The Project Gutenberg eBook of Unter Kopfjägern in Central-Celebes

This ebook is for the use of anyone anywhere in the United States and most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this ebook or online at www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you will have to check the laws of the country where you are located before using this eBook.

Title: Unter Kopfjägern in Central-Celebes

Ethnologische Streifzüge in Südost- und Central-Celebes

Author: Albert Grubauer

Release date: July 28, 2025 [eBook #76580]

Language: German

Original publication: Leipzig: R. Voigtländers Verlag, 1913

Credits: Peter Becker and the Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net (This file was produced from images generously made available by The Internet Archive)

*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK UNTER KOPFJÄGERN IN CENTRAL-CELEBES ***

Anmerkungen zur Transkription

Der vorliegende Text wurde anhand der Buchausgabe von 1913 so weit wie möglich originalgetreu wiedergegeben. Offensichtliche Fehler wurden stillschweigend korrigiert. Ungewöhnliche und heute nicht mehr verwendete Schreibweisen bleiben gegenüber dem Original unverändert.

Unterschiedliche Schreibweisen bei Orts- und Personennamen wurden nicht korrigiert, sofern diese jeweils mehrfach im Text vorkommen; dies gilt insbesondere für das Setzen von Akzenten.

Abhängig von der im jeweiligen Lesegerät installierten Schriftart können die im Original gesperrt gedruckten Passagen gesperrt, in serifenloser Schrift, oder aber sowohl serifenlos als auch gesperrt erscheinen.

Original-Einband

Unter Kopfjägern
in Central-Celebes

Eingeborenenregatta in Malili.
Original-Titelseite

Unter
Kopfjägern
in Central-Celebes

Ethnologische Streifzüge
in Südost- und Central-Celebes

von

Professor
Albert Grubauer

Mit 322 Abbildungen im Text,
16 Bildtafeln und 2 Karten

Verlagssignet

R. Voigtländers Verlag in Leipzig

Zensurstempel »Völkerschlacht-Denkmal«

Copyright 1913 by R. Voigtländers Verlag, Leipzig.
Alle Urheberrechte, insbesondere das der Übersetzung, sind vorbehalten.
Umschlag und Einband nach Entwurf von Paul Reichow, Berlin.

Das alleinige Recht zur Herstellung von Diapositiven für die in diesem Buche enthaltenen Photographien besitzt die Firma Dr. Franz Stoedtner, Berlin.

Meiner lieben Mutter

und dem

Andenken meines lieben Vaters

in Dankbarkeit gewidmet.

[S. vii]

Vorwort.

Seit den verdienstvollen und erfolgreichen Reisen der Herren Vettern Sarasin im centralen Celebes in den Jahren 1895/96 und 1902 wurden diese schwer zugänglichen Gebiete von keinem deutschen Forscher mehr aufgesucht.

Einer Anregung des Direktors am kgl. Völkermuseum in Berlin, Herrn Professor Dr. Albert Grünwedel Folge gebend, entschloß ich mich zu dem Versuche einer rein ethnographischen Zwecken dienenden Reise in den bis heute noch großenteils unerforschten Gebietsteilen von Central-Celebes. Das in Aussicht genommene Gebiet reizte mich umsomehr, als seine Erforschung gewissermaßen einen Abschluß meiner früheren großen Reisen in Malakka, Java, Sumatra und Borneo bildete.

Daß ich meine ausgedehnten Expeditionen im Innern der Insel zu einem glücklichen Abschlusse bringen konnte, verdanke ich in erster Linie dem großen Entgegenkommen und der mir jederzeit liebenswürdigst gewährten Unterstützung durch das Holländisch-Indische Gouvernement. Es ist mir ein tiefgefühltes Bedürfnis, der Königlich Niederländischen Regierung, sowie allen den Herren Beamten, mit denen es mir vergönnt war, in nähere Beziehungen zu treten, meinen innigsten Dank für das mir erwiesene Wohlwollen und die mir gewährte Gastfreundschaft auszusprechen.

In knapp 3½ Monaten gelang es mir, große Landgebiete der Insel kennen zu lernen und eine über 1200 Stück umfassende ethnographische Sammlung, sowie ca. 500 eigene photographische Originalaufnahmen von dort mit zurückzubringen.

Es bedurfte harter Mühen und großer Ausdauer, um in so kurzer Zeit dieses Resultat zu erzielen. Wenn es mir dabei gelungen ist, dem Gebäude unseres ethnologischen Wissens über Celebes einige Bausteine anzufügen, so gereicht mir dies zu hoher Befriedigung.

Aber auch allen denen, welchen tief im Herzen das Sehnen nach den Wundern fremder Welten lebt, ohne daß es ihnen vergönnt wäre,[S. viii] die unvergleichlich herrliche Tropennatur mit eigenen Augen zu schauen und von Kultur völlig unberührte Volksstämme mit ihren ursprünglichen Sitten aus persönlicher Anschauung kennen zu lernen, soll durch die Wiedergabe meiner unmittelbaren Eindrücke auf einer Tropeninsel, die zu den schönsten dieser Erde zählt, Anregung und Belehrung geboten werden.

Schließlich sei es mir noch gestattet, darauf hinzuweisen, daß selbst bei der größten Objektivität und der peinlichsten Nachprüfung der von Eingeborenen erhaltenen Angaben Irrtümer nicht ausgeschlossen sind. Dies bitte ich bei der Beurteilung mit berücksichtigen zu wollen.

Und so übergebe ich denn dieses Buch der Öffentlichkeit mit dem herzlichen Wunsche, daß es sich viele Freunde erwerben und zur Vertiefung unserer Kenntnis von der wundersamen Insel seinen Teil beitragen möge. —

Berlin-Tempelhof, im Oktober 1913.

Der Verfasser.

[S. ix]

Inhaltsverzeichnis.

 
Seite
a)
Ankunft in Makassar. — Erste Eindrücke. — Klimatische Verhältnisse. — Landesregierung. — Einschiffung nach der Ussubay. — Insel Saleyer. — Paloppo. — Ussubay. — Malili
  1– 22
b)
Inlandreisen:
 
 
 2. September:
Aufbruch von Malili nach Ussu und Kawáta
 
 3.
Kawáta — Laro-Eha
 
 4.–5.   „
Kawáta — Laro-Eha
 
 6.
Matanna — Sokóyo — Toréa
 
 7.–8.   „
Toréa — Sorowáko
 
 9.
Sorowáko — Karongsie
 
10.
Karongsie — Sinóngko — Weúla — Sése
 
11.–12.  „
Sése — Tabaráno — Leóka — Timámpu
 
13.
Timámpu — Insel Loëha — Tokolimbu
 
14.
Tokolimbu — Raúta
 
15.–16.  „
Raúta — Gebeinstätten im Raúta-Gebirge — Wiwirano
 
17.
Wiwirano — Raúta
 
18.
Raúta — Tokolimbu
 
19.–20.  „
Tokolimbu — Lingkobale — Tolére — Laronang
 
21.
Laronang — Pongkeru
 
22.
Pongkeru — Malili
c)
Aufenthalt in Malili und Rückreise nach Paloppo
a)
Eintreffen in Paloppo. — Cholera. — Luwuresenhäuser. — Pest-Prozession
b)
Inlandreisen:
 
 
30. September:
Paloppo — Latúpa — Balúbu-Gebirge — Salulimbung
 
 1. Oktober:
Salulimbung — Kambútu — Simbuang-Mapak — Senála — Pasang — Makale
 
 2.  „
Makale — Rimbung — Bilálang
 
3.–4.   „
Bilálang — Bituang (Néneng)
 
 5.  „
Bituang — Awang
 
 6.  „
Awang — Barúbuschlucht — Tóndong
 
 7.  „
Tóndong — Kalámbi — Rantepáo
 
 8.  „
Rantepáo — Baubuntu-Tal — Kambútu — Salulimbung
 
 9.  „
Salulimbung — Paloppo
[S. x]
a)
Empfang bei der Königin von Luwu. — Reichsinsignien von Luwu. — Abschied von Paloppo
b)
Inlandreisen:
 
 
17. Oktober:
Paloppo — Baram-amasse — Salu Tubu
 
18.   „
Salu Tubu — Buwangin — Baëbuntu
 
19.–20. „
Bilálang — Bituang (Néneng)
 
21.   „
Masamba — Balómbong — Rante-Manuk
 
22.   „
Rante-Manuk — Pekobusanga I — Massarow-Mangura (Waldbiwak)
 
23.   „
Massarow-Mangura — Takalla-Gebirge — Tokúndji (Waldbiwak)
 
24.–25. „
Tokúndji — Pekobusanga II — Leboni
 
26.   „
Leboni — Nondówa — Dodólo
 
27.   „
Dodólo — Tedeboi (Rampi)
 
28.   „
Tedeboi — Leboni
 
29.   „
Leboni — Kumápa (Waldbiwak)
 
30.   „
Kumápa — Rato — Mabungka
 
31.   „
Mabungka — Takalekádjo-Gebirge — Pendólo
 
1.–2. November:
Pendólo am Posso-See
 
 3.  „
Pendólo — Binowói — Peoura
 
 4.  „
Peoura — Tentena — Kuku
 
 5.  „
Kuku — Pandiri — Tagólu — Posso (am Meer)
a)
Regierungsstation Posso. — Klima. — Hexenglauben
b)
Inlandreisen:
 
 
 7. November:
Posso — Mapane — Kasigúndju — Bambaimpo (Waldbiwak)
 
8.–10.
Bambaimpo — Nompi-Nompi (Waldbiwak) — Lampa — Watutau
 
11. „
Watutau (Napu) — Doda (Besoa)
 
12. „
Doda — Lelio (Bada)
 
13. „
Lelio — Bomba — Kanda — Páda — Bulili
 
14. „
Bulili — Badangkaia — Gintu
 
15. „
Gintu — Lengkeka — Kageróa — Tuáre
 
16. „
Tuáre — Bararóa — Boku
 
17. „
Boku — Saluboku
 
18. „
Saluboku — Mangkudjawa — Gimpu
[S. xi]  
19.–20.  „
Gimpu — Lemo (Kulawi)
 
21. „
Lemo — Buro (Lindu) — Langko
 
22. „
Langko — Tuwa
 
23. „
Tuwa — Sakedi
 
24. „
Sakedi — Sidóndo
 
25. „
Sidóndo — Kalukubula — Palu
 
26.–29.  „
Palu — Donggala
V. Anhang:
Kurzes Wörterverzeichnis von Eingeborenen-Benennungen
Verzeichnis der Abbildungen
Register

[S. 1]

I. Teil.
Reisen in Südost-Celebes.

[S. 3]

Kopfvignette: Einheimische Damen   mit Kopfschmuck und Fächer

Am 11. August 1911 hatte ich von Singapore aus auf dem van Riemsdyk, einem großen und schönen Dampfer der holländischen Paketfahrtgesellschaft, die Ausreise nach Makássar angetreten; aber erst 11 Tage später, nach endloser Küstenbummelei, wurde die flache und völlig eindruckslose Südküste von Celebes gesichtet. Durch ein Gewirr vorgelagerter kleiner Inseln fuhr der Dampfer in die durch diesen natürlichen Schutz ziemlich gesicherte offene Reede von Makássar ein.

Der erste Eindruck dieser östlichsten der großen holländischen Handelsemporien war recht bescheiden; aber die in langer Reihe vor uns festgemachten fünf großen Dampfer nebst einer großen Anzahl auf der Reede verankerter Segelschiffe, chinesischer Dschonken und Prauen, sowie der ohrenbetäubende Spektakel der vielen Hunderte ein- und ausladender Kulis ließen mehr als ein großes Eingeborenendorf erwarten.

[S. 4]

Einer Horde von Piraten gleich, stürzte sich eine Schar schwarz gebrannter Makassaren auf meine umfangreiche Bagage, und fort ging es auf hindernisreichem Wege zum Zollschuppen. Hier trat die Bedeutung Makássars als eines Handelscentrums schon gewichtiger in Erscheinung. Neben den hunderterlei Produkten, wie sie in allen ostindischen Ausfuhrhäfen aufgestapelt sind, erschienen mir besonders auffällig die Tausende von Paradiesvogelbälgen verschiedenster Species, die hier in endlosen Reihen bündelweise zur Verzollung ausgebreitet lagen, desgleichen die gewaltigen Vorräte an Schildpatt, Perlmutter und Trepang.

Vor dem Zollschuppen im Freien, schutzlos dem glühenden Sonnenbrande preisgegeben, türmten sich ganze Berge aufeinanderliegender, lebender Schweine, die, einzeln in Bastgeflechte fest eingeschnürt, der Verladung warteten.

Die Hauptausfuhrartikel Makássars sind Rotang und seit einigen Jahren besonders Dammarharze, Landesprodukte, die das centrale und südöstliche Celebes in großen Mengen liefern, und von denen speziell das letztere seit Entdeckung der schier unerschöpflichen Lager am Towuti-See in Südost-Celebes eine Quelle großen Reichtums für das Land zu werden verspricht.

Nach glücklicher Erledigung der Zollformalitäten quartierte ich mich im Oranje-Hotel ein. Halten die Hotelverhältnisse hier zu Lande auch keinen Vergleich mehr aus mit javanischen, so ist man immerhin noch erträglich untergebracht; man könnte sagen, Makássar sei die erste Station zum Abgewöhnen wie in dieser so auch in manch anderer Beziehung, was mir während meines Aufenthaltes dortselbst noch öfter recht bemerkbar wurde.

Die Stadt teilt sich in das Geschäftsviertel am Hafen, wo in der Pásarstraat die europäischen Großkaufleute und die Chinesen ihre Kontore und Speicher haben, und das Wohnviertel der Chinesen, die in einstöckigen, dicht nebeneinander errichteten und sauber weiß getünchten Steinhäusern leben. Offene Abzugskanäle längs der Häuserreihen verbreiten wenig angenehme Düfte.

[S. 5]

An das Chinesenquartier schließen sich unmittelbar die Kampongs der Eingeborenen. Die Bauart der buginesischen Häuser erscheint mir der in Java üblichen überlegen. Große Fenster und ganz nette Schnitzereien und Malereien zieren die auf hohen Pfahlgerüsten ruhenden Hütten, deren Unterräume durch Stakete abgeschlossen sind.

Die Europäer bewohnen die schönen, alleenbesäumten Straßen um den in keiner holländisch-indischen Stadt fehlenden Koningsplan. Die Ruhe des Ortes wird in Makássar weder durch eine Eisenbahn, noch durch eine Elektrische oder gar durch Fabrikanlagen gestört, dafür aber durch die buginesischen Kutscher, die mit wahrer Leidenschaft von den hier üblichen Trillerpfeifen Gebrauch machen. Laut Verordnung soll nur an jeder Biegung der engen Straßen des Hafenviertels einmal gepfiffen werden; aber die Mark und Bein durchdringenden, schrillen Töne verfolgen das ungewöhnte Ohr unablässig in den Straßen wie am Hafen.

Die Beleuchtung Makássars läßt sehr viel zu wünschen übrig, und die schönen Zeiten, wo jeder Eingeborene mit Einbruch der Nacht eine lodernde Fackel in der Hand zu tragen hatte, um sich den promenierenden Europäern von weitem kenntlich zu machen, sind unter einer äußerst liberalen Regierung lange dahin. Wohl befinden sich derzeit an allen Straßenkreuzungen Laternen; doch vermag deren dürftiges Ölflämmchen kaum wenige Meter weit zu leuchten, und unter den Bäumen der langen Alleen ist es stockfinster.

Taucht aus dem Dunkel plötzlich ein auf nackten Sohlen genahter Eingeborener auf, so fühlt man sich keineswegs angenehm überrascht, zumal sich die eingeborene Bevölkerung der Stadt durch nicht besonders gute Sitten auszeichnet. Häufig wirkt sie abstoßend durch ihr anmaßendes Wesen, das besonders die herrisch auftretenden Goanesen kennzeichnet, die seit alters berüchtigte Straßenräuber sind.

An Sehenswürdigkeiten ist außer den dürftigen Reizen des noch aus der Portugiesenzeit stammenden alten Forts mit Wällen und Bastionen höchstens noch das Museum zu erwähnen. Zur Errichtung[S. 6] dieses gemeinnützigen Institutes, das täglich ohne jegliches Entgelt zu besichtigen ist, verwandte man das als Kriegsbeute nach Makássar versetzte ehemalige Wohnhaus des im Kampfe gegen die Holländer gefallenen Fürsten von Boni. Es ist ein reich bemaltes und mit Schnitzereien verziertes Holzgebäude, in dessen zwei Haupträumen gegenwärtig die aus den Kämpfen mit den aufsässigen Landesfürsten heimgebrachten Kriegstrophäen zu einem ethnographischen Museum vereint wurden. Der Hauptsache nach enthält es recht hübsche und übersichtliche Sammlungen aus Süd-Celebes neben mehr fragmentarischen Kollektionen aus den centralen Teilen der Insel.

Die klimatischen Verhältnisse Makássars sind nicht die besten. Ich fand den Ort stickend heiß, und Myriaden von Moskitos gestalteten den Aufenthalt zu einem recht fragwürdigen Vergnügen.

Die Umgebung der Hauptstadt von Celebes ist absolut reizlos. Die zwei höchsten Erhebungen des südlichen Celebes, das Gebirge von Maros und das von Bantaëng, sind nur an besonders klaren Tagen in schemenhaften Umrissen zu sehen. Dagegen dehnt sich in meilenweiter Runde eine unendliche Reisebene rings um die Stadt, welche die Küste entlang zur Abwechslung von Salinen unterbrochen wird. Im Sommer ist die dürre und versengte Ebene ein Brutofen, zur Regenzeit ein Sumpf und die Brutstätte der schlimmsten Plagegeister dieser Zone, der Fieber übertragenden Anopheles.

Die Regierung des Landes, ohne deren Wissen und Willen in Celebes auch nicht das Geringste zu unternehmen möglich sein würde, hat ihren Sitz in Makássar und ist hier durch einen Gouverneur vertreten.

Mein Aufenthalt in Makássar verfolgte in erster Linie den Zweck, mir die unumgänglich notwendige Reiseerlaubnis des Gouvernements für meine geplanten Inlandreisen zu verschaffen.

Trotz des Titels »Gouverneur von Celebes« reicht die Machtsphäre seines Inhabers nur über die südliche und südöstliche Halbinsel, sowie in Mittel-Celebes bis zur Südspitze des Posso-Sees, während dessen nördliche Hälfte bereits zur Residentschaft Menado gehört.

[S. 7]

Da ich eine Durchquerung des centralen Celebes plante, bedurfte ich auch einer speziellen Genehmigung des Residenten von Menado, ein Umstand, mit dem ich nicht gerechnet hatte, und der mir großen Zeitverlust und erhebliche Kosten verursacht hätte, wäre nicht der Gouverneur in Makássar in nicht dankbar genug anzuerkennender Weise bemüht gewesen, mir alle Schwierigkeiten aus dem Wege zu räumen. So kam es, daß sämtliche Regierungsbeamte der von mir zu bereisenden Distrikte von meinem Kommen unterrichtet waren, ehe ich nur einen Schritt ins Innere des Landes getan hatte. Das einzige, was mir noch zu tun blieb, war die schriftliche Erklärung, daß ich die Verantwortung für die Sicherheit meines Lebens und meiner Habe in den noch immer unruhigen und mehr nominell als tatsächlich der Regierung unterstehenden centralen Teilen der Insel persönlich zu tragen hätte.

Meine Geschäfte in Makássar waren erledigt; Tauschartikel und Konservenproviant waren angekauft und verpackt. Mit der Anwerbung meines buginesischen Jungen »Rámang«, der die Baréesprache und die hauptsächlichsten Idiome des Inneren verstand, schien ich eine gute Wahl getroffen zu haben.

1. Mein Boy Rámang.

Als einziger Europäer schiffte ich mich am 27. August in Makássar auf dem »Le Maire« ein, der nachts 10 Uhr seine Fahrt nach dem Golf von Boni antrat. Bereits am nächsten Morgen um 6 Uhr rasselten die Anker nieder. Wir lagen weit draußen auf See vor Bantaëng, von den Holländern Bonthain genannt, einer hübschen, in Kokoshaine eingebetteten buginesischen Siedelung. Stolz ragte der die ganze Landschaft[S. 8] beherrschende annähernd 3000 m hohe Pik von Bantaëng in die Lüfte. Eine Menge Zwischendeckspassagiere kamen und gingen. Um 10 Uhr setzten wir die Fahrt nach der Insel Saleyer fort, vor deren Hauptort Benteng wir um 3 Uhr nachmittags vor Anker gingen.

2. Küste bei Bonthain.

Ich fuhr an Land und stellte mich dem Kontrolleur vor. In Begleitung desselben unternahm ich alsdann eine Wagenfahrt nach einem benachbarten Dorfe, welches ein hochinteressantes Heiligtum barg. Unter einem engen, dunklen Holzverschlag, der leider jedes Photographieren unmöglich machte, stand auf steinerner Basis ein wundervoll gearbeiteter, ca. 1½ m hoher und über 1 m breiter Bronzekessel mit rätselhaften Zeichen und Tierbildern. Vier große Froschdarstellungen an den Rändern, Abbildungen von Elefanten und eine strahlende Sonne in der Mitte zierten den Deckel. Das uralte Stück ist zweifellos hindostanischen Ursprungs und gilt als Beweis der fürstlichen Abstammung seines derzeitigen Besitzers, des hiesigen Radjas. Ein roter Tuchbaldachin war darüber ausgespannt, und auf dem Deckel waren Opfergaben niedergelegt. Wie ich vernahm, kommen die Brautpaare der Insel hierher, um vor dem Heiligtum zu opfern und Glück für die Ehe zu erflehen. Das unschätzbare Stück soll einst ausgegraben worden sein. Ähnliche Bronzekessel geringeren Umfanges existieren übrigens auch auf den Inseln Bali und Lombok.

Eine wahre Plage schienen in Saleyer die rudelweise vorkommenden Wildschweine zu sein. Wie mir der Kontrolleur erzählte, veranstalten die Inselbewohner ungefähr allmonatlich eine große Treibjagd, bei der die lanzenbewehrten Jäger teils beritten, teils zu Fuß stets gegen 200 Schweine zur Strecke bringen, die von der streng mohammedanischen[S. 9] Bevölkerung einfach liegen gelassen werden. Kein Wunder, wenn da häufig Epidemien auftreten, die im Verein mit dem Fieber die Gegend in üblen Ruf gebracht haben.

Nach ruhiger Nachtfahrt erreichten wir morgens bereits einen neuen Anlaufhafen, Balangnipa. Der Ort ist bekannt durch seine hübschen Ananasfaser-Gewebe, besonders Haupttücher. Auch die fein geflochtenen buginesischen Mützen stammen großenteils von hier. Sehr hübsch sind ferner die hier üblichen Bootsruder, deren Blätter sauber rot und weiß bemalt waren.

Das Schiff lag weit draußen. Vor seiner Ankerstelle brachen sich mächtig aufschäumend die Wogen an den Balangnipa im weiten Halbkreise vorgelagerten Sandbänken.

3. Radja-Haus in Saleyer.

Die nächste Station des »Le Maire« war Pálima, das wir spät nachmittags anliefen. Auch hier in weiter Runde weiße Wellenbrecher, die der Schiffahrt in diesen Breiten so überaus gefährlichen Korallenriffe kennzeichnend. Sehr interessant war auf der Fahrt hierher das Passieren einer großen Tangwiese im freien Ozean.

[S. 10]

Vom Lande kamen alsbald in großer Zahl die merkwürdigen buginesischen Boote mit seitlicher Steuerung und geflochtener Bootsrand-Erhöhung. Die Ruderblätter waren durchweg mit dem mohammedanischen Sterne und dem Halbmond geschmückt. Die Bootssegel wiesen eine viereckige Form auf. Unter fürchterlichem Gekreische wurden die Neuankömmlinge eingeschifft. Die Männer trugen hier ausnahmslos die charakteristische Buginesenmütze; die Frauen verhüllten ihr Angesicht in den weiten, die ganze Figur umspannenden farbenglühenden »Slendangs«.

Am Morgen des 30. August bei Sonnenaufgang lagen wir vor Paloppo, der Residenz des luwuresischen Königreichs, die Ausgangspunkt aller meiner Celebes-Inlandreisen wurde. Ein gewaltiges Gebirgspanorama bildete den Abschluß der herrlichen Landschaft und grüßte zum Schiffe herüber. Endlich einmal Berge in nächster Nähe! Der Ort selbst schien dicht am Fuße des Gebirges zu liegen; in Wirklichkeit ist er durch eine kilometerbreite Grasebene davon getrennt. Schon kam eine ganze Flotille von Einbäumen an: lange, 10–12 m messende Kanoes, besetzt mit je 20–30 Menschen. Unter wildem Gedränge und Lärm vollzog sich die Ein- und Ausbootung, lebhaft an papuanische Scenen erinnernd. Zum ersten Male erblickte ich hier echte Inlandbewohner, Toradja. Ihre Hautfarbe war ein angenehm wirkendes dunkles Rotbraun. Die langen, schwarzen Haare hielten sie mit ein- oder mehrfach gewundenen Bastseilen zusammen. Die karge Gewandung der Leute bestand bei den Männern vielfach nur aus einem schmalen Schamgurt mit dem daran befestigten, nie fehlenden Tabaksbeutel; andere wieder trugen die kurze, buginesische Hose; alle aber bedienten sich sackähnlicher, großer gelbweißer Tücher, die in universeller Weise als malerisch umschlungene Draperie des Oberkörpers, als Hülle gegen Witterungseinflüsse, als Schlafdecke oder als eine Art Rucksack zum Transport der mitgeführten Gegenstände, Lebensmittel und dergleichen Verwendung finden. Diese »ókan« genannten Tuchhüllen sind aus Ramifasern hergestellte Erzeugnisse der einheimischen Webekunst.

[S. 11]

Der Gliederbau der Toradja ist sehnig robust; ihre Gesichtszüge sind sanft; das lebhafte Mienenspiel läßt auf sanguinisches Temperament schließen, so daß der Gesamteindruck durchaus sympathisch ist.

Die etwas zarteren, aber immer noch kräftig gebauten Toradja-Frauen wiesen ebenfalls recht ansprechende Gesichtstypen auf. An Körpergröße schienen sie den Männern etwas nachzustehen. Ihre Gewandung bestand nur in einem bis zu den Knöcheln reichenden gelben Umschlagetuche, unter dem sie kurze Höschen trugen. Nur ältere Frauen trugen die Brust unverhüllt. Welch ein Unterschied zwischen diesen harmlosen Kindern der Wildnis und den wenig sympathischen, etwas brutal gearteten Buginesen!

4. Zu Markte gehende Toradja.

Der erste Eindruck, den ich hier von Central-Celebes empfing, war so günstig, daß ich mich nicht entsinnen kann, je an einem andern Orte gleich ein so stark freudiges Gefühl empfunden zu haben.

[S. 12]

5. Pier von Paloppo.
6. Marktplatz in Paloppo.

Der Assistent-Resident von Paloppo hatte die Liebenswürdigkeit, mir ein Regierungsboot entgegenzusenden, das mich von Bord abholte, und in dem ich mich sofort an Land begab. Während sonst an der wohl 500 m in die See hinausgebauten Mole angelegt werden muß, konnten wir heut, da gerade Flutzeit war, mit dem Boote bis dicht an die Einmündung des Paloppoflüßchens heranfahren. An dem Zollgebäude vorüber, das launenhaft gekrümmte Flüßchen entlang zog sich die Straße, besäumt mit den malerisch wirkenden Bugihäusern. Eine kleine Viertelstunde wanderte ich so durch Paloppo, ehe ich den Pasangrahan, das gouvernementale Unterkunftshaus für Fremde, erreichte. Es ist wohl selten genug, daß sich dessen Pforten für Besucher zu öffnen haben; jedenfalls aber präsentierte sich das saubere Häuschen mit seinen behaglich eingerichteten Kammern heut auf das vorteilhafteste, und seine glückliche Lage vis-à-vis dem »pásar« bildete einen ganz wundervollen[S. 13] Beobachtungsposten zum Studium des buntbewegten Marktlebens und des Treibens einer mir noch völlig neuen Welt.

7. Waringin-Baum.

Ich werde später noch öfter Gelegenheit haben, auf Paloppo zurückzukommen, und beschränke mich jetzt darauf, dem Assistent-Residenten Herrn Breedveldt de Boer und seiner liebenswürdigen Gattin für den mir bereiteten gastlichen Empfang an dieser Stelle nochmals meinen Dank abzustatten.

Da der »Le Maire« vor Paloppo nur wenige Stunden liegen blieb und ich mit dem Schiffe weiter nach der Ussubay fahren wollte, um von Malili aus die Überlandreise nach dem Seengebiet anzutreten, so konnte ich nach einem Frühstück in der geräumigen Residentur mit ihren großen, schönen Gartenanlagen und herrlichen alten Waringin-Bäumen nur noch einen eiligen Rundgang durch die Stadt unternehmen. Ausgerüstet mit einem luwuresisch abgefaßten Empfehlungsschreiben an die Dorfhäupter des Malilidistriktes, kehrte ich auf das Schiff zurück.[S. 14] Dieses war jetzt erdrückend voll mit Hunderten von Toradja-Auswanderern beiderlei Geschlechts. Sie alle wollten nach Malili, um von dort aus in den Dammardistrikten am Towuti-See ihr Glück zu versuchen.

Gegen Mittag dampften wir nach der Ussubay an der Nordostecke des Bonigolfes ab, deren respektable Hinterlandgebirge noch kaum sichtbar durch die unklare Luft herüberschimmerten. Allmählich traten die schönen Bergprofile klarer hervor, zwar weniger hoch als die Häupter des gewaltigen Latimódjong-Gebirges bei Paloppo, aber in großer Ausdehnung sich von West nach Ost erstreckend.

In weitem Bogen lag jetzt die große Ussubay vor uns, deren seichte Gewässer ein unaufhörliches Loten erforderten. Die Wassertiefe wechselte von 20 bis herunter zu 11 Faden. Nach längerem, schwierigem Lavieren fuhren wir in die Mündung des Malili-Flusses ein, des bedeutendsten Flußsystems von Südost-Celebes, dessen Wasser, wie jetzt festgestellt ist, dem Towuti-See entspringt. Nach ca. halbstündiger Lagunenfahrt ankerte der Dampfer unweit des linksseitig in den Malili-Fluß einmündenden kleinen Ussuarmes. Die Ausschiffung der Deckpassagiere nach dem mehrere Ruderstunden flußaufwärts gelegenen Hauptorte des südöstlichen Celebes, Malili, vollzog sich alsbald unter dem üblichen Heidenspektakel. Ihrer Aufnahme warteten bereits Dutzende großer, bis 16 m langer Einbaum-Kanoes, von denen einzelne mit mehr als 20 Ruderern bemannt waren.

Dank der besonderen Freundlichkeit des Kapitäns erreichte ich mein Ziel auf schnellere und angenehmere Weise, da dieser selbst mich auf der Motorbarkasse des Schiffes nach Malili brachte. Die Rhizophorendickichte der Ussumündung müssen in dem stark gewundenen, breiten und schönen Malili-Flusse bald der ungleich nützlicheren Nipapalme (Nipa fruticans) weichen, die in ungeheueren Beständen vorkommt. Allmählich traten auch die Hügel näher an den Fluß heran. Auf deren festerem Boden fand ein herrlicher Bestand hochragender Urwaldriesen und schlanker, stolzer Palmen Platz, sich auszubreiten,[S. 15] während über sumpfigerem Boden die mächtigen schwarzgrünen Fiedern der Sagopalmen im linden Abendwinde schwankten. Die Fahrt auf den Schlangenwindungen des tief smaragdfarbenen, stillen Gewässers war ein Naturgenuß seltener Art. Das Auge schwelgte in einer wahren Farbenorgie der von der sinkenden Sonne sanft beleuchteten Blütenwipfel und in dem Formenreichtum vordem nie gesehener Gewächse, die von Lianensträngen und kletterndem Rotang überwuchert waren. Das Ganze bildete eine stimmungsvolle Symphonie von hehrer Größe, wie sie nur der tropische Urwald zu bieten vermag.

8. Malili.

Nach kaum ¾ Stunden erreichten wir die ersten Hütten von Malili, nachdem wir bereits mehrfach Sagomühlen passiert hatten. Die durch den enormen Aufschwung des Dammarhandels rasch an Bedeutung zunehmende luwuresische Siedelung besteht in der Hauptsache aus zwei wohl je ½ Stunde längs der Flußufer sich hinziehenden Häuserzeilen, deren Eigentümlichkeit es ist, daß die Wasserfrontseiten mit einer langen, langen Reihe unaussprechlicher Hüttchen besetzt sind, hinter denen die Uferstraße und dann die Wohngebäude folgen, — ein[S. 16] momentan ebenso überraschender wie amüsanter Anblick, der indessen bald bei der Fülle der sich aufdrängenden neuen Eindrücke vergessen wird. Besonders die buntbemalten und merkwürdigen luwuresischen Wohnboote, der rege, nur durch Kanoes aufrecht erhaltene Verkehr zwischen beiden Ufern und die unter Kokoshainen halb versteckt liegenden Häuschen fesselten meine Aufmerksamkeit. Eine weitere kurze Fahrt stromaufwärts brachte uns zur schön angelegten Station des »Civilgezaghebbers«, dessen auf einem Hügel gelegenes, nicht allzugroßes Junggesellenheim eine prächtige Aussicht auf Fluß und Dorf Malili gestattete.

9. Station Malili.

Herr Leutnant von Ardenne kam uns bereits entgegen und empfing uns in herzlichster Weise. Vom Gouvernement als einziger europäischer Beamter auserwählt, das Prestige der holländisch-indischen Regierung auf diesem äußersten Vorposten zu wahren, lebt er hier in völliger Einsamkeit. Seine Freude über die unerwartete Einquartierung meiner Wenigkeit war ungekünstelt und wohltuend. Was Haus und Küche zu bieten vermochten, wurde geleistet, und kaum angekommen, fühlte ich mich bereits wie zu Hause.

Die Station ist ziemlich weitläufig angelegt, und mit großem Aufwand an Zeit und Mühe wurden aus dem ehemaligen Sumpflande am Fuße des Hügels geschmackvolle Gartenanlagen geschaffen. Dicht hinter derselben auf höhergelegenem Plateau beginnt der Urwald, eine ernste Umrahmung des lebensfrohen Bildes.

[S. 17]

Die Bevölkerung des Malilidistriktes wird nach den Ergebnissen der Kopfsteuer auf gegenwärtig rund 33000 männliche Individuen geschätzt. Die Ortschaft Malili zählt in ca. 200 Häusern an 500 einheimische und gegen 1500 zugewanderte Bewohner, — ein Beweis für den gewaltigen Aufschwung, welchen dieser Hauptort von Südost-Celebes seit dem Einsetzen der Dammar-Bewegung genommen hat.

10. Am Malili-Fluß.

Malili, d. 31. August.

Heut war das Geburtsfest Ihrer Majestät der Königin von Holland, und ganz Malili prangte im Festschmuck. Aus den entferntesten Teilen des Innern waren die Radjas herbeigekommen, ihre loyale Gesinnung zu bestätigen, und hatten großes Gefolge mitgebracht. Die buginesischen Notabeln des Ortes prunkten in seidenen Gewändern, zu welchen die rudimentäre Bekleidung der Binnenbewohner, der Tobela, im schroffen Gegensatze stand. Schon früh um 8 Uhr trat die mohammedanische Jugend mit Musik und Gesang auf der Station an. Deputationen islamitischer Honoratioren folgten, denen sich die Häuptlinge der heidnischen Inlandstämme zur offiziellen Beglückwünschung anschlossen. Herr v. A. erwiderte auf die verschiedenen Ansprachen in fließender buginesischer Rede. Zweiter Teil des Programms: großer Empfang im Hause des Hauptradjas. Die Fürstlichkeiten und wir beiden Europäer nahmen in separiertem Raume an europäisch gedeckter Tafel Platz. Für den niederen Adel war im Vorzimmer auf der Erde ein Tuch ausgebreitet, um dessen aufgetischte Genüsse die Geladenen herumhockten. An der Haupttafel gruppierten sich auf Stühlen die acht[S. 18] Hauptradjas des Ortes und mehrere Tobelafürsten, darunter die Königin von Matanna. Der Ehrenplatz am Kopfende wurde Herrn v. A. eingeräumt, an dessen Seite ich Platz nahm. Uns gegenüber präsidierte die Mákole (Königin) von Matanna mit ihrem Gefolge, darunter die spezielle Ehrendame mit dem goldenen Prunksirihservice, das der Königin als eine Art Hoheitsabzeichen überall nachgetragen wurde. Die jungen Mädchen im Gefolge der Fürstin kauerten hinter ihr am Boden. Nach luwuresischer Sitte trugen sie bei diesem festlichen Anlaß die Oberkörper fast nackt, d. h. mit spinnwebfeinen, mehr enthüllenden, als verhüllenden weißen Schleiern bedeckt. An Stelle weißer bedienen sich junge Frauen roter Schleiertülle als Schulter- und Busentücher, die zuweilen mit prächtiger Goldstickerei bedeckt sind.

Die Königin selbst war mit schwerem, rotgefärbtem Goldgeschmeide und ebensolchen Armreifen geschmückt. Der Gebrauch des Rotfärbens des Goldes ist buginesischer Sitte entlehnt, nach welcher die gelbe Farbe unschön gefunden wird. Die Fürstin rauchte die präsentierten schweren Zigarren gleich jedem Manne.

Nach diesem ca. ½stündigen Empfange begaben wir uns zum Flusse, um einer zur Feier des Tages veranstalteten Eingeborenenregatta beizuwohnen. Es war ein herrliches Bild, die schlanken Einbäume, mit 20–30 Ruderern besetzt pfeilschnell dahinschießen zu sehen, begleitet von dem frenetischen Jubel der die Ufer dicht besetzt haltenden Zuschauer (s. Taf. I).

Als weitere Festveranstaltung reihte sich eine Produktion von 6 Boni-Tanzmädchen an. Der zum Einschlafen langweilige, sog. Badjóge-Tanz bestand in rhythmischen Geh- und Drehbewegungen der nichts weniger als schönen, dafür aber desto phantastischer aufgeputzten Tänzerinnen, die sich im engen Kreise langsam um sich selbst drehten und ihre unschönen, eckigen Bewegungen mit einem krähenden Gesang in den höchsten Fisteltönen begleiteten, während ein paar alte Weiber auf mit den Händen geschlagenen Trommeln die Vorführung akkompagnierten. Ich fand dieses Vergnügen zum Davonlaufen schön und tat[S. 19] diesem Gefühle um so weniger Einhalt, als die Temperatur in dem erdrückend vollen Raume, inmitten einer vor Begeisterung ganz außer sich geratenen Zuschauermenge nachgerade beängstigend wurde.

11. Boni-Tanzmädchen.

Im Laufe des Nachmittags kam die ganze Radja-Gesellschaft zum Hause des Herrn v. A., vor welchem nun Kampfspiele der Tobela stattfanden. Einzeln und in Paaren standen sich die gegenwärtig in Frieden lebenden, aber bis vor kurzem noch Todfeinde gewesenen Vertreter der verschiedenen Stämme gegenüber, um nach mimischer Herausforderung unter gellendem Jauchzen und schrillen Kampfrufen aufeinander loszustürmen. Mit grotesken Sprüngen und Drohbewegungen umkreisten sich die Kämpfer; in tollem Wirbel schlugen sie ihre schmalen, schlanken[S. 20] Schilde gegeneinander, kreuzten sich die — vorsichtshalber — hölzernen Schwerter; denn allzuoft schon wurde aus solchen Kampfspielen blutiger Ernst. Die Vorführungen, die leider durch einen Gewitterregen unterbrochen wurden, waren ungeheuer realistisch und packend und boten ein anschauliches Bild der Zustände kaum vergangener Zeiten.

12. Radja-Gruppe aus Malili.

Ich benutzte die Pause, um von den anwesenden Fürstlichkeiten trotz schlechten Lichtes eine photographische Aufnahme vorzunehmen.

Die Hauptattraktion des Tages bildete die abends 8 Uhr stattfindende Bewirtung der einheimischen Notabilitäten durch meinen heut vielgeplagten Gastgeber. Pünktlich kamen sie alle an, alle die, welche sich rühmen konnten, einen Tropfen Radja-Blutes in sich zu haben. Die Gäste wurden auf der geräumigen Veranda des Hauses placiert; auf dem Wiesengrunde vor dem Hause machte es sich das Volk bequem. Nach Landessitte wurden wie am Morgen Tee, Süßigkeiten, Limonaden und Zigarren herumgereicht; auch die Truppe der Tanzmädchen war von Herrn v. A. zur Ergötzung seiner Gäste befohlen worden und entzückte mit ihrem weinerlichen Sing-Sang die buginesische Korona, während die fremden Tobelagäste, abgesondert für sich,[S. 21] ihre mir interessanteren heimatlichen Reigentänze aufführten. Im Dunkel der Nacht, nur matt erhellt durch den ungewissen Schein der Lampen des Herrenhauses, bewegten sich die halbnackten, dunklen Gestalten in feierlichem Rhythmus bei dumpfem Trommelschlage im Kreise. Vor- und rückwärts wogte der Ring der »Wilden«, Männer und Frauen, ohne Unterschied des Geschlechtes, eines immer die Hände auf den Schultern des vorderen, während sie in gutturalen Lauten ihre uralten Weisen dazu sangen, deren Entstehung sie selbst kaum mehr kennen. So fesselnd wirkten diese melancholisch leise anklingenden, zum mächtigen Fortissimo anschwellenden und wiederum sanft verebbenden Gesänge, daß selbst die Mohammedaner ihre steife Würde und Grandezza vergaßen und sich herzudrängten, das seltene Schauspiel zu genießen. Den Höhe- und zugleich Schlußpunkt der festlichen Veranstaltung bildete ein Feuerwerk, das sich Herr v. A. aus Batavia hatte kommen lassen. Kinderhaft glücklich über das genossene Schauspiel, verabschiedeten sich die Gäste gegen Mitternacht.

Malili, den 1. September, abends.

Der Tag verging mit sorgfältiger Sichtung meines Gepäckes, von dem ich nur das Unentbehrlichste mitzunehmen gedenke. Für morgen sind Träger für meinen Aufbruch nach dem Matannagebiete bestellt, und der mir als eine Art Führer und Dragoman von Herrn v. A. zugeteilte Radja Namens Daëng Mabella stellte sich mir als »Reisemarschall« vor. Er führt den Titel »sulewátang« von »sule« = Nachfolger und »wátang« = Hauptmann. In seiner Übersetzung besagt der Titel »Nachfolger des Fürsten« = Stellvertreter. Es war ein noch junger Mann, herrisch gegen seine Leute, von devotem Benehmen mir gegenüber.

In Malili war heut Gerichtstag, und viele Hunderte von Tobela, alle in ihre chromgelben Schlaftücher gehüllt, warteten vor dem »Office«. Gegen abend fuhr ich nach dem jenseitigen Flußufer, wo der[S. 22] ärmere Teil der Bevölkerung zu hausen scheint; denn die Hütten waren recht unscheinbar und schmutzig. Bei einem buginesischen Händler erstand ich reizend geflochtene kleine Dosen, die aus Wótu stammten und zur Aufnahme je eines Gambirwürfels dienten. — Schließlich stattete ich noch dem reichsten chinesischen Dammarhändler Malilis einen Besuch ab, der monatlich für etwa 35000 fl. Dammar ausführt. Wie alle Chinesen macht auch er umfangreiche Nebengeschäfte durch Geldverleihen an die eingeborenen Radjas und verschafft sich dadurch einen fast unbeschränkten Einfluß auf dieselben. Er zeigte mir ganze Truhen voll ihm verpfändeter Schmuckstücke, goldener Krise usw., so daß es mir völlig erklärlich wurde, daß der Mann hier unter Umständen mehr tatsächlichen Einfluß besitzt, als selbst der bestellte Vertreter der Regierung.

Verschiedene Schmuckstücke und   Ziergegenstände

Malili — Kawáta, den 2. September.

Um 5 Uhr war ich bereits auf den Beinen, voll prickelnder Erwartung und Verlangens, meine Inlandreise zu beginnen. Um 6 Uhr erschienen die buginesischen Träger, die sich sehr unbeholfen und lässig zeigten und die Kolli teils einfach auf die Schulter nahmen oder zu zweit an Stangen gebunden transportierten. Noch im letzten Momente vor meinem Abmarsche brachte mir ein Buginese einen wundervollen Tabaksbeutel mit goldenen Schließen (= purúkang) und zwei prächtige Sirihdosen (= salápa) zum Kaufe. Der Mann war der Abgesandte eines vornehmen Buginesen, der bei den gestrigen, anläßlich des Festes gestatteten und sonst streng verpönten Hazardspielen oder den gestern ausnahmsweise ebenfalls geduldeten Hahnenkämpfen Unglück gehabt hatte und in Geldverlegenheit geraten war. Nach längerem Parlamentieren[S. 23] konnte ich die selten schönen Stücke für allerdings recht hohen Preis an mich bringen.

13. Luwuresischer Tabaksbeutel.

Um 8 Uhr endlich folgte auch ich meinen längst abmarschierten Trägern, als Gefolge den mir zugeteilten Sulewátang und dessen Diener, sowie meinen Küchenboy Rámang hinter mir. Angeschlossen hatte sich uns noch der vom Feste heimkehrende Sulewátang von Matanna, der Häuptling des gleichnamigen Dorfes. — Herr v. A. brachte mich bis zur Grenze der Station, und von seinen freundlichen Glückwünschen zu meinem Unternehmen begleitet, trat ich den Marsch ins Innere an.

[S. 24]

Gleich hinter der Station begann hoher Urwald. Es war ein köstlicher Morgen, und der Wald widerhallte von den mannigfachen Lauten einer lebensfrohen Tierwelt. Ganze Scharen allerliebster, buntfarbiger Papageien trieben sich kreischend in den Baumkronen umher, und weithin hallte der tiefe, schwermütige Ruf großer Fruchttauben. Die eigentlichen Musikanten des Tropenwaldes, die Cikaden, vollführten dazu ein tausendstimmiges Konzert. Vom ferneren Hügelgelände herüber tönte das zänkische Bellen einer Affenbande, und schweren, sausenden Flügelschlages strich hoch über unseren Häuptern ein Nashornvogel aus dem Wipfel eines Waldbaumes ab, seinem Unwillen über die Störung durch kilometerweit tönendes tiefes Gā-gā-gā Luft machend. Metallisch glänzende Libellen zogen unstet am Wegrande auf und nieder; Bienen und Käfer summten und surrten von Blüte zu Blüte, und seltsam geformte Schmetterlinge in satter Farbenpracht gaukelten schwanken Fluges wie vom Winde getragene fallende Blätter im Dämmerlichte des grünen Walddomes.

Das erste Ziel meines Reiseprogrammes war das buginesische Dörfchen Ussu, am Flüßchen gleichen Namens. Der Weg dahin führte uns nach Passieren der eben geschilderten hügeligen Urwaldzone auf eine mäßig große, mit Mais- und Reisfeldern bestandene Talfläche, umrahmt von schönen Waldhügeln. Am jenseitigen Ende des ca. 1 Stunde langen Tälchens kennzeichneten ausgedehnte Kokoshaine das darunter versteckt liegende Ussu.

14. Frauen aus Ussu bei der Reisernte.

Die Reisernte war hier im vollen Gange, und ganze Reihen buginesischer Frauen in Reih und Glied, mit eigenartigen Messern bewaffnet, schnitten Halm für Halm einzeln ab, dieselben in kleine Ährenbündel zusammenfassend. — Nach kaum 2stündigem Marsche betraten wir Ussu, das, früher Hauptort, gegenwärtig aber durch das günstiger gelegene Malili weit überflügelt, zu einem elenden, verkommenen Nest herabgesunken ist, dessen träge buginesische Bewohner einen ziemlich schlechten Ruf genießen. Die verlotterten und schmutzigen Pfahlhäuser wiesen lukenartige Dachfenster auf. Einige der hier gebräuchlichen Hausboote waren im Flusse vor den Hütten festgemacht.

[S. 25]

15. Häuser in Ussu.

In Ussu sollten die Träger gewechselt werden und an Stelle der Buginesen Tobela-Leute aus dem Inneren treten. Erstere wurden abgelohnt und kehrten sofort nach Malili zurück; von den Ersatzleuten aber war weit und breit nichts zu sehen. Auf meine energische Beschwerde bei dem opiummüd aussehenden Dorfvorsteher erschien endlich eine Anzahl Träger, die damit begannen, jedes, selbst das kleinste Gepäckstück auf lange Stangen zu binden und zu zweit fortzuschaffen. Auf diese Weise hätte ich die doppelte Anzahl Träger benötigt, so daß ich meinen Herrn Reisemarschall, den Sulewátang, der sich die Zeit inzwischen mit Cigarettenrauchen und gravitätischem Gebaren vertrieben hatte, ziemlich kräftig anhauchte, sich etwas mehr um seine Pflichten zu bekümmern. Nach langem Hin und Her erklärte mir der Dorfgewaltige, daß seine Leute es nun einmal gewöhnt seien, die Lasten auf solche Weise fortzuschaffen; aber wenn ich auch nach diesem Modus dreimal so viele Träger benötigen würde, als sich von Malili bis hierher als notwendig erwiesen hatten, so mache das nichts aus: ich hätte dennoch nur den vereinbarten Lohn zu zahlen. Das ließ sich hören, und unter solchen Umständen konnte mir die Anzahl der Kulis gleichgültig sein. Nun[S. 26] stellte sich aber heraus, daß überhaupt nicht genügend Träger vorhanden waren, so daß ich mich nach längerem Warten unter Zurücklassung des übriggebliebenen Gepäckes entschloß, voraus zu marschieren, und den Dorfvorsteher für das Zurückbleibende verantwortlich machte. Er sollte es mir schnellstens nach Kawáta, dem Endpunkte des heutigen Marsches, nachsenden.

Mittlerweile hatte ich einige photographische Aufnahmen gemacht und mit gänzlich negativem Erfolge versucht, einige buginesische Schmuckstücke einzukaufen. Diese Menschen verlangten unglaubliche, ja geradezu unverständliche Preise für die minderwertigsten Sachen; so wurden z. B. für 2 ganz gewöhnliche Klewangs (= Buschmesser) mit ordinären Holzgriffen, für die ich höchstens ½ fl. gegeben hätte, 25 Gulden pro Stück verlangt.

Um 11 Uhr setzte ich die Reise auf jetzt sehr schlecht werdendem Wege fort, vorüber an den unter Fruchtbäumen verborgen liegenden Hütten. Die Umzäunung einer Maispflanzung überkletternd, drangen wir in Buschwald und Bambusdickicht ein, die bald in hohen Urwald übergingen. Der kaum mehr zu erkennende, nicht mehr als fußbreite Pfad führte uns an einer Berglehne entlang, in deren Grunde der in seinem Oberlauf Dongi genannte Ussu-Fluß dahinrauschte. Er war gänzlich verwachsen, und zwei vorangehende Leute mußten erst mit ihren Messern freie Bahn schaffen. Labyrinthe zähen, wuchernden Dornengerankes hemmten unser Vordringen; Lianenstränge von Fingerstärke bis Fußdicke überspannten unsern Weg, und von Alter und Sturm gefällte Baumriesen waren mühsam zu überklettern. Zu alledem triefte der Wald vor Nässe; der Fuß glitt auf dem lehmigen Erdreich aus und versank stellenweise in morastigen Pfützen. Dafür entschädigte der Hochwald durch seine großartige, wilde Schönheit, die die Sinne völlig im Banne hielt. Allmählich ging es bergan, bis wir nach einer Stunde auf eine Lichtung traten. Hier begann eine neue Wegeanlage, an deren beiden Seiten der Busch gefällt war und der Sonne freien Zugang gewährte. Auf mäßig[S. 27] okkupiertem Terrain wanderten wir nun einige Stunden auf gutem Wege und bei bedecktem Himmel, so daß wir auch unter der Hitze wenig zu leiden hatten. Das Flüßchen immer zur Linken lassend, kamen wir darauf in ein langgestrecktes Kulturtal mit schönem waldigen Berggelände zu beiden Seiten. Die anmutige Vereinigung von Wasser, Busch und Wald zauberte hier eine reiche Insektenwelt hervor, unter der durch Schönheit und zahlreiches Vorkommen besonders der herrliche Papilio Androkles hervorstach. — Knapp vor Ausbruch eines kurzen, heftigen Gewitterschauers erreichten wir gegen 3 Uhr Kawáta.

Zwei primitive kleine Hüttchen, tür- und fensterlos, deren Boden aus gespleißten Bambuslatten hergestellt war, repräsentierten hier unser Nachtquartier. Das größere beherbergte die Träger, das kleinere, kaum zum Umdrehen genügend Raum bietende war für die durchreisenden »tuans«, die Herren, bestimmt. Daß solche jemals sich hierher verirren könnten, erschien den Tobela hier als Zukunftsmusik, und da ein solcher Fall seit Bestehen dieser sog. rumah Companía jedenfalls noch nicht vorgekommen war, so hatten sich einige auf Wanderschaft befindliche Tobela in diesem Respektsgebäude häuslich niedergelassen und gaben auf diese Weise dem mich begleitenden Sulewátang erwünschte Gelegenheit, seine Autorität wirken zu lassen. Ein paar freundschaftliche Rippenstöße dieses hohen Herrn genügten, die armen Teufel zum schleunigen Ausreißen zu bringen, und nachdem hierauf noch mit frischem, regennassem Gezweige eine provisorische Säuberung der Räume vorgenommen worden war, konnte ich mich darin einrichten und zum erstenmale in Celebes die Genüsse des Buschlebens durchkosten.

Kawáta ist eine auf Befehl des Gouvernements neu errichtete, kleine Tobela-Siedelung, bestehend aus den wenigen Familien, die vordem weit zerstreut auf den umliegenden Hügelkämmen bei ihren kargen Maisfeldern gehaust hatten. Da diese alte Wohnmethode einer noch provisorischen Kontrolle durch die Regierung beträchtliche Schwierigkeiten in den Weg legte, wird nun allenthalben in Celebes eine Concentrierung dieser einsiedlerisch lebenden Waldbewohner angestrebt.

[S. 28]

16. Unterkunftshütten in Kawáta.

Ein kleines Flüßchen trennte unsere »rumah Companía«, so genannt nach der alten Ostindischen Compagnie, von dem jenseits derselben gelegenen Chaos, einer Neurodung mit ca. 10 kleinen Häuschen, die alle auf sehr hohem Pfahlwerk ruhten. Das Fleckchen lag verlassen, da alle Ansiedler noch auf den hochgelegenen Feldern in den Berghängen arbeiteten. Meine Hoffnung, daß sich die Dorfbewohner mit Einbruch des Abends bei mir einfinden würden, erwies sich als trügerisch. Meine Anwesenheit schien den Leuten eher eine unbestimmte Furcht einzuflößen, denn keine Seele ließ sich blicken, und als wir am andern Morgen aufbrechen wollten, ging es mir wie in Ussu: es waren keine Träger zu bekommen. Damit war mir allerdings auch das Fernbleiben der Kampongbewohner verständlich geworden: die Leute fürchteten, als Träger gepreßt zu werden. Unter solchen Umständen hielt ich die Nachzügler meiner gestrigen Leute zurück, die mit dem[S. 29] in Ussu zurückgebliebenen Gepäck erst spät am Abend eingetroffen waren. — Der größere Teil der Lasten mußte wieder liegen bleiben. Zur Heranschaffung der nötigen Träger wurden einige unserer Leute auf die Suche geschickt, während der uns begleitende Häuptling von Matanna die zurückgelassenen Gepäckstücke bewachte.

Kawáta — Laro-Ehá, den 3. September.

Erst gegen 8 Uhr morgens trat ich mit wenigen Leuten den Weitermarsch an. Nach Kreuzen des Flüßchens drangen wir linksseitig in den Busch ein, wobei wir, durch tiefen Morast watend, arg von Blutegeln geplagt wurden. Mehrere Rinnsale waren zu durchqueren, bis wir nach geraumer Zeit auf eine hügelige Lalangfläche heraustraten. Bei großer Hitze ging es ziemlich steil zu einem Plateau hinauf, dann Hügel auf und ab durch einsame Bergwälder, wobei wir schließlich auf eine Grasfläche gelangten, in deren Mitte sich eine schön geformte Felsgruppe schwarzen Gesteines erhob. Von hier folgten wir langsam talwärts einem nahezu völlig ausgetrockneten Bachbette. An den übriggebliebenen kleinen Tümpeln wucherten großblätterige Sumpfpflanzen, aus welchen bei unserem Durchdringen Wolken äußerst blutdürstiger Moskitos aufstiegen. Mit den Schwierigkeiten dieses Marsches söhnte mich erst das Auftreten der schönen und ungewöhnlich großen Cicindela heros wieder aus, deren Verfolgung ich nun trotz Mücken und Blutegel mit gutem Erfolge betrieb. Kurz darauf stiegen wir abermals bergan, diesmal zur Abwechslung durch Rotangdickichte, deren eisenharte, mit Widerhaken bewehrte Dornen uns liebevoll zurückhalten wollten. Vom Gipfel der erstiegenen Höhe aus genoß ich einen schönen Fernblick auf die zu unseren Füßen sich ausbreitende auenreiche Laro-Ehá-Niederung.

17. Tal von Laro-Ehá.

Es ist charakteristisch, daß die Höhen aller auf unserem Marsche bestiegenen Berge entwaldet und mit Lalangvegetation bestanden waren, ein sicheres Zeichen, daß hier vordem Eingeborene gelebt und Pflanzungen[S. 30] angelegt hatten. Die unmittelbare Nähe noch bewohnter Stätten aber verrieten die schwarzen, abgesengten Lalanglehnen, über welche hinweg wir den Abstieg zum Laro-Ehá-Tale antraten. Unten angelangt, hatten wir nochmals einen recht unangenehmen Weg in halb ausgetrockneten Bachläufen mit mannshohem Schilfgestrüpp und über steiles Hügelgelände zurückzulegen, ehe wir das langezogene Tal von Laro-Ehá betraten. Dicht am Ufer eines kleinen Flusses standen ein paar Hütten, deren vorderste die »rumah Companía« darstellte, ein würdiges Seitenstück zu der von Kawáta, nur mit dem Unterschiede, daß ich hier einträchtig mit den Kulis zusammen unter einem Dache hausen mußte. — Der eigentliche Kampong Laro-Ehá, dessen weit auseinander gelegene Hütten sich das ganze Tal entlang zogen, befand sich in ¼stündiger Entfernung davon.

18. Öllämpchen aus Laro-Ehá.

Das Talende läuft in Sümpfe aus, in denen es von Krokodilen wimmelt. Von den Eingeborenen bleiben diese Bestien unbehelligt, da die Leute des Glaubens sind, daß die Seelen der Verstorbenen in die Körper dieser Tiere übergehen.

Die Leute von Laro-Ehá sind eng verwandt mit den benachbarten Tambe-É und bilden mit diesen zusammen eine Unterabteilung der Tobela des Matanna-Towuti-Distriktes. Sie schienen mir von schwärzerer Hautfarbe zu sein als diese und im Vergleiche mit den Tobela der Seendistrikte, die ich in Malili gesehen hatte, mehr den — wenn man so sagen will — wilderen Typ des Waldbewohners zu zeigen.[S. 31] Der Häuptling des Platzes, ein kleiner, etwas verwachsener und recht blöde aussehender Mensch, war nur mit Schambinde und den traurigen Resten einer Kattunjacke bekleidet. Als Kopfbedeckung figurierte ein rundes, einem umgestülpten Topfe zum Verwechseln ähnliches Rotanggeflecht. Ratlos stierte er mich an, dabei den Mund so weit aufsperrend, als hätte er vor Überraschung den Kinnbackenkrampf bekommen. Doch meinem sanften Zureden gelang es bald, dieses würdige Haupt seiner Untertanen in Trab zu bringen und nach Hühnern und Eiern zu schicken.

Ein späterer Besuch in der Häuptlingshütte ergab in ethnographischer Beziehung nur einige Rotangschilde und Hüte, die ich gegen europäische Perlenketten eintauschen konnte, außerdem aber eine reiche, völlig gratis mit in den Tausch bekommene Ausbeute an lebenden Insekten. Gegen Abend trafen unter Führung des Matannafürsten die säumigen Kulis ein.

Laro-Ehá — Matanna, den 4. September.

Abgesehen von der Moskito-Plage, gegen die selbst das feinmaschige Netz meines Feldbettes nur mäßigen Schutz gewährte, verlief die Nacht ungestört und ruhig. Bereits um die fünfte Morgenstunde begannen meine Leute, ihren Reis abzukochen, und um 6 Uhr war alles zum Aufbruch fertig. Zum ersten Male waren auch die neuen Kulis pünktlich und vollzählig zur Stelle. Auch in anderer Beziehung zeichneten sich die Laro-Ehá-Träger recht vorteilhaft vor ihren bisherigen Kollegen aus, indem jeder derselben ohne Zögern und Jammern über Größe oder Schwere des Gepäckstückes willig die ihm zugeteilte Traglast übernahm. — Im Gegensatze zu den Kawáta-Leuten, welche die Kolli mittels frischgeschälter, über die Schultern geschlungener Baumbaststreifen auf dem Rücken, teilweise auch auf Kopf[S. 32] und Schultern trugen, bedienten sich die von Laro-Ehá hierzu zweierlei Vorrichtungen. Die eine, sehr praktische bestand in hölzernen, spitz zulaufenden Tragkörben mit etwa 10 cm hohen Randleisten, durch deren seitliche Durchbohrungen Schnüre gezogen waren, mit welchen das aufgeladene Gepäck festgehalten wurde. Breite Baststreifen dienten auch hier als Tragebänder. Weit weniger brauchbar erwies sich eine zweite Art hoher schmaler Körbe. Diese bestanden aus Sagoblattscheiden, welche einfach zusammengebogen und mit einer Rotangnaht zusammengehalten wurden. Dieses mürbe, spröde Material hält wenig aus, und die Ecken meiner Stahlkoffer drangen glatt durch. Die erstere Art wird für schwere Traglasten benutzt; in letzteren transportieren die Eingeborenen gewöhnlich ihre Feldfrüchte.

19. Tragkorb aus Laro-Ehá.

Um 7 Uhr folgte ich den vorausgegangenen Kulis durch regennassen, schlüpfrigen Auenwald, durch welchen wir auf eine wellige, stellenweise mit Waldparzellen durchsetzte Lalangebene gelangten. Der Marsch durch das triefende, mannshohe Lalanggras ohne jede sichtbare Spur eines Weges war nichts weniger als erfreulich. Wir befanden uns anscheinend in einem alten Kulturtale; denn soweit der Blick reichte, zeigte das schöne Berggelände die Narben alter Rodungen und ehemaliger Kebons. In einigen der zu passierenden Waldstreifen fanden sich zahlreiche Lángsatbäume, deren Früchte bei den Eingeborenen sehr beliebt sind. Das Vorwärtskommen in diesen von den häufigen Talbränden verschont gebliebenen Waldparzellen war der vielen Pfützen und des äußerst glatten Lehmbodens wegen beinahe noch anstrengender als in der Grasebene. Allmählich kamen wir jetzt jedoch in höhere Lagen mit größeren Hochwaldbeständen, die, für Südost-Celebes eine große Seltenheit, licht und fast frei von Unterholz waren.[S. 34] In dem hohen Gezweige der Waldbäume trieben sich Affengesellschaften herum, die, wenig scheu, unseren Durchzug sehr interessiert beobachteten. Über einen breiten Bergrücken hinweg hatten wir nahezu ¾ Stunden durch ein merkwürdiges Quellensystem zu waten, dessen unzählige Adern und Verzweigungen den Wald völlig überschwemmten. Die Rinnsale führten teils klares, teils milchiges Wasser, das über feinkörnigen weißen Sand strömte. In demselben fanden sich stellenweise Nester tiefschwarzer, faustgroßer runder Steine. Die Ränder der Quellenläufe wiesen häufig Tuffsteinbildungen auf. Die Temperatur des Wassers war eher kühl als warm.

20. Im Dorfe Tambe-É.

Nach 10 Uhr vormittags überschritten wir auf miserablen Wegen ein Lalangplateau, wobei mehrmals tief einschneidende Schluchten zu durchqueren waren. Darauf gelangten wir endlich auf den von den rechts gelegenen Höhen herabkommenden, im Entstehen begriffenen direkten Weg Ussu-Matanna, dem wir nun folgten, um bald das in einer buschreichen Senkung gelegene Dörfchen Tambe-É zu erreichen. Gleich den jüngst angesiedelten Bewohnern Kawátas haben sich auch die Tambe-É-Leute auf Verlangen des Gouvernements erst in letzter Zeit in der Ebene seßhaft gemacht. Die hübsch gelegene Siedelung Tambe-É, nach dem Stammesnamen ihrer Bewohner benannt, ist durch die von den eigentlichen Tobela abweichenden Sitten und die eigene Sprache ihrer Bewohner besonders interessant. Daß diese dem großen Stamme der Tobela seit altersher benachbart gewesen sein müssen, geht aus den Überlieferungen der Tambe-É hervor, durch welche die uralte Feindschaft zwischen den die nordwestlichen Gebirge bewohnenden Tolampu und den Tobela auf die Vergewaltigung einer Tambe-É-Frau zurückgeführt wird. Die Sage erzählt:

Einst sind die beiden großen Stämme der Tolampu und Tobela eng befreundet gewesen. Damals befand sich der Hauptkampong der Tambe-É, Paantaúwa, noch auf einem Berggipfel des Morigebirges. Einmal traf es sich nun, daß ein Tolampu-Mann Namens Latetémbu eine Tambe-É-Frau überfiel und mißbrauchte. — Die empörten Dorfbewohner[S. 35] verfolgten den Übeltäter, fingen ihn und bestraften ihn grausam. Der Mann wurde über einem der senkrecht gezogenen Blasebälge eines Schmiedefeuers mit auseinandergespreizten Beinen festgebunden, und in dieser Stellung wurden ihm die Genitalien weggesengt. Seine Leiche wurde hierauf verbrannt und die Überreste in alle Winde verstreut, so daß Latetémbu für seine Angehörigen fortan unauffindbar und verschollen blieb. — Lange Zeit blieben deren Nachforschungen nach seinem Verbleibe vergeblich, bis ein Zufall zur Entdeckung des Mordes führen sollte. Einige Freunde des Getöteten belauschten den Gesang eines mit Reisstampfen beschäftigten Kindes. Aus dem Refrain des Liedes: »Latetémbu muß verbrennen, muß verbrennen!« erfuhren die Lauschenden, was geschehen war, und der Sohn des Getöteten, Lagóngga, legte einen feierlichen Schwur ab, daß Krieg sein solle zwischen den beiden Stämmen, der nimmer ende, bis »die Krähen weiß geworden« und »die Reisstampfkolben Blätter trieben!«

21. Tambe-É-Frauen.

Durch Jahrhunderte hindurch wurde dieser Schwur gehalten und wurden von beiden Seiten Köpfe geschnellt, wo nur immer sich eine[S. 36] Gelegenheit dazu bot. Erst vor ca. 15 Jahren gelang es einem Datu des Reiches Luwu in Paloppo, die Fehde zum Ausgleich zu bringen; doch erklärten sich die Tolampu nur unter der Bedingung zu einer Versöhnung bereit, daß ihnen noch weitere zwei Köpfe als Sühneopfer ausgeliefert würden. Daraufhin kauften die Tobela zwei Toradja-Sklavinnen, die sie den Tolampu übergaben. Diese beschäftigten die Frauen zum Scheine mit Feldarbeit, um sie dabei meuchlings zu morden. Die Leichen wurden der Köpfe beraubt. — Erst jetzt war dem Verlangen nach Sühne Genüge geschehen, und große Freudenfeste vereinten die feindlichen Brüder aufs neue und machten der seit mehr als 300 Jahren währenden Fehde ein Ende.

Als abweichend von Tobela-Sitten erschien mir bei den Tambe-É-Frauen das Tragen schwerer Metallfußringe (= lánke). Auch die Benutzung von Sitzfellen (=tundáa) bei den Tambe-É-Männern, welche ein nie fehlendes Attribut derselben darstellen, ist etwas sonst Ungewöhnliches. An Stelle solcher Felle kennen die Tobela nur geflochtene Sitzmatten, und auch diese sind bei ihnen relativ selten anzutreffen. An interessanten Ethnographica konnte ich außer den eben erwähnten noch einen, Báki genannten, geflochtenen Rückenkorb der Weiber und mehrere aus Hirschfell gefertigte, Kalámbi genannte Rucksäcke der Männer erwerben, wie sie auch am Matanna-See allgemein üblich sind, wo sie »gorái« heißen. Nach längerem Aufenthalte im Tambe-É-Dorfe, in dem wir mehrere Hütten besuchten und ich eine Reihe von Aufnahmen machte, traten wir die letzte, uns noch vom Matanna-See trennende Etappe an.

Tafel II.
Tambe-É-Frau.

Dabei ging es erst über eine stetig ansteigende Lalanghochebene, auf welche die Sonne glühend heiß herabbrannte. Um das Maß vollzumachen, hatten wir auf einer Strecke von ca. 20 Minuten eine brennende Grasfläche zu überschreiten. Links und rechts von uns züngelten die Flammen aus dem Riede, und ein stickend heißer Aschenregen machte das Atmen zur Qual. Ganz erschöpft erreichten wir nach guten 2 Stunden das Talende, und nun galt es, noch einen[S. 37] ca. 800 m hohen, uns vom Matanna trennenden bewaldeten Gebirgsrücken zu bewältigen. Im Schatten der ersten Bäume machten wir kurze Rast.

22. Tambe-É-Männer.

Die letzte zurückzulegende Strecke war außerordentlich steil und bildete ein böses Stück Weges für meine Träger, die in strikter Widerlegung der vielfach gehörten Behauptung, daß die Eingeborenen nicht[S. 38] schwitzten, hier Ströme Schweißes vergossen. Nach angestrengter Kletterei gelangte ich, allen anderen weit voran, auf die Kammhöhe. In meiner Erwartung, oben gleich den ersehnten Anblick des Matanna-Sees genießen zu können, sah ich mich getäuscht; der Sattel des erstiegenen Gebirgsausläufers war viel breiter, als ich angenommen hatte, und es bedurfte noch eines tüchtigen Marsches, ehe ich meinen Wunsch erfüllt sah. Eilenden Schrittes und hinter jeder Wegebiegung den Ausblick auf den See vermutend, überquerte ich den Sattel. Endlich begann sich der Pfad zu senken, und ganz plötzlich lag der Matanna-See, im herrlichsten Azur erglänzend, vor mir. Das einzig schöne Landschaftsbild mit dem weiten, von wunderschönen Gebirgszügen[S. 39] umrahmten buchtenreichen See entlockte mir einen lauten Ausruf der Freude; brachte mir doch der bisher noch keinem halben Dutzend Europäer vergönnt gewesene Anblick des aus tiefem Talgrunde heraufgrüßenden Sees die Erfüllung lange gehegten stillen Hoffens und Wünschens und zugleich den ersten Erfolg meiner Reisen in Celebes.

23. Blick auf den Matanna-See.
24. Panorama des Matanna-Sees von Westen aus.

Nach den Angaben der Herren Sarasin mißt der Matanna-See ca. 25 Kilometer Länge und 7½ Kilometer Breite und liegt rund 400 m über dem Meere. Die weichen Konturen der das Seebecken umschließenden, mäßig hohen Berge erscheinen reihenweise voreinander gelagert und schieben zahlreiche Landzungen vor. Die nächstgelegenen Hügel und Kämme sind ohne jeden Baumbestand und nur mit Lalang bewachsen, das schönes Wiesengelände vortäuscht. Durch ein nicht allzubreites Tal von meinem gegenwärtigen Standorte getrennt, lag das recht malerisch in das hier seichte Wasser hineingebaute Pfahldorf Matanna, hart am Westzipfel des Sees. Der Anblick des dicht vor uns liegenden Zieles hatte auch meine nachgekommenen Leute alle Müdigkeit vergessen lassen, und rüstig ging es talwärts, dem Dorfe zu.

[S. 40]

25. Fremdenhütten im Dorfe Matanna.

Es war 4 Uhr nachmittags geworden, als ich in dem auf Gouvernementsverfügung nun in allen Dorfschaften zu findenden Unterkunftshäuschen meinen Einzug hielt. Dieses hier war in geringer Entfernung vom Dorfe, hart am Seeufer errichtet und gewährte einen schönen Ausblick. Für meine Begleitung stand ein zweites Häuschen zur Verfügung, so daß ich mich ganz ungestört dem Genusse des Panoramas und dem Anhören des mir wie Musik klingenden Wellengeplätschers hingeben konnte. Aus dem Dorfe schickte man mir als Gastgeschenk frische Kokosnüsse zur Erquickung. Ich hatte gerade noch Zeit zu einem köstlichen Bade im See, ehe der Ansturm der Lieferanten aus dem Dörfchen begann, die mir sehr sauber gearbeitetes Tongeschirr in antik anmutenden Formen und Farben zum Kaufe anboten. Auch Erzeugnisse der hier blühenden Messingindustrie wurden mir in reicher Fülle gebracht. Es waren zwar nur roh gearbeitete, aber durch Formenschönheit ausgezeichnete Schmuckobjekte, wie Arm- und Fingerringe, Brustgehänge, Kinderschamdeckel usw. Ich hatte alle Hände voll zu tun, die Tauschwaren heischende Dorfjugend zu befriedigen, welche[S. 41] Perlenketten und europäische Fingerringe gerne nahm, bares Geld jedoch allem anderen vorzog.

26. Alter holländischer Messinghelm aus dem 17. Jahrh., von den Tobela als Kriegshut benutzt.

Matanna, den 5. September.

Die Nacht verlief recht unruhig. Heftige Böen trieben die mächtig rauschenden, aufgeregten Wogen des Sees gegen die Ufer, und aus dem Dorfe herüber tönte die ganze Nacht ein auf die Nerven gehendes, anhaltendes Gongschlagen, dessen Tonfall ohne rhythmischen Wechsel ungefähr wie gg–cc–gg–cc–gg–cc– – –ḡ–ḡ–ḡ–ć–ć–ć klang. Der Grund dieser, wie ich vernahm, nun schon 9 Tage währenden und insgesamt 15 Tage und Nächte anhaltenden, unaufhörlichen musikalischen Darbietung war eine bereits ebenso lange im Dorfe befindliche Leiche, die erst nach dieser 15tägigen Trauerperiode der Erde übergeben wird. Während einer solchen Zeit ruht jede Tätigkeit im Dorfe, so daß ich leider den Betrieb der Schmiedetechnik nicht beobachten konnte.

Vom frühen Morgen an kamen wieder eine Menge jugendlicher Lieferanten, deren Eltern sich genierten, persönlich vor mir zu erscheinen, und die deshalb die Kinder sandten. Meine ethnographische Sammlung nahm rasch zu. Zu dem Besten, was ich erwerben konnte, gehörte ein Rotangkriegshelm und ein Messinghelm der alten Ostindischen Kompagnie, wie ich ihn hier zu finden nicht erwartet hätte.

[S. 42]

Nachmittags besuchte ich das aus 26 Wohnhütten verschiedener Bauart bestehende Dörfchen, wozu noch eine bedeutende Zahl von Reisvorratshäuschen kam. Erstere standen mit wenig Ausnahmen auf hohem, kreuz und quer verbundenem Stelzenwerk im seichten Wasser des Sees, und Laufplanken allerprimitivster Herstellung vermittelten den Übergang zum Lande. Auf diesen Stegen gelangte man zuerst auf eine Art Plattform, von welcher eine Pfostentreppe, meist aber nur ein gekerbter Baumstamm zum eigentlichen Wohnraume der Hütte emporführte. Das fensterlose oder durch Dachluken notdürftig erhellte Innere war unbeschreiblich eng, düster und von penetrantem Geruche erfüllt. Schmarotzer müssen in diesen Hütten ein paradiesisches Dasein führen. Tatsächlich sind durch Parasiten verursachte Hautkrankheiten und bösartige Geschwüre sehr häufig. — Die Aufgänge zu den Hütten waren durchaus nach keinem einheitlichen System hergestellt. Die am besten mit Hühnerleitern zu vergleichenden in die Höhe führenden eingekerbten Stämme waren teils vorn, teils seitlich an den Hütten angebracht, teils führten sie von der Mitte der unteren Plattform aus zum Wohnraum hinauf. Das aus den Wedeln der Kokos- oder Sagopalme (Atap) oder des noch weniger dauerhaften Blattmaterials des Lángsatbaumes hergestellte Dach und die Seitenwände der Häuser waren vielfach geflickt, zuweilen mit Rindenstücken; überhaupt machten die Häuser einen ziemlich verwahrlosten Eindruck. Unter einem die Mitte des in Kammern abgeteilten Wohnraumes einnehmenden und bis an den First des Hauses reichenden viereckigen Lattengestell war die Feuerstelle gelegen; auf den Etagen darüber waren die Kochtöpfe, Küchengeräte und Vorräte von Brennholz aufgestapelt. An Pfosten und Haken der Hüttenwände hingen Körbe und Basttaschen mit Feldfrüchten, Fischereigeräte und Hausrat aller Art. Ich konnte nicht aufrecht stehen, ohne anzustoßen, und flüchtete so schleunig als möglich aus dieser Hölle wieder an die frische Luft. Die Giebel der Hütten und Reishäuser wiesen vereinzelt kunstlose Schnitzarbeiten auf. Unter der Plattform fast jeder Hütte schaukelte ein Einbaumkanoe,[S. 43] und auf dem Strande lagen allenthalben zerfallene Boote, deren Holzreste gelegentlich als Material für Laufstege und dgl. Verwendung finden. — Die hier gebräuchlichen Paddelruder waren im auffälligen Gegensatze zu der Bauart der jeder Ornamentik ermangelnden Boote recht hübsch und geschmackvoll gearbeitet. — Winzige Seelenverkäufer fand ich mit kühner Segelvorrichtung ausgestattet. Merkwürdig waren die vor jedem Hause zu findenden Reisstampftröge, deren mühevolle Herausarbeitung aus großen Holzklötzen und deren gefällige Formen auf Geschick, bezw. Kunstsinn schließen lassen. Die wenigen, auf festem Boden errichteten Hütten werden zur Flutzeit von den Wogen des Sees unterspült, so daß auch sie der Segnungen einer kostenlosen Unratabfuhr teilhaftig werden. Außerhalb des Bereiches des höchsten Wasserstandes befinden sich nur die Reisvorratshütten. — Der Theorie, daß der Pfahlbau in Celebes der Ausnutzung der Unterspülung seine Entstehung verdankt, also auf sanitären und Bequemlichkeitsrücksichten basiert, dürfte zuzustimmen sein, obschon dabei sicherlich auch noch andere Faktoren eine bedeutsame Rolle spielen. Ebenso scheint die Anlage von Pfahldörfern auf friedliche Zeiten hinzudeuten, da solche[S. 44] bei kriegerischen Wirren wenig Schutz zu bieten vermöchten. Die Berechtigung dieser Ansicht wird treffend durch folgende Erzählung illustriert, die mir später bei den Tolampu mitgeteilt wurde und bereits hier erwähnt sein mag:

27. Pfahldorf Matanna.
28. Matanna-Pfahlhäuser.

»Einst hatten die Tolampu gegen die Matanna-Tobela einen Kriegszug unternommen. Letztere jedoch zogen sich in ihr wohlbefestigtes Dorf auf dem Gipfel eines Berges zurück, und die Tolampu mußten sich damit begnügen, ihre Wohnungen am See zu zerstören.« Die Fortsetzung dieser Erzählung bringt in prägnanter Weise die eigenartige Denkweise der Eingeborenen zum Ausdruck: »Ohne einen Kopf erbeutet zu haben, mußten die Tolampu-Krieger den Rückzug nach ihrer Heimat antreten. Einer ihrer Häuptlinge aber schämte sich, ohne Beute zurückzukehren, und verbarg sich mit 30 seiner Leute in der Nähe des Matanna-Dorfes im dichten Lalang. Wirklich gelang es[S. 45] ihm, nach einiger Zeit in einer einsamen Hütte 3 Frauen und einen alten, kranken Mann zu überraschen, die an den Abzug des Feindes geglaubt und sich herausgewagt hatten, um nach ihren Feldern zu sehen. Sie wurden getötet und ihre Köpfe als Siegesbeute mit fortgenommen.« —

29. Sulewátang »Daëng Muróva« (links).
Sulewátang »Daëng Mabela« (rechts).

Auf meinen Vorhalt, daß dies doch eine ganz gemeine und feige Tat gewesen sei, erwiderte mir der Erzähler höchst entrüstet: »Aber nein, durchaus nicht, wollte doch eine der Frauen sogar ‚Amok‘ machen!« — Also der Umstand, daß eines der armen Schlachtopfer es gewagt hatte, sich gegen seine brutale Ermordung zu wehren, genügte den Tolampu, ihre Tat als ein Heldenstück zu rechtfertigen.

Nach Besichtigung des Dorfes nahm ich eine Reihe photographischer Aufnahmen vor, zu denen sich die Dorfbewohner leicht gewinnen ließen, da ihnen die beiden Sulewátang mit gutem Beispiel vorangingen. Auf nebenstehendem Bilde ist der linksstehende der Tobela-Fürst von Matanna, Daëng Muróva, mit dem Titel Sulewátang, hier = »Distriktshaupt«. Er trägt eine turbanähnliche Kopfbedeckung, während der neben ihm stehende mit dem buginesischen Käppchen mein Luwu-Begleiter, der Sulewátang Daëng[S. 46] Mabela ist. Beide trugen auf meinen ausdrücklichen Wunsch ihre Krise offen zur Schau; dies ist unter anderen Umständen durchaus verpönt. Nach Besitznahme des Landes durch die holländische Regierung wurde nämlich das gemeine Volk entwaffnet und jede Art des Waffentragens streng verboten. Selbst Lanzen dürfen außer dem Hause nur mit spezieller Erlaubnis der Regierung mitgeführt werden. Allein den Stammeshäuptern und den Adligen wurde der Kris als Rang- und Würdeabzeichen gelassen; doch dürfen sie ihn zum Zeichen ihrer friedlichen Gesinnung nur unter dem Sarong und von diesem völlig verdeckt tragen, wie es das Gruppenbild der in Malili versammelten Radjas deutlich zeigt.

Als allgemeinster Gebrauchsgegenstand und wohl wichtigstes Besitztum jedes Tobela dürfte der Klewang oder das Buschmesser anzusehen sein. Diese Klewangs sind Produkte der jetzt im Verfall begriffenen Schmiedekunst, und das Material zu denselben wird aus den im ganzen Matanna-Becken zahlreich vorhandenen Eisengruben geholt. Das an vielen Orten offen zutage liegende Raseneisenerz wird hierzu nicht verwendet. Die Griffe der langen Klingen sind gewöhnlich mit Rotang umflochten. Die Verwendung des Klewang ist eine beinahe schrankenlose und umfaßt alle Möglichkeiten vom Fällen der Dschungelbäume, dem Haus- und Bootsbau an bis zur feinsten Schnitzarbeit.

Die ehemals zu Exportzwecken im großen betriebene Fabrikation von Lanzenblättern ist seit dem Verbote des Waffentragens und der Konsolidierung der politischen Verhältnisse fast gänzlich erloschen, so daß heutzutage Waffen jeder Art zu den am schwersten erhältlichen Objekten in Celebes zählen. Hierzu gehören auch die Schilde. Trotzdem gelang es mir, am Matanna-See drei verschiedene Formen von Langschilden ausfindig zu machen. Typisch für die Landschaft sind davon nur zwei: der geflochtene Rotangschild und der einfache Holzschild. Die dritte, schönste Gattung, mit Muschelstücken ornamentiert und reihenweise mit buntgefärbtem Ziegenhaar verziert, ist als dem Posso-See eigentümlich anzusehen und hat sich hierher wohl nur durch Tausch[S. 47] verirrt. Auf eine vierte Art, die Totenschilde, komme ich später bei den To-Lambátu zu sprechen.

30. Tobela-Schilde.

An Haustieren sah ich bei meinem heutigen Inspizierungsgange nur Büffel, kleine spitzköpfige Hunde und Hühner; an Nutzbäumen nur Kokospalmen, und zwar ganze 5 Stück. Sie gediehen hier nur kümmerlich, und ihr Fruchtwasser schmeckte säuerlich. In großer Zahl waren Papayas (Melonenbäume) und Pisang (Bananen) angepflanzt. Ein einziger alter Lángsatbaum beschattete meine Hütte. Außerdem waren noch einige Kápok(Baumwoll)-Bäume vorhanden und in einiger Entfernung vom[S. 48] Dorfe an sumpfigen Strandstellen Sagopalmen. — An Feldfrüchten werden Reis, Mais, Ubi (= Bataten) und vor allem Tabak kultiviert. Letzterer nur auf Neurodungen, auf denen nach der Ernte Pády (= Reis) im Anbau folgt. Der Tabak wird im ganzen Seendistrikt gekaut und nicht geraucht. Mann und Weib ergeben sich dem Priemchengenusse mit Leidenschaft, und der Kommunismus wird so weit getrieben, daß man im Behinderungsfalle seine Tabakkugel einfach aus dem Munde nimmt und seinem Nachbar so lange zum Weiterkauen überläßt, bis man sich selbst wieder dem Genusse hingeben kann. Es kostete mich stets die größte Mühe, die Leute zu bewegen, beim Sprechen ihre voluminösen Tabakknäuel aus dem Munde zu nehmen. Hierbei mag gleich erwähnt sein, daß bei den Tobela Malayisch nur schlecht verstanden und noch viel schlechter gesprochen wird. — Die ekelhafte Gewohnheit des Ausspuckens ist im Seendistrikte allgemein im Schwange, doch nicht in dem Maße wie bei den Sirih kauenden Malayen.

Sehr instruktiv ist das folgende Bild einer Reihe von Frauen und Kindern aus dem Dorfe Matanna. Von links nach rechts machen 2 Mädchen im festlichen Tuchsarong den Anfang. Dann folgt eine Frau mit dem Rückenkorbe aus Palmscheide, den sie mittels über den Kopf gelegter Tragbänder aus Baumbast trägt. Die daneben stehenden Frauen, eine alte und eine junge, sind dem Tabakgenusse hingegeben, während das Mädchen davor die in einem sackähnlichen Tuche bestehende universelle Kleidung zeigt, die in früheren Zeiten aus Fuja (Baumbast) gefertigt wurde. — Die Kunst der Fuja-Herstellung ist in Südost-Celebes bereits in Vergessenheit geraten. Die mir hin und wider noch angebotenen ca. 40 cm breiten und gegen 1½ m langen unverarbeiteten Stücke weißer oder gelbgrauer, ungefärbter Rohfuja, die als Schlafdecken und Haupttücher, sowie als Schambinden benutzt werden, dürften aus Tobúngku stammen, wo ich später in der Landschaft Wiwiráno auch seidendünne, rotbraune Fujajacken erhielt, die in dieser Art im ganzen übrigen Celebes unbekannt sind.

