The Project Gutenberg eBook of Stehe von Lichtern gestreichelt: Gedichte

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Title: Stehe von Lichtern gestreichelt: Gedichte

Author: Kasimir Edschmid

Release date: September 20, 2012 [eBook #40805]
Most recently updated: October 23, 2024

Language: German

Credits: Produced by Jens Sadowski

*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK STEHE VON LICHTERN GESTREICHELT: GEDICHTE ***

KASIMIR EDSCHMID

STEHE VON LICHTERN
GESTREICHELT

GEDICHTE

1919
PAUL STEEGEMANN VERLAG HANNOVER

Geschrieben zumeist etwa Neunzehnhundertdreizehn.
Gedichte eines, dem Verse Mißverständnis, Prosa Erfüllung
ist. Der, zu wenig eitel oder zu verliebt in diese Form des
Dichterischen aus ihm, sie weder verschweigt noch bejaht.

Alle Rechte vorbehalten
Umschlagzeichnung von Käthe Schmidt
Copyright 1919 by Paul Steegemann Verlag Hannover
Gedruckt als 10.-11. Band der Sammlung Die Silbergäule
bei Edler & Krische, Hannover

STEHE VON LICHTERN GESTREICHELT

Nun glänzen orangen der Herbstsee und die Birken entflammt wo entfernt.

Mit den silbernen Achsen der Scheiben nur ist unser Zimmer besternt.

Nelken und Zimt deiner Kleider durchwellt in Gerüchen den Raum.

Blind durch das Bleiche der Dämmrung glitzern die Spiegel kaum.

Über dem Goldweiß der Wände schwemmt die Laterne draus nur

Welle auf schimmernde Welle schweigend mit trübem Kontur.

Nun liegt meine Hand, die noch gestern die Haut eines andern durchschnitt,

an der ich am Haar dich emporzog am Sandbruch beim ersten Ritt;

auf der alle Punkte ich zählte, wie sie deine Säure verbrannt,

vor der du in Demut dich knietest, als ich die Pistole gespannt — —

Nun liegt meine Hand wie ein Kreisel, der torkelt und nicht mehr schrillt,

an deines Leibes erglühtem und auf sich wölbendem Schild.

Seh deine Augen brechen schräg aus der Kissen Granit:

Gläsern geschliffene Teiche, an denen ich wandernd litt.

Vage erschimmern die Hüften, wenn du im Wiegen sie hebst,

der Schenkel geduckte Exstase, in die du mich sanft sonst verwebst.

Ich fühle das Hämmern des Blutes, hinauf nicht heiß und nicht lau,

wo unter den seidenen Decken mit Geiern in Gelb und aus Blau

gleich gereckten Raubtieren lagert das elfenbeinerne Paar.

O Tupfen des rosanen Marmor . . . . . Ihr Kränze von flaumigem Haar,

Sieh, du willst höhnen nun: Starker, endlich nun bist du matt . . . . .

Lachend laß ich das Lager, schaue hinab auf die Stadt.

Seh, wie mit weißen Flammen die Nacht die Straßen durchstieß.

Schnee deckt sprühend und schaumig Schorne und Gärten und Fries.

O nun braust in die Helle der Frühe mein Wildsein voll neuem Erglühn,

stehe von Lichtern gestreichelt, gerötet, Hochstapler und kühn,

werfe den Arm hoch im Rausche — höre den Sperberschrei.

Purpur durchrast schon der Fenster flammendes Mondrund und Blei.

RUMÄNISCHE BALLERINA

Nach des Elephanten großem Schreiten

kam sie, die mit Pas den Zirkus reich durchstach.

Ihre Arme, die die Pferdeluft im Schwung durchweiden.

ziehn wie Violinsignale schwärmerisch und zag.

Währenddem die Lichter sterbend sanft sich ihr verneigen,

wächst der dunkle Raum hinauf zum eisigen Relief,

bis das Starre der Gesichte und der Blicke Bleichen

gurgelnd übersaust der zwei Kapellen Bluff.

