. [416] =Zons=, Städtchen, Reg. Düsseldorf, Kr. Neuß. [417] =Schorndorf=, Würtemb. Jaxtkreis, Stadt. [418] =Kirbereuter=, Kirchweihreiter. [419] =Balingen=, Oberamtsstadt in Würtemberg, Schwarzwaldkreis. [420] =Villingen=, Stadt in Baden, Seekreis, an der Brigach. [421] =erstimmen=, (durch Abstimmung) berathen, entwerfen. [422] =satt=, genügend, wirksam. Das siebzehnte Capitel. Springinsfeld bekomt Succurs und wird wiederum ein reicher Dragoner. »Ich erlebte zwar auf meinem Dach den lieben Tag wiederum, ich sahe aber drum nichts, daraus ich einige Hoffnung zu meiner Erlösung hätte schöpfen mögen, sonder hatte vielmehr Ursach, gleichsam gar zu verzagen, dann ich war müd, matt, schläferig und noch darzu auch hungerig. Ich beflisse mich sonderlich, mich des Schlafens zu enthalten, weil die geringste Einnickung der Anfang meines ewigen Schlafs gewesen wäre, sintemal ich alsdann entweder erfrieren oder über das Dach herunter purzlen müssen. Indessen bewachten mich die Wölfe noch immer fort, ob zwar bißweilen deren etliche die Stiege auf und ab spazierten. Nach denjenigen, die oben im Hause unterm Dach verblieben, warf ich zwar ohne Unterlaß mit Zieglen, ob ich sie vielleicht vertreiben möchte. Es nutzte mir aber zu nichts anders, als daß ich mich durch dasselbige Exercitium des Schlafs erwehrte und mir den Schatten oder eine Copei einer geringen Wärme in die Glieder schaffte. Und dergestalten brachte ich beinahe den ganzen Tag zu.« »Gegen Abend aber, da ich mich schier allbereit in mein gänzliches Verderben ergeben hatte, kamen fünf Kerl in sachtem Galop daher geritten, welchen ich gleich an Fertighaltung ihres Gewehrs ansahe, daß sie zu Recognoscirung des Dorfs vorhanden. Den letzten kante ich am Pferd, daß es ein Wachtmeister vom Sporckischen Regiment war, der mich gar wol kennet. Die erste wurden meiner von fernen gewahr und sahen mich anfänglich vor eine Schiltwacht und, da sie sich besser näherten, vor einen Bauren an, befahlen mir derowegen auch als einem Bauren, ich solte herunter steigen oder sie wolten mich herunter schießen. Als ich aber gedachten Wachtmeister mit Namen nennete, mich damit zu erkennen gab und darneben versicherte, daß in 24 Stunden kein vernünftige Seele im Dorf gewesen, sintemal ich so lange auf dem Dach Schiltwacht gehalten, erzählet ich ihnen auch zugleich mein Geschäfte und was vor Creaturen mich in meinem beschwerlichen Arrest hielten. Hierauf folgte gleich der Obriste Sporck selbsten mit einem starken Troupen, und als er meine Beschaffenheit vernahm, ließe er alsobalden zehen Reuter mit ihren Carbinern absteigen, in das Haus gehen und sonst das Haus umstellen, auch Schiltwachten außerhalb dem Dorf aufführen. Als nun jene ins Haus gestürmt, wurden 8 Wölf so erschossen als sonst niedergemacht, und im Keller fünf menschliche Körper gefunden, von welchen sie auch so gar etliche Gebein aufgefressen hatten. Vermög eines Gesteckmessers, eines Stahels, zweier Paßzedel und eines Wechselbriefs, der nach Ulm lautet, wie auch eines Gürtels, darinnen Ducaten vernähet waren, ist ein Metzger unter diesen gewesen, der die Donau hinunter gewolt, etliche Ungarochsen zu kaufen. Und ohne diese fünf Menschenköpfe fanden wir auch Aas von andern Thieren, also daß es in diesem Keller einer alten Schindgruben ähnlich sahe.« »Gedachter Obriste war mit 500 Pferden aus, um Rothweil zu erkundigen, was die Weimarische im Sinn hätten. Und da er solcher Gestalten von mir erfuhr, was des Rose Intention wäre, befahl er alsobalden in demselbigen Dorf zu füttern, das ist, den Pferden zu fressen zu geben, was jeder von kurzem Futter hinter sich führte, dann in demselbigen Dorf war nichts vorhanden, das die Pferde genießen konten, als das Stroh auf etlichen Dächern. Und alsdann fütterte auch ein jeder sich selbsten, mich aber des Obristen kalte Kuch, von deren mir mildiglich mitgetheilt wurde, als dessen ich damals auch trefflich vonnöthen.« »Der Obriste hielte die Begegnus mit den Wölfen vor ein gut Omen, noch ferners ein unverhoffte Beut zu erhalten. Er gedachte, auf Balingen zu gehen und mit Zuziehung unserer daselbst liegenden Dragoner dem Rosa einen Streich zu versetzen. Ich wurde auf ein Handpferd gesetzt, den richtigsten Weg zu weisen. Aber ehe wir gar zwo Stund in die Nacht marschiert hatten, kriegten wir Kundschaft, daß Rosa sich zwar bei Balingen sehen lassen, aber nicht der Meinung, die Dragoner auszuheben, sonder den Ort, den er vor leer gehalten, zu besetzen. Weil er aber zu spat kommen, hätte er sich in das Dorf Geislingen[423] logirt, um über Nacht daselbst liegen zu bleiben. Hierauf ändert der Obriste alsobalden seinen Anschlag und nahm seinen Weg gerad auf Geislingen zu, alwo wir auch unversehens um eilf Uhr ankamen und den Rose mit bei sich habenden vier Regimentern gar unsäuberlich aus dem ersten Schlaf weckten. Bei 300 Reutern setzten ins Dorf, die übrige aber hielten darvor haußen[424] und zündeten es an vier Orten an. Darauf wurden gleichsam in einem Augenblick diese vier Regimenter zerstöbert[425] und ruinirt. 200 wurden gefangen ohne die Officier, und sonst viel schöne Beuten gemacht. Und demnach ich von dem Obristen erhalten, daß ich auch in das Ort laufen und mich um eine Beut umschauen möchte, als durchschliche ich die Häuser zu äußerst am Dorf und zunächst an einem Ort, da es brante, und bekam drei schöne gesattelte Pferd mit aller Zugehör und einem Jungen, dessen Herr sich mitsamt dem Knecht entweder zu Fuß darvon gemacht oder sich sonst versteckt hatte, weil er das Niederbüchsen unserer im Feld haltenden Reuter geförchtet, als die gemeiniglich nur den Flüchtigen zu Pferd zusetzten.« »Des Morgens frühe ließe mich der Obriste mit meiner Beut wiederum nach Balingen reiten, unserm Commendanten und seinen Dragonern die Botschaft seines glücklich verrichten Einfalls zu bringen. Ich war willkommen, nicht allein wegen der Botschaft, die ich brachte, sonder auch wegen der guten Recommendationschreiben, die mir der Obriste beides meines Wolverhaltens und meiner ausgestandenen Gefahr halber mitgetheilt hatte. Der Commendant hatte mir ein Dutzet Thaler versprochen, wann ich zu meiner Wiederkunft die Botschaft recht ausgerichtet haben würde. Weil ich aber jetzt so wol heim kam, verehrte er mir deren zwei und machte mich noch drüberhin zu einem Corporal. Derowegen versilberte ich das eine Pferd und montirte mich und einen Knecht aus dem erlösten Geld desto stattlicher, machte auch abermal hohe Gedanken, ob ich nicht noch mit der Zeit ein Kerl von Aestimation abgeben wurde. Eben auf denselbigen Tag, daran ich so groß worden, gieng Rothweil an den Guebrian über, aber die Weimarische haben diese Stadt nicht viel länger behauptet, als biß die Tuttlinger Kirchmeß[426] gehalten worden, auf deren ich zwar wenig Beuten einkramen können, weil ich als ein Unteroffizier anders zu thun hatte. Dann nachdem solche vorüber, nahm sie unser General von Mercy mit Accord wieder hinweg; und weil ich damals auch etwas von der ausziehenden Bagage angepackt, wäre ich beinahe, wie andern Mausern mehr widerfuhr, harquebusirt oder wol gar als ein Corporal, der andern abwehren sollen, aufgehenkt worden, dafern mich mein gutes Pferd nicht beizeiten aus der Gefahr getragen und zehen Thaler, die ich den Nachjagenden spendirte, aus den Händen des Profosen und Steckenknechts errettet hätten.« »Gleich hierauf bekamen wir gute Winterquartier; und ob gleich Herr Corporal Springinsfeld anfänglich in denselbigen eine herbe Hauptkrankheit überstunde, also daß ihm auch kein Härlein Heu auf der obern Bühne übrig verbliebe, so schlug es ihme dannoch hernach so wol zu, daß er mitten im Krieg einen solchen fetten Kopf überkam, wie ein Dorfschultheiß mitten in Friedenszeiten.« FUSSNOTEN: [423] =Geislingen=, Dorf, Würtemberg, Schwarzwaldkreis, Oberamt Balingen. [424] =haußen=, (hie außen) außerhalb. [425] =zerstöbern=, zerstreuen. [426] =Tuttlinger Kirchmeß=, der Ueberfall bei Tuttlingen, Stadt auf der Baar, Würtemberg, Schwarzwaldkreis, an der Donau. Vgl. die Einleitung. Das achtzehnte Capitel. Wie es dem Springinsfeld von der Tuttlinger Kirchmeß an biß nach dem Treffen vor Herbsthausen ergangen. »Den folgenden Sommer führete uns der kluge General Freiherr von Mercy wieder mit einer schönen und zwar fast auf ein altfränkische oder holländische Manier, da alles mit guter Ordre zugehet, zu Felde. Das Vornehmste, das wir gleich anfangs verrichteten, war die Einnehmung der Stadt Ueberlingen[427], deren Guarnison nun eine Zeit lang große Ungelegenheit auf und um den Bodensee herummer gemacht hatte. Dieser folgte Freiburg im Breisgau, die nun etliche Jahr nacheinander mit Einziehung der Contributionen gleichsam wie eine militärische Königin über den ganzen Schwarzwald geherrschet und sich aus ihm bereichert. Wir hatten aber dieselbige Stadt kaum in unserm Gewalt, als der Duc de Anguin und Touraine ankommen, uns in unserm wolbefestigten Läger auf die Finger zu klopfen, maßen sie auf die Schanzen gestürmt und weder ihrer Soldaten Blut noch deren Lebens verschonet, gleichsam als wann sie nur wie die Pfifferling über Nacht gewachsen wären. Sie stürmten mit unglaublicher Furi gegen uns hinauf wie resolute Helden, wurden aber jedesmal beides zu Roß und Fuß dermaßen bewillkommt und wieder abgefertigt, daß sie mit ihrem häufigen Herunterpurzlen der überstreuten Walstatt ein Ansehen machten, als wann es Soldaten geschneiet hätte. Es war auch billich, daß diejenige, deren Leben gering geachtet wurde, dasselbe auch gering verlieren solten. Den andern Tag gieng es noch hitziger her, und kann ich wol schweren, daß ich mein Tage niemals darbei gewesen, da man schärfer einander zugesprochen als eben vor diesem Freiburg. Es hatte das Ansehen, als wann die Franzosen nicht übers Herz wolten oder könten bringen, uns ohnüberwunden von sich zu lassen, und eben dahero fochten sie desto tapferer, ja unsinniger. Hingegen stritten wir vernünftig und mit großem Vortheil; dahero kams, daß unserer nicht viel über 1000, jener aber über 6000 erschlagen und verwundet worden.« »Wir Dragoner haben neben den Cürassierern unter Johann von Werds Anführung das Beste gethan, und wann unserer mehr zu Pferd gewesen wären, so würde den Franzosen ihre Frechheit übel eingetränkt sein worden. Wir kamen zwar mit einem blauen Aug darvon, aber mit großer Ehr, dieweil wir sich eines solchen starken Feinds ritterlich erwehret und ihm allerdings den dritten Theil so viel Volks zu nichte gemacht, als wir selbst stark gewesen. Hingegen hatten die Franzosen auch keine Schand darvon, als die ihre verwegene Tapferkeit genugsam sehen lassen, es seie dann einem aufzuheben[428] oder vorzurucken, wann er so vieler Soldaten Blut unnützlich verschwendet oder sonst ohne Noth mit dem Kopf wider eine Maur lauft.« »Da wir sich nun in unserm würtenbergischen Lande ein wenig erschnaubet[429] und zugleich marschierend sich um einen Raub umschauten, vermutheten wir solchen in der untern Pfalz zu erhaschen. Derowegen rumpelten[430] wir hinein und gleich darauf in Mannheim mit stürmender Hand, worinnen ich abermal, weil ich einer unter den ersten war, der hinein kam, eine ansehnliche Beut von Geld, Kleidern und Pferden machte. Diesemnach säuberten wir Höchst von der hessischen Besatzung per Accord und nahmen Bensheim[431] mit Sturm ein, alwo mein Obrister[432] das Leben durch einen Schuß einbüste. Darinnen hauseten wir etwas rigoroser, als kurbairisch, und machten, daß sich Weinheim[433] auch auf Gnad und Ungnad an uns ergab.« »Um diese Zeit stunde es um unsere Armee überaus wol, dann wir hatten an dem Mercy einen verständigen und tapfern General, an dem von Holtz gleichsam einen Atlanten, der die Beschaffenheit aller Weg, Steg, Päss, Berg, Flüss, Wälder, Felder und Thäler durch ganz Teutschland wol wuste, dahero er das Heer beides im Marschiern und Logiern zum allervortelhaftigsten führen und einquartieren, auch wann es an ein Schmeißens[434] gehen solte, seinen Vortel bald absehen konte. Am Joann de Werd hatten wir einen braven Reutersmann ins Feld, mit welchem die Soldaten lieber in eine Occasion als in ein schlechtes Winterquartier giengen, weil er den Ruhm hatte, daß er beides in offentlichem Fechten und Verrichtung seiner heimlichen Anschläge sehr glückselig sei. An dem würtenberger Land und dessen Nachbarschaft hatten wir einen guten Brodkorb, welches schiene, als wann es nur zu unserem Unterhalt und unsere jährliche Winterquartier darinnen zu nehmen, erschaffen worden. Der Kurfürst aus Baiern selbst, wahrlich ein erfahrner Feldherr und weiser Kriegsfürst, war gleichsam unser Vatter und Versorger, welcher uns gleichsam von weitem zusahe, dirigirte und von Haus aus mit seiner klugen und vorsichtigen Feder führte; und was das allermeiste war, so hatten wir lauter versuchte und tapfere Obriste beides zu Roß und zu Fuß, und von denselbigen an bis auf den geringsten Soldaten eitel geübte, herz- und standhafte Krieger. Und ich dörfte beinahe kecklich sagen, wann ein Potentat im Anfang seines Kriegs gleich eine solche Armee beisammen hätte, daß er sein Gegentheil, der noch zweimal so viel Tirones bei einander, dannoch leichtlich besiegen möchte.« »Aber ich muß wieder auf meine Histori kommen; die verhält sich kürzlich also, daß nämlich nach geendigtem Winterquartier die meiste von uns in Böhmen zu den Kaiserischen giengen und von den Schwedischen vor Jankau[435] ihr Theil Stöße holeten, und haben wir solcher Gestalt ihrer Unglückseligkeit oft entgelten und die Scharte ihrer Waffen, die sie, ich weiß nit aus was Ursachen oder Uebersehen, hier und da empfangen, mit Darstreckung unserer Hälse öfters auswetzen, ja zu Zeiten ihrentwegen gar einbüßen müssen, wie dann vor dißmal auch beschehen. Ich befande mich damals nicht in obbesagtem Treffen, sonder im Würtenbergischen, in welcher Gegend mein Obrister zu Nagolt[436] die Schanze häßlich übersehen und zum Lohn seiner Unvorsichtigkeit das Leben erbärmlicher Weise eingebüßt. Und damals kam es darzu, daß ich aus einem Corporal zu einem Fourier gemacht wurde, eben als der von Mercy unsere Völker hin und wieder zusammen zohe, um dem Tourenne zu wehren, daß er sich in unserm Gäu, in Schwaben und Franken, daraus wir uns selbst zu erhalten gewohnet waren, nicht zu heimisch und gemein machen solte.« »Und dieses ist dem von Mercy vor dißmal auch noch gelungen, maßen er ohnversehens auf die Französische losgangen und sie bei Herbsthausen dermaßen geklopft, daß ihm Touraine das Feld raumen und viel vornehme Officier- und Generalspersonen hinterlassen müssen. Ich wurde in diesem Treffen zeitlich durch einen Schenkel, doch nicht gefährlich geschossen, gleichwol aber dardurch etwas zu erbeuten untüchtig gemacht, weil ich die noch Stehende weder bestreiten helfen, noch den Flüchtigen nachjagen konte, welches mich so blutübel verdrosse, daß ich zween ganzer Tag mit allem meinem Fluchen kein Vatterunser zusammen bringen konte; dann weil mein harte Haut bißhero nur mit den ankommenden Kuglen gescherzt, vermeinte ich, es solte nicht sein, daß ein anderer mehr als ich können und mich eben jetzt, da etwas zu ertappen, beschädigen solte.