[S. 49]

Es folgt nun in der Reihe eine Frau mit der Sitte gemäß entblößten Brüsten. Sie trägt ihren kleinen an den Knien mit Messingschellen behängten Jungen, der auf ihrem Rücken reitet. Den Schluß bildet eine junge Frau, die in full dress, ihr Kleines im Umschlagetuche rittlings auf der Lende trägt.

31. Frauen aus Matanna.

Die Nachkommenschaft wird von den Tobela mit einer ausgesprochenen Affenliebe behandelt. Ein Schlagen der Kinder kommt kaum je vor, und die Folgsamkeit derselben läßt meist alles zu wünschen übrig; auch ist kein besonderer Respekt junger Leute vor älteren Männern zu beobachten, eher eine nachsichtige Rücksichtnahme dieser auf jene. So nehmen z. B. auch noch sehr junge Männer am Rate der Alten teil. Eine Ausnahmestellung im Dorfe scheint nur der Kapala Kámpong, der Häuptling, einzunehmen.

In sanitärer Beziehung leben die Leutchen noch in paradiesischer Unschuld.[S. 50] Die köstliche Gabe des Wassers würde in ihren Augen entweiht sein, wenn es etwa zum Waschen verwendet würde, und das Baden geschieht nicht aus Reinlichkeitsgründen, wie Idealisten voraussetzen werden, sondern lediglich als Abkühlungsmittel. Wirklich gewaschen wird eigentlich nur das lange Haupthaar und das eben nur deshalb, weil’s gar so stark juckt.

Im allgemeinen ist der Menschenschlag robust u. ebenmäßig gebaut, dabei von ziemlich weichem Gesichtsausdruck. Das leicht wellige, tiefschwarze Haar wird von beiden Geschlechtern lang getragen. Die Hautfarbe der Tobela ist hell rötlichbraun; Augen sind meist dunkel rehbraun. Die vielfach, namentlich bei Kindern vorkommenden stark heraustretenden Bäuche werden auf die im Matanna-Becken grassierenden Fieber zurückgeführt, während die bei groß und klein nur allzuhäufig auftretende Ringwurmkrankheit, Kúrap, auch Cascádos genannt, auf Salzmangel basieren dürfte.

32. Tobela-Knabe mit Brüderchen.

Die Kleidung der Tobela-Männer besteht in der Hauptsache fast[S. 51] durchweg aus den kurzen, schwimmhosenähnlichen Buginesenbeinkleidern. Vielfach werden Kattunjacken, ähnlich denen der Weiber getragen. In früherer Zeit bedienten sich beide Geschlechter eines großen, vom Kopf bis zu den Füßen reichenden Umschlagetuches. Gegenwärtig wird ein solches als eine Art Shawl mitgeführt, der gegebenen Falles als Tragesack oder als Hülle für mitgeführtes Gepäck bei Besuchen von Dorf zu Dorf zu fungieren hat.

33. Tobelas aus dem Dorfe Matanna.

Interessant ist die Art des Gehens der Tobela, welche die Füße nicht aus- oder einwärts, sondern seitlich stellen, so daß der Eindruck des Schieflaufens, wie es bei Jagdhunden zu beobachten ist, hervorgerufen wird. Ich möchte diese Angewohnheit auf die Bodenverhältnisse zurückführen, bei deren bergiger und lehmiger Beschaffenheit sich diese Art der Fußstellung als sehr praktisch erweist und ein Zurückgleiten des Fußes verhindert.

Seit auch bei den Tobela der Islam Eingang gefunden hat, mußte der vordem ausschließlich getragene Rotanghut, der Síga, dem Haupttuche[S. 52] Platz machen. Kriegshüte, úlu-úlu oder tándu-tándu genannt, wie sie in den nun vergangenen Zeiten permanenter Fehden im Gebrauche waren, gehören heutzutage zu den größten ethnographischen Seltenheiten und sind kaum mehr aufzutreiben. An Frauenhüten, wie sie wohl hauptsächlich bei der Feldarbeit Verwendung finden, konnte ich in Matanna nur einen weiten, flachen Basthut erlangen.

Halbwüchsige Jungen laufen gewöhnlich völlig nackt oder doch nur mit einem Schamstreifen bekleidet, der bei den Mädchen durch ein entsprechendes Lendentuch ersetzt wird. — Ohrgehänge, Hals-, Arm- und Fingerringe werden von alt und jung beiderlei Geschlechts gern getragen, wobei die am Orte angefertigten Messinggußprodukte dominieren. Neben ihnen sind die von der Küste her eingeführten, hoch im Preise stehenden Muschel- (Conus oder Tridacna-) Armreife, sehr begehrt. Beinringe fand ich nur bei Kindern als Schmuck.

34. »tándu-tándu«, Tobela-Kriegshüte aus Matanna.

An Erzeugnissen der Flechtwarenproduktion konnte ich hübsche[S. 53] Matten erwerben, die die Leute sowohl als Bodenmatten benutzen als auch dazu, die Speisen darauf zu servieren. Ferner erhielt ich niedlich geflochtene Sirih-, Gambir- und Tabakdosen, wogegen als Kalkbehälter merkwürdigerweise nur gewöhnliche unverzierte, kleine Kürbisformen benutzt werden. Häufig sind bei Männern Rucksäcke anzutreffen, aus einem Rotanggerippe bestehend, welches mit dem Felle des Hirsches oder der Decke des Gemsbüffels (Anoa depressicornis) überzogen ist. Auch gewöhnliche Büffel- und Ziegenhäute finden zu solchem Zwecke Verwendung.

35. Rucksäcke der Matanna-Tobela.

An Musikinstrumenten dürften außer den eingeführten Gongs noch Maultrommeln, Flöten und Guitarren, sowie eine Art Schallzither im Gebrauche sein. Nur von letzteren beiden Arten konnte ich in Matanna je einige Belegstücke erhalten. — Hahnenkampf und Würfelspiele, eine Leidenschaft der Tobela, sind von der Regierung untersagt, und nur bei besonderen Gelegenheiten werden Ausnahmen gewährt.

Die Hauptindustrie von Matanna dürfte in der bereits früher erwähnten Anfertigung wirklich geschmackvoll gearbeiteter Tonwaren bestehen. Sie liegt ausschließlich in den Händen der Frauen. Die beigegebene[S. 54] Abbildung zeigt, wie die mannigfachen am Matanna-See hergestellten Tongeräte in einfachster Weise, ohne Zuhilfenahme einer Drehscheibe mit der Hand geformt werden, um hernach mittels hölzerner, verschiedenartig eingekerbter Model unter Anwendung von tönernen Klöppeln als Widerlager zurechtgeklopft zu werden. In der Farbengebung fand ich nur gelb und rot auf grünschwarzem Grunde verwendet. — Bemerkenswert ist noch ein dem Stamme nicht abzusprechendes naiv künstlerisches Empfinden, wie es z. B. aus den hübsch geschnitzten Tonschlägern spricht, und wie wir es später noch ausgeprägter bei den Rudern, Messergriffen und Kochgeräten der Sorowáko-Tobela wiederfinden.

Was die Moral des Tobela-Völkchens anbelangt, so sind dessen Sitten ziemlich ungebunden. Dem freien Verkehr der jungen Leute untereinander wird seitens der Eltern kaum ein ernstliches Hindernis in den Weg gelegt. Desto strengere Gesetze gelten für Verheiratete. Verletzungen der Ehe wurden in früherer Zeit mit dem Tode gesühnt und werden heut mit hohen Bußen bestraft. Prostitution im eigentlichen Sinne, wie sie z. B. bei den Toradja ganz allgemein ist, dürfte kaum bestehen. Ehen sind reine Kaufgeschäfte.

Die religiösen Vorstellungen der Tobela beruhen auf durchaus animistischen Ideen. Es war besonders schwierig, hierüber einiges zu erfahren. Jedes irgendwie auffällige Ereignis schreibt der heidnische Tobela guten oder bösen Geistern zu, deren Wohnsitze er sich in absonderlich gestalteten Bäumen, auf ungewöhnlich geformten Felsen, auf den Gipfeln hoher Berge, auf Grabstätten, im tiefen Wasser des Sees usw. denkt. Alles erscheint ihm beseelt, die Reispflanze, das Wasser, das Feuer, ein Stein. Gefürchtet werden von der Bevölkerung die bösen Geister, deren Gunst man durch Opfergaben zu erkaufen sucht. Für die den Menschen freundlich gesinnten »Hantu« hält man Opfergaben nicht für nötig, da sie den Menschen nur Gutes erweisen. — Die Seele Verstorbener fliegt nach Tobela-Glauben zum hohen Wawonnángo-Berge im Mori-Gebirge bei Toréa. Dort leben die Seelen aller abgeschiedenen[S. 55] guten Menschen gesellig beisammen, während die schlechter Menschen verdammt sind, ruhelos zwischen diesem Berge und dem ehemaligen Wohnsitze der Verstorbenen hin- und herzuwandern. Dasselbe Schicksal soll die Seelen Verunglückter oder eines gewaltsamen Todes gestorbener Menschen ereilen.

36. Töpferinnen aus Matanna.

Zurückgekehrt von meinem Besuche im Dorfe, wurde ich auf eine ca. 50 Schritte hinter meiner Behausung gelegene Quelle aufmerksam gemacht, die ich nun besichtigte. Aus der Tiefe herauf quoll ein Wasser, das ein kreisrundes Becken von 5–6 m Durchmesser gebildet hatte. Es war klar und kühl, und aus dem kiesigen Grunde stiegen unaufhörlich Gasperlen in die Höhe. Ich untersuchte vorsichtig den Boden und fand ihn fest. Bei seinem Betreten jedoch entwich Kohlensäure in großer Menge. Das Wasser fließt nach wenigen Schritten in den See. Anscheinend lieben die Fische diesen Ausfluß, denn ein Krokodil lauerte beutegierig beständig in der Nähe dieses Platzes. Das mit dem Kopfe über Wasser liegende Tier war deutlich zu sehen und erhöhte mir nicht[S. 56] gerade die Annehmlichkeit des Badens, trotzdem die Eingeborenen versicherten, daß die Seekrokodile nicht gefährlich seien, und sie selbst sich unbesorgt in das Wasser hinauswagten.

37. Reisstampfende Tobela-Frauen.

Den Rest des Tages füllte das Verpacken der in Matanna erworbenen ethnographischen Schätze, eine Sache, die schwieriger ist, als sich mancher Leser vorstellen mag.

Matanna-Toréa, den 6. September.

Infolge des unausgesetzten Gongschlagens verbrachte ich die Nacht wiederum nahezu schlaflos. Ich hatte für heut die Fortsetzung meiner Reise über den See beschlossen, und eine große Ausleger-Prau, die[S. 57] bequem 20 Mann zu fassen vermochte, lag schon reisefertig vor meinem Quartier. Schnell wurde noch eine Aufnahme des interessanten, mit 12 Ruderern besetzten Fahrzeuges gemacht; dann nahm ich auf den mattenbelegten Bodenplanken desselben liegend Platz und vertraute mich erwartungsvoll dem still und bleiern daliegenden Gewässer an. Um 7 Uhr morgens winkte ich der Ortschaft Matanna meine letzten Grüße zu. Rasch trieben meine Leute das schwere Boot vorwärts, quer über die Bucht dem nördlichen Seeufer entgegen. Die eigenartigen und für ein so großes Boot völlig ungenügend erscheinenden Ruder bestanden aus Bambusschäften, durch deren gespaltene Enden Ruderblätter aus dünnem, rotem Holze gezogen und mit Rotang festgebunden waren. Die Form der Ruderblätter wechselte von der runden bis zur halbmondförmigen Gestalt. Die Leute paddelten völlig unregelmäßig und direktionslos; außerdem wurde ihre Arbeit durch die seitlich angebrachte Steuerung erschwert.

38. Prau am Matanna-See.

[S. 58]

Das Gebirge bei Matanna ist, vom See aus gesehen, etwas eingesattelt, nach der Längsmitte des Seebeckens zu ansteigend, während es sich in der Richtung nach dem südöstlichen Ende des Sees allmählich senkt. Das Berggelände erscheint großenteils okkupiert. Am südlichen Ufer treten die Berge dicht an den See heran; sie sind völlig entwaldet, und nur in geschützteren Schluchten sind der Vernichtung durch Menschenhand oder durch Waldbrände entgangene Bestände von hohen Bäumen zu entdecken. Die weiter zurückliegenden, unbewohnten Gebirge des Beckenrandes sind lückenlos mit primärem Baumbestande bedeckt. — Ganz anders die Nordseite des Sees. Schon am westlichen Zipfel desselben treten die Berge weiter in das Land zurück, einer ca. ½–1 Kilometer breiten, mit Auenwäldern und Sagodickichten bestandenen Strandebene Raum gebend. Die weiter nördlich ziehenden, bewaldeten Gebirgsausläufer sind weniger schön geformt und bilden breite, sanft geschwungene Rücken.

Ziemlich in Seemitte entdeckten meine Bootsleute einen auf dem Rücken treibenden Fisch, dessen Schwimmblase an 10 cm weit herausgetrieben war und gleich einem weißen Pfeil in die Luft ragte. Ohne Zögern und mit wahrem Feuereifer wurde sofort der Kurs der Fahrtrichtung geändert und der im Verenden begriffene, ca. 2 kg schwere Fisch mühelos mit den Händen gegriffen, um später mit großem Appetit verzehrt zu werden. — Nachdem wieder beigedreht war, steuerten wir dem nördlichen Seegestade zu. Durch Reflexe getäuscht, sahen wir den See nach dem flacher gewordenen Ostufer hinüber nicht geschlossen, sondern uferlos. Rein und klar war die Flut, und Unmengen kleiner Bivalvenschalen bedeckten das kiesige Ufer und den Grund. Bereits wenige Meter vom Lande fiel der Grund des Sees jäh in große Tiefen ab. In der Ufervegetation waren rotblühende Azaleen, Rhododendronbüsche und wohlriechende Myrtensträucher vorherrschend. Auch ein schön geformter Nadelbaum, eine Casuarinenart, bildete kleine Bestände. — Es dauerte gegen 3 Stunden, ehe wir Sokóyo erreichten. Der Ort war unbewohnt, und nur infolge seiner günstigen Mittellage erwählten ihn die[S. 59] Anwohner des Sees als Marktplatz. Alle 20 Tage wird hier Markt abgehalten. Zu diesem Zwecke waren weithin am Strande von Sokóyo eine Menge kleiner Buden errichtet, die als Verkaufsstände benutzt werden. Die das Mori-Gebirge bewohnenden Stämme bringen hierher ihre Waren, um sie gegen Matanna-Produkte auszutauschen. Das Marktleben unter den schönen, schattenspendenden Uferbäumen, worunter besonders viele Mango- und Brotfruchtbäume, muß an Pásartagen höchst fesselnd sein.

39. Ankunft in Sokóyo.

In Sokóyo erwartete uns bereits eine Schar von mehr als 20 Tambe-É-Leuten, die durch vorausgesandte Boten hierhergerufen worden waren, um mich nach ihrem weit im Gebirge liegenden Dorfe Toréa zu geleiten und mein Gepäck fortzuschaffen. Wie ich bereits früher erwähnte, haben wir es bei den Tambe-É-Leuten mit echten Waldbewohnern zu tun, die, obschon zum Tobela-Stamme gehörig, sich durch wesentlich andere Sitten auszeichnen. Ich wollte es daher keinesfalls versäumen, auch diesen Tambe-É-Zweig kennen zu lernen. Meine Prau mit aller irgend entbehrlichen Bagage sandte ich nach Noëha voraus, wohin ich mich von Toréa aus begeben wollte. Ohne Säumen traten wir den Marsch an, der uns zuerst eine Strecke weit das Ufer entlang führte. Das Gestade war hier über und über mit metallisch[S. 60] schimmerndem, schlackenartig aussehendem Raseneisenerz bedeckt. — Nunmehr galt es, den an dieser Stelle dicht an den See herantretenden Gebirgszug zu überschreiten. Stark bergansteigend, bogen wir in einen prächtigen Nadelwald ein. Fürs erste war der Pfad wunderschön. Wir wanderten über trockenen roten Waldboden, dessen sonnendurchfluteter Baumbestand, untermischt mit mancherlei blühenden Büschen, lebhaft an heimische Laubwälder erinnerte. Im üppig wuchernden Moose entdeckte ich zwei zierliche, schön gefärbte Nepenthes-Arten. — Meine Tambe-É-Führer schlugen ein Marschtempo an, wie ich es bei den Eingeborenen bisher noch nicht kennengelernt hatte, so daß es mir Mühe machte, den Leuten zu folgen. Dabei ging es steile Lehnen hinan, bis wir schließlich den 846 m hohen Rücken des Gunung Panturéa erklommen hatten. Meine übrige Begleitung, der Sulewátang und mein Boy Rámang, waren weit zurückgeblieben, und der Unterschied zwischen dem viel elastischeren und kräftigeren Bewohner des Inneren gegenüber der mehr verweichlichten Küstenbevölkerung trat auch bei dieser Gelegenheit zutage.

40. Tambe-É-Männer aus Toréa.

Der Gebirgsrücken war mit lichtem Walde bestanden, der mit den undurchdringlichen Regenwäldern Malakkas und Sumatras wenig Ähnlichkeit zeigte. Die Wanderung über den Kamm war ein Vergnügen und reizte stark zu längerem Aufenthalt; doch ließ die Zeit kein Verweilen zu. Strecken, auf denen Waldbrände verheerend gewütet hatten, wurden passiert. Bald nahm uns das Dämmerlicht eines dichten Tropenwaldes gefangen und gab uns stundenlang nicht mehr frei. Unsere Umgebung bildete einen Naturdom voll schwer zu beschreibender Großartigkeit. Kirchturmhoch strebten schlanke Baumsäulen kerzengerade empor, um sich erst hoch oben in luftiger Höhe zu einer breiten, schirmartigen Laubkrone zu verästeln. Mehr als 7 m hohe Luftwurzeln stützten diese Riesen des Waldes. Dazwischen drängten sich merkwürdig gestaltete Pandanaceen und stolze Baumfarne. Die Mannigfaltigkeit der Pflanzenwelt war verblüffend. Kaum zwei Bäume der gleichen Art waren nebeneinanderwachsend zu finden. Die Baumkronen[S. 61] bildeten 2, ja 3 verschiedene Schichten übereinander. Tausendfältig rankte sich Lianengewirr gleich festlichen Guirlanden von Stamm zu Stamm, hier stützend und erhaltend, dort umklammernd zu tödlicher Umschnürung. Altersschwache Baumgiganten, vom Sturme gebrochen und zu Boden gerissen, versperrten uns häufig den Weg. Die Wedel feinfiederiger Kletterpalmen rankten sich an schlanken Stämmen in die Höhe, dem lebenspendenden Lichte entgegen, und sandten ihre Ausläufer meterhoch über die höchsten Gipfel hinaus. In jeder Astgabel hatten sich Farne, Orchideen und andere Schmarotzerpflanzen sonder Zahl[S. 62] eingenistet. Unwillkürlich wurde in dem geheimnisvollen Schatten und der tiefen Stille dieser Urwaldpracht das gesprochene Wort zum Geflüster. Selbst meine Tambe-É-Führer konnten dem mächtigen Eindruck nicht widerstehen und ließen ihre Gespräche verstummen.

Die Tierwelt fehlte scheinbar gänzlich. War es die drückende Schwüle der Mittagsstunde, die jede Regung des tierischen Lebens ersterben ließ, oder lag es an den grandiosen Dimensionen dieser Bergwälder, in denen kleinere Geschöpfe leicht übersehen werden, — kurz es herrschte eine durch keinen Laut, keine Bewegung unterbrochene Ruhe in dem ungeheuren, grünen Reiche, die fast bedrückend wirkte.

Vollste Aufmerksamkeit erforderte die Verfolgung des Buschpfades. Das Überklettern der feuchtmorschen Stämme, auf denen der Fuß einbrach oder ausglitt, war schwierig und wurde noch unangenehmer durch die Unmasse von Landblutegeln, die solche Örtlichkeiten bevorzugen. Reihenweise aufgepflanzt wie Soldaten im Gliede, harrten sie ihrer Opfer und richteten sich bei jedem eine Annäherung verratenden Laute beutegierig in die Höhe. Nicht selten verdankte ich es beim Durchkriechen von Ast- und Wurzelgewirr nur meinem erprobten, die derbsten Stöße mildernden Tropenhut, wenn ich vor Schädelbruch bewahrt blieb. Alle schlummernden Seiltänzerkünste hieß es zu Hilfe nehmen, um den zögernden Fuß über Schluchten hinwegzuführen, über welche zufällig gestürzte oder absichtlich gefällte Baumstämme unsichere Brücken bildeten.

Nach Passieren dieser Urwaldzone betraten wir ein Grashochland mit entzückendem Fernblick auf das Mori-Gebirge. Sanft fielen die Hänge nach allen Seiten ab, und über verschiedene Talbrücken hinweg erreichten wir nach vierstündiger Wanderung unser Tagesziel, Toréa. Meine Signalschüsse lockten alles, was laufen konnte, aus den Häusern, und der Häuptling des Dorfes kam uns grüßend entgegen.

Toréa ist hübsch auf einer Anhöhe gelegen und besteht im ganzen erst aus 8 in einer Längsreihe errichteten, neugebauten Häusern, von denen noch kaum die Hälfte bewohnt war. Die meisten der hierher[S. 63] gehörigen Stammesangehörigen lebten noch zerstreut auf ihren stundenweit auseinanderliegenden, einsamen Kebons (= Pflanzungen in den Bergen). Die sauberen mit Atap gedeckten Häuser waren groß und geräumig und zeigten einen bisher noch nicht angetroffenen Bautyp. Unser Bild zeigt die Rückseiten der auf der abfallenden Hügellehne auf hohen Pfahlgerüsten errichteten Toréa-Häuser mit ihren eigenartig übereinandergelagerten Ventilationsvorrichtungen, die ebenso wie die großen und zahlreichen Fensteröffnungen ein den Eingeborenen sonst völlig fremdes Licht- und Luftbedürfnis dokumentierten. Als gemeinsamen Firstschmuck wiesen alle Bauten einen an langer vorspringender Bambusstange befestigten »Zauber« auf, bestehend in einer gewöhnlichen, im Winde schaukelnden Glasflasche. In bemerkenswertem Gegensatze zu den hübschen Dorfhäusern stand das mir als Absteigequartier bestimmte, miserable Hüttchen, das so verfallen und schmutzig war, daß ich es vorzog, mein Feldbett im Freien, unter dem vorspringenden Dache aufzuschlagen.

41. Häuser in Toréa.
42. Tambe-É-Frauen von Toréa.

Die Tambe-É-Leute von Toréa, im allgemeinen von großen und schlanken Körperproportionen, zeigten sich recht scheu, und besonders[S. 64] die Weiber waren nur schwer zu bewegen, sich photographieren zu lassen. So sauber die neuen Häuser schienen, so verwahrlost und schmutzig präsentierten sich ihre Bewohner. Sie schienen fast schwarz zu sein. Möglich, daß die ihre Gestalt gleichmäßig bedeckende Schmutzkruste ihre Hautfarbe dunkler erscheinen ließ, als sie tatsächlich war. Der Unsauberkeit war wohl auch der große Prozentsatz der mit Hautkrankheiten behafteten Individuen zuzuschreiben. Namentlich die Kinder waren fast durchweg über und über mit bösartig aussehendem Ausschlag behaftet. Besonders widerlich war die Gepflogenheit der mit Kurap behafteten Knaben und Männer, sich die abblätternde, vom Ringelwurm zerfressene Haut mit ihren Klewangs abzuschaben, demselben Werkzeug, das sie gegebenenfalls auch als Fleischmesser oder Zahnstocher benutzen. Die den Männern an äußeren Reizen in nichts nachstehenden weiblichen Dorfinsassen trugen Lendentücher aus dunkelfarbenen, schwarzblauen Stoffen, die ihnen knapp bis zu den Knien reichten. Ihre weitere Gewandung bestand nur noch in gelbweißen, aus ungefärbtem Kattun gefertigten Oberjäckchen, die beim Säugen der Kinder einfach über die Brüste hinaufgestreift wurden.[S. 65] Eigenartige, turbanähnlich geschlungene Tücher desselben Materials wurden als Hauptschmuck benutzt. In einem um die Schultern geschlungenen, shawlartigen Tuche hingen die kleinen Kinder, wobei die Beine derselben in reitender Stellung die Hüften der Mutter umschlangen. Als Schmuck trugen die Frauen dünne Messingspangen, die die Arme vom Gelenk bis zu den Ellenbogen deckten; an den Füßen trugen sie Reifen in massiver Ausführung von pfundschwerem Gewicht. Erstere dürften als ständiger Zierat, letztere nur als festlicher Schmuck anzusehen sein. Als es mir nach langem Zureden gelang, einen der Familienväter zu bewegen, mir gegen schnöden Mammon die Fußringe seines Weibes zu verkaufen, hatte der Gute, zu[S. 66] seinen Penaten zurückgekehrt, eine schwere Viertelstunde zu durchleben, wie uns das weithin vernehmbare Keifen seiner in ihren heiligsten Gefühlen gekränkten besseren Hälfte bekundete. — Die Männerkleidung bestand auch hier wieder aus der kurzen Bugihose, zu der sich vereinzelt Kattunjacken und ganz allgemein Kopftuch und ein schärpenartig umgeschlungenes Lendentuch gesellten. Als Schmuck fand ich bei ihnen Arm- und Fingerringe aus Messing, die den in Matanna hergestellten glichen.

43. Tambe-É-Leute aus Toréa.

An mir besonders erwünschten ethnographischen Objekten konnte ich eine eigenartige Kinderwiege (= sói) erwerben, die in einer der Hütten an Rotangseilen schaukelte, außerdem einen alten Rotangkriegshut und mehrere Rotangschilde. Lanzen schienen hier ganz gründlich beseitigt worden zu sein; ihr ehemaliges Vorhandensein bewiesen nur noch die höchst praktisch als Gehstöcke verwendeten Schäfte, welche teilweis sehr hübsche Messingbeschläge aufzuweisen hatten. Zu diesen kamen noch eine Anzahl Sitzfelle und Regenschutzmatten, sowie endlich Hahnenkörbe (= ogóta) mit den dazugehörigen Schlingen (= mantára), zum Einfangen der hier zahlreichen wilden Dschungelhühner. Bei dieser Fangmethode wird der Lockhahn auf einer geeigneten Waldblöße an einem Pflocke festgebunden. Auf die Rufe des sich einsam fühlenden Gefangenen kommen die rauflustigen wilden Kameraden herbeigeeilt. Hierbei geraten sie in die Schlingen, womit ihr Schicksal besiegelt ist.

44. Kinderwiege aus Toréa.

Neu waren mir die in Toréa gebräuchlichen Eßlöffel aus Blattscheiden. Auch einen schön gearbeiteten Vorratskorb aus Rotang fand[S. 67] ich, dessen Flechtmuster quadratische Grundformen aufwies. Leider war das Stück nicht zu erhalten.

Als höchst willkommene Abwechslung meines täglichen Konservenmenus brachte man mir in Toréa frische Eier, eine im Waldleben seltene Delikatesse; auch Hühner konnte ich ohne Schwierigkeit erwerben.

Toréa-Sorowáko, den 7. September.

Am frühen Morgen brachen wir auf, um auf neuem Wege nach Noëha am Matanna-See zurückzukehren. Die Toréa-Träger trugen die leichteren Gepäckstücke frei auf dem Kopfe, die schwereren an Stirnbändern auf dem Rücken. Gleich zu Anfang hatten wir ein ziemlich tiefes Flüßchen zu durchwaten, eine zum Tagesbeginn stets unwillkommene Einleitung. Drüben traten wir auf ein mit Riedgras und Lalang bestandenes Hochtal heraus, dessen welligen Erhebungen wir über eine Stunde lang folgten. Hierbei kamen wir an einem von den Eingeborenen für Zwecke der Hirschjagd völlig eingelappten großen Terrain vorüber. Als Schreckmittel für das Wild hatte man mit viereckigen Atapstücken behängte Stangen verwendet. — Gegen 8 Uhr standen wir wiederum vor einem Flusse, dem wir nun durch dichtes Buschwerk längere Zeit nachgingen. Die Krümmungen des Wasserlaufes abschneidend, durchschritten wir ihn unzählige Male. Legionen von Stechmücken raubten uns hierbei den Rest guter Laune. Endlich wieder auf freies Terrain gelangt und froh, den lästigen Peinigern entronnen zu sein, gerieten wir vom Regen in die Traufe. Sämtliche Büffel dieser gesegneten Gegend schienen hier ihren Rendezvousplatz zu haben; denn der Boden war stellenweise zu tiefem Morast zertreten. Rettungslos sank der Fuß in den Schlamm ein, und mehrfach war ich in Gefahr, mein schon durch das ewige Waten arg mitgenommenes Schuhzeug ganz einzubüßen. Langsam wurde der Weg wieder etwas besser, bis wir in mannigfachem Wechsel von Berg und Tal, Busch und Aue gegen 10 Uhr auf ein parkartiges Gelände heraustraten[S. 68] und bald darauf von einer Hügelkuppe aus den Spiegel des Matanna-Sees erblickten. — Noch eine kurze Wanderung, und Noëha, ein alter, jetzt verlassener Kampong inmitten eines Haines von Mangobäumen, war erreicht.

45. Ankunft meiner Toréa-Träger in Noëha.

Zwei von Sorowáko herübergekommene Prauen warteten hier auf unsere Ankunft und hatten schon das gestern von Sokóyo hierher gebrachte Gepäck übernommen. Mit außerordentlichem Stimmaufwand ließ mein »Reisemarschall« auch die neu angekommenen Lasten in die Boote verstauen, und nach dem Photographieren und Ablöhnen der Tambe-É-Träger kroch auch ich in den engen Verschlag der für mich bestimmten Prau. Im Falle eines Malheurs müßte man in solchem Käfig, in dem man wie in einer Mausefalle sitzt, elend umkommen.

Mit schwach vom Winde geschwellten Segeln näherten wir uns um die Mittagsstunde dem schräg gegenüber am Südufer gelegenen Hauptorte des Matanna-Sees, Sorowáko. Die Sorowáko-Ruderer bemühten sich, eine Art Tempo einzuhalten, indem sie einem vollen Schlage stets einen halben Ruderschlag folgen ließen. — Prächtig lag[S. 69] die Seerunde vor uns, und klar hoben sich die Bergprofile vom wolkenlosen Himmel ab. Tief indigoblau erschien die Wasserfarbe. Die Lotungen der Herren Sarasin ergaben seinerzeit an dieser Stelle des Sees bei 480 m noch keinen Grund.

In der Ferne schwamm ein verendender Fisch mit aufgetriebener Blase, eine, wie es scheint, auf dem Matanna häufige Erscheinung. Die Leute erzählten mir, daß nach größeren Stürmen stets große Mengen solcher Tiere sterbend an die Oberfläche des Wassers aufsteigen. Je näher wir dem Südufer kamen, desto übermütiger gebärdeten sich meine Bootsleute, die in Seemitte stets eine große Angst vor den auf dem Matanna nicht ungewöhnlichen urplötzlich auftretenden Böen zeigen. Einzelne fingen an, Schelmenliedchen zu singen, die von den übrigen mit schallendem Gelächter begleitet wurden, und ein mit unermüdlicher Ausdauer bearbeiteter Gong schien ihnen einen wahren Ohrenschmaus zu bereiten.

46. Pfahlhütten und Brückenübergang in Sorowáko.

Nach zweistündiger Überfahrt erreichten wir glücklich das in ausgedehnte Kokoshaine eingebettete Sorowáko mit schönem Berghintergrunde. Der Ort ist ganz bedeutend größer und schmucker als Matanna. Der »Kapala Kámpong« des Dorfes, ein würdig und gut aussehender,[S. 70] aber etwas befangener Herr Namens Sálima erwartete uns bereits am sandigen Ufer. Die tiefgehende Prau lag weit davon im seichten Wasser auf Grund, und es war schwer, beim Herausklettern aus dem unbequemen Fahrzeuge und der darauffolgenden Waterei die notwendige Würde zu bewahren. Nach freundschaftlichem Händedrucke, eine dem Häuptling, wie ich bemerkte, völlig fremde und unbekannte Art der Begrüßung, geleitete er mich nach der kaum 50 Schritte vom Seeufer gelegenen Fremdenhütte. — Mein Quartier war ein winziges zweikammeriges Häuschen, in dem ich mich sogleich einrichtete. Der Sulewátang und seine Leute logierten sich im Hause der »Mákole« ein; mein Junge kochte und schlief unter meiner Hütte.

47. Sálima, Häuptling von Sorowáko.

Sorowáko ist die Residenz von Andi Halu, der Königin des Matanna-Distriktes. Als solche führt sie den Titel Mákole. Die Fürstenwürde geht in Celebes bei Ermangelung männlicher Deszendenz auf die weibliche Linie über. Der Titel Mákole wird aber auch von Männern geführt; so wird z. B. der Wotu-Fürst von Baëbuntu bei Masamba Mákole tituliert. Eigentlich müßte es heißen »Mentjáran« = König. — Die Fürstin, die ich schon in Malili kennen gelernt hatte, war von dort noch nicht zurückgekehrt, und ich mußte mich damit begnügen, ihr großes, in luwuresischem Stil erbautes Haus zu besichtigen. Abgesehen von der abweichenden Bauart und Größe desselben, kennzeichneten je 6 an den[S. 71] Längsseiten herunterhängende hölzerne, grün und gelb bemalte Holzzapfen, — stilisierte Ananasblüten — das Haus bereits äußerlich als Residenz der Fürstin, da nur Edelleute solche Embleme, nach Graden abgestuft, an ihren Häusern anbringen dürfen. An Tobela-Gebrauch gemahnen am Hause der Königin einzig die in Büffelhörner auslaufenden Giebel.

48. Haus der Mákole in Sorowáko.

Der Innenraum des Hauses ist in 2 ungleich große Teile geteilt. Gleich von der Treppe aus betritt man den auf unserer Photographie links befindlichen seitlichen Anbau, dessen Plankenboden um ca. 1 m tiefer liegt als der Boden des eigentlichen Innenraumes. In diesem die ganze Länge des Hauses einnehmenden Vorraume hält sich bei Audienzen das Volk auf, während sich die Radjas neben der Königin auf dem höher gelegenen Podium niederlassen, welches zwei Drittel des Innenraumes einnimmt. — Als Mobiliar befanden sich auf dem Podium nur ein kleines Tischchen und mehrere wackelige Rotangstühle. Durch ein ausgespanntes Kattuntuch war eine Art Plafond geschaffen. Das rechts gelegene Viertel des Innenraumes ist durch einen Verschlag[S. 72] abgegrenzt und in mehrere Kammern geteilt, welche die Wohngemächer der Fürstin bilden. Die Umgebung der Mákole macht es sich abends auf den Dielen der Plattform bequem. Eine Matte auf den Boden und, wenn es hochkommt, noch eine Rolle als Kissen, und das Nachtlager ist fertig. Toilettenwechsel erübrigt sich. Das tagsüber als Sarong fungierende Tuch hüllt abends den ganzen Körper ein und dient auch als Schlafdecke. — Die Fortsetzung des Treppenanbaues bildet auf der hinteren Schmalseite die Küche, an der Vorderfront ein Balkon.

49. Vorratsspeicher in Sorowáko.
50. Tobela-Familie aus Sorowáko.
51. Festhut der Tobela-Frauen.

Nachdem ich kaum von meinem ersten Besichtigungsgange in meine Hütte zurückgekehrt war, erhob sich ein gewaltiger Sturmwind, der weiße Wellenkämme gegen das Ufer peitschte; doch fielen nur wenige Tropfen Regen, und bald lachte wieder heller Sonnenschein. Es war eine der gefürchteten Matanna-Böen. Während derselben ins Haus gebannt, benutzte ich die Zeit dazu, der um mein Hüttchen herumlungernden zahlreichen Kinderschar und einer Anzahl junger Leute den Zweck meines Besuches begreiflich zu machen und ihnen zur Verdeutlichung Abbildungen ethnographischer Gegenstände zu zeigen. Jedes ihnen bekannte Bild wurde mit lauten Ausrufen der Verwunderung begrüßt, und es dauerte gar nicht lange, so hatten fortgerannte Boten den[S. 73] Häuptling und eine Anzahl Männer des Dorfes herbeigeholt, denen ich nun nochmals alle Bilder zeigen mußte. Die erfreulichen Folgen dieses Privatissimums ließen nicht lange auf sich warten, und bald erschien einer nach dem andern, um mir verschiedenerlei Objekte anzubieten. Merkwürdig war hierbei, daß sie stets die zu veräußernden Gegenstände sorgfältig unter dem um die Schulter gelegten Shawl verbargen, wobei sie sich den Anschein gaben, als hätten sie überhaupt nichts zu veräußern. Erst auf direktes Befragen hin rückten sie mit ihren Schätzen heraus und nahmen höchst verlegen wahllos einen der ihnen vorgelegten Tauschartikel oder häufiger den von ihnen geforderten Geldbetrag in Empfang. Offensichtlich schämten sie sich des Verkaufes von[S. 74] Dingen, die in ihren eigenen Augen mehr oder minder wertlos waren, und acceptierten für derartige Objekte jedes Gebot, während sie für Gegenstände, die sie selbst hoch schätzten, teilweis sehr hohe Preise forderten. Zu dieser letzteren Kategorie gehörten vor allem Stickereien und Frauenarbeiten jeder Art. So kostete ein reich benähter Frauenhut z. B. 5 fl. — Mit einfachstem Kreuzstich ganz simpel verzierte Matten wurden mit 2½–5 Gulden bewertet; genau dieselbe Matte, aber ohne Handarbeit, kostete 10–20 Cents. Weibliche Handfertigkeit dürfte hiernach in Sorowáko eine ebenso seltene wie hochgeschätzte Tugend sein. Enorme Preise wurden für Buschmesser und einige wenige angebotene Lanzen verlangt. Recht billig dagegen waren wiederum die reizenden Schnitzarbeiten, die ich hier in mannigfaltiger Anwendung vorfand. Vor allem konnte ich prächtig geschnitzte Ruder erwerben, deren Ornamentik Geschmack verriet, ebenso Küchengeräte aller Art[S. 75] mit liebevoll herausgearbeiteten Griffen. Am meisten Freude machten mir einige der alten Messer, Erzeugnisse einheimischer Schmiedekunst, mit schönen geschnitzten Horn- und Holzgriffen, — vielleicht die letzten Zeugen dieser im Erlöschen begriffenen Kunst. Höchst eigenartig waren ferner Hornschnitzereien aller Art, wie Kämme, Modelle zum Aufnähen von Stickereien, und als Bestes eine Kási-Kási genannte Klammer zum Halten des Stoffes beim Nähen, die eine Kette aus Holzgliedern darstellte, deren Herstellung mit den allein dazu benutzten Instrumenten, — kleinen Messern in feststehendem Griffe, — ebensosehr unendliche Mühe und Ausdauer erfordert haben mußte, als dieses schöne Stück Formensinn zeigte.

52. Kochgeräte der Matanna-Tobela.
53. Matanna-Messer.

Mittlerweile war es Abend geworden, und mein Wohnraum glich einem Trödelladen. Ich hatte mit[S. 76] meinem Faktotum Rámang noch mehrere Stunden zu tun, um alle erworbenen Gegenstände zu sichten, zu etikettieren und in den speziell zu diesem Zwecke gekauften Körben zu verstauen. Als letzte Arbeit des ereignisreichen Tages galt es noch, Platten umzulegen, eine in den undichten Nativehütten, durch deren Bambuswände allenthalben neugierig der Mond lugte, die größte Vorsicht erfordernde Beschäftigung, die aber schließlich mit Zuhilfenahme aller verfügbaren Decken doch glücklich gelang.

54. Matanna-Kämme.
(Unten links und rechts je 1 Stickereimuster-Modell.)
55. Holzgeschnitzte Kette, als Stoffklammer beim Nähen benutzt.

[S. 77]

Sorowáko, den 8. September.

Ein strahlend schöner Morgen war angebrochen, und die nahen Berge hatten ihre Nebelkappe abgelegt. Still und leise atmend, lag die weite Seefläche. Die Kamera wurde hervorgeholt, das auch im Bilde festzuhalten, was auf die Sinne einen unvergeßlichen Eindruck machte.

56. Sorowáko am Matanna-See.

Sorowáko, von räumlich großer Ausdehnung, liegt am Fuße der Seerandgebirge, die, hier zurücktretend, wie in Matanna einem Kulturtälchen Raum geben. Die Dorfbewohner bauen hauptsächlich Reis an, nebenbei Mais und Zuckerrohr. Auf frischen Rodeflächen der nahen Gebirgshänge waren Tabakfelder angelegt. — An Nutzbäumen fand ich außer den schon erwähnten Kokospalmen, die hier viel besser gedeihen als in Matanna, Arekapalmen, Lángsat- und Baumwollbäume. — Zu den Sorowáko eigenen Haustieren gehört neben Büffeln auch ein Pferd, wohl Eigentum der Mákole. Schweine, vor Zeiten die bevorzugteste Lieblingsnahrung der Bevölkerung, fehlen ganz. Ist der Tobela der Seengebiete auch innerlich ein Heide geblieben, der fest an seinem uralten Geister- und Dämonenglauben hängt, so ist er doch äußerlich ein Mohammedaner geworden, der mit der aufgezwungenen Verachtung des Schweines und der Annahme einiger buginesischer Formen ein Kulturmensch und seinen ebenso gefürchteten wie bewunderten Ausbeutern, den Buginesen, gleich geworden zu sein glaubt.

57. Tobela-Haus in Sorowáko.

In zwei langen Reihen ziehen sich die Hütten des Dorfes das kiesige Seeufer entlang, und eine sauber gehaltene Dorfstraße führt dazwischen[S. 78] hin, mehrere kleine Bachläufe überbrückend. Die Häuschen unterscheiden sich äußerlich nicht von denen des Dorfes Matanna, nur daß hier neben dem Gros höchst primitiver Bauwerke auch Familienhäuser von respektabler Größe entstanden sind, deren Bauart wohl ebenfalls von den Buginesen entlehnt ist. Die Hüttenzugänge sind in Sorowáko eigentümlicherweise meist so angeordnet, daß die Leiter, ein eingekerbter Bambuspfosten, von der Mitte der unteren Plattform aus, also völlig verdeckt, zu dem Innern des Hauses hinaufführt. Bemerkenswert ist, daß auch die landeinwärts gelegenen Hütten, welche von der Unterspülung selbst bei höchstem Flutstande nicht erreicht werden, auf hohen Pfahlgerüsten stehen. Der Boden darunter war ebenso trocken und sauber wie bei den unterspülten Häusern. Die unter den Wohnräumen gelegenen, die ganze Ausdehnung der Häuschen einnehmenden Plattformen scheinen die Entfernung des Unrates durch die Lücken des Fußbodens zu verhindern. Das Errichten von Pfahlrosten scheint[S. 79] also doch auch andere Zwecke zu verfolgen als die Unterspülung, und zwar könnten in Betracht kommen: 1. die Verhütung des Eindringens ekelhafter oder gefährlicher Tiere, wie Schlangen, Skorpione, Skolopender usw., 2. die geringe Belästigung von Moskitos in zugigerer Höhe und 3. die damit zusammenhängende, den Eingeborenen durchaus nicht unbekannte Tatsache, daß sie in den zu ebener Erde gelegenen Wohnhäusern viel leichter Fieberanfällen ausgesetzt sind als in solchen auf hohem Pfahlwerk, speziell am Matanna-See, wo die Malaria ziemlich bösartig auftritt.

Ich will mich nun bemühen, das Innere eines Sorowákohauses zu schildern, und wähle hierzu das zu den besseren und größeren gehörende des Häuptlings Sálima.

58. Land-Pfahlhütten aus Sorowáko.

[S. 80]

59. Matanna-Ruder.

Die Hühnerleiter unter dem Hause führte von der Mitte aus in einen engen, dunklen Gang, der zum gemeinsamen, die ganze Hausfront einnehmenden Aufenthaltsraume der Familienmitglieder leitete. Dieser bestand in einem ca. 2 m breiten Raume, dessen winzige, rund oder eckig eingeschnittene Fensteröffnungen mit einer Art Gitterwerk versehen waren, das stark an Haremsausgucke erinnerte.[S. 81] Seitlich zur Linken führte ein Gang zu zwei abgeteilten Kammern, den Schlafräumen der erwachsenen Töchter. Eine größere Kammer rechts, gleich vom Mitteleingange aus, bewohnte das Häuptlingspaar allein. Eine Fortsetzung des allgemeinen Aufenthaltsraumes auf der rechten Seite führte zu den Feuerstellen mit den Brennholzvorräten und Küchengeräten aller Art. An dem Deckengebälk und an den Seitenpfosten des Hauses war Hausrat aufgehängt, wie Reisschüttelkörbe, Rückenkörbe, Netzwerk zum Fischen, Ruder und Vorräte an Feldfrüchten. Den Hauptpfosten der dem gemeinsamen Aufenthalt[S. 82] dienenden Plattform schmückten eine Anzahl Lanzen, deren lange, schlanke Eisenblätter teils einfach in hölzerne Schäfte hineingetrieben waren, teils in hübsch gearbeiteten messingverzierten Stockhülsen steckten. Hier befanden sich auch die vielzackigen Fischspeere, die mit Rotangstreifen oder Lederriemen an langen Stöcken befestigt waren, ferner Langschilde aus Rotanggeflecht und Buschmesser verschiedenster Form, wie sie im Walde, bei der Feldarbeit usw. gebraucht werden. Die Dielen der Gänge waren lückenlos mit einfachen, weißen Matten belegt. —

60. Tobela-Fingerringe und Ohrschmucke.
61. Tobela-Jugend aus Sorowáko.

Zu den Messinggußringen, Armreifen etc. — Erzeugnissen einheimischer Industrie — gesellte sich in Sorowáko viel eingeführter Tand, vom chinesischen Händler bezogen, und Artikel der buginesischen Silber- und Goldschmiedekunst. Hoch im Preise standen fein in Schuppenmanier gearbeitete Kupferhalskettchen, die nicht unter 25 Gulden pro Stück erhältlich waren.

Was nun die Kleidertracht der Sorowáko-Leute anbelangt, so ist auch diese der von Matanna identisch. Wie dort trugen auch hier die Frauen das Haupthaar offen und lang herabhängend oder in einen[S. 83] kunstlosen Schopf zusammengebunden, die Männer aber trugen es unter dem lose geschlungenen Haupttuche versteckt. Merkwürdige Haartrachten waren mitunter bei Kindern zu sehen, so z. B. kreisrunde Büschel stehen gelassener Haare bei sonst glatt rasierten Köpfen, Simpelfransen, lange Nackenhaare bei geschorenem Haupthaar usw. Ebenso verschiedenartig war, wie das beigegebene Gruppenbild zeigt, die Kostümierung der jugendlichen Schar von splitternackt bis zum vollendeten Dandy buginesischer Art. Häufig trugen Knaben und junge Männer glatte, fingerbreite Bastbänder als Knöchelschmuck.

Ein allerliebstes Kerlchen war das Söhnchen des Häuptlings, dessen Konterfei die nebenstehende Abbildung zeigt. Selbstbewußten Blickes und ohne Furcht, wie es sich für einen jungen Edlen geziemt, ließ er die Prozedur des Photographierens über sich ergehen, ohne mit der Wimper zu zucken.

Die Art des Lasttragens auf hölzernen Rückenbrettern, die mittels der durch die durchbohrten Randleisten gezogenen Schnüre hoch beladen werden können, zeigt uns die nächste Aufnahme. Sie stellt einen jungen Menschen und eine Frau aus Sorowáko dar.

62. Tobela-Sprößling.

Die mit einem besonderen Zeitaufwand und großer Mühe aus groben Holzklötzen herausgearbeiteten Reiströge, wie ich sie auch in Matanna fand, sind in Sorowáko noch formreicher als dort vertreten. Sie[S. 84] wiesen fast antike Formen auf, und gern hätte ich einige Exemplare davon mitgenommen, wäre mir nicht der Transport der schweren, mehr als 1 m hohen Holzgebilde über das Gebirge allzu umständlich erschienen. Somit beschränkte ich mich auf die photographische Fixierung der hauptsächlichsten vorgefundenen Formen.

63. Lastenträger aus Sorowáko.

Die Schmiedekunst, die ehemals in Sorowáko in hoher Blüte stand, ist, wie ich bereits erwähnte, gegenwärtig auf dem Aussterbeetat angelangt.[S. 85] Die alt und weit berühmte Herstellung ganzer eiserner Lanzen und einzelner Lanzenblätter ist seit dem Waffenverbot der Regierung nahezu erloschen, und ebenso verhält es sich mit der Anfertigung von Schwertern und Messern, die als Handelsartikel ehemals weithin ausgeführt wurden.

64. Tobela-Reismörser.

Anders steht es mit der Tonwarenindustrie, die in Sorowáko in großem Umfange betrieben wird, und deren Erzeugnisse meiner Ansicht nach die von Matanna an Schönheit übertreffen. Jedenfalls zeigten die hier erworbenen Geschirre einen größeren Formenreichtum und eine Farbenfreudigkeit, die erheblich gegen die düstere Farbengebung der Tonwaren in Matanna abstach.

Fischerei scheint am ganzen Matanna-See nur in relativ beschränktem Maße und wohl nur für den Eigenbedarf ausgeübt zu werden. —[S. 86] Überall verbreitet war das Kreiselspiel, dem sich auch junge Männer mit Eifer hingaben. Dabei schleuderte einer der Spieler mittels einer langen Schnur zuerst einen Kreisel, und seine Mitspieler bemühten sich nun, den tanzenden Holzkegel mit den ihrigen zu treffen und aus seiner Bahn zu schleudern.

Werkzeuge
Tongeschirre
65. Töpferei-Werkzeug und Geschirre vom Matanna-See.
66. »gésso-gésso«, Musikinstrument vom Matanna-See.

Von Musikinstrumenten nationalen Gepräges erhielt ich nur eine »gésso-gésso« benannte, sonderbar konstruierte Laute, deren aus einer halbierten Kokosfrucht geformter Resonanzboden auf der nackten Brust aufgesetzt wird. Es lassen sich mittels dieses Instrumentes wohlklingende, einfache Weisen spielen. Junge Burschen benutzen dasselbe,[S. 87] den Auserwählten ihres Herzens regelrechte Ständchen zu bringen. — Sonst kamen nur noch aus Bambus gefertigte Mund- und Nasenflöten vor.

67. Bronze-Armspangen vom Matanna-See.

Auffallend war mir in Sorowáko die ängstliche Zurückhaltung der Frauen und Mädchen, von denen sich auch nicht eine einzige blicken ließ. Wahrscheinlich ist auch diese Scheu eine Folgeerscheinung des hier bereits tief eingedrungenen Islam.

Sorowáko — Karongsie, den 9. September.

An Stelle des gewohnten, heiteren Landschaftsbildes zeigte sich die Scenerie heut morgen grau in grau, und ein fein herniederrieselnder Regen wirkte deprimierend auf jedermanns Stimmung. Ich hatte für heut den Aufbruch nach dem Towuti-See beschlossen; doch kostete es bei dem abscheulichen Wetter Mühe, die notwendigen Träger aus ihren Hütten herauszulocken und zur Übernahme der Lasten zu bewegen. Nach vielem Ärger und manch ehrenrührigen Vorstellungen an die Adresse der säumigen Leute war endlich alles Gepäck in den hier gebräuchlichen hohen und spitzen Holztragen untergebracht. Nun bedurfte es nur noch einer kräftigen Aufmunterung seitens des die Lastenverteilung überwachenden Sulewátang, um den Kulis begreiflich zu machen, daß sie ihre Regenmatten zum Schutze des ihnen anvertrauten Gepäckes und nicht ihrer werten Persönlichkeit zu verwenden hätten. So wurde es 8 Uhr, ehe es gelang, die 22 Mann starke Kolonne in Gang zu bringen. Vorüber an fröstelnden Kindergruppen, die, um Feuer hockend, am Dorfausgange unsern Abmarsch beobachteten,[S. 88] ging es den grau verhängten nahen Bergen zu. Auch über dem See lastete dicker Nebel, jeden Abschiedsblick darauf verwehrend.

Sacht ansteigend, kamen wir bald in eine höchst pittoreske Berglandschaft. Zwischen Felsenkuppen wand sich der steinige Pfad empor. Immer schwieriger wurde das Terrain, und auf regennassem, schlüpfrigem Geröll ging es höher und immer höher, just zur selben Zeit, als sich das Regengeriesel in trostlosen Landregen verwandelte, der jedes leise Hoffen auf erfreulichen Witterungsumschlag im Keime ersterben ließ. Tropfnaß und verärgert über des Tages Ungunst, die Anhänglichkeit der kiloweise an meinen Stiefeln haftenden Matannaerde verwünschend, eilte ich meinen Leuten voran und stand nach 1½ Stunden, durchweicht und erschauernd im kühlen Höhenwinde, auf dem Rücken der 6–700 m hohen Bergkette. — Wallende Nebel rings umher gestatteten kaum, die nachfolgende Trägerkarawane in unsicheren Umrissen zu erkennen. Doch zu langem Verweilen war die Situation nicht geeignet, und so begann ich denn resigniert mit dem Abstiege in der Richtung nach Karongsie zu.

68. Tal von Karongsie. (714 m M. H.)

Glücklich gelangte ich über die Felsen hinab auf ein Hochplateau, auf welchem ein guter, vielbegangener Pfad nach Karongsie führte. Hier auf dem offenen Terrain blies ein kräftiger Wind, dessen Hauche die regenschweren Wolkenmassen nicht standzuhalten vermochten. Die Luft wurde sichtiger, und der Regen ließ etwas nach. Das sich aufhellende Wetter gestattete allmählich einen Blick über die Landschaft. Hinter mir lagen frischgerodete Hänge mit einem Labyrinth gefällter Stämme; vor mir breiteten sich anmutige, nach dem Regen im saftigsten Grün schimmernde Hügel. Weit traten die sanft verebbenden Ausstrahlungen des Matanna-Vorgebirges zurück, über die wir herabgekommen waren. Nach längerer, angenehmer Wanderung über das schöne Gelände stand ich ziemlich unvermittelt vor einer tiefen Talmulde, auf deren Grunde sich das hübsche Dörfchen Karongsie eingenistet hatte. Als ich Karongsie betrat, waren seit meinem Aufbruche in Sorowáko kaum mehr als 3 Stunden verflossen. Trotz dieser[S. 90] kurzen Wegestrecke wollte ich den Marsch heut nicht mehr fortsetzen teils in Hinsicht auf meinen total durchnäßten äußeren Menschen, teils in der Erwartung, hier ein ethnographisch ergiebiges Feld zu finden. Meine Leute, die etwa eine Stunde nach mir eintrafen, begrüßten meinen Entschluß mit Jubel. Sie fanden mich bereits im Office — wie in den nun betretenen Landschaften die Unterkunftshäuser genannt werden — meines Gepäckes zum Kleiderwechseln harrend und umringt vom Dorfhaupte und seinen Getreuen. Da von diesen allen auch nicht einer ein Wort malayisch sprach, so blieb unsere Unterhaltung recht einsilbig, und mein guter Sulewátang, wie mein Boy Rámang hatten nach ihrem Eintreffen Mühe, als Dolmetscher dem nun beginnenden Ansturm von Fragen gerecht zu werden.

69. Tobela-Dorf Karongsie.

Mein Entschluß, diesen Tag in Karongsie zu verleben, sollte mich nicht gereuen. Wennschon auch dieser Ort erst eine kurze Vergangenheit hat, so erhielt ich hier doch manches mir völlig Neue; darunter mehrere Küchengeräte mit geschnitzten hölzernen Griffen, welche an[S. 91] Stelle der bisher ausschließlich vorgefundenen Ornamentik Tiermotive aufwiesen. Ferner erwarb ich hübsche, beim Reisessen als Teller benutzte, geflochtene Körbchen und ein weiteres Exemplar der in Karongsie »sosánru« genannten Laute, wie ich eine ähnliche in Sorowáko bekommen hatte.

Mehr jedoch als diese Bereicherung meiner Sammlungen interessierte mich das seltene Schauspiel einer Aktion von 3 Tobela-Zauberern, die ich hier auf ihrer Rundreise durch den Matanna-Bezirk antraf (siehe Taf. III).

70. Tobela-Zauberer.

Es war um die Zeit, in welcher die Eingeborenen neue Felder anlegten und die Aussaaten vornahmen. Die 3 Zauberer, Sándo genannt, besuchten die Dörfer, um den Segen der Reisgeister auf die Neupflanzungen herabzuflehen. Ihre aus kurzer Hose und Kattunjäckchen bestehende Kleidung unterschied sich in nichts von der üblichen Tracht. Abweichend hiervon war nur eine aus dünnem, weißgrauem Fujastoffe spitz geschlungene Kopfbedeckung. Die 3 Leute stammten nicht aus hiesiger Gegend, sondern behaupteten, To-Mori zu sein.[S. 92] Auf dem Hauptwege in der Mitte des Dorfes errichteten sie aus Bambusrohren ein kleines Tischgestell, daneben auf dem Boden 2 fußlose Roste. Diese Gestelle wurden mit Atap belegt und darauf die von den Frauen des Dorfes herbeigeschleppten kleinen Schälchen und Schüsselchen samt den zum Zaubern notwendigen Ingredienzien ausgebreitet, unter denen Reis, Mais, Tabakblätter und Sirihzutaten eine Hauptrolle spielten. Hierzu kamen noch eine Unmenge kleiner Gambirdöschen und sonstiger Hokuspokus. Die Schüsseln wurden mit Stücken weißer Fuja bedeckt. Jede Familie im Dorfe brachte Opfergaben herbei, die, ebenfalls mit Fujastücken bedeckt, auf den Tischgestellen aufgestapelt wurden. Vor diesen Opfertischen hockten die 3 Sándo nieder, um teils in corpore, teils einander ablösend endlose Litaneien leise vor sich hin zu murmeln oder im singenden Tone mit lebhaften Gestikulationen herunterzuleiern. Dabei entnahmen sie den Reisschälchen hin und wider kleine Prisen Körner, die sie unter Beschwörungsformeln, welche an die Geister der Wolken, des Regens und der Winde gerichtet waren, in die Höhe warfen. Die neben der ziemlich vollzählig versammelten, den Vorgängen andächtig folgenden Dorfbewohnerschaft gleichfalls anwesenden gefiederten Bewohner Karongsies sorgten dafür, daß von diesen den Geistern zugedachten Reiskörnern nichts umkam.

Tafel III.
Tobela-Zauberer in Ausübung ihrer Funktion im Dorfe Karongsie.

Es gelang mir, von den interessanten Vorgängen mehrere Aufnahmen zu machen. Die 3 Geisterbeschwörer ließen sich durch meine Kamera anscheinend durchaus nicht beirren. Dafür aber wurde ich beim Akte der Wasserbesprengung mit einer so ausgiebigen Dusche bedacht, daß ich dies als einen geschickt zum Ausdrucke gebrachten Protest gegen meine Neugierde auffaßte. Langsam um die Gestelle mit den Opfergaben herumwandelnd, besprengte der Oberste der Sándo diese mit Wasser, um hierauf nach erneuten Gebeten und Beschwörungsformeln nach allen vier Winden Wasser in die Luft zu sprengen, wobei die im Halbkreise eng nebeneinander hockenden Zuschauer nicht zu kurz kamen. Den Schluß der Zeremonie bildete die Einheimsung all der guten Sachen,[S. 93] die eigentlich den Geistern gewidmet waren, nun aber fabelhaft schnell in den zu solch löblichem Beginnen eigens mitgeführten großen Taschen der Sándo verschwanden. — Nach diesem Großreinemachen trieben diese noch einen schwunghaften Handel mit Amuletten und Arzneien gegen alle möglichen und unmöglichen Krankheiten. — Man beachte das verschmitzte Gesicht des Ober-Sándo auf dem beigegebenen Bilde, und man wird überzeugt sein, daß der Mann sein Geschäft verstand.

71. Tobela-Knaben aus Karongsie.

Die Atap-Häuschen von Karongsie mit einer Art Veranda an den Vorderfronten sahen äußerlich adrett und sauber aus. Hinter ihnen, in gleicher Richtung angeordnet, befanden sich die dazugehörigen Reisspeicher. Die sonderbaren Giebelverzierungen der Wohnungen erinnerten sehr an luwuresischen Gebrauch. Vor jeder Hütte hatten die Karongsier auf Regierungsbefehl kleine Anpflanzungen angelegt.[S. 94] Die Setzlinge, Arekapalmen, Melonenbäume, Pisang und Kápok, wurden ihnen hierzu unentgeltlich geliefert. — Das Innere der Hütten entsprach leider nicht dem freundlichen Äußeren. In denselben herrschte im Gegenteil eine greuliche Unsauberkeit, und ein durchdringender, ebenso unerträglicher wie undefinierbarer Geruch fiel mir auf die Nerven. In beengend niedrigen, kleinen Verschlägen hausten da die kinderreichen Familien. Manche der Leute erschienen mir buchstäblich wie Ausgrabungen, so völlig waren sie mit Schmutz inkrustiert und, um das Maß voll zu machen, mit bösartigen Hautkrankheiten behaftet. Männer mit handgroßen, offenen, bis auf die Knochen eingefressenen Beinwunden sah ich hier unverbunden herumhinken; vielfach vorkommende Eiterherde und Pusteln am Halse und auf der Brust, an den Armen und Beinen dürften syphilitischer Natur gewesen sein.

Die äußerst einfache und dem Feigenblattidyll nahekommende Lösung der Bekleidungsfrage des jungen Nachwuchses veranschaulicht die umstehende Photographie einer niedlichen Kindergruppe. Das nächstfolgende Bild zeigt zwei junge Frauen im Festkleide, eine mit dem unvermeidlichen Tabakpriemchen im Munde. Dabei möchte ich auf die eigenartige Kopfbedeckung der Frauen besonders aufmerksam machen.

Als Beschluß meiner Karongsie-Aufnahmen bringe ich noch das Bild eines jungen Pärchens, das im Begriffe stand, eine Wanderung nach Sorowáko anzutreten. Voraus, frank und frei mit bequemem Gehstock, die Wasserflasche auf dem Rücken, das Täschchen mit Rauch- und Kauutensilien um die Schultern gehängt und den Klewang an der Seite, der jugendliche Herr Gemahl; dahinter mit schwer bepacktem Rückenkorb und Buschmesser die kaum dem Kindesalter entwachsene junge Frau. Während diese auch nicht ein Schmuckstück an sich trägt, zieren den Gatten Arm- und Fingerringe. Der ängstliche Gesichtsausdruck beider zeigt, wie unheimlich ihnen die Prozedur des Photographierens war.

[S. 95]

Karongsie — Sése, den 10. September.

In früher Morgenstunde verließen wir Karongsie. Auf der Plateauhöhe angelangt, stießen wir auf die Spuren des Sándo-Kleeblatts. Dicht am Wege waren vor einem neu angelegten Felde dieselben Opfertische errichtet, wie wir sie gestern im Dorfe gesehen hatten. Der wohlhabendere Teil der Bevölkerung läßt nämlich vor jeder Urbarmachung eines Feldstückes die Sándo Beschwörungen ausführen. Soll der Zauber aber recht kräftig sein, so muß die Zeremonie der Fruchtweihe sogar mehrmals vorgenommen werden. Auch beim Ausbleiben von Regen wird die Hilfe der Sándo in Anspruch genommen.

72. Frauen aus Karongsie.

Bald nach unserem Aufbruche erblickten wir in der Ferne das tief unter uns liegende Kulturtal von Weúla. Es war ein höchst fesselnder Anblick, wie die Nebel in den Tälern zwischen den kulissenartig voreinander geschobenen Bergzügen mit der siegreichen Sonne kämpften. Gleich einem aufgeregten Meere wallten die Dunstschwaden auf und nieder, und in der Ferne täuschte der Brodem einen See vor. Die Gegend wurde jetzt sehr uneben und steinig; trotzdem waren allenthalben Feldanlagen zu sehen, meist mit einem dabeistehenden, winzigen Hüttchen. Wenn uns begegnende Frauen, die sich zur Feldarbeit begaben, beim Vorübergehen den Kopf zur Seite wandten oder ihr Gesicht[S. 96] verhüllten, so muß ich dies als Zeichen besonderen Zartgefühles dankend anerkennen. — Dem Höhenrücken folgend, stiegen wir geraume Weile in stetem Wechsel hinauf und hinunter. Gegen 9 Uhr erreichten wir den auf halber Bergeshöhe gelegenen kleinen Kampong Sinóngko. Hier fand ein Kuliwechsel statt. — Immer deutlicher wurden die Anzeichen einer dichteren Bevölkerung, immer häufiger die Anpflanzungen. Wieder eine halbe Stunde später ging es durch den Kondara-Fluß dem jenseits desselben gelegenen, aus nur wenigen Häusern bestehenden Kampong Weúla zu. Ohne Aufenthalt durchquerten wir das Reistal desselben, mit gegenwärtig brach liegenden Kulturen. Jetzt türmte sich vor uns ein hoher, bewaldeter Bergrücken auf, an dessen Lehne wir einem herrlich schattigen Waldwege folgten. Dabei begegneten wir einem an einer Quelle rastenden Dammar-Sucher mit schwer bepacktem Rückenkorbe. Sorgfältig hatte er seine kostbare Last mit Sagoblattscheiden bedeckt. Es war ein hübscher, stämmiger Bursche, und prachtvoll stach die Bronzefarbe seiner muskulösen Glieder gegen das Silbergrau der Baumstämme und die tiefgrüne Pflanzenpracht ringsum ab.

73. Junges Ehepaar aus Karongsie.
74. Toradja-Dammarsucher vom Towuti-See.

[S. 98]

Die hinter diesem Waldgürtel folgende Wegstrecke war schattenlos. Über abgeholzte und verbrannte Rodungen gelangten wir in ein neu sich öffnendes Hochtal, das von felsigen Waldgebirgen umrahmt war. Es war Sése, die letzte uns noch vom Towuti-See trennende Station. — Das unbedeutende Dörfchen Sése, dem in geringer Entfernung der Kampong Tógo benachbart ist, lag jetzt dicht vor uns. Empfangen und geleitet von dem schüchtern auftretenden Dorfhaupte, hielt ich in dem abseits von den Dorfhütten gelegenen »Fremdenquartier« meinen Einzug. — Der Weg bis hierher hatte etwa 5 Stunden beansprucht, so daß ich noch einen halben Tag vor mir hatte, Zeit genug, das von Europäern kaum je besuchte entlegene Tälchen zu untersuchen.

75. Kampong Sinóngko.

Wir haben es in Sése abermals mit einer Neugründung zu tun. Das ganze Gemeinwesen hatte nur 6 Häuschen und eine einzige Reisscheune. Erstere wiesen sämtlich Giebelverzierungen auf, wie wir sie in genau derselben Weise auch in Karongsie gefunden hatten. Es war zu erwarten, daß diese kleine Siedelung in ethnographischer Hinsicht kaum etwas Besonderes bieten würde; desto froher überrascht war ich, auch hier einige mir neue Gegenstände zu erlangen, unter denen ein Blasrohr aus Bambus, súmpi genannt (malayisch: sumpitan), vielleicht[S. 99] das Beste war. Zum ersten Male in Celebes erhielt ich hier zwei hübsche Maultrommeln (= n’gói). —

76. Dörfchen Sése mit Fremdenhaus im Vordergrunde.

So bescheiden die Menschen hier lebten — genügte ihnen doch ein kaum handbreiter, durch die Beine gezogener Schamlappen als völlig ausreichende Gewandung — so schienen sie mir in anderer Beziehung doch recht praktisch veranlagt. Jedenfalls hatte ich hier bei Einkäufen höhere Preise zu zahlen, als bisher irgendwo. Angenommen wurde nur bares Geld unter gänzlicher Nichtachtung selbst der verlockendsten Tauschobjekte.

In Sése begegneten mir zum dritten Male die Sándo, welche wiederum vor uns angekommen waren, hier aber wohl nicht allzuviel Arbeit vorgefunden hatten. — Im Laufe des Nachmittags ertappte ich meinen famosen Sulewátang bei einer nicht ganz fürstlichen Beschäftigung. In der von ihm bezogenen, neben der meinigen gelegenen Kammer lagen Herr und Diener auf der Bambusdiele und spähten mit Eifer und anerkennenswerter Ausdauer durch die Ritzen auf den Boden. Die Sache interessierte mich, und nicht lange sollte ich auf des[S. 100] Rätsels Lösung zu warten haben. Das ruchlose Paar ließ abwechselnd leise lockende Töne erschallen, welche das neugierig herbeirennende Hühnervolk Séses betörten, immer näher und näher an die Hütte heranzukommen. Alsbald flogen nun ein paar Hände voll Reiskörner auf den Boden unter das Haus, von den arglosen Hühnern mit lautem Freudengegacker begrüßt. Sorglos pickten sie den Reis auf. Da, plötzlich ein entsetztes, lärmendes Auseinanderstieben! Aber schon ist es zu spät. Ein teures Haupt fehlt, und das schönste Huhn zappelt rettungslos in der ihm von oben meuchlings übergeworfenen Schlinge. So beschafft man sich hierzulande billigen Hühnerbraten! Aber schon nahte die Nemesis. Den Dorfbewohnern schienen solche buginesische Scherze nicht fremd zu sein; denn laut zeternd kam bereits der beraubte Eigentümer herbei und ertappte die Schelme, die seelenruhig mit dem Rupfen ihrer Beute beschäftigt waren, in flagranti. Ich machte der nun folgenden erregten Szene ein rasches Ende, indem ich den Eigentümer entschädigte, hernach jedoch den beiden Übeltätern eine Lektion über die Unterscheidung von Mein und Dein erteilte.

Die Nacht verlief ziemlich unruhig. Das kleine Sése konnte nämlich die für den kommenden Aufbruch nötigen neuen Träger nicht allein stellen. Daher waren Boten nach dem benachbarten Tógo ausgesandt worden, um die fehlenden Leute zusammenzurufen. Diese kamen denn auch im Laufe des Abends, und das Beisammensein wurde nun mit Tanz und Rundgesängen gefeiert. Bis lange nach Mitternacht tönte mir das jauchzende »hē–ó–hē, hē–ó–hē« ihrer Liederrefrains in die Ohren.

Zwei Fingerringe mit Schmucksteinen

[S. 101]

77. Meine Trägerkolonne.

Sése — Timámpu, den 11. September.

In den ersten Morgenstunden des heutigen Tages traf ein mir entgegengesandter Eilbote in Sése ein mit der Nachricht, daß Herr v. A. auf einer Dienstreise von Malili nach den Dammardistrikten am Towuti bereits in Timámpu eingetroffen sei und dort auf mich zur weiteren, gemeinsamen Bereisung der Seelandschaften warte. Nun war es zwar meine Absicht gewesen, Timámpu auf dem Umwege über die Ortschaften Tawáki und Balambáno zu erreichen, wozu drei Tage erforderlich gewesen wären. So lange konnte ich aber Herrn v. A. nicht warten lassen und beschloß daher unter Verzicht auf dieses Reiseprojekt, auf direkten Gebirgsfußsteigen nach Tabaráno und von dort auf guter Distriktstraße weiter nach Timámpu zu marschieren. Dies ließ sich in einem starken Tagemarsche bewältigen.

Bereits um 6 Uhr befand sich meine Kolonne auf dem Marsche. Es mag manchem Leser befremdlich erscheinen, daß ich die 6. Morgenstunde als früh bezeichne; man hat aber mit den Gewohnheiten der Eingeborenen zu rechnen, die ohne vorherige umständliche Reiskocherei morgens keinen Marsch antreten würden; auch nimmt das Verteilen und Fertigmachen der Tragelasten eine geraume Weile in Anspruch.[S. 102] Häufig stellt sich dabei heraus, daß noch ein paar Träger fehlen, die nun erst herbeigeholt werden müssen. Endlich fürchten die ja nahezu unbekleideten Leute die Morgenkühle und die Taunässe des Busches. Soll ein Aufbruch um 6 Uhr morgens erfolgen, so müssen die Leute spätestens um 4 Uhr mit dem Abkochen beginnen, und das hat bei den Eingeborenen von Inner-Celebes, die die Zeit nicht zu schätzen wissen, seine beträchtlichen Schwierigkeiten.

Die nächsten Höhen wurden auf steilen Pfaden rasch erklommen. Ein letzter Blick auf das freundliche Sése; dann stiegen wir in ein schmales Tal hinab, in dem schnittreifer Reis neben bereits abgeernteten Feldern stand. Gegen den Ausgang des Tales beträchtlich ansteigend, führte der Weg über waldlose Höhenzüge, die wir in zweistündigem Marsche erkletterten. Von der prachtvolle Fernblicke gewährenden Paßhöhe aus ging’s bergab nach der Tabaráno-Niederung zu; das große Dorf gleichen Namens lag in kaum ½stündiger Entfernung unter uns in der Ebene. Wir verließen nun den Eingeborenenpfad und traten auf die große Handelsstraße heraus, die von Malili über Ráu und Balambáno direkt nach Timámpu, der bedeutendsten buginesischen Dammarstation am Towuti-See, führt. Mit einem Schlage fühlte ich mich aus einsamen, entlegenen Gefilden in ein Kulturland versetzt. War es auch nur ein schwacher Pulsschlag des großen Weltverkehres, der sich in den jetzt betretenen Gegenden fühlbar machte, so deuten doch alle Anzeichen darauf hin, daß hier Geister am Werke sind, die sich nicht mehr bannen lassen.

Lange Züge von Toradjas bewegten sich uns entgegen. Sie waren aus Paloppo herübergekommen, um die ungeheueren Schätze der Dammardistrikte heben zu helfen. Schwer unter ihren Lasten keuchend, setzten sie dieselben willig ab, um ihre Tabaksbeutel untersuchen zu lassen. Dabei wurden wunderhübsch gearbeitete Kalk- und Gambirdosen aus Bambus zutage gefördert, die mir gegen klingendes Entgelt gern überlassen wurden. Schon nach diesen Geräten zu urteilen, stehen diese Toradja kulturell höher als die Tobela. Die meisten dieser Leute[S. 103] kommen aus den Distrikten Makále und Rantepáo, den beiden Hauptcentren ihres Landes, um sich als selbständige Dammarsucher oder als Kulis zu betätigen und später mit einem ersparten kleinen Kapital in die Heimat zurückzuziehen.

78. Kampong Tabaráno.

Um 10 Uhr waren wir in Tabaráno, dem größten aller bisher besuchten Dörfer, angekommen. Die an den beiden Seiten der Distriktsstraße gelegenen Häuser bewohnt der bessere Teil der Ortsbevölkerung. Diese Häuser waren sämtlich mit Staketenzäunen gegen die Straße abgeschlossen.

Die ärmeren Dorfbewohner haben sich in recht bescheidenen, hinter diesen beiden Häuserzeilen liegenden Hütten angesiedelt, die sich weit an den Lehnen der angrenzenden Hügel hinziehen.

In Tabaráno mußten die Kulis gewechselt werden, und die damit verbundene Verzögerung benutzte ich zu einer ethnographischen Exkursion ins Dorf. Begleitet vom Dorfhaupte, wählte ich die eine, der Sulewátang die andere Dorfhälfte als Sammelgebiet. Mein Boy Rámang hatte indessen das Gepäck zu überwachen. Die Mehrzahl der vielen hier erworbenen Gegenstände bestand aus mir bereits bekannten[S. 104] und in meiner Sammlung schon vertretenen Stücken. Eine wertvolle Bereicherung derselben bildete dagegen ein Panzerhemd aus geknüpften Pflanzenfasern. Besonders schön gearbeitet waren in Tabaráno die hölzernen Tragkörbe, von denen ich mehrere erwarb. Auf eine Besichtigung der Hüttenräume selbst mußte ich hier verzichten. Mohammedanische Gepflogenheiten hatten in diesem mit der Küste in regem Verkehr stehenden Orte bereits so stark Eingang gefunden, daß die weiblichen Insassen eines Hauses laut zu kreischen anfingen, als ich nur den Versuch machte, eine Hütte zu besteigen. Um Ärgernis zu vermeiden, ließ ich davon ab und schickte meinen Begleiter allein in die Häuser. Leider konnte sich der Mann absolut nicht in meine Intentionen hineinfinden, so daß das Resultat unserer Streife recht kläglich war zur Freude des Sulewátang, der eine reiche Ausbeute mit zurückbrachte.

79. Rückentrage aus Tabaráno.

Nach nahezu zweistündigem Verweilen in Tabaráno setzten wir den Weg mit frischen Trägern fort. Dicht hinter dem Dorfe führte die Straße durch wunderschönen, schattigen Wald einen mäßig hohen Berg hinan. Toradja zogen in Reihen fortgesetzt nach beiden Richtungen an uns vorüber, ebenso lange Züge dammarbeladener Lastpferde. Bald war die Paßhöhe dieses letzten uns von der großen Towuti-Ebene trennenden Berges erreicht, und damit eröffnete sich uns in überraschender Weise ein herrliches Panorama, dessen Abschluß der aus weiter Ferne als Silberstreifen herüberglänzende Towuti-See bildete.

[S. 105]

Seit die Herren Sarasin im Jahre 1896 das Glück hatten, als erste Weiße diesen damals noch sagenhaften See zu entdecken, war es meines Wissens später nur noch einem europäischen Forschungsreisenden, dem holländischen Geologen Herrn von Abendenon, vergönnt gewesen, bis zum Towuti vorzudringen. Meine Freude war groß, als mich der herrliche Ausblick auf diesen größten See des östlichen, ja überhaupt des ganzen Celebes belehrte, daß es nur noch einer geringen Anstrengung bedurfte, das winkende Ziel zu erreichen. Immerhin war die Entfernung bis zum See noch recht beträchtlich; auch war es nur ein kleiner Teil des gewaltigen Seebeckens, welchen ich von hier aus zu erblicken vermochte. Auf der weiten uns noch vom See trennenden hügeligen Ebene wechselten Waldparzellen und Kulturflecken anmutig miteinander ab. Die Gebirgsstränge zur Linken und Rechten traten in starkem Bogen zurück und verflachten sich. Wie auf einem Präsentierteller lag das uns am nächsten gelegene Dörfchen Leóka vor uns. Wir erreichten diesen Ort eine gute Wegstunde später. Er unterschied sich kaum von dem vorher passierten Tabaráno. In Leóka fand abermals ein Kuliwechsel statt. Die Unterbrechung des Marsches benutzte ich wie gewöhnlich zur Jagd auf Ethnographica. Als bestes Stück erbeutete ich diesmal eine Trommel, deren Gewinnung mir viel Vergnügen bereitete, um so mehr als Trommeln in Celebes an und für sich zu den seltenen Objekten gehören.

80. Trommel aus Leóka.

Die umstehend eingefügte Photographie stellt einen meiner Leókaträger[S. 106] dar. Ohne Sträuben stellte er sich meiner Kamera; als jedoch nach geschehener Aufnahme aus einer Gruppe von Gaffern heraus die dumme Äußerung fiel, nun müsse er sicher sterben, da ich ihm seine Seele fortgenommen hätte, wurde der Mann ganz bleich vor Angst und sehr aufgeregt. Ich hatte Mühe, ihn zu beruhigen, und hielt dem Schuldigen eine derbe Strafpredigt.

Träger, von vorne gesehen
Träger, von schräg hinten   gesehen
81. Tobela-Träger aus Leóka.

Auf prächtiger Straße wanderten wir von hier aus über die Ebene hinweg. Vielfach kreuzten kleinere, überbrückte Wasserläufe unsern Weg. Dieser führte streckenweise durch schattigen Wald, dann wieder über heiße Lalang-Strecken hinweg, auf denen ganze Rudel von Hirschen, unbekümmert um die vorüberziehenden Passanten, ihrer Äsung nachgingen. — Die trügerische Nähe des Sees spornte mich zu schärfstem Tempo an, so daß meine Begleiter, der Sulewátang und mein Junge, mir nur noch im Laufschritte zu folgen vermochten. Die weit zurückgebliebenen Kulis waren längst außer Sicht gekommen. Nach einstündigem Marsche gelangten wir in den aus ca. 40 Hütten elendester Art bestehenden Kampong Wawóndula. Dies war eines der wenigen alten[S. 107] Dörfer der menschenarmen Towuti-Ebene, wo der Islam noch nicht Wurzel zu fassen vermocht hatte. Als sicherstes Anzeichen, daß wir ein rein heidnisches Tobela-Dorf vor uns hatten, können die in Wawóndula unter allen Häusern gehaltenen Schweine gelten. — Ich besuchte das Haus des Dorfhäuptlings, wo ich einige hübsch gearbeitete Sirihstampfer sah. Trotz hohen Gebotes dafür wollte sich der gänzlich zahnlose, alte Herr nicht davon trennen, da, wie er behauptete, Ersatz nur sehr schwer zu beschaffen wäre. — Neu war mir in Wawóndula der allgemeine Gebrauch von Ohrschmuck. Fast ohne Ausnahme paradierten in diesem Orte Mann und Weib mit Ohrgehängen primitivster Art. Ein kleines dreieckiges Holzstückchen mit eingesetztem Glasscherben, ein rechteckiges dünnes Hornplättchen, der gehörnte Kopf eines Käfers, die metallisch schimmernde Flügeldecke einer Cetonide usw. genügen dem Schmuckbedürfnis.

Die Leute schienen sehr kräftig und muskulös zu sein. Der Typus erinnerte mehr an in stetem Kampfe mit Naturgewalten gestählte Urwaldmenschen, als an friedliche Bauern. In Wirklichkeit ist ja auch der Ackerbau hier erst in ganz bescheidenen Anfängen zu finden, und Jagd und Fischfang bilden noch heutigen Tages die Hauptbeschäftigung der am Towuti lebenden Tobela-Stämme.

82. Ohrgehänge aus Wawóndula.

Zu meinem größten Staunen bestanden meine nachgekommenen Träger trotz der kurzen Distanz von Leóka bis Wawóndula hier abermals auf einem Kuliwechsel. Man erzählte mir, dieses häufige Wechseln hinge damit zusammen, daß man Leute eines Nachbarortes nicht gern durch eigenes Gebiet ziehen lasse. Meine Ungeduld, ans Ziel zu kommen, ließ mich die Ankunft der neuen Träger gar nicht erst abwarten, und ich setzte alsbald den Weg fort. Der Landschaftscharakter blieb unverändert. Die Menge der uns immer zahlreicher begegnenden[S. 108] Lasttransporte verriet die Nähe Timámpus. Kurz nach 4 Uhr gelangten wir nach dem Tobela-Dorfe Pekalóa, durch welches die Straße mitten hindurchführte. Gleich Wawóndula ist dies eine seit alters bestehende Siedelung, deren Bewohner überwiegend Fischer sind. Meine Leute hatten sich inzwischen darauf besonnen, daß auch hier wieder neue Träger genommen werden müßten, trotzdem uns eine kaum mehr halbstündige Entfernung von Timámpu trennte.

83. Timámpu am Towuti-See.

Von dem auf kleiner Anhöhe gelegenen Pekalóa aus genoß ich endlich einen durch nichts behinderten, wundervollen Ausblick auf das gewaltige Towuti-Becken. Wohl infolge seiner Größe schienen die Randgebirge des Sees weniger hoch zu sein als die des Matanna. Die Länge des Towuti-Sees haben die Herren Sarasin mit 40–50, seine Breite mit 15–25 km, die Höhe über dem Meere mit 320 m angegeben.

Die sich von Pekalóa an in weitem Kranze um das ganze Nordende des Sees herumziehende sumpfige Fläche dürfte die frühere Ausdehnung des Sees erkennen lassen. Quer durch diese Schilfrohrwüste führte der Weg nach dem dicht am Seegestade hingebreiteten Timámpu. Mittlerweile war es 5 Uhr nachmittags geworden. Herr v. A., der eben zu einer Hirschjagd aufbrechen wollte, begrüßte mich herzlich, und sein reich besetzter Tisch ließ mich rasch alle Entbehrungen vergessen.

[S. 109]

Die Ortschaft Timámpu entwickelte sich aus wenigen Tobela-Fischerhütten zur heutigen ansehnlichen buginesischen Ansiedelung. Am flachen Nordufer des Towuti-Sees gelegen, besteht sie in der Hauptsache aus einer Gruppe von 12 größeren Familienhäusern. Timámpu ist ein ziemlich lebhafter Ort, in welchen allein schon die großen Transportzüge der hier ansässigen Händler viel Leben bringen. Singen und Guitarrenklang schallen des Abends und die Nächte hindurch aus dem Inneren der Häuser, und auch sonst geht es in Timámpu recht lustig zu. Die Leute verdienen viel und leben gut.

Das ganze weit ausgedehnte Waldgebiet um den Towuti-See ist unendlich reich an Dammar, und die Erschließung der hier zu gewinnenden Schätze nimmt von Jahr zu Jahr einen immer gewaltigeren Aufschwung. Timámpu bildet so recht das eigentliche Centrum des gesamten Dammarhandels, wohin die meisten der die Wälder durchstreifenden Dammarsucher ihre Ausbeute schaffen. Die in Timámpu ansässigen buginesischen Aufkäufer übernehmen alsdann dieses Rohmaterial, sichten und säubern es oberflächlich und schaffen es weiter nach Malili, wo es in die Hände der chinesischen Großhändler übergeht, welche das wertvolle Harz schiffsladungenweise nach Makássar, den javanischen Häfen und Singapore weiter verfrachten. Welch ein bedeutender Faktor diese gegenwärtig noch in den Kinderschuhen steckende und unrationell betriebene Industrie in der Entwicklung des Landes zu werden verspricht, erhellt aus der Tatsache, daß im Monat August 1911 die Dammarausfuhr aus Malili 61000 Gulden an Wert überstieg.