Und nun neu entschwebt aus den verhaltnen Hüften

Rhythmus, der in der Manege alles gell erregt.

Neben ihr der Hengst, der kreist in ihres Tanzes Düften,

macht denselben Gang von ihrer Schenkel Zorn bewegt.

O wie schwingen beide — schwarzes Tier und Frau — im Kreis wie über Meere.

Sand wird Glas und blitzt. Musik versiegt.

Nur des Auges ungeheurer Glanz hebt etwas auf von der Arena Luft und Schwere,

dieweil der Körper schon halb transzendent die zehnte Runde überfliegt.

FISCHERBOOTE IN ETRETAT

Von den Fäusten der Pflöcke gehalten, an zuckenden Seilen

stehen die Boote von schweifenden Wolken bedroht . . . . . .

Stehen wie Pfeile, wie Wale . . . . . . unregsam im Aufruhr von Meilen

einsamer als Büffel vor einem Abendrot.

Furchtsam wie Blumen bedrängen den Zaun, bricht sich an der Kiele

stolzerer Phalanx der Fluß. Aus dem nahen Orkan

quellen schon Dunkel und Pfeifen . . . . . . Doch, unverrückbare Ziele,

liegen die Kähne beglänzt von des Himmels zerstäubtem Mangan.

Sie liegen gefroren im Strom und des Sturmes Gebaren

zerschellt an der Sicherheit ihrer starren Schicht . . .

als hätten sie eine Sehnsucht nach größeren unendlicheren Gefahren,

wirrer wie Mohn, süßer als Patcholi, Weiber und Maienlicht.

PERSEUS UND ANDROMEDA

Da er in Erz umspiegelt sorgend seinen

Arm, der noch qualmte von des Wurmes Blut,

zu ihrer Fessel hob, kam ihm: ein Leinen

sei nun viel mehr als alles andre gut.

Denn sie stand nackend an der breiten Planke.

Ihr Schatten schmal wie ein Olivenzweig

zitternd geneigt dicht neben ihr aufs blanke

Riff machte sie nur tiefer nackt und bleich.

Nun nahm er ihr die Spangen von den Händen

und eine Schwachheit stieg in ihm wie nie.

Er staunte: Ist das Weinen? — und dann enden

sah er die Kette über ihrem Knie.

Und doch: Das ist ja Weinen: — Der genossen

die dumpfen Wunder allesamt, er hing

mit seinem Blick da, wo des Lichtes Sprossen

fern heller wurden, lange. Und er fing

die Glut des Meeres auf und wagte nicht

zu lösen wie ein Blinder unentschlossen

von ihrem Mädchenschenkel Schnur und Ring.

ABSCHIED

Ich lege mein schluchzendes Antlitz auf meiner Hände Sichbeugen.

Steigenden Lichtes ruhte es an deinem noch aus

von einer Nacht, die erbrauste und schwoll in den Liebesgeräuschen.

Eine Ampel quält nur mein kniendes Haus.

Vor meiner Tränen Geneige hebt nun der freier

verrinnende Abend seine durchleuchtete Glut.

Meine zuckenden Lippen gleiten auf deinem grünlichen Schleier

nach deinem duftigen Fleische, das nirgendwo ruht.

Soll ich das Glück verschwiegenster Orte noch einmal schauen,

welches die schmelzende Rast deiner Silben schon nicht mehr kennt

und nicht mehr weiß, wie du schweigst, und den Turm und die blauen

Portale und kreisenden Lichter am Maifirmament?

Wenn ich den Blick auf die nun enteilenden Länder lehne,

ist mir der Dächer Gegleite wie Fallen zum Meer.

Irgendwo da reicht dir ein Stern das Maß meiner Lust, meiner Träne.

Aber der Rhythmus der Ferne ist dumpf und verzweifelt und schwer.