« FUSSNOTEN: [427] =Ueberlingen=, Baden, Seekreis am Bodensee. [428] =aufheben=, tadelnd hervorheben, Aufheben von einer Sache machen. [429] =sich erschnauben=, verschnaufen, zu Athem kommen. [430] =rumpeln=, rasch einfallen, vgl. überrumpeln. [431] =Bensheim=, Hessen-Darmstadt, Provinz Starkenburg, Stadt. [432] Er hieß Wolff; er wurde 1644 dicht vor dem Thor der Stadt erschossen; ~Theat. Europ. V~, 581. [433] =Weinheim=, Stadt in Baden, Unterrheinkreis, an der Weschnitz. [434] =Schmeißen=, Schlagen. [435] =Jankau=, oder Jankow, Dorf in Böhmen. Mit diesem Treffen endete die Kriegslaufbahn des Simplicissimus. [436] =Nagolt=, in Würtemberg, Schwarzwaldkreis, an der Nagold in einem tiefen Thal gelegen. Das neunzehnte Capitel. Springinsfelds fernere Historia biß auf das bairische Armistitium. »Die Früchte dieser erhaltenen ansehenlichen Victori waren ohne die Beuten und die Gefangene nichts anders, als daß unsere Armee biß an die niederhessische Grenze hinunter gieng und Amöneburg[437] entsetzte, vor Kirchhain[438] sich vergeblich bemühete und dardurch in ein Wespennest stache, das ist, daß sie den Touraine sich mit den Hessen zu conjungirn verursachte; wessentwegen sie dann den Ruckweg wieder dahin nehmen muste, woher sie kommen war. Ich lag damals im Taubergrund[439] mit andern Beschädigten mehr und ließe mich an meiner empfangenen Wunden curirn. Aber als sich unsere Armee mit einem Succurs von ungefähr fünfthalb tausend Mann, den ihr der Graf von Geleen[440] zugebracht, nach Heilbrunn zohe und selbige Stadt mit Völkern unter dem Obristen Fugger, Obristen Caspar und meinem Obristen verstärkte, muste ich auch dort liegen bleiben.« »Indessen giengen die conjungirte hessische, Tourennische und Königsmarkische Völker in die unter Pfalz, nahmen den Duc d'Anguin zu sich und marschierten den Necker hinauf, uns und die Unserige zu erfolgen.[441] Zwar ließen sie uns zu Heilbrunn wol liegen, aber Wimpfen wurde ihr erster Raub, als welches sie beschossen, mit stürmender Hand eingenommen und auf 600 Mann von uns darinnen so gefangen bekommen als niedergemacht haben. Daselbst seind sie über den Necker an die Tauber gangen und haben sich vieler ohnbesetzten Oerter, auch der Stadt Rothenburg bemächtigt. Endlich brachten sie unser Armee zum Stand, erhielten von ihnen einen blutigen Sieg bei Allerheim[442], warbei unser tapferer General-Feldmarschall von Mercy das Leben auch eingebüßt. Folgends nahmen sie Nördlingen[443] mit Accord ein und zwangen den Obristwachtmeister von meinem Regiment, der mit 400 von unsern Dragonern und 200 Musquetierern in Dinkelspiel[444] lag, daß er sich ihnen nicht mit Accord, sonder auf Gnad und Ungnad ergehen muste. Und weilen sich diese Völker musten unterstellen[445], wurde unser Regiment mehr dardurch geschwächt, als wann es auch in dem Treffen gewesen wäre. Von dar giengen sie über Schwäbischen Hall[446] gegen uns los, weil es uns auch gelten solte, und fiengen an gegen uns zu agirn und sich zu verschanzen. So bald sie aber der Unseren Ankunft vermerkten, als welche der Erzherzog Leopold Wilhelm mit 16 kaiserischen Regimentern verstärkt hatte, sihe, da verschwanden sie wie Quecksilber oder zerstoben doch aufs wenigst von einander, als wann sie die Schlacht vor Allerheim nicht erhalten hätten. Und ich kan auch nicht sehen, was sie diese theure Victori anders genutzt, als daß sie die Unserige ein wenig geschwächt und den berühmten Mercy aus dem Weg geraumet; dann sie wurden bis nach Philipsburg[447] verfolget und verloren alle Oerter wiederum, die sie zuvor erobert hatten. Wir bekamen auch zu Wimpfen acht schöne halbe Carthaunen, ein Feldstück, ein Feurmörsel und hin und wieder viel Mannschaft von ihnen, darvon sich die Teutsche alle unterstellen und also unsere Armee wieder verstärken musten. Folgends giengen wir wieder in unserem gewöhnlichen Gäu, das ist in Franken, im anspachischen und würtenbergischen Lande in die Winterquartier, die Kaiserlichen aber in Böhmen.« »Ehe das Jahr gar zu End liefe, marschierte der Kern unserer Armee in Böhmen zu den Kaiserlichen, der Hoffnung, denen daselbst befindlichen Schweden einen guten Streich zu versetzen. Weil es aber außer der Zeit und hierzu gar unbequem Wetter war, zumalen die Schweden auch von sich selbsten dasselbe Königreich quittirten, wurde nichts anders draus, als daß wiederum etliche Oerter von den Schweden in der Kaiserlichen Hände kommen.« »Den folgenden Sommer aber, als das Gegentheil zwischen den Fürstenthumen des niedern und obern Hessen anfieng um sich zu greifen, seind wir auch gegen demselben mit Ernst zu Feld gangen und durch die Wetterau biß zwischen Kirchhain und Amöneburg ihme entgegen gezogen, da es zwar zu keiner Hauptaction kommen, aber gleichwol durch commandirte Völker an der Ohm ein lustig Soldaten-Exercitium gesetzt, worin ich einen Leutenant von den Hessen gefangen und ein schönes Pferd samt 60 Reichsthalern an Geld von ihm kriegte. Weil dann der Feind nicht schlagen wolte, sonder ohnweit Kirchhain in seinem verschanzten und wol proviantirten Läger verbliebe, wir aber an Fourage Mangel litten, zogen wir uns zuruck in die Wetterau. Uns folgten die Schwedische und Hessen, als die sich mit dem Tourenne conjungirt hatten. Da stunde ein Seit diß-, das ander Theil jenseit der Nidda[448] in Battalia, spielte mit Stücken zusammen[449] und sahen einander an wie zween zähnbleckende Hund, die einander ohne Vortheil nicht anfallen wollen. Endlich ließen sie uns gegen dem Camberger Grund[450] marschiern, sie aber giengen in vollen Sprüngen über den Main und der Donau zu und ließen uns das Nachsehen.« »Unser Obrister wurde geschickt samt denen jungen Kolbischen, den vereinigten Feindsarmeen vorzukommen, um ein und anders der Unserigen Oerter zu besetzen. Und ob uns gleich Königsmark bei Schwabenhausen[451] zwackte, so seind wir jedoch noch in 800 Pferd stark in Augspurg angelangt, eben als sich die Schweden vergebliche Hoffnung gemacht, selbe Stadt in Güte einzubekommen. Gleich darauf kam der Obriste Rouyer noch mit vierthalbhundert Dragonern zu uns; worauf die Schweden uns in aller Eil belägerten und in kurzer Zeit mit Approchiren unter die Stücke auf den Graben kamen. Und ich glaube auch, sie würden uns gewaltig heiß gemacht und endlich auch die Stadt gar überkommen haben, wann sich die Unserige nicht bald darvor präsentirt hätten; als welche sich nunmehr wieder mit neuem Succurs verstärkt hatten und die Feindsvölker desto kühner von der Belägerung hinweg schröckten.« »In dieser Stadt muste ich neben andern commandirten Dragonern liegen, biß Bairn und Cöln mit den Franzosen, Schweden und Hessen einen halben Frieden oder wenigst (ich weiß selbst nit, was es war) ein Stillstand der Waffen machte. Als solcher geschlossen, wurde ich und andere mehr durch Fußvölker abgelöst und kam wieder zu meinem Regiment, als es um Denkendorf[452] herum auf der faulen Bärenhaut müßig lag.« »Es konten aber etliche unserer Generalspersonen und Obriste eine solche Ruhe schwerlich ertragen, also daß sie sich unterstunden, mit ihren unterhabenden Völkern zu den Kaiserlichen überzugehen[453], zuvor aber ihres eignen Feldherrn Länder, vor welche sie bißhero so ritterlich gefochten, zu plündern, unter welchen vornehmlich mein Obrister auch gewesen, der doch ein Soldat von Fortun und zu seinem Stand durch seines großen Kurfürsten Mildigkeit und Gnad befördert worden war. Er erlangte aber anderster nichts darmit, als daß ihm ein schandlicher Ehrentitul concipirt und hin und wieder in Baiern an einem aufgerichten Holz mit einem Arm angeschlagen wurde, maßen ich ein Exemplar solcher Ehrensäulen zu S. Nicolao bei Passau gesehen. Andern wurde solches Unterfangen wegen ihrer hohen Verdienste und großer Aestimation nachgesehen, als welche um ihrer Treu und Tapferkeit willen auch ein Bessers meritirten. Nachdem solcher Lärme wieder gestillt, weiß ich nichts Denkwürdigs von mir zu erzählen, ich wolte dann sagen, wie ich leffeln gangen und den bairischen Dientlen[454] aufgewartet, biß wir die Degen wieder in die Händ genommen.« FUSSNOTEN: [437] =Amöneburg=, Regierungsbezirk Kassel, Kreis Kirchhain an der Ohm, Städtchen von 1600 Einwohnern. [438] =Kirchhain=, Städtchen ebendaselbst. [439] =Taubergrund=, Tauberthal. [440] =Graf von Geleen= oder Gleen, vgl. die Einleitung. [441] =erfolgen=, nachrücken, um jemand einzuholen. [442] =Allerheim=, Dorf in Baiern, Landger. Nördlingen. [443] =Nördlingen=, ebendaselbst, ehemals freie Reichsstadt, an der Eger. [444] =Dinkelsbühl=, Stadt in Baiern, an der Wörnitz. [445] =sich unterstellen müssen=, untergesteckt werden, um dem Feinde zu dienen. [446] =Schwäbisch Hall=, Oberamtsstadt in Baiern, am Kocher. [447] =Philippsburg=, ehemals Reichsfestung in Baden, an der Salzbach. [448] =Nidda=, Nebenfluß des Mains, in Hessen-Darmstadt, mündet bei Höchst. [449] =spielten zusammen=, d. h. miteinander. [450] =Camberger Grund=, Thal bei Camberg am Emsbach. [451] =Schwabenhausen=, es ist wol Schwabhausen im bairischen Bezirksamt Dachau; ein anderes liegt im Bezirksamt Landsberg: kleine Dörfer. [452] =Denkendorf=, Dorf in Baiern, Landgericht Kipfenberg. [453] Vgl. die Einleitung. [454] =Dientlen=, Dirnen. Das zwanzigste Capitel. Continuation solcher Histori biß zum Friedensschluß und endlicher Abdankung. »Der alte Stern wolte uns aber zur Erneuerung unsers alten Kriegs, wie etwan hiebevor, zum alten Glück nicht mehr leuchten: Mercy war todt, Joan de Werth nicht mehr unser, und der Holzapfel, sonst Melander, den Schweden und Franzosen nicht so herb und handig[455] wie etwan zuvor den Kaiserischen, da er noch den Hessen dienete, wiewol der rechtschaffne Soldat das Seinig thät, ja sein Leben dargab, als uns der Feind über den Lech und über die Iser jagte. Damals schrien uns etliche vom Gegentheil über das Wasser zu (als wir nämlich wie eine Maur stunden und uns durch des Feinds Geschütz so viel als nichts bewegen ließen), wir solten nur eilen mit der Flucht, so wolten sie uns an Oerter jagen, alwo eine Kuh einen halben Batzen gelten solte. Diese haben errathen, was sie wahrsagten, und als wir ihrem Rath zu folgen durch ihre Meng gezwungen wurden, hab ich endlich erlebt, daß unter den Unserigen eine Kuh nicht nur um einen halben Batzen, sonder auch sogar um eine verächtliche Pfeif Tabak hingegeben worden. Damals stund unser Sach liederlich; der von Gronsfeld konte so wenig als Melander zuwegen bringen, daß jemand aus den Unserigen füglich mit Lorberkränzen bekrönt werden möchte, sonder wir musten, was nicht in den wehrlichen[456] Oertern liegen bliebe, auch so gar über den Innstrom hinüber passieren, welchen zu überschreiten auch das Gegentheil erkühnete.« »Aber an diesem strengen Fluß hat sich der strenge Siegslauf und das Glück der Schweden und Franzosen gestoßen. Ich lag unter sieben doch schwachen Regimenten in Wasserburg[457], als beide Feindsarmeen suchten denselbigen Ort zu bezwingen und über besagten Fluß in das gegenüberliegende volle Land zu gehen, in welchem etliche steinalte Leute die Tag ihres Lebens noch niemalen keine Soldaten gesehen hatten. Weil aber wegen unserer tapferer Gegenwehr unmüglich war, etwas daselbst auszurichten, unangesehen sie uns mit glühenden Kugeln zusprachen, giengen sie auf Mühldorf[458] und wolten dort ins Werk setzen, was sie zu Wasserburg nicht zu thun vermocht. Aber ihnen widerstund daselbst einer von Hunoltstein, ein kaiserliche Generalsperson, biß sie der vergeblichen Arbeit müd wurden und ihr Hauptquartier zu Pfarrkirchen[459] nahmen, alwo sie erstlich der Hunger und endlich die Pest zu besuchen anfieng, die sie auch endlich zwischen dem Tirolischen Gebürg und der Donau, zwischen dem Inn und der Iser hinaus getrieben, wann sie das Generalarmistitium, so dem volligen Frieden vorgieng, nicht veranlaßt hätte, bessere Quartier zu beziehen.« »Unter währendem Stillstand wurde unser Regiment nach Hilperstein[460], Heideck[461] und selbiger Orten herum gelegt, da sich ein artliches Spiel unter uns zugetragen; dann es fande sich ein Corporal, der wolte Obrister sein, nicht weiß ich, was ihn vor eine Narrheit darzu angetrieben. Ein Musterschreiber[462], so allererst aus der Schul entloffen, war sein Secretarius, und also hatten auch andere von seinen Creaturen andere Officia und Aemter. Viel neigten sich zu ihm, sonderlich junge ohnerfarne Leut, und jagten die höchste Offizier zum theil von sich, oder nahmen ihnen sonst ihr Commando und billichen Gewalt. Meines gleichen aber von Unterofficieren ließen sie gleichwol gleichsam wie neutrale Leut in ihren Quartieren noch passiren. Und sie hätten auch ein Großes ausgerichtet, wann ihr Vorhaben zu einer andern Zeit, nämlich in Kriegsnöthen, wann der Feind in der Nähe und man unserer beiseits[463] nöthig gewesen, ins Werk gesetzt worden wäre; dann unser Regiment war damals eins von den stärksten und vermochte eitel geübte wol montirte Soldaten, die entweder alt und erfahren oder junge Wagehäls waren, welche alle gleichsam im Krieg auferzogen worden. Als dieser von seiner Thorheit auf gütlichs Ermahnen nicht abstehen wolte, kam Lapier und der Obriste Elter mit commandirten Völkern, welche zu Hilperstein ohne alle Mühe und Blutvergießung Meister wurden und den neuen Obristen viertheilen, oder besser zu sagen, fünftheilen (dann der Kopf kam auch sonder) und an vier Straßen auf Räder legen, 18 ansehenliche Kerl aber von seinen Principalanhängern zum Theil köpfen und zum Theil an ihre allerbeste Hälse aufhenken, dem Regiment aber die Musqueten abnehmen und uns alle auf ein neues dem Feldherrn wieder schwören ließen. Also wurde ich noch vor meinem Ende oder vor dem völligen Frieden aus einem Fourier zu einem Quartiermeister und das Regiment aus Dragonern zu Reutern gemacht, und dieses ist das Letzte, was ich dir, mein Simplice, von meiner teutschen Kriegshistori zu erzählen weiß, ohne daß wir bald hernach abgedankt worden, zu welcher Zeit ich drei schöne Pferd, einen Knecht und einen Jungen, auch ohngefähr bei 300 Ducaten in baarem Geld ohne die drei Monatsold vermöchte, die ich bei der Abdankung empfieng, dann ich hatte nun ein geraume Zeit hero kein Unglück gehabt, sonder Geld gesamlet. Und also muste ich aufhören zu kriegen, da ich vermeinte, ich könte es zum besten. Den Knecht und Jungen fertigte ich ab, so gut als ich konte, versilberte zwei Pferd und sonst alles, was Geld golte, und begab mich mit dem Ueberrest nach Regenspurg, um zu sehen, wie ich meinen Handel ferner anstellen, oder was mir sonst vor ein Glück zustehen möchte.