Die Pioniere des Towuti-Gebietes rekrutieren sich nahezu ausschließlich aus Toradja, welche von der südlichen Halbinsel herüberkommen, um sich in den Dammardistrikten ein kleines Kapital zu erarbeiten. Die zahlreiche Ansammlung dieser Toradja dürfte in ursächlichem Zusammenhange mit der Abschaffung der Sklaverei stehen, die eine Menge besitzloser Leute selbständig machte. Mit großer Wahrscheinlichkeit ist anzunehmen, daß es sich gerade bei diesen Dammarkulis[S. 110] und Dammarsuchern um solche freigelassenen Sklaven handelt, die mit ihrer neugewonnenen Freiheit im eigenen Lande nicht viel anzufangen wußten. Während der Sklaverei sorgten im Grunde recht gutmütige Herren für ihren Lebensunterhalt; als Freie sind sie dieser Fürsorge beraubt, ohne für ihre Freiheit das geringste Verständnis zu besitzen. In dem ungeheuren Towuti-Gebiete nun, in dem man tage-, ja wochenlang in lückenlosen Urwaldregionen streifen kann, ohne auf eine Menschenseele zu stoßen, gab es Ellbogenfreiheit und winkte unter Umständen reicher Verdienst; denn der Preis des Dammars schwankt hier je nach Qualität zwischen 7–12 Singapor-Dollars per Pikul (= 60,5 kg). In Malili werden für das Pikul bereits 15–18 Dollar, in Makássar 20–25 Dollar und mehr bezahlt.

Die Dammargewinnung ist vom Gouvernement für jedermann gegen eine Abgabe von 5% des Ertrages freigegeben worden. Man schätzt die Zahl der in den Wäldern einsam ihrem Geschäft nachgehenden fremden Dammarsucher auf mindestens 1000, nach anderen sogar auf 2000. Gewöhnlich bringen die Toradja ihre Frauen mit, die beim Aussuchen und Sortieren des Dammarrohmateriales Verwendung und Verdienst finden. Viele davon verdingen sich auch als Mägde, andere wieder ergeben sich der Prostitution.

Timámpu — Tokolimbu, den 13. September.

In imponierender Ausdehnung erstrahlt die schimmernde Seefläche im Lichte des jungen Tages. Stolz und düster ragt aus dem Seespiegel die große Insel »Loëha«, deren hohe und schöne Bergformationen steil aus dem Gewässer emporsteigen. Der eingeborenen Bevölkerung gilt das Eiland als heilig, und sagenhafte Gerüchte bezeichnen sie als »Toteninsel«. Seit alters sollen die Gebeine der Verstorbenen dorthin gebracht worden sein. Dies wird auch von dem jüngst besuchten Leóka behauptet. In Höhlen des diesem Orte nahen Gebirges sollen sich ebenfalls Totenstätten befinden. Aber weder das eine noch das andere basiert auf Tatsachen, und Herr Leutnant v. Ardenne, der Loëha nach[S. 111] allen Richtungen hin auf das genaueste untersucht hat, versicherte mir auf das bestimmteste, daß auch nicht die leisesten Anzeichen für die Glaubwürdigkeit der alten Mythe sprächen, und daß außer Dammarsuchern kein menschliches Wesen auf der Insel zu finden sei.

Das Gesamtpanorama des Towuti-Beckens mit seinen dunklen, schwarzgrünen Waldmassen, seinen vorspringenden Kaps und den sanft geschwungenen Gebirgslinien im Hintergrunde stimmt eher ernst als heiter, und selbst die windgeblähten Segel einiger dammarbeladener Prauen vermögen kaum etwas Leben in die schwermütige Ruhe der Landschaft zu bringen. Ist es die Menschenarmut, welche die Einsamkeit über dem ganzen Towuti-Gebiete mit so schweren Fittichen lasten läßt?

Pekalóa und Wawóndula — wenn man dieses noch hierher zählen darf — sind die einzigen Orte, an denen einheimische Bevölkerung existiert. Hierzu kommen am südöstlichen Seeende noch einige kleinere Siedelungen; das ist alles. Was sich sonst noch an menschlichen Wohnstätten findet, ist gleich Timámpu buginesisch und verdankt der Einwanderung seine Entstehung und ein provisorisches Dasein.

Ich benutzte den Morgen zu einigen Aufnahmen von Timámpu. Zu sammeln gab es hier absolut nichts, und zu Spaziergängen war die sumpfige Umgebung nicht geschaffen. Somit ordnete ich meine auf bereits 300 Nummern angewachsene ethnographische Ausbeute, die ich von hier aus auf direktem Wege nach Malili zurücksenden wollte, um bei der Fortsetzung meiner Reise nicht zu sehr mit Gepäck beschwert zu sein.

Timámpu, den 13. September.

Zwei Kanoes warteten unserer Einschiffung nach dem am südlichen Seeende gelegenen Dorfe Tokolímbu. Bei ganz flauem Winde segelten wir um die siebente Morgenstunde ab. Schlaff hing das gewaltige Segel um den großen Bootsmast; träge lag das Wasser des Sees. Zwei faul aussehende Timámpu-Ruderer bestätigten durch ihr Arbeitstempo[S. 112] den hervorgerufenen Eindruck. Sie waren angestrengt bemüht, so wenig wie möglich zu tun, und dank dem einträchtigen Zusammenwirken von Windstille und Arbeitscheu kamen wir nur sehr langsam vorwärts. Nahezu 5 Stunden vergingen, ehe wir die Nordwestspitze von Loëha erreichten. Dicht an der Insel entlang fahrend, vermochten wir im klaren Wasser bis in große Tiefen hinab jeden Kiesel zu erkennen. Aber wie über der Oberfläche des Wassers, so war auch auf dem Seegrunde nicht die Spur eines Lebewesens zu erspähen. Kein Fisch ließ sich blicken; kein pflanzliches Gebilde schien da unten gedeihen zu können, und nur grobes Geröll bedeckte den Seeboden. Als unsere Prauen an die hoch aufragenden Felsenufer der Insel gekommen waren (n. Saras. 250 m M. H.), nahmen uns diese das bißchen Wind vollends aus den Segeln und zwangen damit unsere seufzenden Ruderer, selber die Fahrzeuge fortzubewegen. Womöglich noch langsamer als bisher krochen die Boote an dem steil abfallenden Ufer von Loëha entlang. Ein einziges Mal kündete uns ein aufgescheuchter Raubvogel, daß auch hier nicht alles tierische Leben fehle.

In dem durch ein Sonnendach geschützten engen Bootsraum liegend, vertrieben wir uns in mehr dem Raume angepaßter als angenehmer Stellung die Zeit mit Gesprächen und Erkundigungen bei unserer Bemannung, wobei ich die im folgenden erzählte Towuti-Legende zu Gehör bekam, die mir einer Analogie mit unserer heimischen Vineta-Sage nicht ganz zu entbehren scheint:

Am buchtenreichen Westufer des Towuti-Sees befindet sich eine abgrundtiefe Stelle, welche sich die Wassergeister als Wohnsitz erkoren haben. Nach uraltem Glauben der Tobela müssen die Insassen aller hier vorüberkommenden Boote Sirih essen. Einst fuhr nun eine Gesellschaft von Tobela und Tolampu gemeinsam in einem Kanoe an diesem heiligen Orte vorbei. Ihrer alten Gewohnheit getreu, aßen die Tobela-Leute daselbst Sirih und verlangten ein Gleiches von den mitfahrenden Tolampu. Diese aber weigerten sich, und hierüber kam es zu so heftigem Streite, daß die Tobela drohten, den Kahn entzwei zu[S. 113] schneiden, wenn die Tolampu nicht Sirih essen wollten. Die Geister des Sees würden sie sicher retten, während die Tolampu dann elend ertrinken müßten. Hohnlachend erklärten die Tolampu, es darauf ankommen zu lassen. »Wenn ihr nicht ertrinkt,« erklärten sie, »werden ganz gewiß auch wir am Leben bleiben.« Wirklich hieben die Tobela-Leute daraufhin den Kahn entzwei, und wunderbarerweise erreichte die mit den gläubigen Tobela-Leuten besetzte Hälfte desselben ungefährdet das Ufer, während die Tolampu in der anderen Kahnhälfte gleich einem Steine in die unergründliche Tiefe sanken. Bei ruhigem Wetter seien noch heutigen Tages die Frevler mit ihren Rudern unter dem Arme auf dem Seegrunde zu erblicken. —

Inzwischen waren wir dem eine weite Bucht bildenden Ende der langgestreckten Insel nahegekommen, die hier durch einen kaum 2 km breiten Seearm vom östlichen Ufer getrennt war. Das südöstliche Ende des Sees verläuft wie dasjenige bei Timámpu in eine sumpfige Ebene mit dichtem Röhricht und Lalangbestand, — ein Dorado für die dort rudelweise auftretenden Hirsche. In dem seichten Seewasser und dem anschließenden Sumpfstreifen bekam ich zum ersten Male am Towuti größere Scharen von Sumpf- und Schwimmvögeln zu Gesicht. Enten in mehreren Arten, Wasserhühner, Taucher, Kormorane, Schlangenhalsvögel, Reiher und Bekassinen wurden durch unsere Ankunft aufgestöbert. Ein kleiner Adler kreiste um diesen Beute verheißenden Uferstrich. Wir landeten nach genau 7stündiger Bootsfahrt in einer Rohrwildnis, durch welche die Kanoes bis zu einem weit in den Morast hinausgebauten Steg gezogen wurden. Am Lande befanden sich nur zwei gegenwärtig leer stehende buginesische Hütten. Ohne Aufenthalt ging es den aufgeschütteten Damm entlang über die heiße Seeniederung, und eine halbe Stunde später erreichten wir unser Ziel, das Tolambátu-Dorf Tokolímbu. Im winzigen Unterkunftshäuschen machten wir es uns bequem, während sich Leute aus dem Dorfe zum See begaben, um unser Gepäck aus den Booten hierher zu schaffen.

Das saubere und einen freundlichen Eindruck machende Dörfchen[S. 114] Tokolímbu ist die Neugründung einer vor kurzem hier zugewanderten Tolambátu-Gemeinde, die ihren bisherigen Wohnsitz Raúta, einen weit entlegenen und tief im Tobúngku-Gebirge versteckten Kampong, verlassen hat, um sich am Towuti-See in geeigneterer Lage neue Heimstätten zu gründen. Der Ort bestand aus 12 reinlich gehaltenen Pfahlhütten mit Rindenwänden. Diese mir in Celebes sonst nirgends mehr begegnete Verwendung von Baumrinde als Baumaterial kennzeichnet die Insassen bereits als echte Waldbewohner. Seit ältester Zeit hatte der Tolambátu-Stamm im unerforschten und schwer zugänglichen Kendari-Waldgebirge seine Stammsitze, und die Totenhöhlen, die ich dort im entlegensten Gebirge auffand, legten in gleicher Weise wie später von mir bei Wiwiráno aufgefundene Opferplätze mit Triumphsäulen der siegreich von ihren Kopfjagden zurückgekehrten Krieger beredtes Zeugnis dafür ab, daß die Tolambátu vordem ein zahlreiches und kriegerisches Volk gewesen sein müssen.

Seitdem eine klug und energisch vorgehende Regierung die Jahrhunderte währenden Fehden der Inlandstämme und die hieraus resultierende Unsitte der Kopfjägerei zu unterdrücken wußte, den Sklavenhandel unterband und erfreuliche Anfänge zu konsolidierten Zuständen schuf; seitdem Schiffe die Küsten der Insel regelmäßig umfahren und Handel und Wandel sich allenthalben zu regen beginnen; seitdem vor allem mit der Entdeckung der riesigen Dammarschätze von Südost-Celebes ein ganz neues Element der Betätigung und ein bisher ungekanntes Streben nach Verbesserung der Lebensbedingungen in das Denken der weltfremden Waldbewohner gekommen ist, vollzieht sich auch in diesen Landesteilen eine immer schneller um sich greifende allgemeine Evolution. Auch der Zweig des Tolambátu-Stammes, von dem hier die Rede sein soll, hatte sich dem nivellierenden Geiste der neuen Ära nicht zu entziehen vermocht und war wie seinen bisherigen Wohnplätzen so auch seiner Tradition untreu geworden, um unter günstigeren Auspicien sich eine neue Heimat zu gründen. Hierhin hatte er gleichzeitig mit seiner den Tobela-Idiomen völlig fremden[S. 115] Sprache auch manche seiner seltsamen rituellen Gebräuche mit verpflanzt.

84. Tolambátu-Gemeinde aus Tokolímbu am Towuti-See.

Mit dem Oberhaupt der Tokolímbu-Lambatu, Namens Langódi, dessen Charakterkopf unser Auge fesselte, konnten wir uns nur mühsam verständigen. Trotzdem erfuhr ich von ihm so viel über Raúta, daß mein Interesse dafür auf das höchste gesteigert wurde und ich mich entschloß, diese unerforschten Gegenden selbst aufzusuchen. Leider konnte mich Herr v. A. auf der beschlossenen Expedition nicht begleiten, da er eine Inspektionsreise zu machen hatte, um den unter den[S. 116] Dammarsuchern eingerissenen Mißständen und Unzuträglichkeiten abzuhelfen und die Verhältnisse zu regeln. Auch gehörten die von mir zu besuchenden Landschaften nicht mehr zu seinem Dienstbezirke, sondern bereits zum Distrikt Kendari. Seiner freundlichen Vermittelung gelang es jedoch, mir die nur ungern und zögernd gegebene Zustimmung des Häuptlings zu meinem Vorhaben zu sichern. Auch bestimmte er Langódi, mir einen erprobten und zuverlässigen Führer mitzugeben, der mich auf meinen Wunsch von Raúta aus auch noch weiter ins Tobúngkugebirge zu begleiten hätte. Um keine Zeit zu verlieren, beschloß ich, gleich am nächsten Morgen nach Raúta aufzubrechen. —

Der heutige Tag wurde mit einer Inspizierung der Dorfhütten in Tokolímbu beschlossen. Diese unterschieden sich bereits äußerlich von den bisher gesehenen Typen durch die schon erwähnte Borkenbekleidung der Hüttenwände und Dächer. Die Wohnungseinteilung war weit zweckmäßiger, als ich sie bisher bei den Tobela gefunden hatte, da die einzelnen Abteilungen der Tolambátu-Hütten symmetrisch um einen gemeinsamen großen Mittelraum gruppiert waren. Allerdings muß ich dahingestellt lassen, ob diese praktische Anordnung der Räume nicht unter dem Einflusse des Gouvernements gewählt wurde, das bei solchen Neuansiedelungen gewisse Aufsichtsrechte geltend macht.

85. Langódi, Tolambátu-Häuptling aus Tokolímbu.
86. Reisstampfer und Reismaß aus Tokolímbu.

Ethnographisch ergab die Streife wenig Neues, denn die Leute hatten nur ihre unentbehrlichsten Gebrauchsgegenstände aus Raúta mit hierher[S. 117] gebracht; ihre übrigen Habseligkeiten warteten dort noch der nachträglichen Überführung nach Tokolímbu. — Völlig neuartig waren in Tokolímbu nur die hier vorgefundenen breitklingigen Koláka-Schwerter, erwähnenswert auch die mit leichten Zieransätzen geschmückten Reisstampfkolben in gefälliger Tulpenform. In dem sauber gehaltenen Häuptlingshause Langódis wurde mir eine alte Lanze mit prächtig geschnitztem Schafte gezeigt. Aber auf alle meine Überredungskünste und Versuche, das seltene Stück in meinen Besitz zu bekommen, erhielt ich vom Häuptling die stereotype Antwort, daß die Lanze nicht sein Eigentum sei, sondern ihm von der Mákole von Matanna, zu deren Machtgebiet auch der Towuti-Bezirk gehört, nur zur Bestätigung seiner Eigenschaft als Häuptling anvertraut worden sei. Was tun! Der Fall war schwierig; die Lanze aber hätte ich zu gern gehabt. Endlich fanden wir folgenden, allgemein befriedigenden und gleichzeitig die Denkweise dieser Leute scharf beleuchtenden Ausweg. Ich fragte Langódi: »Die Lanze ist also Eigentum der Mákole?« — »Ja, Herr!« — »Ja dann darfst du sie natürlich nicht verkaufen. Aber ich will ja auch gar nicht die Lanze haben, Häuptling; ich wünsche ja nur den Schaft der Lanze. Das ist doch was ganz anderes!« — Längeres verblüfftes Schweigen, welchem eine lebhafte Unterredung Langódis mit den ältesten seiner um uns versammelten Genossen in ihrer eigenen, uns unverständlichen Sprache folgte. Als deren Resultat bekam ich die Antwort: »Ja Herr, das ist richtig. Die Mákole hat uns ausdrücklich gesagt, sie vertraue mir die[S. 118] Lanze an, nicht den Lanzenschaft! Wenn du also erlaubst, daß wir das Lanzenblatt herausnehmen, so kannst du den Schaft erhalten.« Gesagt, getan. Binnen wenigen Minuten war ein anderes Blatt eingesetzt und ich glücklicher Besitzer dieser alten Waffe, ohne das sensible Häuptlingsgewissen im geringsten beschwert zu haben.

Tokolímbu — Raúta, den 14. September.

Herr Leutnant v. A., welcher noch vor mir den Ort verließ, um seine Bootsreise fortzusetzen, hatte sich freundlichst erboten, mein entbehrliches Gepäck sowie meine ethnographischen Objekte mit sich zu nehmen. Infolge dieses Entgegenkommens kam ich diesmal mit nur 8 Trägern aus. Meine kleine Expedition setzte sich aus insgesamt 14 Personen zusammen. Die Spitze des Zuges bildete mein Lambatu-Führer, welchem ich folgte. Hinter uns kamen der Sulewátang, unsere beiden Boys und ein zufällig in Tokolímbu zu uns gestoßener Dammarhändler, ein Buginese, welcher gebeten hatte, sich mir anschließen zu dürfen, um die zu durchziehenden Gegenden unter unserem Schutze nach Dammar zu durchsuchen. Den Beschluß bildeten die 8 Träger. Gleich hinter dem Dörfchen Tokolímbu führte unser Weg durch ein kleines, tiefes Flüßchen, — die leidige, schon öfter genossene Ouvertüre des Reisens in Inner-Celebes. Die nächste halbe Stunde folgten wir einem in dem meterhohen Schilfe für meine Augen völlig unsichtbaren Fußpfad. Nach Passieren des der Seeküste vorgelagerten Sumpfgürtels am Fuße einer sanft ansteigenden Hügelkette angelangt, tauchten wir alsbald im kühlen Schatten eines prächtigen Hochwaldes unter. Dank der nun seit Monaten anhaltenden schönen Witterung war der zu verfolgende Waldpfad verhältnismäßig gut. Zur Regenzeit aber müssen diese Waldpfade geradezu fürchterlich sein. In stetem Auf und Ab hatten wir eine Reihe zungenartig vorgeschobener Hügel zu überschreiten, wobei in den Einschnitten regelmäßig Wasserrinnsale zu durchwaten waren. Unser erst hübsch geschlossen marschierender Zug hatte sich inzwischen mehr und[S. 119] mehr in die Länge gezogen, und als unsere Spitze nach zweistündigem Marsche an einem Flüßchen halt machte, hatten wir mehr als eine halbe Stunde zu warten, ehe uns die Träger nachkamen. Weitere zwei Stunden ging es nun in derselben Weise durch lückenlosen Hochwald. Gegen 11 Uhr hatten wir das steil vor uns aufsteigende Hauptgebirge mit dem hohen Oawonlingkau-Gipfel erreicht. In dem steinigen Bette eines nahezu versiegten Flüßchens lagerten wir uns zu einer kurzen Ruhe. Alle Mann versorgten sich mit Wasser, das in Kalebassen mitgeführt wurde; denn hier bot sich vor Raúta zum letzten Male Gelegenheit, den Durst zu stillen. Hoch aber war das Gebirge; heiß strahlte die Sonne hernieder, und das Ziel war noch viele Stunden fern.

Es begann eine böse Kletterei, an welcher Hände und Füße in gleicher Weise beteiligt waren. An Wurzelgewirr und Lianensträngen Halt suchend und einander schiebend und ziehend, überwanden wir den ersten steilen Hang. Oben belohnte uns ein schöner Ausblick auf das eben durchwanderte wellenförmige Hügelland mit dem tiefblau herüberleuchtenden Towuti-See als malerischem Hintergrunde. Eine einzig schöne Waldlandschaft lag unter uns, und ein feierlich frohes Gefühl überkam mich in dem Gedanken, wahrscheinlich der erste Europäer zu sein, dem es vergönnt war, dieses großartige Landschaftsbild zu bewundern. Meine Begleiter dachten nicht im entferntesten daran, sich dergleichen Naturschwelgereien hinzugeben. Schwitzend und stöhnend lagen sie im schwellenden Moospolster des Laubwaldes und zerbrachen sich die Köpfe darüber, was eigentlich ihren Tuan so begeistern konnte hier in einer Gegend, wo es doch wirklich nichts zu sehen gab als Bäume.

Weiter ging es bergan. Der Bergrücken bildete ein schmales Plateau, das mit prachtvollen Baumriesen bestanden war. Rotes Fallaub bedeckte in dichten Lagen den Boden. Gedämpftes Sonnenlicht huschte durch das Gezweig, naturwahr einen heimatlichen herbstlichen Laubwald vortäuschend. Bald hernach erreichten wir eine zweite Gebirgsabstufung,[S. 120] und nach gut zweistündigem Steigen die dritte und höchste Platte, den Gipfel des Oawonlingkau. Von hier ab folgten wir den Einsenkungen des Kammes durch steten dichten Hochwaldbestand, in dem mir zahlreiche Spuren des Anoa, des celebensischen Gemsbüffels, auffielen. Auch die Falterwelt war hier bemerkenswert reich. Schemenhaft zogen große Papilionen durch die Lichtungen. Riesige Danais gaukelten, wie vom Winde getrieben, von Blütenbusch zu Blütenbusch, während hurtige Lycaeniden voll leuchtender Farbenpracht über den Weg huschten und pfeilschnelle Charaxes sich hoch oben im Baumgezweige spielerisch herumjagten. In merkwürdigem Gegensatze zu diesen so zahlreich vertretenen lieblichsten Bewohnern des Tropenwaldes schien die gefiederte Welt auf diesen Bergeshöhen ganz zu fehlen, während die Talwälder von Vogelrufen widerhallten. Möglicherweise war es nur die im Zenithe stehende Sonne, welche die Vogelzungen verstummen ließ. —

Wunderbar schön ist die Flora dieser Hochgebirgswälder, unter welcher Baumfarne, herrliche Pandanaceen und ganze Netzwerke von Lianen und kletternden Rotangpalmen mir als augenfälligste Vertreter auffielen. Es war eine köstliche Wanderung durch diese einsamen Urwaldregionen, voll unvergeßlicher Eindrücke. —

87. Urwald auf dem Oawonlingkau.

Die Wasserscheide lag bereits hinter uns, und erst in sanfter Neigung, dann wieder auf scharf abfallendem Wege stiegen wir die jenseitigen Gebirgshänge hinab. Es war gegen 3 Uhr nachmittags geworden, als wir von einer kleinen Blöße aus das tief unter uns in einem waldumrauschten Tälchen gelegene Gebirgsdorf Raúta erblickten. Ich freute mich ungemein, dem uralten Stammsitz der Tolambátu bereits so nahe zu sein, und legte die letzte uns davon noch trennende Wegstrecke im Sturmschritte zurück. Meinen Leuten weit voran, betrat ich klopfenden Herzens als erster den Ort, dem ich so hochgespannte Erwartungen entgegenbrachte. Wie so häufig in solchen Fällen erging es mir auch hier. Der erste Eindruck war eine gewaltige Enttäuschung. Raúta, das mir von luftiger Bergeshöhe aus mit seinen[S. 122] saftgrün heraufschimmernden Matten wie eingebettet in Waldromantik erschienen war und mit seinen auf hügeligem Terrain zerstreut liegenden Häuschen einem reizenden Alpendörfchen glich, verlor, in der Nähe betrachtet, allen Nimbus. Aus den schwellenden Wiesen wurden starre Lalangflächen, und die Hüttchen erwiesen sich als halb zusammengestürzte Bauwerke, die dem Tälchen ein melancholisches Aussehen gaben. Meiner Gewohnheit folgend, feuerte ich bei meiner Ankunft Signalschüsse ab, auf welche es an anderen Orten stets lebendig wurde wie in einer aufgestörten Ameisenkolonie. In Raúta regte sich nichts. Über dem Orte brütete eine lastende Stille, durch welche das Echo der Schüsse unheimlich nachrollte. Ich wähnte das Dorf völlig verlassen. Sämtliche Hütten fand ich verschlossen und anscheinend leer. Neugierig öffnete ich eine Tür und sah mich zu meiner grenzenlosen Überraschung vier eng beieinander kauernden Männern gegenüber, die mich in regungslosem Schweigen ängstlich anstarrten. Meine Aufforderung, herauszukommen, schienen sie nicht zu verstehen, und es bedurfte erst des gütlichen Zuredens meines nachgekommenen Lambatu-Führers, um die Leute zum Verlassen der Hütte zu bewegen. Es waren kleine und schlecht genährte Menschen, die als einzige Bekleidung nur ein Schamtuch trugen, und deren bronzefarbene Körper mit einer jahrealten Patina bedeckt waren. Kein Wunder, da man sich hierzulande mit einer bloßen Abkühlung des Körpers begnügt, sobald sich die Hitze einmal allzu unangenehm fühlbar macht. Dabei stellt oder legt man sich einige Minuten in den nächsten Bach oder Fluß, läßt das kühlende Naß auf den Körper einwirken und geht dann seiner Wege, das Trocknen einfach der Sonne überlassend. — Es stellte sich bald heraus, daß auch in einer der oberen Hütten noch einige ältere Männer und ein paar Knaben angstvoll beisammen hockten, die von uns erst aufgesucht und beruhigt werden mußten, ehe sie sich zum Herauskommen entschlossen. Damit war aber auch der gegenwärtige Personalbestand Raútas erschöpft. Diese wenigen Menschen waren in Wirklichkeit die letzten hier noch ansässigen Angehörigen des nach[S. 123] dem Towuti ausgewanderten Tolambátu-Stammes. Sie behüteten die noch im Dorfe zurückgebliebenen Habseligkeiten ihrer Stammesbrüder. — Nicht eine Frau befand sich mehr am Platze. — Ich zählte im ganzen fünf beisammenliegende Hütten, worunter sich zwei größere Familienhäuser befanden, ungerechnet die im Tal und auf den Anhöhen sonst noch zerstreut liegenden, gleichfalls völlig leeren Wohnungen. Schon eine flüchtige Besichtigung der beiden einzigen bewohnt gefundenen Behausungen ergab die Unmöglichkeit, mich in einer dieser Hütten einzuquartieren, da sie entsetzlich schmutzig waren und es von Ungeziefer wimmelte. Es mußten also alle Mann antreten und mir aus dem Gestänge eines halbverfallenen Hauses eine Schutzhütte errichten, die mit Atapstücken derselben Herkunft gedeckt wurde. Dem Namen Schutzhütte machte dieses Bauwerk allerdings recht wenig Ehre, da es an drei Seiten offen war und somit eigentlich nur aus einer Wand und einem Dache bestand, unter dem mein Feldbett aufgeschlagen wurde. — An Hühnern, Eiern u. dgl. war in Raúta nichts aufzutreiben. Die Leute hier lebten ausschließlich von Sago, und ihr ungesundes Aussehen dürfte zum guten Teile auf die ungenügende Ernährungsweise zurückzuführen sein. Ich hielt mich unter solchen Umständen ausschließlich an meine mitgeführten Konservenvorräte, wie auch später im Verlaufe dieser ganzen Exkursion. — Kaum etwas restauriert, machte ich mich daran, mir meine neue Umgebung etwas genauer anzusehen.

Der langgestreckte Talkessel von Raúta ist vom Walde völlig umschlossen, hinter welchem sich in einiger Entfernung in schönen Abstufungen das Gebirge aufbaut, das gleichfalls bis an die Gipfel hinan mit üppiger Vegetation bestanden ist. Das von uns besuchte Dörfchen bildete den Abschluß der Talblöße auf dieser Seite. Haben auch noch die wenigen Hüter der von Ausgewanderten zurückgelassenen Habe das Dorf verlassen, so wird wohl in kürzester Zeit jede Spur der alten Ansiedelung vertilgt sein. Termitenfraß im Vereine mit Wind und Wetter werden stürzen, was bisher noch steht, und eine Pflanzenwelt[S. 124] voll drängender Wachstumsenergie wird die Reste überwuchern und unter einer dichten, immergrünen Decke verschwinden lassen. Sollte je der Zufall einen späteren Reisenden in diese Einöde verschlagen, so wird ihn kein Zeuge vergangener Zeiten mehr daran erinnern, daß auch an diesem Platze einst sorgende Menschen gelebt, und daß über dem Schweigen dieser Einsamkeit eine untergegangene große Tradition träumt. —

88. Das verlassene Dorf Raúta.

Bei der Untersuchung des einen größeren, noch bewohnten Hauses, in dem sich auch meine Leute eingerichtet hatten, fand ich eine große Menge bereits transportfertiger Gegenstände und Sagovorräte. Darunter fielen mir vor allem die vielen Messinggeräte malayischer Herkunft auf. Unter denselben befanden sich Bronzegongs in allen Größen, große Teller und Platten, Teetöpfe, Sirihgefäße, Spucknäpfe u. dgl. Derlei Geräte gelten an den Küsten Borneos und bei den wilden Stämmen des Innern dieser Insel als höchst wertvoll und sind dort in den entlegensten Orten zu finden. Niemals aber entdeckte ich solche Gerätschaften bei den Inlandstämmen von Celebes mit einziger Ausnahme der Tolambátu. An einen Tauschverkehr derselben mit der[S. 125] buginesischen Küstenbevölkerung zu denken, fällt mir angesichts des trennenden, ungeheueren wegelosen Urwaldgürtels schwer. Mir scheint im Gegenteil die gänzliche Unkenntnis der malayischen Küstendialekte bei den Tolambátu eine solche Annahme direkt zu verneinen. Sollten also alle diese alten Geräteformen, wie ich sie später auch in den Beisetzungsstätten der Tolambátu in Mengen auffand, bereits zu einer Zeit sehr früher Einwanderung mit ins Land gebracht worden sein? — Sprache, Sitten und Gewohnheiten der Tolambátu weichen völlig ab von denen der anderen Celebes-Stämme, gleichen dagegen in vielem denen der Dajak- und Dusun-Stämme Borneos. Wie diese die Gebeine ihrer Toten in Tonkrügen, den sogenannten Gússys, aufbewahren, die als unveräußerliche Erbstücke heilig gehalten werden, genau so geschieht es auch bei den Tolambátu. Gleich einigen Dajakstämmen überführen auch sie diese Gússys mit den Überresten ihrer Verstorbenen in Felsenhöhlen im Gebirge, die wahre Totengrüfte bilden und mit reichen Totengaben ausgestattet sind. Felsengräber fand ich zwar auch noch bei anderen Stämmen in Mittel-Celebes, aber doch in völlig abweichender Form, während der Ritus der Tolambátu mit Borneo-Gebräuchen sehr nahe verwandt ist. Über ihre Herkunft wußten mir die Tolambátu selbst nichts anderes anzugeben, als daß sie vor langer, langer Zeit übers Meer hierhergekommen seien.

Die weiteren von mir besuchten Raúta-Hütten waren völlig geräumt; doch konnte ich im alten Häuptlingshause noch die höchst interessante und merkwürdige Einrichtung der Totenkammer studieren, wie sie nur in den Häusern der Häuptlinge und Vornehmen der Tolambátu existiert hat. Zum besseren Verständnis der umstehenden Abbildung will ich hier gleich eine nähere Erklärung über den Totenkultus dieser in vieler Hinsicht rätselhaften Waldbewohner beifügen.

Die Angehörigen des Tolambátu-Stammes pflegen ihre Toten von gewöhnlicher Abkunft, nachdem sie gewaschen und mit weißen Tüchern umwickelt worden sind, in mit Harz gedichteten Särgen aus ausgehöhlten Baumstammhälften beizusetzen. Diese Särge wurden in früherer[S. 126] Zeit unter den Wohnhäusern innerhalb der hohen Pfahlgerüste oberirdisch beigesetzt, und zwar in einem verschlagähnlichen Raume, der wohl nur den Zweck hatte, den Sarg vor den Angriffen der Wildschweine zu schützen. In gegenwärtiger Zeit ist man davon abgekommen und gräbt den Sarg in Anlehnung an die alte Sitte entweder unter dem Hause ein oder, — und das ist gegenwärtig wohl überwiegender Gebrauch — man setzt ihn irgendwo in der Nähe im Busche, unter einem eigens dafür errichteten niederen Totenhäuschen in der Erde bei. In letzterem Falle kommt häufig der Sarg ganz in Wegfall, und der Tote wird ohne solchen, nur in Tücher gewickelt, in das Grab gelegt. Auf dem darüber geebneten Erdreich werden die Kleider des Verstorbenen und der stets neu angefertigte prächtige Totenhut niedergelegt und Schüsseln voll Reis oder anderer Speisevorräte aufgestellt. Um das Ganze wird ein kistenartiger, quadratischer Verschlag von etwa 3 m Seitenlänge errichtet, dessen Höhe 1½ m nicht übersteigt. Um den oberen Rand desselben läuft ein primitives hölzernes, handbreites Gitterwerk. Ein flach geschrägtes Atapdach liegt direkt auf den Rändern dieses Holzkastens auf. Die Leiche verbleibt nun an der Beisetzungsstelle, gleichviel ob oberirdisch oder im Erdgrabe so lange, bis die Zeit des großen Totenfestes gekommen ist. Alsdann werden die Gräber aller seit mindestens schon acht bis zwölf Monaten Verstorbener geöffnet, die Gebeine sorgsam gesammelt und in Kindersärgen ähnlichen Holzkisten aufbewahrt, um dann am Tage des allgemeinen Totenfestes nach den im Raútagebirge gelegenen Gebeinestätten geschafft zu werden. — (S. Taf. IV.)

89. Totenkammer im alten Häuptlingshaus in Raúta.

Etwas abweichend von dem eben geschilderten Modus verfahren die Tolambátu mit ihren verstorbenen Häuptlingen und Vornehmen. — Die eingesargten Leichen solcher Personen werden im hinteren Teile des Wohnhauses in einem durch Tücher hergestellten Verschlage auf einer meist schön verzierten großen Bahre, wie sie meine Photographie deutlich zeigt, niedergestellt. Um den Sarg herum kommen dann die bereits erwähnten Totenbeigaben: Kleider, Lebensmittel für die Seele[S. 128] des Verstorbenen usw. Naht nun die Zeit des allgemeinen großen Totenfestes, das an keine bestimmten Daten gebunden ist und je nach den Mitteln des Stammes in Intervallen von 3–5 Jahren gefeiert wird, so öffnet man die Särge wiederum, um die nun herausgenommenen Gebeine in den schon besprochenen Gússys zu verwahren. Diese sind chinesischer Herkunft. Ihre Beschaffung ist so kostspielig, daß sie der Familie meist schwere Opfer und Entbehrungen auferlegt. Bei der Einbettung der Gebeine verfährt man in der Weise, daß auf dem Boden der Gússys zuerst Schmuckstücke des Verstorbenen, wie Muschelarmbänder, Perlenketten usw. niedergelegt werden. Auf diese legt man den Kopf des Toten und obenauf die Gebeine. Die Urne wird hierauf verschlossen und nun vorläufig auf einem neben der Bahre errichteten Totengerüst untergebracht, auf welchem sie bis zu ihrer endgültigen Überführung nach den Felsengräbern am Tage des großen Totenfestes verbleibt.

Unser Bild zeigt vier Gestelle für ebensoviele Urnen, die früher alle mit weißen Tüchern verhängt waren, von denen noch Reste zu sehen sind. Links steht das tragbahrenähnliche Holzgerüst, auf dem der Sarg, die Totengaben und Opfer ruhten. Vor den vier Urnengestellen sehen wir zwei eigenartige Holzmodelle, welche die Überbleibsel von Puppenkörpern darstellen. Gleichzeitig mit der Aufstellung der Urnen werden nämlich vor diesen Gestellen lebensgroße, reichgewandete und mit dem prachtvoll gearbeiteten Totenhut geschmückte Figuren aufgestellt, welche die Verstorbenen darstellen sollen, und denen nun von den Hinterbliebenen alltäglich bis zur Überführung in überschwänglicher Weise gehuldigt wird. Die weiblichen Angehörigen der Familie werfen sich wehklagend vor der Puppe zu Boden, raufen sich die Haare, streichen schmeichelnd die Beine und Waden der Totenpuppe, als sei sie lebend, und küssen ihre Kleider. Die Männer sitzen in stummem Brüten dabei. Meist wird nur eine solche symbolische Figur aufgestellt, welcher dann aber so viele Hüte aufgesetzt zu werden pflegen, als die Familie Tote zu bestatten hat.[S. 129] In anderen Fällen erhält jeder Tote seine eigene Puppe, die dann am Überführungstage gleichzeitig mit den Gebeinurnen und allen Totengaben samt der großen, bisher im Hause aufgestellten Bahre nach den Felsengräbern gebracht wird. Die feierliche Überführung der Gebeine aller Verstorbenen, gleichgiltig ob hoch oder niedrig, geschieht unter Teilnahme meist mehrerer Gemeinden und unter Führung der Dorf-Sánru (Zauberer).

Unabhängig von dem geschilderten Rituell gestaltet sich die Bestattung von Kinderleichen. Dieselben werden stets ohne besondere Feierlichkeit sofort nach Herrichtung eines Leichenschmauses von der betroffenen Familie nach den Felsengräbern geschafft, wo nach uralter Überlieferung die Gebeine aller Tolambátu ihre letzte Ruhe finden sollen. Auf diese Felsengräber komme ich später noch zu sprechen. —

Das verlassene Häuptlingshaus barg außer der beschriebenen Totenkammer nichts von Bedeutung. Einigen alten Küchenrat, defekte Bastkörbchen, Matten und dergl. Links auf dem Bilde ist ein eigentümlich geformter, umgestürzter Reisstampfmörser zu sehen, dessen Gewicht mir leider seine Mitnahme verbot. Rechts davon steht eine schadhafte alte Trommel, deren schwerer Holzcylinder keinerlei Zierarbeit aufwies. Ich verließ also die öden Räume und besuchte nochmals die von meinen Leuten als Quartier ausersehene Wohnhütte. Als einzige ethnographische Beute entdeckte ich dort einen zierlich aus Horn geschnitzten Hüttenhaken von der Form eines Ankers, welcher als Gerät- oder Kleiderhalter gedient haben mochte. Er war und blieb das einzige Stück dieser Art, welches ich bei den Tolambátu erhielt.

Eine Annehmlichkeit in dem öden Raúta war die Existenz von ein paar in der Nähe befindlichen Kokospalmen, deren Früchte die einzige aufzutreibende Delikatesse waren. Der rasch hereindunkelnde Abend brachte Legionen blutgieriger Moskitos auf den Plan, vor denen selbst mein Netz mich nur notdürftig zu schützen vermochte, während meine Begleiter in ihrer räucherigen und verqualmten Hütte ziemlich sicher waren.

[S. 130]

Raúta — Wiwiráno, den 15. September.

Die Nacht war abscheulich. Eine ewig störende halb verhungerte Katze machte sich an meinen Vorräten zu schaffen, und ein Rudel Hirsche, durch mein Nachtlicht angelockt, kam bis auf wenige Schritte heran, um bei meinem Aufschrecken mit schwerem Getrampel durch die Büsche zu flüchten. Ungeniert jagten dicht über mir nach Kerbtieren haschende Fledermäuse, und weich beschwingte Eulen wählten sich mein Hüttendach als Warte für ihre Beutezüge, mit unheimlichen, hohlen Rufen einander lockend. Diese vereinzelten Geräusche und das hin und wider erschallende girrende Lachen eines träumenden Waldvogels machten die lastende Stille der Nacht noch unerträglicher, so daß ich herzlich froh war, als um die vierte Morgenstunde das erste fahle Dämmerlicht den Beginn des neuen Tages verkündete. Mitleidslos weckte ich meine noch süß schlummernden Leute aus ihren Träumen. Es galt heut, einen außerordentlich schwierigen Marsch zu bewältigen, und es mußte früh aufgebrochen werden, sollte das in Aussicht genommene Ziel, Wiwiráno, erreicht werden. Bereits vor 6 Uhr ging es durch den knietiefen Bach hinein in den nässetriefenden Laubwald. Große Lehmpfannen, dermalen Suhlen von Büffeln, unterbrachen alle Augenblicke den viel verwünschten Pfad, auf dem mehrere meiner Leute mit ihren Lasten lang hinschlugen. Fadendicke Spinnenfäden von merkwürdiger Zähigkeit kreuzten den Weg und legten sich feuchtklebrig um das Gesicht, das Vorwärtskommen lästig erschwerend. Um das Vergnügen voll zu machen, war der Wald stark mit Rotang durchsetzt, dessen hartdornig bewehrte Ranken sich auf Schritt und Tritt an den Kleidern festhakten, mir den Hut vom Kopfe und den Trägern die Lasten vom Rücken streifend. Ich atmete daher auf, als wir diese wenig angenehme erste Wegestrecke endlich hinter uns hatten und in ein von Bergen und Wald umgrenztes Lalangtal hinaustraten. Diesem folgten wir nun ca. eine Stunde, bis wir den an einem Flüßchen gelegenen Kreuzungspunkt erreichten, an welchem der Pfad nach Wiwiráno links abbog, während in der Richtung nach rechts die uralten Felsengräber[S. 131] der Tolambátu liegen sollten. Während meine Träger mit ihren Lasten den Wiwiráno-Weg vorauszogen, wandten ich und mein Tolambátu-Führer, sowie der Sulewátang, der Buginese und mein Boy uns der Richtung nach den Gräbern zu. Diese geheimnisvollen, noch von keinem Europäer besuchten Totenhöhlen im Gebirge von Raúta, von denen die Tolambátu sagen, daß keine Seele ihrer Abgeschiedenen Ruhe finden könne, deren Gebeine nicht hier beigesetzt wären, befinden sich in abgelegenster Einöde, und nichts verrät ihre Nähe. Weglos marschierten wir erst 20 Minuten durch düsteren Hochwald im Bette des steinigen Flüßchens aufwärts, bogen dann, eine große Flußbiegung abschneidend, weiter nach rechts in den Busch ein, um bald unvermittelt auf eine durch Menschenhand geschaffene Lichtung hinauszutreten. Eine Menge provisorisch errichteter und jetzt in sich zusammengestürzter Laubhütten deuteten darauf hin, daß schon geraume Zeit vergangen sein mußte, seit zuletzt Menschen hier geweilt und genächtigt hatten. Wie mir mein Führer erzählte, verbringen hier die die Totengebeine überführenden Prozessionen die Nacht, ehe sie die letzte kurze Wegstrecke bis zu den Felsenhöhlen zurücklegen. Über diesen Platz hinweg gelangten wir abermals zum Flusse, kreuzten ihn und sahen uns nun einer steil emporführenden Schneise gegenüber. Diese war mit meterhohem Unkraut dicht verwachsen, so daß wir uns erst mit dem Buschmesser freie Bahn schaffen mußten. Die Breite der Lichtung mochte 12–15 m betragen. Vom Ende derselben, hoch von oben herab leuchteten uns weißschimmernde Felsenwände entgegen.

Eine feierliche Erwartung bemächtigte sich unser aller Gemüter. Meine Begleiter waren merkwürdig still geworden, und sogar der Führer hatte sich hinter mich geschlichen. Am meisten Angst aber zeigte der Buginese. Der riesige Kerl zitterte vor Aufregung und blieb sacht immer weiter zurück. Die Totenstraße endete plötzlich vor einer Felsenmauer, deren Wände senkrecht vor uns emporstiegen. Wir standen am Fuße des Hauptgebirges. — Zu unserer Rechten trat das Steingeklüft in schräger Richtung zurück, und hier war es, wo sich nicht etwa[S. 132] tief eindringende Höhlen, wie ich bisher angenommen hatte, sondern weit überhängende, an Stalaktiten reiche Aushöhlungen gebildet hatten, die, terrassenförmig übereinandergelagert, gewaltige Nischen darstellten. Diese lichten, offenen Gewölbe dienten den Tolambátu als letzte Beisetzungsstätte für die irdischen Reste ihrer Angehörigen. — Meine Begleiter verharrten, bleich vor Aufregung, vor dem durch Felsenblöcke verbarrikadierten und daher etwas schwierigen Zugange und waren nicht zu bewegen, mir weiter zu folgen. Selbst der Sulewátang bat mich inständig, den von bösen Geistern bewohnten Ort zu fliehen und zurückzukehren, ehe sie uns ein Leid täten. Nur mein eigener Boy Rámang hatte etwas mehr Mut und folgte mit dem photographischen Apparat mir auf dem Fuße. — Die erste und vorderste Wölbung schien zugleich auch die älteste der Gebeinkammern zu sein. Das rote trockene Erdreich der Felsennische war mit zahllosen, wirr durcheinander liegenden Totengebeinen und herumgekollerten Schädeln bedeckt, und zwar so dicht, daß wir auf dem Wege zur zweiten Hauptnische fortwährend auf Knochen treten mußten. Auch an der Zugangsstelle zu dieser lagen mächtige Gesteinstrümmer, über die hinweg wir erst ins Innere gelangen konnten. Diese zweite Nische war eine sichtlich bis in die jüngste Zeit benutzte Schädelstätte, in der sich mir ein ebenso überraschendes wie eindrucksvolles Bild darbot. Hatten in der ersten Nische Witterungseinflüsse und die Zeit bereits ihre Arbeit getan, so fanden wir in diesem zweiten, mehr geschützten Gewölbe noch alles in der ziemlich gut erkennbaren ursprünglichen Anordnung vor. Große schwere Totenbahren, altersmorsch, mit teilweis schon geknickten Stützen legten mit der Fülle der darauf niedergelegten Gaben ein beredtes Zeugnis von der Liebe und Verehrung ab, die der Tolambátu seinen Manen zollt. Es muß unsägliche Mühe gekostet haben, diese unförmigen plumpen Gestelle von weit her durch den pfadlosen Urwald hier herauf zu bringen, und es ist rührend, mit welchem Aufwande von zärtlicher Sorge die Hinterbliebenen bei der Auswahl der dem Toten mitgegebenen Gegenstände darauf bedacht waren, seine Seele für das[S. 133] Jenseits mit allem Nötigen zu versehen. Alle Gewänder der Toten, ihre Waffen, Schmucke und Eßgeschirre, Palmweinbehälter und Mundvorrat waren teils auf den Bahren, teils auf dem Boden niedergelegt. — Aus diesen Altären naiver Pietät aber hatten die in das Gewölbe leicht eindringenden Weststürme ein Chaos geschaffen. Umgestürzt und zerborsten lagen kostbare Totenurnen. Die Deckel der Holzkisten, welche die Überreste von weniger Bemittelten bargen, waren geplatzt, und zwischen Felstrümmern, Topfscherben und in die Höhle gewucherten Schlinggewächsen lagen Schädel und Menschenknochen herum, — ein erschütterndes Memento mori. — Neben Tonkrügen aller Größen und Formen sah ich hier breitrandige, kunstvoll gearbeitete Totenhüte, uralte, gegenwärtig nicht mehr existierende Formen von Schilden, ornamentierte Trommeln, Geräte, wie sie heut niemand mehr kennt, viele Messingwaren, Teller und Schüsseln, ganze Stöße von Rindenbastgewändern, Bündel von Rohfuja usw. Das meiste von dem allen war defekt; denn wenn die tiefen Nischen auch vor Nässe schützten, so doch nicht vor Wind und Wetter noch vor dem Eindringen der Nagetiere. Mit Mühe und Not fand ich auf dem trümmerbesäten Boden eine zur Aufstellung meines Apparates geeignete Stelle.

Tafel IV.
Tolambátu-Gebeinstätten im Raúta-Gebirge.

Eine dritte Gebeinstätte größeren Umfanges und ähnlichen Aussehens befand sich mit noch mehreren kleinen, zu gleichen Zwecken benutzten Galerien weiter oben im Gewände. Auf einem hier niedergesetzten Bahrengerüst steckte ein aufgespannter europäischer Regenschirm. Schirme bedeuten stets, daß es sich um die Überreste von Frauen handelt. (Den Brauch, Frauengräber durch Schirme zu kennzeichnen, fand ich auch auf meinen früheren Reisen in Britisch Nord-Borneo bei Besichtigung von Dusungräbern.) Besonders zahlreich waren hier auch Bronzegongs vertreten. An Stelle der in den vorderen Nischen gefundenen Fujagewänder fand ich in dieser nur noch Kleider aus europäischen Kattunstoffen. — Nach mehreren photographischen Aufnahmen kehrten wir zu unseren Begleitern zurück, die sich inzwischen in respektvolle Entfernung von dem den Seelen der Toten geweihten[S. 134] Platze zurückgezogen hatten. Sie atmeten sichtlich erleichtert auf, als sie unser wieder ansichtig wurden. Umsonst aber sah ich mich nach dem Buginesen um. Der Held hatte das Hasenpanier ergriffen und war spornstreichs ganz allein zurückgeeilt. Ich sah ihn erst am Wuáki-Flusse wieder, in Mitte der dort wartenden Trägerkolonne, wo er den Leuten, aufgeregt gestikulierend, Schauermärchen erzählte. — Auch wir folgten nun so schnell als möglich unseren vorangegangenen Leuten und erreichten diese nach Durchquerung eines böse verwachsenen Dschungelgeländes jenseits des schönen und breiten Wuáki-Flusses. Das Wasser desselben reichte uns beim Durchwaten bis über die Hüften. Unser kleiner Trupp war nun wieder vollzählig, und gemeinsam begannen wir den vor uns liegenden Bergzug hinanzusteigen. Es erforderte ¾ Stunden heißen Mühens, um den Kamm zu gewinnen. Eine Welt hochstämmiger Farne, Azaleen und Myrtenbüsche blühte und duftete dort oben, und eine entzückende Aussicht auf eine gewaltige Bergkette öffnete sich vor uns. Bald darauf umgab uns wieder hoher Wald, in dem das Vordringen durch ganze Barrikaden niedergebrochener Stämme erschwert wurde. Nach einer weiteren Stunde recht anstrengenden Kletterns und Springens ließen wir uns erschöpft zu kurzer Rast auf dem moosfeuchten zermürbten Skelett eines gestürzten Baumes nieder. Bald ging es weiter, und der Charakter des Tropenwaldes, der bei dem unendlichen Reichtum seiner Pflanzenformen nie langweilt und stets zu neuer Bewunderung zwingt, änderte sich abermals, als wir auf den Sattel eines hohen Gebirgskammes gelangten. Der Wald war hier lichter und freundlicher. Meine besondere Aufmerksamkeit erregten vereinzelte, am Waldrande stehende Laubbäume mit glatter, silberglänzender Rinde, die sich scharf von ihrer Umgebung abhoben. Den zahlreichen Spuren nach zu urteilen, müssen Anoas, Hirsche und Wildschweine in Mengen vorkommen. Unser Pfad begann nun sanft abzufallen, und wir gelangten, aus dem Walde heraustretend, in ein fast undurchdringliches Bambus- und Dornengestrüpp, durch welches kaum mehr durchzukommen war. Vor allem waren es die dicht überwucherten[S. 135] halbvermoderten Stümpfe, die große Vorsicht beim Überklettern erforderten. Auch die unzerreißbaren Ranken des Kletterbambus machten uns viel zu schaffen. Hatte man sich einmal in dem Gewirr verstrickt, so half kein ungeduldiges Zerren, sondern einzig ein bedachtsames Loslösen des Gerankes. — Ein Vorwärtskommen war auf dem verwachsenen Wege nur in stark gebückter Körperstellung möglich. Strauchelnd und nach Halt tastend, griff die Hand in Dornen und Nesselkraut, und manche Schramme entlockte bald diesem bald jenem einen zornigen Ausruf. Dieser Marsch war eine Qual, und immer ungeduldiger drängte ich voran. Auch dies mußte ja ein Ende nehmen. Endlich sahen wir uns in einem tiefen Gebirgseinschnitt angekommen, welchen ein bescheidene Fälle bildendes Flüßchen durchströmte. Ein Trunk köstlichen Gebirgswassers stillte den brennenden Durst nach der überstandenen Strapaze. Leider war den Anforderungen dieses Tages noch nicht Genüge geschehen. Unter gleichen Schwierigkeiten ging es wieder bergan. Gegen 2 Uhr standen wir abermals auf einem Grate, der uns einen Ausblick auf die an 1500 m tief unter uns gelegene Landschaft Wiwiráno ermöglichte. Bewundernswert erschien es mir, wie mein Führer durch die hier beginnende absolut pfadlose Bambuswildnis die Richtung zu verfolgen vermochte, ohne sich je zu irren. Wir kletterten ganz außerordentlich steile Abhänge hinunter, und nur die dicht stehenden, arm- bis schenkelstarken Rohre verhinderten eine bedenkliche Rutschpartie. In zwei Drittel der Höhe des Gebirgshanges hatte der Bambuswald plötzlich sein Ende erreicht, und wir traten auf schwarzgebrannte kahle Lehnen hinaus. Erst in letzter Zeit mußten hier Waldbrände gewütet haben; denn wir schritten durch eine dicke Schicht noch von keinem Regen befeuchteter Asche, wo weder Kraut noch Halm mehr stand und nur die geschwärzten Baumstümpfe, deren eisenhartes Holz dem Feuer besser widerstanden hatte, noch von vormaliger Waldespracht erzählten. Von diesen Hängen aus übersahen wir das wahrhaft großartige Panorama der hohen Gebirge im weiten Umkreise. Zackige Bergeshäupter und zerklüftete Felsengrate, eine für die meist sanft gerundeten und langgestreckten[S. 136] Gebirgszüge der Südost-Halbinsel ganz ungewöhnliche Erscheinung, umrahmten einen Gürtel tief grüner Bergwälder. Den Mittelpunkt des Ganzen aber bildete das engbegrenzte nach mehreren Seiten ausstrahlende Kulturtal von Wiwiráno. Verheißungsvoll grüßten uns die Hütten des Dörfchens gleichen Namens aus der Ferne. Die vorstehende Abbildung vermag den Zauber der leuchtenden Farbentöne, welche die Nachmittagssonne über das Gefilde ergoß, leider nicht wiederzugeben. — Die Nähe unseres Zieles stählte die bereits ermatteten Glieder. Wie gewöhnlich war ich mit nur wenigen Begleitern den Trägern weit voraus, und wir eilten nun, alle Müdigkeit vergessend und der wunden Füße nicht mehr achtend, schnell zu Tale. Der Talgrund war mit üppigem Lalang bestanden, aus dessen Halmenmeere bei unserem Näherkommen ein Sprung äsender Hirsche aufgeschreckt wurde und in gewaltigen Fluchten dem schützenden Walde zustrebte. Ein kaum hundert Schritt breiter vor uns liegender Waldstreifen mit völlig ausgetrocknetem Bachbett wurde passiert, und nun lagen auch bereits die Hütten[S. 137] Wiwirános vor uns. Ein Viertelstündchen noch hatten wir über Reisstoppelfelder hinweg zu stapfen; dann standen wir vor der Fremdenhütte des Dorfes. Wir hätten auf dem freien Felde längst bemerkt werden müssen, und daher befremdete es mich, daß sich noch keine lebende Seele hatte blicken lassen. Unser Absteigequartier lag in Büchsenschußweite von der aus nur wenigen Hütten bestehenden Siedelung. Auf meine Signalschüsse kamen endlich ein paar menschliche Wesen zum Vorschein. Es waren zwei recht sonderbare Gestalten. Der eine von ihnen, groß und stark, mit eckigem Gesichte, das buginesische Käppchen auf dem Haupte und mit Leinenrock und Kniehosen bekleidet, war das Dorfhaupt, der Kapala Kámpong. Frappierend wirkte der Anblick seines Begleiters, eines Männchens von zierlichem Körperbau mit weißem Vollbart, auffallend hellem zarten Teint und lichten Augen, bekleidet mit hellblauem Uniformrock und langer Hose. Sein Haupt bedeckte ein holländisches Offizierskäppi, und dank dieser Vermummung gelang es ihm, mich für den Augenblick zu täuschen, so daß ich allen Ernstes vermutete, einen der deklassierten Europäer vor mir zu haben, wie sie unter den ausgedienten Kolonialsoldaten noch zu finden sind. Erst beim Näherkommen des ungleichen Paares erkannte ich meinen Irrtum. Die Uniform hatte er wohl einmal geschenkt bekommen, und auch ein Tropfen weißen Blutes gehört ja wohl nicht zu den Unmöglichkeiten. Er schien listig und lebhaften Geistes zu sein und hatte es, wie ich nachträglich erfuhr, zum weitaus wohlhabendsten und damit angesehensten Manne des Distriktes gebracht, so daß er eine Art Oberhäuptlingsstellung einzunehmen schien. Sein Begleiter behandelte ihn mit großem Respekt, und ich hörte später, daß er ein geriebener Händler war, der in Dammar, Sago und Reis spekulierte. Ich nannte ihn nach seiner auffallenden Kleidung zum Gaudium meiner Leute stets Kapitan útan (= Waldkapitän), welcher Titel ihm selbst sehr zu behagen schien.

90. Wiwiráno-Tal.

Der Kapala verstand kein Wort Malayisch, der Kapitan dagegen sprach es fließend, und was ich von ihm zu hören bekam, genügte völlig, das Feuer meiner Begeisterung zu dämpfen.

[S. 138]

1. Wiwiráno war zur Zeit entvölkert, da fast alle seine Bewohner teils in den Wäldern auf der Dammarsuche waren, teils auf ihren entlegenen Feldern im Gebirge wohnten. Als einzige Ortsansässige lebten augenblicklich nur die Familien der beiden Dorfoberhäupter hier.

2. Es gab kein Wasser im Orte. Alle Quellen waren versiegt; Baden war unmöglich, da das nächste Flüßchen zu weit vom Orte entfernt war. Das Trinkwasser wurde einem sumpfigen Sickerloche entnommen; sein Genuß schien daher nicht unbedenklich.

91. Kapitan útan und der Häuptling von Wiwiráno.

3. Im Dorfe waren keinerlei Lebensmittel zu bekommen, nicht einmal Zuckerrohr oder Mais. Kokospalmen waren etwas ganz Unbekanntes, und der Reis für meine Leute mußte im Halme, in notdürftig genügender Quantität und zu sehr teuerem Preise erworben werden. Zu stampfen hatten ihn meine Leute selbst.

4. Das Schlimmste von allem, ein früherer Controleur des Kendári-Bezirkes, zu dem Wiwiráno gehört, war auch ein Liebhaber von Ethnographicas gewesen und hatte so ziemlich alles, was der menschenarme Distrikt an solchen aufzuweisen hatte, aufkaufen lassen und mit fortgenommen. Das waren wenig erfreuliche Aussichten nach dem zehnstündigen Marsch hierher.

[S. 139]

Ziemlich mißgestimmt, entließ ich die beiden Notabilitäten und machte mich an die Besichtigung unseres Quartieres. Das Innere der aus Atap hergestellten Unterkunftshütte bestand aus zwei die ganzen Längsseiten links und rechts einnehmenden Estraden mit breitem Mittelgange, von welchem aus nach jeder Seite drei hohe Stufen zu jenen hinanführten. Diese beiden durch keine Wände geteilten Plattformen waren aus gespleißtem Bambus hergestellt und dienten als Aufenthalts- und Schlafraum. In dem Gange dazwischen befanden sich die Feuerstellen. Ich nahm die ganze rechte Seite für mich und mein Gepäck in Anspruch und überließ die andere Seite meinen Leuten. Leider waren die Träger noch nicht heran. Auf dem fürchterlichen Terrain waren sie weit zurückgeblieben, und bisher waren ich, mein Tolambátu-Führer und der Sulewátang die einzigen, die glücklich an Ort und Stelle gekommen waren. Ich hatte seit dem frühen Morgen nichts genossen und verspürte allmählich einen kannibalischen Hunger. Von meiner Proviantkiste aber war weit und breit noch nichts zu sehen, und meine auf Wiwiráno selbst gesetzten kulinarischen Erwartungen waren zu Schanden geworden. Todmüde und mit vernehmlich knurrendem Magen mußte ich eben warten. Stunden verrannen, ehe der erste Träger ankam. In längeren Abständen folgten die anderen, und ausgerechnet als allerletzter traf der Mann mit der Vorratskiste ein. Draußen dunkelte es bereits. In den Wipfeln der hohen Bäume lärmten Nashornvögel (Cranorhinus cassidix), die sich mit heiserem Geschrei um die besten Nachtplätze stritten. Sonst ruhte weihevoller Friede über dem Tale. Noch flammten die höchsten Gipfel, vergoldet von der untergehenden Sonne. Im Tale aber kämpften die Schatten der Nacht mit dem letzten Tagesschimmer, als mein Boy meine Reflexionen mit der inhaltsschweren Meldung unterbrach: »Tuan, makanan sedia«, — das Essen ist fertig! So beschämend es ist, aber der Wahrheit die Ehre: von dem Momente an war mir, für heut wenigstens, ganz Wiwiráno und der schönste Sonnenuntergang Hekuba, und nur ein Stern leuchtete mir verheißend: die Lampe auf meinem mit duftenden Herrlichkeiten bestandenen Küchenkoffer.

[S. 140]

Wiwiráno, den 16. September.

Tolambátu, von vorne gesehen
Tolambátu, von der Seite
92. Tolambátu aus Wiwiráno.
93. Tolambátu-Knabe mit Knieschmuck.

Der heutige Tag war ein Ruhetag für meine Leute, von mir zu Aufzeichnungen, Besuchen und Erkundigungen über Land und Bewohner benutzt. Die Gesamtziffer der zur Gemeinde gehörigen Einwohner wurde mir auf ungefähr 40 angegeben. Davon hatte sich bereits am frühen Morgen eine Anzahl aus der Umgebung eingefunden. Sie waren durchgehends von knapp mittelgroßer, stämmiger Gestalt. Ihre Hautfarbe war ein dunkles Quittengelb. Der Häuptling schien mir für einen Tolambátu zu herkulisch gebaut und dürfte vielleicht etwas buginesisches Blut in den Adern haben. — Einige unter den Ortsangehörigen trugen dünne Schnurrbärte, eine um so auffallendere Erscheinung, als Bärte im allgemeinen bei den Bewohnern von Celebes für unschön gelten, ja in gewissen Gegenden sogar als teuflisch verabscheut werden. Das kohlschwarze lange Haar fällt, offen getragen, den Wiwiránern bis über die Schultern herab. Für gewöhnlich wird es, in einen kunstlosen Knoten geschlungen, unter dem Haupttuche verborgen. Ihre Augen fand ich etwas schlitzförmig, die Iris von dunkelbrauner Farbe, die Brauen buschig und öfter nahezu völlig zusammengewachsen,[S. 141] die Nasen kurz angesetzt, die Lippen wulstig aufgeworfen. Letzteres dürfte wohl nur eine Folgeerscheinung des fortwährenden Tabakkauens sein. — Die gewöhnliche Bekleidung der Leute besteht aus einer durch die Beine gezogenen und um die Hüften geschlungenen Schambinde und einem mehrere Meter langen Tuchstreifen, der turbanähnlich um den Kopf gewunden wird. Bei festlichen Anlässen gesellen sich zu diesen beiden unentbehrlichsten Kleidungsstücken ein kurzes Leinenhöschen à la Buginese, eine knopflose Jacke und ein großes Umschlagetuch. Um den Hals hängt ein Stoff- oder Basttäschchen, welches die Kau-Ingredienzien birgt. Das Tabakkauen gilt auch den Wiwiránern, und zwar beiden Geschlechtern als ein hoher Genuß, von dem sie sich nicht trennen können. Selbst beim Sprechen wird das Priemchen nicht aus dem Munde genommen, eine üble Gewohnheit, unter welcher die Deutlichkeit ihrer Sprache leidet. Nur während des Essens legen sie es sorgfältig beiseite oder verwahren dasselbe in einem kleinen hübsch geflochtenen und speziell für solche Zwecke angefertigten Döschen. Noch öfter jedoch übernimmt, wie ich häufig beobachtet habe, ein gefälliger Nachbar so lange das Weiterkauen des Appetitbissens, bis der Eigentümer in der Lage ist, dieses angenehme Geschäft wieder persönlich fortzusetzen. Diese fast ständig im Munde gehaltenen Tabakpfropfen lassen die Lippen vorgestreckt erscheinen und weiten die Wangen derart[S. 142] aus, daß sie mit den Jahren die Form von Backentaschen annehmen, was durchaus nicht zur Verschönerung der damit Beglückten beiträgt. Als besonders aparten Schmuck trugen in Wiwiráno die jungen Burschen dicht unterm Knie ein Büschel Ziegen- oder Anoahaare, welches bei kleinen Knaben durch einen bunten Wollfaden ersetzt wurde.

Das Auftreten und Benehmen der Leute war unterwürfig und schüchtern. Viel resoluter erschienen mir einige Frauen, die mit großen Augen den nie gesehenen Weißen beguckten und sich auch am Tauschgeschäft lebhaft beteiligten. Unter ihnen befanden sich einige recht ansprechende Gesichter mit auffallend hellem Teint. Die nackten Oberkörper derselben zeigten zart entwickelte, durch das lange Kinderstillen stark deformierte Brüste.

94. Pfeffer­stampfer.
95. Tabak-Schneide­brett.

Als letzte Überbleibsel der in früherer Zeit ausschließlich im Gebrauche gewesenen Fuja oder Rindenstoffe fand ich in einigen Hütten noch große rotbraune Umschlagetücher, sowie eine originelle seidendünne Fuja-Frauenjacke, die auf ein kleines Röllchen kunstvoll zusammengefaltet, in der hohlen Hand zu bergen war. — So außerordentlich armselig die Hütteninterieurs im allgemeinen waren, so machte ich doch in mehreren derselben interessante Dinge ausfindig, die unzweifelhaft einen, wenn auch noch unentwickelten Formensinn verraten. Wie kämen sonst verhältnismäßig recht tief stehende Menschen dazu, so niedlich verzierte Kochgeräte, Pfeffer- und Salzstampfer, Tabakschneidebretter, Medizinbüchsen, Kämme und dergleichen herzustellen! — Von Musikinstrumenten war auch nicht ein Stück aufzufinden, wenn man von den eingeführten[S. 143] Bronzegongs absehen will, obschon zum mindesten Holztrommeln und Bambusflöten bekannt sein müssen. — Buschmesser, diese unentbehrlichsten Gebrauchsobjekte der Eingeborenen, wiesen im Wiwiranotale ganz andere Formen auf als bei den Tobela. Diese hier »báde« genannten, in geübten Händen fürchterlichen Waffen verdienen viel mehr die Bezeichnung Schwert, denn Buschmesser. Ihrer bedienten sich auch die »Kopfschneller« bei ihren Menschenjagden, wie sie noch vor kurzer Zeit durchaus nichts Ungewöhnliches waren. Die »báde« werden mit der Schneide nach oben auf der Schulter getragen; sie sind fast stets scheidenlos, und das Schwergewicht derselben ruht in ihrem breit auslaufenden Klingenende. Für wirtschaftliche Zwecke sind die Klingen gewöhnlich bogenförmig geschliffen, während die Kriegsschwerter in schrägen geraden Kanten verlaufen. Die früher allgemein getragenen Lanzen und Speere sind unter der holländischen Regierung streng verpönt. Nach Beendigung des vor kaum 2 Jahren in diesen Gegenden wütenden Guerillakrieges wurden vom Gouvernement die Kriegswaffen konfisziert und vernichtet. Nur mit Waffenpaß versehene Leute dürfen Lanzen für die Jagd oder zur eigenen Sicherheit führen. —

96. Tolambátu: Kriegshut, Schwerter und Schilde.

[S. 144]

Unter den Nahrungsmitteln der Bevölkerung ist das aus dem Marke der Sagopalme gewonnene Mehl das wichtigste. Die den feuchten Urwald bevorzugende Sagopalme kommt in Südost-Celebes massenhaft vor. Die Verarbeitung geschieht stets an Ort und Stelle, und das erst geschrotene, dann gewaschene und gesiebte Sagoprodukt wird in Rückenkörben fortgeschafft, welche aus den Stammscheiden derselben Palme hergestellt werden. —

Reisbau wird nur in geringem Umfange und ebenso wie der Tabakbau nur für den Eigengebrauch betrieben. Gezogene Fruchtbäume kennt man gar nicht. Seit dem außerordentlichen Aufschwunge des Dammarhandels geht der Feldbau zurück, und die Bevölkerung wendet sich vielfach jener relativ hohen Gewinn bringenden Beschäftigung zu, oder wandert sogar ganz aus, wie das Beispiel Raútas zeigt, dessen frühere Bewohner in die Towuti-Niederung zogen, um mit Transporten über das Gebirge keine Mühe zu haben.

Was nun die Wohnungen der Wiwiráno-Tolambátu anbetrifft, so stellen diese einen sehr merkwürdigen Typus dar, der von den bei den Tobela üblichen Hüttenbauten grundverschieden ist. Ich habe eine solche typische, in einiger Entfernung von Wiwiráno gelegene Tolambátuhütte besucht, und die beigegebene Abbildung gibt das Aussehen einer solchen recht anschaulich wieder. Die darunter befindliche Planskizze soll deren Innen-Einteilung erklären.

Foto des Hauses, darunter   eine Grundrisszeichnung
97. Tolambátu-Haus im Wiwiráno-Tal.

Man denke sich den Längsraum unter einem enorm breiten, flach ausladenden Dache in drei Teile geteilt, wie sie die Skizze mit a, b und c kennzeichnet. a ist lediglich ein offener Durchgang unter dem Dache, welcher allerlei häuslichen Beschäftigungen dient, und unter welchem die Reismörser, Wirtschaftskörbe, Dammarvorräte, Brennholz und dergl. ihren Platz finden. Von der Längsmitte dieses Durchganges aus führt ein als Treppe benutzter eingekerbter Stamm zu der aus den Teilen b und c bestehenden eigentlichen Hütte, den Wohnräumen, empor. Diese sind über einem etwa ein Meter hohen Pfahlwerk errichtet und bestehen aus zwei Reihen durch Scheidewände getrennter Kammern[S. 145] (d und e). Der schmale Gang (f) zwischen ihnen stellt den Zugang von der Treppe aus dar. Um diesen Hauptteil der Hütte ziehen sich auf drei Seiten Galerien (h, i und k), von denen h den Aufenthaltsraum für Frauen und Kinder bildet. Die gegenüberliegende Seite i stellt den Küchenraum vor, und die breite Längsplattform der hinteren Seite k ist der den männlichen Familienmitgliedern und Gästen vorbehaltene Platz. Er war ebenso wie die Kemenate völlig mit Matten ausgelegt. In einer Ecke lagen große Haufen noch unsortierten Dammars. Ganze Packe von Dammarfackeln lehnten an den Wänden, und ein praktisches, wenn auch plumpes Holzgestell diente zur Nachtzeit als Fackelträger. — Der Küchenraum enthielt Kochgeräte aller Art, die aus Holz, Bambus, Kürbisschalen oder Blattscheiden hergestellt waren. Kleingespaltenes Brennholz lag in Bündeln aufgestapelt[S. 146] auf dem Gebälk, und gedörrte Kräuter, als Speisezutaten oder vielleicht auch medizinalen Zwecken dienend, hingen am Sparrenwerk des Daches.

Eine recht peinlich auf die Nerven fallende mephitische Luft und die Unsauberkeit der Insassen machten mir den Aufenthalt im Hütteninnern zur Qual, und ich beeilte mich, wieder an die frische Luft zu kommen.

98. Fisch­speere.

Von kleineren ethnographischen Objekten konnte ich in Wiwiráno eine ganze Anzahl erwerben, die, wie bereits erwähnt, zum Teil recht hübsche Anfänge von Zierkunst verrieten. Ich hatte auch nach den verschiedenen Gebirgshütten Boten auf die Suche entsandt, die im Laufe des Tages mit manchem guten Stück zurückkamen, so daß ich in dieser Beziehung wohl zufrieden sein konnte. Von den mir speziell erwünschten Kriegsgerätschaften konnte ich allerdings nur wenig erlangen, da mir nur die Nachlese geblieben war. Was da an Helmen, Panzerjacken, Schilden, Bogen und dergl. vorhanden gewesen war, hatte bereits seinen Liebhaber gefunden oder war vernichtet worden. Einige schöne Tolambátu-Schwerter, mehrere feingeschaftete Lanzen, sowie ein paar vielzackige Fischspeere waren die gesamte Ausbeute. — An diversen anderen Gegenständen, die ich hier erhielt, seien noch erwähnt hübsch geflochtene Frauenhüte, schön gemusterte Speisematten, welche die bei den Buginesen gebräuchlichen, gewölbten Speisedeckel ersetzten, sowie Sitzschürzen von bemerkenswert feiner Arbeit. Die geforderten Preise waren mäßig mit Ausnahme der von dem famosen Kapitan útan erworbenen Gegenstände, welcher für wertlosen Kram Apothekerpreise forderte. Ein[S. 147] Anoa-Gehörn, das ich seiner Schönheit und Größe wegen als Andenken mitnehmen wollte, kostete mich z. B. zwei komplette Khakianzüge. Europäische Gewandung schien es dem Manne einmal angetan zu haben. — Am Spätnachmittag raffte ich mich trotz meiner bösartig wunden Füße und der schmerzenden, von Buschmilben herrührenden Eiterbeulen an den Beinen zu einer nochmaligen Besteigung des durch Wildfeuer entwaldeten Bergrückens auf, um dort einige Panorama-Aufnahmen zu machen. Bei unserer gestrigen Ankunft an diesem Platze war dies nicht mehr möglich gewesen, da der Apparatträger erst Stunden nach uns ankam. — Als Beschluß des heutigen Tages galt es noch, die Route des für morgen beschlossenen Rückmarsches festzusetzen, und ziemlich ganz Wiwiráno versammelte sich in unserem Quartiere zur gemeinsamen Bitjára (Besprechung). Es war meine Absicht, von Wiwiráno aus über das Gebirge direkt nach Lingkobále am Towutisee zu marschieren, ohne Raúta nochmals zu berühren. Nun stellten jedoch die beiden Häuptlinge die Behauptung auf, es gäbe dahin keinen Pfad, und es sei unmöglich, durch den Urwald dorthin zu gelangen. Ich stand dieser Aussage skeptisch gegenüber, da Führer und Träger das Vorhandensein eines Pfades wohl nur leugneten, um den Anstrengungen eines Marsches über das hohe, uns von Lingkobále trennende Gebirge zu entgehen. Es kam zu langen Auseinandersetzungen, da ich hartnäckig auf meinem Vorhaben bestand. Der total eingeschüchterte Kapala beteuerte mir jedoch hoch und heilig, es bestände tatsächlich nur die eine über Raúta führende Verbindung mit dem Towuti-See; auch existierte außer Raúta gegenwärtig im ganzen Gebirge kein Kampong mehr. Allein nach Kendári zu, auf einer Strecke von 6 Tagemärschen, fänden sich noch solche. Nach Raúta zu gelangen, gebe es von Wiwiráno aus allerdings noch eine andere Möglichkeit. Man müsse hierbei das Gebirge, über welches wir hierher gekommen waren, umgehen und einem Flußlaufe folgen, in dessen Bette man fast ständig im Wasser und über Felsen hinweg zu marschieren habe. Dies sei also kein eigentlicher Weg, und nur Sago- und Dammarsucher benutzten diesen Buschpfad.[S. 148] Wohl oder übel mußte ich diesen in überzeugungsvollem Tone vorgebrachten Ausführungen Glauben schenken. Dennoch machte ich einen letzten Versuch und bot den Leuten eine dreifache Bezahlung an, wenn sie mich direkt nach Lingkobále führen wollten. Verlegenes Schweigen und die erneute Versicherung der Unmöglichkeit dieses Planes ließen mich von meinem Vorhaben abstehen. Als Resultat der Verhandlungen wurde also beschlossen, die längs dem Flußlaufe nach Raúta führende Wegerichtung einzuschlagen. Spät hernach, als ich mich schon längst zur Ruhe zurückgezogen hatte, hörte ich noch meine Kulis der ungewöhnlichen, sonst den Weibern überlassenen Arbeit des Reisstampfens obliegen, die Vorräte für den Rückweg schafften.

Wiwiráno — Raúta, den 17. September.

Unter beträchtlichen Schmerzen quetschte ich meine kranken Füße in das Schuhwerk und machte mich reisefertig. Die hier erlangten Sammelobjekte waren glücklich in den hierzu recht ungeeigneten, konisch zulaufenden Rückenkörben der in Wiwiráno neu hinzugekommenen Träger verpackt. Zu oberst auf einem der Gepäckstücke thronte in metallischer Farbenpracht ein wilder Hahn (ajam útan), den ich gestern erworben hatte. Ich wollte ihn für die Volière meines Gastfreundes lebend nach Malili bringen. — Bei all den Vorbereitungen zum Abmarsche war es 7 Uhr geworden, bis wir Wiwiráno endgültig Valet sagten. Dem Kendáriwege folgend, führte unsere Route eine Zeitlang durch Sagodickicht an dem völlig ausgetrockneten Bette eines Baches entlang. Nacktes Gestein trat an beiden Wegeseiten zutage. Allmählich wurde der Pfad romantischer, und wir gelangten an einen tiefen, klaren Wasserlauf, der sich um eine hohe Felsenburg herumwand. In den Klüften der senkrecht abfallenden Wand sollen Salanganennester zu finden sein. — Nunmehr rückten die Bergzüge auf beiden Seiten nahe zusammen, ein Defilee bildend, das uns zu einem anmutigen waldumrauschten Tälchen führte. Auch die jenseitige Ausgangspforte[S. 149] desselben war in fast gleicher Weise durch solche granitenen Wände gebildet. Dieser versteckte idyllische Talgrund sollte mir unerwartet eine wichtige Entdeckung bringen, die allein den Weg vom Towuti hierher gelohnt hätte. Ziemlich in der Mitte einer Wiesenfläche waren nämlich zwei Maste von drei, bezw. fünf Meter Höhe in die Erde gepflanzt. Diese Holzsäulen wiesen eine merkwürdige Schnitzarbeit auf, indem ihre einzelnen Glieder durch je zwei Doppelreihen von eingekerbten Ringen zu zapfenförmigen Gebilden umgestaltet wurden, die, einen Meter über dem Boden beginnend, sich nach oben hin immer mehr verjüngten. Der größere dieser Pfosten zeigte 24 solcher konisch geformten Zapfenglieder von je 15 cm Höhe. Der zweite, kleinere Mast hatte nur 8 solcher genau ebenso geformten Ringzapfen aufzuweisen. Es waren dies »tuóra« genannte Siegessäulen der Tolambátu, und jeder Zapfen derselben bedeutete einen Triumph der Kopfjäger dieses Stammes, — einen erbeuteten Menschenschädel (s. Taf. V).

Tafel V.
Siegessäulen der Tolambátu.

Kamen früher, in einer kaum ein paar Jahre zurückliegenden Zeit die zur Kopfjagd ausgezogenen Krieger mit erbeuteten Köpfen als Trophäen zurück, so wurden an diesem Boawúa genannten Platze Freuden- und Opferfeste veranstaltet. Daran schlossen sich Kriegstänze, in denen der Verlauf der Kopfjagd mimisch dargestellt wurde. Zur bleibenden Verherrlichung der vollbrachten Heldentaten aber errichtete man die Tuóras, die der Nachwelt die Zahl der getöteten Feinde anzeigen sollten. — Hierzu sei bemerkt, daß diese Kopfjägerei mit Anthropophagie durchaus nichts zu tun hatte, obwohl das Gehirn der erschlagenen Opfer verzehrt wurde. Dies geschah aber nur aus Aberglauben und religiösen Gründen, nämlich in der Meinung, daß man durch den Genuß eines Gehirnpartikelchens vor der Rache des Geistes des Erschlagenen geschützt sei. — Die Schädel selbst wurden dann später im Häuptlingshause aufbewahrt. Die Veranlassung zu den feigen Überfällen bei einer Kopfjagd, vor denen auch Weiber und Kinder nicht sicher waren, dürfte gleichfalls in Kultgebräuchen wurzeln, wonach z. B. die Söhne eines verstorbenen Häuptlings verpflichtet waren,[S. 150] je einen Schädel zu beschaffen, bevor der Tote begraben wurde. Auch die Sánru, die Zauberer, veranlaßten Kopfjagden, angeblich um Mißernten oder Seuchen fernzuhalten. Die Angriffe von rückwärts motivierte man mir damit, daß es auf diese Weise dem Geiste des Erschlagenen unmöglich sei, seinen Mörder zu erkennen.

Es fiel mir schwer, diese kurzen Angaben aus meinen Begleitern herauszubekommen. Sie wollten von nichts wissen, während wohl mancher unter ihnen gewesen sein mag, der selbst noch die Tuóras mit umtanzt hatte.

Nach einigem Verweilen bei diesen Zeugen aus Celebes’ düsterster Zeit überquerten wir den Talgrund Boawúa und bogen kurz hernach vom Kendáripfade ab, um über Stock und Stein eine Felsenwand hinanzuklettern. Nach diesem vielversprechenden Anfang gelangten wir auf einen zwischen Wäldern eingebetteten Wiesenstreifen, auf dem wir gemächlich dahinwanderten. Geschlossene Bestände dunkel schimmernder Dammarbäume gaben der Scenerie einen leisen Hauch von Melancholie, ohne ihre Anmut zu beeinträchtigen. Aber nicht lange sollten wir uns eines genußreichen Gehens über grüne Fluren erfreuen; wir hatten das unseren ferneren Weg markierende Bergflüßchen schon erreicht, und die mir gestern prophezeite Wasserwanderung begann. Das Vergnügen hatte damit ein Ende gefunden. Nahezu 5 volle Stunden marschierten wir im Flußbette dahin, das wir nur beim Abschneiden einer Krümmung verließen. Abgesehen von den körperlichen Anstrengungen, ist eine solche Wanderung im Bette eines tropischen Wasserlaufes etwas Herrliches. Licht und Sonne finden hier freien Zugang, und die belebende Nähe des Wassers entwickelt die Ufervegetation zu höchster Entfaltung. Farbenprächtige Teppiche von gelb, rot oder violett blühenden Schlinggewächsen bieten den leicht beschwingten Vertretern der exotischen Insektenwelt bevorzugte Rendezvous-Plätze. Darüber leuchteten wie lodernde Flammen die handgroßen roten Blüten eines hohen Baumes aus stolzer Höhe herab. Sonne und Wasser zaubern aber nicht nur unvergleichliche Naturgärten[S. 152] hervor, schaffen nicht nur Tummelplätze für eine tausendfältige Kleintierfauna, sondern locken auch die Vogelwelt in diese Urwaldoasen. Die entzückenden Honigsauger, kleine Sänger, Erddrosseln, Zwergtauben und -papageien sind am leichtesten hier zu beobachten.

99. Übergang über den Wuáki-Fluß.

Einmal begegneten uns während des Marsches zwei mit Sagokörben schwer bepackte Tolambátumänner. Die fast nackten tiefbraunen Gestalten, bewehrt mit langgeschafteten, schweren Lanzen, die als Waffe und Stütze gebraucht werden, fügten sich ganz prachtvoll in die Umgebung. Eilends, mit scheuem Gruß zogen sie vorüber. Gleich den Tieren des Waldes fürchteten auch sie die Nähe der ihnen fremden Menschen.

Ein anderes Urwald-Intermezzo. Ein paar leuchtende Punkte fesselten plötzlich meinen Blick. Stehenbleibend, gewahrte ich in halber Manneshöhe auf dem Riesenblatte einer Sumpfpflanze eine feuerrot und schwarz gebänderte auf Beute lauernde Schlange. Durch das Geräusch unserer Schritte erregt, richtete sie sich hoch in Angriffsstellung auf. Der Kopf mit den tückisch funkelnden Äuglein wippte zornig hin und her, und die gespaltene Zunge bewegte sich mit fabelhafter Behendigkeit in dem weit aufgesperrten Rachen. Behutsam steckte ich meinen Gehstock in die Ringe des zusammengerollt daliegenden Reptils und schleuderte es unverletzt in die Büsche.

Um die zweite Nachmittagsstunde verließen wir das Flüßchen endgültig, um ganz in seiner Nähe auf einen Fußpfad zu stoßen, welcher uns durch lichter werdenden Laubwald in kaum einer halben Stunde an das Ufer des prächtigen Wuáki-Flusses führte. Hier ließen mir die säumigen Kulis Zeit zur Betrachtung der malerischen Flußscenerie, wobei wir den Spaß erlebten, eine der abenteuerlich gestalteten riesigen Kammeidechsen (Lophura amboinensis) beim Landspaziergange zu überraschen. Der Anblick des augenblicklich Schreckstellung einnehmenden Waranes, der mit hoch aufgerichtetem Rückenkamme in rasender Flucht dem Flusse zueilte, war ebenso belustigend, wie prachtvoll. Mit gewaltigem Schwunge stürzte sich die Echse kopfüber[S. 153] in das hochaufspritzende tiefe Gewässer, wo sie sofort verschwand, um erst weit entfernt an verborgener Uferstelle wieder aufzutauchen.

Inzwischen waren meine Leute nachgekommen und warfen hastig ihre Lasten ab, um im Flusse ein Bad zu nehmen. Dabei machte ich die artige Beobachtung, wie meine schwitzenden Kulis am Flußufer ihren Durst stillten. Ich stellte zwei Varianten des Trinkens fest. Bei der ersten derselben tranken die Lambátu nach Art mancher Tiere, indem sie bis zur Brusthöhe in das Wasser gingen, sich zum Wasserspiegel niederbeugten und das köstliche Naß ohne Zuhilfenahme der Hände einschlürften. Bei der zweiten Art benutzten die Leute zum Trinken die hohle Hand, aber nicht etwa auf die Weise, daß sie das damit geschöpfte Wasser zum Munde führten, sondern indem sie den in den zusammengefalteten Händen befindlichen Wasservorrat aus ziemlicher Entfernung in den geöffneten Mund schleuderten. Ein von mir gemachter Versuch mißlang kläglich und trug mir das Spottgelächter der Zuschauer ein.