Doch in den plastischen Bäumen der Nacht geht die Landschaft schlafen.

Und ist die Nachttrauer der Parke nicht Rauschen vom Meer?

Einmal goldet auch mir der wölbende Hafen,

geht meine Stimme mit Kommandos, voll Ehrgeiz und hell übers Wehr.

Einmal werden die Monde geballt den rasenden Tag übersteigen,

wo ich die Süße deines Fleischs schon und dies Lächeln auch überwand.

O daß, wenn grausamste Schmerzen mich reißen zu steileren Abendneigen.

O daß ein Blaumond mir spiegelt diesen Tag, so Geringes, als zärtlich geläutertes Pfand.

TO

Manchmal im harten Wind,

der tierisch erbrüllen macht über die Ebene weit

gewaltige Eschen, unter denen ich liege auf unserer Wiese in Rottach,

fühle ich, dein Blut überfällt mich

und ich weiß nicht, wo du bist, meine königliche Äffin.

Wenn mein Leib, der dunkel und braun ist von Segel und Sonne,

in den klirrenden Peitschen funkelnden Regens aufrauscht,

manchmal, meine ich, du seist in meiner Haut,

weil du meine Braunheit lieb hast.

Wenn der Sturm aufgeht zwischen Wiessee und Egern

und ich am Fock ihm entgegenstehe

mit aller Tiefe und Kraft die Böen zerreiße, reffend die Hände hebe

und im schmalen Zuck der Blitze

mich bade,

nicht wissend, ob ich verflucht bin oder geheiligt in meiner Jolle

von kreisenden Kränzen der Glut,

aber doch Hohn, Wimpel und Pinne fest in der Hand

wildes Geschrei der zerschäumenden Dinge

heiß überfunkle,

da,

wie aus aufdonnernden Munden von Kathedralen

in großen Städten,

singt etwas in mir

gewaltig und leise:

Meine Freundin.

ORPHEUS

O das verworrene Rören der Hirsche ist leichtes Gelärme

gegen die Brunst, die des Haines gebeugte Wipfel durchirrt.

Glühend beflaggt trägt der Wald die Streifen von rostbrauner Wärme,

die die gesunkene Sonne noch lange heut spenden wird.

Auch auf dem tragischen Teiche wächst eine stille Exstase

hin nach der Dünung, wo Orpheus der Sterbende kniet auf den Strand.

Einmal noch hebt er die Laute in eine unsagbare Phase,

während der blendenden Brust schon entblättert das schöne Gewand.

Dann wächst entsetzlich und drohend wieder die grausame Stille,

als des Mondes glühender Phallos den Zitterabend durchdringt

und in der tonlosen Landschaft nur aus der erhellten Puppille

weniger Blumen ein rosiger Regen am Boden erklingt.

ROSITTA MAURY

Die Hüften beben eingesenkt wie ein Florett,

Nur Schärfe und Kontur . . . . . . unmöglich auszudenken

den Leib in Mousselin oder auf einem Bett.

Er war mehr eines Jünglings, der nie den Gelenken

Rausch gab . . . . . Der staunend sieht, wenn in der Raserei

der Orgie Fraun im Tanz die heißen Brüste schwenken.

Der scharfe Kopf kam aus des Halses Kelch ganz frei

und kühl. Des Auges dunkel aufgewölbter Spiegel

schmolz nach der Iris hin zu tötlichem Email.

Doch was an ihr von Weib war, brach voll Hohn die Tür

der Lippen und stand flammend, wo der breite Riegel

des Munds aufglomm wie ein zerrissenes Geschwür.

SPRUCH

Die Birken sind schon schwer umnachtet.

Der Park reißt wild die Melodie

der Wege weiter. Eh ihr dachtet

seht Ihr das Tor vor ein Gesprüh

mildesten Abends hingeschmiedet.

Eine Rosette hebt die Scheibe

über den Rand des Dunkels hoch.