« FUSSNOTEN: [455] =handig=, hurtig, behende. [456] =wehrlich=, gut befestigt und vertheidigt. [457] =Wasserburg=, Bezirkshauptstadt am Inn, Baiern. [458] =Mühldorf=, Stadt im Amtsbezirk gleichen Namens, Baiern. [459] =Pfarrkirchen=, Flecken, Sitz des gleichnamigen Landgerichts in Niederbaiern. [460] =Hilperstein=, Hilpoltstein, Flecken und Sitz eines Bezirksamts, Baiern. [461] =Heideck=, bei Hilpoltstein. [462] =Musterschreiber=, der die Musterrollen führt, in welche die Namen der Soldaten eingetragen werden. [463] =beiseits=, besonders. Das einundzwanzigste Capitel. Springinsfeld verheurath sich, gibt einen Wirth ab, welches Handwerk er misbraucht, wird wieder ein Witwer und nimt sein ehrlichen Abschied hinter der Thür[464]. »Ich war damals ein Mann von ungefähr 50 Jahren und traf zu bemeldtem Regenspurg eine verwittibte Leutenantin an, die war nit viel jünger, hatte auch nicht viel weniger Geld als ich. Und weil wir einander öfters bei der Armee gesehen, machten wir desto ehender Kundschaft mit einander. Sie merkte Geld hinter mir und ich hinter ihr auch, und dannenhero fieng gleich eins das ander an zu vexiren, ob es nicht mit uns beiden ein Paar geben könte, sagten auch beidenseits, wers nicht glauben wolte, der möchte es zählen. Sie war in dem Land zu Haus, darin man allerhand Religionen passiren läßt[465], und solches war vor mich, weil ich noch keiner zugethan, sintemal ich alsdann die Wahl haben konte, unter so vielen eine anzunehmen, die mir am besten gefiele. Sie konte von ihren Reichthumen zu Haus nicht genug aufschneiden, viel weniger genug beklagen, daß sie in ihrer Jugend gleich im Anfang des Kriegs von ihrem Mann seligen von denselbigen[466] hinweg geraubt und bei Einnehmung ihres Heimats zu seinem Weib wider ihren Willen gemacht worden wäre, worbei man unschwer abnehmen kan, daß sie nicht mehr jung gewesen, weil ihr so wol als mir die erste Einnehmung der Festung Frankenthal[467] gedachte. Was darfs aber vieler Umstände? Wir machtens gar kurz mit einander und traten nicht allein mit der Heurathsabred, sonder auch mit der Copulation geschwind zusammen. Beiderseits Zubringens halber ward unter andern auch diß abgehandelt und verschrieben, daß ich, wann sie vor mir absterben solte ohne Leibserben, darzu bei ihr dann ohnedas keine Hoffnung mehr war, alsdann die Tage meines Lebens den Sitz und Genuß auf ihrem Gut haben, ihren Sohn aber, den sie von ihrem ersten Mann hatte, ehrlich aussteuren solte. 100 Gulden behielte ich mir vor, dieselbe hin zu vermachen und zu verschenken, wohin ich wolte. Als nun diese Glock dergestalt gegossen, eileten wir in ihr Vatterland, alwo ich zwar ein wolgelegen steinern Wirthshaus fande wie ein Schloß, aber darum weder Oefen, Thüren, Läden noch Fenster, also daß ich beinahe so viel zu bauen hatte, als wann ichs von neuem hätte angefangen. Das überstunde ich mit feiner Geduld und wendet mein Geldchen, und was mein Weibchen hatt, getreulich an, so daß ich vor einen braven Wirth in einem braven Wirthshause gehalten werden konte; und mein Weib konte auch den Judenspieß so wol führen, als ein sechzigjähriger Burger von Jerusalem hätte thun mögen, also daß unser Seckel, ohnangesehen der schweren Ausgaben (dann ich muste auch Friedengeld[468] geben, da ich doch viel lieber noch länger Krieg haben mögen), nicht leichter, sonder viel schwerer wurde, vornehmlich darum, weil es damals viel reisende Leut gab, beides von Handelsleuten, Exulanten und abgedankten Soldaten, die ihr Vatterland wieder suchten, welchen allen mein Weib gar ordenlich zu schrepfen wuste, weil ihr Haus hierzu sehr gelegen war.« »Hierbeneben schachert ich auch mit Pferden, welcher Handel mir trefflich wol zuschlug, und gleich wie mein Weib ein lebendigs Erzmuster eines Geizwansts war, also gewöhnte sie mich auch nach und nach, daß ich ihr nachöhmte und alle meine Sinne und Gedanken anlegte, wie ich Geld und Gut zusammen scharren möchte. Ich wäre auch zeitlich zu einem reichen Mann worden, wann mich das Unglück nicht anderwärtlicher Weise geritten.« »Es werden gemeiniglich diejenige, so prosperirn, von andern Leuten beneidet und angefeindet, und das um so viel desto mehr, je mehr bei denen, so reich werden, der Geiz verspürt wird; dahingegen die Freigebigkeit bei männiglich Gunst erwirbt, vornehmlich wann sie mit Demuth begleitet wird. Solchen Neid verspüret ich nicht ehender, als biß seine Würkung ausbrach; dann gleichwie meine Nachbarn sahen, daß meine Reichthum zusehens grüneten und aufwuchsen, also fienge ein jeder an, nachzusinnen, durch welchen Weg mir doch solche so häufig zufallen möchten, so gar daß auch etliche entblödeten zu gedenken, ich und mein Weib könte hexen. Und also gab ein jeder ohn Wissen auf mein Thun und Lassen heimlich genaue Achtung. Unter andern war ein Erzfunk[469] an demselbigen Ort, dem ich ehemalen ein schön groß Stück wolgelegener und fast lustiger Wiesen abpracticirt, das er mir nit gönnet, wiewol ichs ihm ehrlich bezahlt hatte. Derselbe beriethe sich mit einem Holländer und einem Schweizer, dann es wohneten allerlei Nationen an selbigem Ort, wie sie mir doch hinter die Quelle meiner Reichthum kommen und mir eins anmachen[470] möchten, und hierauf waren sie desto geflissener, weil bereits etliche deren Landsleute aufgewannet[471] hatten und verdorben waren, als welche sich nicht in dieselbe Landsart schicken können. Einmals kamen mir zween Wägen voll Wein, der durch die Umgelter[472] gleich angeschnitten und in Keller gelegt wurde, eben als ich den folgenden Tag eine ansehenliche Hochzeit tractiren solte. Weil nun gedachte meine drei Neider mir zugetrauten, ich könte aus Wasser Wein machen, schütteten sie mir noch denselben Abend etwas von geschnittenen Stroh, das man den Pferden unter dem Habern zu füttern pflegt, in meinen Brunnen, und als sich dasselbige den andern Tag auch in dem Wein fande, sihe, da war mir die Hand im Sack erwischt. Man visitirt alle Faß und fande mehr Wein, als ich eingelegt hatte, und in jedwederen Faß etwas von dem Häckerling; und ob ich gleich schwören konte, daß ich von dieser Mixtur nichts gewust, dann mein Weib und ihr Sohn waren ohne mich vor dißmal so endlich[473] gewest, so half es doch nichts, sonder der Wein ward mir genommen und ich noch darzu um 1000 fl. gestraft, welches meinem Weibchen dermaßen zu Herzen gieng, daß sie vor Scham und Bekümmernus darüber erkrankte und den Weg aller Welt gieng. Es wäre mir auch die Wirthschaft ferners zu treiben gar niedergelegt worden, wann desselbigen Orts ein andere solche ansehenliche Gelegenheit vorhanden gewesen wäre, die sich zu einer Wirthschaft geschickt hätte.« »Nach dieser Geschichte wurde ich allererst gewahr, was vor Freunde und was Feinde ich bißher gehabt. Ich wurde so veracht, daß kein ehrlicher Mann etwas mehr mit mir zu schaffen wolte haben. Niemand grüßte mich mehr, und wann ich jemand einen guten Tag wünschte, so wurde mir nicht gedankt. Ich kriegte schier keine Gäste mehr, ausgenommen wann etwan irgends ein Fremdling verirret, oder ein solcher noch nichts von meiner Kunst gehöret hatte. Solches alles war mir schwer zu ertragen, und weil ich ohnedas auch eine Kurzweil mit zweien Mägden angestellt hatte, welches in Bälde seinen Ausbruch mit Händen und Füßen nehmen würde, so packte ich von Geld und Geldswerth zusammen, was sich packen ließe, setzte mich auf mein bestes Pferd, und als ich vorgeben, ich hätte meiner Gewohnheit nach Geschäfte zu Frankfort zu verrichten, nahm ich meinen Weg auf die rechte Hand der Donau zu, dem Grafen von Serin[474], der damal fast die ganze Welt mit dem Ruf seiner Tapferkeit erfüllet, wider den Türken zu dienen.« FUSSNOTEN: [464] =den Abschied hinter der Thür nehmen=, heimlich davon gehen. [465] die bairische Pfalz. [466] =von denselbigen=, nämlich von ihren Reichthümern. [467] =Frankenthal=, die Einnahme oder vielmehr die Belagerung geschah im Jahre 1621; vgl. oben S. 182. [468] =Friedengeld=, Abgaben, Steuern zu den Kosten der Friedensverhandlungen, wie aus dem Nachsatz hervorgeht. Vgl. Grimmelshausen's »Traumgesicht« (Ausgabe 1684), S. 739. [469] =Funke=, =Fünkchen=, Schelm, verwegener Mensch. [470] =eins anmachen=, etwas anthun, zu Leide thun. [471] =aufgewannet.= Die übrigen Drucke haben »darauf gewohnet«. =Aufwannen=, mit dem Vermögen aufräumen, es durchbringen oder verlieren. [472] =Umgelter=, Zolleinnehmer. [473] =endlich=, mhd. ~endelich~, anstellig, hurtig, fleißig, geschäftig. [474] =Graf von Serin=, vgl. die Einleitung. Das zweiundzwanzigste Capitel. Türkenkrieg des Springinsfelds in Ungarn und dessen Verehlichung mit einer Leirerin. »Was ich mir gewünscht, das hab ich auch gefunden und erhalten, ohne daß ich nicht dem Serin, sonder dem Römischen Kaiser selbst gedienet. Ich kam eben, als etliche freiwillige Franzosen sich eingefunden, ihrem König zu Gefallen wider die türkische Säbel Ehr einzulegen. Derselbe Krieg gefiele mir nicht halber, und ich hatte auch weder ganzes noch halbes Glück darinnen, weil ich mich anfänglich nicht darein richten oder den Brief recht finden konte, zu lernen, wie mans machen müste, daß man sich auch reich und groß kriegte. Doch schlendert ich so mit und suchte jederzeit in den allerschärfsten Occasionen entweder meinen Tod oder Ehr und Beuten zu erlangen, verblieb aber allzeit in dem Pfad der Mittelmaß, und wann ich gleich zu Zeiten irgends eine Beut machte, so hatte ich doch niemals weder das Glück noch die Witz[475] noch die Gelegenheit, solche zu meinem Nutz aufzuheben und zu verwahren. Und solcher Gestalt brachte ich mich durch[476] biß in die allerletzte Hauptaction, in deren die Unserige zwar oben lagen, ich aber mein vortrefflich Pferd durch einen Schuß verlor und unter demselben liegen verbleiben muste mit gesundem Leibe, biß beides Freund und Feind das Feld getheilt und sich etlichmal über mich hinüber geschwenkt hatten; da ich dann von den Pferden so ellend zertreten worden, daß ich alle Kräfte meiner Sinnen verloren, von den Siegern selbst vor todt gehalten und auch als ein Todter gleich andern Todten meiner Kleider beraubt worden, in denen ich etliche schöne Ducaten versteckt hatte.« »Da ich nun wieder zu mir selber kam, war mir nicht anders, als wann ich geradbrecht oder mir sonst Arm und Bein entzwei geschlagen worden wäre. Ich hatte nichts mehr an als das Hemd und konte weder gehen, sitzen noch stehen, und weil jeder verpicht war, die Todte zu plündern und Beuten zu machen, als ließe mich auch ein jeder liegen, wie ich lag, biß mich endlich einer von meinem Regiment fande, durch dessen Anstalt ich zu unserer Bagage gebracht und da von diesem, dort von jenem mit Kleidern und einem Feldscherer versehen wurde, der mich hin und wieder mit seinem ~Oleum Bapolium~[477] schmirbte[478].« »Da war ich nun zum allerellendesten Tropfen von der Welt worden. Der Marquetender, so mich führen, und der Feldscherer, so mich curiren solte, waren beide unwillig, und überdas muste ich Hunger leiden um einen geringen Pfenning, dann mit dem Commißbrod wurde meiner mehrmals vergessen, und bettlen zu gehen hatte ich die Kräften nicht. Indem ich mich nun allerdings darein ergeben hatte, ich müste auf dem Marquentenderwagen endlich crepirn, blickte mich wieder ein geringes Glück an, daß ich nämlich mit andern Kranken und Beschädigten mehr in die Steirmark muste, alwo wir verlegt wurden, unsere Gesundheit wieder zu erholen. Das währete, biß wir nach dem unversehenen Friedensschluß zum theil unseren Abschied kriegten, unter welchen Abgedankten ich mich auch befande, und nachdem ich meine Schulden bezahlt, weder Heller noch Pfenning und noch darzu kein gut Kleid auf dem Leib behielte.« »Ueberdas war es mit meiner Gesundheit auch noch nicht gar richtig, in Summa da war guter Rath theuer und bei mir Bettlen das beste Handwerk, das ich zu treiben getraute. Dasselbe schlug mir auch besser zu als der ungrische Krieg, dann ich fande ein faules Leben und süßes Brod, bei welchem ich bald wieder meine vorige Kräfte eroberte, weil diejenige gern gaben, die bedachten, daß ich um Erhaltung der Christenheit Vormaur willen in Armuth und Krankheit gerathen war.« »Als ich nun meine Gesundheit wieder völlig erhalten, kam mir drum nit in Sinn, mein angenommenes Leben wieder zu verlassen und mich ehrlich zu ernähren, sonder ich machte vielmehr mit allerhand Bettlern und Landstörzern gute Bekant- und Cameradschaft, vornehmlich mit einem Blinden, der viel bresthafte Kinder und gleichwol unter denselbigen eine einzige gerade[479] Tochter hatte, die auf der Leier spielte und nicht allein sich selbst damit ernährte, sonder noch Geld zuruck legte und ihrem Vatter davon mittheilte. In diese verliebte ich mich alter Geck, dann ich gedachte: diese wird in deiner angenommenen Profession ein Stab deines vorhandenen und nunmehr verwiesenen[480] Alters sein.« »Und damit ich auch ihre Gegenlieb und also sie selbsten zu einem Weib bekommen möchte, überkam ich eine Discantgeige ihr zu Gefallen und half ihr beides vor den Thüren und auf den Jahrmärkten, Baurentänzen und Kirchweihen in ihre[481] Leir spielen, welches uns trefflich eintrug, und was wir so mit einander eroberten, theilte ich mit ihr ohne allen Vorthel. Die allerweißeste Stücklein Brod ließe ich ihr zukommen, und was wir an Speck, Eier, Fleisch, Butter und dergleichen bekamen, ließe ich allein ihren Eltern, dahingegen ich bißweilen bei ihnen etwas Warms schmarotzte, insonderheit wann ich etwan da oder dort einem Bauren eine Henn abgefangen, die uns ihre Altmutter auf gut bettlerisch (das ist beim allerbesten) zu säubern, zu füllen, zu spicken und entweder gesotten oder gebraten zuzurichten wuste. Und damit bekam ich sowol der Alten als der Jungen ihre Gunst, ja sie wurden so verträulich mit mir, daß ich mein Vorhaben nicht länger verbergen oder aufschieben konte, sonder um die Tochter anhielte, darauf ich dann auch das Jawort stracks bekam, doch mit dem ausdrücklichen Geding und Vorbehalt, daß ich mich, so lang ich sein Tochter hätte, nirgendshin häuslich niederlassen noch den freien Bettlerstand verlassen und mich unter dem Namen eines ehrlichen Burgersmann irgends einem Herrn unterthänig zu machen nit verführen lassen solte; zweitens solte ich auch fürderhin des Kriegs müßig stehen, und drittens mich jeweils auf des Blinden Ordre mit seiner Familia aus einem friedsamen guten Land in das ander begeben. Dahingegen versprach er mir, mich auf solchen Gehorsam also zu leiten und zu führen, daß ich und seine Tochter keinen Mangel leiden solten, ob wir gleich bißweilen in einer kalten Scheuer vorlieb nehmen müsten.« »Unsere Hochzeit wurde auf einem Jahrmarkt begangen, da sich allerhand Landstörzer von guten Bekanten beifanden, als Puppaper[482], Seiltänzer, Taschenspieler, Zeitungssinger, Haftenmacher[483], Scheerenschleifer, Spengler[484], Leirerinnen, Meisterbettler, Spitzbuben, und was des ehrbaren Gesindels mehr ist. Ein einzige alte Scheuer war genug, beides Tafel und das Beilager darin zu halten, in deren wir auf türkisch auf der Erden herum saßen und gleichwol auf alt teutsch herum soffen. Der Hochzeiter und seine Braut muste selbst in Stroh verlieb nehmen, weil ehrlichere Gäste die Wirthshäuser eingenommen hatten, und als er murren wolte, um daß sie ihre Jungfrauschaft nit zu ihm bracht, sagte sie: «Bistu so ein ellender Narr, daß du bei einer Leirerin zu finden vermeint hast, das noch wol andere Kerl, als du einer bist, bei ihren ehrlich geachten Bräuten nicht finden? Wann du in solchen Gedanken gewesen bist, so müste ich mich deiner Einfalt und Thorheit zu krank lachen, sonderlich weil dessentwegen keine Morgengab mit dir bedingt worden.»