Es trennte uns jetzt nur noch eine kurze Wegestrecke von Raúta. Den Wuáki-Fluß überschritten wir trockenen Fußes auf einem Riesenstamm, den die Eingeborenen wohl nur deshalb gefällt hatten, um ihn als Brücke zu benutzen. Drüben folgten wir dem hier einmündenden Raúta-Bache durch sein schmales Tal, wobei wir mehrere Male auf Spuren früherer Besiedelung stießen und einige Gräber auffanden. Weite Flächen des Talgrundes waren mit Himbeergesträuch bewachsen, von dem wir ganze Hände voll köstlich mundender Früchte pflückten. — Gegen 4 Uhr zog ich zum zweiten Male in Raúta ein. Spät abends machte ich noch eine Blitzlichtaufnahme von meinem Lager. Die Vorbereitungen hierzu und der grelle Lichtschein des Magnesiums hinterließen bei meinen Leuten einen nachhaltigen Eindruck. Sie hielten mich mindestens für einen Zauberer, und noch lange hörte ich sie über das wunderbare Ereignis debattieren.

[S. 154]

100. Mein Feldlager in Raúta. (Blitzlichtaufnahme.)

Raúta — Tokolímbu, den 18. September.

Ein kritischer Tag erster Ordnung. Ich hatte erst am frühen Morgen etwas Schlaf gefunden, aus welchem mich das rücksichtslos laute Korangeplärr des uns begleitenden Buginesen weckte, der um 3 Uhr morgens das Bedürfnis fühlte, seinen religiösen Gefühlen einen hörbaren Ausdruck zu verleihen. Als ich ihn ziemlich energisch zur Ruhe verwies, nahm er dies zwar schweigend, aber völlig verständnislos hin. — Unzählige Male konnte ich auf meinen Reisen die unglaubliche Langmut der Inselasiaten feststellen, welche bei solchen Attentaten auf ihre Nachtruhe völlig empfindungslos bleiben und in vollster Gemütsruhe jede Störung über sich ergehen lassen. Beinahe ebenso erstaunlich aber ist die Naivität, mit welcher derartige Skandalmacher das Ruhebedürfnis anderer verletzen. Ein schlafloser Kuli zum Beispiel fühlt sich bemüßigt, sich mitten in der Nacht die Zeit mit lautem Gesange zu vertreiben. Neben ihm liegt ein Dutzend todmüder Gefährten. Sie erwachen aus dem Schlafe, erkennen die Ursache der Störung und[S. 155] — drehen sich, ohne ein Wort zu verlieren, auf die andere Seite. — Beim Marengotanze stampfen und johlen die Leute ganze Nächte hindurch. Dicht daneben, ja sogar im gleichen Raume schlummern Frauen mit ihren Säuglingen und halbwüchsigen Kindern süß und friedlich, taub bei all dem Höllenlärm.

101. Towuti-Altseeboden bei Tokolímbu. (Im Hintergrunde die Insel Loëha.)

In nervöser Stimmung ließ ich die Leute um 7 Uhr morgens den Rückweg nach Tokolímbu antreten. Auf demselben Wege, den wir gekommen waren, und unter gleichen Strapazen zogen wir wieder zurück. Gegen 3 Uhr nachmittags hatte ich den Dschungel endlich im Rücken, und das weite Becken des Towuti-Sees lag wiederum vor mir. In heißem Sonnenbrande ging es über den alten Seeboden hinweg, und bald darauf hatte ich von meinem alten Quartier in Tokolímbu wieder Besitz genommen.

Vom Towuti herüber wehte eine würzige Brise. Klar hob sich die Silhouette der Insel Loëha vom abendlichen Himmel ab. Die ganze Seelandschaft atmete Ruhe und Frieden. In stillem Nachdenken ließ ich die Ereignisse der letzten Tage und das Gesehene nochmals an[S. 156] mir vorüberziehen: das verlassene Raúta, die Felsengräber, des Dschungels düstere Pracht und der Berge Formenschönheit, Wiwiráno und Boawúa, den Schauplatz traurigster Unkultur. Voll Genugtuung stellte ich fest, daß es mir gelungen war, in kurzer Zeit Bedeutsames zu erleben, und hoffnungsfroh schmiedete ich neue Pläne.

Ein kleines Rudel Hirsche

Tokolímbu — Laronang, den 19. September.

In aller Morgenfrühe ließ ich die Bewohner des Ortes zusammenrufen, um sowohl von den Männern als den Frauen und Mädchen des Kampongs photographische Aufnahmen zu machen. Gleich hernach wurde aufgebrochen. Zwei schon gestern beorderte Prauen harrten bereits meines Eintreffens, um unverzüglich ihre Fahrt längs der Ostküste des Towuti-Sees anzutreten. Auf dem Marsche durch die Seeniederung konnte ich wiederum ganze Rudel von Hirschen (Cervus molukkensis) beobachten, 15, 20 Stück hintereinander, wie sie im hohen Riede ohne Scheu ihrer Äsung nachgingen.

Wir steuerten Lingkobále entgegen, demselben Ort, den ich von Wiwiráno aus über Land hatte erreichen wollen, ein Plan, der sich als unausführbar erwies. Der Küstenformation folgend, kamen wir bei schwachem Winde nur langsam vorwärts. Die Ufergebüsche waren mit Schlangenhalsvögeln kolonienweise besetzt. Es war ergötzlich, das Treiben dieser Tiere zu beobachten, wie sie zutraulich in nächster Nähe unserer Boote ihre Jagd nach Fischen betrieben. Bis zum Halse im tiefen Wasser stehend, warfen sie ihre Beute mit einem energischen Rucke hoch in die Luft, um sie beim Zurückfallen geschickt mit dem[S. 157] weit geöffneten Schnabel wieder aufzufangen und dann mit ein paar Schlingbewegungen hinabzuwürgen.

Wir erreichten das in tief eingeschnittener Bucht völlig versteckte Lingkobále nach 3stündiger Segelpartie. Ich glaubte meinen Augen nicht trauen zu dürfen, als ich konstatieren mußte, daß dieser vermeintliche Kampong aus einem einzigen elenden Schuppen bestand, der den in der Umgebung sammelnden Dammarsuchern als Stapelplatz für ihre Vorräte und als Unterschlupf diente. — Wie hier, so ist es um den ganzen See herum: vielversprechende Namen in Menge, hinter denen man ansehnliche Dörfer vermutet, während es in Wirklichkeit heut entstandene und morgen vergessene elende Hütten sind.

Als einziges menschliches Wesen erwartete mich in Lingkobále ein mir schon vor zwei Tagen entgegengesandter Bote des Herrn v. A., der mir mitteilen ließ, daß er bereits den Rückweg nach Malili angetreten und mein Gepäck dahin mitgenommen habe. — Unter solchen Umständen hatte ich kein Interesse mehr, länger an dem öden Platze zu verweilen, und beschloß, die Fahrt über den See nach Laronang sofort anzutreten, von welchem Orte aus wieder die Landreise beginnen sollte. Dieser Entschluß kam nun allerdings den völlig entgegengesetzten Wünschen meiner Leute, die jede Gelegenheit zum Faulenzen mit Wonne wahrnahmen, sehr ungelegen. Der Sulewátang hielt mir demgemäß eine blühende Rede, worin er beteuerte, daß er bei dem drohenden Unwetter — kein Wölkchen zeigte sich am Himmel — die Verantwortung für mein kostbares Leben nicht übernehmen könne. Der Ombak (Sturm) würde die Boote gefährden, und deshalb müßten wir einen Tag warten. Damit hatte er nun kein Glück. Ich stellte es ihm in ebenso wohlgesetzten Worten anheim, für seine Person so lange in Lingkobále zu bleiben, als es ihm beliebe; ich aber würde unter allen Umständen die Weiterreise antreten, und zwar augenblicklich. So geschah es auch, und die Boote wurden wieder bestiegen. — Statt nun aber direkt quer über den See nach der Bucht von Laronang zu steuern, fuhren mich die Leute dicht am Ufer entlang;[S. 158] denn sie meinten, wenn ich schon darauf bestände, trotz des prophezeiten Ombak noch heut nach Laronang zu segeln, so müßten sie wenigstens die eine Prau als nicht seetüchtig gegen eine andere umwechseln, und dies könne nur in dem nächsten Dammarplatze, Tolére, geschehen. Ich ließ es dabei bewenden, lernte ich doch auf diese Weise abermals einen neuen Platz kennen. Nach einstündiger Fahrt lagen wir weitab vom Ufer im seichten Wasser vor Tolére. Der Ort bestand aus einer Niederlassung buginesischer Dammarhändler, die hier in 3 größeren Hütten beisammen lebten. Ich watete an Land, um eine Aufnahme zu machen; zu sehen gab es da weiter nichts.

Am Strande hochgezogen, lag eine Anzahl Auslegerboote; der Raum um und unter den Hütten zeigte das übliche von Indolenz zeugende Milieu. Dicht hinter den Hütten begann der Urwald. An einer Besichtigung der Behausungen war mir um so weniger gelegen, als die Bewohner einen wenig vertrauenerweckenden Eindruck machten und ich es überhaupt nach Möglichkeit vermied, islamitische Wohnungen zu betreten. Meine Bootsmannschaften lungerten inzwischen herum, und als ich energisch zur Weiterfahrt drängte, geschah das Unerwartete: die Leute weigerten sich, angeblich wegen Sturmgefahr, die Arbeit wieder aufzunehmen. Es bedurfte erst eines kleinen Donnerwetters gegen meinen fürstlichen Beschützer, um seine Angst vor dem Wetter zu beschwichtigen.

Kurz nach 1 Uhr segelten wir dem weit vorspringenden Kap von Laronang entgegen. Der Wind flaute immer mehr ab, und eine bleierne Hitze brütete über dem Seespiegel. Schneckengleich krochen unsere Boote über das Wasser, und abermals mußte ein Machtwort die trägen Gesellen an die Ruder beordern. Langsam, ganz langsam näherten wir uns der Südwestecke des Sees, und um ½5 Uhr umfuhren wir die Spitze des Kaps. Hier nahm uns eine langgestreckte, immer schmäler werdende Bucht auf, deren äußersten Zipfel die Einmündung des Laronang-Flusses bildete, an welchem höher hinauf die[S. 159] Siedelung gleichen Namens lag. Ich freute mich, nun das Schlimmste hinter mir zu haben und dem engen Bootskäfig, in dem man sich nicht einmal aufrichten konnte, bald entrinnen zu können. Aber in dieser Erwartung wurde ich grausam enttäuscht. Trotzdem uns jetzt eine leichte Abendbrise schneller vorwärts brachte, verrann Stunde auf Stunde, ohne daß das Ziel in Sicht gekommen wäre. Immer mehr hüllten sich die Kämme der Randgebirge in nächtliche Schatten; immer schwärzer erschienen die Waldpartien mit ihren hier vorherrschenden Kasuarinenbeständen (Casuarina Rumphiana). Längst war der letzte Tagesschimmer über dem See verblichen, und noch nahm die Fahrt kein Ende. — Schon ließen sich die Ufer nicht mehr unterscheiden, und bald umfing uns dunkle Nacht. Ein kühler Gebirgswind war aufgekommen. Die Leute fröstelten und legten sich schärfer in die Ruder. So wurde es 9 Uhr, bis sich zu unserer Linken ein rötlicher Lichtschimmer zeigte. Rufe schollen herüber und hinüber, und es dauerte nicht mehr lange, so wies uns das ungewisse Flackerlicht einer Dammarfackel den Kurs zur Anlegestelle für unsere Boote. Laronang war erreicht.

Laronang, den 20. September.

Das armselige Nest liegt auf einem mühsam dem Urwalde abgerungenen quadratischen Fleckchen Erde und besteht nur aus einem buginesischen Familienhause und einigen Schuppen. Die Front des Hauses ist dem Flusse zugewandt; die beiden Seiten werden von morastigen Tümpeln umfaßt. Als ich gestern nacht den zum Flusse führenden Knüppeldamm erklettert hatte und die unförmliche, auf hohem Pfahlgerüst ruhende Hüttenmasse schwarz und unwirtlich vor mir aufragte, fühlte ich mich versucht, im Freien zu nächtigen. Doch die vom Flusse aufsteigenden kalten Nebelschwaden, das mir wohlbekannte Surren blutgieriger Moskitos und die Malariagefahr ließen mich das Hütteninnere vorziehen. Ich hatte es auch nicht zu bereuen. Mir wurde das ganze geräumige Vorderteil des Hauses zur Verfügung[S. 160] gestellt, und die zahlreichen Hausinsassen zogen sich in die rückwärts gelegenen Räume zurück. Weder durch Unruhe noch durch das gefürchtete Ungeziefer belästigt, verbrachte ich hier eine gute Nacht. Früh am Tage wurde mir ein Schreiben des Herrn v. A. übergeben, der mir mitteilte, daß er unerwartet aufgehalten worden war und erst gestern vormittag, also am Tage meiner Ankunft hier, nach Pongkéru abmarschiert sei. Herr v. A. hatte durch Boten von Pongkéru aus Träger nach Laronang bestellt. Diese hatten daselbst 5 Tage vergeblich auf uns gewartet. Im Glauben, wir hätten bereits die Rückreise über den See nach Timámpu angetreten, waren sie 12 Stunden vor Ankunft des Herrn v. A. unverrichteter Dinge nach Pongkéru zurückgekehrt. Dieser sah sich nun gezwungen, unter Zurücklassung meiner Gepäckstücke seine Bootsleute als Kulis für den Transport seiner eigenen Koffer zu pressen. Gleichzeitig aber teilte er mir mit, daß er mir sofort nach seiner Ankunft in Pongkéru frische Träger entgegensenden werde.

102. Laronang.

[S. 161]

Ich sah mich nun genötigt, eventuell mehrere Tage in Laronang zu bleiben! Und meine Bootsleute? wird man fragen. — Ja, das war das einzig heitere Moment an der Sache. Diese hatten den Hergang der Dinge schon gestern abend erfahren und in richtiger Ahnung leise ihre Prauen losgemacht und sich bei Nacht und Nebel unter Verzicht auf Bezahlung fortgestohlen. Daß der für mich bestimmte Brief mir erst heut morgen ausgehändigt wurde, war natürlich Verabredung gewesen. Daher auch die ungemein lebhaften Kontroversen gleich nach unserer Ankunft, von denen ich, da sie buginesisch geführt wurden, kein Wort verstand. Nun hieß es, sich in das Unvermeidliche fügen und den Tag, so gut es ging, ausnutzen.

103. Dammarlager in Laronang.

Wie schon erwähnt, bestand der Dammarplatz Laronang aus nur einem sehr großen Buginesenhause auf einer Uferblöße. Eine Anzahl dazugehöriger Schuppen war zur Aufnahme von Dammarvorräten bestimmt. Die unternehmenden buginesischen Händler rücken den[S. 162] Dammarsuchern immer weiter in die Wildnis nach, um auf diese Weise ihre Vorräte aus erster Hand erwerben zu können. Es lagerten hier sorgfältig nach Qualität sortierte ansehnliche Mengen des wertvollen Harzes.

Die teuerste und begehrteste Sorte ist das Buah-Dammar, das in kompakten Stücken aus den Astgabeln der Dammarfichte (Agathis Celebica) herausgeholt oder in abgestorbenen Stämmen gefunden wird, welche nicht selten ganze Blöcke reinen Dammars bergen. Es gehören jedoch halsbrecherische Kunststücke dazu, sich mittels Rotangseile an den glatten Riesenstümpfen in die Höhe zu arbeiten. — Ebenfalls Buah-Dammar genannt und erstklassig gewertet wird das fossile Dammar, das speziell im Towutigebiete in großen Lagern zu finden ist. Der Dammarsucher sondiert hierbei mit einem spitzen Stocke den weichen Waldboden nach solch verborgenen Schätzen. Unter Umständen genügt das Auffinden einer einzigen solchen Stelle, um den glücklichen Entdecker zu einem nach Eingeborenen-Begriffen wohlhabenden Manne zu machen.

Die zweitbeste Dammarsorte, das Loba-Dammar, wird durch Tapen, d. h. durch Anzapfen der Stämme gewonnen. Den reichsten und schnellsten Ertrag erzielen die Dammarsucher mittels des sogenannten Ringens der Bäume. Bei dieser Methode werden nicht einzelne Kerben eingehauen, sondern rund um den ganzen, manchmal 4–6 m im Umfang messenden Stamm wird eine tiefe Rinne eingeschnitten. Diese Art der Dammargewinnung ist jedoch vom Gouvernement streng verpönt, da die Bäume dabei eingehen. Langjährige Gefängnisstrafe blüht dem ertappten Übeltäter.

In die Kategorie des Loba-Dammars gehört noch das Sicker- oder Tropf-Dammar, das von den Stämmen ausgeschwitzt wird; doch hängt sein Wert von der Größe und Reinheit der Klumpen ab.

Das in einzelnen Tropfen ausgeschwitzte Dammar, wie es, Streifen bildend, an den Bäumen heruntersickert oder die durch Tropfenbildung entstandenen, stark mit Rinde und Erde verunreinigten Harzmassen,[S. 163] wie sie sich am Fuße der Stämme ansammeln, werden »tjóro-tjóro« genannt. — Innerhalb dieser drei Hauptsorten werden noch eine Menge Unterscheidungen gemacht, die hier nicht alle angeführt werden können.

Während ich die Örtlichkeit besichtigte und verschiedene Aufnahmen machte, schliefen meine Begleiter bis in den späten Morgen hinein. Ich hatte noch mit dem Nachschreiben meiner Notizen zu tun, und die Zeit verging mir rasch. Im Laufe des Nachmittags kam ein etwa 30 Köpfe zählender Trupp Toradja beiderlei Geschlechts. Sie wollten in die Towutiwälder auf die Dammarsuche ziehen und nächtigten heut in Laronang. Diese Menge Menschen brachten Leben auf diesen stillen Platz, und ihre Anwesenheit ermöglichte mir manche interessante Feststellung.

Es begann schon zu dunkeln, als aus dem Walde kommende Stimmen neue Ankömmlinge verrieten. Es waren die mir von Herrn v. A. aus Pongkeru entgegengesandten Toradja-Kulis, 14 Mann, die überraschend schnell schon heut eintrafen. Das Haus hatte natürlich nicht annähernd genug Raum für so viele Menschen, und so entwickelte sich nicht nur in, sondern auch vor und unter demselben ein bewegtes Lagerleben. Eine mich besonders fesselnde Scene aus demselben, die Fackelanfertigung, sei hier wiedergegeben.

Die Toradja beabsichtigten nämlich, auf den nächtlichen Fischfang auszuziehen, und waren nun damit beschäftigt, die hierzu nötigen riesigen Dammarfackeln anzufertigen. Die Herstellung dieser 1–1½ m langen und mehr als 10 cm dicken Fackeln ging auf folgende Weise vor sich. Auf dem freien Platze vor dem Hause wurde ein ansehnlicher Haufen von »tjóro-tjóro« aufgeschichtet und daneben ein loderndes Feuer angefacht. Nun stieß der Fackelmann einen langen über dem Feuer erhitzten Holzstock in den Dammarhaufen. Durch Rollen auf dem Erdboden wurden die dem Stocke anhaftenden Harzklumpen um denselben geformt. Durch wiederholtes Erwärmen des Klumpens und Umwälzen desselben in dem Dammarhaufen vergrößerte sich die[S. 164] am Stocke haftende Harzmasse stetig, und durch das Hin- und Herrollen der so entstehenden Fackel auf dem Boden verbanden sich die aneinanderhaftenden Dammarschichten innig. War auf diese Weise endlich ein erst kugel-, dann walzenförmiger großer Klumpen entstanden, der durch die beigemengten Sandpartikelchen handlicher wurde, so wurde diese zähflüssige Masse durch Ziehen und Zerren mit den Händen in Wurstform gebracht und abermals in feinem Sande umgewendet. Nunmehr wurde der Stock aus der noch weichen Masse herausgezogen. Die noch plumpe Harzstange wurde wie ein Strang gedreht und dabei verlängert, wobei sie bis zum völligen Erkalten immer wieder im Sandbade gerollt wurde. Um die nun richtig geformte Fackel wurden zuguterletzt Blattscheiden des wilden Pisang gewickelt und mittels Rotangfasern fest umschnürt.

Die entzündete Fackel wirft unter starker Qualmentwickelung ein rötliches Licht. Der Geruch des brennenden Dammars ähnelt dem des Weihrauches. — Der meist sehr ergiebige nächtliche Fischfang wird in der Weise ausgeübt, daß man ein Boot lautlos mit der Strömung schwimmen läßt. Im Vorderteil des Kahnes steckt die schräg hinausragende Fackel, neben ihr steht der Jäger, um die vom Lichte herbeigelockten Fische mit seinem Speere zu spießen. Der für heut nacht geplante Fischzug wurde leider durch einen plötzlich einsetzenden Regenguß unmöglich gemacht. Unseren Toradja verdarb dies übrigens die Stimmung durchaus nicht. Unbeirrt lachten, scherzten und sangen sie, wie ich es bei den viel schwerblütigeren und ernster veranlagten Tobela niemals kennen gelernt hatte. Ohne meinen Einspruch hätte dies lustige Treiben wohl die ganze Nacht gedauert; doch um 10 Uhr gebot ich Ruhe, und willig leisteten alle Folge.

104. Dam­mar-Fackel.

[S. 165]

Laronang-Pongkeru, den 21. September.

Sehr früh wurde es um mich herum lebendig; schon beim Tagesgrauen waren meine Kulis mit der Zubereitung ihrer Reismahlzeit beschäftigt. Noch viel früher aber, gegen 2 Uhr morgens, hatte mich der laute schwermütige Gesang einer Toradjafrau aus dem Schlafe geweckt, welche nach einem geräuschvollen Flußbade in die Nacht hinausgerudert war; — wohin? —

Auch für mich hieß es nun, Abschied nehmen von Laronang, nachdem ich die beiden Hausfrauen und deren Kinder für die mir erwiesene Gastfreundschaft mit Geschenken bedacht hatte. Um 6 Uhr brachen wir auf. Der verwachsene, kaum erkennbare Pfad führte uns durch feuchten Urwald. Mauergleich, wie ausgeschnitten standen die Buschwände zu beiden Seiten, und nur die rücksichtsloseste Anwendung der Buschmesser verschaffte uns Durchgang. Mehr über als auf dem Boden balancierten wir auf einem Netzwerk von Baumwurzeln, — eine Kleinigkeit für meine barfüßigen Leute, desto beschwerlicher aber für den beschuhten Europäer. Es hatte die halbe Nacht hindurch stark geregnet, und noch fielen die Tropfen von allen Blättern. Die zu überschreitenden Stämme waren schlüpfrig, und kolonnenweise in Reih und Glied aufmarschiert, harrten die kleinen hungrigen Landblutegel ihrer Opfer. Eine ungeheuere Dammarfichte von 5 m Umfang dicht am Pfade war um den ganzen Stamm herum in einer Breite von 20 cm geringt und damit dem Absterben verfallen. — Langsam begann der Weg, bergan zu führen. Nach 1½stündigem Gehen erreichten wir den am Fuße des Laronang-Gebirges gelegenen Dammarstapelplatz Katibusánga, aus drei kleinen Ataphütten bestehend. Hier stießen wir auf einen Trupp lagernder Toradja. Ich benutzte die Gelegenheit, ihre Tabaksbeutel zu untersuchen und eine Anzahl daraus zutage geförderter recht hübscher Behälter und Dosen zu erwerben.

Um 8 Uhr begannen wir den Anstieg zum ungefähr 1100 m hohen Gunung-Laronang. Die Gebirgswand fällt nach dieser Seite zu stellenweise fast senkrecht ab, und nur das die Felsenmassen umstrickende,[S. 166] zähe Geäst und Wurzelwerk des in allen Fugen und Ritzen wuchernden Buschwerkes ermöglichte es den schwer belasteten Kulis, die steile Höhe zu erklimmen. Auch bei dem Vorhandensein dieser natürlichen Hilfsmittel bleibt es eine bewundernswerte Leistung, wie Dammarsucher mit ihren 80–90 Pfund wiegenden Körben hier das Gebirge übersteigen. Ein Pröbchen der geradezu fabelhaften Lungenkraft der Leute sollten mir meine eigenen Träger geben. Während des schwierigsten Anstieges kletterten diese — ich traute meinen Ohren kaum — lustig singend und johlend die Felsen hinan, und während des ganzen mehr als eine Stunde beanspruchenden Klimmens unterhielten sie sich laut und lebhaft mit einander. Diese Toradja schienen überhaupt, wie mir bereits gestern in Laronang aufgefallen war, viel lebhafteren Temperamentes und auch kräftiger und ausdauernder zu sein, als die Stämme von Südost-Celebes.

105. Dammarplatz »Katibusánga«.

Nahe der Gipfelhöhe des Laronang-Gebirges belohnte mich für die vergossenen Ströme von Schweiß ein letzter hinreißend schöner Ausblick auf den Towuti-See und die Lagune von Laronang. — Es folgte nun noch eine kurze Strecke bis zur Wasserscheide des Gebirges.[S. 167] Eine Reihe voreinandergelagerter zum Laronang-Massiv gehörender Bergzüge trennte uns noch vom Pongkéru-Tale, und auf und ab in stetem Wechsel führte unser Weg. An den steilen Lehnen der schräg streichenden Gebirgszüge entlang marschierend, stießen wir mehrfach auf einzelne von Dammarsuchern vorübergehend bewohnte Hütten. In einer derselben hausten zwei Tolampumänner, deren einer sich eine gräßlich anzusehende Beinwunde zugezogen hatte. Ich überließ den Leuten einige Arznei und Verbandzeug. — Zweimal stieß ich auf unserem Marsche, seitlich vom Pfade, auf ein je 10–15 m tiefes kreisrundes Loch von 2 m Durchmesser. Die Entstehung der Löcher dürfte vielleicht auf Unterspülung zurückzuführen sein. — Mehrmals kam ich im Walde an rohgezimmerten Tischgestellen vorüber, auf denen ausruhende Lastträger ihre schweren Rückenkörbe absetzen können. — Auf dem nun schon Stunden währenden anstrengenden Marsche war ich meinen Leuten wiederum weit vorausgekommen. Der Buschpfad wurde jetzt besser und war anscheinend begangener, so daß ich bei jeder Wegebiegung glaubte, das Tal von Pongkéru vor mir liegen zu sehen. Aber Kuppe folgte auf Kuppe, Senkung auf Senkung. Fürchterlich brannte die Sonne, und selbst im Waldesschatten herrschte eine drückende Schwüle. — Wieder einmal hatte ich eine Anhöhe erklommen und war auf eine kleine Waldrodung mit wüst durcheinander liegenden Stämmen hinausgetreten. In flammender Sonnenhitze galt es, über die Hindernisse hinwegzuturnen. Aber süße Musik erleichterte mir das schwere Beginnen: aus der Tiefe herauf drang dumpfes Brausen an mein Ohr. Es war der ungestüme Pongkéru-Fluß, der gegen 800 m unter mir aus dem Gebirge hervorbrach. Eine kurze Strecke unterhalb der Durchbruchstelle aber lag der buginesische Kampong, wo ich die heutige Nacht zuzubringen gedachte. Beflügelten Schrittes ging es zu Tale, so daß das Blut in den Schläfen hämmerte. Unterwegs erfuhr ich von einem mir begegnenden Buginesen zu meiner Freude, daß Herr v. A. noch in Pongkéru weilte und daselbst auf meine Ankunft wartete.

[S. 168]

Völlig erschöpft, erreichte ich die Talsohle. Hier sah ich mich dem eigenartig schönen Bilde eines Gebirgskampongs gegenüber, dessen Häuser etagenförmig über einander in die steilen Wände hineingebaut erschienen. Herr v. A. hatte im Hause des Kapala Kámpong Wohnung genommen, das sich ziemlich am Ende des langgestreckten Dorfes befand. Ich traf ihn bereits auf meinem Wege dorthin. Er hatte sich in der guten Stube, hier dem Gebetsraum des Herrn Bürgermeisters, häuslich eingerichtet, welches Quartier er nun mit mir teilte. Meine erste Bitte nach dem 10stündigen Marsche war »Trinken«, meine zweite »Essen«, und erst nach Einverleibung von 3 Flaschen Limonade und — man erschrecke nicht — vollen 4 Dutzend kleiner Bananen fühlte ich mich zu einer ausführlichen Berichterstattung befähigt. —

106. Kampong Pongkeru.

Pongkeru ist rings von hohen Bergen umschlossen, durch die der Fluß sich Durchgang erzwungen hat. In diesem Kessel bildet die Doppelreihe der durchweg sauberen Häuschen eine einzige Straße.[S. 169] Mehrere Holzhäuser sind recht ansehnlich und nach buginesischer Manier mit Schnitzereien und bunter Bemalung reich geschmückt. Auf dem steil abfallenden Gelände ruht die hintere Bodenseite des Hauses oft auf der Erde, während die der Straße zugekehrte Seite von 3 m hohen Stützen getragen wird. Für die zahlreich durchwandernden Towuti-Gänger war am äußersten Ende des Dorfes ein großer Unterkunftsschuppen errichtet. Als besonders eigenartig fielen mir in Pongkeru die in den Fensteröffnungen der schmucken Häuschen an Fäden baumelnden Tierfiguren auf. Diese waren aus Dammarharz geschnitten und stellten häufig den Hahn, aber auch Enten, einen Hundekopf und sogar Katzen dar. —

Vor wenigen Tagen erst war der Ort von einem großen Unglück heimgesucht worden. Ein mehr als 30 m breiter Streifen des hoch über dem Dorfe gelegenen Waldes war herabgestürzt und hatte eine Anzahl Häuser mit sich in den Fluß gerissen. Ein Haus war durch einen der niedergehenden Baumkolosse glatt in zwei Teile gespalten worden. Die eine Hälfte mit den darin befindlichen Dammarvorräten wurde in die Tiefe gerissen; der andere Teil des Hauses, in welchem die Bewohner gerade beim Essen versammelt waren, blieb wie durch ein Wunder erhalten. Ein Chaos von Felsbrocken, Schlamm-Massen und entwurzelten Bäumen zog sich meterhoch durch die Dorfstraße hin und bezeichnete den Weg, den die Erdlawine genommen hatte.

107. Aus Dammar geschnitzte Vogelfigur als Fensterschmuck.

Meine Sammlungen konnte ich in Pongkeru nur um einige wenige Stücke vermehren. Das Beste darunter war eine sehr hübsch gearbeitete Ketjápi. Es ist dies eine in buginesischer Prauenform geschnitzte Guitarre. Dieses Instrument ist an und für sich zwar nicht selten, aber fast nie zu erlangen, weil eben nur für den persönlichen Gebrauch angefertigt. Der Küstenbuginese hat viel, sehr viel Zeit zum Nichtstun[S. 170] und vertreibt sich die Langeweile mit Geklimper auf seinem Lieblingsinstrument. Dies ist ihm so unentbehrlich geworden, daß er sich nur schwer davon zu trennen vermag.

Die schon erwähnten Dammarfiguren hätte ich in reicher Auswahl haben können; doch hielt mich ihre Zerbrechlichkeit ab, mehr als einige Belegstücke zu erwerben. — Schmuckstücke, wie die häufig vorkommenden silbernen Sirihdosen, Kinderamulette, Schamdeckel etc., wurden mir zu exorbitanten Preisen angeboten, so daß ich von Einkäufen solcher Gegenstände absah. — Für ein zermürbtes und mottenzerfressenes Tuch mit handgroßen Löchern sollte ich 50 Gulden bezahlen. Dabei wußte mir kein Mensch anzugeben, woher das Gewebe stammte. Ich hielt es für ein vorderindisches Produkt. Die so gewebten Tücher dienen angeblich nur als Wöchnerinnenlaken.

Pongkeru-Malili, den 22. September.

Die letzte uns noch von meinem Reiseausgangspunkte Malili trennende Etappe sollte auf dem Flusse zurückgelegt werden, und ich freute mich schon darauf, bequem im Boote liegend, die Gegend an mir vorübergleiten zu lassen. — Der Pongkeru-Fluß ist ein echtes Gebirgskind. In den Kendári-Bergen entspringend, tritt er nach unterirdischem Gebirgsdurchbruch etwas oberhalb der Ortschaft Pongkeru an den Tag. Hier in seinem Oberlaufe ein wilder, stürmischer Gesell, der sich schäumend und tosend über mächtige Felsenbänke hinweg seinen Weg bahnt, wird er erst in seinem Unterlaufe zahmer, um endlich in den Malili-Fluß einzumünden. Die vereinigten Gewässer wälzen sich hernach in breitem Bette langsam und träge der Ussubai zu.

Es ist ein Wagnis, sich auf schmalem Bootsrücken dem ungebärdigen Pongkeru-Flusse anzuvertrauen, und viele hatten es mit dem Verluste ihrer Habe, wenn nicht gar ihres Lebens zu büßen. Ungezählte Bootsladungen Dammars sind dem tückischen Wasser schon zum Opfer gefallen, und eine ansehnliche Liste Ertrunkener mahnt zur Vorsicht. Da[S. 171] ich mich in Begleitung des Herrn v. A. befand, des höchsten Beamten des Distriktes, so verstand es sich von selbst, daß uns eine ausgesucht zuverlässige Rudermannschaft über die Fälle bringen würde, und ich trug daher kein Bedenken, mich und meine Sammlungen den Booten anzuvertrauen. Früh 7 Uhr bestiegen wir die zwei langen schmalen Fahrzeuge. Ein solides Holzdach schützte uns vor Sonnenbrand und allzu intimer Bekanntschaft mit überhängendem Baumgezweig. Um uns vor Spritzern zu sichern, hatte unser Gastfreund, der Dorfchef, auch die Längswände des von uns benutzten Bootes hermetisch mit Atapstücken verschließen lassen, eine Vorsichtsmaßregel, gegen die ich energisch opponierte. Denn erstens hätte man dabei von der Scenerie der Flußufer absolut nichts zu sehen bekommen, und außerdem konnten wir in einem so verrammelten Boote im Falle eines Malheurs elend ertrinken wie eine Maus in der Falle. Die Seitenwände mußten also wieder weg.

Die 7½ Stunden beanspruchende Fahrt nach Malili gestaltete sich, wenigstens in ihrer ersten Hälfte, sehr interessant. In den unglaublichsten Windungen hat sich der Fluß seinen Weg durch die Berge gesucht. Felsentore drängen das Gewässer in enge Kanäle zusammen, durch welche es brausend hindurchschießt. An scharfen Krümmungen des Flusses kamen die Boote mehrmals in Gefahr, an Felsen zu zerschellen. Die an den Bootsenden wachenden mit Stangen ausgerüsteten Männer bedurften der angestrengtesten Aufmerksamkeit und Geistesgegenwart, um Unfälle zu verhüten. An besonders gefährlichen Punkten sprangen sie ins Wasser und lenkten die Boote über die Hindernisse hinweg. Was die Talfahrt vor allem riskant machte, waren die vielen Untiefen und grobes Geröll. Mit Gepolter und heftigen Stößen, mit Schaben und Knirschen sausten die Fahrzeuge über solche Stellen hinweg. Meist verrät nur eine leichte Wirbelbildung oder ein schnelleres Fließen des Wassers dem kundigen Auge die drohende Gefahr.

Was nun die Gestaltung der Ufergebiete anbetrifft, so gleichen die Bergzüge bei Pongkeru einer geöffneten Schere. Sie treten allmählich[S. 172] nach links und rechts auseinander, um zuerst Dschungelstrecken, später Busch und Auenwäldern Raum zu geben. Gleichzeitig mit der Landschaft änderte auch der Fluß seinen Charakter: sein Bett wurde breiter und sein Lauf ruhiger.

Um die Mittagstunde erreichten unsere Boote die Einmündung des Pongkeru in den Malili-Fluß. Die Talfahrt auf dem in stattlicher Breite dahinfließenden Malili begann etwas einförmig zu werden, zumal die Mittagshitze sich sehr fühlbar machte. Die Strömung war so gemächlich, daß die Leute zu den Rudern greifen mußten. Mangrovendickichte säumten die Ufer. Eine sehr häufige Erscheinung waren hier Leguane und die großen Kammeidechsen, die wir oftmals beobachten konnten, wie sie im Stelzengewirr der Mangroven ihrer Nahrung nachjagten. An einer Flußbiegung überraschten wir auf einer Sandbank ein in der Sonnenglut schmorendes Krokodil, das sich bei der Annäherung unserer Boote schwerfällig und verdrossen in das trübe Wasser zurückgleiten ließ. Diesen drei Arten gefährlichster Fischräuber ist es zuzuschreiben, daß der Malili-Fluß so arm an Fischen ist. — Gegen 1 Uhr passierten wir die erste Ansiedelung. Es war Wiráo, ein ganz neu angelegter Kampong an der im Bau begriffenen Gouvernementsstraße Malili–Balambáno–Timámpu. Wir legten hier kurze Zeit an und besichtigten den Ort. Die Bevölkerung desselben ist vorwiegend mohammedanisch neben heidnischen Zuzüglern aus dem Landesinnern. Die mit umfriedeten Anpflanzungen umgebenen Häuser Wiráos waren durchweg sehr nett gebaut. Vor vielen Hütten hingen, auf trapezförmiger Sitzstange umhertrippelnd, nur mittels eines Fußringes festgehaltene allerliebste Zwergpapageien mit hellgrünem Gefieder und rotgelbem Köpfchen. Am Pfahlgerüst unter einem Hause baumelte eine auf die Blattscheide einer Sagopalme roh mit weißer Farbe gemalte Schreckfigur. Auf meine Erkundigung nach der Bedeutung derselben erfuhr ich, daß sich im Hause direkt über der Stelle, an welcher dieser Zauber befestigt war, die Liegestätte einer Wöchnerin befand, und daß die Figur ein Abwehrmittel gegen böse Geister darstellte. Diese Erklärung war[S. 173] mir um so wichtiger, als ich bei den Biseia im Gramardistrikte von Britisch-Nord-Borneo ganz genau denselben Brauch vorgefunden hatte. — Leider gelang es mir nicht, das seltene Stück für meine Sammlung zu erwerben, da nach dem Glauben der Leute Mutter und Kind hätten sterben müssen, falls man es weggenommen hätte. In Borneo konnte ich seinerzeit mehrere solcher Wöchnerinnenzauber ohne jede Schwierigkeit erwerben.

Die Flußfahrt fortsetzend, beobachteten wir etwas unterhalb Wiráo eine von Malili gekommene kreuzfidele buginesische Picknickgesellschaft. Die Leutchen lagerten im Schatten ihrer ans Land gezogenen Boote auf einer kleinen Grasinsel. Während die Männer fischten oder, im Grase liegend, auf ihren Ketjápis zupften, waren die Frauen und Mädchen mit der Bereitung der Mahlzeit beschäftigt. Also eine regelrechte Landpartie, tout comme chez nous. —

Das langsame Dahingleiten auf dem heißen Flusse begann recht langweilig zu werden, zumal die einsetzende Flut viele Stunden weit flußaufwärts die ohnehin geringe Strömung des Malili fast völlig zum Stehen brachte. Die Ruderleute mußten von nun ab tüchtig an die Riemen und feuerten einander mit Gesängen an. Aus dem Buschwerk des Flußufers tauchten jetzt häufig Sagopalmen auf. Der Marktwert einer ausgewachsenen Sagopalme beträgt in Malili 1–1½, verarbeitet aber 10–12 Gulden. In der Regel machen Bodenbesitzer und Kulis halbpart.

Inzwischen war der Malili-Berg in Sicht gekommen. Die Ansiedelungen mehrten sich, und allenthalben lugten die Hüttchen der Eingeborenen unter dem Grün der Kokoshaine hervor. Zahlreiche Boote begegneten uns; in einem winzigen Einbaum saß eine Mutter mit ihren beiden kleinen Jungen. Als sie, um uns vorüberzulassen, einen Augenblick mit Rudern aufhörte, rief ihr der am Steuer sitzende Knirps, ein kaum 5jähriger Bube, ein energisches: Aber Mutter, so rudere doch! zu, und willig folgte diese dem Gebote.

In großen Schleifen umströmt der Fluß die Malili vorgelagerten Berge. Endlich überwanden die Boote die letzte Windung, und Malili[S. 174] lag vor uns. Als wir an der Anlegestelle den Fuß auf festes Land setzten, schlug es eben die 3. Nachmittagstunde.

Nach dreiwöchiger Abwesenheit war ich nun also gesund und voll befriedigt von den Resultaten meiner Inlandmärsche an den Ausgangspunkt meiner ersten Celebes-Expedition zurückgekehrt. Welch ein wundervolles Gefühl der Geborgenheit war es doch, sich nach den vielen Anstrengungen und Entbehrungen in der Wildnis wieder in einem wohnlichen, gastlichen Hause zu wissen! — Herr v. A. aber sei hiermit nochmals herzlichst bedankt für die an mir geübte generöse Gastfreundlichkeit.

Die wenigen Tage bis zur Ankunft des Postdampfers, der mich von Malili wieder nach Paloppo zurückbringen sollte, vergingen mir im Fluge. Hatte ich doch über 350 Nummern ethnographischer Objekte »europafähig« zu verpacken, und wer da weiß, was solch eine Überseekiste alles auszuhalten hat, wird die Sorgfalt begreifen, mit der ich meine mühsam erworbenen Schätze gegen Zufälle aller Art zu sichern bemüht war.

Am Nachmittage des 28. Septembers verkündeten dumpfdröhnende Gongsignale hoch vom Ausguck des Malili-Berges herab der Bevölkerung das Eintreffen des Postdampfers in der Ussubai. Bereits ein Stündchen später gewahrte ich das den Fluß heraufkommende Motorboot desselben. Der joviale Kapitän des Dampfers, Herr v. P., hatte es sich nicht nehmen lassen, mich persönlich an Bord des »van Spielbergen« abzuholen. Bald schaukelten mich wieder die sanften Wogen des Bonigolfes, und dem im Abendlichte verschwimmenden schönen Land hinter mir eine frohe und glückliche Zukunft wünschend, beschließe ich diesen ersten Teil meiner Celebes-Reisen.

Ein Krokodil gleitet   ins Wasser

[S. 175]

II. Teil.
Reisen in den Toradja-Landen.

Tafel VI.
Die Königin von Luwu mit ihrem Hofstaat.

[S. 177]

Kopfvignette:   Weberin unter einem Sonnenschutz

Paloppo, der Schlüssel zum gewaltigen Bugireiche Luwu, dessen Gebiet, tief unten im Süden des Boni-Golfes beginnend, fast das gesamte centrale Celebes umfaßt und bis zur Tomini-Bucht im Norden der Insel reicht, lag zum zweiten Male vor mir.

Mit dem »van Spielbergen« von Malili kommend, hatten wir eine unruhige Sturmnacht hinter uns. Ein trüber Morgen dämmerte eben herauf, als die dumpf heulenden Töne der Dampfersirene der Bevölkerung Paloppos das Eintreffen des Postschiffes anzeigten. Die Schönheit des amphitheatralisch aufgebauten Landschaftsbildes, wie sie keinem anderen Küstenplatz von Mittel-Celebes eigen[S. 178] ist, war heut durch graue Dunstschleier stark beeinträchtigt. Dazu kam, daß unter dem bewölkten Himmel die sonst indigoblaue Flut des Golfes von Boni in einem fahlen Graugrün erschien und bei dem hohen Seegange die zahlreichen Boote fehlten, die bei meinem ersten Hiersein die weite Fläche belebten.

Verlassen lag die weite Bucht; weiße Schaumkämme fegten über den Meeresspiegel. Die Küste war wie ausgestorben. Schlief denn noch alles? — Verwundert suchten wir mit den Feldstechern die Küste und das weit hinausgebaute Pier ab. Wieder und wieder ertönte die Dampfpfeife. Da endlich begann es sich an Land zu regen, und ein einzelnes Boot stieß ab. Endlos lange dünkte es mir, bis es näher kam, und nun sahen wir auch deutlich eine — gelbe Flagge vom Stern des Bootes wehen. Wer da weiß, daß Gelb die Quarantänefarbe bedeutet, wird die Gefühle verstehen, die der Anblick dieser ominösen Flagge bei uns allen auslöste. Nicht lange mehr, und das Gefürchtete wurde zur Gewißheit: in Paloppo wütete die Cholera. —

Obschon in diesen Breiten die Cholera fast nie ganz erlischt und als nahezu endemisch bezeichnet werden muß, gehört es doch glücklicherweise zu den Seltenheiten, daß die Seuche in so bösartiger Form auftritt, wie es diesmal in Paloppo der Fall war, wo zur Zeit des Höhepunktes derselben bis 17 Todesfälle täglich vorkamen.

Das war nun allerdings ein recht unerwarteter Empfang. Das Fahrzeug mit der Hiobsbotschaft hatte nur die Postsäcke abgegeben und übernommen; an Bord durfte niemand. Der Dampfer konnte unter den obwaltenden Umständen weder Ladung löschen noch einnehmen, so daß der Kapitän beschloß, unverzüglich die Weiterfahrt anzutreten. Ich befürchtete schon, daß auch meiner Ausschiffung Schwierigkeiten bereitet werden könnten. Doch nein, schon näherte sich eine Schaluppe mit der Regierungsflagge im Heck. Der Herr A.-Resident von Paloppo, Herr Breedveldt de Boer, hatte die besondere Liebenswürdigkeit, mich auch heut wieder abholen zu lassen. Ich kam ja aus dem noch unverseuchten Malili und durfte also ungehindert an Land gehen, stand jedoch nach dem Betreten desselben ebenfalls unter Quarantäne und hatte[S. 179] alle Annehmlichkeiten derselben durchzukosten. Doch da gab es kein langes Besinnen. Eiligst verabschiedete ich mich von dem Kapitän und begab mich, nur von meinem makassarischen Boy Rámang begleitet, in das unser harrende Boot.

Es war gerade ein Monat verstrichen, seit ich die betriebsame Luwu-Residenz zum ersten Male betreten hatte. Damals pulsierte ein frohbewegtes Leben im Orte, und das geschäftliche Treiben spielte sich in echt orientalischer Weise vor den Häusern ab, wo Rotangbündel verschnürt, Kopra verladen, Dammar gehandelt und große Körbe voll Baumwolle abgewogen wurden. In der stets bedenklich trüben Flut des Paloppo durchströmenden Flüßchens tummelten sich Scharen von Badenden beiderlei Geschlechts. Auf dem Marktplatze hatten sich Trupps von Inlandbewohnern — Toradja und Torongkong — gelagert, um ihre heimatlichen Produkte feilzubieten. Malayische Soldaten der kleinen Garnison pilgerten brüderlich, Arm in Arm oder in Begleitung ihrer Schönen, von Tóko (Laden) zu Tóko. In dem mich umgebenden Nationalitätengemisch waren Ambonesen und Timoresen, Chinesen, Japaner, indische Juden und Araber die hervorstechendsten Elemente neben bedächtig schreitenden einheimischen Bugi und den hochmütigen Luwuresen, welche sich bemühten, durch würdevolles Auftreten zu ersetzen, was ihnen seit der Umgestaltung der politischen Verhältnisse an Einfluß verloren gegangen war.

Wie ganz anders war das alles heut! Öde und leer waren die Straßen des Ortes, verschlossen die Türen der Häuser. Aus den Fensteröffnungen aber drangen murmelndes Beten und verhaltenes Weinen dem Vorübergehenden ins Ohr. Viele Läden waren gesperrt, ihre Inhaber der Seuche erlegen. In ganz Paloppo war kaum ein Haus zu finden, an dessen Pforte nicht ein gelbes Fähnchen vor der Krankheit warnte, und viele Häuser waren durch straff zwischen zwei Bambusstecken ausgespannte quadratische weiße Tücher als Sterbehäuser gekennzeichnet. Vor anderen Türen steckten umgekehrte, mit Kalk beschmierte Tontöpfe auf Stangen, — eine Art Abwehrzauber gegen die[S. 180] Cholera. Scheu und gedrückt schlichen die wenigen mir auf meinem Wege zum Fremdenhause begegnenden Leute an den Häusern entlang. Verlassen wie der ganze Ort lag auch der Marktplatz, dessen malerisches Treiben mich vordem so entzückt hatte.

Unter derart veränderten Verhältnissen ging mein diesmaliger Einzug im »Pasangrahan« von Paloppo vor sich. Ich war noch mit dem Unterbringen meines Gepäckes beschäftigt, als ich durch den Besuch des Herrn Hauptmannes Knegtmans erfreut wurde. In seiner Begleitung machte ich mich alsbald auf den Weg, dem Herrn A.-Residenten meine Aufwartung zu machen. Er empfing uns in seinem Bureau und bewillkommnete mich freundlichst. Ich hatte die Absicht, meine Reisen im centralen Celebes mit einem Ausflug in die zum Reiche Luwu gehörenden Toradja-Lande zu beginnen, und der Herr A.-Resident war so liebenswürdig, mir diesbezüglich alle Unterstützung zuzusagen und mit mir die geeignetsten Routen zu besprechen. In Anbetracht der augenblicklichen prekären Verhältnisse in Paloppo, und um allen Komplikationen aus dem Wege zu gehen, beschlossen wir, daß ich gleich am kommenden Tage mit dem frühesten die Expedition antreten sollte. Besondere Vorbereitungen dazu waren für mich nicht zu treffen, da meine Ausrüstung allen Anforderungen genügte. Für die notwendigen Träger aber wollte der Herr A.-Resident freundlichst Sorge tragen. Alles irgend entbehrliche Gepäck konnte in Paloppo zurückbleiben. Da die Herren außerdem ein militärisches Schutzgeleit für notwendig erklärten, so wurden hierzu 15 Soldaten bestimmt, die unter der persönlichen Führung des Herrn Hauptmannes K. stehen sollten. Einen angenehmeren Reisegefährten konnte ich mir gar nicht wünschen.

Im Laufe des Tages machte ich noch einen größeren Spaziergang durch Paloppo, wobei mir speziell die Häuser der adeligen Luwuresen auffielen. Diese trugen als Rangabzeichen am Giebel Ananasfrüchte vorstellende Holzschnitzereien. Je mehr Blattreihen dabei den Fruchtkörper umgeben, desto höher ist die Adelswürde des Hauseigentümers. Die Pfahlgerüste, auf welchen die sehr großen, mit Malerei- und Giebelzieraten[S. 181] reich geschmückten Häuser ruhten, waren außergewöhnlich hoch, gemäß dem luwuresischen Adat, wonach das Haus eines Vornehmen so hoch stehen muß, daß unter demselben ein Krieger bequem durchreiten kann. Auf Gemütstiefe läßt die rührende Sitte schließen, wie die Luwuresen ihrer abgeschiedenen Lieben gedenken. Ist in einem Hause ein Sterbefall vorgekommen, so werden der Hut und das Kopfkissen des Verstorbenen auf das Hausdach gelegt, von wo sie erst durch Verwitterung wieder entfernt werden. Es geschieht dies in dem Glauben, daß die Seelen der Verstorbenen immer wieder nach der gewohnten Heimat zurückkehren.

108. Ansichten aus Paloppo.

[S. 182]

Am Nachmittag dieses Tages sollte ich noch das seltene Schauspiel einer Pest-Prozession erleben, an welcher sich die vornehme männliche Welt der luwuresischen Bevölkerung stark beteiligte. Interessant war dabei die Verbindung mohammedanischer Religionsübungen mit echt heidnischen Gebräuchen. Der Zweck des Umzuges war die Beschwörung der Cholera. Ein Hadschi und eine steinalte Frau — die Ceremonienmeisterin der Datu — wurden in Sänften vorangetragen. Sie waren von einer Schar Männer umgeben, welche die Reichskleinodien und uralte geschnitzte Ceremonialstäbe trugen. Auf diese Gruppe folgten der Prinzgemahl sowie eine große Menge Edler und Volk. An jeder Straßenkreuzung machte der Zug halt. Die Sänften wurden niedergesetzt, und die Menge warf sich auf die Knie. Gebete und Beschwörungsformeln wurden gesprochen, wobei eine Anzahl den Zug begleitender ehrwürdiger Matronen mittels Blattbüschel der heiligen roten Pflanze die Menge mit Wasser besprengte.

Den Abend verbrachte ich im gastlichen Familienkreise des Herrn A.-Residenten, wo sich auch die beiden Herren Garnisonoffiziere eingefunden hatten. Er verlief äußerst anregend, und erst die Meldung einer Ordonnanz, daß einer der Soldaten urplötzlich erkrankt und ins Lazarett eingeliefert worden sei, gemahnte an den Ernst der Zeit.

Paloppo — Salulimbung, den 30. September.

Noch kämpfte der Tag mit den letzten nächtlichen Schatten, als ich bereits auf den Beinen war, um das zur Mitnahme bestimmte Gepäck einer letzten Revision zu unterziehen. Auch die als Träger bestellten Toradja-Kulis waren pünktlich zur Stelle, so daß ich präzis um 6 Uhr am Rendezvous-Platz bei der Kaserne eintreffen konnte. Hier wartete meiner bereits Herr Hauptmann K. mit seiner Mannschaft, lauter stämmigen, felddienstmäßig ausgerüsteten Timoresen aus der Elitetruppe der Marechausée. Zu uns gesellten sich noch die Träger der Mannschaftsprovisionen, so daß unser Zug auf die ansehnliche Stärke von[S. 183] mehr als 40 Mann anschwoll. Über die Paloppo vorgelagerte Grasebene hinweg strebten wir auf gutem Wege dem am Fuße der Vorberge gelegenen Latúpa zu. Dieses ist ein am Flüßchen gleichen Namens inmitten schöner Fruchtgärten gelegener Regierungsbungalow. Ein idyllisches Fleckchen Erde, wie geschaffen als Ausflugsort und Erholungsstation für die wenigen Beamtenfamilien Paloppos. Kurz vor Latúpa, noch im Wiesenlande, waren wir an einem Punkt vorübergekommen, an welchem sich die luwuresischen Notabeln gelegentlich der hier zu Pferde betriebenen Hirschjagden zusammenfinden. Es ist dies eine für Luwu charakteristische Art des Jagdsportes, die gewandte Reiter und kräftige Männer erfordert. Die Jäger bedienen sich hierbei sehr langer, fein geschafteter und meist kostbarer, gold- und silberplattierter Lanzen, durch deren oberes Zwingenende ein feingeflochtenes Lasso läuft, das am Sattelknopfe befestigt wird. Durch Bracken werden die Hirsche aus den Hügeln in die Ebene herabgetrieben, hier von den Jägern gehetzt und mittels der in vollem Jagen übergeworfenen Halsschlinge zum Stehen gebracht. Trotzdem die Pferde darauf dressiert sind, geschieht es doch nicht selten, daß der Reiter bei dem plötzlichen heftigen Ruck aus dem Sattel geschleudert wird. Ist der Hirsch gestellt, so springt der Jäger blitzschnell vom Pferde und tötet das Tier mittels Lanzenstiches.

Trotz der verlockenden Reize Latúpas marschierten wir ohne Aufenthalt durch. Wir kamen nun in ein reich angebautes Tal, das sich mehrere Stunden weit zwischen den sich sacht verengenden Gebirgsausläufern dahinzog. Die Hänge derselben waren fast gänzlich entwaldet, und weit hinauf zogen sich die Felder und Hütten der Talbewohner. Gut gepflegte Mais- und Pisang-Anpflanzungen breiteten sich zu beiden Seiten des Weges aus. Allerorts ragten die eleganten, hochstämmigen Arekapalmen über das Buschland hinaus, und in erstaunlicher Anzahl fanden sich Zuckerpalmen, deren schwarzgrüne Riesenwedel sich dem Auge besonders bemerkbar machten. Verhältnismäßig sparsam schienen dagegen Clapabäume (Kokospalmen) vertreten[S. 184] zu sein. Große Flüge isabellfarbener Fruchttauben strichen, aus den fernen Waldgebirgen kommend, über das Tal hinweg, um in die Kulturen der Eingeborenen als ungebetene Gäste einzufallen und erst spät nachmittags gesättigt wieder nach ihren Waldrevieren zurückzukehren. Der laute dumpfe Ruf eines Sumpfvogels wurde von den Soldaten als regenverkündend gedeutet. — Um ½9 Uhr erreichten wir bei 300 m Höhe das aus wenigen Hütten bestehende Toradja-Dörfchen Latúpa in bereits recht steinigem Gelände. Die Bewohner waren auf ihren Feldern, und nur in einer engen finsteren Hütte fand ich eine kleine Gesellschaft beisammenkauernder Toradja. Sie nahmen kaum Notiz von meinem Eintreten und ließen alle meine Fragen unbeantwortet. Ich sah, mit Malayisch war es jetzt endgültig Schluß, und mein Boy Rámang würde von nun an Gelegenheit haben, als Dolmetsch seine Sprachkenntnisse zu verwerten. Immerhin dürfte es mit dem apathischen Verhalten der sonst so regsamen Toradja in diesem Falle noch eine besondere Bewandtnis gehabt haben, für die mir die Spuren eines wohl zu lange ausgedehnten Palmweingelages Aufklärung gaben. Nicht umsonst läßt man der Arenga saccharifera hierzulande so liebevolle Pflege angedeihen.

109. Palmweinköcher.

Auf unserem Wege begegneten wir mehrfach Toradja-Männern[S. 185] und -Frauen aus der Umgegend, die alle mit gelbweißen, sackartigen und fast die ganze Figur umhüllenden Umschlagetüchern (ókan) bekleidet waren, erstere außerdem mit den charakteristischen Kopfseilen (tali úlang), letztere mit großen Schattenhüten (sarong súsuk). Die Bevölkerung schien wirklich recht feuchtfröhlich veranlagt zu sein; denn alle führten einen geräumigen Bambusköcher voll süßen Palmweines mit sich, um von Zeit zu Zeit die stets trockene Kehle wieder geschmeidig zu machen. — Für einen europäischen Gaumen ist dieser Toradja-Nektar herb-säuerlich.

Eine geringe Wegestrecke hinter dem Dörfchen Latúpa begann sekundärer Urwald. Die Kulturzone hatte ihr Ende erreicht. Der Fußpfad wurde schmaler und schlechter. An dieser Stelle zog sich quer über den Weg ein torähnliches Bambusgerüst, von dessen Querbalken eine Anzahl fein zerfaserter Palmenblätter mit einzelnen daran befestigten weißen und schwarzen Hühnerfedern tief herunterhing. Daneben am Wegrande war eine größere Anzahl Stäbe in die Erde gestoßen, in deren Enden mundgerecht fertiggemachte Sirihpriemchen steckten. Das Ganze stellte einen Wegezauber vor zur Verhütung einer Einschleppung von Krankheiten. Als Erreger derselben vermuten die Eingeborenen böse Geister (hantu). Um 10 Uhr waren wir am Fuße des quer vor uns liegenden Orásso-Gebirges angekommen, und es galt nun, den 1050 m hohen Gunung-Balúbu zu übersteigen. Durch wundervollen Urwald ging es auf steilen Geröllpfaden in die Höhe. In dem prachtvollen Baumbestande des Balúbu fielen mir vor allem die enorm hohen und kerzengerade in die Höhe strebenden Níbung-Palmen auf, deren Stämme zu den wertvollsten Bauhölzern gezählt werden. — Unterwegs entdeckten die voranmarschierenden Soldaten auf einem sonnenbeschienenen Fleckchen eine träge ruhende Riesenschlange. Statt sie uns Europäern zu zeigen, machten sie einen derartigen Spektakel, daß es dem Python zu dumm wurde und er sich seitwärts in die Büsche schlug. Ich sah das mächtige, an 5 m lange Tier eben noch im Unterholze verschwinden. —[S. 186] Diese Malayen benahmen sich wie Kinder. Jede Blume am Wege wurde geköpft, jedes Tier und jeder Vogel mit Hallo verjagt, vorüberschwebende Falter, wenn irgend möglich, zu Boden geschlagen. Sie machten mir auf diese Weise jede Naturbeobachtung unmöglich und mußten deshalb nun hinter uns marschieren.

110. Nibung-Palmen im Balúbu-Waldgebirge.

Nahe vor der Paßhöhe kamen wir an einer Bergrutschstelle vorüber. Eine schätzungsweise 70 m breite Öffnung klaffte hier im Urwaldgürtel.[S. 187] Wie abrasiert war die Schutthalde, die sich in bedeutende Tiefe hinabzog und in ein wüstes Durcheinander entwurzelter Bäume, Sandmassen und Felsbrocken auslief. Über den nicht sehr breiten Rücken des Balúbu hinweg gelangten wir in steilen Serpentinen ins Tal des Salu Pengiu. Dieses bildet nur eine schmale tiefe Rinne, jenseits welcher das Gebirge wieder ebenso hoch ansteigt wie hüben, nur mit dem Unterschiede, daß die nun quer vor uns liegenden Gebirgszüge statt des Hochwaldes höchstens niederen Baumwuchs, Busch und rohrbestandene Flächen aufwiesen. Die Ursache dieser Waldarmut dürften Waldbrände gewesen sein. Bis hierher war unser Weg verhältnismäßig leicht zu begehen gewesen; nun wurde das anders, da die Eingeborenenpfade Umgehungen von Bergen verschmähen und stets eigensinnig geradeaus führen. Wir sollten diese Absonderlichkeit heut noch reichlich zu kosten bekommen. Dazu kam der erschwerende Umstand, daß auf die bisher durchwanderten Gebirgswälder nun schattenlose, sandige Hänge folgten, die wir in der größten Mittagshitze zu erklimmen hatten. Kein Faden blieb dabei trocken, und Herz und Lunge hatten schwere Belastungsproben auszuhalten. Unsere Marschkolonne löste sich wieder in eine lange Linie auf, und als wir an der Spitze des Zuges den ersten Höhenrücken erreicht hatten, sahen wir die letzten Nachzügler eben das Pengiu-Tal verlassen. Oben belohnte uns ein selten schöner Rundblick, der mich gern die Mühe des Anstieges mit in den Kauf nehmen ließ. Der Pfad folgt in seinem weiteren Verlaufe getreulich der Profilierung des Gebirges, und entzückende Ausblicke in die tief unten gelegenen Täler und auf das zerklüftete Orásso-Gebirge eröffneten sich. Während dieser Wanderung stießen wir ein einzigesmal auf eine bewohnte Stätte, eine altersmorsche, etwas abseits vom Pfade gelegene Berghütte. Eine sturmzerzauste einsame Kokospalme ragte als Wahrzeichen des Platzes hoch in die Lüfte. Wie ich hörte, wurden gerade um dieses Gebiet jahrzehntelange, erbitterte Kämpfe zwischen den Toradja-Stämmen ausgefochten, bis die holländische Regierung hier gründlich Remedur schaffte. — Der[S. 188] von uns begangene Grat fiel an seinem Ende ungemein jäh nach dem Salulimbung-Tale ab. — Um die 3. Nachmittagsstunde betraten Herr Hauptmann K. und ich die kleine Siedelung Limbung. Ein von der Regierung hier errichtetes kleines Unterkunftshäuschen gewährte uns Obdach, während das nachkommende Militär in einem anderen Quartier untergebracht wurde.

111. Toradja-Gruppe.

Wie in Südost-Celebes ist auch in den Toradja-Landen das Bestreben des Gouvernements darauf gerichtet, die im Gebirge zerstreut lebenden Familien zu Dorfschaften zu vereinen. Das am Knotenpunkte mehrerer ausstrahlender Gebirgstäler in 516 m Höhe gelegene Limbung ist so entstanden. Die Häuser der hier angesiedelten Toradja-Familien sind auf Veranlassung des Gouvernements nach hygienischen Grundsätzen erbaut, also nüchtern und ohne jede Originalität. Allmonatlich zweimal findet in Limbung ein Markt (pásar) statt. Wir hatten das Glück, gerade an einem solchen Markttage einzutreffen. Der Höhepunkt des geschäftlichen Treibens war zwar bereits überschritten;[S. 189] doch waren noch gegen 200 Menschen anwesend. Ungeachtet meiner Müdigkeit begab ich mich in das Gewühl der zur Heimkehr rüstenden Marktbesucher, die heut aus den entlegensten Ortschaften hier zusammengekommen waren. Auf dem freien Rasenplatze vor unserem Quartier hatten die Verkäufer ihre Waren vor sich ausgebreitet. Wer kein schattiges Plätzchen gefunden hatte, suchte sich durch Matten oder belaubte Zweige gegen die Sonne zu schützen. Überwiegend waren es Frauen und junge Mädchen, die Waren feilboten. Sie saßen in dichten Reihen und streng nach Warengruppen geordnet. Die Mehrzahl unter ihnen bildeten die Reisverkäuferinnen, hinter welchen eine zweite Reihe mit Gemüse und Früchten, Geflügel, Eiern usw. folgte. In einer Ecke des Platzes waren roh gearbeitete Tongeschirre aufgeschichtet, in einer anderen Sonnenhüte, Gewebe, Korbwaren, die viel gekauften geflochtenen kleinen Dosen für Tabak, Gambir usw. — Der Reis wurde in gebündelten Ähren verkauft, der Mais in Kolben. Eine angeregte Stimmung herrschte unter der Menge, und munteres Gekicher erscholl aus den Reihen. Zwischen den einzelnen Gruppen trieb sich die junge und ältere Männlichkeit herum, und es schienen durchaus nicht nur geschäftliche Angelegenheiten erörtert zu werden.

112. Toradja: Kopfringe, Tabaksbeutel und Kalkdosen.

Die Bekleidung der Männer bestand durchgehends aus der kurzen Bugihose, zu der heut als an einem Festtage noch einfache Kattunjacken kamen, über die sich das gelbe Schultertuch, Okan genannt, togaähnlich herumschlang. Keinem männlichen Wesen durfte das Kopfseil fehlen, das in allen Stärken getragen wurde. Es wird damit das lange Haupthaar festgehalten, und gleichzeitig ersetzt das »tali úlang« jede andere Kopfbedeckung. Wirkliche Hüte trugen nur die Weiber, und zwar weite, gerundete Bastgeflechte mit gefälligem Sternmuster. Junge Frauen und Mädchen waren in prall anliegende Kattunjäckchen gekleidet, die sich in ihrer Ausführung wenig von Männerjacken unterschieden. Vorgeschrittenere Jahrgänge trugen die Brüste unverhüllt, wie dies bei den Toradja-Frauen im Alltagsleben die Regel ist, im Gegensatze zu den unverheirateten Mädchen, welche den Oberkörper[S. 190] stets bedeckt tragen. Die Hüften der Schönen umhüllten Röcke aus ungefärbtem Stoffe, den sie selbst weben. Die niemals durch eine Wäsche gefährdete Widerstandsfähigkeit derselben wird bis ins unendliche ausgenutzt. Ich bekam altehrwürdige Exemplare zu sehen, zerfranst und durchlöchert wie eine alte Sturmfahne und von der undefinierbaren Farbe langjährigen Gebrauches. Dabei tragen gerade die ältesten Semester die kürzesten Röckchen, — oft so kurz, daß sie kaum noch die Knie bedecken, während sich die jüngere Generation schamhaft bis zu den Knöcheln verhüllt. Die schon erwähnten Schultertücher bestehen aus zwei zusammengenähten, ungefähr je 2 m langen und ¾ m breiten Tüchern aus demselben Gewebe wie die Weiberröcke. Ihre Verwendung ist vielseitig. So werden sie von Männern wie Weibern als Schlafdecken benutzt. Tagsüber dienen sie erstlich als Überwurf, ferner taschenförmig zusammengelegt als Rucksack. Locker gewickelt und hochgebauscht um die Lenden gewunden, mit weit überhängenden Rändern, werden sie von den Männern als Überkleid benutzt, wobei tiefere Falten als Taschen dienen. Fest gerollt und[S. 191] von der Achsel aus schräg über die Brust geschlungen, werden sie meist auf Märschen getragen.

Den Europäer berührt es eigentümlich, die Toradja-Frauen völlig schmucklos oder, wenn es hoch kommt, mit einer Blüte hinter dem Ohr oder einem Farnbüschel im Haar zu sehen, während die Männer aufgeputzt waren wie anderwärts junge Mädchen. Das Prunkstück der Männer bildete stets der Tabaksbeutel vom einfachen Tuchsäckchen an bis zur goldplattierten Tasche, die vorn am Gürtel zur Schau getragen wird. Je nach Wohlhabenheit waren ihre Fingerringe und Armbänder aus dickem Silber, aus Messing oder aus Muscheln hergestellt. Diese Schmucksachen waren vorwiegend Erzeugnisse buginesischer Herkunft, wie auch die zum Teil sehr geschmackvoll gearbeiteten silbernen Kalkdosen. Die Leistungen unbeeinflußter Toradjakunst veranschaulichten die bis ins kleinste sauber gefertigten Behälter aus Bambus mit reizenden eingeschnittenen Dessins. Die zum Teil künstlerischen Geschmack verratenden Muster scheinen Gegenstand der Überlieferung zu sein, da bestimmten Distrikten beharrlich wiederkehrende Zeichnungen eigen sind. Dem Geschmacke des Verfertigers bleibt dabei natürlich ein weiter Spielraum. Die Ornamente werden ohne Benutzung einer Schablone aus freier Hand eingeschnitten, und in Anbetracht des hierzu benutzten primitiven Werkzeuges — eines gewöhnlichen Messers — verdient die Arbeit alle Anerkennung. Früher sollen figürliche Darstellungen nicht selten gewesen sein. Trotz ausgesetzter hoher Belohnungen gelang es mir jedoch nicht, auch nur ein Belegexemplar zu erhalten, so daß ich diese Kunst gegenwärtig als erloschen ansehen muß. Es ist dies um so seltsamer, als gerade bei den Toradja Darstellungen aus dem Menschenleben sonst durchaus nicht zu den Seltenheiten gehören und die Malereien auf ihren Häusern, Reisscheunen und Brückenköpfen, sowie auf ihren Schilden Motive dieser Art in reicher Fülle aufweisen.

Kurz nach 4 Uhr, als sich schon die meisten Marktbesucher auf den Heimweg gemacht hatten, fiel ein kurzer, heftiger Gewitterregen[S. 192] und trieb die Zurückgebliebenen zur schleunigen Flucht. Mit hochbeladenen Rückenkörben traten die Frauen und Mädchen die Heimkehr an, und binnen wenigen Minuten hatte sich die Menge zerstreut.

113. Salulimbung-Tal.

Ich hatte meine Zeit redlich benutzt, und eine ansehnliche Menge ethnographischer Gegenstände füllte den Vorraum unseres Häuschens. Mittlerweile waren auch das Militär und die Trägerkolonne nachgekommen, und als dem erfrischenden Regenschauer ein herrlicher lauer Abend folgte, entwickelte sich auf dem freigewordenen Marktplatze ein höchst interessantes Leben und Treiben. Die Mannschaften kochten im Freien ab, und die ganze Dorfbewohnerschaft gesellte sich zu den Soldaten. Friedlich lagerte alles bei- und durcheinander, und die Dorfschönen verstanden es gar bald, unsere Soldaten für die Mühe und Entbehrungen auf dem heutigen langen Marsch zu entschädigen.

Salulimbung — Makále, den 1. Oktober.

Mit frischen Trägern verließen wir um 7 Uhr morgens Salulimbung, (= Kesselloch), das seiner Lage den Namen verdankt (limbung = Loch, Kessel; sálu = Fluß; also »Kessel am Flusse«). Auf gutem Stege wurde der nahe Fluß überschritten, dessen vielgewundenem malerischen[S. 193] Tale wir nun mehrere Stunden folgten. Der Pfad zog sich eine Hügelkette entlang, in allzu reichlichem Wechsel steigend und fallend. Die Gegend war absolut waldlos, eine Folge der uneingeschränkten Raubwirtschaft der Talbewohner. Die Äcker zogen sich weit die Hänge hinauf. Häufig bemerkte ich wallumringte kleine Siedelungen, die stets auf isolierten Kuppen angelegt waren, eine Erscheinung, die auf die früheren unsicheren Zustände zurückzuführen ist, als noch Überfälle und Raubzüge durch sklavenjagende buginesische Händler zu den Alltäglichkeiten gehörten. Eine auf einem Hügel errichtete Doppelreihe großer kegelförmiger Steinblöcke ließ eine alte Kultstätte vermuten. Große Talflächen waren intensiv bewirtschaftet und ließen überall deutlich die künstlichen Terrassen von Reisfeldanlagen erkennen. Interessant waren auch die Ufer des Limbung-Flusses, der sich hier tief in die weichen Gesteinsschichten eingewühlt hat. Diese zeigten die verschiedensten Farben: Violett und dunkles Schieferblau, Serpentingrün, Rot, Gelb und kreidiges Weiß aller Schattierungen. Tief ockerfarben erschien auch das Gewässer selbst, und die blank gespülten Böschungen schimmerten metallisch im Sonnenglanze. An der Lisière eines rechts auf einer Anhöhe gelegenen Dörfchens lag ein ungeheuerer Findling von malachitgrüner Färbung. Wie von Titanenfäusten schien er mitten in die Fluren geschleudert zu sein, und deshalb wie seiner merkwürdigen Gestaltung wegen, die an das Vorderteil einer buginesischen Prau erinnert, dünkt er den Eingeborenen dem Himmel zu entstammen. Sie nennen den Felsblock »kápal« (= Schiff) und verehren ihn als Wohnplatz der Geister.

114. Toradja-Brücke bei Salulimbung.

Eine kurze Strecke weiter überschritten wir ein Nebenflüßchen des Salu-Limbung auf einer im Toradja-Stil erbauten Brücke mit einfachen Ornamenten. Bald darauf verließen wir das Salulimbung-Tal um sofort die kahlen Höhen des Kambútu-Gebirges hinanzusteigen. Letzteres trug ausgesprochen vulkanischen Charakter. Regellos liefen die Bergzüge durcheinander. Riesige Erdrisse legten Zeugnis ab von der Tätigkeit gewaltiger Naturkräfte. Nacktes Gestein trat überall zutage,[S. 194] reizvoll durch die Mannigfaltigkeit seiner Farben vom leuchtenden Zinnoberrot bis zum fahlen Grau. Auf der Höhe eines Bergrückens entdeckten wir in windgeschützter Mulde eine einzelne Toradjahütte. Die ganz aus Bambuslatten hergestellte niedrige Kate ruhte auf einem kaum 50 cm hohen Pfahlgerüst mit untergelegten flachen Steinen. Das weit vorspringende, mit Geröllstücken beschwerte Grasdach berührte fast den Boden. Eine niedere schmale Tür vermittelte den Zugang ins Innere. Dieses bestand aus einem einzigen, äußerst beschränkten Gemache, in dem ich nur gebückt zu stehen vermochte. Dabei sind die Gebirgsbewohner durchaus nicht etwa klein, und auch sie vermögen sich nicht aufrecht darin zu bewegen. Der fensterlose Raum empfing einen spärlichen Lichtschimmer nur durch die Türluke, sowie den zwischen Hüttenrand und Dach ringsherum freigelassenen Spalt. Ein beißender Qualm erfüllte die Behausung. — Zuerst war es mir unmöglich, auch nur das geringste zu erkennen, und erst[S. 195] nach und nach unterschied ich im Halbdunkel mehrere halbnackte Weibergestalten, die um den Feuerplatz in der Mitte herumkauerten und mit Gemüseputzen beschäftigt waren. Mein Eintritt schien sie in Angst versetzt zu haben; denn keine von ihnen wagte aufzublicken. Mein freundliches Zureden in malayischer Sprache wurde wahrscheinlich gar nicht verstanden; jedenfalls fuhren die Frauen in stumpfer Resignation fort, ihre Arbeit zu verrichten, während ein paar kleine Kinder ein mörderisches Geschrei erhoben. Um mich genauer umzusehen, war ich gezwungen, mich ebenfalls auf den Boden niederzuhocken, und was ich dann zu sehen bekam, war auch noch wenig genug. Die unentbehrlichsten, jeder Verzierung ermangelnden Wirtschaftsgeräte, Bündel kleingespaltenen Brennholzes, einige an den Wänden hängende Kleidungsstücke, mehrere Sonnenhüte, einige Fischreusen, Ackergeräte und zwei einfache Lanzen bildeten den Gesamtbestand. Durch einen Querbalken konnte die Tür verriegelt werden. Daß diese Menschen in einem solch engen und finsteren Loche leben mögen, erklärt sich wohl daraus, daß in dieser Gegend häufig Erdbeben und Stürme auftreten, die den hochgebauten, größeren Häusern leicht verderblich werden. Außerdem fehlt diesen völlig abgeschlossen in den Bergen lebenden Leuten jeder Sinn für Behaglichkeit, während ich diese Eigenschaft bei den Toradja in den später von mir besuchten reichen Kulturtälern wohl entwickelt fand. Der armen Gebirgsbevölkerung scheint ein Unterschlupf wie der geschilderte als Schutz gegen die Witterung und als sicherer Schlafplatz für die Nächte gerade zu genügen.

An ethnographischen Gegenständen war hier nichts zu holen. Wieder ins Freie gelangt, atmete ich mit tiefem Behagen die reine Gebirgsluft. Ebenso prachtvoll wie eigenartig war die Aussicht von hier oben. Fast jede der benachbarten Bergkuppen trug auf ihrem höchsten Punkte ein Miniaturdörfchen, das stets von einem dichten Bambuswall umgeben war. Das Ganze erinnerte an die kahlen Kämme der Apenninenausläufer mit ihren uralten römischen Befestigungsanlagen.[S. 196] Der Grund dafür, Wohnungen gerade an so exponierten Punkten anzulegen, war wohl die Angst vor Erdbeben oder wahrscheinlicher vor feindlichen Überfällen. — Diese hohen Warten gewähren jedenfalls eine unvergleichliche Fernsicht und die Möglichkeit, Feindesnahen zu erkennen. Die zu diesen entlegenen Weilern gehörigen kargen Felder, von denen allein die Eingeborenen ihre Existenz fristen, lagen in versteckten Seitentälern. Mais und Gemüsearten, wie Bohnen, Erbsen, Gurken, Kürbisse und Bataten, sind so ziemlich das einzige, was hier oben angebaut wird.

115. Toradja-Frauen.
116. Sawas im Gebirge von Kambútu.

Bei nicht ganz 1000 m erreichten wir die Kammhöhe, von wo aus wir zu der etwas tiefergelegenen Regierungsstation Kambútu (822 m) niederstiegen. Kambútu bildet den Kreuzungspunkt der Wege nach Makále und Rantepáo, und das Gouvernement hat an dieser Stelle eine schöne Unterkunftshütte nebst Militärbaracken errichtet. Dicht[S. 197] hinter diesen Bauten stürzt aus dem Geklüft des Kambútu-Gebirges ein Wasserfall, welcher die Station mit köstlichem gesunden Quellwasser versorgt. Bei der leerstehenden Hütte wurde ein halbes Stündchen gerastet und das Frühstück eingenommen; dann aber ging es abermals einen steilen Saumpfad hinan, bis wir bei 1120 m auf dem höchsten Rücken des Kambútu-Gebirges standen. — Ein schwer zu beschreibender, unvergleichlicher Ausblick auf die in ihren höchsten Erhebungen mehr als 3000 m hohe Latimódjong-Kette erschloß sich uns von hier aus. Das mit einer spärlichen Grasnarbe bedeckte Plateau war gleich dem bisher durchwanderten Berggelände kreuz und quer mit Schründen und tiefen Rissen durchsetzt, die eine intensiv violettblaue Färbung der Erdmassen erkennen ließen. Aus dem fahlen Grün des Lalang ragten schwarze Felsblöcke in Kugelform. Auch dieser ungefähr eine halbe Stunde breite Höhenrücken lag bald hinter uns, und nun ging’s talwärts. Aus den Mulden der Tiefe herauf erglänzten silbern schimmernde Wasseraugen; junge Sawas prangten[S. 198] dort in ihrem ersten frischen Grün. Fast jeder Hügel trug auch hier sein Dörfchen, das, eingebettet in hochragende Kokoshaine, uns den baldigen Genuß junger Früchte verhieß. Alles deutete darauf hin, daß wir uns einem dicht bevölkerten Kulturtale näherten. Es war dies die Landschaft Simbuang-Mápak, deren Reisfelder zu uns heraufgrüßten.

Durch die von der See trennenden Gebirgszüge vor den unmittelbaren Übergriffen und Vergewaltigungen der luwuresischen Machthaber etwas geschützt, begann hier das eigentliche Reich des harmlosen und gutmütigen Toradja-Völkchens, das jahrhundertlange Bedrängnis zu überstehen vermocht hatte, ohne eine merkliche Einbuße seiner glücklichen sanguinischen Veranlagung zu erleiden. —

Die Behauptung der Luwu, jeder Toradja trage den Strick schon mit sich, an welchem man ihn als Sklaven fortführen solle — eine höhnische Anspielung auf die Kopfseile der Toradja-Männer — zeigt deutlich genug die Gefahren, welchen der Toradja-Stamm gegenüber den zahlreichen und besser bewaffneten Luwu ausgesetzt war. Am eindringlichsten aber predigten in den hier beginnenden volkreichen Distrikten die zahlreichen Bénteng (Felsenburgen) von den Leiden und Kümmernissen vergangener Zeiten, von den unaufhörlichen Angriffen und Kämpfen, welche die Schwächeren gezwungen hatten, auf unzugänglichen Höhen Schutz zu suchen.

117. Tal von Simbuang-Mápak.

Nach den bisherigen Wanderungen durch menschenarme Gegenden war der Anblick auf die sich zu unsern Füßen ausbreitende Landschaft von Simbuang-Mápak überraschend, und mit freudigem Staunen gewahrte ich das rege Leben, dem wir jetzt auf Schritt und Tritt begegneten. Auf allen Feldern und Sawas schafften die Leute. Hier bearbeitete ein nur mit dem Lendenschurz bekleideter stämmiger Mann, mit roh zugespitztem Holzstocke die Erde aufwühlend, das Feld neuer Aussaat. Dort waren ebenso dürftig bekleidete Weiber beschäftigt, die jungen Reispflanzen aus den Saatbeeten in die Sawas zu versetzen, während andere damit beschäftigt waren, Dämme für die Reisbeete[S. 199] aufzuwerfen, wobei sie bis fast zu den Hüften im schlammigen Wasser standen. Halbwüchsige, völlig nackt herumlaufende Kinder beschäftigten sich mit dem Ausjäten des zwischen der Saat wuchernden Unkrautes. Kurz: Leben, wohin man blickte. Alle Stadien des Reisbaues waren zu beobachten. Besonders prächtig wirkten die im jungen Grün prangenden Pflanzenbeete der Reis-Setzlinge; »pady, bras und nasi«, diese drei verschiedenen Benennungen hat die sonst so wortarme malayische Sprache für den Reis. Bereits hieraus geht hervor, welche vielseitige Bedeutung dieses Volksnahrungsmittel im weitesten Sinne des Wortes für den Ostasiaten hat. Pady ist der Reis in der Ähre; Bras wird die bereits entkörnte Frucht genannt; Nasi heißt der geschälte und schon gekochte Reis. In Central-Celebes ist der Reis, der in durchweg gebirgigen Gegenden durch die Maispflanze ersetzt wird, eine verhältnismäßig noch wenig anzutreffende Feldfrucht, und die Distrikte, in denen er gebaut wird, gehören daher stets zu den reichsten des Landes. Im Inneren ursprünglich unbekannt und erst von der Küste her eingeführt, hat derselbe bei den Toradja seine malayischen Namen behalten, wird aber auch »paré« genannt. Der in animistischen Ideen befangene Toradja[S. 200] erblickt auch in der Reispflanze ein beseeltes Wesen, und vom Beginn der Sawabereitung an bis zur glücklich eingebrachten Ernte sind alle Arbeiten mit einem streng zu beobachtenden Ceremoniell verknüpft. Unzählige Mythen knüpfen sich an den Reisbau, und die Reisgötter stehen bei den Toradja in höchstem Ansehen. Tatsächlich gibt es kaum etwas im Leben derselben, wobei der Reis nicht in irgend einer Form eine Rolle spielte, sei es bei der Geburt, bei der Erschließung, bei der Leichenfeier oder im Kriege.

Das Kulturtal von Simbuang-Mápak bildete die Eingangspforte zum Herzen der Toradja-Lande, und es drängte mich, rasch ins Dorf zu kommen. In hastender Eile wurde die letzte kurze Strecke zurückgelegt. Das erste, was mir in der Niederung in die Augen fiel, waren Toradja-Felsengräber. Diese »liang« sind nicht zu verwechseln mit den in Südost-Celebes gefundenen Totenhöhlen der Tolambátu. Dort handelte es sich um keine eigentlichen Gräber, sondern um Gebeinstätten, die dem ganzen Stamme gehören, während ich hier wirkliche, in das Gestein eingemeißelte Grüfte vor mir hatte. Da ich noch öfter Gelegenheit haben werde, auf den in vieler Beziehung merkwürdigen Totenkult der Toradja zurückzukommen, beschränke ich mich jetzt auf eine kurze Beschreibung. An einer steilen, glatten Wand des eben üherschrittenen Berges befanden sich in einer Höhe von 6–10 m über der Talsohle ungefähr ein Dutzend Felsenkammern. Angesichts ihrer Unzugänglichkeit konnte von einer Besichtigung derselben keine Rede sein. Ersichtlich war nur, daß die einzelnen Kammern durch sorgfältig der Felswand eingefügte, weiß und rot bemalte Holztüren verschlossen waren. Die Türöffnungen bildeten Quadrate von etwa ¾ m Seitenlänge. Von einer Planmäßigkeit in der Anlage war nichts zu bemerken. Die Gräber befanden sich regellos über- und nebeneinander, je nachdem sich die Felsenfläche gerade zur Bearbeitung geeignet erwiesen hatte.

118. Toradja-Felsengräber.

Die Felsenvorsprünge oberhalb der Liang waren mit Scharen weißer Kakadus (Cacadua sulfurea) bevölkert. Dem Vernehmen nach stehen[S. 202] diese Vögel in einem gewissen Zusammenhange mit der Totenverehrung der Toradja und werden durch regelmäßiges Füttern an die Nähe der Felsengrüfte gewöhnt. Die unleugbare Bevorzugung dieser Plätze läßt sich jedoch auch ganz gut anders erklären, indem die hungrigen Vögel sich rasch genug mit den bei den Liang niedergesetzten vollen Reis- und Maisschüsseln befreunden werden. Die gewöhnlich scheuen und wilden Kakadus sind an derartigen Lokalitäten ganz zutraulich, und ließen uns auch hier nahe herankommen. Ebenso zahm benahm sich ein großer Habicht, als wir uns den Liang gegenüber unter einem alleinstehenden Baum lagerten. Der Raubvogel ließ sich durch die Menge lärmender Menschen direkt unter seinem hohen Sitz durchaus nicht in seiner Ruhe stören. Flüge von Kakadus, die von den Felsenwänden herübergestrichen kamen, ließen sich dicht neben dem sonst so gefürchteten und gehaßten Räuber nieder, ohne daß dieser die geringste Notiz von ihnen zu nehmen schien. Raubvögel traten vom Mápak-Tale an überhaupt häufig auf; ich konnte während unseres Durchmarsches wenigstens 8 verschiedene Arten unterscheiden.