Fragt mich nicht, was sie tief umfriedet

von weichem Glanz ins Kalte zog.

Sagt, Freunde, nicht zum Abend: Bleibe

Und hebet Eure Fäuste hoch.

DEM GEDÄCHTNIS DER TÄNZERIN
ANGELIQUE HOLOPAINEN

Über der stahlgrellen Straffung von tausend entflammten Gelenken,

o wie liegt im Tanz ihr zweckloser Bizeps da kühl wie ein sänftiger Hund.

Und alle die andern, die Muskeln, entzündete Sehnen schwenken

Lächeln hinauf nach der Demut, die verzuckt an dem slavischen Mund.

Und da befällt mich die wütende Angst, in diesen verzückten Posen

sei nicht mehr Angelique, die bebt, wenn der Metro schrillt,

die wie ein Dolchstoß süß sich erhob und den Ansturm verfaulter Leprosen,

den zischenden Geifer zurückschlug und als glänzenden Schild

einzig den Ordinat trug der Pflegerin über den kindlichen Brüsten . . .

Apachenpfiffe zerrissen, Türme durchschwammen das Wetter, wie ein Blinkfeuer schlug Sacré Coeur

zerspiegelte Blitze hinein in die Stadt, und unter der Donner verdunkelten Lüstern

hing ihre madonnige Demut geneigt im Dächermeer.

Und nun ist mir die einzige Lösung, während in blinden Exstasen

ihrer Schenkel Bogen, ihre Brust ins Unermeßliche rollt:

Der silberne Brand dieser Lippen, in dessen verrauschenden Phasen

ein Monat der Liebe sich schaukelt bei Passy in Abend und Gold.

DER FREIER

Es war an ihm etwas wie Musizieren:

Die Seide, die schon blutig ward und bunt,

der schwanke Pfeil im Rücken, das Vibrieren

der Hände und der feingeschweifte Mund.

Er war noch wirr . . . . . . . . nun riß er von den Lenden

das Kleid. Die Lippen formten einen Kreis,

aus dem er aufschrie. Und von allen Wänden

schlug sich der Schrei zurück verstellt und heiß.

Da warf er seinen Arm wie eine helle

Flaggstange auf und wuchs ihm nach vor Qual.

Und stand vor seines Mantels blauer Welle

geschnellt und grell wie ein gebogner Stahl.

Und schrie . . . . und schrie . . . . Und seinen hingewandten

Bogen ließ nun von ihm Odysseus auch.

Sein Fleisch ward hell vor Tod. Drei Nelken brannten

wie rote Augen stumm an seinem Bauch.

SCHLUSS

Silberne Wunde deines Munds Maria, o und Biß und Helligkeit.

westdeutscher Landschaft, als des Monds Rakete

schräg steigend, duldsam, blau die Hügel überwehte . . . . .

und alle Wiesen ganz von Kirschbaumständen überschneit.

Die Lippen naß vom Mond. O Tau und Duft. Und endlos drehte

um unsern Schlaf im Hummelschwung sich plötzlich riesenhafte Röte und die Morgenzeit.

Wie süß dein Bein bei Nyon. Weiße Katzen drücken

verliebt den Nabel dir und deine Lippen sind gespannt und voll

von Röte wie die Segel, unter denen wir windlos im Kupferabend weiter rücken.

O Abend, der Metall um alle Maste schlug und quoll,

daß ich vor Blut aufflog; verrückt, und Bergesrücken

und alle Bergesrücken das Geschrei von meiner Liebe überscholl.

Wenn mir im Elend nun die Dinge neu um dich sich jetzt zusammenschweißen,

fällt gar vielleicht der Mond (Rue d’Aboukir) durch Luken auf mein Bett in dem Hotel.

Wie glänzt die Nacht. Wie alle Wände gleißen.

Der Abend groß. Die Seine unerhört und wie mein Ehrgeiz hell.