« »Was solte ich thun? Es war halt geschehen. Ich wolte zwar das Maul um etwas henken, aber sie sagte mir ausdrücklich, wann ich sie diß Narrenwerks halber, das doch nur in einem eitelen Wahn bestünde, verachten wolte, so wüste sie noch Kerl, die sie nicht verschmähen würden.« FUSSNOTEN: [475] =die Witz=, ~fem.~ wie im Mhd., der Verstand. [476] =durch=, die Ausgaben haben als Druckfehler: »durch solche«. [477] =~Oleum Bapolium~=, ~Oleum popoleum~, Pappelöl, aus den Knospen der Pappel bereitet als schmerzstillendes Mittel. [478] =schmirben=, mhd. ~smirwen~, schmieren. [479] =gerade=, gerade gewachsen. [480] =verwiesen=, wie im Mhd. ~verwisen~, hinausgewiesen, verbannt, heimatlos. [481] =in ihre=, zu ihrer. [482] =Puppaper=, niedersächsisch(?) Puppenspieler, der mit Puppen sein Affenspiel treibt. [483] =Haftenmacher=, der Hefteln und Stecknadeln macht. [484] =Spengler=, Gürtler, Klempner. Das dreiundzwanzigste Capitel. Seines blinden Schwähers, der Schwiegermutter und seines Weibes wird Springinsfeld nacheinander wieder los. »Wiewol ich dieses Possens halber noch lang hernach grandige[485] Grillen im Capitolio hatte, so war meine Leirerin dannoch so verschmitzt, listig und freundlich, daß sie mir endlich dieselbe nach und nach vertriebe, dann sie sagte, wann mir ja so viel daran gelegen wäre, so wolte sie mir gern vergönnen, ja selbst die Anstalt darzu machen, daß mir anderwärts eine Jungfrauschaft gleichsam wie im Raub zu theil werden müste; aber das junge Rabenaas übertrieb[486] und hielte mich so streng, daß ich anderer wol vergaß. Und eben diese ists, die mich gelernet hat, kein Tuch mehr zu einem Weib vor mich zu kaufen, wann gleich alle Tag Jahrmarkt wäre. Sie brachte es endlich auch dahin, daß ich beinahe der Knecht, sie und ihre Eltern aber die Herren über mich waren, unangesehen ich so viel mit meiner Geigen, dem Taschenspiel und anderer Kurzweil zuwegen brachte, daß ich ein fettes Maulfutter und faule Täge ohne sie hätte haben mögen. Ueberdas plagte mich die Eifersucht auch nicht wenig, weil ich vielmal mit meinen Augen sehen muste, daß sie sich viel ausgelassener und geiler gegen den Kerlen heraus ließe, als die Ehrbarkeit einer frommen Leirerin zuließe. Daß ich aber solches alles erduldete und mich endlich ganz und gar drein ergeben konte, war die Ursach, daß ich meinem Alter nicht trauete, besorgende, dessen herannahende Gebrechlichkeit möchte mich etwan in eine Krankheit werfen, in deren ich alsdann von aller Welt verlassen sein würde, wann ich diß mein ehrlich Weib und ihre ehrbare Freundschaft vorn Kopf stieße, welche gleichwol bei 300 Reichsthalern, das ich nur wuste, in Geld beisammen hatten, solches auf dergleichen Nothfall anzuwenden. Ja, was mehr ist, ich ließe endlich mein Weib als ein junges geiles Ding grasen gehen, wo es wolte, weil ich selbst nit viel mehr möchte, und machte mir hingegen die faule Täg mit Essen und Trinken zu nutz. Endlich verhartet ich in diesem Spenglerleben[487], darin wir gar verträulich mit einander zu hausen anfiengen, daß ich zuletzt keiner Ehrbarkeit mehr achtete.« »Indessen haben wir Unter- und Oberösterreich, das Ländlin der Ens, das Erzbisthum Salzburg und ein gut Theil von Baiern durchstrichen, alwo mir mein Schwähervatter an einem Schlagfluß erstickt. Die Mutter folgt ihm hernach und ließe uns fünf ellende Krüppel zu versorgen. Der älteste Sohn wolte Herr vor sich selbst sein und das Almosen allein suchen; das ließen ich und mein Weib gern geschehen. Zu den übrigen vieren aber hatten wir zweinzig Meister vor einen; es waren aber nur starke Bettlerinnen, die solche zu sich nahmen, das Almosen mit ihrer Armseligkeit einzutreiben. Wir ließen sie ihnen auch gern folgen, weil wir bedacht waren, unser Nahrung nicht mehr unter dem Schein ellender Bettler, sonder durch unser Saitenspiel zu gewinnen, welches reputierlicher zu sein schiene und meinem Weib, wie ich darvor halte, auch besser zuschlug.« »Derowegen ließe ich mich und sie ein wenig besser kleiden, nämlich auf die Mode, wie Leirergesindel aufzuziehen pflegt; auch bekam ich zu meiner Gaukeltaschen etliche Puppen, damit ich hin und wieder den Bauren ums Geld ein angenehme Kurzweil machte, dann wir fiengen an und zohen nur den Jahrmärkten und Kirchweihen nach, welches unser Geld nach und nach ziemlich vermehrte. Wir saßen einsmals bei einander im Schatten an einem lustigen Gestad eines stillen vorüberfließenden Wassers, nicht nur zu ruhen, sonder auch zu essen und zu trinken, was wir mit uns trugen. Da machten wir Anschläg, wie wir auch einen Puppaperkram mit einem Glückhafen, Trillstern[488], Würfel- und Riemenspiel[489] aufrichten wolten, um unsern Gewinn damit zu vermehren, dann wir hielten darvor, wann eins nit abgieng[490], so gieng doch das ander. Unter solchem Gespräch sahe ich an dem Schatten oder Gegenschein eines Baums im Wasser etwas auf der Zwickgabel[491] liegen, das ich gleichwol auf dem Baum selbst nicht sehen konte. Solches wiese ich meinem Weib wunderswegen. Als sie solches betrachtet und die Zwickgabel gemerkt, worauf solches lag, klettert sie auf den Baum und holet herunter, was wir im Wasser gesehen hatten. Ich sahe ihr gar eben zu und wurde gewahr, daß sie in demselben Augenblick verschwand, als sie das Ding, dessen Schatten wir im Wasser gesehen, in die Hand genommen hatte. Doch sahe ich noch wol ihre Gestalt im Wasser, wie sie nämlich den Baum wieder herunter kletterte und ein kleines Vogelnest in der Hand hielte, das sie vom Baum herunter genommen hatte. Ich fragte sie, was sie für ein Vogelnest hätte. Sie hingegen fragte mich, ob ich sie dann sehe. Ich antwortet: Auf dem Baum sehe ich dich selbst nicht, aber wol deine Gestalt im Wasser.« »Es ist gut, sagte sie, wann ich hinunter komm, so wirstu sehen, was ich habe.« »Es kam mir gar verwunderlich vor, daß ich mein Weib solte reden hören, die ich doch nicht sahe, und noch seltzamer wars, daß ich ihren Schatten an der Sonnen wandlen sahe und sie selbst nicht. Und da sie sich besser zu mir in den Schatten näherte, so daß sie selbst keinen Schatten mehr warf, weil sie sich nunmehr außerhalb dem Sonnenschein im Schatten befand, konte ich gar nichts mehr von ihr merken, außer daß ich ein kleines Geräusch vernahm, das sie beides mit ihren Fußtritten und ihrer Kleidung machte, welches mir vorkam, als wann ein Gespenst um mich herummer gewesen wäre. Sie setzte sich zu mir und gab mir das Nest in die Hand. Sobald ich dasselbige empfangen, sahe ich sie wiederum, hingegen aber sie mich nicht. Solches probierten wir oft mit einander und befanden jedesmal, daß dasjenige, so das Nest in Händen hatte, ganz unsichtbar war. Darauf wickelt sie das Nestlein in ein Nastüchel, damit der Stein oder das Kraut oder Wurzel, welches sich im Nest befande und solche Würkung an sich hatt, nicht heraus fallen solte und etwan verloren würde, und nachdem sie solches neben sich gelegt, sahen wir einander wiederum wie zuvor, ehe sie auf den Baum gestiegen. Das Nestnastüchel sahen wir nit, konten es aber an demjenigen Ort wol fühlen, wohin sie es gelegt hatte.« »Ich muste mich über diese Sach, wie leicht zu gedenken, nicht wenig verwundern, als warvon ich mein Lebtage niemalen nichts gesehen noch gehöret. Hingegen erzählte mir mein Weib, ihre Eltern hätten vielmal von einem Kerl gesagt, der ein solches Nest gehabt und sich durch dessen Kraft und Würkung ganz reich gemacht hätte; er wäre nämlich an Ort und Ende hingangen, da viel Geld und Guts gelegen, das hätte er unsichtbarer Weis hinweg geholet und ihm dardurch einen großen Schatz gesamlet; wann ich derowegen wolte, so könte ich durch diß Kleinod unserer Armuth auch zu Hülf kommen. Ich antwortet: Diß Ding ist mislich und gefährlich, und möchte sich leicht schicken, daß sich irgends einer fände, der mehr als andere Leut sehen könte, durch welchen alsdann einer ertappt und endlich an seinen allerbesten Hals aufgehenkt werden möchte. Ehe ich mich in eine solche Gefahr begeben und allererst in meinen alten Tagen wiederum aufs Stehlen legen wolte, so wolte ich ehender das Nest verbrennen.« »Sobald ich diß gesagt und mein Weib solches gehöret hatte, erwischte sie das Nest, gieng etwas von mir und sagte: Du albere alte Hundsfutt, du bist weder meiner noch dieses Kleinods werth, und es wäre auch immer schad, wann du anderster als in Armuth und Bettelei dein Leben zubringen soltest. Gedenke nur nicht, daß du mich die Tage deines Lebens mehr sehen, noch dessen, was mir diß Nest eintragen wird, genießen sollest.« »Ich hingegen bat sie, wiewol ich sie nit sahe, sie wolte sich doch in keine Gefahr gehen, sonder sich mit deme genügen lassen, was wir täglich vermittelst unsers Saitenspiels von ehrlichen Leuten erhielten, dabei wir gleichwol keinen Hunger leiden dörften. Sie antwortet: Ja, ja, du alter Hosenscheißer, gehei dich[492] nur hin, und brühe[493] deine Mutter! &c.« FUSSNOTEN: [485] =grandig=, heftig, außerordentlich. [486] =übertreiben=, übermäßig in Anspruch nehmen. [487] =Spenglerleben=, ein faules Vagabundenleben, wie es die bettelhaften Spengler führen. Vgl. Spengler, schwäbisch, soviel wie träges Gähnen. [488] =Trillstern=, Drehscheibe, eine Art Roulette. [489] =Riemenspiel=, =Riemenstechen=, ein derartig künstlich zusammengerollter Riemen, daß jemand, der hindurchstechen will, stets vorbeisticht. [490] =abgehen=, einschlagen, gelingen. [491] =Zwickgabel=, gabelförmiger Zweig. [492] =sich geheien=, sich quälen, sich abmühen, dann auch in der Bedeutung: sich packen. [493] =brühen=, necken, foppen. Das vierundzwanzigste Capitel. Was die Leirerin vor lustige Diebsgriff und an anderen Possen angestellt, wie sie ein unsichtbarer Poltergeist, ihr Mann aber wieder ein Soldat gegen dem Türken wird. »Als ich nun mein leichtfertig Weib weder mehr hören noch sehen konte, schrie ich ihr gleichwol nach, sie solt ihren Bündl oder Pack auch mitnehmen, welchen sie bei mir liegen lassen; dann ich wuste wol, daß sie kein Geld darinnen, sonder unser Baarschaft in ihrer Brust vernähet hatte. Demnach gieng ich den nächsten Weg gegen der Hauptstadt desselbigen Landes, und wiewol ihr Nam fast geistlich[494] tönet, so gieng ich doch hinein, meine Nahrung mit dem Ton meiner weltlichen Schalmei und Geigen darin zu suchen.« »Damals fanden sich venetianische Werber daselbsten, welche mich dingten, daß ich ihnen mit meinem Saitenspiel und anderen kurzweilig und verwunderlichen Gaukelpossen einen Zulauf machen solte. Sie gaben mir neben Essen und Trinken alle Tag einen halben Reichsthaler, und da sie sahen, daß ich ihnen besser zuschlug als sonst drei Spielleut oder einige andere Lockvögel, die sie auf ihren Herd hätten wünschen mögen, andere zu fangen, überredeten sie mich, daß ich Geld nahm und mich stellete, als wann ich mich auch hätte unterhalten lassen. Und dieses machte, daß ich ihrer noch viel, die sonst nicht angangen wären, durch mein Zusprechen in ihre Kriegsdienste verstrickte. Unser Thun und Lassen war nichts anders als Fressen, Saufen, Tanzen, Singen, Springen und sich sonst lustig zu machen, wie es dann pflegt herzugehen, wo man Volk annimt. Aber dieses Henkermal bekam uns hernach in Candia wie dem Hund das Gras, der wol büßet, was er gefressen.« »Als ich einsmals ganz allein auf dem Platz daselbsten stund, das schöne Bild auf der Säulen[495] allda betrachtete und sonsthin nirgends gedachte, wurde ich gewahr, daß mir etwas Schweres in Hosensack hinunter rollete, welches ein Gerappel machte, daß ich daraus wol hören konte, daß es Reichsthaler waren. Da ich nun die Hand in Sack steckte und ein Handvoll Thaler griffe, höret ich zugleich meines Weibs Stimm, die sagte zu mir: Du alter Hosenscheißer, was verwunderst du dich über diß paar Dutzet Thaler? Ich gib sie dir, damit du wissest, daß ich deren noch mehr habe, auf daß du dich zu grämen Ursach habest, um willen du dich meines Glücks nicht theilhaftig gemacht. Vor dißmal gehe hin und versaufe diese, auf daß du deines Ellends ein wenig vergessen mögest!« »Ich sagte, sie solte doch mehr mit mir reden, mir meinen Fehler vergeben und Reguln vorschreiben, wie ich mich gegen ihr verhalten und die Versöhnung wieder erlangen solte; aber sie ließe sich gegen mir ferners weder hören noch sehen. Derowegen gieng ich in meine Herberg und zechte beides mit den Werbern und ihren Neugeworbenen im Brantwein biß in den Mittag hinein, bei welchem Imbis wir von unserem Wirth Zeitung bekamen, daß einem reichen Herrn in der Stadt viel Gold und Silber von Geld und Kleinodien ausgefischt worden wären, darunter sich tausend Reichsthaler und tausend doppelte Ducaten eines Schlags befanden. Ich spitzte die Ohren gewaltig, nahm ein Abtrittel aufs Secret, als hätte ich sonst was thun wollen, beschaute aber nur meine Thaler, deren 30 waren, und sahe ihnen an, daß mein ehelichs Weib obbemeldten reichen Zug gethan; sahe mich derowegen wol vor, damit ich keinen darvon ausgabe und mich nicht etwan selbst dardurch in Argwohn, Gefahr und Noth brächte. Aber was that mein Weib, das junge Rabenaas? Sie hat nicht nur mir, sonder bei hundert Personen unterschiedlichen Stands von ihren gestohlenen Thalern hin und wieder dem einen drei, dem andern vier, fünf, sechs, auch mehr in die Säcke gesteckt. Was nun reich, ehrlich und fromm war, das brachte das Geld seinem rechten Herrn wieder; was aber arm, gewissenlos und meines gleichen gewesen, hat ohne Zweifel sowol als ich behalten, was es in seinem Sack gefunden. Und ich kan nit ersinnen, warum sie diß gethan haben muß, es habe sich dann diese Vettel mit so schwerem Geld nicht schleppen mögen. Doch kan auch wol sein, daß sie solches per Spaß gethan, um etwas anzustellen, darüber sich die Leute zu verwundern hätten; dann als es gegen Abend kam, da das Volk aus der Salve[496] gieng und hin und wieder auf dem Platz stunde, seind bei zweihundert derselbigen Thaler von oben herunter geworfen, von den Leuten aufgelesen und mehrentheils ihrem Herrn zugestellt worden. Dieses verursachte, daß des Herrn unschuldig Gesind, welches Diebstahls halber im Verdacht und deswegen befängnußt war, wiederum auf freien Fuß gestellt wurde; und hoffte der bestohlene Herr, seine doppelte Ducaten würden auch wie die Thaler wieder hervorkommen; aber es geschahe nicht, dann das holde Gold ist viel schwerer als das Silber, und Sol[497] ist nicht so beweglich oder leichtveränderlich wie Luna.