Um zu dem auf einer kleinen Anhöhe gelegenen Dorfe hinüberzugelangen, hatten wir die vor uns liegenden Reissümpfe auf kaum fußbreiten Dämmen zu überschreiten, wie sie die einzelnen Reisbeete voneinander trennen. Die Hütten waren nach dem von der Küste her eingeführten Typ erbaut und boten nichts Außergewöhnliches. Da wir noch Makále erreichen wollten, durften wir uns ohnedies nicht lange aufhalten. Rasch wurde noch der nächstbeste Mann im Dorfe veranlaßt, uns ein paar junge Kokosnüsse herunterzuholen, für welchen Liebesdienst er mit einem Silberling belohnt wurde. Der vielfach gehörten Behauptung, daß der Genuß junger Clapas (Kokosnüsse) der Gesundheit unzuträglich sei und Fieber und Dysenterie herbeiführe, kann ich nicht beipflichten. Trotz häufigen und reichlichen Genusses junger Nüsse auf allen meinen Expeditionen hatte ich niemals unter der geringsten unangenehmen Nachwirkung zu leiden. Allerdings genoß ich stets nur das Fruchtwasser und nie das Mark.

[S. 203]

In geringer Entfernung von Mápak kamen wir an dem Pásarplatz Leálung vorüber. Die Fortsetzung der sich weithin erstreckenden Ebene bildeten Sawas, die hier bereits unter Wasser gesetzt waren, so daß man glauben konnte, einen seichten See vor sich zu haben. Die Eigenart des ungewöhnlichen Landschaftsbildes wurde außerdem durch mittelhohe Randgebirge bedingt, aus deren weichem Gestein die Erosion bizarr geformte Spitzen und scharfe Grate herausgearbeitet hatte. Die abenteuerlich gestalteten Felsen verliehen der Scenerie ein seltsames und äußerst eindrucksvolles Gepräge. Besonders auffallend waren frei in der Ebene stehende und gegenwärtig wasserumspülte Kegel, die steil aus dem Reissumpfe emporragten. Einer derselben, auf dessen kleiner Plattform gerade noch ein knorriger Baum Platz gefunden hatte, war einem Dewáta (Gott) geweiht, und seine steilen Wände waren von Gläubigen über und über mit Bambusstäbchen besteckt, in welchen Sirihopfer eingeklemmt waren.

Immer die Mitte des sich mehr und mehr verengenden Talgrundes einhaltend, gelangten wir zuletzt in ein wahres Felsen-Defilé. — Während des erst kurze Zeit zurückliegenden Aufstandes gegen die holländische Regierung hatten die Toradja die strategischen Vorzüge dieses Engpasses wohl zu nutzen verstanden. Das durchmarschierende Militär wurde hier mit heruntergerollten Felsenstücken bombardiert und hatte einen harten Stand gegen die in unangreifbarer Position eingenisteten Feinde.

In diesen Schluchten gab es Unmengen zierlicher und herrlich gefärbter Bienenfresser (Meropogon centralis), die hier ideale Nistgelegenheit fanden.

In den Randgebirgen dieser Gegend waren überall zahlreiche Felsengräber. So sah ich unweit unseres Pfades wohl 20 m hoch an einer senkrecht emporsteigenden Berglehne eine bedeutende Menge solcher Grüfte. Diesen benachbart, klaffte hoch oben in der Wand ein tiefer Schlund, eine äußerlich schmale, sich nach innen zu beträchtlich erweiternde Gesteinspalte. Diese Schlucht diente der schauerlichen Bestimmung[S. 204] eines permanenten Massengrabes. Nicht alle Toradja sind in der Lage, sich Mausoleen ausmeißeln zu lassen; ärmere Leute bestatten ihre Toten an dieser Stätte. Man hüllt zu diesem Zweck die Leichen, gleichviel ob Mann, Frau oder Kind, in weiße Laken und schnürt sie auf ein schmales Brett. So verpackt, werden sie von ihren Angehörigen nach der erwähnten Schlucht transportiert, dort an Seilen hochgezogen und sonder Ceremonie in die gähnende Tiefe geworfen! — Unmittelbar neben diesem Orte des Schreckens hebt sich von einer Felsenplatte, wie mit dem Glase deutlich zu erkennen war, eine tiefschwarz erscheinende sitzende menschliche Figur ab, die anscheinend ein Kind in den Armen hält. Die Proportionen dieser Figur sind weit über lebensgroß, und die Toradja halten das Bildnis für einen Dewáta. Der immerhin beträchtlichen Entfernung halber konnte ich nicht feststellen, ob es sich dabei um eine Malerei oder ein Spiel der Natur handelte. Die Eingeborenen glauben jedenfalls an eine übernatürliche Entstehung dieses Bildnisses, und vor allem sind es Frauen, welche hierher pilgern, um dem Gotte zu opfern und ihm ihre Wünsche und Sorgen zu offenbaren.

Im weiteren Verfolge unserer Marschrichtung nach Makále zu überschritten wir einen niedrigen Höhenzug, wobei wir an einer dicht am Wegerande befindlichen Opferstelle vorbeikamen, die den Wegegeistern errichtet worden war. Der Pfad führte hier an einer niedrigen, von Reissümpfen begrenzten Lehne entlang. Im weichen Sandstein der steilen Böschung hatte man eine Menge kleiner, ovaler oder halbkugeliger Höhlungen ausgemeißelt. Jedes einzelne dieser Löcher enthielt eine Opfergabe an Tabak oder Sirih. Alle hier vorüberkommenden Wanderer haben der Opferpflicht nachzukommen, sollen die nach Toradja-Glauben an diesem Orte hausenden Dewáta nicht erzürnt werden. Sämtliche uns begleitenden Toradja brachten den Wegegeistern ihren Tribut. Auf meine Frage, ob wir anderen denn nicht auch opfern müßten, meinten sie naiv: wir hätten es nicht nötig; denn wir seien den Dewáta fremd, und diese fürchteten sich vor uns. Ihre Rache würden sie jedoch an den Eingeborenen auslassen, und um dem[S. 205] vorzubeugen, wurde der Sirihgabe noch ein kurzes Stoßgebet — eine extra starke Beschwörung — hinzugefügt. Der Gebrauch basiert auf der Gepflogenheit der Toradja, alle Unannehmlichkeiten und Widrigkeiten des Lebens dem Einflusse böser Geister zuzuschreiben. Im vorliegenden Falle hatte die Anlage des von der Opferstelle ab beginnenden Knüppeldammes mitten durch die Reisfelder der Bevölkerung zweifellos harte Arbeit gekostet. Schwierigkeit aber ist dem Eingeborenen gleichbedeutend mit Widerstand der am Orte hausenden Geister. Diese also mußten versöhnt werden und in guter Stimmung erhalten bleiben, und deswegen spendet jeder Passant sein Scherflein.

119. Den Wegegeistern errichtete Opferstelle bei Senala.

Seitlich an diesem aufgeschütteten Wege fielen mir wiederholt lange, in den Boden gesteckte Bambusgerten auf, die mit Stofflappen und darangeknüpften Sirihpäckchen behängt waren. In allen Fällen hatte man daneben einige Exemplare des heiligen roten Blattes in den Boden gesteckt. Auch dieser Zauber bedeutete eine Dewátabeschwörung. Jede dieser Bambusstangen kennzeichnete nämlich eine besonders böse Wegestelle. Vielleicht fand hier einmal ein Dammbruch statt, oder[S. 206] einem der Arbeiter war ein Unfall zugestoßen — ein untrüglicher Beweis für die Anwesenheit eines menschenfeindlichen Dämons der durch den hier angebrachten »Zauber« beschwichtigt, resp. unschädlich gemacht werden sollte.

120. Toradja-Feste Tondong-Sueia.

Ziemlich weitab vom Wege sahen wir bald in einem der Talzüge die allseitig von Sawas umgebene Toradja-Festung Tondong-Sueia liegen. Sie stellte ein Gruppengebilde der zahlreichen, diesen Gegenden eigenen, isoliert liegenden Felsengruppen dar, welche die Bewohner dieser Landschaft durch Verhaue und Umwallungen in eine Bénteng umgewandelt hatten. Jeder Vorsprung und jeder freie Fleck auf dem Berge war von einer ihrer Wohnhütten besetzt. In Kriegszeiten mußte diese Felsenburg unschwer gegen feindliche Angriffe zu verteidigen sein. In den vergangenen kriegerischen Zeiten galt es bei den Toradja als Regel, Dörfer auf schwer zugänglichen Plätzen anzulegen. In ursächlichem Zusammenhange mit dieser durch die regelmäßigen Raubzüge ihrer luwuresischen Nachbarn gebotenen Vorsicht dürfte vielleicht auch die Bestattung ihrer Toten in unzugänglichen Felsengrüften stehen. Nach uralter Sitte geben die Toradja vornehmer Herkunft[S. 207] ihren Abgeschiedenen den bei Lebzeiten getragenen Schmuck und außerdem reiche Gaben an Gewändern, Geschirren usw. mit in die Gruft. Diese bildeten somit bei räuberischen Überfällen willkommene Beute. Es hat also wohl einige Wahrscheinlichkeit für sich, daß die Bevölkerung, um ihre hoch in Ehren gehaltenen Gräber vor Schändung durch Feindeshand zu bewahren, auf den Gedanken kam, diese in nicht ohne weiteres erreichbaren Felswänden anzulegen! Im ganzen übrigen Central-Celebes sind diese Liang völlig unbekannt.

Bei der Ortschaft Pásang wurde die Talebene von Tondong-Sueia durch einen Höhenzug mit nahezu senkrecht abfallenden Wänden abgeschlossen. — Sogar auf schmalen Rändern und Vorsprüngen hatten sich Toradja-Hüttchen eingenistet, die gleich Schwalbennestern an den Felsen klebten. Es war schwer zu verstehen, wie Frauen und Kinder diese Gemspfade und Leiterkombinationen auf und nieder zu steigen vermochten. Daß es sich bei diesen für die Bewohner selbst so unbequemen Wohnungsanlagen um nichts anderes als um Sicherung vor Sklavenjägern handelt, war in Pásang leicht festzustellen. Alle diese Berghütten stammten noch aus älterer Zeit, während nach Beendigung der Kriegswirren sofort ein neues Dorf angelegt worden war, und zwar in einer bequem zugänglichen Einsattelung am Fuße des Gebirges.

Ein durch die Felsen gebrochener Hohlweg brachte uns über den Ausläufer hinweg, auf dessen anderer Seite wir bereits die Zinkdächer der Station Makále aus der Ferne herüberblitzen sahen.

Makále ist das zweitgrößte Kulturcentrum des Landes und Sitz eines Regierungsbeamten, der Militär- und Civilgewalt in sich vereinigt. Ziemlich genau in der Mitte des ungefähr eine Stunde langen Tales ist die Station angelegt. Klippenreiche Gebirgszüge umsäumen es, die eine wirkungsvolle Umrahmung des Landschaftsbildes abgeben. Eine Viertelstunde vor Makále liegt das von Reissümpfen umgürtete Felsennest Tondong-Dandelólo, einst Residenz[S. 208] des Puang Taróngkong, des Fürsten von Makále. Gleich Tondong-Sueia ist auch diese Toradja-Feste auf einem das Land ringsum beherrschenden Felsenhügel gelegen.

121. Toradja-Dorf Pásang.

Wir erreichten den behaglich eingerichteten Pasangrahan der Station gegen 5 Uhr nachmittags, kurz vor Ausbruch eines heftigen Gewitters. Nach Restaurierung unseres äußeren Menschen statteten wir dem Platzkommandanten Herrn Hauptmann Nobel unsern Besuch ab und fanden bei ihm freundlichste Aufnahme. Unter seiner Führung besichtigten wir die kleine regelmäßig angelegte Station, die einen vorzüglichen Eindruck machte. Sie besteht im wesentlichen aus den Dienstgebäuden für das hier stehende Militär, einem Lazarett, Bureaus und dem hübschen Hause des Kommandanten. Auch Spielplätze und Anlagen fehlen nicht. Das Militär wird zu regelmäßigen Streifzügen in die entfernteren Bezirke, sowie zu polizeilichen Diensten verwendet.[S. 209] So befriedigend es für den Chef der Station sein muß, an diesem entlegenen Vorposten der holländischen Macht nahezu autokratisch wirken zu können, so wenig dürfte dies eine volle Entschädigung für die Entbehrung des Umganges mit Europäern sein. Es war daher zu verstehen, daß Herr Hauptmann Nobel es bedauerte, daß wir schon am nächsten Morgen unsern Marsch fortsetzen wollten.

Das Interessanteste des Makále-Tales war für mich die Benteng Dandelólo und ihr Beherrscher, der Puang Taróngkong. Bei der Kürze unseres Aufenthaltes war es schwierig, die Bekanntschaft des Fürsten zu machen; doch dank der Verwendung des Herrn N. kam ein Arrangement zustande, demzufolge der Fürst noch im Laufe des Abends mit Gefolge nach Makále herüberkam und uns im Pasangrahan aufsuchte.

122. Regierungsstation Makále.

Puang Taróngkong wird von seinen Untertanen hochverehrt und von ihnen als ein Sohn des obersten Himmelsgottes angesehen. Er war ein kleiner untersetzter Herr mit schlauem Gesichtsausdruck. Trotz redlichsten Bemühens vermochte ich nichts Göttliches an ihm zu finden, wenn man nicht vielleicht sein joviales Wesen als solches ansehen will. Seinen Stammbaum führt er, wie schon erwähnt, bis auf Puang Matówa, den obersten Himmelsgott, zurück. Nach der Toradja-Legende[S. 210] kam Puang Matówa bei Makále vom Himmel zur Erde herab, um hier eine Prinzessin der Unterwelt zu heiraten. Dieser Ehe entsprossen 3 Söhne und mehrere Töchter. Als die Kinder groß geworden waren, kam es zu einem Riesenkampfe zwischen den Himmelsgöttern und den Geistern der Unterwelt, welch letztere die Gemahlin Puang Matówas mit Gewalt in ihre Heimat zurückholen wollten. Wirklich gelang es ihnen, die Prinzessin und deren Töchter in die Unterwelt zu entführen. Von den zurückgebliebenen Söhnen aber ging der eine nach Góa und herrschte dort als Fürst über ganz Süd-Celebes bis Duri. Der zweite ergriff Besitz vom Königreich Luwu bis Koláka; während der letzte und älteste die Toradja-Lande und die im Norden von Celebes gelegenen Fürstentümer als Erbe überkam. Zugleich erhielt dieser älteste als Zeichen seiner göttlichen Abkunft das Himmelsschwert Dóso. Von den 3 Brüdern erhielt nur er sein Blut rein, und die Toradja behaupten deswegen, daß im kleinen Finger ihres Fürsten weißes Blut fließe. Bei ceremoniellen Anlässen trägt der Puang Taróngkong silberne Schutzhüllen an beiden kleinen Fingern.

Der hohe Besuch wurde von uns natürlich auf das beste empfangen. Alle mitgebrachten Schätze wurden dem Fürsten vorgelegt, und einige Geschenke erregten seine besondere Freude. Der Landessitte gemäß ließen wir als Getränk den Fruchtsaft der Arengpalme kredenzen. Das von den Toradja sehr geschätzte, leicht säuerlich schmeckende Getränk (bálok) mundete in der Tat ganz angenehm und erinnerte etwas an guten Most. Nach der Gärung ist der Palmwein herb und bitter, wirkt stark berauschend und ist schließlich nur noch für Eingeborene genießbar. In vorgeschrittener Stunde erst verließen uns unsere Besucher, nicht ohne daß der Fürst mir bereitwilligst die Erlaubnis erteilt hatte, ihn bei unserem Gegenbesuche in Dandelólo photographieren zu dürfen.

[S. 211]

Makále — Bilálang, den 2. Oktober.

123. Puang Taróngkong, Fürst von Makále.

Die Halme der Reisfelder waren noch schwer vom Morgentau, als wir uns bereits auf dem Wege zur Feste Tondong-Dandelólo befanden. Gewiß waren die dahinführenden Pfade durch die Reissümpfe wenig angenehm; was aber wollte dies heißen gegenüber dem schauderhaften Aufstieg zur Benteng selbst! Da hausten nun diese Menschen seit Generationen hinter ihren Felsenmauern, ohne daß einer auf den Gedanken gekommen wäre, einen halbwegs gangbaren Pfad zu schaffen. Unverdrossen schleppen die Frauen der hier wohnenden Familien tagaus tagein die schweren Wasser-Bambusse oder Lasten vom Felde die steilen Felsenhänge hinan. — Um den unteren Gürtel der Feste zog sich eine Art Bastion, hinter welcher meterhohes Unkraut wucherte. Ziemlich weit oben erst standen regellos zerstreut die hochgiebeligen, eigenartig aussehenden Wohnhütten, um die sich künstlich errichtete Steinwälle herumzogen, die nur einen schmalen Gang um die Behausungen freiließen. Dürftigkeit und Raummangel drückten den Hütten ihr Signum auf.

[S. 212]

Der Puang Taróngkong in höchsteigener Person erwartete uns auf der ersten Plattform der Benteng. Umgeben von einigen Vertrauten und 2 Lanzenträgern empfing uns der Fürst in vollem Ornate. Es kostete uns Mühe, angesichts seiner Ausstaffierung die Fassung zu bewahren. Der wohlbeleibte hohe Herr steckte in kurzen Kniehöschen, deren Farbe noch schüchtern an einstiges unschuldsvolles Weiß erinnerte. Den robusten Oberkörper umhüllte schamhaft ein auf dem bloßen Leibe getragener dicker dunkelblauer Tuchrock, vermutlich ein älteres holländisches Uniformstück, das dunkles Schicksalswalten nach Central-Celebes verschlagen hatte, um es hier zu neuen, hohen Ehren erstehen zu lassen. Die Brustseite dieser Galajacke war mit messingnen Zierknöpfen in phantasievoller Anordnung benäht. Über dem Rocke trug Puang Taróngkong den Lámbung, das weiße Hüftentuch, schärpenartig um die Lenden gewunden, darunter, vom Tuche völlig bedeckt, das Himmelsschwert Dóso. Bei den Toradja wie bei den Luwuresen gilt das Offentragen des Schwertes als ein Zeichen kriegerischer, wenn nicht feindlicher Gesinnung. Es bedurfte daher wiederholter Bitten, ehe sich der Fürst zu dem etikettenwidrigen Vorzeigen des Himmelsschwertes, seines kostbarsten Besitzes, entschloß. Meine schon nicht großen Erwartungen, eine Prunkwaffe sehen zu können, sollten enttäuscht werden. Es handelte sich bei dem Staatsobjekt um ein nach europäischen Begriffen recht unscheinbares Stück, dessen kurze gerade Klinge sich allerdings durch sehr schönen Pamur auszeichnete. Historisch und von allen anderen in Celebes existierenden Formen abweichend war an dem Schwerte nur der aus feinem Pelée-Holze geschnitzte Griff. Der Tradition nach wurde dieser absonderlich gekrümmte Schwertknauf einst in einem heiligen Waringinbaume gefunden. Seit dieser Zeit wurden Schwerter mit dieser Grifform von den Fürsten und Vornehmen der Toradja für ihren ausschließlichen Gebrauch in Anspruch genommen, und kein gewöhnlicher Mann darf eine solche Waffe tragen. Derartige Pusáko-Objekte (uralte Erbstücke) gelten als unveräußerlich, und kein Preisangebot vermag den Besitzer zur Hergabe[S. 213] eines solchen zu bewegen. Die Zähigkeit, mit welcher derartige Objekte von ihrem Eigentümer festgehalten werden, erklärt sich daraus, daß in Ermangelung schriftlicher Urkunden adelige oder fürstliche Abstammung nur durch solche wertvolle Familienerbstücke bewiesen werden kann.

Die Vervollständigung der originellen Kostümierung Puang Taróngkongs bildete ein Unikum von Kopfbedeckung. Ein alter Tropenhelm europäischer Provenienz war anläßlich seiner neuen Bestimmung, ein Fürstenhaupt zu schmücken, rot angestrichen worden. Den derart veredelten Filz hatten Künstlerhände über und über mit kleinen, aus Goldpapier geschnittenen Hahnenfiguren beklebt, während an der Stirnseite ein paar stilisierte Büffelhörner aus demselben Material prangten. Unter dem Helme trug der Fürst noch das gewohnte Kopftuch (úlang) um die Stirn gewunden, dessen 4 Zipfel seitlich und rückwärts hervorstanden. Im drolligen Gegensatze zu dem feierlichen Aufputze des Fürsten standen seine nackten dicken Waden und bloßen Füße, und man wird zugeben, daß es nicht ganz leicht war, dabei ernst zu bleiben. Lediglich der die Brust Puang Taróngkongs schmückende Oranje-Orden enthob mich jeden Zweifels, einen anerkannten Landesfürsten vor mir zu haben.

Nach den Empfangspräliminarien beeilte ich mich, meine mitgebrachten Geschenke, eine Halskette für den Fürsten und einige Perlenketten für seine Frauen, zu überreichen. Ich erwarb mir dadurch seine Huld in so hohem Grade, daß er mir als Gegengabe sofort eine Lanze und einen interessanten alten Schild aus Büffelhaut mit Muschelschmuck überreichen ließ. Nunmehr erfolgte die photographische Verewigung des Herrschers und hernach unter seinem persönlichen Geleit die Besichtigung der Benteng.

Die frühere Bedeutung Tondong-Dandelólos ist seit Begründung der Regierungsstation Makále stark im Zurückgehen begriffen. Der Fürst und die angeseheneren Familien haben sich im Tale neue, bequemere Wohnhäuser erbaut, so daß die gegenwärtigen Bewohner des[S. 214] Felsennestes fast durchgehends der weniger bemittelten Klasse angehörten. Außer einigen wenigen ansehnlichen Holzhäusern mit schön und kühn geschweiften, weit vorspringenden Dächern fand ich daher nur gewöhnliche Bambushütten, unter denen sich Rudel kleiner Schweine herumtrieben. Als Wohnstättengebiet hinterließ mir Tondong-Dandelólo somit keinen besonders erfreulichen Eindruck. Die Dürftigkeit der Hütten wurde jedoch wettgemacht durch die hochinteressanten Felsengräber, welche ich hier besichtigen konnte. Überall in den hohen Gneiswänden waren Grüfte mit quadratischer oder rechteckiger Eingangsöffnung ausgemeißelt. Die Himmelsrichtung scheint bei der Anlage der Liang von keinerlei Bedeutung zu sein. So öffneten sich die bei Mápak gefundenen Gräber in südöstlicher Richtung, die später bei Tondong-Sueia gesehenen in nördlicher und die hier befindlichen hauptsächlich nach West und Nordwest. Die Herstellung der Felsengräber ist außerordentlich mühsam und zeitraubend, und daher lassen die begüterten Toradja ihre Familiengrüfte schon zu Lebzeiten ausmeißeln.

In ihrer äußeren Gestaltung wichen die hier besichtigten Liang von den früher gesehenen etwas ab. Die Holztüren der letzteren schlossen glatt mit der Felswand ab; in Tondong-Dandelólo dagegen waren die Holztüren so tief eingerückt, daß vor ihnen geräumige Nischen freiblieben, deren Bestimmung es war, die Tau-Tau (Totenwachen) aufzunehmen. Mit dieser im Makále-Tale üblichen Aufstellung von Totenwachen hat es eine eigene Bewandtnis. Diese mit kriegerischen Attributen ausgestatteten menschlichen Figuren symbolisieren einen von den Toradja sehr gefürchteten Gott, richtiger: bösen Geist, dem die Bevölkerung den größten Einfluß auf ihre Geschicke zuschreibt, und dem man daher die meisten Opfer darbringt. Damit nun der Dewáta sich überzeugen könne, daß ihm bei den Totenfeierlichkeiten alle gebührenden Ehrungen und Opfer von den Hinterbliebenen dargebracht worden sind, stellt man eine denselben vorstellende Puppe in den Grabnischen auf. Die Größe dieser Figuren ist recht verschieden und richtet sich nach der des Vorraumes. Ich fand solche von ½ m Höhe bis zur[S. 215] vollen Lebensgröße. Es war mir aber nicht möglich, zweifelsfrei festzustellen, ob mit der Bezeichnung »tau-tau« der Name des Dämons gemeint ist, oder ob nur die diesen darstellende Puppe so genannt wird.

124. Felsengruften in Dandelólo.

Es traf sich glücklich, daß ich in Tondong-Dandelólo ein im Entstehen begriffenes Felsenmausoleum besichtigen konnte. Die in Arbeit[S. 216] befindliche Gruft lag in einer Höhe von ca. 15 m über der Talsohle. Trotz dringenden Abratens meiner Umgebung ließ ich mir die Gelegenheit zu einer Besichtigung aus nächster Nähe nicht entgehen. Auf einer bedenklich schwankenden Bambusleiter, deren mit Arengfasern festgebundene schräg stehende Sprossen je ¾ m voneinander entfernt waren, kletterte ich vorsichtig in die Höhe. Mit einiger Mühe gelang es mir, mich auf die vor der Aushöhlung hergerichtete Plattform zu schwingen, auf welcher die Arbeiter ihr Werk begannen. Leider war die Arbeit noch zu wenig vorgeschritten, als daß sich viel darüber berichten ließe. Im grobkörnigen Granit war ein ca. 2 m tiefer und 1 m hoher Stollen mit rechtwinklig zusammenstoßenden Flächen ausgemeißelt, der, wie man mir sagte, bis auf Manneshöhe erweitert werden sollte. Dies war alles und die Klettertour der Mühe nicht wert. Ich war froh, als ich mit heilen Gliedern wieder unten war.

Alles Sehenswerte in Dandelólo war nun gewürdigt, und wir verabschiedeten uns dankend vom Puang Taróngkong, der mir noch versprach, mir das Modell eines Tau-Tau und einer Leichenbahre anfertigen zu lassen und nach Rantepáo nachzusenden.

Auf dem Rückwege zur Station kamen wir an einem interessanten Reisfeld-Fetisch von seltener Größe vorüber, der photographiert wurde. Als wir Makále wieder erreicht hatten, war es bereits 9 Uhr geworden, und lange schon harrten die neuen Träger des Aufbruches.

Rasch empfahlen wir uns bei Herrn Hauptmann N., und dann ging es auf unser neues Ziel, Bilálang, zu.

Der Morgen war prächtig, aber bereits sehr heiß. Kein Lüftchen regte sich, und unbeweglich, wie eingemauert standen die Bambusfetische, welche hier in erstaunlicher Menge auftauchten. Allenthalben ragten die bewimpelten Stangen in die Höhe; jedes kleine Reisfeld wies einen solchen »Zauber« auf, da eben die Neubepflanzung stattgefunden hatte. Die meisten der Sawas waren auch hier bereits unter Wasser gesetzt. In das ewige Einerlei brachten nur die zahlreichen Fischtümpel etwas Abwechslung. Diese waren künstlich hergestellte,[S. 217] tiefe, kreisrunde Wasserlöcher, die mit hohem Schilf eingefaßt waren. Beim Entwässern der Felder werden die kleinen Fische, welche die Reissümpfe in ungeheuren Mengen bevölkern — Aale und Welse — in diese Wasserreservate zusammengetrieben. Sie bilden die Zukost zu dem täglichen Reisgericht der Bevölkerung.

125. Reisfeld-Fetisch.
126. Felsengräber am Sádang-Fluß.

Schon nach kurzem Marsche kamen wir an das Ufer des tiefen und reißenden Sádang-Flusses. Dieser bedeutende Wasserlauf entspringt im Sesean-Gebirge. Seine periodisch wiederkehrenden Hochwasser und seine hier flachen und sumpfigen Ufer bildeten für einen Brückenbau bisher unüberwindliche Hindernisse, so daß eine Bambusfähre den Verkehr vermitteln muß. Es dauerte lange und kostete viele Mühe, ehe wir auf diesem Fahrzeuge den Sádang passiert hatten. Der Fluß bildete gleichzeitig die Grenze des angebauten Landes. Drüben betraten wir zuerst wüstes Überschwemmungsgebiet, das alsbald in buschbestandenes Hügelland überging. Hart am Fuße des ansteigenden Terrains[S. 218] ragten Felsen aus dem Ginstergestrüpp heraus, die einzigen im Umkreise. Just der kleinste von ihnen, eine Steinbank von kaum 2 m Höhe bei ca. 8 m Länge, enthielt eine Anzahl Grabkammern, die mir in mehr als einer Hinsicht bemerkenswert erschienen. War es schon auffallend, in so exponierter Lage überhaupt Liang anzutreffen, so war es noch unerklärlicher, daß man dafür nicht zum mindesten einen der dicht daneben gelegenen, viel größeren und vor den Überschwemmungen des nahen Salu-Sádang gesicherten Felsen gewählt hatte. Was diese Grüfte aber noch besonders vor allen anderen bisher gesehenen unterschied, war ihre auffallende Kleinheit, die wenig sorgfältige Bearbeitung des Gesteins und die geringe Zuverlässigkeit der Verschlüsse. Das Allersonderbarste aber waren die zu diesen Miniaturgräbern gehörigen Totenwachen. An einem den Liang gegenüberliegenden riesigen Steine hatte man ein Bambushäuschen errichtet, das nicht weniger als 7 lebensgroße Tau-Tau enthielt. Zur besseren Würdigung dieser merkwürdigen[S. 220] Gräber am Sádang füge ich eine Photographie derselben bei. Ein Grund für die weder vorher noch später jemals wieder angetroffene Vergesellschaftung der Totenwachen in einem besonderen Hause ließ sich nicht finden; denn der Erklärung, vor den einzelnen Grabkammern sei kein Platz und eine Verkleinerung der Figuren könne die Dewáta erzürnen, widerspricht die auf der Photographie deutlich erkennbare, in der Gruft außen links untergebrachte Tau-Tau-Figur.

127. Totenwachenhaus der Felsengräber am Sádang-Fluß (oben) mit dazugehörigen Puppen (vergrößert, unten).

Aus den unserer Wegerichtung vorgelagerten Hügeln wurden bald ansehnliche Bergzüge, über welche hinweg wir dem Tale des Taparang, eines Nebenflusses des Sádang, zustrebten. Unterwegs begegnete uns ein Trupp Toradja, die ein großes Schwein zum Verkaufe nach Makále brachten. Dieses hing ganz gemächlich in breiten Fasergurten, die an zwei langen Stangen befestigt waren. Vier Mann hatten schwere Mühe, das Ungetüm über die Berge zu schleppen. Vier andere begleiteten sie, um sie beim Tragen abzulösen. — Dieses echt schildbürgerliche Stückchen amüsierte uns sehr, da das Borstenvieh auf eigenen Beinen ebenso gut nach Makále gekommen sein würde.

Gleich dem Sádang-Flusse ist auch der Taparang ein ansehnliches Gewässer. Den Übergang vermittelt eine im ganzen Lande bekannte Brücke, welche den Fluß in der stattlichen Länge von 150 m überspannt. Sie gilt als ein Meisterwerk der Toradja-Baukunst, die es hier verstanden hatte, die auf hohen Steinborden errichteten Brückenlager gegen jedes Hochwasser zu sichern, während die Uferböschungen durch geschickt angebrachte, mit Steinen gefüllte Korbfaschinen gegen Unterspülung geschützt sind. Die Malereien an den Brückenköpfen schwelgen in den derbsten Obscönitäten. In Übereinstimmung mit anderen Toradja-Bauwerken im Centrum des Landes hatte auch die Taparang-Brücke ein in der Mitte schwach niedergebogenes Dach mit weit vorspringenden Giebeln. Die Holzverschalungen unter diesen Dachgiebeln nun waren über und über mit Darstellungen oben erwähnter Art und anderen Malereien bedeckt. Neben traditionellen Ornamenten, wie mäandrischen Mustern, Sonnenrädern usw., sowie symbolischen[S. 222] Zeichnungen, durch welche sich immer wieder der Haß gegen die alten Erbfeinde der Toradja, die Luwuresen, Luft macht, spielte auch der Priapismus, wie die beigegebene Photographie ersichtlich macht, eine große Rolle.

128. Brücke über den Taparang-Fluß.

Über sterile Höhenzüge hinweg schnitten wir eine gewaltige Schleife des Taparang-Flusses ab, um denselben weiter oben, beim Dorfe Rimbung ein zweites Mal, auf einer ähnlichen Brücke zu überqueren. Die Malereien am Brückenkopf behandelten diesmal Scenen aus dem letzten Aufstande gegen die Holländer. — In Rimbung überreichte man uns als Dorfgeschenk eine Anzahl Kokosnüsse, die uns nach den heißen Wegen eine recht willkommene Erfrischung boten. Von hier ab trennte uns noch ein dreistündiger Weg von Bilálang, wo wir zu nächtigen gedachten. Der Marsch dorthin über ödes, baumloses Bergland und zur Zeit der größten Mittagshitze war ziemlich unerquicklich. Wir kamen dabei in beträchtliche Höhen und hatten alle Launen des zerklüfteten Geländes, denen der Fußpfad sklavisch nachgab, in vollem Maße zu ertragen. Auf einer felsenübersäten Kuppe stießen wir auf eine alte Kultstätte. Ein Dutzend spitz zulaufender Granitblöcke von Kindergröße bis Manneshöhe waren daselbst in Abständen von je 4–5 m im Kreise aufgestellt. Diese Steine dienten zum Anbinden der Opferbüffel, und ihre verschiedene Höhe versinnbildlichte den Rang der opfernden Familie, deren jede ihren eigenen Stein besitzt. In geringer Entfernung um diesen Steinkreis waren noch Feuerstätten und Überreste von Laubhütten zu erkennen, die während des letzten Opferfestes den Teilnehmern als Lagerplätze gedient hatten. Bei der späteren Beschreibung einer Toradja-Totenfeier in Tóndong werde ich auch auf diese Opferplätze ausführlicher zu sprechen kommen.

Wieder einmal standen wir auf eines Berges Höhe, und diesmal sollte meine Erwartung nicht getäuscht werden: Bilálang lag tief unter uns in einem von dem ungestümen Lédo durchströmten Kesseltale voll romantischer Schönheit. Dieses glich inmitten 700–800 m hoher Randgebirge einem ungeheuren Cirkus. Auf einer kleinen Anhöhe lag die[S. 223] leerstehende Militärstation und über derselben auf einem Hügelrücken das kleine Dorf Bilálang. Mit neubelebtem Eifer eilten wir den steilen Fußpfad hinab, dem einladend aussehenden Quartiere entgegen. Bei unserer Ankunft dort mußte erst der Häuptling des Dorfes herbeigeholt werden, dem von der Regierung die Schlüssel zu den Unterkunftsgebäuden anvertraut waren.

Nie bereitete mir ein Bad einen höheren Genuß als heut in dem kühlen Lédo-Flusse, nach dem anstrengenden Marsche; kaum je habe ich mit größerem Appetit des rasch zubereiteten Mahles geharrt als hier in Bilálang. — Erst nach längerer Ruhe kam mir die wundervolle Lage des Ortes zum Bewußtsein. Man konnte sich in einen riesigen erloschenen Krater versetzt glauben. Die rings emporsteigenden Höhen waren bis weit hinauf mit Felder-Terrassen bedeckt; zahlreiche Hütten lagen dazwischen in malerischer Unregelmäßigkeit zerstreut.

Ich hatte gleich nach unserer Ankunft dem Dorfhäuptlinge meine auf den Erwerb ethnographischer Objekte gerichteten Wünsche bekannt geben lassen und auch meine eigenen Leute durch Versprechung angemessener Gratifikationen angespornt, in den zerstreut liegenden Hütten Nachfrage zu halten. Der Erfolg war recht günstig, und bald entwickelte sich auf der Station eine Art Pásar. So weltentlegen diese Bilálang-Toradja auch lebten, auf den Handel verstanden sie sich meisterhaft und waren durchweg redlich bemüht, die seltene Gelegenheit gründlich auszunutzen. So forderte man beispielsweise für Schwerter, die mir in solch typischen Formen — nach Art des Himmelsschwertes Dóso in Makále — allerdings bisher noch nirgends angeboten worden waren, Preise von 35–50 Gulden pro Stück. Schweren Herzens verzichtete ich auf diese Kostbarkeiten. Dagegen gelang es mir hier, neben einer Menge diverser Wirtschaftsgeräte einige höchst interessante Lederschilde zu erwerben, die schönsten dieser Art, die ich in diesen Gebieten zu sehen bekam.

129. Toradja-Schilde.

Die fremden Besucher blieben bis in die Nacht hinein bei uns im Lager, und ich denke mit besonderer Freude an diesen lebhaften, mit[S. 224] Gesprächen, Gesängen und Scherzen unserer Leute ausgefüllten Abend zurück. Grandios, düster hoben sich die Silhouetten der den Talkessel umrahmenden Gebirge gegen den klaren gestirnten Himmel ab. Lodernder Fackelschein erhellte die in nachtschwarze Schatten getauchte nähere Umgebung und blitzte vom nahen Flusse herauf, wenn die mit Feuerbränden hin und wider gehenden Träger Wasser schöpften. In zwanglosen Gruppen lagerten unsere Soldaten um ihre schwelenden Feuer. Einzelnen Leuten mit wundgelaufenen Füßen erwiesen Kameraden Samariterdienste. Andere frönten mit Leidenschaft dem Karten- oder Würfelspiel. Dazwischen zeichneten sich, beleuchtet vom ungewissen Scheine der Lagerfeuer, in scharfen Linien die in Pyramiden zusammengestellten Gewehre ab. Schweißdurchtränkte Uniform- und Wäschestücke hingen an langen Stangen zum Trocknen. Abgesondert von der Mannschaft, bildeten die aus Sträflingen mit guter Führung bestehenden Soldatenkulis ähnliche Gruppen, während meine eigenen Träger, die von der ungewohnten Last meiner Stahlkoffer sehr ermüdet waren, sich meist schon zur Ruhe begeben hatten und, in ihre Schlaftücher eingemummt, mehr niedergelegten großen Ballen als menschlichen[S. 225] Schläfern glichen. Nur die ruhelos auf und ab wandernden Wachposten gemahnten daran, daß wir uns auf heißem Boden befanden, wo den kaum beruhigten Gemütern gegenüber noch größte Vorsicht geboten war.

130. Toradja-Eßlöffel.

Bilálang-Bituáng, den 3. Oktober.

Die Landschaft Bituáng, die wir heut zu erreichen gedachten, war durch das hohe Lédo-Gebirge von unserem Lagerplatze Bilálang geschieden. Sollten wir nicht wieder beim Steigen dem ärgsten Sonnenbrande ausgesetzt sein, so hieß es frühzeitig aufbrechen. Leider verursachte der Kuliwechsel in Bilálang eine längere Verzögerung des Abmarsches. Ich wechselte nämlich von Station zu Station die Träger, wobei es dem Häuptling der zuletzt erreichten Ortschaft oblag, für eine genügende Anzahl frischer Leute zu sorgen. Die Zahl der für meinen Gepäcktransport nötigen Kulis steigerte sich aber progressiv, da täglich von mir unterwegs angekaufte Objekte hinzukamen. In Bilálang nun ließen die Träger auf sich warten, und es dauerte ziemlich eine Stunde, ehe alle Mann zur Stelle waren. Aber auch dann noch gab es viel Verdruß. Trotzdem es durchwegs muskulöse, hochgewachsene Leute waren, konnten sie sich nicht zur Übernahme der größeren Gepäckstücke entschließen. In solchen Fällen hilft nur physische Überlegenheit,[S. 226] und ich hatte mich also dem nicht zu unterschätzenden Morgenexercitium zu unterziehen, jedem der 16 Mann durch Anheben seiner Last plausibel zu machen, daß dieselbe nicht zu schwer sei. Dies genügte in den meisten Fällen; andernfalls halfen ein paar Soldaten mit sanftem Zuspruch nach.

Man merkte an dem störrischen Benehmen dieser Leute, daß sie sich in ihren entlegenen Bergen noch sehr unabhängig fühlten, und nun verstand ich auch die weise Voraussicht der Paloppo-Herren, wenn sie auf einer militärischen Begleitung für mich bestanden hatten. Ohne eine solche hätte ich einfach umkehren müssen; denn kein Mann der Bevölkerung hätte mir freiwillig Trägerdienste geleistet, zumal zu den vom Gouvernement bestimmten Lohnsätzen von einem halben bis einen Gulden pro Tag und Mann. Das freie und ungenierte Auftreten der Bilálang-Leute war bereits grundverschieden von dem unterwürfigen Benehmen der Bewohner des Makále-Gebietes.

Nach vielem Spektakel, ohne den es einmal bei derlei Anlässen nie abgeht, waren endlich sämtliche Träger auf den Beinen, und ich konnte an mich denken. Bevor ich jedoch der Trägerkolonne folgte, stattete ich erst noch in Begleitung meines Boys und eines Apparatträgers dem höher gelegenen Dorfe einen Besuch ab.

Es schien mir aus älterer Zeit zu stammen und bestand aus einer Doppelreihe festgefügter, schöner Holzhäuser mit prachtvollen Giebelaufbauten und reicher Bemalung, die aber durch das Alter schon sehr gelitten hatte. Diese Häuserzeile erinnerte mich an ähnliche merkwürdige Haustypen in Toba im centralen Sumatra. In der Bauart wie in der Ausschmückung wiesen die Häuser dort eine unverkennbare Ähnlichkeit mit den hiesigen auf. Das Seltsame in Bilálang nun war, daß ziemlich das ganze Dorf von seinen ehemaligen Bewohnern verlassen war. Ob Krieg oder Seuchen die Entvölkerung verursacht hatten, vermochte ich nicht in Erfahrung zu bringen. Jedenfalls standen im Dorfe die meisten Hütten leer und waren dem Verfalle preisgegeben. Hohes Unkraut überwucherte Weg und Steg, und halbwilde, schwarze, spitzköpfige[S. 227] Schweine trieben sich unter dem Gebälk der verlassenen Bauten herum. Die drei oder vier noch bewohnten Häuser nahmen sich in solcher Umgebung doppelt traurig aus. Der Gesamteindruck dieses in früherer Zeit wohl menschenreichen Dorfes wirkte verstimmend, wozu wohl auch das scheue und abweisende Benehmen der wenigen Bewohner beitrug, die sich bei unserer Ankunft in überstürzender Eile in ihre Hütten zurückzogen. Kein Zuruf und keine Versicherung vermochte die Leute hervorzulocken, so daß mir nach einer photographischen Aufnahme nur übrig blieb, diesem unheimlichen Orte den Rücken zu kehren. Eigentümlicherweise gehörte auch diese Aufnahme, wie sich später herausstellte, zu den wenigen mißglückten.

In forciertem Tempo eilten wir nun unseren Leuten nach. Der Weg war vorerst einfach eine Fortsetzung des gestern begangenen, indem er weiterhin an den Berglehnen entlang führte, nur daß diese von Bilálang an unter dem Namen Lédo-Gebirge zu bedeutenderen Höhen anstiegen. Ungefähr in halber Höhe der jäh abstürzenden Hänge zog sich der Pfad hin. In der Tiefe stürmte in enger Schlucht der wilde Salu-Puti tosend über die Felsen, als könnte er es nicht erwarten, sich mit dem Lédo-Flusse zu vereinen. Unendliche öde und Trostlosigkeit atmete die uns umgebende alpine Landschaft. Früher hatten wohl auch diese Berge üppigen Wälderschmuck getragen, ehe es menschlicher Unverstand fertig brachte, die jetzige Steinwüste daraus zu machen. Noch verrieten verschiedentlich stehen gebliebene, schwarz gebrannte Stümpfe von Areng- und Arekapalmen die Stellen, wo früher einmal Dörfer gestanden hatten. Die Eingeborenen haben von der Bedeutung des Waldes leider nicht die geringste Ahnung, sonst würden sie nicht immer wieder, um ein kleines Stück Land urbar zu machen, den Wald darauf niederbrennen, ohne dem Feuer Grenzen zu setzen. Wenn nicht zufällig eintretende Regengüsse dem entfesselten Element Einhalt gebieten, fressen die Flammen wochen- ja monatelang weiter, und die Waldbestände ganzer Bergrücken sind der Vernichtung preisgegeben. Was dann noch zu tun übrigbleibt, verrichtet[S. 228] in kürzester Zeit die Gewalt der niederstürzenden Wassermengen während des Regenmonsuns. Auch die letzte Krume Humus wird davon hinweggespült und meerwärts getragen, und was zurückbleibt, ist nacktes Felsgerippe.

Ziemlich an jeder der zahlreichen Wegebiegungen waren wieder die bekannten Bambus-Zauber aufgestellt, Zeugen der mühevollen und gefährlichen Arbeit, die die Anlage dieses Saumpfades gekostet hatte. Ein Schlaglicht auf die immer noch unklaren politischen Verhältnisse in diesen Landesteilen wirft der Verlauf eines Zusammentreffens mit einem Bergbewohner. Derselbe tauchte an einer unübersichtlichen Wegebiegung dicht vor mir auf. Kaum hatte er mich erblickt, als er mit allen Anzeichen tiefsten Erschreckens vom Wege absprang und den halsbrecherischen Hang hinabzuklettern begann. Dabei stieß er, lebhaft gestikulierend, fortwährend laute Rufe aus: »saya tida tau-lá, saya tida tau-lá« (ich weiß von nichts, ich weiß von nichts)! Momentan dachte ich, der Mann sei nicht klar im Kopfe, bis mir mein herbeigeeilter Boy erklärte, daß der Sohn der Wildnis nur deshalb verschwand, weil er befürchtete, von mir als Führer gepreßt und zu Auskünften über seine Landsleute gezwungen zu werden. Derartiges war während der letzten Aufstände gegen die Holländer öfter vorgekommen, und um sich einem gleichen Schicksal zu entziehen, bequemte er sich zu der verwegenen Escapade den Abhang hinunter.

Die Landschaft nahm langsam einen freundlicheren Charakter an. Wasseradern drängten sich zutage, und schüchtern wagten sich die ersten Kräuter heraus. Der Weg führte uns zum Flusse hinab, in dessen engem, heißem Talgrunde die Vegetation wieder voll zu ihrem Rechte kam. Wir kamen bald in bewohnte Landschaften. Diese vorgeschobenen niederen Ausläufer des Lédo-Gebirges waren hier dicht besiedelt. Die stets hoch gelegenen Dörfer waren hinter Bambuswäldchen versteckt. — Eine uns begegnende Toradja-Frau hielt sich beim Vorübergehen die Hand mit weit gespreizten Fingern vor das Gesicht. Es war dies eine Beschwörungsgeste gegen den bösen Blick, die ich[S. 230] meinem sehr verwilderten Vollbarte zu verdanken hatte. Bärtige Gesichter sind eben den Toradja etwas ganz Fremdes und Unbekanntes und flößen ihnen Furcht und Entsetzen ein.

131. Lédo-Gebirge.
132. Landschaft Bituáng.

Wir näherten uns nun rasch der Tiefebene von Bituáng, und um eine letzte Biegung herumkommend, sahen wir diese von fremden Einflüssen bisher unberührt gebliebene Landschaft in weiter Ausdehnung vor uns liegen. Die Lage von Bituáng, das vom hohen Balían-Gebirge und den Waldbergen von Mándar flankiert ist, war hervorragend schön. Im Tale angekommen, passierten wir den vielgewundenen Salu Bela auf einer schmucklosen Holzbrücke. Vor uns auf einer kleinen Anhöhe lag die jetzt unbewohnte Militärstation Bituáng, deren Holzbaracken wir bezogen. In Büchsenschußweite von der Station entfernt ragte das merkwürdigste geschichtliche Baudenkmal, das die Toradja-Lande aufzuweisen haben, in die Höhe — die Toradjaburg Néneng (s. Taf. VII). Der Ausblick auf diese war uns bisher durch den Stationshügel verdeckt gewesen; um so verblüffender wirkte der Anblick. Néneng ist eine in[S. 231] ihrer Art einzige, hoch interessante Eingeborenenfestung. Sie galt früher als die stärkste strategische Position der Toradja und ergab sich im letzten Kriege den Holländern erst nach längerer Belagerung, nachdem diese Kanonen herangeschafft hatten.

Unsere häusliche Einrichtung war beendet; die Kulis waren abgelohnt, und eine kurze Ruhe hatte meinen Unternehmungsgeist neu belebt. Ich überlegte gerade, was nun als erstes zu beginnen sei, als eine Deputation aus Néneng angemeldet wurde, die uns die üblichen Gastgeschenke überreichen wollte. Diese bestanden aus je einem Huhn für Herrn Hauptmann K. und mich, sowie aus flachen, mit Reis gefüllten Körben mit je 7 Eiern. Durch frühere Erfahrungen gewitzigt, überließen wir nicht nur den Reis, sondern auch die Eier, die uns unter normalen Umständen eine willkommene Gabe gewesen wären, unseren Leuten. Eine eigenartige Geschmacksverirrung nämlich läßt den Toradja das Ei erst dann schmackhaft erscheinen, wenn es vor Fäulnis bereits schwarz durch die Schale schimmert. Leider verstanden wir die Courtoisie, uns ganz besonders faule Eier zu senden, nicht voll zu würdigen und versagten uns einen Genuß, für den ich niemals die nötige Energie aufgebracht habe. Eine andere Ausgeburt der Toradja-Gastronomie besteht darin, das angebrütete Ei mit möglichst weit entwickeltem Embryo zu verzehren, wobei es mir immer eiskalt über den Rücken lief.

Der Führer und Sprecher der Dorfabgesandten war der Häuptling Ledóng, der den Titel Paríngin führt. Er überragte seine Stammesgenossen weit an Intelligenz, sprach geläufig malayisch und war sehr lebhaften und heiteren Temperamentes. Der ganze Bituáng-Distrikt erkannte ihn als Oberhäuptling an, und er erfreute sich bei seinen Landsleuten hohen Ansehens und allgemeinster Beliebtheit. Seinen Bemühungen ist es zu verdanken, daß ich in Bituáng eine wahrhaft glänzende ethnographische Ausbeute zusammenbringen konnte.

Nach dem üblichen Höflichkeitsaustausch machten wir, Herr Hauptmann K. und ich, uns unter der Führung des Paríngin auf, der Burg[S. 232] Néneng einen Besuch abzustatten. Die Benteng wurde von einem der Vorfahren des Paríngin Namens Bong Ledóng erbaut, und dieser hatte es verstanden, den außerordentlich günstig gelegenen, auf 3 Seiten isolierten Bergvorsprung zu einer Verteidigungsposition umzugestalten, deren Ausgestaltung für Toradja-Verhältnisse geradezu beispiellos ist. Von den Eingeborenen als ein Wunder angestaunt, galt sie bis zu ihrer Übergabe an die holländischen Truppen für uneinnehmbar. Bong Ledóng wurde nach seinem Tode von seinen dankbaren Untertanen unter die Götter versetzt, also zum Dewáta erhoben, als welcher er von der jetzigen Generation verehrt wird. Hiernach zu schließen, muß er auch als Persönlichkeit ein überragender Geist gewesen sein; denn nur ganz hervorragenden Menschen ist es nach Toradja-Glauben beschieden, nach ihrem Ableben einer solch außerordentlichen Ehrung teilhaftig zu werden.

Tafel VII.
Toradjafestung Néneng.
133. Felsentunnel in Néneng.
134. Wohnhaus des Paríngin Ledóng in Néneng.

Die Fortifikationen von Néneng waren mit bewundernswertem Geschick und einem für Eingeborene enormen Arbeitsaufwande angelegt. Nach allen Seiten steil aufragend, war die Festung im Osten, also in ihrem Rücken, durch eine über 100 m tiefe, senkrecht abfallende Schlucht, deren Tiefe der Salu Bela durchströmt, vor jedem feindlichen Überfalle geschützt. Derselbe Fluß windet sich um den Fuß des Bergkegels herum und bildet somit auch für die ebenfalls noch sehr steil abfallende Südseite der Festung eine natürliche Wehr, die durch Gräben und hohe Erdumwallungen noch besonders gesichert war. Die Hauptbefestigungen der Benteng aber lagen auf der Nord- und Westseite, wo der geniale Erbauer dieses Bollwerkes wirklich Glänzendes geleistet hatte. Etagenförmig lagen hier die durch kunstvolle Tunnelbauten miteinander verbundenen Bastionen übereinander. Diese wiederum konnte man durch schwere, massive Doppeltüren an jeder Eingangsseite verbarrikadieren. Ausfallpforten und geheime Gänge führten aus dem Innern der Festung nach allen Seiten hin, und ein tiefer Brunnenschacht erschloß den Verteidigern der Benteng eine Quelle, die sie vor Wassermangel schützte. Der erst nach dem Friedensschlusse hergestellte Aufstieg[S. 233] zur Festung war so steil angelegt, daß es Mühe kostete, Balance zu halten. Die Häuser von Néneng lagen unregelmäßig, den Terrainverhältnissen angepaßt. Sie wiesen ziemlich den gleichen Typ auf wie die im Dorfe Bilálang und zeichneten sich wie diese durch gediegene Bauart mit verschwenderisch angebrachter Bemalung und Schnitzarbeit, sowie durch bemerkenswerte Sauberkeit vorteilhaft aus. Stets führte der seitliche, unmittelbar neben der Giebelfront angelegte Eingang über einige Stufen[S. 234] auf eine durch das vorspringende Giebeldach geschützte Plattform, die durch eine Plankentür von den inneren Räumen des Hauses getrennt war. Schmale Lücken im Gebälk hatten dem Licht- und Luftbedürfnis der Hausinsassen zu genügen. Im übrigen waren die besichtigten Wohnungen geräumig und so hoch, daß sie ein aufrechtes Gehen bequem zuließen. Die Stützpfosten der Häuser ruhten auf großen Steinplatten. Büffelköpfe, echt oder in hölzernen Imitationen, sowie holzgeschnitzte Vogeldarstellungen schmückten häufig den Hauptpfosten und die Stirnseite der Häuser. Ausnahmslos hatte man die Baulichkeiten auf schweren, dicken Pfahlrosten errichtet, die ringsum mit hölzernem Gitterwerk abgeschlossen waren. Der so gewonnene Verschlag diente verschiedenen Zwecken: zur Aufbewahrung von Ackergeräten, zur Unterbringung von Brennholz, als Stallung für die zahlreich vorhandenen Hühner und sogar als Schweinekoben. Viel Liebe und Sorgfalt war überall auf die äußere Ausstattung der zu den Wohnhäusern gehörenden Reisspeicher verwendet,[S. 235] insbesondere auf die mit vielem Geschick hergestellten Bemalungen. Daß die Erbauung und Benutzung dieser Reishäuser mit einer Unmenge seltsamer Sitten und abergläubischer Gewohnheiten verbunden ist, darf nicht wundernehmen, da ja die Reispflanze dem Toradja ein beseeltes Wesen ist, zu dem er spricht wie zu einem Dewáta.[S. 236] Das Reishaus des Paríngin Ledóng z. B. durfte bereits seit mehreren Monaten nicht mehr geöffnet werden, da es bis zur Auspflanzung des neuen Reises »pomáli« (= unantastbar) war.

Als seltene Trophäen werden in diesen Vorratshäusern hin und wider Menschenschädel mit echtem Haarschmuck und in grotesker Weise künstlich ergänzten, bemalten, hölzernen Augen und Nasen aufbewahrt. Immer handelt es sich bei solchen Stücken, die ethnographische Seltenheiten ersten Ranges sind, um die Schädel erschlagener Feinde oder bestrafter Übeltäter.

135. Giebelfront des Häuptlingshauses in Néneng.
136. Reisspeicher des Paríngin Ledóng in Néneng.
137. Toradja-Schädeltrophäe.
138. Toradja-Wirtschaftsgeräte.

Die Wirtschaftsgeräte in Néneng waren hinsichtlich ihrer Form grundverschieden von denen aller anderen besuchten Plätze. Ich erhielt[S. 238] davon eine große Menge fast durchgehends mir neuer und durch originelle Gestalt und Schnitzerei auch wissenschaftlich interessanter Objekte.

Sehr befriedigt von den Resultaten dieses ersten Besuches in Néneng, kehrten wir nach der Station zurück, wo sich inzwischen die Dorfmonarchen aus der Umgegend eingefunden hatten, um uns zu begrüßen. Jeder von ihnen überbrachte als Gastgeschenk das übliche Huhn und den Reis mit den Eierspenden. Der glückliche Umstand, so viele Eingeborenen-Notabeln um uns versammelt zu sehen, mußte auch für meine Zwecke nutzbar gemacht werden, und so hatte denn Herr Hauptmann K. die Freundlichkeit, eine den landesüblichen Gepflogenheiten Rechnung tragende blumenreiche Ansprache an den Kreis der uns umgebenden Häuptlinge zu richten, in welcher er diese mit meinen Wünschen bekannt machte und sie aufforderte, in ihren Dörfern nachzuforschen, was noch an Kriegskostümierung und sonstigen Gegenständen aus älterer Zeit vorhanden sei. Anderen Tags sollten sie sich dann mit allem Verkäuflichen bei uns auf der Station einfinden. Der Eindruck dieser großen Rede war ein tiefgehender. Zwar konnten es sich die Leute nicht vorstellen, was ich mit den begehrten Objekten anzufangen gedächte; desto schneller aber begriffen sie, daß hier ein Geschäft zu machen war, und voll Eifer kehrten sie in ihre Dörfer zurück,[S. 239] die wundersame Mär von dem weißen Túan zu verbreiten, der aus dem fernen Europa gekommen sei, um ihre für sie wertlos gewordenen Gebrauchsgegenstände zu kaufen.

Inzwischen war es Abend geworden, und auf eine kurze Dämmerung folgte rasch die Nacht. Eine magisch schöne, kühle Mondnacht, deren Helligkeit mir aber bei der unaufschiebbaren Arbeit des Plattenumlegens durchaus ungelegen kam. Auf der ganzen Station gab es keinen Fleck, wo das tropenhelle Mondlicht, bei dem man lesen und schreiben kann, nicht hingedrungen wäre. In dieser Not wurden Mannschaftsdecken requiriert und um ein Tischgestell herumgezogen, unter das ich nun kroch, um in dieser wenig beneidenswerten Stellung den Plattenwechsel vorzunehmen.

Bituáng, den 4. Oktober.

Meine einfache Morgentoilette war noch nicht beendet, als mich erregtes Stimmengewirr vor dem Hause auf Ungewohntes schließen ließ. Meiner wartete eine freudige Überraschung. Der Paríngin von Néneng war mit einer Schar Dorfgenossen gekommen, mir eine große Menge ethnographischer Objekte zu überbringen, und das, was da vor den am Boden hockenden Leuten ausgebreitet lag, war wohl geeignet, das Herz eines leidenschaftlichen Sammlers höher schlagen zu lassen. Ein großer Haufen von Gegenständen verschiedenster Art war aufgetürmt, worunter mir prächtige alte Kriegshelme mit doppeltem Messinghörnerschmuck und Muschelbesatz, hochseltene alte Schwerter und Panzerjacken als die wertvollsten Stücke erschienen. Im Augenblick entwickelte sich ein lebhafter Handel. Der Verlauf des Kaufgeschäfts brachte es mir hier, ebenso wie in Bilálang, deutlich zum Bewußtsein, daß es unzweckmäßig ist, sich für solche Inlandreisen mit vielen Traglasten von Tauschartikeln herumzuschleppen. Klingendes Metall ist, wie überall in der Welt, auch in diesen entlegenen Gebieten das im Handel jederzeit am liebsten genommene Äquivalent. Europäer, die selbst nie weiter als ein paar Meilen von der Küste[S. 240] ins Innere gekommen sind, wissen es freilich besser und veranlassen Reisende gern zu Ankäufen billiger Importartikel. Geschenkweise ist derlei ja auch ganz gut bei den Eingeborenen unterzubringen; niemals aber lasse man es sich träumen, dafür, wenigstens in Central-Celebes, irgendwie Gegenstände eintauschen zu können, denen der Eingeborene höheren Wert beimißt, wie z. B. Waffen, Schmuck u. dgl.

139. Toradja-Panzerjacken.
140. Toradja-Frau aus Néneng.

Die ersten Morgenstunden vergingen mir wie im Fluge, bis mich der Paríngin bat, sich verabschieden zu dürfen. Wie er mir sagte, wurde in Néneng gerade ein Fest gefeiert, zu dessen Beginn er noch zurechtkommen möchte. Diese Mitteilung war für mich von hohem Interesse, und ich äußerte den Wunsch, daran teilnehmen zu dürfen. Da auch Herr Hauptmann K. sich meinem Ersuchen anschloß, gab der Häuptling seine Einwilligung dazu, wenn auch zögernd und sichtlich[S. 242] ungern. Sofort begaben wir uns alle nach Néneng hinüber, wobei es sich die Begleiter des Paríngin zur besonderen Ehre anrechneten, je ein Stück meiner photographischen Ausrüstung tragen zu dürfen. Diese Néneng-Toradja waren die einzigen auf meiner ganzen Reise, die sich vor dem Apparat nicht fürchteten, und denen das Photographiertwerden offensichtlich Spaß machte. In der Benteng fanden wir bereits ein Gewimmel von fröhlichen Menschen. Alles vom kleinsten Knirps bis zum Mummelgreise, vom zierlichen Püppchen bis zur Matrone, prangte in festlicher Gewandung und harrte erwartungsvoll der kommenden Dinge. Gefeiert wurde das seltene Mabúgi-Fest, das in der Hauptsache aus Gesängen, Tänzen und den nie fehlenden Schmausereien besteht. Die aus der ganzen Umgegend zusammengeströmte Bevölkerung wartete nur noch auf das Erscheinen des Paríngin, um mit der Feier zu beginnen.

Mit dieser »Mabúgi«-Feier hatte es eine eigentümliche Bewandtnis, und es kostete mich große Mühe, in den widersprechenden Angaben und Erklärungen die Spreu vom Weizen zu sondern und die wirkliche Bedeutung einwandfrei festzustellen. Der Name »Mabúgi« bedeutet ein Fest, bei dem mit den Dewáta gesprochen wird, d. h. bei dem man von ihnen etwas erbittet oder wünscht. Also ein »Sprechfest«, von »má« = Fest und »búgi« = sprechen. Hat eine Dorfgemeinde irgend ein die Bewohner der ganzen Gegend berührendes Anliegen an die Dewáta, wünscht sie z. B. eine gute Reisernte, Fruchtbarkeit der Büffel, das Aufhören einer Seuche, Verminderung der Kindersterblichkeit usw., so versammeln sich alle, Männer und Frauen, zu einer Beratung. Während der immer erregter werdenden Debatte fühlt sich plötzlich eines der Anwesenden inspiriert, spricht mit den Göttern, ist »mabúgi« geworden. Es handelt sich also um einen durch Gemütserregung hervorgerufenen ekstatischen Zustand, eine Autosuggestion, in welcher der Inspirierte erklärt, die Götter hätten ihm geoffenbart, daß jetzt ein Mabúgi veranstaltet werden müsse, das zur Beratung stehende Unheil abzuwenden oder den Beistand der Dewáta[S. 243] zu erlangen. Daraufhin wird der Tag bestimmt, an dem das Fest stattfinden soll, zu dessen Verherrlichung von allen gemeinsam beigesteuert wird. Jeder gibt nach seinem Vermögen: Reis, Mais, Tabak, Eier, Hühner, Schweine, ein Büffelkalb usw. Ist auf diese Art für die Befriedigung leiblicher Bedürfnisse gesorgt, so macht sich das ganze Dorf an dem hierfür bestimmten Tage an die ebenfalls gemeinsame Zubereitung der zusammengetragenen Speisevorräte, worauf die Festlichkeit mit dem von Männern und Frauen gemeinsam ausgeführten »Mákelong« (Singen und Tanzen) ihren Anfang nimmt.

141. Mabúgi-Fest in Néneng.

Die Veranlassung zur Feier in Néneng war eine dysenterische Seuche, von der hauptsächlich Frauen befallen worden waren. Obgleich die Seuche fast erloschen war, herrschte dennoch große Angst im Dorfe, da ein Wiederaufleben der Krankheit befürchtet wurde, und deshalb hatte man seine Zuflucht zu einem Sprechfest genommen.

[S. 244]

Das sofort nach unserem Eintreffen beginnende »Mákelong« darf man keineswegs mit einem »Singen und Tanzen« nach europäischen Begriffen verwechseln. Nichts wäre verkehrter. Im Gegenteil, es ist das ernst-religiöse Moment des Festes. Unter dem »Singen« ist das im singenden Tonfalle gesprochene Anrufen der Götter, das Sprechen mit denselben, zu verstehen, unter »Tanzen« ein feierlich langsames, rhythmisches Schreiten im Kreise, ein genau geregeltes, ruckweise ausgeführtes Vor- und Rückwärtsbewegen des Körpers. Das Ganze war nichts weniger als aufregend. In zwangloser Anordnung bewegten sich Männer und Frauen hintereinander unter eintönigem Gesange und im langsamsten Tempo, bei jeder Gesangszeile etwa einen Schritt. Jeder hatte dabei seine Hände auf die Schultern seines Vordermannes gelegt. In der Mitte des von den Tanzenden gebildeten Kreises kauerten auf mattenbelegtem Boden etwa ein Dutzend Rekonvalescenten. Alle waren mit Blumen geschmückt und trugen auf dem Haupt einen Kranz aus den Blättern der heiligen roten Pflanze, von welchen sie auch Büschel in den Händen hielten. Der den endlosen Strophen folgende Refrain der den Tanz begleitenden monotonen Gesänge lautet in freier Übersetzung etwa: »Böse Geister, kehrt zurück nach den unwirtlichen fernen Gebirgen, euren Wohnsitzen, und wenn ihr nichts Böses mehr im Schilde führt, dann kommt wieder zu uns herab in die Ebene, zu den guten Wegen!«

Der Paríngin versicherte mir, daß für das Mabúgi-Fest strenge Vorschriften maßgebend seien, deren geringste Verletzung für den Urheber desselben, also die jeweilig »mabúgi« gewordene Person, den augenblicklichen Tod zur Folge haben würde. Die Ankündigung so verhängnisvoller Folgen erweist sich als eine sehr wirksame Schutzmaßregel gegen zu häufiges Mabúgiwerden.

Die Menge der fremden Zuschauer aus den benachbarten Dörfern belagerte alle disponiblen Plätze und die Plattformen der Häuser und Reisscheunen. In einer freien Ecke war auf ausgebreiteten Matten eine Sirihtafel etabliert zu jedermanns beliebigem Gebrauch. Hier sei[S. 245] erwähnt, daß das echte Sirihblatt, welches zum Umwickeln des aus einer Prise Tabak, einem Stück Betelnuß (Areca catechu) und etwas feingepulvertem gebrannten Kalk bestehenden Narkotikums benutzt wird, in Inner-Celebes fast ganz unbekannt, oder wenigstens sehr selten zu finden ist. Man benutzt statt desselben das Blatt einer »buah bólu« genannten, in Form und Aussehen unserem Spitzwegerich gleichenden Pflanze.

142. Zuschauer beim Mabúgi-Fest in Néneng.

Nach einigem Verweilen verabschiedeten wir uns, da wir bemerkten, daß die Anwesenheit von uns Europäern die Festfreude der Leute beeinträchtigte. Wir kehrten also nach Bituáng zurück, woselbst sich unsere Soldaten inzwischen die Zeit mit Fischfang vertrieben hatten. Neben einer Menge kleinerer Arten hatten sie auch einen über 1 m langen Wels mit den Händen gegriffen. Ich hätte nie geglaubt, daß der seichte Salu Bela so stattliche Bewohner berge.

An einer Berglehne längs des Flusses hatte ein Erdrutsch böse Verheerungen angerichtet. Mehrere in dem Abhange angebracht gewesene[S. 246] Liang waren dadurch demoliert und freigelegt worden. Eine so seltene Gelegenheit zur Besichtigung einer Begräbnisstätte im Bituáng-Tale durfte ich mir nicht entgehen lassen, und so machte ich mich denn in Begleitung Rámangs auf den Weg dorthin. Über Geröllmassen und entwurzeltes Gesträuch kletterten wir bis dicht an die offengelegten Grabnischen. Die Eingangsöffnungen waren quadratisch, die Grabkammern im Querschnitt halbkreisförmig. Sämtliche Gräber hatten durch die abgestürzten Erdmassen schwer gelitten. Da ich keinerlei Totenbeigaben zu entdecken vermochte, so ist wohl anzunehmen, daß diese stets im Vordergrund aufgestellten Dinge mit dem Schutt in die Tiefe gerissen worden waren. Im Hintergrunde der Höhlennischen fand ich weiter nichts als Gebeine und in einer derselben noch einen zerstörten Sarg in Kanoeform.

143. Durch Erdrutsch zerstörtes Felsengrab bei Néneng.

[S. 247]

Der Nachmittag war stundenlangen »bitjáras« (Unterhandlungen) mit den zahlreich zur Station gekommenen Toradja gewidmet. Sie hatten mir eine Fülle neuer und höchst willkommener Objekte mitgebracht, so daß sich ein sehr lebhaftes Geschäft entwickelte. Die höchsten Preise wurden, wie kürzlich in Bilálang, für die heimischen wunderschönen, alten Schwerter gefordert, von denen ich diesmal eine Anzahl erwarb. Auch sorgfältig gearbeitete Blasrohre mit Köchern und Pfeilen — sehr seltene Objekte — konnte ich in meinen Besitz bringen, neben schön geformten Messern, Jagd- und Fischereigeräten, Gewändern und einer prachtvollen Serie von Schmuckobjekten. Alles in allem vermehrte ich meine Sammlung wohl um 200 Stück, deren Fortschaffung meine Trägerzahl erheblich erhöhte, meinen Geldbeutel dagegen bedeutend erleichterte. Ich hatte alle Hände voll zu tun, um die vielen Sachen zu etikettieren und transportfähig zu verpacken, eine Arbeit, die mich bis nach Mitternacht in Anspruch nahm. Von Néneng herüber aber scholl noch bis in die Morgenstunden hinein das hē-ó-hē, hē-ó-hē der Rundgesänge.

Bituáng-Awang, den 5. Oktober.

Meine knapp bemessene Zeit gestattete mir leider kein längeres Verweilen in Néneng, und deswegen hatte ich für heut den Weitermarsch nach Awang festgesetzt. Noch bis zur letzten Minute unseres Dortseins kamen Leute mit verkäuflichen Sachen, von denen ich noch manches gebrauchen konnte. Als wir endlich marschbereit waren, sollte mir noch eine ganz besondere Ehrung zuteil werden. Der Paríngin von Néneng kam in Gesellschaft seiner Dorfältesten, um mir eine lange Abschiedsrede zu halten, in welcher er mir den Dank seiner Untertanen für den reichen Gewinn aussprach, den ich mit meinen Ankäufen der Bevölkerung von Bituáng gebracht hatte. Am Ende seines Speeches bat er mich um die Erlaubnis, in der von mir bewohnt gewesenen Kammer den Dewáta ein Dankopfer darbringen zu dürfen, damit diese nicht neidisch würden. Nach erteilter Zustimmung brachte einer[S. 248] seiner Begleiter ein Entenküchlein zum Vorschein, das der Paríngin nun unter Hersagung einer Gebetsformel an einem Fuße, mit dem Kopfe nach unten an einem Hauspfosten im Inneren aufhängte. Wohl tat mir das arme Tier herzlich leid, das auf so grausame Weise dem Tode des Verschmachtens preisgegeben wurde; dennoch war ein Widerspruch ausgeschlossen. Ein solcher würde eine schwere Kränkung des Paríngin[S. 249] bedeutet haben, abgesehen davon, daß die Beweggründe dafür den Toradjas absolut unverständlich geblieben sein würden.

144. Néneng mit der Schlucht des Salu Bela von Nordosten aus gesehen.
145. Brücke über den Salu Muá.

Nach freundschaftlicher Verabschiedung von dem prächtigen Paríngin und seinen Begleitern traten wir unsern Marsch nach Awang an. Der Weg dorthin führte uns über Néneng zur Hochebene empor. In einer Höhe von 1200 m machte ich eine letzte Aufnahme von Néneng mit der tiefen Schlucht des Salu Bela. Bei 1500 m betraten wir ein zerklüftetes, baumloses Plateau, das einen prachtvollen Rundblick gewährte. Links von der Wegerichtung lagen die Berge von Mándar. Zu unserer Rechten erstreckten sich die Ausläufer des südlichen Centralgebirges[S. 250] mit dem in die Wolken ragenden Latimódjong im fernen Hintergrunde. Hinter uns lag Bituáng mit dem Lédo- und Balían-Gebirge. Vor uns hob sich der Wald von Awang als schmales, dunkles Band scharf vom Horizonte ab. Zahlreiche Raubvögel belebten die Hochebene; ein Adlerpaar kreiste dicht über unseren Köpfen. Nach 1½ stündiger Wanderung gelangten wir in eine Einsenkung, in deren Tiefe der Salu Múa dahinströmte. Die darüberführende Brücke wies interessante Schnitzereien auf, wie ich sie ähnlich schon mehrfach als Giebelpfosten-Zierat an Toradja-Wohnhäusern gesehen hatte.

146. Meine Träger im Walde von Awang.
Tafel VIII.
Meine Expedition in Awang in den Toradja-Landen.

Nach Überschreiten des Salu Múa kamen wir bald zum Walde von Awang. Was für ein Genuß ist es doch, nach langer Wanderung durch gänzlich entwaldete Landesteile wieder einmal hohen, dichten Urwald zu betreten! Das Waldgebirge von Awang steigt zu bedeutenden Erhebungen an. Es bildet eine zwar langgestreckte, aber schmale, wasser- und schluchtenreiche Urwaldzone, die dank ihrer Beschaffenheit bisher allen Attacken waldverheerender Brände erfolgreich widerstanden hat. In den fast gänzlich entwaldeten Toradja-Landen ist[S. 251] der Wald von Awang als eine Oase in der Wüste zu bezeichnen. Wir passierten den Waldgürtel in einer reichlichen Stunde; dann traten wir wieder auf die offene, stark kupierte Lalang-Hochebene hinaus. Von dieser Seite aus konnten wir das halbkreisförmige Awang-Gebirge in seiner ganzen Ausdehnung sehen. Hier scholl uns ein Knallen und Knattern entgegen, und dichte Rauchschwaden wälzten sich über den Weg. Die Steppe war in Brand geraten! Knisternd züngelten die Flammen durch das hohe Rohr, und da und dort zuckten Flammengarben aus dem qualmenden Grau. Wir mußten eine beträchtliche Strecke mitten hindurch. Bei starkem Winde wäre das nicht ganz ungefährlich gewesen; heut bedeutete es nur die Unannehmlichkeit, im Laufschritt etwa 10 Minuten Weges zurücklegen zu müssen. Besonders die barfüßigen Träger vollführten recht possierliche Sprünge auf dem erhitzten Boden. Sengen und Brennen ist des Toradja Lust! war man versucht, beim traurigen Anblicke der geschwärzten Flächen auszurufen. Gegen 1 Uhr mittags gelangten wir in das sternförmige Awang-Tal. Die zahlreich vorgeschobenen Ausläufer der Hochebene, die es umfriedeten, trugen auf ihrem Rücken je ein Eingeborenendorf. Die Talsohle selbst war völlig dem Reisbau dienstbar gemacht. Auf einem vom Mólu umflossenen Hügel, ziemlich in der Mitte der Niederung, lag die Station Awang. Sie bestand wie die früher besuchten Biwakplätze lediglich aus einigen leerstehenden Baracken. — Mitten auf einem Reisfelde baumelte eine aus Palmenholz geschnitzte Vogelfigur, anscheinend eine Scheuche zum Schutze gegen die legionenweise auftretenden Reisfinken. Ich wünschte, das Stück meinen Sammlungen einzuverleiben, und schickte einen der Kulis hin, es mir zu holen. Willig erstieg derselbe die niedrige Böschung, prallte jedoch, oben angelangt, sofort zurück. Er hatte am Rande des Feldes schräg in den Boden gesteckte Bambuspfeile bemerkt, durch welche dieses auf allen Seiten geschützt war. Diese Bambuspfeile besagten, daß das Reisfeld vom Eigentümer für »pomáli« erklärt war, und nun durfte es kein Mensch betreten, ohne sich der Rache der Reisgötter auszusetzen. Da half denn auch kein weiteres Zureden. Diese einfache Zeichensprache[S. 252] (surat malayu) wird allgemein streng respektiert, und als ich sah, mit welcher Scheu meine Leute das Feld betrachteten, verzichtete ich auf das Objekt.

147. Toradja aus Awang.

Auf einem hohen, durch die Sawas geführten Damm erreichten wir die rund 900 m hoch gelegene Station Awang. Während des Nachmittags kamen viele Toradja aus den umliegenden Dörfern, und ich vermochte meine Sammlungen abermals um manch gutes Stück zu bereichern. Das Beste darunter dürfte ein schön bemalter, leicht ausgebauchter Holzschild gewesen sein, dessen Erwerb mir viele Freude machte. Es war dies der einzige Holzschild, den ich in den Toradja-Landen zu sehen bekam (s. Fig. 129). — Ein Mann brachte ein junges Anoa (Anoa depressicornis) zum Verkauf auf die Station, das aus dem Walde von Awang stammte. Das muntere niedliche Tier sollte 15 Gulden kosten; doch hätte ich es nie über das Herz gebracht, es töten zu lassen. Solche jungen Gemsbüffel halten sich nur sehr kurze Zeit in der Gefangenschaft. Alt gefangene Anoas sind außerordentlich bösartig, verweigern jede Nahrungsaufnahme und gehen gleichfalls bald ein.

[S. 253]

Awang-Tóndong, den 6. Oktober.

Wir wollten heut das große Toradjadorf Tóndong, den am weitesten westlich gelegenen Punkt meiner Reisen in den Toradja-Landen, erreichen. Kurz nach 6 Uhr morgens verließen wir die Station Awang, um über ausgedehnte Talflächen hinweg der sich im Hintergrunde erhebenden Hochebene zuzustreben. Das ganze Mólu-Tal präsentierte sich als ein von zackigen Randgebirgen fast kreisrund umschlossenes Becken, das mit seinen Tausenden kleiner Reisbeete einem riesigen Schachbrette glich. Wir gelangten ziemlich trockenen Fußes über diese Reisfelderzone hinweg, die für die hiesige Ornis ein gesegnetes Gefilde sein mußte; denn es wimmelte geradezu von Bekassinen, Enten, Reihern und Marabus, sowie großen Flügen laut kreischender Schwalben, entzückend gefärbter Bienenfresser und vielen Raubvögeln. Über den Mólu-Fluß hinweg verließen wir das Awang-Tal durch eine Lücke in der Bergumrahmung und gelangten nun in das ähnlich beschaffene, aber engere Bámba-Tal. Hinter diesem nahm das besiedelte Gebiet ein Ende, und der steile Berg Tondok gigi stieg vor uns auf, nach dessen Bewältigung uns wieder die rauhe Poesie weiter Steppenflächen umgab.

Eine interessante Reminiscenz an die jüngste Vergangenheit des Landes bildete die kriegsgeschichtlich berühmte Barúbu-Linie, welche wir zu passieren hatten. Sie besteht aus einem sich durch die ganze Ausdehnung des Hochplateaus stundenweit hinziehenden 320 m tiefen Erdriß, dessen Sohle der Barúbu-Fluß völlig ausfüllt. Diese Schlucht hat auf beiden Seiten außerordentlich steile Wände, und man mußte völlig schwindelfrei sein, um von der Höhe glücklich hinabzugelangen. Der knapp fußbreite Steig führte auf losem Geröll in scharfen Zickzacklinien die Schlucht hinunter. Ein Holzsteg über dem Flusse verband die beiden Uferwände, worauf es drüben wieder ebenso steil in die Höhe ging. Diese früher unpassierbare Klamm hatten die verbündeten Toradja im letzten Kriege auf der Westseite durch Verschanzungen verstärkt und fühlten sich hier vollkommen sicher. Als die von Osten gekommenen Holländer das Hindernis umgingen und[S. 254] im Rücken des feindlichen Heeres Truppen anrücken ließen, räumten die ungeübten Toradja-Krieger kampflos das Feld und baten um Frieden, der bald darauf geschlossen wurde.

148. Blick auf das Bámba- und Mólu-Tal.

Nach einer ca. 6stündigen Wanderung waren wir am Rande der Hochebene angelangt, und die grünen Fluren des Fürstentums Tóndong lachten uns entgegen. Noch einmal reihte sich ein Hinab und Hinauf an die Kette der unaufhörlichen Terrainwellen. Dann landeten wir wohlbehalten in dem schönen, mit hohem Bambuswalle umgebenen Hauptdorfe Tóndong.

Über die Landschaft Tóndong herrschte der Paríngin Tandebúa. Dieser, ein noch junger Mann, erwartete uns schon mit seinem Stabe vor dem Fremdenhause, einem kleinen, aus 2 Kammern bestehenden Ataphüttchen. Das Militär und die Träger bezogen im Freien ein aus mitgeführtem Material errichtetes Lager. Der Paríngin Tandebúa machte auf mich einen wenig sympathischen Eindruck. Aus seinem Gesichtsausdruck sprach ein Gemisch von Hochmut und Verschlagenheit, und sein uns gegenüber an den Tag gelegtes unterwürfiges Benehmen vermochte an diesem Gefühl nicht das geringste zu ändern, verstärkte vielmehr in mir das Empfinden, daß diesem Menschen nicht zu trauen sei. Schon sein Vater war einer der erbittertsten Feinde der[S. 255] Holländer gewesen, und sein Sohn und Nachfolger machte mit seinen Ergebenheits-Beteuerungen wohl nur aus der Not eine Tugend. Als er erfuhr, worauf es mir bei meinem Besuche hauptsächlich ankäme, bat er diensteifrig um die Erlaubnis, sich entfernen zu dürfen, angeblich um sofort Boten nach den verschiedenen Ortschaften abzusenden. Diese wurde ihm gutgläubig erteilt, und er verabschiedete sich eilends. Erst die Ereignisse des Tages machten uns klar, daß dies nur ein Vorwand gewesen war, um auf glimpfliche Art von uns loszukommen, und daß ihm unsere Ankunft recht ungelegen gekommen war. Wie wir zufällig hörten, wurde nämlich heut bei einem ca. ¾ Stunden entfernten Dorfe eines der selten stattfindenden Totenfeste gefeiert, an dem sich die ganze Umgegend beteiligte, und wobei die Anwesenheit des Fürsten unerläßlich war. Tandebúa, der uns dies aus unbekannten Gründen sorgfältig verschwiegen hatte, brannte darauf, von uns entlassen zu werden, um sich dorthin zu begeben. Zweifellos wollte man uns von der Totenfeier fernhalten.

149. Weg durch die 320 m tiefe Barúbu-Schlucht.

Wir verdankten die Kunde von dem Feste einem verliebten Toradja-Mädchen, das mit einem unserer Soldaten ein Freundschaftsbündnis auf Sicht eingegangen war und diesem davon erzählt hatte.[S. 256] Ihr Galan war intelligent genug vorauszusetzen, daß uns dieses seltene Schauspiel interessieren würde, und meldete es seinem Hauptmann, woraufhin wir uns unverzüglich auf den Weg machten, um dem Feste ungebeten beizuwohnen. Die unvorsichtige Jungfrau wurde sehr gegen ihren Willen zur Führerin gepreßt und brachte uns auch richtig in die Nähe des mit Fahnen und langen weißen Wimpeln geschmückten Festplatzes, um dann plötzlich zu entwischen und uns unserem Schicksale zu überlassen.

150. Toradja-Weberin.

Ehe ich nun zur Schilderung der Totenfeier übergehe, möchte ich einige Mitteilungen über die merkwürdigen Gebräuche des Totenkultus der Toradja vorausschicken, so weit sie mir auf Grund sorgfältiger Erkundigungen bekannt wurden.

Stirbt der Hausvater einer Toradja-Familie, so versammeln sich sämtliche Angehörige jammernd und wehklagend um sein Lager. Nach[S. 257] eingetretenem Tode zieht man ihm die Kleider aus und läßt ihm nur die Schmucksachen am Körper. Alsdann wird die Leiche mit Wasser besprengt, worauf man sie mit weißem Linnen umwickelt in einen aus einer Stammhälfte gearbeiteten fugenlosen, kahnförmigen Sarg legt. In diesem vorerst noch offenen und deckellosen Sarge wird der Tote in einem abgesonderten Raume des Wohnhauses niedergesetzt und verbleibt hier ungeachtet des entsetzlichen Leichengeruches so lange, bis jeder Geruch geschwunden ist. Das sich im Anfange der Maceration ansammelnde Leichenwasser wird von den Hinterbliebenen täglich sorgfältig ausgeschöpft und in Bambusbehältern aufbewahrt, um bei der Überführung der Leiche ins Felsengrab mit beigesetzt zu werden. Ist im Laufe der Zeit der Leichnam trocken geworden, so wird er aus dem Sarge herausgenommen. Die verfaulten Linnenreste werden sorgsam entfernt, und der Tote wird aufs neue in gestreckter Haltung, fest mit neuen weißen Tüchern umhüllt, in den Sarg zurückgelegt, der nun erst mit der dazu gehörigen, genau passenden zweiten Stammhälfte verschlossen und mit Harz gedichtet wird. Der auf solche Weise luftdicht geschlossene Sarg bleibt nun im Sterbehause stehen, bis die Familie die bedeutenden Kosten aufgebracht hat, die mit der Feier eines Totenfestes und der Überführung in die Felsengruft verbunden sind. Das kann Wochen, Monate und selbst Jahre dauern. Sind die Vorbereitungen endlich soweit gediehen, daß an die Abhaltung des Totenfestes gedacht werden kann, so bestimmt der Paríngin den hierfür geeigneten Tag. Die Veranstalter der Feier wählen nun zunächst einen ihnen passend erscheinenden Hügel, der als Festplatz hergerichtet wird. Hier möchte ich einschalten, daß an anderen Lokalitäten, z. B. im Rantepáo-Tale, nicht wie in Tóndong willkürlich wechselnde, sondern stets dieselben Örtlichkeiten zur Abhaltung von Totenfeiern benutzt werden. In diesem Falle findet man auf den Festplätzen (simbuang) gewöhnlich Steinblöcke aufgerichtet (wie früher erwähnt), die entweder ringförmig oder doppelreihig angeordnet stehen. An diesen Steinen werden die Opferbüffel festgebunden. In Tóndong benutzte man hierzu Holzpfosten.