Kein Hornklang mehr. Nur wieder donnernd vor Verlassenheit zu kreisen

beginnt um mich der Korridore ungeheuer stummes Karussell.

SAPHO

Die Überkönigliche . . . . . . . durch das dunkle Spülen

des Wassers glitt sie überbauscht von losem Haar.

Der Leib schien Nacht und Brandung klingend aufzuwühlen,

der eh von Hymnen hell und überflogen war.

Sie hielt die Lyra. Stumpf wand aus der Mondspirale

sich kalter Schein und hielt mit Riff und Wogen Tausch.

Manchmal erblitzten Wellen, wo den Arm die Fahle

flocht durch das Instrument aus Elfenbein und Rausch.

Die Vorgebirge ragten gleich von Schmetterlingen

besucht vom Mond. Seemöven, Flügel voll von Reif

brachen durch fernes Dunkel als gekreuzte Klingen

und schossen plötzlich spitzen Flugs nach jenem Streif,

da hingerissen trauernd stand mit Silberschwingen

lautlos und träumend über ihr ein großer Greif.

GAM

Wir haben diese Gebirgswochen mit unendlichen Himmeln und Segeljagden uns fabelhaft durchsüßt.

Glanz von Sternen aus Herbststurm gesogen . . . . . . Frauenherzen auf die Laternenspitzen Rottachs gespießt.

Sahen die wilde Dirne Ella nachts weinend und im Hemd im Wolkenbruch der Hauptstraße stehn . . . . .

Aber waren Gams Hüften im seidenen Badeanzug nicht königlicher als die Linie des Ringsees anzusehn?

Hat die ägyptische Königstochter, wenn sie fischend die Anmut der vierzehnjährigen Brüste über den Bootsrand hinüberhob

mit dem bronzenen Glanz ihrer Haut nicht unsern Traum durchwühlt, um den das Fordern sovieler Weibernächte heiß und vergeblich stob?

Licht der Blauberge zog uns magisch ins Irre, wenn Gam die Knie auf nickelnen Pedalen schräg und kindlich höher bog.

Ach wie war ihr Lächeln reif und durchsichtig über allem süß gelagert, was unmerklich gegen sie zog:

Barfuß stand im Lilapark sie heuend fern, als der Prinz von Aleppo träumte, aus dem Geraniengarten Slezak die ungeheuren Tenöre aufzwang.

Schweigend ging sie vorüber, wenn der Ritter von Csala die Brust unter enormen kriegerischen Medaillen schwang.

Als der große Skiläufer Fasolt beim Abschied wild vor Schmerz den Blick nach den Bergspitzen hieb,

die Gaffel in Springbön spritzte, Bobbys Stirn sanft im Ruhm der famosen Schweizer Tennisturniere trieb . . . . . .

da war Gams Schlankheit vierzehnjährig unendlicher darüber ins Uferlose hinein gespannt.

Nichts von unserer Sehnsucht erreichte ihre Kindlichkeit. Unser Leben war in Tragödie nur gegen ihre stets unerreichbare Jugend gewandt.

Wir haben verlassene Tage gewütet, in Demut und Bescheiden uns schwer und zum erstenmal geübt.

Mit Schwüngen schoß die Ebene hin . . . . . . Rennen sinnlos gefahren, Forellenwasser getrübt.

Geschaukelt vom Vollmond lag nachts unser Klüver in die Bucht heller als eine Frauenbrust hinein geblüht.

Wir haben geschwiegen, gelitten, uns entzweit, den heiligen Bund unserer Kameradschaft in Intrigue und Gemeinheit zersprüht.

Bebend der Sommer vor Blau — die stäten Herbstwinde . . . . . . O Landschaft . . . . . . wie haben vom Wallberg Berauschte wir auf unsere Ebenensehnsucht gelacht.

Mädchenbeine haben nach den Segelregatten zwischen unseren Armen herrlich gekracht.