« »Den andern Tag wurde bei einem großen Herrn ein stattlich Banquet gehalten, darbei sich viel andere große Herren und ansehenlich Frauenzimmer befanden. Diese saßen alle in einem schönen großen Saal und hatten die vier beste Spielleut in der ganzen Stadt bei sich. Da es nun bei dem Confect auch an einen Tanz gehen solte, ließe sich unversehens bei den Spielleuten auch eine Leir hören, mit großem Schrecken aller deren, die im Saal waren. Die erste, die ausrissen, waren die Spielleut selbst, als welche das Geschnarr zunächst bei ihnen gehöret und doch niemand gesehen hatten. Ihnen folgten die übrige mit großer Forcht, und ihr Gedräng wurde desto heftiger, weil sie in dem Winkel, darin die Spielleute gesessen, ein gählings Gelächter noch mehrers erschreckte, also daß wenig gefehlet, daß nicht etliche unter der Thüren erdruckt wären worden. Nachdem nun jedermänniglich den Saal erzähltermaßen geraumt hatte, sahen etliche, so vor der Thür stehen zu bleiben und von fernen in Saal zu schauen das Herz behalten, wie bißweilen ein paar Sessel, bißweilen ein paar silberner Tischbecher, Platten und ander Geschirr mit einander herum tanzten; und obgleich diß Spiegelgefecht zeitlich ein End nahm, so hatte jedoch noch lang niemand das Herz, in den Saal zu gehen, unangesehen man Geistliche und Soldaten geholet, das Gespenst entweder mit Gebet oder mit Waffen abzutreiben; den Morgen frühe aber, als man wieder in den Saal kam, und nicht ein einziger Leffel, geschweige etwas anders von Silbergeschirr nicht mangelte, ohnangesehen die ganze Tafel damit überstellet war, stärkte diese Begebenheit den Wahn des gemeinen unbesonnenen Pöfels dergestalten, daß diejenige lucke[498] Klügling, die gestern wegen der seltzamen Geschicht mit dem gestohlnen Geld gesagt hatten: So recht! so muß der Hagel in die größte Häufen schlagen, damit das Geld auch wieder unter den gemeinen Mann komme! anjetzo sich nicht scheueten, zu lästern und zu sagen: Also muß der Teufel einen Spielmann abgeben, wo man der Armen Schweiß verschwendet.« »Noch eins muß ich erzählen, das meine andere und viel ärgere Courage als die erste Unholde meines Darvorhaltens aus lauter Rach angestellt. Sie hatte kurz zuvor einer Abtissin auf einem großen und reichen Stift zu Gefallen ihre Leir gestimmt, um derselben ein Liedlein, und zwar ein geistlichs, aufzuspielen, der Hoffnung, etwan einen halben oder ganzen Creutzer zur Verehrung zu erhalten; aber an Statt daß diese hören und ihre milde Hand aufthun solte, thät sie etwas zu streng und scharf den Mund auf und ließe hingegen mein guts Weibchen eine Predigt hören, die ihr eben so verdrüßlich als unverdaulich fiele; dann sie war eines solchen Inhalts, damit man die allerleichtfertigste Weibspersonen zu erschrecken und zur Besserung ihres Lebens zu zwingen und anzufrischen pfleget. Ach, die gute Abtissin mags wol gut gemeinet und ihr etwan eingebildet haben, sie hätte irgends eine Laienschwester zu capiteln vor sich! Ach nein, sie hatte ein ander Daus-Es[499], eine Schlang oder wol gar einen halben Teufel, deren Zung ich öfters schärpfer als ein zweischneidig Schwerd befunden habe.« »Potz Herget, Gnad Frau, sehet ihr mich dann vor eine Hur an? antwortet sie ihr; ihr müst wissen, daß ich meinen ehrlichen Mann habe, und daß wir nicht all Nonnen oder reich sein oder unser Brod bei guten faulen Tägen essen können Hat euch Gott mehr als mich beseligt, so dankt ihm darum, und wolt ihr mir seinetwillen kein Almosen geben, so laßt mich im übrigen auch ungestiegelfritzt![500] Wer weiß, wann vielleicht nicht so viel Almosen gegeben worden wären, ob nicht mehr Leirerinn als Nonnen gefunden würden &c.« »Mit solchen und mehr Worten schnurret sie damals darvon. Jetzunder aber hatte man auf dem Land und in der Stadt von sonst nichts zu sagen als von der Abtissin und einem Poltergeist, der sie so Tags so Nachts unaufhörlich plage, welches sonst niemand als mein Weib war. Das Erste, das sie ihr that, war, daß sie ihr die Ring des Nachts von den Fingern und die Kleider vom Bett hinweg nahm und solches in die Pfisterei[501] trug. Dem Becken[502] steckte sie die Ring an seinen Finger und legte der gnädigen Frauen Habit zu dessen Füßen, ohne daß sie dieselbe Nacht jemand gehöret oder gemerkt hätte. Und solches hat sie ohn Zweifel durch den Hauptschlüssel zuwege gebracht, den sie beim Kopf kriegt, weil er ungefähr um dieselbe Zeit verloren worden. Was nun hierdurch gleich in der Erste der guten Abtissin vor ein Verdacht zugewachsen, kan man leicht erachten. Man redete noch von vielen Sachen, damit sich das Gespenst mit der Abtissin vexirt, worwider weder Weihwasser, Agnus Dei[503] noch andere Sachen nichts helfen wolten, darvon man aber die Wahrheit außerhalb dem Kloster nicht wol erfahren konte.« »Indessen hatten meine Werber die Anzahl ihrer Mannschaft zusammen gebracht, und indem ich vermeinte, ich dörfte zuruck bleiben, sihe, da befand sich der Betrieger selbst betrogen, und muste der gute Springinsfeld eben sowol als die andere um die Candische Gruben springen, die er andern durch sein Zusprechen gegraben hatte, doch daß ich die Stell eines Corporals zu Fuß bedienen solte.« FUSSNOTEN: [494] =fast geistlich=: München. [495] =Das Bild auf der Säulen=, die Marianische Säule auf dem Schrannenplatz, von Kurfürst Maximilian ~I.~ zum Gedächtniß der Prager Schlacht 1638 errichtet. [496] =Salve= (~regina~), Gesang am Schluß des Abendgottesdienstes. [497] =Sol=, die Sonne, =Luna=, der Mond, als Zeichen der edeln Metalle. [498] =luck=, =lucker=, locker. [499] =Daus-Es.= Siehe oben S. 24. [500] =ungestiegelfritzt=, wie ungestriegelt. [501] =Pfisterei=, Klosterbäckerei (~pistorium~). [502] =Beck=, Bäcker. [503] =Agnus Dei=, Gotteslamm, ein Medaillon von Wachs, dem das Lamm mit der Siegesfahne aufgedrückt ist, von einem Papste geweiht und deshalb natürlich wunderthätig. Das fünfundzwanzigste Capitel. Was und wie Springinsfeld in Candia kriegt, auch wie er wieder in Teutschland kam. »Also nahmen wir, die wir unser Leben verkauft hatten und dannoch zu Erhaltung desselbigen ritterlich zu fechten gedachten, unsern Weg über den Zirlberg[504] auf Inspruck, folgends über den Brenner auf Trient und dann ferners nach Treviso, alwo wir alle ganz neu gekleidet und von dannen vollends nach Venedig geschickt, daselbst armirt und, nachdem wir ein paar Tag ausgeruhet, zu Schiff gebracht und nach Candia geführt wurden; in welchem ellendem Anblick[505] wir auch glücklich anlangten. Man ließe uns nicht lang feiren oder viel Schimmel unter den Füßen wachsen, dann gleich den andern Tag fielen wir aus und wiesen, was wir konten oder vermochten, unseren armseligen Steinhaufen beschützen zu helfen. Und dasselbe erste mal glückte es mir selbsten so wol, daß ich drei Türken mit meiner halben Pique spießte, welches mich so leicht und gering ankame, daß ich mir noch bis auf diese Stund einbilden muß, die armen Schelmen seien alle drei krank gewesen. Aber Beute zu machen, war ferne von mir, weil wir sich gleich wieder heim retiriren musten. Den andern Tag gieng es noch toller her, und ich brachte auch zween Männer mehr als den vorigen um, doch solche Tropfen, von welchen ich nicht glaubte, daß sie alle fünfe ein einzige Ducat vermöcht haben; dann mich dunkte, sie seien solche Gesellen gewesen, dergleichen es oft bei uns auch geben hat, die nämlich mit Darsetzung ihres Lebens die, so Thaler hatten, beschützen, bewachen und noch darzu mit ihren arbeitsamen Händen und ritterlichen Fäusten die Ehr der erhaltenen Ueberwindung erobern und ihnen noch drüberhin beides die Ehr, die Beut und die Belohnung darvon überlassen musten; dann mir wurden niemal kein Beg oder Beglerbeg[506], viel weniger gar ein Bassa[507] unter denjenigen zu sehen, die vorhanden waren, ihr Blut an das christliche zu setzen. Doch mag wol sein, daß der Antreiber hinter den Troupen von solchem Stoff mehr gewesen seien als der Anführer vornen an der Spitzen.« »Solche Art zu kriegen machte mich unwillig und verursachte, daß ich mitten in Candia der Schweden erkantliche[508] Manier loben muste, die ihre ohnedle[509] Soldaten, sie wären gleich fremder oder heimischer Nation gewesen, höcher als ihre edle und doch ohnkriegbare Landsleut ästimirt; wannenhero sie dann auch so großes Glück gehabt haben. Doch ließe ich mich ein als den andern Weg zu allem demjenigen gebrauchen, was einem redlichen Soldaten zustehet. Ich folgte auf der Erden wie ein ehrlicher Landsknecht, und unter derselbigen beflisse ich mich, auch die Künste der Maulwürfe zu übertreffen, und erwarbe doch nichts anders darmit als bißweilen eine geringe Verehrung. Und als kaum der zehende Mann von denen mehr lebte, die mit mir aus Teutschland kommen waren, wurde der ellende Springinsfeld über den noch ellenderen Rest seiner kranken Cameraden zu einem Sergiant gemacht, gleichsam als wann sein abgematter Leib und achzender Geist hierdurch wieder in die vorige Kräfte und Courage hätte gesetzt werden können.« »Hierdurch nun bekame ich Ursach, mich noch besser abzumerglen. Ich half die noch wenig übrige Roß fressen und verrichtet hingegen selbst größere als Roßarbeit. Indem mich nun in solchem Zustand kein feindlicher Musquetenschuß fällen oder ein türkischer Säbel verwunden konte, sihe, so schlug mir ein Stein aus einer springenden Minen so unbarmherzig an meinen einen Fuß, daß mir das Gebein in den Waden wie Sägmehl darvon zermalmet wurde und man mir den Schenkel alsobalden biß über das Knie hinweg nehmen muste. Aber diß Unglück kam nicht allein, dann als ich dort lag als ein soldatischer Patient, mich an meinem Schaden curirn zu lassen, bekam ich noch darzu die rothe Ruhr mit einem großen Hauptwehe, warvon mir der Kopf eben so sehr mit Fabeln[510], als mein Liegerstatt mit Unlust[511] erfüllt wurde.« »Nichts gesünder war mir damals, als daß mir Hoch und Nieder Zeugnus gab, ich wäre ein Ausbund von einem guten Soldaten gewesen; dann auf solches Lob wurden auch andere Medicamenten nicht gesparet, wiewol die Venetianer ihre Soldaten so wol als ihre Besem pflegen hinzuwerfen, wann sie solche ausgebraucht haben. Aber ich genosse[512] auch anderer ehrlicher Kerl, die noch lebten und das Ihrig thäten, damit sie kein Exempel hätten, das sie träg und verdrossen machen möchte. Als nun solche auch so dünn wurden, daß wir auf die Letzte kaum einen oder zween, die ihr völlige Gesundheit entweder bißhero erhalten oder doch wieder erholet hatten, auf die Posten thun konten, sihe, da wurde es unversehens Friede, als wir beinahe in letzten Zügen lagen. Nach unserer Abführung, und nachdem ich viel Ungelegenheit auf dem Meer ausgestanden, langten wir endlich zu Venedig wieder an. Viel von uns und unter denselben ich auch, die da verhofft hatten, dorten mit Lorberkränzen bekrönet und mit Gold überschüttet zu werden, wurden in das Lazareth daselbst logirt, alwo ich mich behelfen muste, biß ich gleichwol wieder heil wurde und auf meinem hölzernen Bein herummer stelzen konte.« »Folgends bekam ich meinen ehrlichen Abschied und etwas wenigs an Geld, dann ich wurde nit so wol bezahlt, als wann ich den redlichen Holländern in Ostindia gedient gehabt hätte. Hingegen wurde mir zugelassen, daß ich von ehrlichen Leuten eine Steuer zur Wegzehrung bettlen dorfte, und dergestalt completiret ich die Zahl meiner Ducaten, die ich noch habe, weil mir mancher Signor und manche andächtige Matron vor den Kirchen ziemlich reichlich mittheilten. Ich bedorfte vor keinen Soldaten aus Candia zu bettlen, dann man kante uns ohne das, sintemal wir fast alle, was übrig verblieben von uns, unsere Haar verloren hatten, sehr mager und ausgehungert und so schwarz aussahen wie die allerschwärzste Zigeuner. Weilen mir dann nun das Bettlen so wol zuschlug, trieb ichs fort, biß ich von Venedig wieder in Teutschland ankam, der Hoffnung, mein Weib wiederum anzutreffen und sie damit zu freuen[513], daß ich das Handwerk so wol gelernet und auch einen guten Werkzeug darzu, nämlich meinen Stelzfuß mitbrächte; dann ich gedachte: diß Ding kan ihr nicht übel gefallen, weil sie selbst aus dem vornehmlichsten Stammen der Erzbettler entsprossen.« FUSSNOTEN: [504] =Zirlberg=, Tirol, im Oberinnthal, mit der steilen Martinswand. [505] der =ellende Anblick=, bezieht sich auf den »armseligen Steinhaufen«. [506] =Beg=, =Bei=, Herr, Titel höherer Beamten und vornehmer Fremden; =Beglerbeg=, =Beilerbei=, Titel der Statthalter, welche sich drei Roßschweife vortragen lassen. [507] =Bassa=, Pascha. [508] =erkantlich=, erkenntlich, dankbar für geleistete Dienste. [509] =ohnedel=, unadelich. [510] =Fabeln=, Fieberphantasien. [511] =Unlust=, Schmuz. [512] =genießen=, ~cum genet. pers.~, von jemand Hülfe erhalten. [513] =freuen=, ~trans.~ wie im Mhd., erfreuen. Das sechsundzwanzigste Capitel. Was die Leirerin weiters vor Possen angestellt, und wie sie endlich ihren Lohn bekommen habe. »Damit ich dann solches mein liebs Weibchen desto ehender wieder antreffen möchte, so gesellete ich mich zu allerhand Störern[514], Landläufern und solchen Leuten, bei welcher Gattung sie die meiste Zeit ihres Lebens zugebracht. Bei denselben fragte ich fleißig nach, konte aber weder Stumpf noch Stiel von ihr erfahren. Endlich kam ich auch in diejenige Stadt, darinnen ich etwan hiebevor in die venetianische Kriegsdienste kommen; daselbst gab ich mich meinem Wirth zu erkennen und erzählte ihm, wie mirs seithero in Candia gangen, der mir dann als ein guter alter Teutscher und zeitungsbegieriger Mann gar andächtig zuhörete. Und als ich hingegen auch fragte, was sich seithero meiner Abwesenheit Guts bei ihnen zugetragen, kam er unter andern auch auf das Gespenst, das hiebevor die Abtisse so visierlich[515] geplagt und vexirt, welches aber nunmehr wieder allerdings aufgehört hätte, also daß man darvor halte, dasselbe Gespenst sei eben dasjenige wunderbarliche Weibsbilde gewesen, deren Körper neulich ohnweit von hinnen verbrant worden wäre. Weilen dann nun diß eben dasjenig war, was ich zu wissen verlangte, so spitzte ich nit allein die Ohren, sonder bat auch, er wolte mir doch die Histori ohnschwer[516] erzählen.« »Darauf fuhre der Wirth in seiner Rede fort und sagte: Eben damals, als die Abtissin von dem Gespenst so gequält und allerdings in einen Argwohn gebracht wurde, als buhle sie mit ihrem Pistor[517], trugen sich andere dergleichen Possen mehr beides hier in der Stadt und auf dem Lande zu, also daß theils Leute vermeinten, es wäre dem Teufel selbst verhängt[518] worden, diese Gegend zu plagen. Theils kamen die Speisen vom Feur, anderen ihre Geschirr voll Wein oder Bier, dem dritten sein Geld, dem vierten seine Kleider, ja sogar etlichen die Ringe von den Fingern hinweg, welche Sachen man hernach doch anderwärts in andern Häusern und auch bei andern Personen ohne ihr Wissen, daß sie es hatten, wieder mehrentheils gefunden, woraus jeder Verständiger leicht schlosse, daß der ehrlichen Abtisse auch Unrecht geschehen wäre. Dann das war folgender Zeit gar nichts Neues mehr, daß einer der andern Person nächtlicher Zeit die Kleider hinweg genommen und andere darvor hingelegt worden, ohne daß man wissen konte, wie solches zugangen und beschehen wäre. Es hielte ohnlängst hernach ein Freiherr nicht weit von hinnen Beilager, warbei es wo nit fürstlich, jedoch gräflich hergieng; bei welchem hochzeitlichem Ehrenfest der Braut ihr herrlicher Schmuck und Kleidung, damit sie denselben Tag geprangt hatte, samt dem Nachtzeug hinweg genommen und hingegen ein schlecht Weiberkleid voller Läuse, wie es die Soldatenweiber zu tragen pflegen, darvor hingelegt wurde, welches viel vor ein Zeichen hielten einer künftigen unglückseligen Ehe. Aber diese Wahrsager gaben damit nur ihre Unwissenheit zu erkennen.