[S. 258]

Am frühen Morgen des Tages vor dem Totenfeste wird der Sarg mit der Leiche nach dem bereits zur Feier geschmückten Platze übergeführt. Hierzu bedient man sich einer Tragbahre (sarigan), die mit einem besonders schönen Tuche (gaséda) behängt ist. Die männlichen Glieder der Familie tragen den auf die Bahre gestellten Sarg (rapásan), sämtliche andere Angehörigen folgen dem Zuge. In dem für den Toten besonders errichteten Häuschen wird der mit dem Gaséda bedeckte Sarg auf einer vorspringenden Plattform niedergesetzt. In dem niederen Raume dahinter haben die Witwe und die Kinder Platz zu nehmen, um hier in fürchterlicher Enge auszuharren, bis die anderen Tages stattfindende Feier vorbei ist. Gleichzeitig mit der Überführung der Leiche wird auch die einen bösen Geist symbolisierende Totenwache (tau-tau) direkt unter dem Sarge aufgestellt, damit der gefürchtete Dewáta sieht, daß an den ihm gebührenden Ehrungen nichts fehlt, und die Feier ohne Ungemach und Störung zu Ende geführt werden kann. Hierauf erfolgt am nächsten Morgen der angenehmere Teil des Totenfestes, bei dem von Trauer kaum die Rede ist.

Am dritten Tage erst schreitet man dann zur endgültigen Beisetzung des Sarges in der Felsengruft, ohne jedes weitere Ceremoniell. Durch die männlichen Familienmitglieder zum Liang gebracht, wird der Sarg dort auf Bambusleitern hochgezogen und in der Gruft auf den Boden oder, da es sich gewöhnlich um ein Familiengrab handelt, auf oder über den bereits vorhandenen Särgen niedergesetzt. Das Leichenwasser, alle Schmucksachen und Kleider, nicht aber die Waffen — ein besonders interessantes Moment — werden dem Toten mitgegeben, desgleichen sein Hut, sowie ein Kopfkissen. Die ehrfürchtige Scheu der Toradja vor den Liang ist ungeheuer groß, und ein Unbefugter, der es wagen würde, ein solches Felsengrab zu betreten, würde dies nach der festen Überzeugung der Eingeborenen sofort mit dem Leben zu büßen haben. Die Beraubung von Liang gilt als das schwerste Vergehen, das der Strafkodex der Toradja kennt, und wird unter allen Umständen mit dem Tode geahndet. Bei der außerordentlichen[S. 259] Scheu der Eingeborenen vor diesen Grüften werden Einbrüche in dieselben wohl stets von Fremden verübt worden sein. Die Sühnung solcher Verbrechen geschieht durch Ertränken, wobei der Frevler mit an den Körper hochgeschnürten Knien ins Wasser hinabgestoßen wird.

Eine Trauerkleidung ist bei den Toradja nicht Gesetz; doch ist es üblich, daß die allernächsten weiblichen Angehörigen sich in schwarze Tücher hüllen und das Haupt mit einer schwarz befransten Kapuze bedecken. Speziell dieses letztere erregte mein Interesse, da ich in Brit. Nord-Borneo genau ebensolche Kapuzen fand, nur dunkelblau statt schwarz, die dort von den Dusun-Frauen als Sonnenschutz getragen wurden. Mit vieler Mühe und Not und nur auf persönliche Verwendung des Paríngin hin konnte ich ein einziges Exemplar der Trauerkapuze erhalten. Der Verkauf dieser »pásen« genannten Kopfbedeckung widerspricht eben nach dem Empfinden der Leute der guten Sitte. Auch werden die Kapuzen während der Trauerzeit nicht abgelegt, und da sie nur von Fall zu Fall angefertigt werden, ist nicht sofort Ersatz zu beschaffen.

Wie schon bemerkt, bleibt es dem freien Entschlusse der Frauen überlassen, ob sie Trauerkleidung anlegen wollen. Haben sie sich aber einmal dazu entschlossen, dann wird auch mit äußerster Strenge auf die genaueste Befolgung der sich hieran knüpfenden Vorschriften geachtet. So darf eine derart ihre Trauer öffentlich bekundende Frau vom Todestage an bis zur endgültigen Beisetzung der Leiche keinerlei gekochte Speise mehr genießen, sondern hat sich ausschließlich von rohen Feldfrüchten zu ernähren. Da schwere Dysenterie fast stets die Folge der ungewohnten Ernährungsweise ist, so wurde dieser Brauch neuerlich vom Gouvernement streng verboten.

Ich komme nun zurück auf das während unserer Anwesenheit stattgehabte Totenfest. Unser Erscheinen erregte außerordentliches Aufsehen, und das laute Treiben verstummte wie mit einem Schlage. Aller Augen waren auf uns gerichtet, als sich uns der Paríngin mit[S. 260] allen Anzeichen größter Verlegenheit näherte, um uns zu begrüßen. Wir schüttelten ihm völlig unbefangen die Hand und erklärten, nur durch Zufall hierher gekommen zu sein, bäten nun aber, hier bleiben zu dürfen, um dem Feste eine Weile zuzusehen. Derartig überrumpelt, gab unser Freund seine Zustimmung, und nachdem auch die übrigen vornehmen Toradja herbeigekommen waren, uns zu bewillkommnen, führte uns der Paríngin selbst auf dem Festplatze umher, um uns die nötigen Erklärungen zu geben. Auf unsere Bitte gab nun der Fürst das Zeichen zur Fortsetzung des unterbrochenen Festes, worauf sich anscheinend niemand mehr um uns bekümmerte.

Es war ein fascinierendes Bild, das sich jetzt vor unsern Augen entrollte, und ich schätze mich heut noch glücklich, — wahrscheinlich als erster Europäer — diesem interessantesten aller Toradjafeste beigewohnt zu haben (s. Taf. IX).

Tafel IX.
Totenfeier im Dorfe Tóndong.

Auf dem vom Bambusgebüsch umfriedeten Festplatz waren in rechteckiger Anordnung 3 Reihen kleiner Ataphütten errichtet. Von der offenen Seite des Rechteckes aus betrachtet, war der Tote auf der linken Seite, in einem die nebenstehenden Hütten überragenden Aufbau mit geschweiftem Giebel aufgebahrt. Der prächtig mit Decken geschmückte Sarg stand vorn frei auf einer Plattform. In dem dahinterliegenden Raume kauerten die erwachsenen weiblichen Familienangehörigen und Kinder, die bis zum Ende der Feierlichkeiten hier auszuharren hatten. Die dem Kindesalter entwachsenen männlichen Familienangehörigen hatten ihren Platz in dem offenen Raume darunter, die entfernteren Anverwandten und besten Freunde des Verstorbenen sowie der Paríngin in den daneben befindlichen Hütten. Auf dem Boden unter dem Sarge war der Tau-Tau aufgestellt. Die Puppe war mit schönen bunten Gewändern bekleidet und mit dem Tóra-Tóra, einer ausschließlich für diesen Zweck bestimmten Halskette aus Krokodilzähnen geschmückt. Krokodilzähne, denen besondere geheime Kräfte zugeschrieben werden, stellen hier im gebirgigen Landesinnern einen kostbaren Besitz vor und werden daher vielfach durch hölzerne Imitationen[S. 261] oder durch große Eberzähne ersetzt. Vor der Totenwache waren Schild und Lanze, sowie zwei Ehrenschirme aufgestellt. Auch der Platz des Paríngin war durch einen solchen Schirm ausgezeichnet. Vor dem Tau-Tau hingen an einer Leine die Gewänder des Toten. Die Hütten der gegenüberliegenden Seite waren mit der Schar der sonstigen Festteilnehmer erdrückend gefüllt, und auch auf dem Wiesenplane davor hatten sich beide Geschlechter bunt durcheinander in zwanglosen Gruppen gelagert. Die verbindende Hüttenreihe im Hintergrunde war den Fleischzerteilern vorbehalten, die dort ihres Amtes walteten. Die linke Hauptfront entlang, ungefähr 4 m von den Hütten entfernt, hatte man in Manneshöhe eine Schnur gezogen, an der in Abständen von je 1 m Bündel aus Bambusrohr hingen. Über den Zweck dieser Abgrenzung konnte ich nichts Zuverlässiges erfahren. Unmittelbar dahinter waren die Opferbüffel in regelmäßigen Abständen von einander an starken mit Kokoswedeln geschmückten Pfählen festgebunden. Die Mitte des Festplatzes endlich nahm ein 4–5 m hohes Gerüst aus starken Baumpfählen ein, das eine für 5–6 Menschen berechnete Plattform trug, deren Zweck ich im folgenden erläutern werde.

151. Totenpuppen-Halskette (tóra-tóra).

Der Tote, zu dessen letzter Ehrung dieses Fest veranstaltet wurde,[S. 262] war länger als 6 Monate in seinem Hause aufgebahrt gewesen, bis die Mittel zur Leichenfeier zusammengebracht waren. Das Fest kostete 8 Büffeln, einer großen Anzahl von Schweinen und einer ungezählten Menge von Hühnern das Leben. Es ist hier alter Brauch, daß bei solchen Anlässen der Paríngin einen halberwachsenen Büffel beisteuert. Die Kinder des Toten spenden je einen halberwachsenen, die anderen Familienangehörigen zusammen 3 voll erwachsene Büffel, ungerechnet die enormen Quantitäten Reis, Gebäck, Kaffee und Bálok (Areng-Palmwein), die von der Familie zur Bewirtung der Festteilnehmer aufgebracht werden müssen. Dagegen steuern auch diese reichlich bei, indem jeder nach seinen Verhältnissen entweder ein Schwein oder Geflügel, wohl auch Palmwein als Festgabe mitbringt. Alle kleineren Opfertiere werden von den Spendern selbst geschlachtet, wogegen die Tötung der Büffel nach einem besonderen Ritus erfolgt. Hier sei eingefügt, daß die Toradja zu solchen Opferfesten stets schwarze Büffel auswählen. Weiße oder gescheckte Büffel gelten bei ihnen als hochgeschätzte Seltenheiten. Dagegen werden in anderen Teilen von Central-Celebes, z. B. in Masamba, so gefärbte Tiere verachtet; ja man geht dort so weit, das Fleisch derselben für gesundheitsschädlich anzusehen. In der Landschaft Leboni wieder wählt man nur weiße Büffel als Opfertiere aus.

151 a. Lanze.

In Tóndong nun waren die Büffel mittels unzerreißbarer Rotanghalsringe derart an den Pfählen befestigt, daß sie sich frei im Kreise zu bewegen vermochten. Bei unserem Eintreffen auf dem Festplatze waren von den 8 Opferbüffeln bereits 7 getötet worden. Der 8. und letzte sollte eben dasselbe Schicksal erleiden. Mit vor Aufregung weit geblähten Nüstern und vor Entsetzen zitternd, hatte das arme Tier der Abschlachtung seiner Schicksalsgenossen zusehen müssen. Vor seinen Augen wurden die abgehäuteten Körper zerteilt, und ein abscheulicher Blutgeruch erfüllte den Platz. Die Häute lagen zum Trocknen ausgespannt auf dem Wiesengrunde des freien Mittelraumes.

Das Töten der Büffel geschieht bei den Toradja mittels einer starken breitklingigen Lanze, die ausschließlich zu diesem Zwecke benutzt[S. 263] wird. Zum Büffeltöter auserwählt zu werden, gilt als eine Ehre, die immer dem stärksten Manne des Dorfes zuteil wird. Das Zeichen zum Beginne gibt der Paríngin mit den Worten: »rók tedóng!« (= töte den Büffel), worauf sich der hierzu bestimmte Mann dem in Todesangst seinen Pfahl umkreisenden und dumpf brüllenden Schlachtopfer von hinten nähert, um es mit einem einzigen sicheren Lanzenstoß ins Herz zur Strecke zu bringen. — Wie oft aber trifft dieser Stoß nicht sofort die richtige Stelle, und dann beginnt ein entsetzliches Schauspiel, dem die Nerven eines Europäers kaum gewachsen sein dürften, während selbst die jüngsten Toradja-Frauen und Kinder den Zuckungen des vor Schmerzen sich am Boden windenden und wild um sich schlagenden Tieres scherzend und lachend zuzusehen vermögen. Und doch ist diese Art des Tötens noch human gegenüber der geradezu gräßlichen Abschlachtung mittels absichtlich schwach geführter Schwerthiebe, wie ich sie später in Leboni miterleben sollte. — Bemerkt sei hier noch, daß bei Begräbnisfeierlichkeiten für fürstliche Personen die Schlachtbüffel mit Blumen geschmückt und die Hörner derselben gelb gefärbt werden.

Der in Tóndong als Büffeltöter fungierende, herkulisch gebaute Toradja machte seine Sache sehr gut, und das letzte der 8 Opfer stürzte lautlos, wie vom Blitze getroffen zu Boden. Erregtes Beifallsgemurmel belohnte seinen sicheren Blick und seinen starken Arm. Der getötete Büffel wurde sofort abgehäutet und die Haut gleich den anderen auf dem Rasen zum Trocknen ausgespannt. Den Körper schleifte man zu den Fleischzerteilern. Die sich dort abspielenden Vorgänge waren überaus widerwärtig. Die Leute wateten förmlich im Blute und waren über und über mit Blut besudelt. Dieser abstoßende Anblick wurde noch besonders durch eine Anzahl halbwüchsiger Knaben verstärkt, die, vor Lust kreischend, damit beschäftigt waren, das Blut des getöteten Tieres aus der aufgeschlitzten Leibeshöhle mit den[S. 264] Händen auszuschöpfen und gleich den Gedärmen und kleineren Abfallbrocken in Bambusbehälter zu sammeln. Die Fleischmasse der Büffel wurde geviertelt, die von Schweinen halbiert, um auf die bereits erwähnte Mitteltribüne geschafft und von den dort postierten Männern in Portionen zerkleinert zu werden, wie sie zur Verteilung an das Volk gelangten. Die Austeilung geschah auf folgende Weise. Einer der 4 oben befindlichen Leute, der Sprecher, trat vor und rief mit laut schallender Stimme einen der Festteilnehmer beim Namen auf, dem er nach erfolgter Antwort die ihm zugedachte Ration vor die Füße schleuderte. Der den Wurf begleitende Zuruf lautete stereotyp: »Dies dem Paríngin Tandebúa! Dies dem A! Dies dem B!« usw. Stets beginnt man dabei mit dem Fürsten. Ist die Verteilung zu Ende, und hat jeder Festteilnehmer seine Portion erhalten und sorgfältig in grüne Blätter gewickelt oder in Bambusköchern zur Mitnahme untergebracht, so hebt auf dem Festplatze ein großes Kochen und Schmausen an. Die Weiber delektieren sich am Kaffee; bei den Männern kreist die Bálok-Kanne. Kartenspiel und Hahnenkämpfe kürzen die Zeit, und lauter Festjubel erfüllt den Platz, von dem nur die in dem Raume hinter dem Sarge als stumme Teilnehmer untergebrachten Familienangehörigen ausgeschlossen sind.

Die Empfindungen, die uns unbeteiligten Gäste bei dieser seiner ernsten Tendenz hohnsprechenden Totenfeier überkamen, waren nichts weniger als angenehm. Man denke sich nur in die geradezu abenteuerliche Situation hinein! Hoch über der Erde war der geschmückte Sarg mit der Leiche des Verstorbenen ausgestellt, und hinter ihm saßen die trauernden Hinterbliebenen als stille, unbewegte Zuschauer. Vor diesem düsteren Hintergrunde aber wogte das an ein heiteres Volksfest gemahnende Treiben einer festlich geschmückten Menge. Darüber schwebte der süßliche Geruch, den das vergossene Blut der vielen getöteten Opfertiere um sich verbreitete, — und dies Schauspiel genossen wir bei einer Temperatur von mehr als 40° C!

Herr Hauptmann K. war bereits von meiner Seite verschwunden,[S. 265] als die Tötung des letzten Opferbüffels erfolgte. Mich hielt nur die Pflicht des Berichterstatters noch länger fest. Auch meine Nerven bäumten sich gegen die Zumutung längeren Verweilens, und meine Gesichtsfarbe kam und ging. Mit ironischem Lächeln fragte mich der Paríngin, ob mir nicht ganz wohl sei. Tatsächlich hatte ich übergenug und fürchtete jeden Augenblick, ohnmächtig zu werden. Ich ließ mich aus dem Kreise herausführen und legte mich abseits unter ein Bambusgebüsch, glücklich, dieser entsetzlichen, mit Schweiß und Blut durchtränkten Atmosphäre entronnen zu sein. Etwas erholt, eilte ich ohne weitere Verabschiedung meinem vorangegangenen Begleiter nach, dem es ebenso ergangen war wie mir. Es bedurfte geraumer Zeit, ehe wir unser seelisches Gleichgewicht wieder gefunden hatten.

152. Toradja-Spielkarten.

Nach dem Hauptdorfe Tóndong zurückgekehrt, machte ich noch eine Reihe von Aufnahmen, worunter sich auch die eines in der Nähe unseres Absteigequartieres auf einem freien Platze stehenden, schönen Ficusbaumes befand, der von den Bewohnern der ganzen Umgegend als Wohnort eines Dewáta verehrt wurde. Die nach Westen gerichtete[S. 266] Stammseite desselben war über und über mit Fetischen und Sirihopfern besteckt. Als ich mit meinem Apparate dahinkam, lagerte im Schatten des Baumes eine Gruppe von Frauen und Mädchen in animierter Unterhaltung mit unseren Soldaten. Ein hübsches Bild, das ich gern festgehalten hätte. Leider verdarben mir die entsetzt davonlaufenden Frauen die Freude. Alle Versprechungen von Geschenken blieben wirkungslos, und die Schönen waren und blieben verschwunden.

153. Haus des Paríngin Tandebúa in Tóndong.

[S. 267]

154. Reishütten des Paríngin Tandebúa in Tóndong.

Der Kampong Tóndong bestand aus einer bedeutenden Anzahl von Hütten und Häusern, die auf dem hügeligen Gelände zerstreut lagen. Unter ihnen befanden sich ganz prachtvolle, reich bemalte Holzhäuser, wie ich sie in solcher Gediegenheit der Ausführung und Reinheit des Stiles selbst in Néneng nicht gefunden hatte. Die schönsten darunter waren die beiden großen Häuser des Paríngin Tandebúa und seines Sohnes, deren Hörnerschmuck einer ganzen Herde Büffel das Leben gekostet haben mußte. Ebenso herrlich ausgestattet waren die diesen Wohnungen gegenüberstehenden Reis-Vorratshütten. Da so ziemlich das ganze Dorf ausgeflogen war, um der Totenfeier beizuwohnen, konnte ich ungehindert und nach Herzenslust photographieren. Allerdings hatte ich es andererseits derselben Ursache zuzuschreiben, wenn meine ethnographische Ausbeute in Tóndong eine qualitativ zwar hervorragend befriedigende, quantitativ aber bescheidene[S. 268] war. Denn sitzt der Toradja erst bei Schmaus und Spiel, so ist er nicht wieder fortzubringen, und es wurde auch diesmal spät abend, ehe der Paríngin mit einer Anzahl seiner Dorfgenossen zurückkehrte. Sie brachten mir Verschiedenes zum Kaufe mit. Darunter befanden sich einige hochseltene Objekte, deren Erwerbsmöglichkeit zu den besonderen Glücksfällen zu rechnen ist. Hierzu zählten vor allem mehrere Tóra-Tóra, sowie eine Serie von 7 »úru« genannten hölzernen Ceremonialhüten, die, jeder in anderer Art, mit reicher Ornamentenschnitzerei und -Malerei ausgestattet waren. Diese Hüte werden von den Ältesten des Dorfes bei der Mabúa-Feier getragen und sind eine Spezialität der Tóndong-Toradja. Wird der auf dem Halme stehende Reis von Krankheit, Insektenfraß oder dergl. befallen, so beruft der Paríngin eine Mabúa, eine Versammlung zur Beschwörung der Reisgeister, ein. Bei dieser Kulthandlung müssen die Teilnehmer »úru-úru« tragen. Die Beschwörung soll in der Hauptsache in dem Hersagen von Formeln und Gebeten bestehen nebst den unvermeidlichen Opferceremonien.

In Tóndong erhielt ich auch mehrfach kleine, holzgeschnitzte und bemalte Vogelfiguren, wie sie angeblich als Giebelschmuck verwendet, wahrscheinlicher aber als Zierat oder als Spielerei unter dem First aufgehängt werden. Ich selbst habe dergleichen in dieser Anwendung nicht gesehen. Die mir gebrachten Stücke zeigten zwei verschiedene Motive: »búku«, die Taube, und »lóndong«, den Hahn.

155. Hölzerner Ceremonialhut aus Tóndong.

[S. 269]

Die wundervolle laue Nacht animierte uns zu längerem Aufbleiben. So ließ ich denn nach dem Abendimbiß nochmals den Palólo, den Dorfzauberer, Priester, Medizinmann und was er sonst noch sein mag, zu uns rufen, einen alten, würdigen und in der Geschichte seines Stammes wohlbewanderten Herrn. Zu ihm gesellte sich noch eine kleine Gruppe anderer Dorfältester. Ich regalierte alle erst mit Zigarren, um sie in Stimmung zu bringen, und dann hub ein Fragen und Forschen an, das uns bis nach Mitternacht beisammen hielt. Mein Faktotum Rámang hatte uns dabei in besonders schwierigen Fällen als Dolmetsch zu dienen. Von den Ergebnissen dieser Unterredung sei das Wesentlichste im folgenden wieder erzählt.

Ich begehrte zu wissen, was nach dem Tode eines Menschen mit seiner Seele geschehe, worauf mir die poetisch-innige Antwort zuteil wurde: »Die Seele eines Verstorbenen steigt nach dem Tode sofort in den Himmel auf, in dem die guten Geister ihren ständigen Wohnsitz haben. Dort lebt und stirbt sie noch einigemale, um am Ende ihrer Metamorphose als schwarze Ameise wiederum zur Erde zurückzukehren. Werden von den Menschen die Bergabhänge und Wälder, die diesen Tieren zur Heimat dienen, abgebrannt, so verbrennen auch die Ameisen-Seelen, um mit dem Rauche wieder zum Himmel emporzuschweben und nun für immer dort zu verbleiben.« Die große schwarze Ameise gilt somit dem Toradja als ein heiliges Tier und wird niemals absichtlich getötet. —

156. Geschnitzte Vogelfiguren als Hauszierat.

Das Liebesleben der Toradja beleuchten einige hier wiedergegebene[S. 270] Äußerungen des Palólo. Vorangeschickt sei, daß die Toradja unter allen Stämmen von Central-Celebes als am meisten erotisch veranlagt gelten, und das sanguinische Temperament dieses Völkchens scheint dies zu bestätigen. Darauf deuten auch die meist obscönen bildnerischen Darstellungen der Toradja hin, vor allem aber auch die für unser Empfinden schwer verständliche Sitte des in einigen Landschaften, wie in Makále, Sengála und Mikindink, noch allgemein verbreiteten Gebrauches von Penispflöcken. Zum besseren Verständnis dieser höchst absonderlichen Genitalienzier füge ich hier die Abbildung eines solchen aus Makále stammenden »Nagels«, wie ihn die Toradja nennen, in Originalgröße bei.

157. Toradja-Penispflock. (Natürliche Größe.)

Das Taléde genannte Instrument wird gewöhnlich aus Büffelknochen hergestellt. Um es benutzen zu können, muß das männliche Glied hinter der Eichel schräg von oben nach unten durchbohrt werden. Diese barbarische Prozedur wird meist schon im jugendlichen Alter gleich nach Eintritt der Pubertät vorgenommen, und die Operation muß entsetzlich schmerzhaft sein. Dennoch unterziehen sich wohl alle Jünglinge derselben.

Der mit dem Taléde ausgeübte Coitus scheint den Toradja-Frauen einen so intensiven Genuß zu bereiten, daß für ein Mädchen, das sich verheiraten will, ein Freier ohne solchen gar nicht in Betracht kommt.

Der Pflock wird in der Weise in den Penis eingeführt, daß der eine dickere Endknopf desselben nach unten zu stehen kommt und[S. 271] das obere Ende des Nagels nach vorn zu herausragt. Da die roh ausgeführte chirurgische Manipulation sehr häufig schwere Erkrankungen und sogar Todesfälle nach sich zieht, hat sich das Gouvernement in neuerer Zeit veranlaßt gesehen, derartige Potenzierungen der Männlichkeit mit schweren Ahndungen zu belegen.

Ein Abrasieren der Schamhaare, wie es in Luwu Regel ist, kennen die Toradja-Frauen nicht. Die besseren Frauen und Mädchen unter ihnen tragen ebenso wie die Luwuresinnen unter ihren selbstgewebten Röcken kurze Höschen.

Eine Toradja-Liebeserklärung spielt sich in der Landschaft Tóndong in der Weise ab, daß der entflammte Jüngling seine Schöne ablauert, wenn sie wie alltäglich zu bestimmter Stunde zur Quelle Wasser holen kommt. Hier fragt er sie, ob sie bereit sei, ihn zum Manne zu nehmen. Das Mädchen erwidert nur »ja oder nein« und entfernt sich sofort. Am nächsten Tage wiederholt sich diese Scene in genau derselben Weise. Lautet die Antwort wiederum bejahend, so gilt dies als eine bindende Abmachung, und der Jüngling verbringt noch dieselbe Nacht bei seinem Mädchen, womit der Bund als offiziell besiegelt gilt. Eine Hochzeitsfeier ist ganz unbekannt. — Die Eltern üben auf die Entschließung ihrer Kinder keinen bestimmenden Einfluß aus. Erklären sie jedoch, daß ihnen der Eidam willkommen sei, so ist es gebräuchlich, daß ihnen von diesem ein Geschenk überbracht wird. —

Im Makále-Distrikt erklärt der Jüngling dem zum Weibe begehrten Mädchen seine Liebe dadurch, daß er Sirih aus dem Beutel desselben fordert. Ist der Freier dem Mädchen willkommen, so antwortet sie damit, daß sie um Kalk aus der Dose des jungen Mannes bittet. Damit ist das Jawort ausgesprochen. Unterbleibt das Gegenersuchen des Mädchens, so ist dies eine deutliche Abweisung, ein regelrechter Korb. —

So sehr der Toradja bei Begründung seines neuen Hausstandes alles Ceremoniell verschmäht, auf so einfache Weise löst er Hymens Fesseln. Eins teilt dem andern in aller Freundschaft seinen Entschluß[S. 272] mit, eine andere Ehe eingehen zu wollen, worauf sich das Pärchen in vollster Harmonie trennt. In solchen Fällen verbleiben die unerwachsenen Kinder stets der Mutter. Bei bereits zu selbständigem Denken herangereiften Sprößlingen dagegen bleibt es dem eigenen freien Entschließen derselben anheimgestellt, ob sie dem Vater oder der Mutter folgen wollen. — Es ist jedem Toradja gestattet, sich gleichzeitig mehrere Frauen zu nehmen; nur verlangt es die gute Sitte, daß jede Frau ein Haus für sich bewohnt. Den Luxus, sich mehrere Frauen zu halten, können sich also nur wohlbegüterte Leute erlauben. Untreue in flagranti kann nach altem Adat mit dem Tode des schuldigen Paares bestraft werden; bei der laxen Sexualmoral des Volkes aber wird diese drakonische Bestimmung in allen Fällen in eine Vermögensbuße umgewandelt, für die 1–2 Büffel als ausreichende Sühne erachtet werden.

Den Toradja-Mädchen ist freie Liebe gestattet. Uneheliche Kinder gelten durchaus nicht als Schande und werden bei einer späteren Verheiratung vom Gatten ohne weiteres anerkannt.

Mit der Schwangerschaft der Frau ist eine lange Reihe besonderer Gebräuche und Regeln verknüpft, die genaue Beachtung finden. So darf zum Beispiel der Boden unter dem von einer schwangeren Frau bewohnten Hause während der ganzen Zeit der Schwangerschaft nicht gekehrt werden, da sonst die bösen Geister, die dort auf Gelegenheit lauern, der Schwangeren etwas anzutun, aufgescheucht werden und sich an derselben rächen würden. Ebenso darf eine schwangere Frau nicht mit dem Rücken gegen die Tür sitzen, da anderenfalls eine Fehlgeburt zu gewärtigen sei. Es ist ihr auch nicht erlaubt, in der Nähe der Tür zu sitzen, da sonst das Kind nicht zur Welt kommen könnte.

Die Wöchnerin darf vor der Geburt des Kindes keine faulen Fische zu essen bekommen, ein im profanen Leben bevorzugtes Gericht und gleich den faulen Eiern eine Toradja-Delikatesse.

Die Geburt wird in sitzender Stellung unter Assistenz einer Hebamme vollzogen, welche das Kind holt und die Nabelschnur mittels[S. 273] eines scharfen Bambusspanes durchschneidet. Die Nachgeburt (lolóna) wird nahe beim Hause vergraben und ein Opfertisch davor aufgestellt. Der Mutter ist einen Monat lang jede Feldarbeit verboten.

Tot geborene Kinder werden immer in Erdgräbern beigesetzt, ebenso nach der Geburt gestorbene kleine Kinder, die noch nicht selbständig Reis essen konnten. Auch sie werden nahe beim Dorfe eingegraben. Dagegen werden schon größere Kinder nach ihrem Ableben in die Familiengrüfte übergeführt.

Es möge mir nun noch gestattet sein, auch einiges über die Justiz der Toradja hier mitzuteilen.

Des Vaters Schulden gehen auf Sohn und Enkel über bis zur restlosen Tilgung. Eine Verzinsung in unserem Sinne kennt der Toradja nicht; dagegen hält sich der Gläubiger in recht ausgiebiger Weise dadurch schadlos, daß er Sawas seines Schuldners, die immer als wertvollstes Besitztum gelten, als Pfandgut in Anspruch nimmt, die der Schuldner zwar zu bestellen hat, deren Erträge jedoch dem Gläubiger zufallen, ohne von der Schuld in Abrechnung gebracht zu werden. Dieses Verfahren wird bis zur gänzlichen Schuldabtragung fortgesetzt und ist wohl geeignet, auch die säumigsten Schuldner zur Eile anzuspornen.

Für Diebstähle, bei welchen das gestohlene Gut dem Diebe wieder abgenommen werden konnte, ist eine 1–2monatliche, öffentliche Fesselung an einem Bambuspfahl festgesetzt, während welcher Zeit das Dorf für die Ernährung des Gefangenen zu sorgen hat. Nicht zurückzuerlangende Diebesbeute dagegen wird mit dem Verkaufe des Diebes in die Sklaverei geahndet, sofern die Überführung gelingt; denn auch in Celebes hängt man keinen, den man nicht hat.

Brandstiftung im eigenen Dorfe ist ein völlig unbekanntes Vergehen. Liegt dagegen solche durch einen Fremden vor, so ergeht an den Kampong desselben die Aufforderung, Schadenersatz zu leisten. Die Verweigerung einer angemessenen Entschädigung wird als casus belli angesehen und führt zum Ausbruche von Feindseligkeiten.

[S. 274]

Mit Vorstehendem ist der Sittenkodex der Toradja natürlich durchaus nicht erschöpft. Wer jedoch weiß, was für außerordentliche Schwierigkeiten es verursacht, von den solchem Ausfragen gegenüber höchst mißtrauischen und in abergläubischen Vorurteilen befangenen Eingeborenen derartige Angaben zu erhalten — ganz abgesehen von den sprachlichen Hindernissen —, der wird es verstehen können, daß ich mich über diese, wenn auch unvollständigen Ergebnisse unseres nächtlichen Palavers in Tóndong freute, die unendlich mehr Geduld und Ausdauer gekostet hatten, als das Lesen derselben vermuten läßt.

Tóndong — Rantepáo, den 7. Oktober.

Zum größten Leidwesen meines Boys Rámang, der in Tóndong in aller Geschwindigkeit eine Alliance cordiale mit einer Toradja-Jungfrau eingegangen war, brachen wir früh am Tage auf, um den bedeutendsten Ort des Landes, Rantepáo, noch bei guter Zeit zu erreichen. Wir wandten uns nach rechts, dem mächtigen, 2176 m hohen Sesean-Gebirge zu. Vereinzelt trafen wir in Senkungen der sonst kahlen Höhen Nadelbäume an. Sie ähnelten unseren heimischen Lärchen. Ihr wundervoll gemasertes Holz gilt als kostbarstes Baumaterial. Die Eingeborenen nannten sie Tjamára. — Überall trat roter Laterit zu Tage. Die hohen Hänge weit hinan zogen sich die »djagung ladang« (Maisfelder) der Eingeborenen, während die Talsohle mit Sawas bedeckt war. Bei dem notorischen Holzmangel der Gegend hatte man die außerhalb der Dorfgemeinschaften errichteten Feldhütten aus wenig dauerhaftem Bambusmaterial mit einer Bedachung aus Lalang erbaut. Nach scharfem 2stündigen Ansteigen überschritten wir die Wasserscheide in einer Einsattelung des Gebirgsrückens. Die Paßhöhe betrug hier 1440 m. Kurz zuvor kamen wir an einem durch einen tiefen Wallgraben geschützten Dörfchen vorüber, dessen Abgelegenheit mich hier ethnographische Kostbarkeiten erhoffen ließ. Leider verliefen die angestellten Recherchen durchaus ergebnislos. Ziemlich alle Dorfbewohner[S. 275] waren bei der Feldarbeit, und die wenigen zu Hause gebliebenen Weiber und Kinder erschreckte unser Kommen derart, daß sie Hals über Kopf über die Einfriedigungen hinweg ausbrachen und davonliefen. — Nach dem Überschreiten der Paßhöhe brachte uns ein kurzes Stückchen Weg zu einem Punkte, der einen herrlichen Ausblick gewährte. Unser hoher Standpunkt auf dem Kamme des Sesean-Gebirges gestattete uns, weit über die sich hinbreitende Bergscenerie bis nach Rantepáo fern am Horizonte hinüberzusehen. Leider war das unvergeßlich schöne Bild durch Dunstschleier etwas verhüllt. Rüstig ging es von nun ab eine geraume Weile auf dem Rücken des Gebirges entlang, wobei mir die nach Rantepáo zu abfallende Seite des Sesean-Gebirges unvergleichlich viel üppiger und auch fruchtbarer zu sein schien als die Tóndong-Seite.

158. Palmwein-Gewinnung.

An einer Stelle kamen wir durch einen wahren Hain von Zuckerpalmen, die zu einem hoch über uns im Gehänge eingenisteten Dörfchen gehörten. Wie mir die an fast allen diesen Palmen angebrachten Vorrichtungen zum Abzapfen des Palmweines, wie nicht weniger die zahlreichen bereits verbluteten Arengs bewiesen, schien man hier dem[S. 276] Bálokgenusse in recht ausgiebiger Weise zu huldigen. Durch den Marsch über das Gebirge etwas ermüdet und durstig geworden, beschloß ich, an diesem einladenden Orte eine kurze Rast mit einer Palmweinprobe zu verbinden. Dieser Entschluß wurde von meinen Begleitern mit ehrlicher Begeisterung begrüßt, und mit wahrem Feuereifer machte sich einer unter ihnen an das Erklettern eines der hohen Palmenschäfte. Bequem im Schatten an der Dorfumwallung hingelagert, ergötzte ich mich an der affenartigen Gewandtheit des Kletterers. Am Stumpfe einer frisch gekappten Fruchttraube der Zuckerpalme hatte der Eigentümer einen ziemlich voluminösen Bambusköcher kunstgerecht angebunden, welcher bestimmt war, das ausströmende Palmenblut aufzufangen. Dieser eigenartige Humpen wurde nun von meinem Toradja-Manne ohne weiteres entfernt und mir zum Kosten gereicht. Wahrhaftig, dieser baumfrische Arengsaft bietet doch wirklich eine nicht zu verachtende Erquickung, und wenn man den trinkfesten Bálok-Verehrern dieser Gegend nachsagt, daß sie sogar unter ihren Arengpalmen schlafen, um nur ja das Vollsein der Weinbehälter nicht zu verpassen, so kann ich dies nun schon besser verstehen. Da das Getränk stark berauschend wirkt, namentlich wenn man nicht daran gewöhnt ist, so begnügte ich mich mit einem kräftigen Schlucke und überließ den Rest meinen Leuten, die sich durchaus nicht ängstlich zeigten. Schon aber nahte die Nemesis; denn unser Raub war nicht unbemerkt geblieben, und auch das Herz des Palmenbesitzers blutete, als unser Frevel ruchbar geworden war. Jammernd über den Verlust seines Abendtrunkes, kam der Brave herbeigeeilt. Sein Gezeter verstummte erst, nachdem er einen halben Gulden Schmerzensgeld eingesteckt hatte. Dieser Balsam erwies sich so heilkräftig für sein verwundetes Herz, daß er sich sogar freiwillig erbot, uns — natürlich gegen einen weiteren halben Gulden — eine zweite Kanne Bálok zu beschaffen. Aus Sorge um meine Gepäckstücke verbot ich jedoch meinen Leuten streng, von diesem Anerbieten Gebrauch zu machen. Wir hatten noch eine weite Strecke Weges und einen schwierigen Abstieg vor uns, und darum ließ ich sofort aufbrechen.

159. Opferplatz im Rantepáo-Tale..

[S. 278]

Der Bergrücken begann nun jäh abzufallen, und an den schwierigsten Stellen hatte man den vom Regierungsvertreter in Rantepáo angelegten Pfad unter reichlicher Anwendung von Sprengmitteln direkt aus dem harten Gestein heraussprengen müssen. Stolz auf sein Werk, hatte dieser gelegentlich die etwas gewagte Behauptung aufgestellt, daß die Herstellung dieses Pfades mehr Pulver gekostet hätte, als die Belagerung von Paris.

Weiter unten wurde der Weg bedeutend besser und breiter und gestattete, der Umgebung mehr Aufmerksamkeit zu widmen als bisher. In diesen tiefer gelegenen Partieen hatten es die Eingeborenen mit bemerkenswertem Geschick verstanden, die immer noch steilen Gehänge mittels eines mühsam angelegten Terrassensystems für den Feldbau zu gewinnen. Bergreis-Felder und Maiskulturen neben Tabaksgärten und Gemüsebeeten zeigten alle Stadien des Wachstums und verliehen dieser Gegend im Verein mit den allenthalben eingestreuten Arengpalmen den Charakter eines wohlgepflegten Kulturlandes. Gesellschaften lärmender Krähen, pfeilschnell dahinschießende, kreischende Papageien und kreisende Raubvögel trugen viel zur Belebung des heiteren Landschaftsbildes bei. Je tiefer wir kamen, desto reicher wurde die Natur, und desto häufiger trafen wir Dörfer an. Keinem derselben fehlte ein Festplatz mit den uns schon bekannten Steinreihen zum Anbinden der Opferbüffel. Auffallend waren mir ferner die in dieser Gegend gebräuchlichen großen Stein-Reisstampfen, die vor allen Häusern standen, sowie eine Art langer Trogmörser in Kanoeform mit separierten Stampflöchern für Reis und Mais. Allenthalben sah ich webende Frauen im Freien arbeiten, jedoch nur an gewöhnlichen ungemusterten Tüchern. Ein Färben der Stoffe scheint den Toradja unbekannt zu sein.

160. Regierungsstation Rantepáo.

Endlich betraten wir das Tal von Rantepáo, das weitaus größte aller Kulturtäler des Landes. In noch stundenweiter Entfernung sahen wir die Häuser der Station vor uns liegen. Soweit der Blick reichte, nichts als Sawas, weit im Hintergrunde begrenzt von zackigen Gebirgen, ähnlich denen von Makále. Der Talmarsch, auf teilweis beschwerlich[S. 279] zu begehenden Reisfelddämmen und bei einer unheimlich brütenden Hitze, gehört nicht gerade zu meinen angenehmsten Erinnerungen. Dreimal mußten wir die breite Ebene kreuzen, um uns dem etwa 20 Minuten vor Rantepáo gelegenen großen Marktplatz Kalámbi zu nähern. Auf den Feldern wurde fleißig gearbeitet. Zum Ausheben der Grasnarbe benutzten die Toradja hier schmale, am Ende mit gegabelter Eisenspitze versehene Spaten. Zum Umbrechen des Erdreiches bedienten sie sich schwerer Holzpfähle mit zugespitzten Enden und zum Zerkleinern der damit losgebrochenen Schollen ebenso gestalteter Pflöcke kleineren Formats. Zum Ausjäten des Unkrautes in bereits bewässerten Sawas wurden dieselben Werkzeuge verwandt wie zur Entfernung der Rasendecke. Bei ihrer Beschäftigung trugen die Männer höchst sonderbare weiß und schwarz geflochtene, den Bischofsmützen ähnliche Strohkappen. Je näher wir Kalámbi kamen, desto häufiger begegneten uns Trupps festlich gekleideter Männer und Frauen, die vom Markte zurückkehrten. Immer waren es die letzteren, welche sich mit den erhandelten Gegenständen abzuschleppen hatten, die sie in großen Bündeln auf dem Rücken trugen oder frei auf dem Kopfe balancierten. Eine seltene Erscheinung waren Reiter auf kleinen[S. 280] struppigen Ponys. Drollig anzusehen waren Fußgänger, die in grüne Bastgeflechte eingesponnene Ferkel über die Schultern gehängt hatten.

In der Nähe unseres Zieles erblickten wir in den Klüften der rechtsseitigen Randgebirge hoch über uns die großartigsten Felsengräber, die es in den Toradja-Landen überhaupt gibt. Gruft befand sich dort neben Gruft, wo sich nur irgend ein geeigneter Platz gefunden hatte. Mein Entschluß, von Rantepáo aus nochmals zu diesen Liang zurückzukehren, um sie zu photographieren, stand sofort fest. Vorher aber sehnte ich mich danach, ein Unterkommen zu finden und mich etwas zu erholen.

Beim Passieren von Kalámbi konnte ich es mir trotz großer Ermüdung nicht versagen, das außerordentlich bewegte Leben und Treiben der 500–600 hier versammelten Toradja in der Nähe zu beobachten. War es doch ohnehin nur einem Zufalle zu verdanken, daß ich zu dem alle 5 Tage stattfindenden Markte zurechtkam. Das Haupttreiben des Marktlebens war zu dieser Zeit allerdings schon vorüber; dennoch gab es noch genug des Interessanten zu sehen. Das Willkommenste waren mir die zu duftenden Pyramiden aufgehäuften Vorräte der Fruchtverkäuferinnen, und erst der Genuß einer halben Traube saftiger Pisangs befähigte mich, auch den übrigen Marktherrlichkeiten meine ungeteilte Aufmerksamkeit zu widmen. Die auf ausgebreiteten Matten auf dem Boden eng zusammenhockenden Marktweiber trugen weitrandige, nach oben spitz zulaufende Basthüte, unter denen ihre Gesichter völlig verschwanden, und die ihnen aus einiger Entfernung das Aussehen von Riesenpilzen verliehen.

161. Toradja-Männer- und Frauenhut.

Kalámbi ist der bedeutendste Pásarplatz des Landes. Da hier von weit und breit alles zusammenströmt, so gewinnt man einen ziemlich vollständigen Überblick über das Produktionsgebiet ringsum. Nur auf diesem Markte werden Großtiere, wie Pferde und Büffel, aufgetrieben. Äußerst originell fand ich die schon erwähnte Gepflogenheit, die zum Verkaufe gestellten Ferkel und größeren Schweine mit einem am Tragbande hängenden Netze aus Grasgeflecht derart zu umstricken, daß[S. 281] das Tier völlig bewegungslos darin verharren muß. Auf diese Weise kann es bequem betastet und auf seinen Wert geprüft werden, und auch für den Transport ist es sehr praktisch: man brauchte sich nur das Tragband mit dem quiekend protestierenden Tiere gemächlich um die Achsel zu schlingen. An Getreide, Gemüse und Fruchtarten war alles zu bekommen, was das Land hervorbringt. Einer der wichtigsten Handelsartikel in Kalámbi war Salz. — Sehr reich vertreten sah ich Flechtwaren, speziell Matten in bunter Mannigfaltigkeit, von der quadratmetergroßen Hüttenmatte an bis zur kaum handgroßen Tellermatte zum Bedecken der Speiseschüsseln. Groß war die Auswahl in Körben und Tragen aller Dimensionen und Formen, sowie in Mützen und Hüten für Mann und Weib. Einen großen Raum nahmen Holzarbeiten ein, wie Küchengeräte, Feuer- und Topfzangen, Kochlöffel, Schüsseln, Teller, Tröge, aus Bambusrohr hergestellte Kalk-, Tabak-, Zunderdosen u. a., mit den der Landschaft Rantepáo eigenen Verzierungsmustern. Nicht zu vergessen sind die verschiedenartigsten Erzeugnisse der Töpferei und Weberei, während die Eisenindustrie nur durch importierte Artikel vertreten war, wie Messer und Ackergeräte. Die diversen Abteilungen waren nach Gruppen gesondert; auch standen den Verkäufern mehrere große mit Wellblech gedeckte Hallen zur Verfügung, in denen eine beängstigende Hitze herrschte. Besetzt waren diese letzteren ausschließlich mit buginesischen und[S. 282] chinesischen Händlern, die Importartikel zum Verkaufe brachten. Viele der unter freiem Himmel ihre Waren feilbietenden Toradja-Weiber suchten sich gegen der Sonne heißes Werben dadurch zu schützen, daß sie ihre Basthüte auf Stangen gesteckt hatten und wie Sonnenschirme benutzten.

162. Bambusbrücke bei Rantepáo.
163. Puang Marámba, Fürst von Rantepáo.

Ich hatte mich über eine Stunde in Kalámbi aufgehalten, und Herr Hauptmann K., sowie alle meine Leute waren längst in Rantepáo. Über eine kühn konstruierte Bambusbrücke folgte ich jetzt nach, und kurz vor 4 Uhr konnte auch ich es mir in dem gut eingerichteten Pasangrahan der Station bequem machen. Leider sollte die mir vergönnte Erholungspause nur von sehr kurzer Dauer sein. Herr Hauptmann K. hatte in Rantepáo schlimme Nachrichten aus Paloppo vorgefunden, worin er aus dienstlichen Gründen so rasch wie irgend angängig zur Rückkehr aufgefordert wurde. Unter diesen Umständen waren wir bedauerlicherweise gezwungen, die ursprünglich für den Rückweg in Aussicht genommene Route zu ändern. Es wurde beschlossen, von Rantepáo aus auf kürzestem Wege nach Kambútu und von dort, auf uns schon bekannten Pfaden über Salulimbung und das Balúbu-Gebirge, nach Paloppo zurückzukehren. Die Strecke Rantepáo — Salulimbung,[S. 284] ein fast 12stündiger Weg, sollte dabei an einem Tage zurückgelegt und deshalb morgen mit dem frühesten aufgebrochen werden. Da galt kein Besinnen mehr, wollte ich von Rantepáo wenigstens noch die mir wichtigsten Aufnahmen erlangen. Trotz meiner Ermüdung raffte ich mich also nochmals auf, um vor allem den etwa ¾ Stunden entfernten Felsengräbern einen Besuch abzustatten. Mein Boy mußte mich dabei begleiten und zeigte sich über diese Extratour nicht gerade sonderlich erbaut. Einige Jungen aus Rantepáo dienten uns als Führer, und bei schon tief stehender Sonne, einer glücklicherweise gerade günstigen Beleuchtung für den Aufnahmeort, photographierte ich die Kultstätte (s. Taf. X). Erst in unmittelbarer Nähe derselben konnte ich bemerken, daß der die Liang bergende Gebirgsvorsprung gleich anderen Begräbnisfelsen eine Benteng darstellte. Die Wohnhäuser derselben lagen sehr gut versteckt und kaum bemerkbar auf dem Gipfelplateau des Berges.

Während des Rückweges nach Rantepáo hatte ich noch ein recht unangenehmes Abenteuer mit einem der halbwilden Wasserbüffel zu bestehen, von denen eine Herde in der sumpfigen Talniederung weidete. Aus irgend einer Ursache, vielleicht durch meine weiße Kleidung erregt, stürmte der Bulle der Herde ganz unvermutet auf mich ein, und nur ein gewagter Sprung rettete mich vor dem Gespießtwerden durch das wütende Tier, das nun von meinen Begleitern mit Steinwürfen zurückgetrieben wurde. Da zuweilen Eingeborene, ja selbst die eigenen Besitzer von diesen unberechenbaren, tückischen Tieren zu Tode getrampelt werden, wird man es begreiflich finden, daß ich seit dieser Attacke einen durch spätere Vorfälle ähnlicher Art noch vertieften, höllischen Respekt vor diesen Biestern habe.

Glücklich wiederum im Pasangrahan angelangt, fand ich daselbst soeben eingetroffene Abgesandte des Taróngkong von Makále vor, der treulich Wort gehalten und mir die versprochenen Modelle einer Leichenbahre (sarígan) mit dem dazu gehörigen Tau-Tau nach Rantepáo nachgesandt hatte. Ein seidener Sarong und eine Uhrkette bildeten meine Gegengaben.

Tafel X.
Toradja-Gruften im Gebirge bei Rantepáo.

[S. 285]

164. Toradja-Lanzen.

Nun endlich glaubte auch ich, mich der wohlverdienten Ruhe erfreuen zu dürfen; aber wieder sollte ich die Rechnung ohne den Wirt gemacht haben. Puang Marámba, der Fürst von Rantepáo, erwies uns mit Gefolge die Ehre seiner Aufwartung. Da mußte Herr Hauptmann K. helfend einspringen, damit ich wenigstens das mir eben aufgetragene Souper in Gestalt eines gebratenen Hühnchens, mit einiger Ruhe verzehren konnte. In liebenswürdiger Weise übernahm er die Pflichten des Wirtes, und als ich mich nach kurzer Weile zu ihm gesellte, hieß es, den hohen Gästen wieder einmal alle Tauschobjekte auskramen. Puang Marámba war ein untersetzter Herr von recht pfiffigem Aussehen. In der Tat sollte er ein sehr gewiegter und reicher Produktenhändler sein. Kostümiert wirkte er ähnlich wie sein Kollege von Makále. Auch seine Staatsjacke schmückten mehrere Reihen sternförmiger Messingnägel, von denen der auf seiner Brust prangende Oranje-Orden seltsam abstach. Ich hatte ihm erlaubt, sich eines der gezeigten Schmuckstücke als Andenken auszusuchen; aber die Wahl wurde ihm schwer. Immer und immer wieder wanderten die vorgezeigten Ketten und Armbänder von einer Hand in die andere, und ich wünschte die ganze Gesellschaft sehnsüchtig — zu ihren Penaten zurück. Erst zu später Stunde wurde der Wunsch Erfüllung. Mit der erkorenen Uhrkette und dem unaufgefordert gegebenen Versprechen, morgen vor unserem Abmarsche nochmals zu kommen, um mir ein Gegengeschenk zu überreichen,[S. 286] verabschiedete sich der Besuch, und wir waren — endlich allein!

Zu müde zum Auskleiden, fiel ich so, wie ich war, auf das Bett, unbekümmert um die greuliche Unordnung in allen geöffneten und durchwühlten Koffern. Meine Seele weilte schon im Traumlande, als ich im Halbschlafe gellende Rufe durch die Nacht schallen hörte. Es waren Boten Marámbas, die Rantepáo durcheilten, um die für Tagesanbruch nötigen Kulis zusammenzuholen.

Rantepáo — Salulimbung, den 8. Oktober.

Beim ersten Tagesgrauen war ich wieder an der Arbeit, Ordnung in das Gepäck-Chaos zu bringen. Um 6 Uhr marschierten unsere Soldaten im voraus ab, während Hauptmann K. und ich des angekündigten Morgenbesuches Puang Marámbas warteten, der gegen ½7 Uhr auch wirklich erschien. Er ließ mir vorweg durch einen Mann seiner Begleitung eine feierlich vorangetragene, aber leider gewöhnliche Lanze, sowie ein Stück Büffelleder als Geschenk überreichen, von dem er behauptete, daß es ein Schild sei. Ich war ihm dankbar für seinen guten Willen, bat ihn aber, statt dessen sich von mir photographieren zu lassen. Auf Basis dieses Vorschlags einigten wir uns denn auch (s. Abbildg. 163). Nach Verabschiedung von dem Fürsten verließen wir den Pasangrahan und Rantepáo viel früher, als dies in unserer ursprünglichen Absicht gelegen hatte.

In aller Kürze sei hier noch das Wenige, was ich über Rantepáo zu sagen vermag, mitgeteilt. Im allgemeinen ist es eine ziemlich getreue Kopie der Station Makále, in vielleicht doppeltem Maßstabe. Hier wie dort fungierte ein Hauptmann gleichzeitig als Verwaltungsbeamter. Der Herr »Civielgezaghebber« von Rantepáo war zur Zeit unserer Ankunft abwesend. Das ständig daselbst garnisonierende Militär-Detachement[S. 287] war bedeutend stärker als das von Makále, die Militärstation auch räumlich viel ausgedehnter und sehr hübsch angelegt. Nicht wenig trug die ungleich romantischere Lage zur Schönheit des Ortes bei. Da Rantepáo Handelscentrum ist, hat sich hier auch bereits eine Anzahl fremder Händler niedergelassen, die gut ausgestattete Kaufläden unterhalten, und von denen speziell die Buginesen zum Teil recht ansehnliche, schmucke Häuser bewohnen.

165. Toradja-Brücke im Rantepáo-Tal.

Die gesundheitlichen Verhältnisse sollen in dem 784 m hoch gelegenen Rantepáo-Tale nicht besonders gut sein, da über dem von Bergen eingeschlossenen Becken gewöhnlich eine brütende Hitze lagert und die unabsehbaren Reissümpfe das Auftreten der Malaria begünstigen.

[S. 288]

Über die mir nur bis Kambútu neuen Wege, die wir auf dem Rückmarsche von Rantepáo aus zu begehen hatten, ist relativ wenig zu berichten. Fürs erste kamen wir durch stark bevölkerte, fruchtbare und gut kultivierte Landstriche. Allmählich verengten sich die Täler zwischen den sich nähernden Gebirgszügen und führten launenhaft gewunden dazwischen hin, bis wir am Ende des Baubúntu-Tales schließlich das Maróngka-Gebirge vor uns aufsteigen sahen. Unterwegs war mir nur eine epiphytische Pflanze aufgefallen, deren Gerank einzelne Bäume förmlich umspann, und deren süß duftende, weiße Blumenbündel denselben den Anblick von Blütenbäumen verliehen. Ein hier zu Lande recht seltenes Bild.

Neu war mir desgleichen die hier geübte absonderliche Methode des Fanges kleiner, die Reissümpfe bewohnender Aale. Splitternackte Jungen stapften, mit reusenähnlichen Geflechten (salánka) ausgerüstet, im Moraste herum und stießen die am Ende mit vorstehenden Dornen versehenen Körbe möglichst tief in den Schlamm. Nun fühlten sie, von oben durch den Korb hinablangend, mit den Händen im Boden herum, ob sich etwa Fische darin eingewühlt hatten, die dann leicht zu greifen waren.

166. Fischen im Reissumpf.

Viel Ärger bereiteten mir die Rantepáo-Träger. Sie erwiesen sich als viel weichlicher und lässiger als die Gebirgs-Toradja, und da sie[S. 289] immer wieder zurückblieben, bedurfte es fortwährenden Antreibens, um sie nicht ganz aus dem Gesicht zu verlieren. Da mir das Militär und auch der demselben nachgeeilte Herr Hauptmann K. weit voraus waren, lag immerhin die Gefahr vor, daß einige der Kulis das Gepäck einfach im Stiche ließen und entwischten. Um dies zu verhindern, blieb ich stets in der Nähe der Leute, während mein Boy den Beschluß der lang auseinandergezogenen Reihe zu bilden hatte.

167. Baubúntu-Tal.

Gegen Mittag beim Kampong Káta im Baubúntu-Tale angelangt, begannen wir auf guter Straße mit dem Anstiege zum vorgelagerten, etwa 1200 m hohen Gunung-Konghang. An gewissen Wegebiegungen trug uns der schwache Luftzug einen entsetzlichen Geruch zu, so daß ich kaum Atem zu holen wagte. Wie mir meine Begleiter erzählten und ich mich später selbst überzeugte, rührte dieser Leichengeruch von einem abseits im buschigen Gelände auf einem Hügel errichteten Begräbnisplatze her, wo unter einem rings offenen Häuschen eine Leiche im hölzernen Sarge über der Erde beigesetzt war. Es sei dies die im Baubúntu-Tale übliche Bestattungsweise, wurde mir gesagt, da der[S. 290] Regierungsvertreter von Rantepáo das Aufbahren von Leichen in den Wohnhäusern, wie es dem alten Adat entspräche und in anderen Distrikten noch üblich ist, streng verboten hätte.

Auf dem Wege zur Gipfelhöhe des Konghang begegneten uns mehrfach Tal-Toradja mit schweren Brennholzlasten. So herrlich weit hat es die Bevölkerung also dank ihrer wahnsinnigen Waldverwüstung schon gebracht, daß sie aus beträchtlichen Entfernungen ihr Feuerholz heranholen müssen, und doch scheinen sie dadurch nicht klüger geworden zu sein; denn nach welcher Himmelsrichtung sich im Toradjalande der Blick auch wendet, stets verkünden irgendwo aufsteigende Rauchsäulen die Vernichtung auch der letzten kümmerlichen Waldreste. Als Grund, warum selbst abseits in Schluchten liegende Waldparzellen, welche dem Feldbau in keiner Weise hinderlich sind, ausgerottet werden, wurde mir angegeben, daß sich dahin die den Kulturen schädlichen Wildschweine zurückzögen, — eine wenig stichhaltige Ausrede, da es in den entwaldeten Lalang-Wüsten mindestens ebensoviele Wildschweine gibt als in Waldgebieten.

Nach dem Erreichen der völlig kahlen Höhen des Maróngka-Gebirges zog sich der Fußpfad stundenlang an den Lehnen desselben hin. Wohl reichlich 700–800 m unter uns sahen wir den Salu Limbung heraufglänzen. Die grasreichen Steilgehänge mit ihrer narbigen Oberfläche erinnerten mich stark an Schweizer Almen, — und die sparsam verteilten, kleinen Wohnhütten der hier lebenden Toradja-Familien vervollständigten dieses Bild.

Um die dritte Nachmittagsstunde betraten wir Kambútu zum zweiten Male. Auf dem mir schon bekanntem Wege ging es von hier aus hinab zum Salu Limbung, dessen heut lehmfarbenes, trübes Wasser auf schwere Regengüsse in seinem Oberlaufe schließen ließ. Um ½6 Uhr kam ich als erster im Kampong Limbung an. Herr Hauptmann K., meines verzögerten Ausbleibens wegen schon besorgt geworden, war mir eine Strecke weit entgegengegangen. Ich erzählte ihm von den Schwierigkeiten, die mir die Rantepáo-Träger verursacht hatten, denen ich erst[S. 291] von Kambútu an vorausgeeilt war, und die es dennoch fertig brachten, um mehr als eine Stunde verspätet in Limbung einzutreffen.

Der letzte Abend unseres gemeinsamen Zusammenseins im Kamp wurde von uns beiden Europäern mit einer sorgsam aufgesparten Flasche Heidsick gebührend gefeiert.

Salulimbung — Paloppo, den 9. Oktober.

Um 5 Uhr morgens marschierte Herr Hauptmann K. mit dem Militär ab, um so frühzeitig als möglich Paloppo zu erreichen. Ich hatte es nicht so eilig und ließ mir vor meinem Aufbruche erst noch den Dorfhäuptling rufen, um von demselben einige schon früher bei ihm bewunderte Schmucksachen zu erwerben. Um 7 Uhr sagte auch ich dem Orte Adieu und diesmal wohl für immer.

168. Toradja aus dem Baubúntu-Tal.

Ohne Aufenthalt legten wir die Strecke über das Gebirge bis zum jenseits gelegenen Salu Pengiu-Tale zurück. Hier lagerte eine kleine Gesellschaft von Toradja-Männern und -Frauen, die nach Paloppo zu[S. 292] Markte wollten, und die mir ein willkommenes Aufnahme-Objekt boten (s. Fig. 4). — Nach kurzem Verweilen ging es weiter den Balúbu hinan. Anschließend folgte die Wanderung durch den herrlichen Urwald desselben, bis um die Mittagsstunde das Gebirge endgültig hinter uns lag und das liebliche Latúpa-Tal uns aufnahm. Bei fürchterlicher Hitze wurde die letzte Wegestrecke über die Ebene nach Paloppo zurückgelegt, und kurz nach zwei Uhr bezog ich, zwar stark übermüdet, sonst aber heil und gesund, wieder mein früheres Quartier im Pasangrahan der Luwuresidenz.

In einer verhältnismäßig kurzen Spanne Zeit hatte ich eine an Eindrücken und wissenschaftlichen Ergebnissen überaus reiche Rundreise durch die Toradja-Lande zurückgelegt und dabei die wichtigsten Punkte derselben kennen gelernt. Meine Sympathien für das immer lustige und sorglose Toradja-Völkchen hatten sich vertieft, und ich zähle die unter ihnen verlebten Tage zu den erinnerungsreichsten meiner Reisen in Central-Celebes.

Was die so häufig gehörte generelle Bezeichnung »Toradja« für alle Stämme der centralen Inselteile betrifft, so halte ich eine so verallgemeinernde Benennung für irreführend. Dieser Name gebührt einzig und allein den Stämmen, welche die im Osten von Luwu, im Süden von Boni und Enrekang, im Westen von Mándar und im Norden von Mamúdju und Róngkong umschlossenen Gebirge und Landstriche bewohnen.

Zum Schlusse dieses Reiseabschnittes ist es mir noch eine liebe Pflicht, der mir so überaus wertvollen Unterstützung meiner Forschungen und Sammeltätigkeit durch Herrn Hauptmann Knegtmans rühmlichst zu gedenken, dessen genaue Landes- und Sprachkenntnis mir von hohem Nutzen war.

[S. 293]

III. Teil.
Durchquerung von Central-Celebes von Paloppo am Golf von Boni nach Posso an der Tomini-Bucht.

[S. 295]

Kopfvignette:   Häuser, aus denen Rauch aufsteigt

Von den Toradja-Landen nach Paloppo zurückgekehrt, hatte ich mehrere Tage mit dem Sichten und Verpacken der von dort mitgebrachten Sammlungen zu tun. Das Auftreiben von geeigneten Kisten konnte in dem betriebsamen Paloppo keine Schwierigkeiten machen, doch sei erwähnt, daß der p. t. Chinese storekeeper dafür Preise zu nehmen versteht, als handle es sich um Luxusmöbel. Glaubt man endlich nach langem Feilschen mit ihm handelseins zu sein, dann verlangt der gewissenhafte Zopfträger noch einen Extragulden für das Packstroh. — Trotz vieler Scherereien waren die 8 große Kisten füllenden Sammlungen endlich glücklich auf dem Postdampfer untergebracht. Leider kamen 3 davon seinerzeit in Europa nicht an und waren auch trotz aller Bemühungen nicht wieder zu erlangen.

Doch zurück nach Paloppo! Bevor ich meine große Inlandreise antrat, wollte ich noch der Königin des Luwureiches einen Besuch abstatten. Dank der freundlichen Verwendung des A.-Residenten wurde mir die erbetene Audienz sofort bewilligt. —

[S. 296]

169. Residenz der Königin von Luwu.

In Begleitung des A.-Residenten sowie der beiden Garnisonoffiziere begaben wir uns um die 4. Nachmittagsstunde zur Astana (Palast), die den Mittelpunkt eines großen, freien Wiesenplanes einnimmt. Das Haus der Datu (Königin) ist das weitaus größte und stattlichste Gebäude in Paloppo. Von der Hausbedachung hingen an jedem Dachsparren frei in Ringen schaukelnde, bemalte holzgeschnitzte Ananasfrüchte herab, das Emblem der höchsten Adelskaste, bezw. der Königswürde. Schon beim Betreten des Platzes kam uns der Opu Patúnru, der Prinzgemahl, mit seinen Ministern, dem Opu Tomarilálang, dem Opu Baliránte und dem Pabitjára entgegen, um den A.-Residenten als Vertreter der Regierung feierlich zu empfangen. Die 4 Radjas trugen als Kopfbedeckung golddurchwirkte, aus Pferdehaar gewebte luwuresische Mützen. Über den langen bis zu den Knöcheln reichenden Hosen waren die starren Prunksarongs geschlungen, die von den darunter verborgen getragenen Krisen stark aufgebauscht erschienen. Während wir die zum Hause hinanführende überdachte Freitreppe erstiegen, wurde ein oben auf kleinem Vorraum aufgestellter, prachtvoller alter Bronzegong geschlagen, und im Innern des Hauses postierte Trommler bearbeiteten, auf dem Boden[S. 297] hockend, mit den flachen Händen Holztrommeln, denen sie rhythmische Geräusche entlockten. Oben am Eingange empfing uns die Datu. Hinter ihr stand ihre Tochter, die Andi Luwu, die nach luwuresischem Hofceremoniell den Oberkörper nur mit einem rosaroten Schleiertüll bedeckt hatte. Beide begrüßten uns mit Händedruck, worauf der Resident die Datu an der Hand in den großen Empfangsraum zu einer mit weißen Linnen gedeckten Tafel führte, an welcher wir alle uns niederließen.

We Kambo Daëng Risómpa, die Königin von Luwu, war eine stattliche, volle Dame von mittelgroßer Figur und auffallend heller Hautfarbe, welche auf Hindublut schließen läßt, dessen sich so ziemlich alle Fürstlichkeiten Malayasiens rühmen. Die Datu war mit Sarong und dunkelblauer Samtbluse bekleidet, und ein hoher holländischer Orden schmückte ihre Brust. Die nackten Füße steckten in goldgestickten Pantöffelchen. Außer der Königin nahmen nur noch der Prinzgemahl und die Prinzessin Andi Luwu am Tische Platz. Die beiden Damen hatten zu ihren Füßen große Prunkspucknäpfe vor sich stehen, deren sie sich fleißig bedienten. Auf dem mattenbelegten Boden hinter ihnen kauerte eine anmutige Gruppe junger Mädchen, alle im Tüllschleier-Dreß. Die Adats-Mitglieder — entsprechend europäischen Minister-Chargen — umstanden das untere Tischende. Den Hintergrund füllten müßige Zuschauer und die Trommler aus.

Der Empfangssaal nahm die ganze Breite des Hauses ein. Seine Wände bestanden aus hölzernem Rahmenwerk, dessen untere Hälfte mit feinem Bambusgeflecht ausgefüllt war. Von der Mitte der Längsseite ging eine Scheidewand durch das Haus, hinter welcher sich die Wohngemächer befanden. Dem holzgetäfelten Saale diente zum größten Teile das Sparrenwerk des Daches als Decke; nur der Platz über unserem Tische war mit weißem Stoffe überspannt.

Erst nachdem wir alle Platz genommen hatten, kam es zur eigentlichen Vorstellung. Dabei wurde jedes Wort durch einen Dolmetsch aus dem Malayischen ins Luwuresische übersetzt. Ich überreichte den[S. 298] 3 Fürstlichkeiten je ein Schmuckstück als Geschenk. Hierauf wurden Cigaretten herumgereicht, denen auch die Datu und die Prinzessin fleißig zusprachen. Die Stimmung wurde nun angeregter, und mit Interesse hörten die hohen Herrschaften von meinen Reisezielen. Schließlich benutzte ich die Gelegenheit und wagte die Bitte zu äußern, von der Königin und ihrem Hofstaate eine photographische Aufnahme vornehmen zu dürfen. Zu meiner Freude hatte ich damit Erfolg, und zwar wurde der Zeitpunkt dafür gleich auf den nächsten Tag festgesetzt. Viel schwieriger war es schon, die Erlaubnis zum Photographieren der Reichsinsignien zu erlangen, die sehr heilig gehalten werden und nur unter Beobachtung strenger Vorschriften zur Schau gelangen können. Infolge der dankenswerten Unterstützung durch den A.-Residenten wurden aber schließlich alle Bedenken überwunden, und wir erhoben uns zur Verabschiedung. Gong und Trommeln traten abermals in Tätigkeit, und die Datu geleitete uns unter demselben Ceremoniell wie beim Empfange wieder zum Ausgang.

Am andern Tage pünktlich zur selben Stunde fand ich mich in der Astana ein, um die interessanten Persönlichkeiten im Bilde festzuhalten. Da im Hause dazu kein genügend heller Raum war, so wurden ein Teppich und Stühle auf die Wiese herausgebracht, und ich arrangierte hier eine Gruppe, wie sie Tafel VI wiedergibt. Auch mehrere darauf folgende Einzelaufnahmen verliefen glatt. Nun aber sollten die Reichsinsignien an die Reihe kommen, und damit begannen die Schwierigkeiten. Zunächst durften die Gegenstände nicht aus dem Hause gebracht werden, weil dazu die Anwesenheit von 4 speziell dafür vorgesehenen Mitgliedern des hohen Rates erforderlich gewesen wäre, von denen eines gegenwärtig verreist war. Wohl oder übel mußte ich mich also zu einer Innenaufnahme mit Blitzlicht entschließen. Nun verweigerte man wieder meinem Boy Rámang, der mir am Apparat Handreichungen leisten sollte, den Zutritt zur Astana, und es bedurfte langen Parlamentierens, ehe ich seine Zulassung erwirkte; doch mußte er sein Haupttuch ablegen. Endlich nahte der feierliche Augenblick des Hereinbringens[S. 299] der Reichskleinodien. Unter Gong- und Trommelschlägen trat aus einem Verschlage im Hintergrunde des Saales eine Prozession heraus, an deren Spitze die Ceremonienmeisterin, eine ehrwürdige Greisin, schritt. Hinter ihr wurden auf samtnem Kissen die hochheilig gehaltenen Insignien getragen, mit deren Besitz nach altem Adat Wohl und Wehe des Reiches auf das innigste verknüpft sein sollen. Über dem Kissen wurde ein Baldachin aus weißen Tüchern von 4 Personen getragen.

Die Kronschätze bestanden in der Hauptsache aus Waffen, — Krisen, Schwertern und einer Lanze, — die sich alle mehr durch genealogischen Wert, als durch kunstvolle Arbeit und Kostbarkeit des Materials auszeichneten. Wirklich hohen Wert dürfte unter allen Gegenständen nur eine daumenstarke, etwa 1½ m lange Kette aus reinem Celebesgolde besitzen. Unter den Waffen hat so ziemlich jedes Stück seine Legende.

Das Kissen mit den Reichskleinodien wurde nun, immer mit dem Baldachin darüber, auf den Tisch niedergelegt, und die Königin sowie die vornehmsten der Anwesenden traten heran und berührten jedes einzelne Stück mit der Hand, welche hierauf jedesmal an die Stirn geführt wurde. Ich konnte die flach liegenden Gegenstände in dieser Lage nicht photographieren. Selbst ordnen und berühren durfte ich das Kissen nicht, und die Frau Ceremonienmeisterin zeigte sich meinen Wünschen gegenüber schwerhörig. Mit Mühe und Not gelang es mir, eine Schrägstellung des Kissens durchzusetzen. Nun aber störte mich der darüber gehaltene Baldachin. Da man mir eine Entfernung desselben als ausgeschlossen bedeutete, einigten wir uns dahin, daß die 4 Baldachinträger die Tragestangen so hoch es anging zu halten hatten, und nun beeilte ich mich, zu Ende zu kommen. Trotz meiner dringenden Bitte an die Datu und ihren um den Tisch versammelten Hofstaat, nicht zu mir hinzusehen, oder doch wenigstens die Augen zu schließen, starrten alle wie hypnotisiert auf meinen Apparat. Als nun der grelle Blitz des entzündeten Magnesiums aufflammte, hörte man nur einen einzigen Aufschrei[S. 300] der Angst. Die Datu saß ganz kreidig in ihrem Stuhle, und die Baldachinträger hätten um ein Haar den »Himmel« fallen lassen, was gottlob die allein geistesgegenwärtige Ceremonienmeisterin rasch zu verhindern wußte. Gut nur, daß die andern Aufnahmen schon gemacht waren; denn jetzt wären meine Chancen sehr wenig aussichtsreich gewesen. Dessenungeachtet entließ mich die Datu freundlich.

170. Reichsinsignien von Luwu.

[S. 301]

Es stellte sich später heraus, daß ich doch bei weitem nicht alle Reichskleinodien zu sehen bekommen hatte. Der A.-Resident hatte deswegen die Güte, mir eine von einem früheren Civielgezaghebber, Herrn Michichon, gefertigte Photographie der gesamten Kronschätze zur Reproduktion zu überlassen. Da es sich um hochseltene ethnographische Objekte handelt, deren Geschichte weitere Kreise interessieren dürfte, so lasse ich an Stelle meiner unvollständigen Photographie dieses Bild und die aus dem Holländischen übersetzte Beschreibung dazu nachstehend folgen. Hiernach besteht der Reichsschmuck von Luwu aus folgenden Gegenständen:

1. Klewang mit goldenem Griff und goldener Scheide, genannt Bunga Waru. Er soll aus dem Himmel stammen und darf nur von der Datu getragen werden. Der Name Bunga Waru besagt soviel: als Blume von einem Warubaume.

2. Klewang, dessen Griff und Scheide mit goldenen Figuren versehen sind. Sein Name ist Ka-Karúrung. Die Klinge des Klewang wurde zur heidnischen Zeit, also vor Eindringen des Islam, in einem Arengbaume gefunden. Karúrung bedeutet Arengspan, Stück einer Arengpalme. Dieser Klewang darf nur von dem Patúnru getragen werden.

3. Klewang, dessen Griff und Scheide gleichfalls mit goldenen Figuren versehen sind. Er wird Ka-Barána genannt. Auch die Klinge dieser Waffe wurde in heidnischer Zeit in einem Baume, und zwar in einem Barána-Waringinbaume gefunden. Dieser Klewang darf nur von dem Pabitjára getragen werden.

4. Bádik, ein Dolch. Der Name besagt soviel als: durch übernatürliche Einflüsse entstanden. Derselbe ist mit Edelsteinen verziert und hat einen goldenen Griff und Scheide. Die Klinge ist mit eingelegten goldenen Figuren versehen, welche Djekko-É benannt sind. Hergestellt ist die Waffe durch den früheren Padjung (Fürsten) von Luwu, Pátta Mattinro-É ri Malángke[S. 302] (= der Fürst, der in Malángke gestorben ist). Djekko heißt: »nicht gerecht«. Dieser Bádik darf nur von dem Baliránte getragen werden. Die Tradition besagt, daß der Träger dieses Dolches nicht gerecht sein darf, sonst lebe er nicht lange.

5. Ein Bádik, dessen Griff mit einem goldenen Ringe versehen ist. Die Waffe stammt aus Mandjapai und wird Nene Anging genannt. Dieser Dolch darf allein von dem Kéni getragen werden.

6. Ein Klewang mit Griff und Scheide aus Holz, früherer Reichsschmuck von Séko, Hauptort des Distriktes Róngkong. Bei der Eroberung von Séko durch Lúwu erbeutet und dessen Kronschätzen eingereiht. Der Name dieser Waffe ist Lémpo batu.

7. Eine Lanze mit Elfenbeinschaft, ausgestattet mit einem goldenen Pándok. Ihr Name ist Pasorang Gigi (= Stiel, von einem Zahn gemacht). Sie ist angefertigt durch den schon erwähnten Luwufürsten Pátta Mattinro-É ri Malángke (siehe No. 4). In Wirklichkeit soll der Stiel nicht aus Elfenbein hergestellt sein, sondern aus dem Knochen eines aus dem Himmel herabgekommenen Karbau (= Büffel), genannt Labi Tómbeng. Diese Lanze darf nur der Datu vorausgetragen werden.

8., 9., 10. und 20. Krise, mit goldenen Griffen und Scheiden. Die Griffe stellen Figuren vor, wie man sie bei hindostanischen Krisen aus Bali und Lombok vielfach findet. Wahrscheinlich sind es Beutestücke früherer luwuresischer Machthaber, ohne besondere Namen.

11. Ein Klewang, früherer Reichsschmuck von Mengkóka (S. O. C.).

12. 13. und 15. Alte spanische oder holländische Schwerter und Messer.

16. Ein Fahnenknopf aus Gold, genannt Suléngha-É. Soll aus dem Himmel (Manurung) herabgekommen sein. Die Fahne selbst ist beim Brande des früheren Hauses der gegenwärtigen Datu mit verbrannt.

[S. 303]

17. Eine goldene Kette in Daumenstärke und ungefähr 1½ m lang, genannt Simbángang-É. Nach der Überlieferung hing diese Kette vom Himmel herab, als eine der fürstlichen Wohnungen von Luwu (Langhana) erbaut wurde. Mittels dieser Kette sollen die Stützbalken dieses Hauses emporgerichtet worden sein. Bei der letzten Stütze brach dann die Kette und fiel zur Erde herab.

18. Ein Flöte von Gold in Trompetenform, ohne eigenen Namen.

19. Eine goldene Platte, um 1811 durch die englische Regierung an den Fürsten (Datu) von Sóppeng geschenkt, welcher mit der Fürstin (Pádjung) von Luwu verheiratet war. Bei seinem Ableben wurde die Platte Eigentum seiner Gattin und kam damit an Luwu.

Zu den Reichsobjekten gehören noch folgende, nicht photographierte Gegenstände:

Zwei graue Sonnenhüte, genannt To-Dúang. Sie sollen ebenfalls aus dem Himmel herabgekommen sein.

Ein Kris mit goldenem Griff und goldener Scheide, genannt Thula-É. Beute aus dem Besitz des Fürsten von Goa, als dieser durch Boni, Luwu und das Gouvernement gezüchtigt wurde. Damals war Patta Mattinro-É ri Tompotíkka (=der in Tompotíkka gestorbene Fürst) Herrscher von Luwu. Dieser Kris ist jetzt im Gebrauche des Patúnru.

Zwei Helme ohne Namenangaben, wahrscheinlich aus alter spanischer Zeit stammend. —

Zwei Objekte als Teil des Reichsschmucks

[S. 304]

Paloppo, den 16. Oktober.

Der letzte Tag meines Aufenthaltes in Paloppo war herangekommen, und es hieß Abschied nehmen von dem in jeder Beziehung interessanten Orte und den hier neugewonnenen Freunden. Aus Makassar war die telegraphische Ordre eingetroffen, daß mich auf meiner diesmaligen Landesdurchquerung eine militärische Eskorte von 15 Mann, die mir von der Regierung in liberalster Weise frei zur Verfügung gestellt wurde, begleiten sollte. Für dieses überaus freundliche Entgegenkommen spreche ich dem Herrn Gouverneur, sowie dem Herrn Militärkommandanten von Makassar an dieser Stelle nochmals öffentlich meinen herzlichsten Dank aus.

Zum Beschlusse des heutigen Tages hatte mich der Herr A.-Resident zu einem Abschiedsmahl eingeladen, das uns alle, mit denen ich in Paloppo in näherer Beziehung gestanden hatte, zum letztenmale vereinte. Es verlief reizend, und ich muß gestehen, daß es mir schwer fiel, aus diesem kleinen Kreise so überaus liebenswürdiger Menschen zu scheiden, deren jeder einzelne sich bemüht hatte, mir nach Möglichkeit gefällig zu sein. Ganz besonders aber sei hier nochmals des Herrn A.-Residenten de Boer und seiner Frau Gemahlin mit herzlichstem Danke für die hervorragende Gastfreundschaft gedacht, die sie mir in ihrem Hause zuteil werden ließen.

Paloppo — Salu Tubu, den 17. Oktober.

Am nächtlichen Firmament glitzerten noch die Sterne, als mich die Stimmen der sich versammelnden Träger weckten. Hastig sprang ich auf und machte mich fertig. Alle Gepäckstücke wurden nochmals untersucht und auf ihr Gewicht hin geprüft, worauf mit der Lastenverteilung begonnen werden konnte, einer Arbeit, die stets geraume Zeit beansprucht. Ich begann meine Tour mit 16 Kulis, welche Zahl sich gegen das Ende meiner Reisen verdreifachte.

Der Abmarsch sollte um 6 Uhr morgens von der Kaserne aus stattfinden, wohin wir uns alsbald begaben. Meine militärische Begleitmannschaft[S. 305] unter Führung eines Sergeanten, sowie 10 Soldatenkulis warteten dort bereits. Ebenso waren die Herrn Offiziere, sowie der A.-Resident anwesend. Letzterer überreichte mir noch einen Geleitsbrief an den Tomakaka (= Fürsten) von Masamba. Nach wiederholter herzlichster Verabschiedung von ihm wurde der Befehl zum Abmarsch gegeben, und von den beiden Offizieren noch bis an die Weichbildgrenze von Paloppo begleitet, trat ich meinen Weg an. Der Traum langer Jahre begann sich mir damit in die Wirklichkeit umzusetzen.

Außerhalb der Wallgräben Paloppos kam ich an einem hochberühmten Fürstengrabe vorüber von der Form einer stumpfen Pyramide, deren Spitze von einem antiken Porzellantopf chinesischer Herkunft eigenartig bekrönt war. Auch die Moschee in Paloppo hatte einen solch merkwürdigen Kuppelabschluß. Unweit des Mausoleums lag nahe am Wege ein sauber gehaltener Kampong, dessen Bewohner aus ausgedienten timoresischen Soldaten bestanden, die sich hier neue Heimstätten gegründet hatten.

Die Witterung war vorerst bei bedecktem Himmel noch sehr angenehm und der Fußweg bei der jetzigen anhaltenden Trockenzeit in bester Verfassung. Derselbe führte zwischen den dem Meere vorgelagerten, ca. 400–500 m hohen waldlosen Bergen und der mangrovenbestandenen Küstenniederung hin. Das Talgelände war mit dichtem Busch und stellenweise mit Wollgras bestanden, dessen weiße Flocken ein anmutiges Wiesenbild vortäuschten. Selten reich war hier die Vogelwelt. Schön gefärbte Vögel huschten im Gezweig des Laubwaldes, Papageien jagten einander mit lautem Gekreisch in den Hochbäumen, Erdtauben lockten melodischen Rufes, und die nirgends fehlenden Turteltauben gurrten vertraut aus dem Geäst dicht am Wege. Aus dem Lalang heraus ertönte Wachtelschlag, und große, schwerfällige Sporenkuckucke strichen hin und wider. Von weitem herüber schallte das Gebell lärmender Affen, das ich im Toradja-Lande niemals zu hören bekommen hatte.

Gegen 8 Uhr kamen wir an den weit auseinander liegenden Hütten des luwuresischen Buschkampongs Pátu vorüber, die fern vom Wege[S. 306] inmitten ausgedehnter Maispflanzungen lagen. Nur die sich den Pfad entlang ziehenden Umzäunungen der Kebons verrieten die Nähe von Wohnungen. Überall, wo sich ein Seitenweg abzweigte, war eine Dämonenscheuche errichtet, die aus einem über zwei mannshohen Pflöcken schräg gelegten Blattwedel der Zuckerpalme bestand, deren Blätter allein zu diesem Zwecke Verwendung finden dürfen. An den einzelnen Blattfiedern waren weiße Hühnerfedern angebunden. Niemals fehlten ein oder zwei daneben stehende weiße Geisterfähnchen, die man an langen in den Boden gesteckten Bambusstangen befestigt hatte. — Das am meisten angebaute Feldprodukt dieses Distriktes war Mais (djagung). Dazu kamen sorgfältig gehaltene Bananenfelder (pisang), hin und wider auch Baumwollanpflanzungen (kapok), neben spärlicher vorkommenden Kokos-, Areng-, Areka- und Sagopalmen.

Nach einer kleinen halben Stunde hatten wir die Kulturen von Pátu hinter uns. Die Berge zu unserer Linken traten weiter zurück und ließen einer savannenartigen Ebene Raum. Hier fand ich an den Wegerändern eine häufig auftretende, unserem wilden Hopfen ähnliche Pflanze in Strauchform, die von meinen Leuten óra-óra genannt wurde. Die hängenden Doldenblüten derselben, die erst grün und dann gelbbraun werden, dufteten aromatisch und werden von den Luwuresen gern als Füllmaterial für ihre Schlafkissen benutzt.

Nach ungefähr 3stündigem Marsche erreichten wir in dieser Talebene einen Punkt, an dem sich die Wege teilten. Der nach links abbiegende Pfad führte nach Baram-amásse, dessen Kokoshaine den Hintergrund der Landschaft bildeten. Nach rechts führte der ziemlich gerade Weg weiter nach Masamba, meiner ersten Etappe. An dieser Gabelung des Weges fand ein Trägerwechsel statt. Ein von Paloppo vorausgesandter reitender Polizist hatte die neuen Leute aus Baram-amásse hierher bestellt. An die Stelle der islamitischen Luwuresen traten jetzt heidnische Torongkong, deren Gebiet hier beginnt. Viel Besseres hatte ich mit den frischen Trägern nicht eingetauscht. Alle die Niederung bewohnenden Eingeborenen sind schlapp, und auch die aus den[S. 307] Bergen in die Ebene herabgekommenen und hier angesiedelten Baram-ámasse-Torongkong, aus denen sich meine Kulis rekrutierten, waren Mischlinge, die bereits viel von ihrer ursprünglichen Kraft und Elasticität eingebüßt hatten. Das Opium, das auch bei ihnen Eingang gefunden hat, macht bereits seine verderbliche Wirkung geltend. Abgesehen vom Dialekt und der Religion, unterschieden sich die Leute kaum mehr viel von den Luwuresen. Es bedurfte stetigen Mahnens, um die Trägerkolonne beisammen zu halten, und schließlich mußte ich ein paar Soldaten an das Ende des Zuges beordern, die darüber zu wachen hatten, daß keiner der Leute zurückblieb. — Originell waren die Kopfbedeckungen der Torongkong, die aus halbierten Kürbisschalen mit einem strohgeflochtenen Randbesatze bestanden. — Im Verlaufe des Weitermarsches zeigte sich die Küste zu unserer Rechten allmählich halbkreisförmig ausgebuchtet. Welliges Hügelland baute sich vor uns auf, und das Meer, das bisher immer noch stellenweise herübergeleuchtet hatte, entschwand dem Blicke gänzlich. Ich sollte es erst wieder als Golf von Tomini, am Endpunkte meiner Durchquerung, zu Gesicht bekommen.