Aber dann haben wir tötlich in der irrsinnigen Beleuchtung der schwärmerischen Nachthügel vorm Tegernseer Sternmeer wie am unwiderruflich letzten Lebensabend gespürt:

daß wir nicht oben sind, unsere Herzen nicht fliegen . . . . . . O wie hat unsere Ausschweifung uns entsetzlich und grausam verführt.

Denn wir haben den glühenden Gott aus keiner Mondnacht, mit keinem Aufschrei, wir haben mit Flaggen und Sturmnacht nie die zitternde Sonne erreicht.

Kalt hat von den steilsten Barrikaden der Sehnsucht unser klagendes Herz sich westwärts zu Melancholien und Entsagung wund hinunter geneigt.

VERKÜNDIGUNG

Er kam nicht die Allee mit sanften Büschen

zu ihrer Halle hin. Denn die war ihm zu bang.

Zu zart schon klangen seines Hemdes Rüschen

und seine Locken bebten in Gesang.

Die Dämmerung der Tür und vom Portale,

das überm hellen Weg zum Himmel wies,

formte aus seinen Händen eine Schale,

die seine Bitte füllte: „Ich verhieß . . . .“

So stand der Engel. Doch Marias strenge

Haltung der Finger machte ihn ein wenig blaß.

Er lauschte auf der Ferne fremde Klänge,

die plötzlich voll Geräusch war, und sah, daß

ihr überm Hügel wehrender Gebärde

zahllos von Lächeln auf ein Horizont sich schlug.

Nur ihre Handgelenke schienen Schwerte,

weil sie die Gnade ihres Bauches kaum ertrug.

MONTAU DON: ENUEG

Ein Mann, der sein Weib liebt, fuchst mich

und sei sie die Liebe Frau von Toulouse.

Das verachte ich: Kaplane, einen Mund, der

in Lügen sich abschleift und bärtigen Mönch.

Pest über Habichte, die schon das andere

Ufer beschweben, Krüppel am Morgenweg

und den Filou, der unsere Tirade hochhebt.

O du Sau, die meinem Pferd Hafer frißt.

Wie kann man,

— kotzt blau — hartes Fleisch kauen und auf Pokern fluchen!

Und schlimm wie ein Hof ohne Violinen

ist Winters am Feuer liegen, wenn

die Taverne gut riecht.

O stürmischer Port

und heut die unsaubere Hure.

Haß auf sie. Mehr jedoch

dem Jüngling, der seine Wade bespiegelt

und fettem Weib, das dürre Lenden hat.

Schlimm Freunde ist es, müde zu sein und nicht

schlafen zu können.

MONTAU DON: PLAZER

Wie liebe vor allem

ich Musik, Radau und rauschvolle Sachen tun.

Und eine Dame, die gute Glieder hat.

Funkelschöne Gespräche, die aufzucken

gleich Dolchen, niedersteigen und dies

Seltene: Honnete Reiche und den, der dem Feind

Herz ins Gesicht speit.

Lob aus der Zunge irgendeines

strömend gefällt mir, es ist Ruhm. Und Siesta,

wenn es nicht hagelt.

O fetter Lachs um die Stunde Neun.

Und diese Wonne: ich liege

im Sommer

an Quellen, am Bach und

die Ebenen sind grün, Bäume neu,

Lerchensang rauscht immer hoch

über mich

und ich sehe heimlich im Duft wo die Freundin

und beschlafe sie.

VERFOLGTER KRIEGER

Sein Fuß lag wie ein Tier im Sand. Er spannte

des Körpers Rasen an aufs Schwert geduckt.

Er wölbte sich und stand von der Gewande

leuchtendem Spiel und hellem Wind umzuckt.

Er würde viele töten . . . . Doch wie Seide

war seine Stirn. Sein Blick schien ganz erhellt

von nahem Tod. Er sah wie nie die breite

Schnur grüner Hügel vor sich hin gewellt . . . .

Dann wuchs die Gegend wunderlich zusammen:

Ein Turm bog sich an Fichten dünn vorbei.