« »Den nächst hierauf folgenden Maimonat spazierte ein Beckenknecht auf einen Sonntag in einen etwan drei Meil von hier entlegenen Wald, des Willens, Vogelnester zu suchen und junge Vögel auszunehmen; dieser war beides von Angesicht und Leibsproportion ein schöner ansehnlicher Jüngling und darneben fromm und gottsförchtig. Wie er nun an einem Wässerlein hinauf schliche und sich hin und wieder umschauete, wurde er eines Weibsbilds gewahr, die sich in demselbigen Wasser badet. Er vermeinte, es wäre irgends eine Dirn aus dem Flecken, darin er damals dienete; derowegen ließe er sich durch den Fürwitz bereden, daß er sich niedersetzte; zu verharren, biß sie sich anlegte, damit er sie an den Kleidern kennen und alsdann etwas an ihr, um daß er sie nackend gesehen, zu vexieren haben möchte. Es gieng wie er gedachte, aber doch etwas anders, dann nachdem diese Dame aus dem Wasser gestiegen, legte sie keine Baurnjuppe an, sondern ein ganz silbern Stück[519] mit guldenen Blumen. Hernach setzte sie sich nieder, kämpelt und zöpfte ihre Haar, legte köstliche Perlein und andere Kleinodien um den Hals und zierte ihren Kopf dergestalt mit dergleichen Geschmuck, daß sie einer Fürstin gleichsahe. Der gute Beckenknecht hatte ihr bißhero mit Forcht und Verwunderung zugesehen, und weil er sich vor ihrer ansehenlichen Gestalt entsetzte, wolte er darvon gehen und sich stellen, als wann er sie gar nicht gesehen hätte. Weil er aber gar zu nahe bei ihr war, also daß sie ihn sehen muste, schrie sie ihm zu und sagte: Höret, junger Gesell, seid ihr dann so grob und unhöflich, daß ihr nicht zu einer Jungfrauen gehen dorft?« »Der Beck wandte sich um, zog seinen Hut ab und sagte: Gnädigs Fräulein, ich gedachte, es gezieme sich nit, daß ein unadelicher Mensch, wie ich bin, sich zu einem solchen ansehnlichen Frauenzimmer nähere.« »Das müßt ihr nicht sagen, antwortet die Dame, dann es ist ja ein Mensch des andern werth, und überdas hab ich schon etlich hundert Jahr allhier auf euch gewartet. Sintemal es dann nun Gott einmal geschickt hat, daß wir diese lang gewünschte Stund erlebt haben, so bitt ich euch um Gottes willen, ihr wollet euch zu mir niedersetzen und vernehmen, was ich mit euch zu reden habe.« »Dem Beckenknecht war anfangs bang, weil er sorgte, es wäre ein teufelischer Betrug, dardurch er zum Hexenhandwerk verführt werden solt. Als er sie aber Gott nennen hörete, setzte er sich ohne Scheu zu ihr nieder; sie aber fieng folgender Gestalt an zu reden.« »Mein allerliebster und werthister Herzfreund, ja nach dem lieben Gott mein einiger Trost, mein einzige Hoffnung und mein einzige Zuversicht, euer lieber Nam ist Jacob und euer Vatterland heißt Allendorf; ich aber bin Minolanda, der Melusinen Schwester Tochter, die mich mit dem Ritter von Staufenberg[520] erzeugt und dergestalt verflucht hat, daß ich von meiner Geburt an biß an Jüngsten Tag in diesem Wald verbleiben muß, es seie dann Sach, daß ihr mich zu euerer Herkunft zu euerm Ehegemahl erwählen und dardurch von solcher Verfluchung erlösen werdet; doch mit diesem ausdrucklichen Vorbehalt und Geding, daß ihr euch wie bißher vor allen Dingen der Tugend und Gottesforcht befleißigen, aller anderer Weibsbilder müßig gehen und diesen unsern Heurath ein ganz Jahr lang verschwiegen halten sollet. Darum so sehet nun, was euch zu thun ist! Werdet ihr mich ehelichen und diese Ding halten, so werde ich nicht allein erlöst, sonder wie ein ander Mensch auch Kinder zeugen und zu seiner Zeit seliglich aus dieser Welt abscheiden, ihr aber werdet der reichst und glückseligst Mann auf Erden werden; wann ihr mich aber verschmähet, so muß ich, wie ihr bereits gehöret habt, biß an Jüngsten Tag hier verbleiben und werde alsdann über euere Unbarmherzigkeit ewiglich Rach schreien; das Glück aber, so ihr alsdann euer Lebtag haben werdet, werden auch die Allerunglückseligste nicht mit euch theilen wollen.« »Der Beckenknecht, der sowol die Geschichte oder Fabul der Melusinä als des Ritters von Staufenberg gelesen und noch viel mehr dergleichen Märlin von verfluchten Jungfrauen gehöret hatte, glaubt alles, was ihm gesagt worden; derohalben besonne er sich nicht lang, sonder gab das Jawort von sich und bestätiget solche Ehe mit oft wiederholtem Beischlaf. Sie aber gab ihm nach verrichter Arbeit etliche Ducaten und nahm ein güldenes Kreuzlein, mit Diamanten besetzt und mit Heiligthum[521] gefüllt, von ihrem Hals, das sie ihm gleichfalls zustellte, damit er nicht sorgen solte, er hätte vielleicht mit einem Teufelsgespenst zu thun. Und zum Beschluß wurde abgeredet, daß sie ihn fürderhin die meiste Nächte in seiner Schlafkammer besuchen wolte, worauf sie vor seinen Augen verschwunden.« »Es waren kaum vier Wochen vergangen, als dem Beckenknecht bei der Sach anfieng zu grausen; und indem ihm sein Gewissen sagte, es könte mit dieser heimlichen und wunderbarlichen Ehe nicht recht hergehen, da ereignete sich eine Gelegenheit, mit deren er hieher kam und seinem Beichtvatter alle Geschichte außerhalb der Beicht vertraute. Als dieser verstunde, was diese Meerfein[522] oder Minolanda, wie sie sich genennet, vor einen Habit anhatte, und sich darbei erinnerte, daß eben ein solcher einer vornehmen Fräulin bei ihrem Beilager entwendet worden, gedachte er der Sach ferner nach und begehret auch das Kreuzlin zu sehen, so ihm seine Beischläferin verehrt hatte. Als er solches sahe, überredet er den Beckenknecht, daß ers ihm nur ein einzige halbe Stund ließe, selbiges einem Jubilierer[523] zu weisen, um zu vernehmen, ob das Gold auch just[524] und die Steine auch gut wären; er aber verfügte sich sogleich damit zu obengemeldter Frauen, die zu allem Glück hier war, und als sie solches vor das ihrig erkante, wurde der Anschlag gemacht, wie diese Melusina beim Kopf bekommen werden möchte; worzu der geängstigte Beckenknecht seinen Willen gab und alle mögliche Hülf zu thun versprach.« »Diesem nach wurden den dritten Abend zwölf beherzte Männer mit Partisanen geschickt, die in des Becken Kammer um Mitternacht stürmten und Thüren und Läden wol in acht nahmen, damit, als solche eröffnet, niemand hinaus entrinnen könte. So bald solches geschahe, und auch zugleich zween mit Fackeln in das Zimmer getreten waren, sagte der Becker zu ihnen: Sie ist schon nit mehr da.« »Er hatte aber das Maul kaum zugethan, da hatte er ein Messer mit einem silbern Heft in der Brust stecken; und ehe man solches recht wahrgenommen, da stak einem andern, der eine Fackel trug, eins im Herzen, darvon derselbige alsobald todt darnieder fiele. Einer von den Bewehrten ermaße, aus welcher Gegend diese Stich herkommen waren, sprang derowegen zuruck und führte einen solchen starken Streich gegen demselben Winkel zu, daß er damit der so unselig als unsichtbarn Melusinen die Brust bis auf den Nabel herunter aufspielte[525]. Ja dieser Streich war von solchen Kräften, daß man nit allein die vielgedachte Melusina selbst dort todt liegen, sonder ihr auch Lung und Leber samt dem Ingeweid in ihrem Leib und das Herz noch zapplen sehen konte. Ihr Hals hieng voller Kleinodien, die Finger staken voll köstlicher Ring, und der Kopf war gleichsam in Gold und Perlen eingehüllet. Sonst hatte sie nur ein Hemd, ein doppeltafften Unterrock und ein Paar seidener Strümpfe an; aber ihr silbern Stück, das sie auch verrathen, lag unter dem Hauptkissen.« »Der Becker lebte noch, biß er gebeicht und communicirt hatte; er starb aber hernach mit großer Reu und Leid und verwundert sich, daß so gar kein Geld bei seiner Schläferin gefunden worden, dessen sie doch ein Ueberfluß gehabt hätte. Sie ist ohngefähr aus ihrem Angesicht vor 20 Jahr alt geschätzt, und ihr Körper als einer Zauberin verbrant, der Beck aber mit obgemeldten Fackeltrager in ein Grab gelegt worden. Wie man noch vor seinem Abschied erfuhr, so hatte das Mensch beinahe eine österreichische Sprach gehabt.« FUSSNOTEN: [514] =Störer=, wie Storger, Störzer, Vagabund. [515] =visierlich=, possierlich, spaßhaft. [516] =ohnschwer=, ohne Beschwerde; wenn es ihm nicht zu viel Mühe mache. [517] =Pistor=, Klosterbäcker. [518] =verhängen=, erlauben, gestatten. [519] =Stück=, Zeug, Stoff. [520] =Melusine= und =Ritter von Staufenberg=, vgl. über die Sage und ihre Literatur die Einleitung. [521] =Heiligthum=, Heilthum, Reliquien von Heiligen. [522] =Meerfein=, (nicht fei) späterer Name für das alte ~meerminne~. Vgl. ~merfeine~, ~wazzerfeine~. In Fischart's neuer Ausgabe des Stauffenbergers (Straßburg 1588) kommt diese Form noch vor: »Vorred von der Erscheinung der Merfinen und Familiargeister.« [523] =Jubilierer=, Juwelier. [524] =just=, von richtigem Feingehalt. [525] =spielt=, ~præt.~ zu spalten, wie im Mhd. Das siebenundzwanzigste Capitel. Endlicher Beschluß von des Springinsfelds seltzamen Lebenslauf. »Durch diese Erzählung erfuhr ich, was das wunderbarliche Vogelnestlein bei meinem Weib gewürkt, wie sie der Kützel ihres geilen Fleisches zur Ehebrecherin, zur Mörderin, mich selbst aber zu guter Letze zum Hahnrei gemacht, und sie endlich selbst in einen ellenden Tod ja gar ins Feur gebracht habe. Ich fragte den Wirth, ob sich sonst nichts weiters mit ihr zugetragen.« »Potz, antwortet er, das Beste und Notabelste hätte ich schier vergessen; es ist bei ihrem Tod einer von den Hellebardierern, ein junger frischer Kerl, mit Leib und Seel, Haut und Haar, Kleidern und allem hinweg kommen, daß bißher kein Mensch erfahren, wohin er geflogen oder gestoben sei. Und solches, sagt man, sei ihm widerfahren, als er sich gebuckt, ein Nastüchlein, welches auch zugleich verschwunden, aufzuheben, so diesem wunderbarlichen Weibsbilde zuständig gewesen.« »Ho ho, gedacht ich, jetzt weistu auch, daß dein Nestlein wieder einen andern Meister hat. Gott geb, daß es ihm besser als meinem Weib bekomme!« »Ich hätte den Leuten allen wol aus dem Traum helfen können, wann ich ihnen nur hätte die Wahrheit sagen wollen; aber ich schwieg still, und ließe dieselbige sich unter einander verwundern und disputirn, so lang sie wolten, betrachtet darneben, wie grob der Unwissenden Wahn betrüge, und was wol auf etliche wunderbarliche Historien zu halten, die weit anderst erzählt worden wären, wann die Scribenten den Grund recht gewust hätten.« »Nachdem ich nun solcher Gestalt ohnversehens erfahren, wo mein Weib hinkommen, schaffte ich mir wieder eine Geige und durchstelzte damit das Erzstift Salzburg, das ganze Baiern und Schwabenland, Franken und die Wetterau. Endlich kam ich durch die Unterpfalz hieher und suchte überall, wo mir mitleidige Leut etwas gaben. Ich bin auch so glückselig hierin, daß ich glaube, es spendire mir mancher etwas, der selbst nit den zehenden Theil so viel Geld hat als ich. Und weil ich sehe, daß von meinem Capital nichts abgehet, ich aber gleichwol einen als den andern Weg in aller Freiheit mein guts Maulfutter und auch zu Zeiten, wann ichs bedörftig, ein glatte Leirerin (denn gleich und gleich gesellt sich gern) zur Nothhelferin haben kan, so wiste[526] ich nicht, was mich bewegen solte, ein anders und seligers Leben zu verlangen. Ja ich wiste auch kein bessers für mich zu finden. Weistu aber, mein Simplice, mir ein anders und bessers zu weisen, so möchte ich deinen Rath gern hören und nach Gestaltsame der Sach demselben auch gern folgen.« »Ich wolte dir wünschen«, antwortet Simplicius, »du führtest hier zeitlich dein Leben, daß du das ewige nicht verlierest!« »O Münchspossen!« sagte Springinsfeld; »es ist nicht müglich, du bist seither in einem Kloster gestocken, oder hast im Sinn, in Bälde in eins zu schliefen[527], daß du immer wider dein alte Gewohnheit so albere Fratzen herfürbringst.« »Wann du nicht in Himmel wilst«, antwortet Simplicius, »so wird dich niemand hinein tragen; allein wäre mir lieber, du thätest auch wie ein Christenmensch und fiengest an zu gedenken an deine letzte Ding, welche zu erfahren du noch einen kurzen Sprung zu thun hast.« Unter diesem Gespräch fieng es an unvermerkt zu tagen, und solches verursachte bei uns allen wiederum einen Lust zu schlafen, wie dann zum öftern zu geschehen pflegt. Solcher Anmuthung[528] folgten wir und thäten die Augen zu, uns noch ein paar Stund innerlich zu beschauen, stunden auch nicht ehender auf, als biß uns der Appetit der Mägen zu etlichen Dutzet kleinen Pastetlin und einem Trunk Wermut nöthigte. Als wir nun in derselben Arbeit begriffen waren, kriegten wir Zeitung, daß der Rhein die Brück hinweggenommen und noch stark mit Eis gehe, so daß niemand weder herüber noch hinüber kommen könte. Derowegen resolvirte sich Simplicius, denselben Tag mit seinen Leuten noch in der Stadt zu verbleiben, in welcher Zeit er weder den Springinsfeld noch mich von sich lassen wolte. Mit mir accordirte er, daß ich dessen Lebensbeschreibung, wie es Springinsfeld selbst erzählet, schriftlich aufsetzen solte, damit den Leuten zugleich kund würde, daß sein Sohn der leichtfertigen Courage Hurenkind nicht seie. Und dessentwegen schenkte er mir 6 Reichsthaler, die ich damals wol bedörfte; den Springinsfeld selbsten aber lude er auf seinen Hof, bei ihm auszuwintern[529], betheuerte aber gegen mir gar hoch, daß er solches nicht seiner paar hundert Ducaten halber thu, sondern zu sehen, ob er ihn nicht auf den christlichen Weg eines gottseligen Lebens bringen möchte. Wie ich mir aber seithero sagen lassen, so hat ihn der verwichne März aufgerieben, nachdem er zuvor durch Simplicissimum in seinen alten Tagen ganz anders umgegossen und ein christlichs und bessers Leben zu führen bewegt worden; nahm also dieser abenteurliche Springinsfeld auf des eben so seltzamen Simplicissimi Bauerhof, als er ihn zuvor zu seinem Erben eingesetzt, sein letztes =Ende=. FUSSNOTEN: [526] =wiste=, wüßte. [527] =schliefen=, schlüpfen, kriechen. [528] =Anmuthung=, Anwandlung. [529] =auswintern=, durchwintern, den Winter hindurch bleiben. Anhang. Der erste Bärnhäuter, Nicht ohne sonderbare darunter verborgene lehrreiche Geheimnus, sowol allen denen, die so zu schelten pflegen und sich so schelten lassen, als auch sonst jedermann (vor dißmal zwar nur vom Ursprung dieses schönen Ehrentituls) andern zum Exempel vorgestellet Samt ~Simplicissimi~ Gaukeltasche von ~Illiterato Ignorantio~, zugenant ~Idiota~. (=Holzschnitt=: Musikanten mit Flöte, Gambe, Harfe.) Gedruckt im Jahre 1670. Des ersten Bärnhäuters Bildnus. (=Holzschnitt=: Bube aus dem Kartenspiel, auf der Erde zwischen den Beinen ein Trinkgefäß mit Buckeln.) So sah ich aus, ich erster Bärenhäuter, Den Namen ich bekam vons Bären Haut, Den ich erschoß, daß mir nicht einmal graut, Ob ich bekam gleich dazumal viel Neider. So hoch mein Ruhm vor Zeiten war gestiegen, So tief muß er im höchsten Schimpf jetzt liegen. Man siht hieraus: was hochgeacht wird heut, Das stürzt der Neid in allzu kurzer Zeit. ~f[530]. Prorursicutius[531].~ FUSSNOTEN: [530] ~f.