Was die liebe Sonne bisher versäumt hatte, bemühte sie sich mit dem Vorrücken der Tageszeit gründlich wieder nachzuholen. Stechend heiß sandte sie ihre Strahlen auf den schattenlosen Weg und die unter ihrer Glut stöhnenden Menschen herab. Wo auch nur das kleinste Rinnsal unseren Weg kreuzte, stillten meine Leute daraus ihren Durst, und wenn es die schlimmst aussehende Pfütze war. Davon machten selbst die Soldaten keine Ausnahme, die ihre Feldflaschen trotz meiner Abmahnungen ebenfalls mit bakterienverseuchtem Wasser auffüllten. Abweichend von anderweit angetroffenen Überbrückungen, waren hier sämtliche Holzstege mit durchlaufenden Bänken zum bequemen Absetzen von Traglasten versehen. Über größere Wasserläufe gab es keine Brücken; diese mußten stets durchwatet werden. Der Lamassi-Fluß gab uns zum erstenmale die nicht unerwünschte Gelegenheit, unsere heißgelaufenen Füße zu kühlen. Seinem außerordentlich breiten Geröllbett[S. 308] nach zu schließen, muß dieser Fluß zur Regenzeit ein gewaltiger Strom sein. Gegenwärtig betrug seine größte Tiefe kaum 1 m. Zur Mittagsstunde betraten wir auf eine kurze Strecke hin bewaldetes Gebiet. Prachtvolle Riesenbambusse beherrschten daselbst die Scenerie. Kleine Nashornvögel zogen mit hallendem Rufe über unsere Köpfe weg. Ein erfreuliches Omen; denn der Nashornvogel gilt bei allen Eingeborenen als ein Glücksvogel. Jenseits der Waldenklave gelangten wir zum Makawa-Flusse. Der Makawa mit ebenfalls enorm breitem Geröllbett hatte auch nur geringe Tiefe. An seinem Ufer hatte eine Torongkong-Familie eine Rodung angelegt, bei welcher sie in einem kleinen mit Dämonenscheuchen versehenen Hüttchen wohnte. Dies war weit und breit die einzige Ansiedlung.

171. Torongkong-Behausung am Makawa-Flusse, von Dämonenscheuchen flankiert.

Den dritten größeren Flußlauf passierten wir gegen 1 Uhr. Es war der Lino, der völlig den vorher angetroffenen Gewässern glich. Durch den breiten, von waldbedeckten Hügeln flankierten Talgrund[S. 309] marschierten wir noch mehrere Stunden, bis wir das von der Regierung auf einem kleinen Hügel angelegte Biwak Salu-Tubu erreicht hatten. Als in kurzen Zwischenräumen alle Nachzügler eingetroffen waren, stellte es sich heraus, daß die Torongkong-Träger keinerlei Lebensmittel mit sich führten und nun hungernd zusehen mußten, wie es sich alle anderen schmecken ließen. Die Leute hatten angenommen, sie würden in Salu-Tubu abgelohnt werden, und wären dann zum Nächtigen in ein nicht zu fernes Dorf gegangen, wo sie genügende Eßvorräte gefunden hätten. Bei der Unsicherheit jedoch, ob sich die von mir durch vorausgesandte Boten bestellten Wechselkulis auch rechtzeitig einfinden würden, durfte ich die Leute hier mitten im Busche nicht entlassen. Schließlich half ihnen mein gutherziger Boy Rámang mit Reis aus seinem eigenen mitgeführten Vorrate aus; den Betrag dafür sollte ich ihnen an ihrem Trägerlohn in Abzug bringen. Da trotzdem zu befürchten stand, daß ein Teil der Leute Reißaus nahm, ließ ich jedem den Paß abnehmen, den in Luwu jeder Eingeborene mit sich führen muß.

172. Luwuresischer Eingeborenenpaß und -Behälter.

[S. 310]

Salu-Tubu — Baëbuntu, den 18. Oktober.

Die neuen Träger trafen um die 4. Morgenstunde bei uns ein. Es waren diesmal 20 Leute, da sich einige meiner Gepäckstücke als Traglast für einen Mann als zu schwer erwiesen hatten. Diese wurden nun an Stangen gebunden und von je 2 Mann geschleppt. Bei der Ankunft der Kulis war es natürlich mit der Nachtruhe vorbei, und die Sache hatte nur das eine Gute, daß pünktlich um 6 Uhr die ganze Kolonne marschfertig war. Im flachen Lande hinter Salu-Tubu führte der Weg durch ausgedehnte Sümpfe, wo sich üppige Sagodickichte fanden. Das erste an diesem Morgen zu durchwatende Flüßchen war der Pónko. Ein unbedeutendes Dörfchen gleichen Namens lag nahe am Flusse. Dort lagerten größere Vorräte Rotang, die auf dem Wasser hinabgeflößt werden sollten. Der nächste zu passierende Ort hieß Pampaniki. Am Dorfeingang und -ausgang waren quer über den Weg Dämonenscheuchen zur Verhütung von Krankheitseinschleppung errichtet. Der Zauber bestand auch hier aus einem riesigen Arengblatte, an dessen einzelne Fiedern Hühnerfedern geknüpft waren, und das mehrfach bastgeflochtenen Ringkettenschmuck trug. An den Seitenpflock war ein Bambusköcher mit Tabak nebst einigen Blättern der heiligen roten Pflanze gebunden.

173. Dämonenscheuche an der Weichbildgrenze des Dorfes Pampaniki.

Ähnliche Abwehrzauber, Geister- oder Dämonenscheuchen, wie man sie nennen will, fanden sich von Pampaniki ab besonders häufig. Jeder Seitenweg und jeder Hüttenzugang war damit versehen. Nach zweistündiger Wanderung gelangten wir in ein Waldrevier mit schönem alten Baumbestand. Leider profitierten wir hiervon wenig; denn zu beiden Seiten des Weges hatte man überflüssigerweise noch je einen ca. 5 m breiten Waldstreifen gerodet. Quer über einen Höhenzug hinweg erreichten wir die Ortschaft Teruë. Auf die Kunde von meinem Eintreffen wartete bereits das gesamte Dorf unserer Ankunft. Der Vorsteher kam mir zur Begrüßung entgegen, und eine Anzahl bereit gehaltener Kokosnüsse wurden mir zur Erfrischung überreicht. Die hiesigen Torongkong, die durchgehends auffallend große[S. 311] geflochtene Sitzmatten trugen, machten einen bedeutend besseren Eindruck als die bisher kennen gelernten. Ihre tiefbraune Hautfarbe, wie ihre stämmigeren Gestalten und grob geschnittenen Gesichter unterschieden sich auf den ersten Blick von den hellfarbigeren und schmächtiger gebauten Luwuresen. In Teruë wurden wiederum die Kulis gewechselt, und ich benutzte die kurze Frist zum Einkauf einiger ethnographischer Gegenstände. Das Hauptdorf der Torongkong liegt im Gebirge und heißt Séko. — Auf meine Frage nach der Herkunft der erworbenen Gegenstände wurde mir stets nur Séko genannt. Diesen Objekten nach zu urteilen, müssen dort recht geschickte Silber- und Messingarbeiter ihr Gewerbe treiben. Kurz nach dem Verlassen von Teruë sprengten uns zwei Reiter entgegen. Es war der Sulewátang des Dorfes Rongkong mit einem Begleiter, der mir zum Empfang entgegengeritten kam. Beim Ansichtigwerden unseres Zuges sprangen sie[S. 312] sofort von den Pferden, und der Sulewátang näherte sich mir ehrerbietig, um mir eine vermutlich sehr schöne Ansprache zu halten, die ich nur leider nicht verstehen konnte. Dieser bedauerliche Umstand tat aber unserer Freundschaft weiter keinen Eintrag. Wir schüttelten einander die Hände und rauchten eine Friedenscigarette. Beim Weitermarsch ließ der Häuptling die Pferde nachführen und gab mir das Geleit bis zum Salu Rongo. Interessant war mir die Sache schon deshalb, weil sie ein Schulbeispiel dafür ist, mit welch unglaublicher Schnelligkeit sich Nachrichten auch in entlegenen Gegenden weiter verbreiten. Doch es sollte noch besser kommen. — Ungefähr eine Stunde später gelangten wir in ein Kulturgebiet größerer Ausdehnung, und hier, in der Nähe des Kampongs Buwángin war es, wo mich zu meiner nicht geringen Überraschung unter einer kleinen Feldhütte eine reguläre Torongkong-Deputation erwartete. Der Dorfhäuptling mit einem Gefährten und 5 weiblichen Vertretern aller Lebensalter von der Jungfrau bis zur Greisin war hier zu meiner Bewillkommnung erschienen. Alle prangten im Festschmuck, das schöne Geschlecht sogar mit chromgelb gepuderten Gesichtern. Zwei der Mädchen überreichten mir sauber geschälte und mit Trinköffnung versehene Kokosnüsse. Gerührt über soviel Aufmerksamkeit, ließ ich Halt machen und öffnete eines meiner Gepäckstücke, um sie alle mit Fingerringen und süßen Cakes zu beschenken. Zu meiner eigenen Erinnerung aber an das niedliche Intermezzo wurde die ganze Gesellschaft photographiert.

Abermals ging es weiter. Die Sonne stand nahezu im Zenith, als wir an einem kleinen Biwakhäuschen am schön bewaldeten Ufer des breiten und tiefen Rongoflusses anlangten. Der Platz hieß Maróbo. Das Wasser des Rongo war durchschnittlich 1½–2 m tief und nur auf einer schwer aufzufindenden Furt zu durchschreiten. Zur Regenzeit war es jedenfalls gänzlich unmöglich, den Fluß zu durchwaten, und auch jetzt recht bedenklich, da der Salu Rongo viele Krokodile beherbergen soll. Aus diesen Gründen haben sich die Eingeborenen dazu aufgeschwungen, eine einfache Rotangseilfähre zu errichten, die aber nach jedem Hochwasser[S. 313] erneuert werden muß. Auch bei meiner Ankunft war das Seil wieder einmal gerissen. Das Übersetzen geschah also auf die Weise, daß eine Anzahl von Torongkong-Leuten, schwimmend oder bis zum Halse watend, das Fährboot ans andere Ufer hinüberschoben. Dies mußte verschiedene Male wiederholt werden, ehe auch die Soldaten übergeführt waren. Meine Träger durchwateten den Fluß, wobei sie ihre Lasten auf den Köpfen balancierten. Ich stand dabei eine heillose Angst um mein Gepäck aus; doch kamen alle glücklich hinüber. Vor den Krokodilen suchen sich die Eingeborenen dadurch zu schützen, daß sie vor dem Betreten des Wassers mittels langer Bambusstangen darin herumstachen, und ein kräftiges Steinbombardement auf dasselbe eröffneten, um die gefährlichen Tiere zu verscheuchen. Immerhin ein recht unzuverlässiges Mittel. — Auf dem Wege nach Baëbuntu begegnete mir ein Mann aus diesem Orte, welcher mit tiefgebeugtem Kopfe so lange am Wegrande niederkniete, bis ich vorüber war. —

174. Torongkong-Begrüßungsdeputation aus Buwángin.

Nach etwa ¾ Stunden kreuzte abermals ein Flüßchen unseren Weg, der Lebunta-Fluß, welcher auf schadhaftem Knüppelsteg überschritten wurde. Unmittelbar dahinter lag der große Luwuresen-Kampong Baëbuntu.

Über diese alte bedeutende Siedelung herrschte ein Radja mit dem Titel Mákole, dem ein Kapala Kampong (Dorfvorsteher), auch Orang[S. 314] tuah genannt, zur Seite stand. Die durchwegs großen, hochstehenden Häuser lagen weit auseinander unter einem Haine riesenhoher Kokospalmen. Das Fremdenhaus des Ortes war sehr bescheiden. Dem Militär standen daneben errichtete Baracken zur Verfügung. Es dauerte nicht lange, so wurde mir der Besuch des Mákole gemeldet, der in Begleitung des Kapala Kampong mit größerem Gefolge erschien. Als Hoheitszeichen wurde ihm eine Prunklanze nachgetragen. Ich placierte die illustre Gesellschaft, so gut es ging, und ließ Cigaretten verteilen, die mit großer Andacht geraucht wurden. Leider sprachen der Mákole wie der Vorsteher nur Luwu und Barée. Letzteres gilt als die allgemeine Verkehrssprache von ganz Inner-Celebes. Von meinen Begleitern beherrschte es niemand, und ein Dolmetsch dafür sollte erst in Masamba beschafft werden. Die Übertragung unserer Unterhaltung aus dem Luwuresischen ins Malayische übernahmen mein Boy Rámang und der Sergeant in befriedigender Weise. Ich zeigte meinen Besuchern Abbildungen ethnographischer Gegenstände, an deren Erwerbung mir gelegen war. Sie wurden mit Ausrufen des Erstaunens besichtigt; auf meine Nachfrage aber wurde mir erwidert, daß vor Jahresfrist der ganze Kampong abgebrannt sei und es deshalb keine Gegenstände aus alter Zeit mehr in Baëbuntu gäbe. Man brachte mir nur Matten und gewöhnliche dunkelgrau glasierte Tongefäße als die einzigen Erzeugnisse hiesiger Hausindustrie. Vom Mákole erwarb ich ein altchinesisches Salbtöpfchen für ein paar Gulden.

Von meinen Soldaten lahmten heut mehrere Mann, und die nachmittägige Rast kam daher allen recht willkommen.

Baëbuntu — Masamba, den 19. Oktober.

Nach schlecht verbrachter Nacht frühzeitig auf den Beinen, fand ich es unverantwortlich, daß die neuen Träger warten ließen. Der Kapala Kampong, dessen Pflicht es gewesen wäre, für das rechtzeitige Antreten derselben zu sorgen, mußte sich vom Sergeanten eine geharnischte Rüge gefallen lassen, die aber ihren Zweck erfüllte. In der[S. 315] nächsten halben Stunde schon waren die Leute zur Stelle. Kurz vor meinem Aufbruch um 7 Uhr erschien noch der Mákole mit seinem Lanzenträger zur Verabschiedung.

Der bis Masamba erforderliche Marsch war als ein 2stündiger Spaziergang durch ein reiches Kulturland aufzufassen. Soweit das Auge reichte, fiel der Blick auf sorgfältig unterhaltene Sawas, nur unterbrochen von kleinen Waldparzellen mit prächtigen Sago- und Nibungpalmen, Rotangbüschen und Pandanaceen. In großer Zahl über die Reisebene hin zerstreute Hüttchen dienten den Feldeigentümern während der Erntezeit zum Aufenthalt. Sie allein brachten etwas Abwechslung in die Landschaft. Unter dem Pfahlgerüst einer dieser Hütten sah ich einen interessanten Reistrog in Kahnform, dessen eine Hälfte einen rechteckigen Ausschnitt zum Stampfen der Ähren, dessen andere dagegen runde Löcher zum Enthülsen der Körner aufwies. Ähnliche Reiströge hatte ich im Rantepáo-Distrikte bei den Toradja gefunden.

Eine bemerkenswerte Besonderheit zeigte auch eine am Wege liegende Torongkong-Behausung. Aus dem Innern derselben führten nämlich vom Feuerplatze ausgehende lange, aus Sagoholz geschnittene Abflußrinnen nach außen, die einem hier kaum vermuteten Reinlichkeitsbedürfnis dienten.

Die Gegend wurde immer üppiger. Im saftigsten Grün prangende Wiesen und Reisfelder mit kunstvollen Bewässerungsanlagen breiteten sich weithin aus. Auf den Stautümpeln trieben sich Scharen der großen australischen Wildente (Anas superciliosa) herum. Ein Wald von Kokospalmen begrenzte den Blick nach allen Seiten. Alles atmete Ordnung und Wohlhabenheit. Aus den hinter Bäumen verborgenen Dörfern erscholl taktmäßiges Reisstampfen. Diese gesegneten Gefilde gehörten bereits zum Fürstentum Masamba, einer der reichsten Reisprovinzen des Luwureiches. Der von meinen Leuten mit lautem Jubel und übermütigem Freudengejauchze begrüßte Hauptort Masamba lag vor uns auf etwas höherem Terrain, und nur der breite, jetzt halb[S. 316] ausgetrocknete Salu Kúlang, auch Masamba-Fluß genannt, trennte uns noch davon.

Masamba hat eine luwuresisch-islamitische Bevölkerung, deren Oberhaupt ein »Tomakaka« titulierter Radja ist. Zur Zeit meines Dortseins zählte die Ortschaft mehr als 180 Häuser mit rund 800 Einwohnern. Ein abgegrenztes Stück Land an der Dorflisière war für Biwakzwecke des Militärs, nebst separiertem Fremdenhause reserviert. Dorthin begaben wir uns sofort.

Der Tomakaka, ein würdiger und sympathischer, ordenbesternter alter Herr, harrte daselbst bereits zu meiner Begrüßung. Vor meinen Augen ließ er das winzige Fremdenhäuschen, das ich bewohnen sollte, mit Zweigen rein fegen und aus seinem eigenen Hause zu meiner Bequemlichkeit einen Tisch und 2 Schaukelstühle herbeischaffen. Mehrere riesige Trinknüsse waren für mich bereitgestellt. Gleich nach dem Empfange zog sich der Tomakaka zurück, um mir Zeit zu einem Bade und zum Kleiderwechsel zu lassen. Ich war damit kaum fertig, als er abermals erschien, jetzt mit großem Gefolge zur offiziellen Bitjara (Besprechung), wobei er mir als Gastgeschenk ein Huhn und einen Korb Reis mit 7 darin liegenden Eiern überreichen ließ. — Ich händigte ihm jetzt den Brief des A.-Residenten ein, worauf er mir versicherte, alles tun zu wollen, was in seiner Macht stehe, um meine Weiterreise zu fördern. Das Schwierigste hierbei war, wie sich herausstellte, den unerläßlichen Dolmetsch zu finden, der neben Malayisch und Barée auch möglichst noch die Idiome der Inlandstämme beherrschte. In Paloppo war es unmöglich gewesen, einen so sprachgewandten Menschen aufzutreiben, und in Masamba schien es die gleichen Schwierigkeiten zu machen. Im Laufe der Verhandlungen wurde festgestellt, daß einzig und allein der jüngste Sohn des Tomakaka über die erforderlichen Sprachkenntnisse verfüge. Der 15–16jährige Prinz zeigte sich aber durchaus nicht entzückt von der Aussicht, in meiner Begleitung die beschwerlichen Märsche über das Gebirge machen zu sollen, und zog sich schmollend zurück. Diese Angelegenheit blieb also einstweilen unerledigt. Nun[S. 317] legte ich auch dem Tomakaka meine Photographiensammlung vor. Als sich darunter eine Abbildung der in Masamba gebräuchlichen Reismörser in Form von Riesenbechern befand, klatschte er vor Vergnügen in die Hände und rief seine Begleiter herbei, die sich das Bild ebenfalls ansehen mußten. Unmittelbar darauf gab der Fürst einigen seiner Leute einen Befehl, und wenige Minuten später brachten diese ein solches Mörserungetüm angeschleppt, das mir der Fürst als Geschenk zur Verfügung stellte. Ein derartiges Souvenir, das allein 3 Kulis zur Fortschaffung nötig gemacht hätte, war durchaus nicht nach meinem Sinn. Um dies aber dem Tomakaka erklärlich zu machen, ohne ihn zu kränken, hieß es eine gewichtige Menge von Gründen ins Treffen zu führen, und ich atmete erleichtert auf, als es mir endlich gelungen war, ihm diese plausibel zu machen, und der verschmähte Reismörser wieder fortgeschafft wurde. An Stelle desselben erbat ich mir einen der klingenden Stampfkolben, und dieser Wunsch wurde mir augenblicklich erfüllt. In die dicken Enden dieses eigenartigen Gerätes waren schmale rechteckige Rillen geschnitten, die lose Holzklötzchen enthielten. Beim Stampfen fliegen diese in den Hohlräumen auf und nieder, wodurch ein tönendes Geräusch entsteht, und wenn mehrere Frauen gleichzeitig stampfen, vereinen sich die Töne zu Harmonien, die weithin zu hören sind und Unterhaltung bei der Arbeit gewähren. Derart konstruierte Klöppel fand ich nur im Masamba-Gebiet. Das mir überlassene Exemplar zeigte leichte Ansätze von Schnitzarbeit.

Nach längerem Verweilen verabschiedete sich der Fürst in bester Stimmung. Für den Nachmittag hatte ich ihm meinen Gegenbesuch vorgeschlagen und gebeten, einige photographische Aufnahmen von ihm machen zu dürfen. Dies schmeichelte ihm augenscheinlich; denn er sagte sofort zu und erkundigte sich sehr eingehend, ob die Bilder dann auch in ein Buch kämen und dieses auch von den »weißen Radjas« durchgesehen würde.

Begleitet von meinen Apparatträgern, begab ich mich gegen 3 Uhr nachmittags zum Hause des Tomakaka. Auf dem Wege dahin bekam[S. 318] ich einen größeren Teil des Hauptkampongs zu sehen und war überrascht von der Ansehnlichkeit der Häuser und der Sauberkeit und dem Wohlstand, die überall zutage traten. In den meisten Fällen bewohnten mehrere verwandte Familien ein Haus gemeinsam. In unmittelbarer Nähe der Wohngebäude standen die dazu gehörigen Reisspeicher, deren gefällig aussehende Aufbauten auf hölzernen Säulen ruhten. Die einzelnen Gehöfte waren durch Fruchtgärten getrennt und lagen so weit auseinander, daß es mir unmöglich war, eine übersichtliche Dorfaufnahme auf die Platte zu bekommen. Viele der Wohnhäuser waren im Schatten wundervoller alter Waringinbäume erbaut. Die Obstgärten waren zum Schutze gegen Büffel und Ziegen mit soliden Umzäunungen versehen. Mangos, Mangustinen, Pisangs, Djeruk assam und Djeruk manis (unseren Zitronen und Orangen zu vergleichen) waren die vorherrschenden Fruchtsorten.

175. Haus des Fürsten von Masamba.

Das Haus des Fürsten stand auf dem großen freien Dorfplatze, auf welchem die Beratungen, Dorffeste und Spiele abgehalten werden. Es war das größte Gebäude des Dorfes, und zierlich bemalte, vergitterte Fenster, hübsch bemusterte Flechtwände der Vorderfront des Hauses sowie ein Treppenvorbau zeichneten dasselbe vor allen andern aus.

[S. 319]

In Anlehnung an die weiter im Innern, in Leboni, Rampi usw. allgemeine Sitte, unter den Häusern sowie unter den Aufbauten der Reisspeicher noch eine zweite Plattform zu errichten, welche den Frauen und Kindern tagsüber als bevorzugter Aufenthaltsort dient und beliebte Plauderwinkel bietet, pflegen auch die Orang Masamba ihre Häuser mit solchen Veranden auszustatten. Auf diesen haben die Frauen ihre Webstühle aufgestellt, während der niedere Raum darunter als Depot für Ackergeräte, Brennholz usw. benutzt wird. Die Stützpfeiler des Hauses ruhten auf großen Steinplatten. Neben dem Treppenvorbau flatterte ein an hoher Stange befestigtes windbewegtes Geisterfähnchen zur Verhütung einer Einschleppung von Krankheiten.

Der Wiesenplan vor dem Hause war bei meinem Kommen von einer hundertköpfigen Menge besetzt, die sich versammelt hatte, um dem Photographiertwerden ihres Oberhauptes beizuwohnen. Der Fürst mit seiner gesamten Familie, der Fürstin, 2 Söhnen, einer Tochter und dem Schwiegersohne, erwartete mich im Freien. Der Tomakaka hatte Gala angelegt: den starren Prunksarong, goldbestickte Jacke und golddurchwirkte Mütze. Seine Söhne und der Schwiegersohn trugen die »tjelana« genannten kurzen Hosen und um den Leib den schärpenartig getragenen »lambung«, das Hüftentuch. Als Kopfbedeckung benutzten sie Haupttücher, die derart geschlungen waren, daß ein Tuchende flügelartig hochstand. Fürstin und Tochter trugen gleichfalls ölgetränkte steife Sarongs. Ihre Oberkörper umhüllten rosa Tülltücher. In den Ohren trugen beide Frauen lang herabhängendes Goldgeschmeide, an den Fingern dicke Ringe. Das Merkwürdigste aber waren ihre phantastischen, mit Rubinen besetzten Armreife. Wie fast in allen Fällen bei derartigen Schmuckstücken handelte es sich auch hierbei um eine Vorspiegelung falscher Tatsachen. In massivem Golde hätten diese Armreife einen ungeheuren Wert besessen; in Wirklichkeit bestand der dicke Kern aus Dammar, und der Goldbelag war dünn wie Papier. Dessenungeachtet waren es ethnographisch sehr interessante Stücke, schon deswegen, weil diese Form nur von der Fürstenfamilie getragen werden[S. 320] darf und außer in Masamba wohl kaum mehr zu finden sein wird. Daß die Armbänder mehrfach gebrochen und mittels ordinären roten Bindfadens notdürftig zusammengehalten wurden, schien dem Erbschmuck in den Augen der glücklichen Besitzer, wie der bewundernden Untertanen keinerlei Abbruch zu tun.

176. Der Fürst von Masamba mit Familie.

Die Fürstin war »Herr im Hause«. Selbst die geringfügigsten Angelegenheiten wurden ihrer Begutachtung unterbreitet. Wollte ich von dem Herrn Gemahl irgend ein Objekt erwerben, so bekam ich unfehlbar zur Antwort: »Gern, wenn es die Fürstin erlaubt!« — eine bei Mohammedanern ziemlich seltene Ausnahme von der Regel, daß die Frauen auf die Entschließungen der Männer keinerlei Einfluß ausüben.

[S. 321]

Daß sich die Tomakaka-Familie so willfährig zeigte, sich photographieren zu lassen, war mir natürlich sehr angenehm, und ich nutzte die Gelegenheit reichlich aus. Später besichtigte ich das Innere des Hauses, dessen vorderes Drittel von den dahinterliegenden Familienräumen durch ein quergespanntes Tuch abgetrennt war. In jenem gab es nichts zu sehen, und diese blieben mir verschlossen. Als einziges Beutestück nahm ich einen artig geschnitzten Schemel mit, der mir auf meine Bitte tauschweise überlassen wurde. Auch einen kompletten Webstuhl konnte ich von der Fürstin auf gleiche Weise erwerben. Bezüglich meiner Weiterreise teilte mir der Tomakaka mit, daß er sich entschlossen hätte, mir den jungen Prinzen als Dolmetsch mitzugeben (auf dem Gruppenbilde links stehend). Da jedoch die Vorbereitungen zur Abreise desselben nicht so schnell getroffen werden könnten, würde unser Aufbruch sich um 2 Tage verzögern. Ich gab mich um so lieber damit zufrieden, als am kommenden Tage im Dorfe große Hahnenkampfspiele stattfinden sollten.

Am Abend genoß ich in Muße die herrliche Aussicht auf den Kúlang-Fluß mit dem lebhaften Treiben der aus allen umliegenden Kampongs zum Baden gekommenen Dorfbewohner. Nach Einbruch der Dunkelheit jedoch verleideten mir Schwärme kleiner geflügelter Ameisen, übelriechender Blattwanzen und bösartiger Moskitos den Aufenthalt im Freien. Aber auch um meine Lampe schwirrten Wolken dieser Plagegeister, so daß ich den aussichtslosen Kampf aufgab und mich unter mein Mückennetz flüchtete.

Masamba, den 20. Oktober.

Am frühen Morgen leichter Regenfall. Mit dem Höhersteigen der Sonne wurde das Wetter klar, und bald stieg die Temperatur auf die in Masamba übliche Backofenhitze. Für meine Soldaten war heut ein doppelter Festtag; sie brauchten nicht zu marschieren, und im Dorfe war ein Büffel geschlachtet worden, von dem große Fleischquantitäten zu ihnen hinüber gewandert waren. Zu alledem brachten einige Torongkongleute noch ein fettes Schwein an, das ich kaufte und ihnen überließ.[S. 322] Der Tomakaka schickte mir abermals ein Huhn, sowie eine Lanze und eine Anzahl Fuja-Gegenstände aus Leboni. Als Gegengeschenk für ihn und Familie sandte ich ihm eine Auswahl aus meinen mitgebrachten Tauschartikeln. Bald darauf kam er selbst, um sich zu bedanken, und nun sprach ich den Wunsch aus, eines der gestern gesehenen Armbänder zu kaufen. Er schickte sofort zur Fürstin, ob sie damit einverstanden wäre. Die spekulative Dame forderte schlankweg 150 Gulden für das schlechteste, schwer beschädigte Stück. Ich zählte dem alten Herrn die Hälfte dieses Betrages in blanken Silberdollars auf den Tisch, und wahrlich, es war ihm anzusehen, wie gern er zugegriffen hätte. Aber Madame Tomakaka ließ nicht handeln, und so wurde nichts aus dem Geschäft. — Für den nächsten Tag wurde der Aufbruch nach Leboni fest beschlossen, und der Tomakaka versprach mir, für die notwendigen Träger rechtzeitig zu sorgen.

177. Armreifen und Fingerringe der Fürstin von Masamba.

Aus dem Kampong und der Umgebung kamen heut viele Dorfbewohner, um mir die verschiedensten Gegenstände zum Kaufe anzubieten. Meist handelte es sich dabei um Schmucksachen buginesischer Provenienz, Torongkong-Dosen, Geflechte und Fuja-Stoffballen. An Waffen wurden mir nur minderwertige Schwerter und Lanzen gebracht.[S. 323] Einige wirklich schöne alte Stücke bekam ich wohl zu Gesicht; doch wurden diese als »pusako« (Erbstücke) bezeichnet, die unverkäuflich seien. Ich hätte schon fabelhafte Preise anlegen müssen, um die Leute zur Hergabe zu bewegen. Die in Masamba beanspruchten Preise waren als sehr hoch zu bezeichnen, und schon aus diesem Grunde mußte ich auf manches gute Stück verzichten. Trotz dieser Zurückhaltung brachte ich eine starke Traglast an Sammlungsobjekten zusammen. Am nächsten Tage sandte ich alles gut in Matten verschnürt durch 2 Torongkongboten nach Paloppo zurück.

Im Laufe des heutigen Nachmittags begab ich mich zum Dorfanger, wo eine zahlreiche Menge den bereits begonnenen Hahnenkämpfen zusah. Der Tomakaka und seine Angehörigen hatten wiederum vor dem Hause auf Stühlen Platz genommen, und im weiten Halbkreise kauerten die männlichen Zuschauer auf dem Boden. Diese waren ausnahmslos mit der Tjelana bekleidet. Auf dem Kopfe trugen sie turbanartig geschlungene Haupttücher. Die gestern bei den Radjas beobachtete Form der hochstehenden Haupttuchzipfel schien ausschließliches Vorrecht der Edlen zu sein. Die Frauen und Mädchen hatten sich um und unter den Reisspeichern in Gruppen gesondert, und auch hinter den vergitterten Fensteröffnungen des Fürstenhauses drängte sich Kopf an Kopf.

Es waren wohl an 50 Kampfhähne am Platze, deren Besitzer mit ihren Tieren im inneren Ring des Zuschauerkreises saßen. Es muß betont werden, daß es sich bei diesen sehr grausamen Hahnenkämpfen um alles eher als um ein Spiel handelt. Der Hahnenkampf bedeutet im Leben der Inselasiaten die Befriedigung ihrer unbezähmbaren Wettleidenschaft. Tausende von Gulden, Haus und Feld, Frau, Kinder und selbst die eigene persönliche Freiheit werden von den Wettenden in blinder Leidenschaft diesem nur scheinbar harmlosen Sporte geopfert, so daß sich die Regierung gezwungen sah, diese Kämpfe nach Möglichkeit einzuschränken und nur zu bestimmten Festzeiten auf besonderes Ansuchen der zuständigen Häuptlinge zu gestatten. Sie ganz zu verbieten, hieße eine offene Auflehnung heraufbeschwören.

[S. 324]

Der Tomakaka von Masamba war ein enragierter Liebhaber dieses echt orientalischen Vergnügens und besaß eine große Menge von Kampfhähnen. Man wählt zu Sportzwecken die feurigsten, kräftigsten und gesündesten Hähne aus und erzieht sie systematisch für ihre Bestimmung.

178. Reizen der Kampfhähne.

Der Hergang der Kampfspiele in Masamba war folgender. Einer der Männer trat mit seinem Hahne in die Mitte des Kreises und forderte die anwesenden Konkurrenten auf, gleichfalls einen solchen in die Arena zu schicken. Hatte sich ein Gegner gemeldet, so begannen die beiden, ihre Tiere wechselseitig daraufhin zu untersuchen, ob sie einander ebenbürtig wären. Ein für den unbeteiligten Zuschauer ermüdendes Prüfen und Betasten der in Frage kommenden Hahnenkämpen fand nun statt. Einer nach dem andern verzichtete nach diesem Abwägen der Chancen auf ein Tournier, und es dauerte endlos lange, bis 2 gleichwertige Gegner einander gegenüberstanden. Die Vorsicht, mit der man hierbei vorgeht, ist begründet genug; denn sie kostet der verlierenden Partei 1. den Hahn, der als Besiegter getötet wird, 2. den stets sehr hohen Wetteinsatz, und 3. trifft den Besitzer der Unwille[S. 325] aller derer, die auf seinen Hahn gewettet hatten. Also Gründe genug, sich den Rivalen vorher genau zu besehen.

179. »Kampfbereit«.

Als die Hähne für den Zweikampf bestimmt waren, wurde zur Auswahl der Kampfsporen geschritten, worüber man rasch eine Einigung erzielte. Den beiden Kämpfern wurden nun die gleichgeformten, rasiermesserscharfen stählernen Sporen sorgfältig umgeschnallt. Es sind dies furchtbare Waffen, deren man gewöhnlich 6 verschiedene Formen, von der geraden bis zur sichelförmigen, unterscheidet. Das Duell konnte nunmehr beginnen. Zuvörderst reizte man die Hähne, d. h. der Herausforderer hielt sein Tier bei Kopf und Füßen fest und erlaubte dem gegnerischen Hahn einen Schnabelhieb auf den Kopf desselben, welches darauf veranlaßt wurde, das Kompliment zu erwidern. Dadurch wurden die Kämpen noch wütender und kampflustiger gemacht, als sie es durch die Anwesenheit und das herausfordernde Gekrähe so vieler anderer Artgenossen ohnedies schon geworden waren. Alsdann auf den Boden gesetzt, aber von ihren Besitzern noch immer festgehalten, läßt man sie auf ein Kommando los, worauf die Hähne in fast allen Fällen[S. 326] augenblicklich wütend über einander herfallen. Kneift dabei einer derselben, so gilt die Schlacht als für ihn verloren.

Eine Weile sah man jetzt nur gesträubte Federbündel herumwirbeln. Fürchterliche Spornschläge hagelten auf die Federpanzer, und bald färbte sich der Rasen vom Blute. Es kommt dabei vor, daß einem der Tiere bei solchem Kampfe der ganze Leib aufgeschlitzt wird, so daß die Gedärme nachschleifen. Entschieden ist der Kampf, wenn ein Hahn das Hasenpanier ergreift oder wehrlos auf dem Rücken liegt. Dies letztere trat in dem von mir beobachteten Kampfe ein, und in diesem Moment wurden die Kämpfer getrennt. Der scheußlichste Akt des ganzen Vorganges sollte aber erst noch kommen. Der Besitzer des niedergekämpften Tieres ergriff nämlich dieses und brachte es zu einer Art Bank, auf welche er den besiegten Hahn legte, um ihm mit dem Klewang den rechten Fuß oberhalb des Knies abzuschlagen. Solches war die brutale Strafe für die Niederlage desselben. Das so grausam verstümmelte Tier wurde nun nochmals seinem Besieger vorgeworfen und diesem erlaubt, seine Mordlust daran zu kühlen. Er stürzte sich sofort wieder auf sein jetzt völlig wehrloses, blutendes und sich hilflos am Boden wälzendes Opfer und zerhackte es jämmerlich. Nach diesem widerwärtigen Vorgange ergriff der Eigentümer das unglückliche Tier abermals, um es zur Schlachtbank zu bringen und nun erst durch Abschlagen des Kopfes von seinen Leiden zu erlösen. Der blutüberströmte Rumpf wurde nochmals dem triumphierend krähenden und mit den Flügeln schlagenden Sieger vorgeworfen. — Ich konnte nicht länger zusehen und verließ voll Ekel den Schauplatz solch niedriger Volksbelustigung.

Erworbene Sammlerstücke aus   Masamba

[S. 327]

Masamba — Rante-Manuk, den 21. Oktober.

Die ganze Nacht hörte ich aus dem Kampong anhaltendes Gejohle herüberschallen. Man feierte das Abschiedsfest für den jungen, mich begleitenden Prinzen Gamu. Dieser Lärm im Vereine mit den berüchtigten Masamba-Moskitos ließ mich kaum etwas Ruhe finden. Meinen Leuten schien es ähnlich ergangen zu sein, denn alle Mann waren sehr früh auf dem Posten; auch der Tomakaka kam seinem Versprechen nach und sandte die Kulis zur rechten Zeit, nur daß er statt der benötigten 20 rund 40 Mann für nötig erachtet hatte. Da alles Protestieren fruchtlos blieb, erklärte ich dem Tomakaka, jedenfalls nur für die notwendigen 20 Mann bezahlen zu wollen, womit er sich ohne weiteres einverstanden erklärte. Um 6 Uhr brachen wir auf. Beim Hause des Fürsten verabschiedete ich mich von ihm und seiner Gattin. Der junge Prinz mit 2 Dienern war bereits reisefertig und schloß sich mir unverzüglich an. Der Fürstin konnte man es deutlich anmerken, wie ungern sie ihren Liebling ziehen ließ.

Es war ein stattlicher Zug, als wir jetzt den Dorffrieden Masambas verließen. Die Spitze desselben bildete ein mir vom Tomakaka mitgegebener Führer, ein schon älterer lanzenbewehrter Mann, der uns über das unwegsame Takálla-Gebirge bringen sollte. Unmittelbar hinter ihm schritten ich und der Prinz. Es folgten mein Boy Rámang und ein Kuli mit den Apparaten, die beide stets in meiner unmittelbaren Nähe zu bleiben hatten. Ihnen schlossen sich die beiden prinzlichen Diener an. Nun kam die laute Schar der 40 Gepäckkulis, während das Militär mit seinen Proviantträgern den Beschluß bildete, im ganzen über 70 Personen. Wie es sich auf Eingeborenenpfaden von selbst versteht, bewegten sich alle Mann im Gänsemarsche.

Wir marschierten im Anfange durch dünnen Busch. An den Seiten des Pfades wucherte eine reizende Strauchpflanze, deren blutrote Samen den Blattrispen aufsaßen. Ihr Purpur leuchtete grell aus dem umgebenden Grün. — Schon nach einer Viertelstunde erreichten wir den in mehrere Arme geteilten, Masamba zuströmenden Guda-Fluß, nach[S. 328] dessen Durchwatung wir auf eine kleine Anhöhe kamen, hinter welcher wir ihn ein zweites Mal kreuzten, und zwar an einer Stelle, wo sich der Salu Samba mit dem Guda vereinte. Drüben setzten wir den Weg auf leicht hügeligem, buschigem Terrain fort. Nach einer Weile änderte sich die Scenerie, und wir überschritten ein zum abseits liegenden Kampong Bolili gehöriges Sawa-Tal, um dann wieder bewaldete Hügel hinanzusteigen. Auf einem derselben empfing uns eine lärmende Kulischar, die, wie ich zu meinem Erstaunen hörte, hier auf unser Eintreffen gewartet hatte, um jetzt die Masamba-Träger abzulösen. Diese Herrschaften machten es sich wirklich sehr leicht und vermieden ängstlich jede Überanstrengung. 20 Mann trugen die Lasten und 20 andere liefen daneben her.

Auf merklich schlechter werdendem Wege, über zerklüftetes Hügelland hinweg, passierten wir im nächsten Tale den Kampong Galadan. In der Umgebung desselben gedieh eine eigentümliche, flechtenartige Grasnarbe. Der Rasen sah aus wie mit der Maschine geschoren und erinnerte an einen tadellos gehaltenen Tennisplatz. Nahe dabei floß der Salu Lewane. Nach unaufhörlichem Auf und Ab gelangten wir endlich zum bedeutenden Baliase-Fluß, auf dessen rechtsseitigem Ufer wir verblieben. Vor uns türmten sich steile waldlose Berge, über welche unser Weg führte. Mit gellendem hi-i-i-Geschrei nahmen meine Kulis die beträchtlichen Steigungen im Sturme. Auf den erreichten Kämmen lösten sie die im Trabe mitgekommenen Aushilfsträger stets sofort ab. Eine ganz sonderbare Manier, die mich lebhaft an Nordborneo-Gäule erinnerte, die darauf dressiert sind, Anhöhen im vollsten Galopp hinanzusprengen, ob es dem Reiter paßt oder nicht. Die erkletterten Hänge wimmelten von Eidechsen, die in zahlreichen Arten vorkamen. Auch eine reizende Flugeidechse (Draco) mit grasgrünem Kopfe und braunem Körper wurde mir gebracht.

Tafel XI.
Rotang-Hängebrücke bei Rante-Manuk.

In einer Einsattelung dieser Bergzüge war der Kampong Balombong gelegen. Der Ort lag an der Grenze der islamitischen Einflußsphäre, und seine Bewohner waren To-Palili, die teilweise schon Mohammedaner[S. 329] geworden sind und sich statt mit ihrem Stammesnamen lieber Orang Masamba nennen hören. Die in Balombong gedeihenden Kokosnüsse boten uns eine recht willkommene Erfrischung.

Eine Besichtigung der kleinen finsteren Hütten brachte mir eine Anzahl niedlicher Männerhalsketten ein, die aus aneinandergereihten Glasperlen und Fruchtsamen bestanden. Hier fand ich auch ungewöhnlich große Sirihsäcke, die aus bunten Tuchlappen zusammengesetzt und mit reichem Quastenschmuck versehen waren. Denselben Formen begegnete ich später an vielen Orten von Inner-Celebes wieder, nur verwandte man dort zur Anfertigung dieser »haepu« genannten Taschen ausschließlich Fuja.

Von Balombong aus wandten wir uns wiederum talwärts, dem tief unter uns brausenden Baliase zu. In einem der durchwanderten Bergkessel bot sich uns das charakteristische Bild einer Sago-Sumpflandschaft. Hier lag das armselige Dörfchen Lindu, an dessen Hütten ich die schon früher an einer Torongkong-Behausung gesehenen Abflußrinnen aus Palmblattstielen wiederfand. Die Luft in dem engen Tälchen war mit dem süß-säuerlichen Duft des Sago durchschwängert. Im Moraste der Talfläche trieben sich Störche herum.

Bald standen wir am hohen Ufer des in engem Felsenbette dahinströmenden Baliase. Düster dräute das Gewässer aus der Granitschlucht herauf, in wundervollem Kontrast zum sonnenüberfluteten heiteren Grün des umgebenden Urwaldes. Die Romantik des Ortes wurde erhöht durch eine die beiden Ufer der Schlucht verbindende, abenteuerlich konstruierte Rotang-Hängebrücke, wie sie allein die Eingeborenen von Central-Celebes herzustellen verstehen (s. Taf. XI). Aus zähen, witterungsbeständigen Rotangsträngen bestehend, schwebte das an starken Bäumen verankerte schwanke Gebilde wie eine Phantasmagorie über dem Abgrunde. Sich darauf zu wagen bedurfte es einiger Überwindung. In Gruppen von höchstens 5 Mann passierte unser Zug die heftig schwingende Brücke, und es dauerte daher geraume Zeit, ehe wir alle das andere Ufer erreicht hatten. Ich war recht zufrieden, als[S. 330] ich jenseits wieder festen Boden unter den Füßen fühlte. Später gewöhnte ich mich an solche Urwaldscherze.

Drüben angelangt, erreichten wir wenige Minuten später das auf einer mäßig großen Waldlichtung am Manbache gelegene Dörfchen Rante-Manuk.

Außer mehreren recht armseligen Atapbaracken, die wir als Quartiere bezogen, bestand der Ort aus ganzen 2 Pfahlhütten gewöhnlicher Art, deren jede von mehreren Familien bewohnt wurde. Aber so dürftig dieser entlegene kleine Weiler auch war, er ermangelte nicht einer Respektsperson. Als solche stellte sich mir ein verschrumpftes altes Männchen vor, dessen Äußeres sich getreulich der schmutzigen Umgebung angepaßt hatte. Der alte Herr kam, um mich in seinem Machtgebiet willkommen zu heißen. Als ich ihn während unseres verdolmetschten Gespräches mit Kapála (Oberhaupt) ansprach, ließ er mir hoheitsvoll bedeuten, daß er kein gewöhnlicher Kapála wäre, sondern ein Radja, dem der Titel Tomakaka gebühre, also ein Fürst im paradiesischen Urzustande, der als einziges Würdeabzeichen einen Schamlappen trug.

In Rante-Manuk wurde Lager gemacht. Der Führer erklärte mir, es wäre dies der letzte Kampong auf unserem Wege nach Leboni, und wir könnten heut nicht mehr weiter ziehen. Wohl oder übel fügte ich mich also, obschon die Mittagsstunde kaum vorüber war. Es braucht nicht erst versichert zu werden, daß es in dem elenden Nestchen mit den wenigen in jeder Hinsicht tiefstehenden Bewohnern nicht viel zu holen gab. Die Leute waren ebenso wie in Balombong teilweis mohammedanisierte To-Palili. Hier wie dort erhielt ich dieselben Halsketten und Sirihsäcke. Als neu kamen Kalkbehälter hinzu, die aus kleinen Kürbissen hergestellt und mit einfachen eingebrannten Mustern verziert waren. Einige dieser Brandornamente waren mit Stanniolbelag verziert, wenn auch nicht in gleicher Vollendung, wie sie Stücke aus dem Innern des Landes, namentlich aus Leboni und Bada, aufweisen.

[S. 331]

Die To-Palili sprechen ein eigenes Idiom. Ihre ungesund aussehenden, schwach entwickelten und knapp mittelgroßen Gestalten erwecken den Eindruck des Degeneriertseins. Ihre Hautfarbe ist hell rotbraun. Die Kopfzahl der To-Palili kann nur eine sehr geringe sein. Anthropologisch zu den Torongkong gehörend, unterscheiden sie sich von diesen wenig und sind wohl als eine tiefer stehende Unterabteilung derselben anzusehen. Sie sind Buschbewohner und leben zerstreut in den Wäldern, deren Rotang und Sagobestände sie ausbeuten. In erschreckender Weise grassierte unter ihnen die Cascados genannte flechtenartige Hautkrankheit (kurap) — wohl eine Folge der unzureichenden Sago-Ernährung und der grenzenlosen Unsauberkeit.

180. To-Palili-Mann mit Ferkel am Schulterband.

Rante-Manuk — Massarow-Mangura, den 22. Oktober.

Pünktlich um 6 Uhr morgens verließen wir das einsame Bergdörfchen, und zwar soweit ich in Betracht kam, ohne Herzgrämen. Von den erstiegenen Hügeln im Rücken des verlassenen Platzes konnte ich ersehen, daß sich das zu Rante-Manuk gehörige Wohngebiet noch eine beträchtliche Strecke weiter am Manbache entlang zog. Quer vor uns liegende ausgedehnte Waldrodungen zwangen uns im weiteren Verlaufe unseres Marsches zu mühseligen Umgehungen. Nach vielem[S. 332] Hin und Her wieder zum Baliase herabgekommen, blieben wir in der Niederung und folgten derselben durch sumpfiges Wiesenland und Sagoswamp bis zur Einmündung des Salu Pali in denselben. Von hier ab trat das Berggelände dicht an den Fluß heran, und wir mußten eine abscheuliche Strecke über Stock und Stein an den felsigen Abhängen der Lehne entlang ziehen. Unterwegs kamen wir an einer ähnlichen Rotangbrücke vorüber, wie wir sie bei Rante-Manuk zu passieren gehabt hatten. Hier stellte dieselbe die Verbindung mit dem am anderen Ufer des Baliase gelegenen To-Palili-Kampong Séwa her. Ich schenkte mir das zweifelhafte Vergnügen einer Besichtigung dieses Dörfchens. Bald darnach durchschritten wir den Talkessel von Todóra. Dann gab es wieder ein Fußbad in dem unseren Weg kreuzenden Salu Masímbong, auch einem Nebenflusse des Baliase. Der Pfad endigte in dichtem Busche, in welchen wir, einem Bachlauf folgend, eindrangen, um nach kurzer Weile auf eine Schneise herauszukommen, welche durch eine massig vor uns aufsteigende Gebirgswand abgeschlossen war. Wir befanden uns vor dem mächtigen Gebirgsstocke des Takálla. — Ein Atapschuppen auf der Lichtung charakterisierte die Lokalität als Rastplatz. Der Ort hieß Pekobusánga, was soviel als »am Fuße des Gebirges« bedeutet. Und zwar war dies Pekobusánga I zum Unterschiede von Pekobusánga II am Fuße des jenseits des Leboni-Tales aufsteigenden Gebirges. Der Marsch bis hierher hatte 2½ Stunden gedauert. Trotz dieser lächerlich kurzen Wegstrecke machten meine Leute allen Ernstes Anstalten, sich hier häuslich einzurichten, um den Tag zu verbummeln. Diesmal aber hatten sie sich in meiner Willfährigkeit getäuscht, und ich machte meinem Herrn Führer unzweideutig klar, daß ich keine Zeit hätte, zum Vergnügen meiner Begleiter in den Wäldern herumzulungern, sondern so rasch wie möglich Leboni erreichen wolle, ganz abgesehen von der Gefahr, daß die für die Mannschaften und Träger mitgeführten Proviantvorräte, die auf das Notwendigste beschränkt waren, bei solcher Zeitvergeudung unmöglich bis Leboni gereicht hätten. Dieses Argument war das zugkräftigste, denn[S. 333] Essen, und sei es nichts als ein paar Hände voll Reis, gehört für diese anspruchslosen Menschen zu den Glückseligkeiten des Daseins. Nachträglich sei noch bemerkt, daß seit dem Kuliwechsel in Rante-Manuk, wo die Masamba-Leute durch To-Palili ersetzt wurden, die Zahl derselben wieder auf den normalen Stand von 22 Trägern gebracht worden war.

Nach einer karg bemessenen Ruhepause trieb ich zum Aufbruch. Es war 9 Uhr vormittags, als wir uns zur Besteigung dieses Gunung Bambálu genannten Gebirgsteiles anschickten. Der Bambálu fiel nach Pekobusánga zu außerordentlich steil ab, und Hände und Füße mußten beim Klettern zu Hilfe genommen werden. Erst nach Erreichen der oberen Waldgrenze erleichterten uns Wurzelwerk und Gesträuch das Emporklimmen. Nach ungefähr 2 Stunden auf einem breiten Sattel angelangt, hatten wir den anstrengendsten Teil des Marsches hinter uns und folgten nun auf verhältnismäßig gutem Pfade der abwechslungsreichen Rückenfiguration des Gebirges. Ein wundervoller Hochwald bildete auf dem ganzen Weg unsere Umgebung. Von den zurückgebliebenen Trägern und dem Militär war weder etwas zu sehen noch zu hören.

Während unserer Wanderung durch diese noch unentweihte, menschenleere Hochgebirgswelt konnte ich auch nur spärliche tierische Lebensäußerungen wahrnehmen. Hin und wider erscholl der tiefe Trommellaut einer großen Waldtaube. Auch das heisere Gekrächz von Nashornvogel-Gesellschaften, die sich in sonnengebadeten Höhen auf den Wipfeln der höchsten Waldfruchtbäume herumtrieben, unterbrach dann und wann die hehre Stille der unendlichen Waldeinsamkeit. Sonst bemerkte ich nur noch 2 dunkelrotbraune, langbehaarte Nager (Sciurus), die, von Liebesgefühlen erregt, einander spielend verfolgten und in Eichkätzchenmanier die Riesenstämme auf und nieder huschten.

Ein wonniges gedämpftes Licht durchflutete die grünen Hallen dieses märchenhaft schönen Walddomes. Kein Lüftchen war zu spüren, kein Blatt regte sich. Eine Treibhaus-Temperatur herrschte in dieser geheimnisvollen Stätte der Schöpfung, pflanzliche Wunder[S. 334] schaffend. In unersättlichem Lebensdrange kämpften hier Millionen und aber Millionen Pflanzenwesen in lautlosem Ringen um ihr Dasein, um Luft und Sonne. Ein ewig währender, gigantischer Kampf auch in dieser scheinbar so friedlichen Natur! Mitten hinein in mein stilles Sinnen tönte plötzlich wie aus nächster Nähe ein hell klingendes, kräftiges tók–ē, tók–ē. Erschrocken drehte ich mich um; — da wieder ein lautes gá–gá–gá–gá–, wie das ironische Lachen eines Spötters. Greifbar nahe tönte es mir ans Ohr, und doch war nirgendwo auch nur die Spur eines lebenden Wesens zu entdecken! Der Kobold dieses Spukes war eine große Baumeidechse, nach ihrem Rufe Tókē genannt.

Sehr zahlreich müssen in diesem Gebirge Waldratten und Erdnager sein. Darauf deuteten wenigstens die außerordentlich häufigen, einfach konstruierten Rotangschlingen hin, die an den Seiten des wenig über fußbreiten Pfades gelegt waren. Ihre große Zahl mag in dem völlig unbewohnten Waldgebirge befremdlich erscheinen, ist jedoch leicht zu erklären und scheint auf einer Art Gewohnheitsrecht der diesen Pfad benutzenden Eingeborenen begründet zu sein. Diese meist schwer mit Austauschprodukten beladenen Wanderer nehmen auf ihren Märschen über das Gebirge nur wenige Lebensmittel mit. Da sie selten mehr als 5–6 Wegstunden an einem Tag zurücklegen, um dann an dem erreichten Platze ein rasch aus Gezweig errichtetes Lager zu beziehen, so haben sie während der Nachmittagsstunden vollauf Zeit, sich durch Auslegen von Fallen genügend Wildbret zu verschaffen. Stets werden die Fallen nach Wegnahme der überlisteten Beute wieder sorgfältig fängisch gestellt, und jeder später Kommende betrachtet sich ohne weiteres als berechtigter Nutznießer, fühlt sich aber auch verpflichtet, seinerseits die Schlingen wiederum in Stand zu setzen und nach Bedarf zu ergänzen und zu vermehren. Die Zweckmäßigkeit dieser Einrichtung wird freilich nur dann ersichtlich, wenn man weiß, daß die heidnischen Inlandbewohner nicht etwa allein frisch gefangene, sondern selbst im vorgeschrittensten Stadium der Verwesung befindliche Ratten oder dergleichen ohne Nachteil und mit Wonne verzehren.

[S. 335]

Manche Überraschung dürften diese unerforschten Gebirge noch auf zoologischem wie auf entomologischem Gebiete bringen. Ich bedauerte, aus Zeitmangel nicht einen der in Vollblüte stehenden Waldbäume fällen lassen zu können. Das Käferleben da oben in unerreichbaren Sonnenhöhen muß ein tausendfältiges sein. Im Waldesschatten war allerdings nichts davon zu bemerken, und auch Falter und Libellen bekam ich so gut wie gar nicht zu sehen.

Wenn ich früher schon geschildert habe, welche Gefühle die grandiose Scenerie eines Tropenurwaldes auf ein für Naturschönheiten empfängliches Gemüt auszulösen vermag, so sei nun im folgenden auch der Schattenseiten gedacht, wie sie uns gerade auf unserem heutigen Marsche nicht minder eindringlich fühlbar wurden. Hierzu zählen in erster Linie die Legionen blutdürstiger Landegel, welche die Bergwälder bis zur Höhe von ungefähr 1200 m bevölkern. Anfangs benutzte ich jeden freien, nicht durch die Beschaffenheit des Weges in Anspruch genommenen Moment, um meinen Körper genau abzukontrollieren und das anhaftende, gierig nach Eingang tastende Gewürm abzustreifen. Aber das stundenlange, ununterbrochene starke Ansteigen und die Wege-Schwierigkeiten im Verein mit den aussichtslosen Bemühungen einer völligen Abwehr der immer und immer wiederkehrenden Attacken dieser Plagegeister machten bald gleichgültiger, und so kam es, daß sich unter dem Geschnür meiner Leinenschuhe die Socken vom Blute röteten. Völlig unbekümmert fühlte ich bald hier bald dort einen schmerzhaften Stich, und erst bei der schließlichen Ankunft am Lagerplatz nahm ich mir die Mühe, mich dieses miserablen Viehzeugs zu entledigen. Unter den Gamaschen fand ich dann häufig genug ganze Klumpen von Egeln; die Socken aber waren steif vom geronnenen Blute. Die fast nackten Träger leiden natürlich noch mehr, trotzdem ihre lederartige Epidermis vielleicht ein wirksamerer Schutz für sie ist, als ein dünner Khakianzug für den Weißen. Seelenruhig streiften sich die Leute von Zeit zu Zeit mit dem Buschmesser die festgesaugten Tiere ab. Speziell die Beine sahen zuweilen aus, als hätte der Mann[S. 336] im Blute gewatet. — Als zweiten Schrecken dieser Wälder erwähne ich die Zecken und die Buschläuse, welch letztere sich besonders bei den barfüßigen Eingeborenen gern zwischen den Zehen einfressen und dort schmerzhafte Geschwüre verursachen.

Etwas mehr als 5 Stunden waren seit unserem Aufbruche in Pekobusánga vergangen, als wir auf eine ansteigende Waldblöße kamen, deren Mitte eine aus Astwerk errichtete, laubbedeckte Hütte einnahm. Hoher Urwald umgab die ca. 100 Schritte messende Lichtung. Es war Massarow-Mangura, unser heutiges Ziel. Der Platz lag in 1200 m Höhe und ist als Grenze zwischen dem Gunung Bambálu und dem vor uns liegenden bedeutend höheren eigentlichen Takálla-Gebirge anzusehen.

Meine 4 Begleiter machten sich sofort daran, auf einer etwas abgesonderten Stelle das Gerüst zu einem Miniaturhüttchen für mich aufzustellen. Nach der viel später erfolgenden Ankunft der Träger wurde dieses aus dem mitgeführten Katjang-Vorrat binnen wenigen Minuten mit Dach und Wänden versehen, so daß ich mich darin ganz ungeniert fühlte und selbst bei Gewitterregen vollkommen geborgen war. Die hier zum erstenmal verwendeten Katjangs sind etwa 1 m lange und ca. 40 cm breite, aus den starren wetterbeständigen Fiedern mehrerer Palmenarten, vorwiegend aber der Kokospalme hergestellte Platten (Atap), die dachziegelartig auf Handbreite übereinandergelegt und mittels durchgezogener Rotangstreifen am Hütten-Gestänge befestigt werden. Ein solches Dschungelkamp herzustellen, erfordert kaum mehr als ¼ Stunde Zeit. Aus jungen von Ästen befreiten Stämmen wird ein Hüttengerippe errichtet, dessen Verbindungen aus rasch geschälter und in Streifen gerissener Baumrinde bestehen. Dach und Wände werden aus Katjangs hergestellt, und die Eintagsbehausung ist fertig. Regensicher und luftig, ist eine solche Hütte den schwer transportierbaren und umständlich aufzuschlagenden, weniger luftigen und teuren Leinenzelten bei weitem vorzuziehen. Noch einfacher ist es, als Seitenwände Wachstuchstreifen zu verwenden, wie sie die Militärpatrouillen[S. 337] in 10 m langen und 2 m breiten zusammengerollten Stücken beständig mit sich führen. Den Innenraum einer derartigen Hütte legt man schließlich noch mit Zweigen aus, bevor das Feldbett aufgeschlagen wird. Um dieses werden statt Tisch und Stühle Gepäckstücke gruppiert, und das Kamp ist fertig. — Nach einem 8–10stündigen Marsche unter einem solchen Obdach lang auf dem Feldbett ausgestreckt ruhen zu können und ein dampfendes Glas Tee mit Zubehör vor sich zu haben, ist ein kaum zu beschreibender Hochgenuß. — Das Militär war erst 1 Stunde nach mir eingetroffen, und mehr als 3 Stunden dauerte es, bis sich die letzten Kulis im Lager einfanden.

In Massarow-Mangura stand mir eine ganz besonders freudige Überraschung bevor. Fast gleichzeitig mit der Ankunft meiner Träger nämlich meldeten uns jubelnde Zurufe im Rücken des Lagers von dieser Seite her die Ankunft neuer Quartiergäste. Und wen erblickte ich beim Heraustreten? Herrn Leutnant von Ardenne, meinen lieben Gastfreund aus Malili, der, auf dem Rückwege von einer dienstlichen Tour nach dem Posso-See begriffen, mit seinen Leuten vom Takálla herabkam, um hier ebenfalls Nachtlager zu beziehen. Es erübrigt sich, die ausgelassen fröhliche Stimmung zu schildern, die an diesem Abend in Massarow-Mangura herrschte. Die Freude über das glückliche Zusammentreffen hier im entlegenen Gebirge hielt uns bis tief in die Nacht in angeregtem Gespräche beisammen.

Massarow-Mangura — Tokúndji, den 23. Oktober.

Der neue Tag forderte seine Rechte; Gefühle kommen dabei immer zu kurz. So gern ich das Beisammensein mit Herrn v. A. verlängert hätte, die vor uns liegenden schweren Märsche gestatteten uns beiden kein längeres Verweilen. Ein letztes herrliches Lebewohl, ein vielstimmiges »salamat djalan baik« (Gruß und glücklichen Weg), und unsere Wege trennten sich. Hinab zum blauen Golf von Boni wanderte Herr v. A.; nach dem entgegengesetzten Ziele, dem Golf von Tomini, strebte mein Begehren. —

[S. 338]

Wenig oberhalb des Lagerplatzes, auf einer grasigen Halde, stießen wir auf zwei merkwürdige, offenbar von Menschenhänden hierher gesetzte Steine. In der Form glichen sie den Simbuang batu, wie ich sie in den Toradja-Landen kennen gelernt hatte. Hier allerdings dienten sie wesentlich anderen Zwecken. Die Stelle bezeichnet ungefähr die Mitte des Weges Masamba-Leboni, bedeutet also einen Abschlußpunkt, an dem es kein Eingeborener versäumt, den Geistern des Gebirges zu opfern, um deren Segen auch für den zweiten Teil der Reise zu erlangen. Der von Leboni Kommende dankt den Dewáta, daß sie ihn ungefährdet über diese unwegsamste und schwierigste Gebirgshälfte hinweggeführt haben; der von Masamba Kommende bittet sie um eine glückliche Reise.

Wir hatten heut den Takálla genannten, höchsten Teil des Gebirges zu besteigen, und unser in Aussicht genommener nächster Biwakplatz Tokúndji lag bereits jenseits der Wasserscheide. Wie gewöhnlich eilte ich mit nur wenigen Begleitern dem Gros meiner Gesellschaft weit voran. Zwei reichliche Kletterstunden brachten uns auf die Kammhöhe der ersten vor uns aufsteigenden Gebirgsterrasse. Das Vegetationsbild daselbst hatte sich bereits merklich geändert. Immer häufiger traten an die Stelle der Laubriesen des tiefer gelegenen Urwaldes niedrigere Pflanzen. Wir durchschritten Zonen stelzenwurzliger Pandanaceen, deren abgefallene ca. 1 m lange Blattscheiden weithin den Boden bedeckten. Zierlich fiederblättrige Kletterpalmen umschlangen die Stämme mit ihrem frischen Grün und sandten ihre nach Stützpunkten suchenden Sprosse nach allen Seiten aus. Holunderähnliche Büsche mit großdoldigen, prachtvoll sattblauen Blüten säumten die Seiten des Weges. Aus dunkelgrünen Moospolstern glühten uns die granatroten Beeren eines unserer Heckenrose gleichenden Strauches entgegen, und liebliche Glockenblumen in allen Farbentönen von lila, violett und rot lugten zwischen den gespinstfeinen, zarten Sternenkelchen breiter Moosrasen heraus. Auch maiglöckchenartige, aber geruchlose Blumengebilde erfreuten mein Auge. Zarte rosa Blütenkelche zahlreicher Alpenrosenbüsche[S. 339] atmeten ihre Seelen in diese herbfrische Hochgebirgs-Atmosphäre aus. In erstaunlicher Artenzahl waren die Farne vertreten, darunter Exemplare mit meterlangen Riesenwedeln. Als schönste darunter erschienen mir die eleganten Baumfarne (Dicksonia), deren ca. 3 m hohe, mit rotbraunen Haarpolstern bekleidete Stämme prachtvolle Blattkronen trugen.

181. Der »Hund des Sultans« im Takálla-Gebirge.

Von dem erreichten Sattel aus brachte uns eine weitere Stunde anstrengenden Steigens zur zweithöchsten Abstufung. In einer Einsattelung nahe dem Gipfel derselben passierten wir ein Felsenmonstrum, das bei einiger Phantasie dem aufgesperrten Rachen eines vorweltlichen Ungeheuers glich. Die Steingruppe gehört zu den noch unerklärten Merkwürdigkeiten des Takálla-Gebirges. Die Eingeborenen vergleichen sie mit einem Hundekopf, dem sie den schwer zu erklärenden Namen »menggánga« gegeben haben, was in freier Übersetzung so viel bedeutet als »Hund des Sultans«. Jeder an dieser Stelle vorüberkommende Wanderer rauft eine Hand voll Gras zusammen und legt es dem Hunde ins geöffnete Maul. Als Erklärung sagte man mir, der Hund des Sultans müsse Gras zu fressen bekommen, damit er die Felder der Opfernden vor der Verwüstung durch wilde Schweine behüte — etwa in dem Sinne: ich gebe dir Gras zu fressen; friß du dafür alle Schweine, welche mein Feld verwüsten wollen! Über die Bedeutung des Namens menggánga vermochte ich keine befriedigende Auskunft zu erlangen. Niemand weiß, wer oder wo der Sultan sei; es hätte eben schon immer so geheißen. —

[S. 340]

Eine letzte Anstrengung brachte uns von hier aus nach genau 4½ Stunden zum letzten und höchsten Gipfel des Takálla in rund 2000 m Höhe. Eine Märchenlandschaft umgab uns daselbst im Gewoge der bald verhüllenden, bald sich teilenden Höhennebel. Noch bizarrer erschienen durch diese Dunstschleier hindurch die wunderlich gestelzten Schraubenpalmen, deren kandelaberartig ausgebreitete Kronen sich im Nebelmeere badeten. Wie Christbaumschmuck hingen silbergraue Bartflechten vom Gezweig der Waldbäume herab, und die kleinblättrigen zartgrünen Ranken der in diesen Höhen gedeihenden Kletterpalmen wanden sich gleich festlichen Guirlanden um Baum und Strauch. Unhörbar schritt der Fuß über die schwellenden Moospolster hin. Es ist erklärlich, daß diese feierliche Umgebung auf die für Natureindrücke sehr empfänglichen Gemüter der Eingeborenen eine derart tiefe Wirkung ausübt, daß sie auf das Gipfelplateau des Takálla den Wohnsitz ihrer Götter und Dämonen verlegen. So fand ich nahe dem Gipfel eine kleine kreisrunde Lichtung, auf welcher die Vorüberkommenden den Dämonen zu opfern pflegen. Eine Menge kleiner, ungefähr 1 m hoher Holzstöckchen waren daselbst in den Boden gesteckt, in deren gespaltenen Spitzen je ein Priemchen Kautabak oder Sirih eingeklemmt war. Auch Eier sah ich als Opfergabe auf diese Art in den Stockspalten befestigt. Daneben steckten Stäbe mit Geisterfähnchen aus weißgrauer roher Fuja. Die Bewohner der Leboni-Hochebene wallfahrten zur Zeit der Reisfeldbestellung eigens hier herauf, um an diesem Orte den Göttern zu opfern und eine reiche Ernte zu erflehen. Bei der etwa ¼ Stunde in Anspruch nehmenden Wanderung über das Gipfelplateau wird von allen Eingeborenen ehrerbietiges Schweigen beobachtet. —

182. Urwaldspracht auf dem Takálla-Gebirge.

Unser Pfad führte in sanfter Neigung talwärts. Wir mochten durch den wunderschönen dicht verwachsenen Mooswald gegen eine Stunde niedergestiegen sein, als das Plätschern eines Bächleins vernehmbar wurde. Ein von den Höhen des Takálla kommendes kristallklares Wässerchen hat hier durch eine etwa 4 m hohe Kaskade im Waldboden ein rundes Bassin ausgehöhlt. Die Seltenheit des Vorkommens[S. 342] von Wasseradern im Hauptgebirge sowohl, als dessen Ursprung auf dem sagenumwobenen Takálla-Plateau haben auch diesem an und für sich anspruchslosen Bache zu einem geheimnisvollen Nimbus verholfen. Auch er bildet ein Glied in der Reihe der Takálla-Mysterien, deren erstes die Opfersteine bei Massarow-Mangura sind. Wer dort Sirih geopfert hat, später dem Hunde des Sultans Gras zum Fressen gab und hernach auf dem Gipfel zu den Dewáta betete, muß nun im Bassin von Tokúndji ein Bad nehmen. Für die von Leboni kommenden Wanderer ergibt sich die umgekehrte Reihenfolge.

In unmittelbarer Nähe dieses Wasserlaufes betraten wir einen dichten Laubwald und gleich darauf eine Lichtung, auf deren Wiesenfläche sich 2 Unterkunftshütten à la Massarow befanden. Der Rastplatz Tokúndji in 1700 m Höhe war damit erreicht. Nicht mehr lange dauerte es, bis sich meine Leute eingefunden hatten, und nun war es mit der Ruhe des Platzes einstweilen vorbei.

Tokúndji — Leboni, den 24. Oktober.

Die Nacht war bitter kalt gewesen, und meine für derartige Ausnahmefälle ganz ungenügend ausgerüsteten Leute, zitterten vor Kälte. Jedermann beeilte sich, mit dem Abkochen fertig zu werden, seinen Pack aufzuladen und abzuziehen. Noch herrschte fahles Dämmerlicht, als sich bereits die ganze Kolonne auf dem Marsch befand. Das ungewisse Licht ließ den vor Nässe triefenden Wald recht unfreundlich erscheinen. Als aber die ersten Sonnenstrahlen durch die Nebel brachen und goldige Reflexe in dem Pflanzenlabyrinth hervorzauberten, änderte sich dies mit einem Schlage. Unser Weg führte über verschiedene Senkungen des hier Poanáa genannten Gebirgszuges hinweg. Das Gehen auf dem den Boden in dicken Lagen bedeckenden schlüpfrigen Fallaub und dem weitverzweigten nassen Wurzelwerk war recht mühsam. Eine sellerieartige aromatische Pflanze trat in Massen auf. Die anmutigen Blütentrauben des Celebes-Maiglöckchens stahlen sich hier und dort aus dem Buschwerk hervor. In den Waldungen des Poanáa[S. 343] sollen viele Anoas vorkommen, und die Eingeborenen scheuen sich, die Buschpfade allein zu begehen. Wirklich trafen wir öfter Spuren von Gemsbüffeln an. Ein 2stündiger Marsch hatte uns in die 1000 m-Zone herniedergeführt, und der Urwald nahm wieder sein gewöhnliches Aussehen an. Ab und zu bemerkte ich hier Dammarfichten. Geschlossene Bestände der Agathis celebica, wie ich sie in Südost-Celebes kennengelernt hatte, kommen dagegen im Takálla-Gebirge nicht vor.

Von einer isolierten Kuppe aus genoß ich über die Kronen der Bäume hinweg einen ersten kurzen Ausblick auf die Landschaft Leboni. Ich empfand ein tieffreudiges Gefühl beim Erblicken der weiten, sonnigen Hochebene des durch mächtige Gebirgswälle vor der Außenwelt so wohlbehüteten Leboni.

Rasch mehrten sich nun die Anzeichen von der Nähe menschlicher Ansiedelungen. Der Weg wurde ausgetretener und breiter; der Hochwald ging allmählich in Busch über. Auf sonnigen Steigen ging es zur Ebene hinab. Etwas vor 10 Uhr erreichten wir den an einem Bache gelegenen Rastplatz Pekobusánga II, der ohne Aufenthalt passiert wurde. Nahe dabei gelangten wir zum Ufer des Salu Towóna, eines in tiefgewühltem Bette rasch dahinfließenden Gewässers. Bald wurde die erste Leboni-Behausung, eine einsame Feldhütte, angetroffen und besichtigt. Es war ein erfreulicher Anfang, und ich erwarb daselbst mehrere sehr hübsche Gegenstände, so vor allem buntfarbene, glimmerverzierte Sirih-Korbtaschen, wie sie in Leboni vielfach an Stelle der Sirihsäcke benutzt werden.

Stundenweit dehnte sich die leicht gewellte, stark mit konzentrischen Erdrissen durchsetzte Ebene mit ihren weiten Lalangflächen und sumpfigem Buschland. Hohe, flach auslaufende Waldgebirge umrandeten die bedeutende Talfläche, deren Hügel und Vorberge bereits großenteils mit Äckern bedeckt waren.

Das Hauptdorf der Hochebene, der Kampong Leboni, lag völlig versteckt in einer Mulde, und die Häuser desselben waren dem Blicke außerdem noch durch eine hohe, doppelte Bambusumwallung gänzlich[S. 344] entzogen. Erst ganz nahe herangekommen, bemerkte ich, daß das Ziel unmittelbar vor uns lag und die zweite Etappe meiner Durchquerung glücklich erreicht war.

183. Eingangspforte zum Dorfe Leboni.

Ich betrat Leboni zu guter Stunde. Man schickte sich an, ein Fest zu feiern, zu dem eine große Anzahl Menschen herbeigeströmt war. Welch ein Bild! Eine völlig neue Welt tat sich vor mir auf! Die Zeit schien in Leboni stehen geblieben zu sein, und vorübergerauschte Jahrhunderte[S. 345] dünkten mir in Tracht und Sitte der To-Leboni wiedererstanden. — Das Reich der Fuja hatte sich mir erschlossen, und wohin ich auch blickte, überall sah ich Menschen in Rindengewandung, und zwar in einer Weise herausgeputzt, wie sie merkwürdiger und origineller in Malayasien sicherlich nirgends mehr zu finden ist. Ich staunte, war entzückt und konnte mich nicht satt sehen an dieser festlich geschmückten Menge.

184. Frauen und Mädchen aus Leboni.

Die Mädchen und Frauen prangten mit harzbemalten Gesichtern, deren schwarze Linien und Strichmuster bei besonders Gefallsüchtigen noch mit Stannioltupfen hervorgehoben waren. Auf den Scheiteln der[S. 346] weiblichen Blüten Lebonis thronten buntbemalte, kokette Kopfringe aus Bast. Ältere Semester trugen an Stelle derselben turbanartige Aufbauten von gewaltiger Höhe, deren Endschleifen am Rücken herabhingen. Die Gestalten der Frauen umhüllten weitbauschige, schleppende Krinolinröcke mit hinten aufgebundenen umfangreichen Duftbündeln aus aromatischen Gräsern und Wurzeln. Ihre Oberkörper steckten in Jacken, deren plumper Schnitt die schönsten Körperformen greulich entstellte. In den bis zu Talergröße ausgeweiteten Ohrlappen trugen die Schönen hölzerne, mit Stanniol beklebte Scheiben. Brustgehänge, aus dem Boden der Conusschnecke geschliffen, und dicke, schwere, aus Tridacnaschalen geschnitzte Armreifen vervollständigten die Festtoilette. Sämtliche Gewandungsstücke waren ausnahmslos aus dem »nunu« genannten, aus verschiedenartigen Baumrinden gewonnenen Rohstoffe in langwierigem Arbeitsprozesse hergestellt. Nichts dokumentiert die Jahrhunderte lange völlige Abgeschlossenheit der centralen Siedelungszonen von Celebes deutlicher, als die erstaunliche Tatsache, daß den Eingeborenen daselbst die Weberei etwas völlig Unbekanntes geblieben ist, während diese von der Küstenbevölkerung der Insel in meist hoher Vollendung allgemein betrieben wird.

Die Männer Lebonis waren in ihrer Tracht weniger konservativ geblieben und hatten sich von der ausschließlichen Benutzung der Fuja-Kleidung bereits etwas emanzipiert. Auf ihren Wanderungen über das Gebirge in die Nachbargebiete lernten sie die buginesische Kleidung kennen, die nun leider mehr und mehr Eingang bei ihnen findet. Hierzu gehört vor allem die buginesische »tjelana«, das einer Schwimmhose gleichende kurze Beinkleid. Es hat die ursprüngliche, aus Fuja bestehende, »tjdako« genannte Schambinde nahezu vollkommen verdrängt. Auch an die Stelle der früher ausschließlich gebräuchlichen Lenden- und Schultertücher aus Fuja sind gegenwärtig schon vielfach Sarongs und Jacken aus importierten Baumwollstoffen getreten. Ziemlich allgemein getragen werden nur noch Fuja-Haupttücher, und zwar in einer nach Färbung und Bemusterung erstaunlich reichen[S. 347] Mannigfaltigkeit. Als ursprünglichster Annex der Ausrüstung eines Leboniers sei noch der von der überwiegenden Mehrheit beibehaltenen »bolápi«, der Sitzmatten oder Sitzfelle, gedacht. Erstere sind vielfach mit Harz schwarz bemalt und mit Glimmer verziert, letztere aus Anoa-, Büffel- oder Ziegenfellen gefertigt und haben eine ovale oder oblonge Form.

185. Gemustert geflochtene Sitzschürzen.

Um wieder auf das Fest zurückzukommen: wir überraschten also die mit ihren Vorbereitungen beschäftigten Dorfbewohner mit unserer völlig unbemerkt gebliebenen Ankunft ebensosehr, als mich andererseits das unvermutete hochmalerische Getriebe im Dorfe in Erstaunen setzte. Doch war mein Staunen zweifellos freudigerer Natur als bei der Gegenpartei. Dies war auch nicht zu verwundern. Unsere lange Kolonne mir einem Europäer und dem Militär an der Spitze erregte bei der Bevölkerung naturgemäß Bestürzung und Furcht vor dem Ungewöhnlichen. Die Weiber schlüpften behend in die Hütten, und die Kinder flüchteten kreischend hinter ihnen her. In Gruppen standen die[S. 348] Männer scheu beiseite, und nur der Häuptling, ein hübscher, vielleicht 30jähriger Mann, kam schüchtern auf mich zu. Ich begrüßte ihn mit freundschaftlichem Händedruck, worauf er uns zu dem etwa 5 Minuten vom Dorfe gelegenen geräumigen Atapschuppen für die Mannschaften und Träger geleitete. Ein danebenstehendes winziges Bambushäuschen für vornehmere Besucher war von dem augenblicklich in Leboni amtierenden Kollekteur Pieters aus Masamba besetzt, dem ich einen Brief des A.-Residenten übergab. Er war ein sehr gefälliger junger Mann, der mir sofort sein Quartier überließ, um sich irgendwo im Dorfe neu einzulogieren. Von meinen Plänen in Kenntnis gesetzt, versprach er mir, sein Bestes zu deren Ausführung beizutragen. Den inzwischen ihrem Häuptling nachgekommenen Dorfältesten und fremden Kapálas verdolmetschte er das von mir Gehörte und las ihnen das von mir mitgeführte luwuresische Begleitschreiben des A.-Residenten von Paloppo vor. Der hierdurch erzielte Eindruck war anscheinend recht günstig, und die sorgenvollen Mienen des Häuptlings und seiner Gefährten hellten sich ersichtlich auf, als sie vernahmen, daß ich vom Dorfe nicht nur nichts begehrte, sondern demselben im Gegenteil durch[S. 349] meine beabsichtigten Ankäufe nur Nutzen bringen wollte. Durch den Kollekteur Pieters ließ ich jetzt den Häuptling bitten, den Beginn der Dorffestlichkeit nicht länger zu verzögern, und sprach den Wunsch aus, derselben beizuwohnen.

186. Fremdenquartier in Leboni.
187. Geisterhaus in Leboni.

Während die Mannschaften sich im Quartier einrichteten, kehrte ich mit Pieters und den Häuptlingen ins Dorf zurück, wo die inzwischen etwas beruhigten Bewohner schon mit Ungeduld ihres Oberhauptes warteten. Wir verfügten uns in die Dusunga, welches Gebäude die Eigenschaften eines Gebets- oder Geisterhauses mit denen[S. 350] eines Versammlungs-, Rats- und Fremdenhauses vereinte. Eine eingehendere Würdigung desselben folgt später.

Die Kunde von meinen friedlichen Absichten hatte sich im Nu im Dorfe verbreitet, und als nun die schnell geschlagenen Wirbel der großen Dusunga-Trommel den Beginn des Festes verkündeten, strahlten die Augen aller vor Erwartung und Freude.

188. Fuja-Kopfschärpen.
189. Frau aus Leboni in Festtracht.

Man feierte das Mabogau- oder Regenfest, bei dem man von den Göttern das himmlische Naß erfleht, um mit dem Anpflanzen des Reises beginnen zu können. Auf einem freien Platze vor der Dusunga hatte man an eingerammten starken Pfählen die zwei Opferbüffel angepflockt. Man wählt hierzu in Leboni bei Festlichkeiten mit religiösem Hintergrunde stets weiße Büffel aus. Auch in diesem Falle waren die beiden Tiere, ein ausgewachsener und ein halb erwachsener Büffel, von fleckenlos weißer Hautfarbe. Lechzend vor Angst und[S. 352] Sonnenglut, umkreisten sie an ihren beweglichen Rotanghalsringen in ahnungsvoller Erwartung ihres jammervollen Schicksals ihre Marterpfähle.

In der Dusunga schritt man inzwischen zur feierlichen Ceremonie der Schärpenumgürtung. Im Hintergrunde des Geisterhauses, dicht vor dessen Heiligtum, den 2 Götterfiguren und dem Lebensbaume, hingen an Pfosten und verästelten Gestellen eine Menge prachtvoll gefärbter, breiter Fuja-Schärpen und Haupttücher. Auf die Trommelsignale versammelten sich alle Männer des Kampongs im Innern desselben. Ein etwas später auf einer anderen Trommel geschlagenes Zeichen galt den Frauen des Dorfes, welche sich darauf hin in langem, feierlichem Zuge zur Dusunga begaben. Alle erschienen im höchsten Staate, angetan mit lang nachschleppenden Fuja-Roben und enormen aufgebundenen Faux culs, die Jacken behängt mit Perlenschnüren, die Gesichter schauerlich schön mit schwarzen Strichen bemalt. An Stelle der üblichen Kopfreifen trugen sie bei dieser Gelegenheit Turban-Haupttücher. Ihrer Würde bewußt, stiegen sie mit gravitätischen Schritten zur Dusunga hinan, um die ihrer dort harrenden Männer mit den schon erwähnten, geweihten Festschärpen und Haupttüchern zu schmücken.

Derart aufgeputzt, verließen nun alle paarweise die Dusunga, um sich auf dem Platze vor derselben, dieser und den Opferbüffeln gegenüber, im Halbkreise aufzustellen. Der wichtigste Moment der Feier, das Töten der Büffel, war gekommen.

190. Der Häuptling führt den ersten Hieb.

Im Galaschmucke, mit langen weißen Hosen und um die Stirn gewundener wallender Kopfschleife, trat der Häuptling, seinen kleinen 4jährigen Sohn an der Linken führend, mit entblößtem Schwert an den größeren Büffel heran. Ein sausender Hieb, und tief drang die gerade Schwertklinge in die Hinterflanke des angstvoll aufbrüllenden Tieres, eine klaffende Wunde zurücklassend, die im weißen Felle schrecklich anzusehen war. Einzeln traten nun die Männer nacheinander vor, um jeder dem gemarterten Vieh ebenfalls einen oder mehrere Schwerthiebe ad libitum zu versetzen. In Strömen floß das[S. 353] Blut. Endlich stürzte der gequälte Büffel vor Schmerz und Entsetzen halb betäubt zur Erde. Unter dem Beifallsjauchzen der Zuschauer hagelten auch auf das sich am Boden wälzende dumpf stöhnende Tier zahllose Hiebe hernieder, gleichviel wohin sie trafen. Von den Weibern hatten nur die Frauen des Häuptlings — es waren ihrer zwei — das Vorrecht, sich an dieser Abschlachtung beteiligen zu dürfen, eine Ehre, von welcher sie ausgiebigen Gebrauch zu machen wußten. Ein sogenannter Sauhieb hatte schließlich die Bauchhöhle des Büffels aufgerissen, so daß dessen Eingeweide hervorquollen. Wilden Bestien gleich, stürzten sich die unansehnlichen kleinen Dorfhunde auf das in höchster Todesnot mit allen Vieren krampfhaft um sich schlagende,[S. 354] verendende Tier, um sich an seinen Gedärmen herum zu beißen. Jungen Teufeln gleich sprangen halbwüchsige Kinder johlend um das Schlachtopfer herum. — Es war zum Erbrechen und für mich höchste Zeit, den Schauplatz dieser gräßlich anzusehenden Vorgänge zu verlassen.

191. Der massakrierte Opferbüffel.

Als ich mich nach einer Weile aus wissenschaftlichem Interesse so weit bezwungen hatte, nochmals auf den »Festplatz« zurückzukehren, fand ich beide Büffel in formlose, blutige Massen zerhackt und verendet am Boden liegen. Befriedigt leckten sich die gesättigten Köter ihre blutigen Schnauzen, toll vor Vergnügen riß und zerrte die liebe Jugend an den Kadavern herum. Die Erwachsenen aber, Männer wie Weiber, hatten einen Kreis geschlossen, und wonnetrunken, mit blitzenden Augen umtanzten sie singend die entsetzlich aussehenden verstümmelten Opfertiere.[S. 355] Dabei bildeten die Männer die eine Hälfte der Kette, die Frauen die andere. Die mehr gesprochenen als gesungenen Texte bestanden in Anrufungen der Geister und bildeten den religiösen Teil des Mabogau. Der Tanz bestand in einem schrittweisen Vor- und Rückwärtsbewegen der Kette. — Ich fühlte mich nach dem Erlebten zum Sterben elend und verließ eilends die Stätte, um mich in meine Behausung zurückzuziehen.

192. Beim Festmahl im Geisterhaus.

Als ich spät nachmittags abermals ins Dorf hinüberging, fand ich die beiden abgeschnittenen Köpfe der Büffel auf einem freistehenden Gerüst neben der Dusunga aufgestellt, wo man sie bis zur Beendigung des Festes beläßt. Dieses aber dauert bei allnächtlichem Marengo-Tanze im Geisterhause so lange, bis der erflehte Regenfall endlich eintritt. Alsdann werden auch die Büffelköpfe hereingeholt, um ohne Rücksicht auf ihren Zustand zur leckeren Speise zu dienen. Die Gehörne aber werden in der Dusunga als Opfergabe aufgehängt.