Der Himmel blich und hatte plötzlich Flammen

von Schlaf und Traum und schöner Meeresbai.

DIE NACHT DES ANGESCHOSSENEN

Rauschdunkles Geschehen flackert grünlich im Abend aus dem Kamin.

Halt! — nein — nur das eigene Auge, das durch den Rauch aus dem Spiegel schien.

Immer den Kopf so halten . . . . . Arm auf den Divan gereckt.

Germaine kommt bald . . . Kein Opium! . . . Alles ist grau verdeckt

Gleich holländschen Ewern (o Tage von Nebel und Kühen, denen ich mich verrauschend gab,

Delft, Vermeer, die Glocken . . .) gleich Ewern stampfen die Häuser zur Seine hinab

des Boulevard, der aufbricht von Lichtern, von blitzenden Tramways zerschnürt.

Das Wundfieber muß nun bald enden, das die Knochen mit Fiebern schürt.

Famos wie den Alphonse sie warfen ins Auto, von Stichen und Schreien bunt.

Schaum umdampfte den schmalen, wie mit einem Dolchschnitt aufgehauenen Mund . . . .

Gott, nun die Seine durchschneiden Dampfer, gellend die Ventile, Herzpochen im dunklen Rohr.

Fressendes Schwarz der Brücken wirft sich ihnen entgegen, dröhnt über sie empor.

Lichter nun drunten . . . ein Auto zittert im Hof wie ein Mann vor erstem Weib.

Ah . . . Frau des kleinen Capitaine! — Wie wird sie fahren, blumenhaft und ohne Neid

wie ein lächelnder Stern durch Straßen vom Leuchten der Läden beschneit,

in den Rücksitz des Wagens gelagert, die Pleureuse wie Schaumstreif vom Wind

über ihr Lächeln gekräuselt . . . . Verdammt, daß die Abende so zehrend und endlos langsam sind.

Nun rasen wie Zündschnüre flammend die Straßen zum Etoile.

Mählich nur rauscht aus dem Garten der großen Fontäne Fall,

Die Faculté de droit demonstriert um acht Uhr präzis am Procope.

Wie aus dem Schrei des Royalisten neulich ein Zünden stob,

alle Puppillen und Gläserkanten im Saal erblitzten wie Degengeglänz.

Germaine wird wieder nicht kommen . . . . Sacré . . . im Builler brennt’s!

Flammendes Aufgehn von Wellen, das das Graue vom Himmel abfrißt.

Gut nur, daß Germaine sicher in der Olympia ist.

Heute gleich einem brünstigen Strudel saugt die Revue tausend Männer in ihr Licht.

Der ganze Saal ist ein brennender Strom, der aufglühend in dies helle Gelächter bricht.

Germaine wird mit einem Hirtenstab tänzelnd durch die einzelnen Bilder hingehn.

Wünsche aufdampfen im Parkett, wenn ihre Knie leicht wie Küsse ängstlich an das Enge der Robe angelehnt stehn.

Germaines Knie sind zart wie junge Feigen und von seligem Arom.

Ihre silbernen Brüste stehn zärtlich über des Leibes schmalhüftigem Dom.

Nun steigt zur letzten Exstase in allen Bars der Zigeuner und Weiber Gekreisch.

In der Source und dem d’Harcourt verrasen die Tänzerinnen unter dem Puder ihr blendendes Fleisch.

Nun speien alle Lokale in einem beispiellos auffunkelnden Zug

aufzuckendes Leben, Ströme, Lieder und Mädchen auf des Boulmichs nächtlichen Geruch.

Schließen die Läden wie Lider . . . zwei Uhr . . Dunkel . . . Germaine kam nicht. Diese Nacht ist nicht leicht.

O bald aus seinem Cabaret steigt Dunajec herauf (Maestro hongrois), der mich schweigend in den neuen prunkvollen Genesungsmorgen unendlich hinübergeigt.