~, ~fecit~. [531] So haben beide Ausgaben; es wird zu lesen sein: ~Prorsursicutius~, aus ~prorsus~, ~ursus~, ~cutis~ gebildet: ein Bärnhäuter durch und durch. Vom Ursprung des Namens Bärnhäuter. Die, so den Ursprung des teutsch gegebenen Schandnamens Bärnhäuter ~per etymologiam~ ausecken[532] wollen, haben vermeint, daß vor alten Zeiten, da die alten Teutschen noch auf allerhand Häuten geschlafen, diejenige zum Spott mit diesem Namen genennet worden, die immerhin aus Faulheit auf ihrer Bärnhaut liegen blieben und nie nichts Tapfers auszurichten begehrt. Es mag sein, mir gedenkt[533] so weit hinaus nicht, daß ich Nachricht darvon geben könte; aber auf dem Schloß Hohenroth[534] hat sich ein uraltes Gemäld gefunden, davon auch beigefügtes Bildnus copiert worden, mit nachfolgendem Bericht, voraus dieser Name entsprungen: Im Jahr 1396, als Sigismundus, damaliger ungarischer König, von dem türkischen Kaiser Celapino[535] geschlagen worden, ist ein teutscher Landsknecht aus der Schlacht in einen Wald entronnen und darin verirret. Weil er nun noch dazu keinen Herren, keinen König, kein Geld und auch kein Hantierung oder sonst einig Mittel wuste, sich inskünftig zu ernähren, hatte er allerhand schwermüthige Gedanken; da erschien ihm ohngefähr und ehe er sichs versahe, ein abscheuliches Gespenst oder Geist, weiß nicht, obs der böse Geist selber gewesen oder nicht, und sagte, wann er ihm dienen wolte, so wolte er ihm Golds genug geben und ihn endlich gar zu einem Herrn machen. »O ja«, antwortet der Landsknecht; »aber mit dem Geding, daß mir solche Dienste an meiner Seligkeit nicht schädlich seien.« »Ich muß aber auch zuvor sehen«, sagte der Geist, »was du kanst und was du für eine Courage habest, damit ich mein Geld nicht umsonst ausgebe.« Indem er solches redet, kam ein großer ungeheurer Bär daher geloffen. »Diesen«, sagte der Geist, »schieße vor den Kopf.« Der Landsknecht war nicht unbehend, sonder traf den Bären auf die Nase, daß er über und über purzelte. Da solches geschehen war, fieng das Gespenst oder der Geist an mit ihm zu capitulieren und sagte: »Wann du mir dienen wilst, so mustu mir sieben Jahr zu dienen versprechen und in denselbigen alle Nacht eine Stund Schildwacht um Mitternacht stehen, deine Haar und Bart weder kämpeln, noch selbige, wie auch die Nägel, nicht abschneiden, die Nase nicht schneuzen, deine Händ und das Angesicht nicht wäschen, den Hintern nicht wischen, diese Bärnhaut anstatt des Mantels und Betts brauchen und niemal kein Vatterunser beten.« »Hingegen wil ich dich mit Commiß[536], Bier, Tabak und Brantewein versehen, daß du dich über dich selbst verwundern wirst müssen.« Der Landsknecht gieng alles ein und sagte zum Geist: »Alles, was du mir zu unterlassen geboten hast, habe ich von Natur mein Tage niemal gern gethan; ich wasch mich nicht gern, ich bete nicht gern &c.« Nach geschlossenem Accord begehrte der Geist seinen Namen zu wissen, um ihn in seine Roll, die er bei sich hatt, zu schreiben; als er aber eines Heiligen Namen nennete, sprach der Geist: »Dieser taug[537] mir nicht, du solst Bärnhäuter heißen wegen der Bärnhaut, damit du heut begabt bist worden.« Darauf zog er dem Bärn die Haut ab und machte seinem Neugebornen einen Mantel daraus und führte ihn mitsamt derselben Haut und aller seiner übrigen Bagage durch die Wolken auf sein Lusthaus dahin, welches öde Schloß von dieser wunderbaren Fahrt seinen Namen bekommen haben sol. Daselbst versahe der Landsknecht seine siebenjährige Dienste und wurde in solcher Zeit von Haut, Haar, Bart und Nägeln ein solcher abscheulicher Unflat, daß er dem Geist selbst ähnlicher sah als einem vernünftigen Menschen, der nach Gottes herrlichem Ebenbilde erschaffen worden, sonderlich wann er anstatt eines ehrbaren Mantels seine liebliche Bärnhaut um sich hatte; dann seine Haar wurden lauter Höllenzöpf[538], die ihm um die Achseln herumhiengen wie indianische Schafschwänze. Sein Bart war ~s. h.~ von Rotz, Geifer und anderer Unlust in einander gepicht wie ein grober Filzhut, seine Nägel hatten eine Gestalt wie Adlersklauen, und sein Angesicht lag so voller mistigem Unflat, daß man dem gemeinen Sprichwort nach gar wol hätte Rübsamen hineinsäen können. Nachdem er aber die sieben Jahr beinahe überstanden hatte, kam der Geist von sich selbst und deutet ihm an, daß es nunmehr Zeit war, einmal mit ihm abzurechnen und ihn der Gebühr nach auszuzahlen[539]; doch steckte er ihm zuvor seine Hosensäcke voller Ducaten und Pistolen und befahle ihm, sich lustig zu machen und kein Geld zu sparen, sonder zu thun und zu lassen, was seinem Herzen geliebte und dem Geld wehe thät, aber dergestalt, daß er aus den Schranken des getroffenen Accords und seiner bißherigen Gewohnheit nicht scheiden solte, weil seine sieben Jahr noch nicht vollkommen verflossen waren, in denen sie sich zusammen verbunden. Der Landsknecht gehorsamte. Da ihn aber wegen seiner greulichen Abscheulichkeit niemand aufnehmen wolte, wurde er traurig. Nachdem er auch von einem Wirth, deren Profession ist, dem Fremden um die Gebühr Kost und Herberg mitzutheilen, abgewiesen wurde, zeigte er ihm aus dem einen Hosensack eine Handvoll Ducaten und aus dem andern eine Handvoll Duplonen und wurde darauf dessen willkommener Gast. Der Wirth logierte ihn in ein besonder Zimmer, in welchem er ihn auch besonders tractierte, damit andere Gäste ab seiner häßlichen Gestalt kein Abscheuens haben, noch ihm seinetwegen die Herberg in kein bös Geschrei bringen solten. In demselben mästete sich der Bärnhäuter von des Geistes Gelde aus, biß der Geist einen edlen Herren vom Lande auf der Reis begriffen zu sein wuste, der in selbiger Herberg einkehren würde; da kam er bei Nacht und malet in selbigem Zimmer alle Contrafet nach dem Leben der berühmtisten Personen, so seit Erschaffung der Welt gelebt hatten, als des Kains, Lamechs, Nimrots, Nini, Zoroastris, der Helenä, der trojanischen und griechischen Fürsten, nicht weniger Sestostris, Nabuchodonosoris, Cyri, Alexandri Magni, Julii Cäsaris, Neronis, Caligulä, des Mohamets &c., ja sogar auch deren Bildnus, so noch in die Welt kommen sollen, als der Widerchristen und anderer &c., worüber sich der Wirth nicht unbillich verwunderte; vornehmlich als der Bärnhäuter ausgab[540], er hätte diese Gemälde selbst verfertigt. Als nun angeregter edle Herr gegen Abend seine Herberg dort nahm und seinen Wirth, der ihm bekant war, fragte: was Neues? erzählte er ihm alles, was er von seinem seltzamen Gast wuste und nicht wuste, als seinen wunderlichen Aufzug, seine große Kunst in der Malerei, und daß er Gelds vollauf hätte. Der Herr antwortet: »Ich muß diß ohngewöhnlich Wunder morgen auch sehen, sonst werde ich euch, was ihr mir gesagt, schwerlich glauben.« Wie er des Morgens frühe selber sahe, was er gehört hatte, befande sich zwischen ihm und dem Wirth kein anderer Unterscheid, als daß er die Kunst der Malerei besser als jener verstunde und sich dannenhero auch beides über die kunstreiche Hand und die Arbeit mehrers zu[541] wunderte; dann ihre Perfection war unvergleichlich, und indem er sahe, daß sich viel Contrafet mit denen künstlichen[542] Antiquitäten verglichen, die er allbereit anderwärtlich gesehen, glaubt er, daß die übrige auch denjenigen gleich sahen, deren Bildnus sie repräsentieren, und die er bißher noch nicht gesehen. Er fragte den Bärnhäuter, ob er solche Arbeit gemacht hätte; derselbe aber fragte hinwiederum: wer sonst? Der Herr sagte hierauf: »So mustu viel wissen, wann du auch die Gestalten der künftigen Menschen zu entwerfen weist.« »Allzeit«, antwortet der Bärnhäuter, »weiß ich mehr weder[543] mancher vermeint.« Der Herr fragte: »Wer bist du?« Jener antwortet: »Ich bin der Oberst Bärnhäuter, ein Soldat von Fortun[544], und hab mich neulich im Krieg wider den Türken brauchen lassen.« Weil nun diß ein neuer und noch kein schandlicher Namen war, fragte ihm der Herr auch nicht weiter nach, sonder sagte: »Ich habe drei Töchter von gleicher schöner Gestalt, welche auch ihre Mutter ihrer Aehnlichkeit wegen oft selbst vor einander nicht kennet. Ich wil dich solche sehen lassen; wirst du nun wissen, welches die Aelteste, Mittlere und die Jüngste sei, so wil ich dir eine davon zum Weibe geben, welche du unter ihnen haben wilst; wo nicht, so solst du samt deinem Vermögen mir zum Eigenthum verfallen sein.« Da der Bärnhäuter dessen zufrieden, nahm ihn der edle Herr mit heim, ihn seine Töchter zu solchem Ende sehen zu lassen. Der Geist aber erschien ihm wieder und sagte zum Bärnhäuter: »Wisse, dieser Herr pflegt auf solche Fäll die Jüngste in die Mitte und die Aelteste auf der linken, die Mittlere aber auf ihre rechte Seite zu stellen.« Als er nun auf solchen Unterricht sagen konte, welches die Erst, die Ander und Dritte war, zumalen die Jüngste zum Weib begehrt, schwur der Herr alsobalden, er wolte seine Parole halten, wie es einem ehrlichen Cavalier gebühre, Gott geb was[545] die Mutter darzu sagte, und wie sich sein Kind darzu bequemte; er wolle auch die Hochzeit gleich für sich gehen lassen, ehe ein ander Gewirr[546] drein käme. Aber der Bärnhäuter wolte nicht, sonder wendet andere Geschäften vor, doch mit Versprechen, bald wieder zu kommen, und da er einen kostbaren Ring, der hierzu gemacht war, von einander geschraubt und ein Theil darvon seiner Braut gegeben hatte, gieng er seines Wegs. Die Jungfrau Hochzeiterin aber kleidet sich vor Traurigkeit schwarz und wünschte vergeblich, lieber allein zu leben, als sich mit dem abscheulichen Bärnhäuter zu verehlichen. Aber was halfs? Ihr Herr Vatter wolts also haben. Ihre Schwestern gönneten ihr diese Heurath; sie vexierten sie täglich mit ihrem schönen Hochzeiter und erneuerten damit stündlich und täglich die Wunden ihres ohnedas traurigen Herzens, welches sie doch alles durch Geduld überwande. Der Geist kam hingegen wieder und führte den Bärnhäuter in den Rhein ins Bad; er richtet[547] ihm seine Haar und beschor selbige samt dem garstigen Bart auf die neue Mode und zieret ihn dergestalt auf durch besondern Anstrich, daß er sich[548] dem schönsten Cavalier vergliche. »Jetzt gehe hin nach N.«, sagte er zu ihm, »und montiere dich wie ein rechter ehrlicher Obrister und lebe wie ein Herr; ich wil meine Schätze aufthun, die ich hierum vergraben habe, und dir Gelds genug hierzu geben.« Weil nun dem Bärnhäuter kein erwünschterer Befehl hätt kommen können, war er desto gehorsamer. Er hielte sich mit schönen Pferden, herrlichen Gutschen, köstlichen Kleidern und vielen Dienern in[549] Livree wie ein Großvezier, und da es dem Geist Zeit sein däuchte, stellte er sich wieder ein und sagte zu ihm: »Jetzt fahr hin und vollziehe deinen Heurath«, und damit er desto reicher erscheinen konte, füllete er ihm beide Gutschenkisten voller Gold, welches er ihm beides zur Beschuldigung[550] und zum Heurathsgut mitgab. Also machte er sich auf die Reis und schickte einen Trompeter voran, seinem künftigen Schwähr neben Vermeldung seines Dienstes und Grußes anzuzeigen, daß ein stattlicher Cavalier auf dem Weg begriffen wäre, ihme zuzusprechen und seinem Frauenzimmer gebührend aufzuwarten, mit einem Wort, eine aus seinen Töchtern zum Gemahl zu begehren, wofern er anderst gelitten werden möchte und keine Ungelegenheit machte. Als er nun die höfliche Antwort bekam, daß er ein lieber Gast sein würde, ist er mit seiner Suite prächtig eingezogen und wol empfangen, auch zu Bezeugung mehrerer Willfährigkeit oben an die Tafel zwischen die beide älteste Töchter gesetzt worden, welche sich auch ihm zu gefallen, weil ihn jede zu bekommen verhofft, trefflich geschmückt hatten. Die Jüngste aber behalf sich unten an der Tafel wie ein Turteltäubchen, das seinen Gemahl verloren, sintemal sie als eine Versprochene keine Hoffnung schöpfen dörfte, diesen ansehnlichen Herrn zu bekommen, wessentwegen ihr die Schwestern mit den Augen manchen höhnischen Blick und mit Worten manchen empfindlichen und verächtlichen Stich gaben, welches ihr tief ins Herz geschnitten. Als nun der Bärnhäuter nach Vorweisung seines vielen Golds das Jawort und unter den Töchtern von Vatter und Mutter die Wahl bekam, zumalen noch jede von den ältesten Schwestern ihn zu bekommen festiglich verhoffte, offenbarte er sich der Jüngsten durch ein Stück des von einander geschraubten Rings, davon er ihr hiebevor ein Theil zugestellt. So hoch nun diese hierdurch erfreut wurde, so sehr erschraken hingegen jene beide, als sie sich ihrer Hoffnung so gähling beraubt sahen. Sie wurden so bestürzt, daß sie nicht mehr wusten, was sie thäten, und ihre Eltern wurden so erfreut über der einen Tochter Glück, daß sie der andern beiden Anliegen nicht wahrnahmen, welche zugleich von Schamhaftigkeit und dem Neid gegen ihrer Schwester angefochten wurden, also daß sich die eine selbst erhenkt, die ander aber in einen Brunnen stürzte. Also sagte der Geist, der dem Bärnhäuter ganz fröhlich erschiene: »Nun haben wir mit einander[551] ausgefischt[552]; du hast eine und ich zwo von den Töchtern bekommen, die hiebevor ihr Vatter manchem ehrlichen Cavalier versagt.« * * * * * =Mein hochgeehrter und ~respective~ großgünstiger lieber Leser= nehme vor dißmal hiermit verlieb und urtheile aus dieser Erzählung, was er will; alsdann werde ich verhoffentlich mit der Erläuterung hernach kommen. =Ende.= FUSSNOTEN: [532] =ausecken=, gründlich herausbringen. [533] =mir gedenkt=, ich erinnere mich. [534] =Hohenroth=; sollte eine bestimmte Oertlichkeit gemeint sein, so ist dieselbe in der Nähe des Rheins zu suchen; ein kleines Dorf des Namens liegt in Nassau, Amt Herborn. [535] Bekanntlich war es Bajazet ~I.~, der den König Sigismund bei Nikopolis schlug. [536] =Commiß=, alles, was den Soldaten geliefert wird. [537] =taug=, mhd. ~touc~, ~præteritopræs.~ zu tügen, taugen, passen, anstehen. [538] =Höllenzopf=, eigentlich =Hollenzopf=, verworrenes und verfilztes Haar, wie es Frau Holle, als Schreckgestalt, trägt, sonst auch Wichtel- oder Weichselzopf; Adelung, Wörterb. hat »Höllenzopf«, ~plica polonica~. [539] =auszahlen=, ~trans.~, gänzlich bezahlen. [540] =ausgeben=, vorgeben. [541] =mehrers zu=, wie: immer zu. [542] =künstlich=, kunstreich. [543] =weder=, als. [544] =Soldat von Fortun=, der seine Stellung sich selbst und nicht etwa seinem Adel oder der Protection zu verdanken hat. [545] =Gott geb was=, was auch. [546] =Gewirr=, Störung, Hinderniß. [547] =richten=, in Ordnung bringen. [548] Im Druck fehlt: sich. [549] =in= fehlt im Texte, es muß aber stehen, denn »er hielte sich« gehört zu »wie ein Großvezier« und nicht zu »Livree«. [550] =Beschuldigung=, wol Druckfehler für Besoldung. [551] =mit einander=, alle beide. [552] =ausfischen=, ~intrans.~ einen Fang thun. ~Simplicissimi~ wunderliche Gaukel-Tasche Allen Gauklern, Markschreiern, Spielleuten, in Summa allen denen nöthig und nützlich, die auf offenen Märkten gern einen Umstand herbei brächten, oder sonst eine Gesellschaft lustig zu machen haben. Verwunderlich und lustig zu sehen. (=Holzschnitt=: Ein Jäger mit Hunden.) Entworfen durch obigen Autorem. [Illustration] Gedruckt im Jahr 1670. Der Autor an den Käufer und sonst jedermann. (=Holzschnitt=: Ein Gelehrter am Schreibtisch unter Büchern, mit einem Fliegenwedel in der Hand, um die Mücken [Grillen] abzuwehren; neben ihm auf einem Tisch ein großer Humpen mit Buckeln und ein Apfel.) Es ist in der Lebensbeschreibung des weltberufenen abenteuerlichen Simplicissimi zu sehen, daß er sich oft für einen Arzt ausgeben, aus dringender Noth, durch solch Mittel seinen täglichen Unterhalt zu schöpfen. Weil er aber weder Affen, noch Fabionen[553], noch Meerkatzen, viel weniger einen Hanswurst oder kurzweiligen Schalk vermocht[554], das Volk dardurch zu seinem Stand zu bringen, als hat er sich dieses gegenwärtigen Buchs wie einer Gaukeltaschen gebraucht, dem Volk daraus wahrgesagt, manche Kurzweil dardurch angerichtet und sich überaus wol darbei befunden. Als man ihn aber in die Karte gesehen, und nunmehr er selbst solche seine Profession abgelegt[555] hatte, seind ihm etliche seiner guten Freund angelegen gewesen[556], die auch nicht abgelassen haben, biß er dieses sein wunderbarliches Gaukelbuch herausgegeben, damit sich auch ohne ihn ehrliche und lustige Köpfe in ihren Zusammenkunften mit einander dardurch ergötzen könten. ~Vale.~ FUSSNOTEN: [553] =Fabionen=, Paviane. [554] =vermögen=, besitzen. [555] =ablegen=, niederlegen, aufgeben. [556] =angelegen sein=, wie anliegen, ersuchen, zureden. An die Umstehenden. (=Holzschnitt=: Ein Koch umgeben von Küchengeräth und Speisen; links und rechts zwei große Eimer oder Gemäße.) Herbei, wer wil sein Glück zuvor gewißlich wissen, Herbei, die Müh wird ihn wahrhaftig nicht verdrießen! Er blättere herum, er suche hin und her, Wann er dann findet das, wornach steht sein Begehr, So ist es mehr als gut; wann aber solt geschehen, Daß er auf einem Blatt dasjenige muß sehen, Was ihme nicht gefällt, so schweig er dannoch still, Wann er unausgelacht vom Umstand bleiben wil. Gebrauch dieses Buches, so in der linken Hand gehalten werden sol. (=Holzschnitt=: Ein Mann mit einem Korb in der Linken bedroht eine Frau, welche abwehrend den Arm gegen ihn ausstreckt, mit einem Prügel, den er in der Rechten hält.) Wann der Artifex seine Kunst weisen[557] will, so fasset er mit seinem rechten Daumen den Griff mit No. 1, laß die Blätter nach einander herum schnappen, so erscheinet nichts als Weiß; ist dann irgend einer unter dem Umstand, der entweder gelehrt oder andächtig ist, so lässet er denselben in das zugethane Buch blasen, ergreift den Griff mit No. 2 gezeichnet, laß die Blätter abermal herumschnellen, so sihet man sonst nichts als diese Schriften; alsdann mag der Artifex sagen, der, so hinein geblasen, sei ein gelehrter oder andächtiger Mann. Alsdann bläst er selbst auf das Buch, ergreift wiederum No. 1 und zeigt der Gesellschaft wiederum eitel weiße Blätter. Ist ein Reicher unter dem Umstand, den läßt er abermal auch wie den Vorigen an das Buch blasen, folgends ergreift er No. 3 und zeiget dem Reichen, daß er viel Geld habe; hernach bläset er selbst wieder durchs Buch und weiset dem Umstand mit No. 1 nur die weiße Blätter. Ist dann einer unter dem Haufen, der ein Sparren zu viel oder zu wenig hat, den lasse er hinein blasen und weise ihm hernach durch No. 4 seine Brüder, aber zeige sie einem solchen, daß es keine Stöß setze, dann wann solches geschähe so wil ich keine Schuld davon haben. Dunkt dem Artifex, es sei ein Soldat oder Balger vorhanden, oder aufs wenigst ein solcher, der vor einen Helden gehalten sein wil, den lasse er ins Buch blasen und weise ihm vermittelst No. 5 lauter Wehr und Waffen und sage: diß ist ein Kerl, der Lust zum Krieg hat &c. Hernach blase er selbst wieder ins Buch und weise durch No. 1 abermal nur weiße Blätter. Ist aber ein Saufer oder Zechbruder vorhanden, den lasse er in das Buch blasen und weise ihm No. 6, seine geliebte Trinkgeschirr, hernach blase er selbst ins Buch und zeige ihm abermal nur weiße Blätter. Ist dann ein Jungfernknechtla bei der Gesellschaft, den lasse ins Buch blasen und zeige ihm durch No. 7, daß er eitel Knaben und Jungfrauen ins Buch geblasen, welches eine Anzeigung sei, daß er gern löffele, tanze &c.; hernach bläst er abermal wieder selber in das Buch und zeiget mit No. 1 abermal nur die weiße Blätter dem Umstand. Und so einer vorhanden, der gern spielt, den läßt er ins Buch blasen und weiset ihm hernach durch No. 8 die Karten, bläst hernach selbst wieder ins Buch und zeigt abermal nur weiße Blätter. Wann aber der Artifex die Leute zuvor nicht kennet, so wird er ja so dumm nicht sein, daß er nicht etwas aus dem Gesicht, Kleidern oder Alter abnehmen könte, als zum Exempel: die Alten haben eher Geld als die Jungen, da hingegen diese gern löffeln; wann du nur recht hiermit procedirn wirst, so wird man dich wol vor kein Hasen halten, viel weniger glauben, daß du ihrer noch mehr machest. Gehab dich wol. (=Holzschnitt=: Zwei Männer mit einer Tragbahre mit einem Ballen Papier; darauf ein großer Humpen mit Buckeln.) FUSSNOTEN: [557] Im Text als Druckfehler: »wissen«. Die Geizigen und (=Holzschnitte=: ~I.~ Zuerst oben zwei Reihen wunderlicher [kabbalistischer?] Zeichen. -- ~II.~ Avers und Revers einer Münze: 1. eine Krone durch 5 Hände getragen mit der Umschrift: ~Dante Deo et ordinum concordia~, 2. von einem Kranz umgeben: ~Fridericus elec. Bohemiæ rex coronatur die 4. nov. anno 1619~. ~III.~ darunter eine Reihe von 6 Doppelkreisen, der innere Kreis mit einem Stern, der äußere mit einer Kugel, in verschiedener Stellung zueinander. Quer vor dem ersten Doppelkreise: ~ortas~ [~ortus~], zwischen dem ersten und zweiten: ~occas9~.) Du hast deine Lust am Geld, An den Thalern und Ducaten, Welche hoch acht alle Welt, Welche mir und dir nicht schaden. Doch halt gänzlich ich darvor, Daß der Geiz dich eingenommen; Laß nach, ich sag dirs ins Ohr, Du wirst sonst Unglück bekommen. Mauschals betreffend. (=Holzschnitte=: ~I.~ Eine Reihe Charaktere. -- ~II.~ Darunter links ein Jude, einen Kreis mit einem Punkt auf dem Mantel, rechts ein Hifthorn. -- ~III.~ Avers und Revers einer Münze: 1. Ein Engel hält ein Wappenschild, den Rautenkranz; Umschrift: ~mo: no: fratrum: ducum: saxoni:~ 2. ein Wappenschild, Löwe, Reichs-Adler, Längsbalken, Löwe, mit 4 Feldern ~Lantgrviorum. thur. et mar-mi.~) Karger Jud! Wiltu mehr Gold Auch aus meinem Buch erpressen, Das ich selbst gern haben wolt? Du komst mir vor sehr vermessen. Laß darvor die güldnen Stück Springen, die du eingeschlossen; Diese laß mir hier zurück, Sonst machst du mir schlimme Possen. Die Possenreißer und (=Holzschnitte=: ~I.~ Eine Reihe Charaktere. -- ~II.~ Ein nackter Mann auf dem Rand einer Badewanne sitzend, der einen bekleideten Narren mit Kappe hineingezwängt; oben links und rechts je ein Ballen mit Stiel.) Du hast gewiß zu viel ein Sparren, Weil sich dir hier lauter Narren Unversehens stellen für; Doch getrost! In diesen Orden Sein schon viel geschrieben worden, Du bists nicht allein, glaub mir. Allenthalben sie herkommen, Du bist auch nicht ausgenommen. Schalksnarren betreffend. (=Holzschnitte=: ~I.~ Charaktere. -- ~II.~ Ein Narr in einer Straße, auf jeder Hand ein Rabe, drüber: grab, grab, grab. -- ~III.~ Charaktere.) Willkommen, lieber Cammerad! Es ist ja vor dich nicht schad, Wann du dich gleich ließt einschreiben, Die Zeit mit uns zu vertreiben. Ei, betrachte uns doch recht, Lieber, unser groß Geschlecht, Du darfst dich ja gar nicht scheuen, Es wird dich niemals gereuen. Die Soldaten und (=Holzschnitt=: Zehn Zelte; in dem vordersten in der Mitte ein bekleidetes Weib, darüber: venus; aus einem andern Zelte rechts schaut ebenfalls eine weibliche Figur hervor, darüber: firbas[558]. Die übrigen Zelte sind bezeichnet [von links nach rechts]: ere, stet[559], gut, trüw, zucht, abenthür, liebe, scham. Der Stock sehr roh.) Du hast ein herzhaft Geblüte, Hörest nicht gern viel von Güte; Vor Musqueten und Cartaunen Pflegestu nicht zu erstaunen; Auf den Degen hältst du viel, Du liebst hoch des Martis Spiel. Halt dich wol, es kan sich schicken, Daß dir all dein[560] Thun mög glücken. FUSSNOTEN: [558] =firbas=, fürbaß, vorwärts. [559] =stet=, Standhaftigkeit. [560] =dein=, in den Ausgaben steht als Druckfehler =mein=. Kriegsgurgeln betreffend. (=Holzschnitt=: Allerhand Kriegswerkzeuge: Kanonen, Hand- und Faustrohr, ein Paar Pauken, Hieb- und Stoßwaffen. Ebenso roh wie der vorige Stock.) Du hast deine Freud in Waffen, Auf Musqueten, Puffen, Paffen Ist dein ganz Herz hingericht; Deine Hoffnung treugt dich nicht, Ich hab von dem Glück vernommen, Daß du werdest wol ankommen; Führ den Degen nur fein frisch, Daß der Feind dir nicht entwisch. Die Weinschläuch und (=Holzschnitt=: Bacchus auf einem Faß stehend, links ein Weinbauer, der in einem Tragkorb Trauben bringt, rechts ein Satyr mit einer Pfeife und ein Ziegenbock; oben links und rechts je ein runder Becher mit Buckeln.) Gott segn es, lieber Bruder! Thue mir bald Bescheid; Es ist wahrlich ein guter, Ich sing drein mit Herzensfreud. Wie ists? Wil der Wein nicht schmecken? Mir pflegt er Freud zu erwecken. Du gibst meinem Herzen Kraft, Ei du edler Rebensaft! Bierbrüder betreffend. (=Holzschnitt=: Mann und Frau hinter einem Tisch sitzend, die Frau trinkt aus einem großen Deckelkrug, der Mann aus einem Zwiebelglase, während ein Hund ein Huhn vom Teller stiehlt. Darunter ein kleines Trinkgeschirr und ein liegender Doppelbecher [oder eine Kanne?]) Ich hab dirs gleich angemerket, Daß der Trunk dich trefflich stärket, Drum bring ich dir jetzt eins zu: Trink es aus biß auf den Grunde! Kriegst du gleich im Hirn ein Wunde, Hast du doch drauf gute Ruh. Sie macht dir nichts mehr zu schaffen, Wann der Rausch ist ausgeschlafen. Die Courtisanen und (=Holzschnitt=: Ein reichgekleideter junger Mann mit einer Dame, die er um die Schulter faßt, rasch fortschreitend; neben ihm links ein Spielmann gehend, mit Pfeife und Handtrommel.) O du schöner Jungfernknecht! Du kommst jetzund eben recht, Es gibt was zu cortesiren; Ich will dich gar recht anführen. Aber sihe dich wol für, Daß dein Schatz dich nicht verführ, Sitzest du auf die Leimstangen, So bist plötzlich du gefangen. Jungfernknechte betreffend. (=Holzschnitt=: Ein Reiter zu Pferd, mit dem Hut in der linken Hand, reicht einer Dame zum Abschied die rechte.) Hat die Liebeskrankheit dich Ganz besessen gleich wie mich, Ei wol! Geh behutsam nur, Daß man nicht komm auf die Spur. Laß den Hasen ja nicht blicken, Du musts wissen zu verzwicken; Wilttu handeln recht gescheit, Ei, so gehe nicht so weit! Die Gaukler, Spitzbuben (=Holzschnitt=: Oben eine Karte, Eichelacht, an beiden Seiten Charaktere, darunter der untere Theil eines Stocks: ein Bauer verkauft einer Frau Eier aus einem Korbe. Hinter der Frau ein Knabe, der ihr einen Zopf abschneidet, links am äußersten Rand ein Mann, der mit dem Finger zeigt.) Trumpfen, letzten Stich, Pikieren, Bald gewinnen, bald verlieren, Ist dir ein gemeine Sach, Spessern[561], Quanzen[562] und Labeten[563] Half dir oft aus vielen Nöthen, Bracht dir auch oft Ungemach. Man schlug dich oft auf die Taschen, Wollen wir jetzunder paschen?[564] FUSSNOTEN: [561] =Spessern=, überbieten, mehr ansagen, entstanden aus dem noch gebräuchlichen »es bessern.« [562] =Quanzen=, wahrscheinlich ist gemeint: 15 auf die Partie haben, ~avoir quinze sur la partie~; daher der Name eines Spiels, wobei der erste, der 15 in der Karte hat, gewinnt, ~jouer au quinze~. [563] =Labeten=, durch Kaufen sein Spiel verlieren. [564] =paschen=, einen Pasch werfen, dann würfeln überhaupt. und Spieler betreffend. (=Holzschnitt=: Herzzehn, daneben Charaktere; unten: zwei Männer spielen Triktrak in einer Art Laube, auf viereckigen Steinen sitzend; auch das Triktrak steht auf einem solchen Stein.) Eichel, Schellen, Grün und Herz Bringen dir bald Freud, bald Schmerz. Bald gehts: Jetzt hab ich gewonnen; Bald heißts: Mein Geld ist zerronnen. Sags nur meiner Frauen nicht, Was hier bei dem Spiel geschicht, Sie möcht treten sonst ins Mittel Und mir lesen ein Capitel. Des Autoris poetische Erinnerung an den Leser. Durch dieses Büchlein hab ich sehr viel Geld erschnappet, Besonders wenn ich oft ein simpeln Kerl ertappet. Versuch es auch einmal, gewiß, es reut dich nicht, Wann deine Kunst mit Maß zu rechter Zeit geschicht. Man lebt doch in der Welt, muß sehn, wie man sich nähret, Daß man der Hungersnoth und des Dursts sich erwehret. Wann in den Schranken bleibt der Lust, so ist es gut, So machstu, daß man dir stets alles Gutes thut. Ende. (=Holzschnitt=: Eine Dame spielt die Orgel [eine Heilige Cäcilia?]. Ein Knabe, rechts hinter der Orgel stehend, bewegt mit den Händen zwei Blasbälge.) Druck von F. A. Brockhaus in Leipzig. Notizen des Bearbeiters: gesperrter Text markiert durch = ... = Antiqua-Text markiert durch ~ ... ~ Unterschiedliche Schreibweisen wurden wie im Original beibehalten. Viele Wörter stammen aus deutschen Dialekten und wurden entsprechend beibehalten. Typographische Fehler und einzelne Satzzeichen wurden stillschweigend geändert. 'n mit Makron' wurde durch '[=n]' ersetzt. Inhaltsverzeichnis am Anfang eingefügt. *** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK SIMPLICIANISCHE SCHRIFTEN, ERSTER THEIL (VON 2) *** Updated editions will replace the previous one—the old editions will be renamed. Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright law means that no one owns a United States copyright in these works, so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United States without permission and without paying copyright royalties. Special rules, set forth in the General Terms of Use part of this license, apply to copying and distributing Project Gutenberg™ electronic works to protect the PROJECT GUTENBERG™ concept and trademark. Project Gutenberg is a registered trademark, and may not be used if you charge for an eBook, except by following the terms of the trademark license, including paying royalties for use of the Project Gutenberg trademark. If you do not charge anything for copies of this eBook, complying with the trademark license is very easy. You may use this eBook for nearly any purpose such as creation of derivative works, reports, performances and research. 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It exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from people in all walks of life. Volunteers and financial support to provide volunteers with the assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg™’s goals and ensuring that the Project Gutenberg™ collection will remain freely available for generations to come. In 2001, the Project Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure and permanent future for Project Gutenberg™ and future generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4 and the Foundation information page at www.gutenberg.org. Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non-profit 501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal Revenue Service. The Foundation’s EIN or federal tax identification number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by U.S. federal laws and your state’s laws. The Foundation’s business office is located at 809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up to date contact information can be found at the Foundation’s website and official page at www.gutenberg.org/contact Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation Project Gutenberg™ depends upon and cannot survive without widespread public support and donations to carry out its mission of increasing the number of public domain and licensed works that can be freely distributed in machine-readable form accessible by the widest array of equipment including outdated equipment. 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