[S. 356]

Die Kadaver hatte man nach beendetem Reigen sofort zerteilt. Die Frauen bekamen ihre Anteile in die Häuser gesandt; für die männlichen Festteilnehmer dagegen, und zwar nur die aktiv beteiligt gewesenen, wurde im Laufe des Nachmittags in der Dusunga ein großes Mahl ausgerichtet, zu dessen Beginn wiederum Trommelsignale einluden. Meine Blitzlichtaufnahme zeigt die Männer Lebonis beim Festschmause.

Ich hatte für heut genug und schloß mich frühzeitig in meinen 4 Pfählen ab. Um 9 Uhr wurden aufs neue die Lobo-Trommeln bearbeitet, und jodelnde gutturale ǘi-ǘi-Rufe, wie sie von den Männern während des Marengo-Tanzes ausgestoßen werden, kündeten mir den Fortgang der Festlichkeit. Ich fühlte mich jedoch zu abgespannt, um nochmals hinüberzugehen.

193. Fuja-Haupttücher.

Gegen Mitternacht erwachte ich abermals von den weit vernehmbar durch die Nacht schallenden he, he, he,–ho, ho, ho, ǘi-Rufen und dem Aufstampfen beim Reigen. Die nächtliche Feier schien ihren Höhepunkt erreicht zu haben. Nun ließ es mir auch keine Ruhe mehr im Bette. Rasch war ich heraus, und durch die stockfinstere Nacht tappte ich den Pfad zum Dorfe hinüber, um das, wie ich vermeinte, zur Orgie ausgeartete Fest, sei es auch nur aus dem Verborgenen, anzusehen. Ungefährdet gelangte ich ins Dorf, fand daselbst aber zu meiner großen Überraschung alles im Finstern liegen. Hier in der Nähe fand ich die gedämpften Rundgesänge rhythmisch schön, mit einem Anklang von Schwermut. Nur das nach jeder Strophe einsetzende Jauchzen der Männer brachte einen Mißton in den sonst feierlichen Chor. Die Gesänge klangen aus der Dusunga heraus; aber auch diese lag völlig im Dunkeln. Die Sache wurde mir immer rätselhafter, und meine Wißbegierde verleitete mich nun zu dem gewagten Unternehmen, die Leute bei ihrem Treiben zu belauschen. Behutsam näherte ich mich dem Geisterhause und erstieg leise die Treppe. Durch die Fugen der schlecht schließenden Holztür hatte ich einen vollen Überblick über das Innere, und nie werde ich das fascinierende Bild vergessen können, das sich jetzt vor meinen Augen[S. 357] abspielte. Die Dusunga war gedrängt voll Menschen; das ganze Dorf, Männer und Frauen, darunter solche mit ihren Wickelkindern auf dem Rücken, schien darin versammelt zu sein. Der schwache rötliche Feuerschein glühender Holzscheite vermochte den großen Raum nur auf wenige Schritte im Umkreise aufzuhellen. In diesem unsicheren Lichtkreise auftauchend und verschwindend, bewegte sich alt und jung, Mann und Weib im feierlichen Tanzschritt vor den Götterbildern vorüber. Jedes Aufflackern der Feuer übergoß die Versammelten sekundenlang mit roter Glut, aus der sich die in dieser Beleuchtung wild aussehenden, schwarz bemalten Gesichter dämonisch heraushoben. Dazu kamen die langen, schleppenden Gewänder und grellfarbigen Schärpen der Weiber nebst den eigenartig gewundenen Haupttüchern der Männer, die auffällig von den dunkeln Gestalten abstachen. Indem die Tanzenden reihenweise aus dem Dunkeln in den Feuerschein traten und wieder in Nacht verschwanden, erschien das Ganze in hohem Grade mystisch. Doch war der Zweck der Versammlung ein durchaus harmloser.[S. 358] Man schritt im Reigen des Marengo, im Stunden und Stunden währenden immer gleichen Rhythmus und vergnügte sich in Wechselgesängen der den Tanz begleitenden traditionellen Epen. Der Hintermann legte dabei die linke Hand auf die Schulter seines Vordermannes. Beim Anschreiten wurde mit dem linken Fuße begonnen und nach jedem 5. Schritte mit dem rechten Fuße aufgestampft. Die nachfolgenden Weiber hielten einander, paarweise und zu dritt gehend, um die Hüfte gefaßt. Mitten in die Gesänge hinein ertönten dann die periodischen Soloeinlagen besonders enthusiasmierter Männer, deren hallendes ho, ho, ho,–hoi,–ǘi, ǘi mich hierher gelockt hatte. Mehrmals setzte der Gesang minutenlang aus, und dann lastete eine beängstigende Ruhe und Regungslosigkeit über der Gesellschaft.

Wie gebannt kauerte ich, in Schauen verloren, auf dem Treppenpodest, das Abenteuerliche meiner Situation ganz vergessend. Unerwartet sollte ich daran erinnert werden. Eines der Weiber aus dem Kreise der Tanzenden stieß plötzlich einen schrillen Angstruf aus, dem augenblicklich Totenstille folgte. Wie hypnotisiert, verharrten die in der Dusunga Anwesenden in der zufällig eingenommenen Pose. Ich war, ehrlich gestanden, ebenso erschrocken wie die Leute selbst und mir momentan nicht klar, was zu tun nun das rätlichste sei. Ein Aufflammen des Feuers hatte mich in meinem hellfarbenen Pijtjama einem zufällig nach dem Eingange blickenden Weibe verraten, das nun natürlich nicht an mich, sondern an eine übersinnliche Erscheinung gedacht und mit ihrem Alarmruf alle in Angst versetzt hatte. Endlich löste sich der Bann, und ein Mann aus der Reihe schritt zur Türe, um nachzusehen, was es gäbe. Nun hielt ich es doch für das beste, mich schleunigst zu erkennen zu geben. Rasch stieß ich die Verschlußbretter derselben zurück und betrat den Raum. Tiefes Schweigen empfing mich. Ich näherte mich dem etwas Malayisch radebrechenden Häuptling, den ich über die Ursache meines ungewöhnlichen Erscheinens zu beruhigen versuchte. Wortlos hörte er mich an. Gleich darauf zog ich mich, dem Häuptling und den Ältesten eine gute Nacht wünschend, zurück. Niemand folgte[S. 359] mir, und in der Dusunga war und blieb es still. Es war keine angenehme Empfindung, mit der ich den Rückzug antrat; gar zu leicht hätte mein Beginnen verhängnisvoll enden können. Dennoch bereue ich es nicht, dieses hochinteressante interne Schauspiel belauscht zu haben, dessen unmittelbare Eindrücke keinen Vergleich zulassen mit Schautänzen, wie sie von Eingeborenen vor Fremden sonst meist produziert werden.

Geflochtene Taschen

Leboni, den 25. Oktober.

Mein nächtliches Abenteuer war mir nicht weiter übelgenommen worden; denn schon um 7 Uhr früh kam Pieters mit dem Häuptling zu uns herüber, um mir mitzuteilen, daß man im Dorfe auf mein Kommen warte, um mir eine Menge zusammengetragener ethnographischer Objekte zum Kaufe anzubieten. Der Handel wickelte sich denn auch unter Assistenz Pieters, des Masamba-Prinzen, des Sergeanten und meines Boys zu meiner vollsten Zufriedenheit ab, und ich erwarb eine solche Menge Fuja-Kleidungsstücke, daß ich zum mindesten einige Brautpaare damit hätte ausstatten können. Am schwierigsten zu erlangen waren wie überall alte Waffen. In Leboni machte ich zum ersten Male Bekanntschaft mit den herrlichen Schwertern, deren weit auseinander klaffende Griffe angeblich einen aufgesperrten Krokodilrachen darstellen. Es bedurfte eindringlichen Zuredens und recht ansehnlicher Häufchen Ringgits (= 2½ fl.-Stücke), ehe es mir gelang, einige dieser wohl bald gänzlich der Vergangenheit angehörenden[S. 360] prächtigen Erbwaffen in meinen Besitz zu bringen. Das Lustigste an der Sache war, daß keiner dieser stolzen Schwertträger auch nur entfernt daran gedacht hatte, eines der hochseltenen Stücke verkaufen zu wollen. Nur um damit vor mir zu prunken und vor der besitzlosen Klasse ihrer Landsleute groß dazustehen, waren sie damit zum Vorschein gekommen. Tadellos erhaltene Stücke waren davon kaum mehr aufzutreiben; bei einigen fehlte das schiffchenartige Fußstück der Scheiden, bei anderen war das eingezapfte Rachenstück des aus 2 Teilen bestehenden Horngriffes verloren gegangen und durch ein Büschel Menschenhaare ersetzt worden. Besondere Einbuße an ihrer Schönheit aber erlitten diese Waffen durch den fast immer defekten Stanniolbelag, mit dem die ursprünglichen kunstvollen Schnitzereien der Griffe und Scheiden überzogen waren.

194. Schwertformen des Posso-Gebietes.

Es gelang mir, 3 verschiedene Schwertformen zu erwerben. Alle drei halte ich nicht für Eigenprodukte der Lebonier, sondern für Erzeugnisse[S. 361] der Tolampu, die vom Posso-See aus auf dem Tauschwege hierher kamen. Genau ebenso wird es sich auch mit der einzigen am Orte erhältlichen Form hölzerner Langschilde, die mit Rotangumschnürungen, Ziegenhaarbesatz und Muschelschmuck ausgestattet sind, verhalten, während die feingeschafteten, dunkel polierten Lanzen, deren Enden in einen eisenbeschlagenen Dorn auslaufen, und deren Blätter auffallend kurz und schmal sind, aus Bada stammen dürften.

Trotzdem die Leboni-Leute zum kriegerischen Stamme der To-Bada gehören, sind sie doch viel mehr Bauern als Jäger oder Krieger, und so hervorragend schöne Waffenformen, wie die vorerwähnten, gehören sicherlich nicht zu ihrem bodenständigen Besitz. Wohl aber dürften gewöhnliche Buschmesser, Lanzen und Speere von ihnen selbst hergestellt werden. Als seltenes kriegerisches Attribut konnte ich noch ein Sangori, einen Vorfechterschmuck, erwerben. Das aus Bronze geschmiedete Stück glich in der Form etwa einer mit dem Kopfe nach innen gerollten Natter. Es wird in horizontaler Lage unter dem Haupttuch im Haar befestigt (s. auch Fig. 235).

195. Mann aus Leboni mit Vorfechter-Kopfschmuck.

In Leboni steht die Fuja-Industrie in hoher Blüte. Für den weiblichen Teil der Bevölkerung deckt sie nahezu den Gesamtbedarf an Kleidung; für den männlichen liefert sie einen großen Teil desselben. Wie für Masamba das melodische Reisstampfen, so ist für Leboni das[S. 362] taktmäßige Klopfen der mit der Fuja-Bereitung beschäftigten Frauen charakteristisch.

196. Fuja-Geräte und Stoffe.

Unter Fuja sind Stoffe zu verstehen, welche aus Streifen rohen Baumbastes in recht langwierigem Prozesse gewonnen werden. Durch Auskochen, Waschen und Hämmern wird das Rohmaterial so lange bearbeitet, bis die Fasern zu einem dichtverfilzten Ganzen verbunden sind. Die Fuja-Bereitung ist ausschließlich Frauenarbeit, und die Wertschätzung einer Hausfrau richtet sich vielfach nach ihrer Geschicklichkeit auf diesem Gebiete. Der aus den Rinden einer ganzen Reihe von Waldbäumen gewonnene Rohstoff — nunu — wird in langen dünnen Streifen abgeschält, von der Borke befreit, und der Bast je nachdem durch Kochen oder umständliches wiederholtes Waschen für die nachfolgende Klopfprozedur vorbereitet. Hierzu bedarf es einer keinem Hausstande fehlenden Garnitur von Instrumenten, die in Leboni aus 9 Stücken, nämlich 3 ungleichen Holzschlägeln und 6 verschiedenen Steinhämmern, besteht und »peháha« genannt wird. Mit den ersteren,[S. 363] den »bebóba«, aus schwerem, eingekerbtem Holze wird das noch widerspenstige Material zuerst bearbeitet, und im vorgeschrittenen Stadium wird dann zu den Steinhämmern — uge — übergegangen. Letztere sind aus Serpentin, der angeblich dem Kororu-Gebirge entstammt, in Würfelform gearbeitet und beiderseitig mit weiten und engen Längs- und Quer- sowie Diagonalrillen versehen ist. Befestigt sind die Klopfsteine an elastisch schwingenden Rotanggriffen. Die beliebtesten Arbeitsstätten zur Fuja-Bereitung sind die schattigen Räume unter den Vorratsspeichern. Als Arbeitsbänke wurden Bretter verwendet, die an beiden Enden auf Schaftstücken des Pisangs lagen. Während der Bearbeitung muß das spröde Material stets feucht gehalten werden. Die Frauen verstehen es, nach diesem Verfahren so innig miteinander verbundene Stoffstreifen herzustellen, daß es ganz unmöglich ist, eine Verbindungsstelle zu erkennen. Man unterscheidet eine Menge Fuja-Sorten, von der groben, dicken Hüttenscheidewand in Stücken von 2 m Höhe und 4 m Länge bis zum millimeterdünnen, an japanisches Transparentpapier erinnernden Stoffe.

Das fertige Produkt wird in den meisten Fällen noch einem Färbeprozeß unterworfen. In Leboni sind die beliebtesten Farben schwarz und dunkelrotbraun. Ungefärbte, weißgraue Stoffballen dienen vielfach zu Tauschzwecken. Neben diesen einfarbigen Stoffen findet man noch gestreifte, gesternte oder gespritzte Fuja-Gewebe, ferner die in grellem Ocker und violett gefärbten Stirnbinden und Kopfschärpen, sowie Haupttücher. Hierher gehören auch die teilweise mit Fuja bezogenen Bast-Kopfreifen der Weiber, mit Strichen und oblongen Viereck-Mustern geziert, und endlich mehrere hier erworbene Männersarongs, auf deren weißgrauer Grundfarbe das beliebte Büffelhornmotiv in sehr ursprünglicher Manier in schwarzer oder violetter Farbengebung aufgetragen war. Sowie es sich um kompliziertere Muster und Anwendung von Komplementärfarben handelt, dürften solche Stücke nicht mehr Leboni-Erzeugnisse sein, sondern aus Bada eingeführte Produkte: so vor allem die vereinzelt vorkommenden, prachtvoll[S. 364] buntgemusterten Frauenjacken, ferner die gleichfalls reichgemusterten Männerhaupttücher, sowie die Fuja-Sirihtaschen. Daß man in Leboni in der Kunst der Farbengebung gegen die Nachbarstämme tatsächlich noch zurück ist, erhellt auch daraus, daß einzelne junge Mädchen, um in das häßliche Kapuzinerbraun oder Schwarz der einfarbigen Frauenjacken etwas Leben zu bringen, diese mit weißblauen oder weißroten Stoffzwickeln auf Brust und Rücken zierten und hierdurch die vollendet schön gemalten Muster, wie ich sie später in Bada und Napu fand, zu ersetzen suchten.

197. Fuja-Lendentücher.
198. Fuja-Frauenjacken.

Die Machart der Frauengewänder ist sehr unförmlich und plump. Es gibt dafür nur einen Schnitt, und der ist vielleicht schon so alt wie die Kunst der Fuja-Bereitung selbst. Das kleine Mädchen trägt genau dieselbe Gewandung wie seine Großmutter. Die Röcke bestehen aus einem oben und unten offenen weiten Sack aus dicker Fuja, der[S. 365] übergestülpt und um die Taille um ca. ein Drittel seiner Länge übergeschlagen und gebunden wird. Die Hüften erscheinen dadurch unförmlich breit. Vorn fast auf den Boden stoßend, sind die »golíu« genannten Röcke hinten so lang, daß sie umfangreiche faltige Schleppen bilden, mit denen die Holden unentwegt durch Staub und Unrat fegen, — ein Ersatz für Kehrbesen, die in Leboni noch zu den unbekannten Kulturerrungenschaften zählen. Es ist Sitte, die Gewänder bis zu ihrer gänzlichen Auflösung zu tragen. Vermutlich schläft man auch damit, und es wird hiernach begreiflich erscheinen, daß die so kostümierten Leboni-Weiblichkeiten durchaus nicht eben berückend aussehen. Die abgetragenen Gewandstücke sahen recht oft alten Lumpen so verzweifelt ähnlich, wie die Trägerinnen lebendig gewordenen Vogelscheuchen. Hier sei auch gleich noch zweier Absonderlichkeiten gedacht, die, von Leboni angefangen, über das ganze centrale Celebes[S. 366] in mehr oder weniger abweichender Form verbreitet sind: der Gesichtsbemalung und der freiwilligen Hingabe der Vorderzähne.

Das Bemalen des Angesichtes und der Hände mit schwarzen Harztupfen oder Strichen gehört in Leboni zu den unentbehrlichsten Schönheitsmitteln und wird von jedermann ohne Ausnahme, namentlich aber von Mädchen und Frauen geübt. So wie man sich anderweit des Morgens das Gesicht wäscht, so bemalt man es sich in Leboni mit Harz. An Festtagen werden die Farben dicker aufgetragen und die etwa noch farbfreien Stellen mit Stanniolmustern anmutig verpflastert. Um der auf solche Weise erzielten Unwiderstehlichkeit des schönen Geschlechts gegenüber nicht allzusehr ins Hintertreffen zu kommen, sehen sich die Männer gezwungen, diesem Beispiel zu folgen, beschränken sich in der Wahl der Muster jedoch auf gerade Striche auf Stirn und Nase, Wangen und Kinn. —

All dieses aber würde nach Eingeborenenbegriffen den weiblichen Charme und die männliche Schönheit nicht genügend zur Geltung bringen, sofern nicht das in ihren Augen höchlichst entstellende Vordergebiß radikal entfernt und die übriggebliebenen Zähne schön ebenholzschwarz gefärbt wären, sodaß keinerlei Vergleich mit dem »weißen Tiergebiß« der Europäer mehr in Frage kommt. Bereitwillig unterwirft sich jedermann, Jüngling wie Mädchen, einer schmerzhaften Operation, nur um die schönheitstörenden Kauwerkzeuge loszuwerden.

Das Zähne-Ausschlagen fällt in die Zeit des Eintrittes der Pubertät und wird als eine Art Volljährigkeitserklärung angesehen. Die Operation vollzieht der Sándo, in Leboni Dorfzauberer und Medizinmann in einer Person, in einer kaum begreiflichen rohen Manier. Die Mädchen werden dabei ihrer 6 oberen und unteren, also sämtlicher 12 Vorderzähne, und zwar mit den Wurzeln beraubt, so daß der schwindende Kiefer die Lippen hohl einsinken läßt, wodurch die blühendsten jugendlichen Gesichter einen greisenhaften Zug bekommen. Der Zahnkünstler bedient sich zu dieser Operation, bei der die Devise unserer[S. 367] modernen Zahnärzte, »völlig schmerzlos, beinahe ein Vergnügen«, sicherlich nicht zutrifft, eines gewöhnlichen meißelförmigen Eisens, das mit Hammerschlägen zwischen das Zahngefüge getrieben wird, und bringt durch brutale Drehung die Zähne samt den Wurzeln zum Ausspringen. Bei den Knaben dagegen begnügt man sich mit der Entfernung der 12 Zahnkronen unter Zurücklassung der Wurzeln. Dabei wird zuerst der Zahnschmelz angefeilt, und dann werden die Zahnkronen durch kurze kräftige Hammerschläge abgeschlagen. — Diese Zahnamputationen, die stets gleichzeitig an einer Reihe Jugendlicher vorgenommen werden, müssen zweifellos außerordentlich schmerzhaft sein. Vor allem aber liegt die Gefahr bösartiger Komplikationen sehr nahe, und die Regierung hat sich deshalb in neuester Zeit veranlaßt gesehen, energisch dagegen einzuschreiten. Der aller Vernunft bare alte Brauch wurde untersagt, und Zuwiderhandelnde werden streng bestraft. Unbegreiflich ist es, wie die Leute dazu kommen, sich in so fürchterlicher Weise zu entstellen. Sie selbst wissen keinen stichhaltigen Grund dafür anzugeben, und der Adat-Begriff muß wieder einmal eine logische Begründung ersetzen. Die Herren Sarasin nehmen an, daß es sich dabei um rituelle Verkümmerungen ehemaliger Menschenopfer handelt, indem an Stelle des ganzen Körpers den Göttern ein Teilersatz geboten wird. Ich kann mir schwer vorstellen, daß die Eingeborenen sich aus unklaren Kultempfindungen heraus solchen freiwilligen Martern unterziehen würden. Außerdem müssen aber schließlich auch bei aller verkehrten Anschauungsweise die To-Bada, Lebonier, Tolampu usw. einsehen, daß ihre jungen Mädchen und Frauen mit dem Verluste der Zähne ganz bedeutend an Reizen verlieren und bereits mit 16 Jahren stark gealtert aussehen. Besonders rätselhaft ist der Umstand, daß den Mädchen die Zähne samt den Wurzeln entfernt werden, während man letztere den Jünglingen beläßt. Auf den Zähnemangel ist es auch zurückzuführen, daß die Eingeborenen undeutlich sprechen, daß sie z. B. nicht imstande sind, ein s auszusprechen. An Stelle eines solchen hört man in allen Fällen ein deutliches h, also z. B. Dúhunga statt Dusúnga.

[S. 368]

Auf meine Tausch- und Kaufaktion im Dorfe zurückkommend, erwähne ich noch der Bastkopfringe für Mädchen und Frauen als des einzigen wirklich gut und anmutig kleidenden Ausstattungsgegenstandes. In ihrer primitivsten Form sind es 1–5 cm hohe geschmeidige Baststreifen, die an ihren Enden mittels ineinandergreifender Schlitze verbunden sind. Je nach ihrer Breite ziehen sich ein oder mehrere rote oder violette, auch schwarze Farbstriche um sie herum. Bei festlichen Anlässen werden mit Fuja bezogene Kopfringe benutzt, die dann nicht der Breite, sondern immer der Höhe nach mit kindlich ausgeführten Zierlinien bemalt sind. Den Gipfel der Eleganz aber bilden so bemalte und noch mit Stanniolverzierungen versehene Reifen.

Unter den in Leboni begehrten Tauschartikeln spielte eigentlich nur Salz eine Rolle. Gern genommen wurden auch Kattunstoffe, Nähnadeln und Zwirne, sowie Farben für Stoffe. Das bevorzugteste Ausgleichmittel aber war und blieb bares Geld.

199. Inneres des Geisterhauses von Leboni.

Nach Beendigung meiner Einkäufe machte ich mich daran, das wichtigste und größte Gebäude der Ortschaft, die schon mehrfach erwähnte Dusunga, einer gründlichen Besichtigung zu unterziehen. Die Stützpfosten waren an der Vorderseite mit grobem Schnitzwerk versehen, und zwar zeigte der eine stilisierte Büffelhornornamente, der andere eine Eidechse (Krokodil). Eine recht unbequeme Treppe, aus einem dicken halbierten Baumstamm mit flachen Auskerbungen bestehend, die beim Hinansteigen ein seitliches Stellen der Füße erforderten, führte zum Inneren hinauf. Oben befand ich mich in einem hohen, rechteckigen fensterlosen Raum, der sein fahles Zwielicht durch die schmalen Lücken zwischen Dachrand und Gesims, sowie durch die vielfach geborstenen Dachschindeln empfing. Dem wurmstichigen Äußeren des Geisterhauses mit seinem grünbemoosten, stark verwitterten Schindeldach entsprach auch das Innere. Der Bodenbelag bestand aus dicken schweren Bohlen, die schlecht und lose aneinandergepaßt waren. In denselben hatte man zwei Feuerstellen ausgespart, über welchen sich pyramidenförmige Bambusgestelle aufbauten. An ihnen waren je zwei[S. 369] Holztrommeln aufgehängt, drei größere und eine kleine. Alle wiesen ungefähr die bauchige Bierfaßform auf. Die Trommelfelle bestanden aus Anoahaut. Zwei der schönen alten Stücke waren mit reicher Schnitzarbeit ausgestattet. Die schönste davon ist auf meiner Blitzlichtaufnahme vom Festmahle gut zu erkennen. Die Photographie macht auch die Befestigung der Trommel am Gerüst deutlich ersichtlich. Die großen Trommeln schweben für gewöhnlich an Rotangseilen in der Luft und werden nur an Festtagen zum Gebrauch herabgelassen. Eine fünfte, uralte Trommel ganz anderer Form, einen langen, engen Holzcylinder darstellend, befand sich oberhalb einer der seitlichen Nischen neben dem Eingange. Ihr Ruf galt allein den Frauen und verkündete ihnen z. B., wenn sie mit einer Saat oder Erntearbeit beginnen dürfen, oder daß ihre Anwesenheit in der Dusunga verlangt werde. Die Dusunga-Trommeln dürfen nur auf Befehl des Häuptlings geschlagen werden. In bezug auf die Art des Trommelns fand ich eine frühere Beobachtung[S. 370] der Hrn. Sarasin auf das genaueste bestätigt, denen die sonderbare Körperstellung der Trommelnden aufgefallen war. Heut wie damals drückten die mit dieser Obliegenheit betrauten Leute dabei die Ellenbogen krampfhaft an den Körper, wodurch sie zu auf- und niederwippenden Bewegungen des Oberkörpers gezwungen wurden. — Ich gab mir die größte Mühe, eine dieser Trommeln an mich zu bringen, und bot dem Häuptling eine namhafte Summe für die eine geschnitzte. Vergebliche Mühe; er wollte mir gern eine neue anfertigen lassen, lautete die wenig tröstliche Antwort, aus der Dusunga aber dürfe keine derselben entfernt werden, da sonst Unheil über das Dorf käme.

Rings um den Mittelraum des Geisterhauses zogen sich über das Hausgerüst hinausragende Galerien, die der Schrägstellung des Daches entsprechend ziemlich niedrig waren. Durch horizontal und vertikal gestellte Bretterverschalungen hatte man diese in einzelne Nischen (Logen) verwandelt, welche bei festlichen Anlässen den Frauen und Kindern oder fremden Besuchern zum Aufenthalte, letzteren auch als Schlafräume dienten. An den Seitenstreben der einzelnen Abteile waren in primitiver Schnitzarbeit Frauenbrüste herausgearbeitet, welche als Sinnbilder der Fruchtbarkeit zu deuten sein dürften. Als Logenabschluß lief rings um den oberen Rand der Galerie ein Bretterbord zum Zwecke der Unterbringung der von den Gästen oder Zuschauern mitgebrachten Gegenstände.

Das eigentliche Heiligtum der Dusunga befand sich an der hinteren Schmalseite des Hauses gegenüber dem Eingang. Am mittelsten Pfosten dortselbst, oberhalb der Logenbrüstung, war der Lebensbaum, auch Reisbaum genannt, aufgestellt. In der Form eines riesigen Makartbuketts aus Gräsern und Schilf zusammengesetzt und bis an den First des Daches über die seitlich darunter schwebenden hölzernen Vogelfiguren hinausreichend, stellt er das bedeutsame Symbol des Wachstums und der Fruchtbarkeit dar, vor allem wieder in bezug auf den Reis. »Möge der Pady so gut gedeihen und so groß wachsen, daß nicht nur die Menschen, sondern auch die Vögel davon in Überflusse haben!« —[S. 371] Zur Rechten und zur Linken des Lebensbaumes standen zwei plump geschnitzte, lebensgroße menschliche Figuren: berühmte, unter die Götter versetzte Vorfahren. Es sind dies die einzigen figürlich dargestellten Gottheiten der Lebonier, und zu ihnen beten sie vertrauensvoll in allen Lebenslagen. Der männliche der Dewátas heißt Tangilándo, der weibliche Bambawálo. Ehrwürdige, dicke Staubschichten lagerten auf den Figuren, deren Gesichtszüge unkenntlich machend. Die Genitalien der Gestalten waren zur Versinnbildlichung der Vermehrungskraft abnorm vergrößert dargestellt.

Seitlich über den Gottheiten schwebten die bereits erwähnten 2 Vogelfiguren mit lang herabhängenden Bauchzieraten. Diese Adler vorstellenden Bildnisse wurden »álo« genannt. Ihnen opfert die Bevölkerung vor dem Antritte weiter Reisen über das Gebirge. Gleichwie Gebete vor dem Lebensbaum zur Zeit der Reisauspflanzung gute Ernte bewirken sollen, erwartet man von Anrufungen der »álos« Glück auf die Reise. »So leicht es dem König der Lüfte, dem Aar, wird, ohne Gefahr die höchsten Gebirge zu überfliegen, so mühelos und sicher möge mein Weg darüber sein!«

Im Gebälk oberhalb des Lebensbaumes bemerkte ich ein paar dort aufgehängte Menschenschädel. Meine daraufhin angestellten Nachforschungen nach den früher so häufigen Kopfjagden waren leider erfolglos. Ich stieß mit meinen Fragen beim Häuptling und den Ältesten des Dorfes auf ein so grenzenloses Mißtrauen, daß ich aus Besorgnis, für einen Regierungsspion gehalten zu werden, alle Versuche, über dieses Thema etwas zu erfahren, definitiv aufgab. Um aber meine Leser auch diesbezüglich über die in Leboni herrschenden Gepflogenheiten nicht im unklaren zu lassen, führe ich im folgenden das Wichtigste aus den Sarasinschen Aufzeichnungen an.

Das Opfer, meist ein Kriegsgefangener aus einem feindlichen Dorfe, wird unterhalb vom Lobo (= Dusunga) an einem Stützpfahl festgebunden und getötet, worauf der Kopf abgehauen und nach oben gebracht wird. Hier wird der Schädel aufgebrochen und des Gehirns beraubt.[S. 372] Von diesem verzehrt jeder der Anwesenden ein Stückchen; denn viel davon zu essen, ist schlecht. Dann genießt jeder noch ein wenig Blut, indem er mit den Lippen das blutige Schlachtmesser berührt. Etwa alle Jahre wird einer geschlachtet; aber gut 200 sind angeblich schon in diesem Lobo geopfert worden.

Daran anknüpfend, schreiben die Verfasser: Hier in Leboni steht vor allem andern die Tapferkeit in hohen Ehren. Sie sprechen von dieser Tugend viel und wollen sie erwerben oder vermehren dadurch, daß sie vom Gehirn und Blut des getöteten Feindes genießen. Diese Leute als Kannibalen zu bezeichnen, würde kein richtiges Bild geben; denn sie verzehren nicht Menschenfleisch, um sich damit zu sättigen, sondern der Genuß von etwas Gehirn und Blut hat rituellen Charakter und beruht offenbar ursprünglich auf dem Gedanken, daß ein Teil von der Seele des Getöteten sich dem einverleibe, welcher von seinem Fleisch und Blut in sich aufnimmt.

Nach diesen Ausführungen meiner Herrn Vorgänger in Leboni gehe ich zu einer Schilderung des Dorfes selbst über, welches eine der ältesten Besiedelungen der Hochebene ist.

Die Bola (Dorf) Leboni zählte 40 Häuser und gegen 200 Männer, insgesamt rund 500 Personen. Zwei hohe bambusbepflanzte Erdwälle, durch einen ca. 5 m breiten Graben von einander getrennt, zogen sich um dieses alte Gemeinwesen herum. An jeder Seite ermöglichten Holzpforten den Zugang zum Dorfe, die leicht verrammelt werden konnten und die man in gebückter Stellung durchschreiten mußte. Der in geringer Entfernung vorbeifließende, viel gewundene Leboni-Fluß versorgt die Ortschaft mit Wasser.

Für das bauliche Aussehen des Dorfes waren die zahlreichen Reisspeicher charakteristisch, die teils einzeln standen, teil gruppenweise angeordnet waren. Gewöhnlich gehörten zu einem Hause zwei derselben, selten mehr. Gleich den Wohnhäusern waren sie aus Bambusschindeln erbaut. Die jedes besonderen Schmuckes ermangelnden Vorratshütten ruhten auf reichlich mannshohen, quadratisch angeordneten starken Holzsäulen.[S. 373] Einige unter ihnen waren doppelt so lang als breit. Die Stützbalken lagen einem durch ca. 30 cm breite Planken gebildeten, ringsum laufenden Roste auf, welcher wiederum auf solider Steinunterlage ruhte. So blieb innerhalb der Bohleneinfassung ein Viereck frei, das den mit Fuja-Bereitung beschäftigten Frauen als schattiger Arbeitsraum diente, wobei sie die Planken als Klopfbretter benutzten. Außerdem fanden letztere als Sitzbänke für die flanierende Jugend oder die zur Unterhaltung sich versammelnden Alten ausgiebig Verwendung. An vielen Reishütten fand ich die Stützpfeiler mit konvexen dünnen Holzscheiben versehen, welche zum Schutz gegen Ratten und Mäuse angebracht waren. Das Gesamtbild des Dorfes mit seinen stark verwitterten Holzbauten und der mächtigen Dusunga in der Mitte war eindrucksvoll und trug die Spuren einer langen Vergangenheit. —

200. Feierabend in Leboni.

Die aus starkem Bohlenwerk errichteten Dorfhäuser waren durchgehends mit Holzschindeln gedeckt und bewandet. Steil und hoch ragten die Dächer empor. Es waren zwei verschiedene, sehr eigenartige Typen von Wohnhäusern zu unterscheiden. Das Einzelhaus und das[S. 374] kombinierte Doppelhaus. Ersteres ist auf einem ca. 1½ m hohen, auf Steinen liegenden, meist quadratischen Pfahlrost errichtet. Nahe dem Boden zieht sich eine allseitig offene Plattform unter dem Hause hin, welche tagsüber den Bewohnern als hauptsächlichster Aufenthaltsort dient. Von dieser Plattform aus führt ein eingekerbter Stamm als Treppe zum eigentlichen Wohnraum empor. — Von ganz anderem Aussehen sind die Doppelhäuser. Ihre Wohnräume ruhen auf niedrigen, etwa ½ m hohen Pfählen. Die Plattform liegt in diesem Falle nicht unter, sondern zwischen den beiden Häusern, als ein dieselben verbindender Mittelbau mit weniger hohem Dach und Sockel. Ich bemühte mich angelegentlich, über die Gründe, die zur Anlage solcher Doppelwohnung führten, Positives zu erfahren. Bei der wiederholten Translation ergaben sich jedoch so viele Widersprüche, daß ich es vorziehe, meine persönliche Meinung hierüber zum Ausdruck zu bringen. Es kann sich hiernach nur um zwei Gründe handeln. Erstlich die traditionelle Verpflichtung des mehrfach beweibten Mannes — zwei Frauen ist bei vornehmen Eingeborenen die Regel —, jeder seiner Frauen einen besonderen Haushalt einzurichten. Bei dem ausgezeichneten Verhältnis, das unter so verwandten Frauen fast stets herrscht, liegt es nahe, die beiden Wohnungen durch eine gemeinsame Plattform miteinander zu verbinden. Der Form ist trotzdem genügt und der Bequemlichkeit gedient. Zweitens kann auch die bei den polygamen Völkern Malayasiens weit verbreitete und auch in Leboni geltende nützliche Institution des Mutterrechts zur Entstehung des Doppelhauses geführt haben.

Von der Plattform aus klettert man zum eigentlichen Wohnraum empor. Hier sieht man sich in das Halbdunkel eines fensterlosen Raumes versetzt, dessen beschränkte Enge dem äußerlich so imponierenden, gewaltigen Dachgiebel durchaus nicht entspricht. Das Tageslicht findet nur durch den zwischen dem überhängenden Dache und den Wänden, 20–50 cm breiten Zwischenraum notdürftig Zutritt. Meistens bewohnen eine solche Hütte 5–6 erwachsene Personen, die sich in den engen Raum teilen müssen. Der Innenraum ist[S. 375] der Höhe nach in 2 Abteilungen geschieden, deren obere der Aufbewahrung des gesamten Hausrates vorbehalten bleibt. Im unteren Raume, der kaum ein aufrechtes Stehen gestattet, nimmt die Feuerstelle die Mitte ein. Darüber ist ein mit den notwendigen Kochgeräten behängtes Bambusgerüst aufgestellt. Rings um den Kochplatz zieht sich ein schmaler, etwa 1 m breiter Gang, der nachts den erwachsenen, unverheirateten Familienmitgliedern zur Schlafstelle dienen muß. Gemeinsam mit ihren struppigen Hundekötern liegen in diesem Gange die Kinder, wie die ledigen Burschen und Mädchen in friedlicher Eintracht beieinander. — Hinter diesem Gange ziehen sich auf 3 Seiten die Kammern für die Verheirateten herum, deren Wände aus gespannten Fuja-Tüchern bestehen. An der 4. Seite Gerüste mit Vorräten, Wirtschaftskörbe, Wasserbambusse u. dgl.

Ich war höchlichst erstaunt über diese aufs äußerste getriebene Zusammenpferchung so vieler Personen. Vielleicht spielten hierbei die in der Leboni-Ebene kalten und windigen Nächte eine bestimmende Rolle. Die Meereshöhe von Leboni beträgt 670 m. —

Daß das Klima relativ rauh ist, dafür spricht auch die überreiche Gewandung der Lebonier. Laufen hier doch selbst kleine Kinder schon von Kopf bis zu den Füßen in Fuja gehüllt herum, und die Weiber vertauschen ihre bis zum Halse dichtgeschlossenen dicken Jacken und ihre bis zu den Knöcheln reichenden schweren Krinolinröcke selbst bei der Feldarbeit nicht mit leichteren Gewandstücken, ebenso wie die meisten Männer beständig Jacken tragen.

Die Raumbeschränktheit in den Häusern spricht für den friedfertigen Charakter der Insassen. — Bei so intimem Zusammenleben und dem freien Verkehr der jungen Leute beider Geschlechter untereinander ist es eigentlich verwunderlich, daß die Moralbegriffe der Bevölkerung im Vergleiche mit denjenigen ihrer Nachbarvölker ziemlich streng sind. So muß z. B. die Schwängerung eines Mädchens unbedingt mit der Heirat gesühnt werden. Eine Weigerung würde den Verführer verächtlich machen, unter Umständen sogar seine Ausstoßung aus dem Dorfe nach[S. 376] sich ziehen. Der Sitte gemäß hat der freiende Jüngling den Eltern seiner Auserwählten eine Heiratsabfindung zu leisten, die je nach seinen Vermögensverhältnissen in einem, zwei oder mehr Büffeln besteht. Dem Bräutigam wird es übrigens in dieser Beziehung sehr leicht gemacht, den Kavalier zu spielen, da die Schwiegereltern das dargebrachte Gut der Tochter ungeschmälert als Mitgift überlassen. —

Beschneidung ist in Leboni allgemeine Regel. Sie besteht in einer harmlosen Inzision. An Geschlechtskrankheiten ist seit der Boni-Expedition im Jahre 1905 die Syphilis in diese Gegend eingeschleppt worden, soll jedoch nur in leichter Form auftreten. Es ist bezeichnend, daß die Eingeborenen dafür bereits ein Heilmittel gefunden haben, einen Kräuterextrakt, den sie mit gutem Erfolge anwenden. — Mit meinen Besichtigungen im Dorfe zu Ende gekommen, begab ich mich zum Lager zurück, wo meiner noch Arbeit in Hülle und Fülle harrte. Die erworbenen Gegenstände waren zu etikettieren und transportfähig zu verpacken und die Beobachtungen zu Papier zu bringen, so daß mir die Zeit im Fluge verging. Bei sinkender Sonne besuchten mich Pieters und der Häuptling, um mit mir die bestmögliche Ausführung eines geplanten mehrtägigen Abstechers nach dem entlegenen Hochtal von Rampi zu besprechen. Hier sei eingeschaltet, daß der Häuptling den Titel Tomakaka führte, wohl eine von den südlichen Nachbarn übernommene Titularwürde ohne realen Hintergrund. In Leboni konnte sie bestenfalls dem Range eines Oberhäuptlings gleichkommen.

Die Exkursion über das Goronya-Gebirge nach dem fast unbekannten Rampi sollte gleich morgen ins Werk gesetzt werden. Um möglichst rasch vorwärts zu kommen, beschloß ich, mich auf dem Marsche dahin nur von 6 Soldaten unter Führung des Sergeanten begleiten zu lassen, denen sich mein Boy und der Masamba-Prinz Gamu anschließen sollten. Nur das Notwendigste wurde mitgenommen; das Hauptgepäck verblieb unter der Aufsicht der in Leboni zurückbleibenden Mannschaft, so daß ich mit 7 Trägern auszukommen vermochte.[S. 377] Während meiner Abwesenheit sollte der Häuptling alle Vorbereitungen für meine Weiterreise nach dem Posso treffen, so daß ich nach der Rückkehr von Rampi unverzüglich dahin aufbrechen konnte.

Zu dem auch in der heutigen Nacht in der Dusunga stattfindenden Marengo-Tanze hatte mich der Häuptling diesmal offiziell gebeten zu erscheinen, wahrscheinlich um einer Wiederholung des Abenteuers der letzten Nacht vorzubeugen. Ich leistete der Einladung Folge und ging auf ein Stündchen hinüber. Neues ist über den auf die Dauer ermüdend anzusehenden Nationalreigen nicht zu berichten. Ich benutzte aber die Gelegenheit, mir von dem gleichfalls anwesenden Kollekteur noch weitere Einzelheiten über meine nächsten Touren mitteilen zu lassen und vor allem dem Häuptling nochmals ans Herz zu legen, für einen wegekundigen Führer nach dem Posso und die notwendige Trägerzahl zu sorgen. Von Pieters, der nach Masamba zurückwollte, verabschiedete ich mich noch am selben Abend mit herzlichem Dank für seine Ratschläge.

Als ich gegen Mitternacht recht müde und abgespannt mein Lager aufsuchte, war es hundekalt, und ich legte mich deshalb im doppelten Anzug auf mein Feldbett.

Leboni — Dodólo, den 26. Oktober.

Die weite Ebene lag noch in dichten Morgennebel gehüllt, als ich mit meiner kleinen Bedeckungsmannschaft den Marsch nach Rampi antrat. Der Weg schlängelte sich durch unbebautes Land und Busch. Mehrere Wasserläufe waren zu durchschreiten, ehe wir höhergelegenes Terrain erreichten und auf schlüpfrigen Pfaden waldlose Anhöhen hinanzusteigen begannen. Wollgräser mit weißen Köpfen schmückten die Hänge. Auf den Kämmen wechselten Lalang und Farnbestände mit Hochwaldparzellen ab. Über eine Reihe solcher teilweise gerodeten Kuppen hinweg gelangten wir nach 2stündiger Wanderung zur Taleinsenkung des Salu Mui. Etwas weiter, am Salu Mokóka, einem rasch fließenden Gebirgswässerchen, lag eine verfallene Hütte; am andern[S. 378] Ufer des Flüßchens, in freier schöner Lage auf einer Anhöhe, der kleine Kampong Nondowa mit einem halben Dutzend Häuser. Diese zeichneten sich durch besonders hohe Dächer aus. Die schrägen Sparren beider Giebelseiten, sowie der horizontale Balken längs des Firstes liefen nach oben in phantastischen Hörnerschmuck aus, der durch Umspinnung der Holzenden mit Arengfasern hergestellt war. Zum Decken der Häuser war in Nondowa Lalanggras verwendet. —

201. Haus in Nondowa mit angebauter Plattform.
202. Kalk- und Sirihdosen aus Central-Celebes.

Außer den Häusern mit unterliegender Plattform und Doppelhäusern mit niedrigem Mittelbau, wie ich sie in Leboni fand, kam hier ein dritter Haustyp vor, nämlich das Einzelhaus mit angebauter Plattform. Das Innere zeigte keinerlei Abweichungen. Auch die Kleidertracht der Bewohner Nondowas glich der in Leboni herrschenden.

Es gelang mir, in dem kleinen Orte einige besonders schöne Kalkdosen für meine Sammlung zu erwerben. Dieselben bestanden aus[S. 379] Flaschenkürbissen, wie sie in dieser Form für die centralen Teile der Insel typisch sind. Zur Entnahme des Kalkpulvers sind sie an ihrem unteren Ende mit einer feinen Durchbohrung versehen. Eine größere Öffnung am oberen Ende dient zum Füllen der Behälter. Beide Öffnungen sind mit Stöpseln verschlossen, die gewöhnlich reichen Quasten- oder Federschmuck tragen. Diese »tuwila« genannten Kalkdosen sind mit verschiedenartigen, eingebrannten Ornamenten verziert, deren beliebteste und in unzähligen Varianten vorkommende Muster das Eberzahn- und das Büffelhorn-Motiv sind. Beide finden in Schnitzerei und Malerei vielseitigste Verwendung und kehren auf allen Gebrauchsgegenständen der Eingeborenen tausendfältig wieder, so daß sie für Central-Celebes als eine Art Wappen gelten können. Ersteres wird gewöhnlich in zwei Paaren gegeneinandergestellter Hauer dargestellt und ist der absonderlich gestalteten Wehr des in Central-Celebes häufig vorkommenden Hirschebers (Babirusa alfurus) nachgebildet. — Mehr subjektive Neigungen bekundet der partielle Stanniolbelag derartiger Kürbisbehälter. Ich kaufte in Nondowa ein prächtiges,[S. 380] stanniolverziertes Stück von einem Eingeborenen, dessen junge Hausfrau bei dem Geschäft bittere Tränen vergoß.

Bei weiterer Wanderung wurde die Landschaft immer interessanter. In westlicher Richtung vor uns ragten massig die hohen Waldberge des unerforschten Kororu-Gebirges auf, dessen höchste Gipfel wohl an 3000 m erreichen. Mehr nach Norden zu stieg das Bada und Leboni trennende Tomapapu-Massiv empor, dessen bedeutendste Erhebung 1600 m mißt. Der Fußpfad führte durch wasserreiche, üppige Niederungen hin, in der zart pfirsichrot blühende, süß duftende Akazienbäume häufig waren. Zum ansehnlich breiten und selbst bei der längst eingetretenen Trockenzeit noch mehr als 1 m tiefen Meloi-Fluß gelangt, zogen wir es vor, denselben zu durchwaten, da die über denselben führende Rotangbrücke an bedenklicher Altersschwäche krankte. Im Meloi-Tale trafen wir vielfach die Tjamára genannten Nadelholzbäume an. — Eine bewaldete Anhöhe hinansteigend, wobei wir mehrfach an Rodungen und Anpflanzungen vorüberkamen, gelangten wir schließlich zum Salu Mabu und jenseits desselben zum Kampong Dodólo. Unser Anmarsch war bereits bemerkt worden, und als ich drüben aus dem Wasser die steile Uferböschung hinankletterte, erwartete mich oben eine Gruppe von Männern, welche mir den alten blinden Häuptling des Platzes zur Begrüßung entgegenführten.

Dodólo war eine noch unausgebaute Siedelung, welche zur Zeit erst 2 fertige und 4 oder 5 im Bau befindliche Häuser zählte. Die Mehrzahl der Bewohner behalf sich mit provisorischen Quartieren. Bereits vollendet waren nur ein Unterkunftshaus für Mannschaften oder Träger und ein Fremdenhäuschen, in denen wir uns sofort einrichteten.

Das auf einer Anhöhe gelegene Dörfchen gewährte eine prachtvolle Aussicht auf das Kororu-Gebirge und das schöne Flußtal und gefiel mir so ausnehmend, daß ich beschloß, den Rest des Tages hier zu verbringen. Der Marsch von Leboni bis Dodólo hatte gerade 4 Stunden in Anspruch genommen.

[S. 381]

Von einem erfrischenden Bade im Gebirgswasser des Mabu in mein Quartier zurückgekommen, fand ich hier Abgesandte des Häuptlings vor, welche mir dessen Gastgeschenke, ein Ferkel und ein Huhn nebst der nie fehlenden Reisspende und den darinliegenden Eiern, überbrachten.

203. Frauen aus Dodólo.

Die Bewohner des Ortes waren arme Leute, die an begehrenswerten ethnographischen Gegenständen nur wenig besaßen. Das Vorhandene glich völlig den Leboni-Sachen, mit einziger Ausnahme der Fuja-Weiberjacken, die hier so steif mit Öl durchtränkt vorkamen, daß sie, auf den Boden gestellt, gleich starren Panzern stehen blieben. Auf dem nackten Körper getragen, müssen diese »goléwa« entsetzlich lästig und heiß sein. Neu sahen die Kleidungsstücke ganz gut aus, desto trauriger aber in abgetragenem Zustande. Die Jacken kamen in 3 Farben vor: hellbraun, dunkelrotbraun und schwarz. Stets waren dabei Armzwickel aus blauem Kattun eingesetzt. Außerdem gab es Stoffjacken aus grobem dunkelblauen Gewebe, welches über Rampi, von der Küste her Eingang findet. Man überließ mir willig jedes gewünschte Stück. Trotzdem sich meine Wahl ausschließlich auf unbenutzte Exemplare beschränkte, gewahrte ich bald mit Schrecken, daß auch diese von Flöhen geradezu wimmelten. Ein großes Klopfen, Bürsten und Lüften nebst Einstäubung mit Naphthalin war notwendig, ehe die erworbenen Objekte eingepackt werden konnten. Beim nächtlichen Plattenwechsel machte mir der durch tausend Ritzen dringende Mondschein viel zu schaffen. — Die Bewohnerschaft Dodólos feierte[S. 382] das Ereignis des Tages — womit der aus meinen Ankäufen resultierende Guldenregen gemeint ist — mit einem bis gegen Tagesanbruch währenden Marengo-Tanz, der meine Nachtruhe stark beeinträchtigte.

Dodólo — Tedeboi (Rampi), den 27. Oktober.

Zeitig morgens brachen wir nach Rampi auf. Am Fuße der Hügelkette entlang, zur Rechten den Salu-Mabu, kamen wir an den Pflanzungen der Eingeborenen vorüber. Von den bewaldeten Höhen herab tönte mir in Celebes noch nie gehörter heimatlicher Kuckucksruf entgegen. Aus dem schweren Hochwalde des jenseits des Flusses aufsteigenden Gebirges erscholl das unkenartige tiefe ūó-ūó des »burung babi«, des Schweinevogels. Es gelang mir bisher niemals, diesen von der einheimischen Bevölkerung so wenig schmeichelhaft benannten Vogel zu Gesicht zu bekommen, trotzdem sein weithin durch die Wälder hallender Ruf alltäglich zu vernehmen war. — Nach ¾stündigem Talmarsch wandten wir uns in die Berge zu unserer Linken, um die äußerst steilen Hänge hinanzuklettern. Bis zu 4–500 m Höhe waren sie mit schönem Urwalde bestanden, der dann unvermittelt, wie vor einer unsichtbaren Schranke aufhörte, um einem baumlosen Hochsteppengebiet Platz zu machen. Die 1000 m-Grenze war bereits überschritten, als wir nach heißem Mühen den Kamm des Goronya-Gebirges erreichten, dessen wechselreich gestalteter Rückenlinie wir nun etwa 1 Stunde lang nachgingen. Der sich uns auf diesen windigen, einsamen Höhen erschließende Ausblick war von imponierender Großartigkeit; schade nur, daß die Schönheit des Bildes durch Dunstschleier etwas beeinträchtigt wurde. Soweit man zu sehen vermochte, wölbte sich Kuppe an Kuppe; zwischen ihnen zogen sich in gähnender Tiefe schmale Talschluchten hin. — Ich weiß nicht, wie weit sich diese Kammwanderung hätte ausdehnen lassen; denn wir bogen nun von der bisherigen Richtung links ab, um uns den zu uns heraufgrüßenden Kulturtälern von Goronya und Rampi zuzuwenden. Bald war die Grenze des Waldgürtels wieder[S. 383] erreicht, und nach 4stündigem Marsche standen wir im Talgrunde von Goronya am Wekoronya-Flüßchen. — Ohne Aufenthalt wurde die Wanderung nach Rampi fortgesetzt.

Ein querstreichender, steriler Gebirgsausläufer wurde im Sturme genommen. Von seiner Höhe aus genoß ich den vollen Ausblick auf das entlegene Reistal von Rampi, das sich in stundenweiter, völlig ebener Fläche zu unseren Füßen hinbreitete, bewässert durch den sich in mäandrischen Krümmungen durch die Ebene windenden Tedeboi-Fluß. Unten angelangt, galt es zuerst, dieses etwa hüftentiefe und ziemlich reißende Gewässer zu passieren. Eine darübergeschlagene Rotang-Hängebrücke befand sich in einem der Auflösung nahen Zustande, so daß keiner meiner Leute auch nur den Versuch wagte, sich ihrer zu bedienen. Auch ich zog ein freiwilliges Bad dem sicheren unfreiwilligen vor. Drüben befanden wir uns auf einem unübersehbaren Sawa-Gebiet, auf dessen schmalen Dämmen wir nun auf Zickzackwegen dem Hauptdorfe der Rampi-Ebene, Tedeboi, zustrebten.

Zahllose Scharen Sumpf- und Wasservögel belebten die Reissümpfe; niemals sah ich anderswo in Celebes solche Mengen Vogelwildes beisammen. Im hohen Riede der brach liegenden Sumpfländereien brüteten Reiher, Scharben und rote Ibisse; auf freien Lachen tummelten sich Hunderte von Enten und kleine Gesellschaften Wildgänse, sowie Sichelschnäbler, Wasserhühner und Bekassinen. Riesenstörche zogen im Gleitfluge weite Kreise über diesem ergiebigen Jagdrevier, und beutelüsterne Raubvögel spähten aus luftiger Höhe nach Opfern ihrer Freßgier.

Wir kamen an zahlreichen Feldhütten und kleinen Wächterhäuschen vorüber. Weit vor uns, ziemlich in der Mitte der Ebene, verriet ein Bambushain die Lage des darunter versteckten Tedeboi, welches wir eine Stunde später erreichten.

Dieses größte Dorf der Landschaft Rampi umfaßt auf verhältnismäßig engem Raume gegen 250 Häuser mit ca. 600 wehrfähigen Männern oder insgesamt 1500 Bewohnern. Es ist also ungefähr dreimal so[S. 384] volkreich wie Leboni. Eine doppelte mit Bambus bestandene Erdumwallung umschloß das Dorf ringförmig.

204. Im Dorfe Tedeboi.

Auf meine Signalschüsse blieb im Dorfe alles ruhig, während aus der weiteren Umgebung die Leute eilig herbeiliefen. Etwas befremdet betrat ich den alten Kampong, um nun allerdings zu sehen, daß die Ruhe darin nur Schein gewesen war; denn als ich an der Spitze meiner Leute einzog, wimmelte es daselbst von Menschen. Der erste Eindruck, den ich von dem Dorfe mit seinen dicht stehenden, enge Gassen bildenden Häusern empfing, war ein recht bedeutender. Dagegen war die Tracht der Rampi-Bevölkerung, bei welcher fremde Einflüsse bereits Eingang gefunden haben und eine Rolle zu spielen beginnen, weniger eindrucksvoll und malerisch als die von Leboni.

Der Häuptling, von den angesehensten seiner Stammesgenossen umgeben, erwartete mich auf dem Platze in der Mitte des Dorfes zur feierlichen Begrüßung und gab mir hernach mit seinem ganzen Gefolge das[S. 385] Geleit zum Fremdenhause, das auf der entgegengesetzten Seite Tedebois in Büchsenschußweite davon an einem Bachlaufe errichtet war. Ähnlich wie in Leboni bestand es aus einem einkammerigen Miniaturhäuschen und einem größeren Schuppen.

205. Frauen in Tedeboi beim Reisstampfen.

In ganz Tedeboi gab es nicht einen Menschen, der Malayisch verstand, und somit war ich gänzlich auf meine Barée sprechenden Dolmetscher angewiesen. Dementsprechend war die Konversation recht stockend, und es kostete mich viel Mühe, dem Häuptling den Grund meines Hierherkommens begreiflich zu machen. Als der Zweck endlich erreicht war, begaben sich die Ältesten nach Tedeboi zurück, um der dort neugierig harrenden Bewohnerschaft Bericht zu erstatten. — Eine halbe Stunde später kamen die Honoratioren abermals, um mir das Gastgeschenk zu überbringen. Dieses bestand aus einer großen Mulde voll Reis, in der 3 Eier lagen, sowie aus einem großen und 3 kleinen Hühnern. —

[S. 386]

In Begleitung des Häuptlings machte ich etwas später dem Dorfe meinen Besichtigungsbesuch. Gleich den To-Leboni zeichneten sich auch die Rampi-Leute durch auffallend reichliche Gewandung aus, die bei den Männern ziemlich ausnahmslos aus Hose, Jacke, Haupt- und Schultertuch bestand. Während die genannten Kleidungsstücke aber in Leboni mehr oder weniger reich mit bunten Stickereien geschmückt waren und Schulter- wie Haupttücher aus teilweise schön gemusterten Fuja-Stoffen bestanden, fand ich sämtliche Kleidungsstücke in Tedeboi ohne jeden Musterschmuck, Slendang und Haupttücher aber aus importierten javanischen Stoffen hergestellt. — Jeder der Männer trug einen Klewang; selbst halbwüchsige Knaben hatten Messer im Tjdako stecken. Muschel- und Bronzearmbänder, vermutlich auf dem Tauschwege hierher gebracht, wurden viel getragen, ebenso bronzene Fingerringe, nach Malayenmanier mit großen bunten Steinen besetzt. Während die Bronzegeräte aus der Landschaft Mori stammen dürften, ist der Muschelschmuck ein zweifellos von der Küste her eingeführtes buginesisches Erzeugnis.

Das weibliche Geschlecht bevorzugte noch Fuja-Kleidung und erwies sich also auch in Rampi der alten Sitte treuer als das männliche. Röcke und Jacken bestanden aus häßlicher grober Fuja in dunkelbrauner und schwarzer Färbung ohne bunten Aufputz oder Besatz. Ältere Frauen trugen umfangreiche Turbane aus dem gleichen Stoffe; die Mehrzahl der Weiber ging barhäuptig. Jüngere Frauen trugen einfache Bastringe als Scheitelzier. Die Gesichtsbemalung fand ich in Tedeboi anscheinend in der Abnahme begriffen. Sie bestand in einzelnen schwarzen Punkten oder Strichen auf Stirn und Wangen. — Ohrscheiben aus aufgerollten, ca. 1 cm breiten Baststreifen — sogenannte Ohrerweiterer — waren vielfach in Gebrauch.

Zu vorstehenden Ausführungen muß ich bemerken, daß ich allerdings nur die Alltagstracht der Tedeboier zu sehen bekam. Trotzdem ist anzunehmen, daß viel Besseres nicht existiert, da mir andernfalls bei meinen Einkäufen sicherlich auch Festtagskleidung angeboten, mindestens aber gezeigt worden wäre. —

[S. 387]

Als merkwürdigen, den Rampi-Frauen eigenen Schmuck erwähne ich die enorm schweren Armspangen-Garnituren aus Messing, wie sie von den vornehmeren Frauen lebenslang mitgeschleppt werden. Auf der folgenden Abbildung sind 2 derart geschmückte Frauen zu sehen. Jede derselben trägt 12–15 solcher insgesamt mehrere Kilo wiegenden Spangen an jedem Arme. Die Größe derselben paßt sich diesem vom Handgelenke bis zum Ellenbogen an. Da die Ringe nicht abgenommen werden können, machen sie den freien Gebrauch der Arme unmöglich. Wie die vornehmen Buginesen durch möglichst lange, sorgfältig gepflegte Fingernägel, wollen die wohlhabenden Rampi-Frauen durch ihre schweren Armringe zeigen, daß sie nicht zu arbeiten brauchen. Diese Messing-Schmucksachen sollen gleichfalls aus Mori stammen. Tatsächlich glichen sie in der Art ihrer Herstellung völlig den von mir dort gesehenen »lánke«, den Fußreifen der Tambe-É-Frauen. Bei der großen Entfernung der Landschaften Rampi-Mori bleibt es immerhin einigermaßen seltsam, auf welche Weise dieser Austausch vor sich geht.

206. Häuptlingsfrauen aus Tedeboi mit Messing-Armschmuck.

Es war mir unmöglich, einen Satz dieser in Rampi »gála« genannten Armreifen zu erwerben. Erstlich sind dieselben, wie ich bereits erwähnte, nicht mehr abzulegen, man müßte denn die wohl zusammenstoßenden, aber nicht zusammengeschweißten Endstücke mit Gewalt auseinanderbiegen; zweitens aber verlangt es der Adat, daß die Frauen[S. 388] ihre Ringe mit ins Grab bekommen. Es käme einer Entehrung gleich, sie ihnen abzunehmen. Auf mein Drängen wurden mir schließlich ein paar einzelne neue Reifen gebracht. Aus den mir hierüber gemachten verworrenen Angaben glaube ich entnehmen zu dürfen, daß die nur von Verheirateten getragenen »gála« nicht als Ganzes erworben werden, sondern daß mit dem Anlegen eines und zwar des engsten Ringes begonnen wird, dem nun in gewissen Zeitabschnitten weitere Reifen angefügt werden, bis schließlich der ganze Unterarm damit bedeckt ist. Sodann beginnt die Ausstattung des andern Armes in derselben Weise.

Die Häuser in Tedeboi waren fester, massiger gebaut als in Leboni. Keinem derselben fehlte die Veranda-Plattform. Schindelbedachung war die Regel, wobei der First seiner Länge nach mit dickem Arengfaserbelag gegen Regen gedichtet war. Die Balkenstützen der Häuser ruhten auf einem aus dicken Stämmen bestehenden Roste; dieser wiederum lag auf untergelegten Steinen. Die Giebelenden liefen in Hörnerschmuck aus, wie in Nondowa. Die Anordnung der Wohnräume bot nichts Neues. Die Hütten stehen dicht beieinander und sind daher den heftigen Winden und der Abkühlung in den kalten Nächten weniger ausgesetzt.

207. Eingang zum Geisterhaus in Tedeboi.
Speer
208.

Das wichtigste Gebäude des Dorfes war die Dusunga. Gleich den andern Häusern stand sie auf einem niederen Rost aus dicken Balken. Der Eingang befand sich in der Mitte einer Längswand, und zwar innerhalb eines komplizierten Vorbaues, dessen horizontale Balkenenden in roh geschnitzte Büffelköpfe ausliefen, während 2 Strebepfeiler menschliche Figuren darstellten und zwar einen Mann und eine Frau mit stark herausgearbeiteten Genitalien. Neben diesem Eingange hingen an einer Schnur eine Anzahl Schweinekiefer. — Aus dem Dache des Vorbaues über dem Eingange sprangen 2 in Form von Büffelköpfen geschnittene Schindeln vor. Im Vorbau selbst schwebte oberhalb der Tür unter dem Gebälk eine hölzerne Vogelfigur mit tief herabhängenden Zieranhängseln in den Krallen. Ein eingekerbter[S. 389] Stamm führte zur Dusunga hinan. Durch die Tür konnte man nur stark gebückt eintreten. Drinnen war es so finster, daß das Auge geraume Zeit bedurfte, um überhaupt etwas unterscheiden zu können. Es war ein verwahrloster, schmutziger Raum, der Boden mit Abfällen von wer weiß wie vielen Festmahlen bedeckt. Der Reis- oder Lebensbaum war an dem in der Mitte errichteten Hauptpfosten befestigt und reichte vom Boden bis zum Dache. An diesen Pfosten wurden, dem Reisbaum abgewandt, die auf Kopfjagden Gefangenen, sowie die zum Opfertode ausersehenen Sklaven gefesselt. Als Anlaß zu einem Menschenopfer galt in Rampi vor allem der Tod eines Häuptlings, dessen Seele im Jenseits einen Diener brauchte. Der Verstorbene wurde nicht begraben, bevor das erforderliche Totenopfer gebracht war und ein erbeuteter Schädel auf den Sarg gelegt werden konnte. Außerdem wurden grassierende Krankheiten, Mißwachs, Erdbeben oder dergl.[S. 390] als zwingende Gründe angesehen, den erzürnten Geistern Schädel als Opfergabe darzubringen, um sie zu versöhnen. Das Töten geschah in sehr grausamer Weise, durch schwach geführte Hiebe mit dem Klewang, wobei jeder der Männer sein Messer mit dem Blute des Gemarterten röten mußte, bis der Unglückliche schließlich durch einen Lanzenstich getötet wurde.

In einer dem Bretterbelage des Bodens eingefügten und diesen etwas überragenden dicken Planke vor dem Marterpfosten war eine hohlgeschnitzte, von zwei einander gegenüberstehenden Büffelköpfen flankierte Mulde angebracht, in welche bei solchen Ritualmorden oder nach siegreicher Kopfjagd der abgeschlagene Schädel gelegt wurde. Das Gehirn wurde unter die Männer verteilt und der Schädel später im Sparrenwerk des Daches als Opfergabe aufgehängt.

An Geräten sah ich in der Dusunga nur Trommeln der gewöhnlichen Art, aus einem fellbespannten Holzcylinder bestehend. Nicht eine davon hatte Schnitzarbeit aufzuweisen.

209. Frauen-Rückenkorb aus Rampi.

Meine Erwartung, in Tedeboi eine Kultur mit ausgeprägter Eigenart vorzufinden, erfüllte sich nicht. Wohl aber gelang es mir, eine ansehnliche Zahl von Objekten zu erlangen, die manches Neue boten. Hierzu gehörten Kalkdosen, deren Stöpsel zugleich Behälter für Nähnadeln bargen. Hübsch beschnitzte Holzdosen bewiesen mir, daß den Rampi-Leuten auch ein gewisser Sinn für Formenschönheit zuerkannt werden muß. Die interessantesten Stücke, die ich in Tedeboi zu Gesicht bekam, waren 2 schön ziselierte, breitklingige Lanzen, die vor der Tür eines dem Häuptling gehörenden Reisspeichers kreuzweise befestigt waren. Der Verkauf auch nur einer derselben wurde strikte verweigert. Es seien dies heilige Lanzen, hieß es, die nur bei großen Festlichkeiten benutzt würden. Mit Wahrscheinlichkeit ist anzunehmen, daß es die Lanzen waren, mit welchen bei Menschenopfern den Unglücklichen der Garaus gemacht wurde. Dies durfte einem Europäer gegenüber natürlich nicht zugegeben[S. 391] werden; denn das Gouvernement versteht höllisch wenig Spaß in solchen Dingen. Wenn trotzdem, auch in der Gegenwart noch hin und wieder Menschenopfer vorkommen, so kann dies nur in größter Heimlichkeit geschehen, widrigenfalls es leicht dem Häuptling selbst an den Kragen gehen könnte.

Im Verlaufe des in Tedeboi verlebten Nachmittags nahm ich auch eine Reihe von photographischen Aufnahmen vor, ohne dabei auf Widerstand zu stoßen. Nur zu Einzelbildern waren die Leute nicht zu gewinnen.

Gegen Abend wurde es stürmisch und begann zu regnen. Das unfreundliche, kalte Wetter hielt die Nacht über an. Um Mitternacht etwa veranstaltete man im Dorfe Marengo-Tänze. Der Spektakel der johlenden Männer dauerte bis in den frühen Morgen hinein, wobei für mich von Schlaf herzlich wenig die Rede sein konnte; auch peinigten mich Moskitos, die in unerhörter Anzahl und Bösartigkeit auftraten. Wie in Leboni und Dodolo standen die Marengo-Ressourcen auch im Rampi-Tale mit der Wiederkehr der Reisbau-Periode im Zusammenhange.

Tedeboi — Leboni, den 28. Oktober.

Besseres, als ich durch meine gestrigen Bemühungen an ethnographischer Ausbeute erlangt hatte, war in Tedeboi nicht mehr zu erwarten. Da ich außerdem in diesem Hauptdorfe von Rampi alles irgendwie Bemerkenswerte besichtigt hatte, trug ich kein weiteres Verlangen mehr, auch noch die kleineren, weit zerstreuten Siedelungen des Tales aufzusuchen, und gedachte nun, wenn irgend möglich, die reichlich 10stündige Entfernung bis Leboni in einem Tage zurückzulegen.

[S. 392]

Im Morgengrauen erhob ich mich. Ein schneidender Wind fegte über die Reissümpfe, und feuchte Nebel verhüllten die Berge. Zähneklappernd braute ich mir einen steifen, wärmenden Grog zurecht. Vom Dorfe herüber tönte noch immer das Gestampfe der Tanzenden, und ich mußte erst die bestellten Träger herbeirufen lassen. Kurz nach 6 Uhr waren alle zum Abmarsche bereit, und wir verließen Tedeboi auf demselben Wege, den wir gekommen waren.

210. Rampi-Gebirge.

Von dem Rampi vorgelagerten Bergzuge aus gedachte ich eine Panorama-Aufnahme der Ebene vorzunehmen, wurde aber durch Nebel daran gehindert. Mit Mühe und Not gelang es mir später, vom höchsten Sattel des Goronya-Gebirges aus eine einigermaßen brauchbare Aufnahme des Rampi-Gebirges auf die Platte zu bekommen. Die ungleich großartigere Aussicht nach den Kororu-Hochgipfeln zu blieb heut leider verschleiert.

Der Anstieg war von Rampi aus weniger mühsam als in umgekehrter Richtung. Auf dem Rückmarsch fielen mir ganze Felder weißblühender[S. 393] Alpenrosenbüsche auf, die von Bienen und Hummeln, den nahezu alleinigen Vertretern der Insektenwelt hier oben, umschwärmt wurden.

Nach 5stündigem Marsche wiederum im Mabu-Tal angelangt, unternahm ich daselbst noch einen Abstecher nach dem kleinen Dörfchen Bóne, das hinter einem Waldgürtel versteckt dicht am Flusse lag. Es war eine genaue Kopie Dodólos, und auch meine Sammlung wurde lediglich mit einer Neuauflage einer Variation von Fuja-Jacken bereichert. Wundervoll schmeckende Bananen entschädigten etwas für die geringe Ausbeute. — Eine Stunde später war Dodólo erreicht, wo rasch die Träger gewechselt wurden. — Bei Nondowa überraschte uns ein heftiger Gewitterregen. Das Unwetter zog aber schnell vorüber, und die Sonne trocknete unsere durchweichten Kleider. Gegen Abend erreichten wir Leboni und bezogen aufs neue unsere dortigen Quartiere, gerade zur rechten Zeit, um einer abermaligen Durchnässung zu entgehen. Das »Regenfest« schien seine Wirkung getan und ein Öffnen der himmlischen Schleusen herbeigezaubert zu haben.

Im Lager fand ich alles in guter Ordnung; nur mit den zum Weitermarsche nach dem Posso-See nötigen Trägern hatte es seine Not. Jetzt, da der Regen gekommen war und alle Eingeborenen mit den Feldarbeiten zu tun hatten, drückte sich jeder vor der ihm zugedachten Trägerrolle, und der Häuptling konnte nicht genügend Leute heranschaffen. Nun waren wir auch noch einen Tag früher, als er angenommen hatte, von Rampi zurückgekehrt, und als ich ihm sofort nach unserer Ankunft eröffnete, daß ich gleich am kommenden Tage meine Reise fortzusetzen wünschte, konnte er mir mit ganzen 7 Mann aufwarten. Damit war mir nicht gedient, und der »tuan tomakaka« mußte eine eindringliche Mahnrede über sich ergehen lassen, auf welche er zerknirscht versprach, noch vor einbrechender Nacht aus den nächsten Plantagen die fehlenden Träger rufen zu lassen.

[S. 394]

Leboni — Kumápa, den 29. Oktober.

Meine Soldaten mit ihrer Trägerkolonne harrten marschbereit des Befehls zum Aufbruch. Wo aber blieben die Leute zum Transport meines Gepäckes? Die nach allen Seiten entsandten Boten hatten wenig ausgerichtet, so daß immer noch 10 Träger fehlten. Um 7 Uhr ließ ich die zur Stelle befindlichen Kulis und die des Militärs voraus abmarschieren. Währenddessen machte sich der Häuptling nochmals persönlich auf den Weg, nach den fehlenden Leuten zu fahnden. Darüber vergingen 2 Stunden, die ich zu einem letzten Rundgange im Dorfe benutzte. Endlich kam der Tomakaka, ganz aufgelöst vor Hast und Aufregung, mit 9 Mann zurück. Ein 10. war nirgends aufzufinden gewesen, und in anzuerkennender Selbstverleugnung erklärte sich der gefürstete Dorfbeherrscher bereit, dieser 10. Mann so lange selbst sein zu wollen, bis es uns unterwegs gelingen würde, Ersatz aufzutreiben.

Unverzüglich übernahmen nun die Leute, der Häuptling voran, ihre Lasten, und wir verließen das mir erinnerungsreiche, interessante Leboni.

Mein bisheriger Reisemarschall, der jugendliche Masamba-Prinz Gamu mit seinen Begleitern, hatte sich bereits im Dorfe von uns verabschiedet. Er kehrte noch an demselben Tage in seine Heimat zurück, und ein Verwandter des Leboni-Häuptlings ersetzte seine Rolle als Führer und Dragoman.

Wir verließen die Bola durch dieselbe Pforte, durch welche wir hier eingezogen waren, und verfolgten denselben Weg etwa ½ Stunde weit zurück, um dann durch eine wüste Strecke sumpfiger Schilfländereien den nördlichen Hügeln zuzustreben. Dabei wurde der Leboni-Fluß 3mal gekreuzt. Es waren richtige Büffelpfade, denen wir nachgingen, und als die Vorberge endlich erreicht waren, atmete ich mit Wohlbehagen die reinere Luft. Über eine Reihe mit Gestrüpp bewachsener Hügelkuppen hinweg stiegen wir zur Felsenschlucht des Dupa- und Boni-Flusses hinab, deren Gewässer sich hier vereinten. Vor uns breitete sich eine[S. 395] düstere Berglandschaft aus, deren voreinandergelagerte Ketten zum Taraówa-Gebirgssystem gehörten. Hoch und steil erhoben sich diese unerforschten Gebirge, in deren Bereich der Urwald ungeschmälerte Rechte besitzt. Auf Steigen, die das Hackmesser vorausgesandter Leute im Buschwerk erst gangbar machen mußte, arbeiteten wir uns mühsam empor. Tiefes Dämmerlicht herrschte unter den dichten Kronen der Baumriesen. — Auf einem Höhenrücken angelangt, war die Wegerichtung etwas leichter zu verfolgen, bis wir zu einem tiefen Gebirgseinschnitt gelangten, in dessen Tiefe der Salu-Gladu dahinrauschte. Am sonnigen Ufer desselben erwarteten uns die vorangegangenen Träger, die von ihrem Marsche durch die Leboni-Ebene aus entlegenen Hütten einige Ersatzleute mitgebracht hatten. Der Häuptling von Leboni kehrte hier mit den abgelösten Trägern, für seinen uns geleisteten Dienst reichlich beschenkt, in sein Dorf zurück.

Die Mittagsstunde war bereits vorüber, als wir uns zur Bewältigung des Hauptgebirgsstockes anschickten. Für die nun folgende, mehrere Stunden währende anstrengende Klettertour durch den wie ausgestorben daliegenden schweigsamen Urwald belohnte mich auf der Höhe eines Gebirgssattels der Ausblick über die lichte, freie Landschaft. Der frohstimmende Charakter der Scenerie war wohl hauptsächlich dem grellen Kontrast zwischen dem schweren Ernst der Hochwälder und diesem sonnig freundlichen Parkgelände zuzuschreiben. Herrlich strahlte die Sonne herab auf duftig zartgefiedertes Myrtengesträuch und dunkelblättrige Azaleenbüsche mit schlanken karmesinroten Blütenkelchen. Evonymusbüsche mit rosa leuchtenden Früchten zauberten die Illusion einer deutschen Heide vor. Eingestreut zwischen all die duftenden Kräuter ringsumher lugten Nepenthesblüten als seltsamste Pflanzenerscheinungen aus dem bemoosten Boden. — Kaum ein halbes Stündchen dauerte diese Herrlichkeit; dann nahm die Landschaft tundraartiges Aussehen an. Moospolster in allen Nuancen von Weißgrün, Gelbweiß, Orange und Silberfarben bis zum dunklen Blau und Schwarzgrün breiteten sich, weiche Teppiche bildend, über das Gelände hin.[S. 396] Dazwischen blühten in prächtigem Ultramarin leuchtende, dem Enzian ähnliche Blumenglocken aus dem Moose hervor. Der Untergrund wurde feuchter, und der Boden begann unter dem Tritte zu weichen. Vorsichtig galt es die Moorpfannen zu umgehen; eine Unvorsichtigkeit auf diesem gefährlichen Terrain konnte verhängnisvoll werden. Beim Messen der Tiefe einer dieser mit einer trügerischen Kruste bedeckten Stellen fand ich bei 4 m noch keinen festen Grund. Mehrmals erwies es sich nötig, junge Bäume zu fällen, die, über unsichere Stellen geworfen, dem Fuße einigen Halt gewährten. Langsam neigte sich der Pfad talwärts, und das Terrain wurde wieder zuverlässiger. Auf die Moorstrecke folgte ein trockener Laubwald, durch welchen wir zu einer vorspringenden Kuppe mit herrlichem Rundblick auf die unabsehbare Berglandschaft gelangten. Den unzähligen Hirschfährten und Schweinespuren nach muß dieser Höhengürtel besonders wildreich sein.

Wir stiegen nun zur Einsenkung des Salu-Polanda nieder, dessen Wasser tief ockergelb gefärbt erschien. Das Gewässer wurde nach kurzer Rast durchwatet und ein jenseits desselben sich erhebender Gebirgsstock überschritten. Schon begann es Abend zu werden, als wir endlich in der Tiefe den Salu-Kumápa rauschen hörten, zu dessen Schlucht wir nun über Stock und Stein hinabkletterten. Auf einer etwas oberhalb des Flußbettes gelegenen Blöße schlugen wir nach 8stündigem Marsch unser Lager auf.

Der Platz war zu einem Biwak wie geschaffen. Eine haushohe Felsenmauer schloß ihn nach rückwärts, eine steil abfallende Böschung nach dem Flusse hin ab. Erstere bildete mehrere geräumige Nischen, unter deren überhängendem Gestein wir uns häuslich einrichteten. Beim Eintreffen der Träger prasselten bereits lustige Feuer, und bald sangen die kochenden Kessel dem hungrigen Magen ihr einschmeichelndes Lied. Dickichte von Himbeersträuchern lieferten uns zum Nachtisch große Mengen wohlschmeckender Früchte.

[S. 397]

Waldbiwak Kumápa — Mabungka, den 30. Oktober.

Der heutige Tag brachte uns zum Beginne unseres Marsches eine Fortsetzung der gestrigen halsbrecherischen Auf- und Abkletterei über weglose Bergländereien. Nach Durchwatung des kühlen Kumápa-Flusses drangen wir in feuchten Urwald ein, richtigen Dschungel, mit einem Gewirr von großblättrigen hohen Kräutern. Während des stundenlangen Durchdringens dieser weg- und steglosen Dickichte war mir nur eins rätselhaft, nämlich auf welche Merkmale mein Führer achtete, um die einzuhaltende Richtung nicht zu verlieren. — Gegen 10 Uhr vormittags kamen wir zu einem breiten, seichten Gewässer, welches mir als Salu Duíla bezeichnet wurde. Von hier aus ging es nochmals quer über einen Gebirgsausläufer hinweg, bis wir um 11 Uhr auf eine langgestreckte Niederung hinaustraten, deren Mitte ein tiefschwarzer Moorsee einnahm. Die Gegend bildete die Grenze zwischen den Bergwäldern und der sich nun vor uns ausbreitenden unübersehbaren Schilfregion. Rohr und Binsen von 3–4 m Höhe, sowie die vielen darunter verborgenen Moraststellen und Schlammpfannen setzten unserem weiteren Vordringen böse Hindernisse entgegen. Schritt vor Schritt mußte mit dem Buschmesser die Bahn freigemacht werden. Anscheinend waren wir zuletzt doch etwas in die Irre gegangen. Glücklicherweise stießen wir beim Suchen nach gangbareren Strecken mitten im dichtesten Rohr auf zwei auf der Jagd befindliche Eingeborene. Es waren Tolampu-Männer von der Rato-Hochebene, Vater und Sohn, mit denen wir auf so zufällige Weise in Berührung kamen. Ihre Kleidung bestand nur in Schamlappen, ihre Bewaffnung in schweren Lanzen und Buschmessern. Als sie sich uns so unvermutet gegenübersahen, verwandelte sich ihre Gesichtsfarbe vor lähmendem Schrecken in Aschgrau, und in instinktiver Abwehrbewegung griffen sie zu ihren Lanzen. Mein Führer beruhigte sie schnell mit ein paar Worten, worauf sie uns in kurzer Zeit auf den richtigen Weg brachten. Ein netter Weg übrigens, was uns als solcher bezeichnet wurde! In der kompakten Masse der Rohrwände öffnete sich eine Art Tunnel, gerade hoch und breit genug, um einem Mann in[S. 398] stark gebückter Stellung das Hineinschlüpfen zu ermöglichen. Einige Soldaten krochen voran, um mit Hilfe der Säbel den engen Pfad gangbarer zu machen. Ich folgte ihnen auf dem Fuße. In der Röhre herrschte eine mephitische Luft, und auch die morastige Beschaffenheit des Bodens machte den Aufenthalt darin zu einem höchst zweifelhaften Vergnügen. »Djalan babi útan!« fluchten meine Soldaten, und der Doppelsinn des Wortes stimmte aufs Haar: ein »Schweineweg« war es nach Entstehung und Beschaffenheit. Eine kurze Viertelstunde nur nahm das Passieren dieses Tunnels in Anspruch; aber wie endlos lang scheinen 15 Minuten unter solchen Umständen! Endlich wurde es lichter, und wir krochen auf eine schön kupierte weite Grasebene hinaus. Es war ein überraschender Anblick, den wir nun genossen. Eins der unbekanntesten Gebiete von Central-Celebes, die Hochebene von Rato, erstreckte sich vor uns in großer Ausdehnung von Südost nach Nordwest. Das Taraówa-Gebirge war überschritten, und in schönen Silhouetten umrahmten seine Ausstrahlungen beiderseits die steppenartige Hochfläche. Hier und dort tauchten menschliche Ansiedelungen auf. Das Taraówa-Gebirge bildet die Scheidewand zwischen den die Rato-Ebene bewohnenden Tolampu und den zu den To-Bada gehörenden Leboniern. Erstere gehören bereits zur Influenzsphäre des Posso-Gebietes, als dessen äußersten Vorposten man die Hochebene von Rato betrachten kann.

Eine verhältnismäßig gemächliche und schöne Wanderung über sanft ansteigendes Hügelgelände ließ mich die Unbill der letzten Wegpartie rasch vergessen. Wir waren dicht bei den bewaldeten westlichen Bergausläufern auf die Steppe herausgekommen. Unterhalb des Waldes waren die Abhänge mit einem Rasen von kaum handhohem Grase bedeckt, und die tiefer gelegenen Teile gingen in Lalangflächen und Rohrsümpfe über. Man hat sich das Terrain am besten als eine ungeheure Längsmulde vorzustellen, in deren Mitte sumpfiger Boden vorherrscht, während die ansteigenden Seiten aus Grasland bestehen, das in bescheidenem Maße bereits der Kultur dienstbar ist und Tabak-, Mais- und Gemüsefelder trägt.

[S. 399]

Gegen 1 Uhr mittags erreichten wir das erste Dorf, nach der ganzen Hochebene »Rato« genannt. Es war eine wenig imponierende Niederlassung, mit kaum einem Dutzend schindelgedeckter Pfahlhütten. Unter diesen zeichnete sich nur der Lobo, wie das Geisterhaus in den nun betretenen Gebieten genannt wird, durch seine stattliche Größe und solide Bauart aus, die in auffallendem Kontraste zu seiner bescheidenen Umgebung stand. Aus irgendeinem Grunde waren bei unserer Ankunft fast alle Dorfbewohner abwesend, und die Hütten lagen wie ausgestorben. In einer einzigen derselben fand ich eine Familie zu Hause. Der Mann war nur mit dem Tjdako, die anwesenden Frauen waren mit schwarzen Fujaröcken und schauderhaft abgetragenen indigoblauen Jacken bekleidet, so daß sie mir wie in Lumpenbündel gehüllt erschienen. Die Gesichter der Frauen und Kinder waren mit vertikalen schwarzen Harzstreifen bedeckt. Ihre Vorderzähne waren ausgebrochen, und das vom ewigen Tabak- und Sirihgenuß angeschwollene Zahnfleisch fiel unangenehm auf.

211. Tolampu-Knabe mit Regenmatte.

Die Anordnung der Wohnräume wich von der bisher angetroffenen ab. In Rato diente eine ganze Längshälfte der Hütten den Familien zum gemeinsamen Aufenthalt während des Tages, während die andere in Kammern geteilt war und die Schlafstätten enthielt. Breite Fensterluken ließen reichlich Licht einströmen — ein großer Vorzug gegenüber den lichtlosen und ungelüfteten Massenquartieren der Lebonier.

[S. 400]

Zu erwerben gab es hier für mich nur wenig. Einiges Hausgerät und eine interessante Kinderwiege waren die ganze Bereicherung meiner Sammlung. Dafür gab es um so mehr zu beobachten. So fiel mir die originelle Art der Fesselung gefangengehaltener, reizender Zwergpapageien auf. Ein Bein des Vögelchens hatte man durch die enge Öffnung eines Holzringes gezwängt, der frei an einem auf die Sitzstange gehängten größeren Holzring befestigt war. Das Ende der Stange war in praktischer Weise zu einem Futternäpfchen umgestaltet, das zugleich ein Hinübergleiten des größeren Ringes und damit ein Entkommen des Vogels unmöglich machte. — Neu waren mir ferner die in Rato vorgefundenen, hoch rechteckigen Rückenkörbe aus einem Maschengeflecht von Lalanggras, die einem Holzsockel aufsaßen. Die Korbgeflechte waren mit Palmscheiden ausgelegt und mit einem weit vorstehenden Deckel aus dem gleichen Material versehen, so daß der Inhalt gegen Regengüsse vollkommen geschützt war. Derartige Transportkörbe sind für das ganze Posso-Gebiet typisch. — Merkwürdig schienen mir auch die hier üblichen Maisstampftröge, deren Gestalt an einen Pferdesattel erinnert.

212. Kinderwiege aus Rato.

Ich komme nun zur Besprechung des Lobo von Rato. Die Mächtigkeit dieses Gebäudes ließ ohne weiteres den Schluß zu, daß es unmöglich von den wenigen Dorfbewohnern allein errichtet sein konnte. Vielmehr dürfte es der Hauptlobo der Hochebene sein, zu dessen Bau sämtliche Dörfer beigetragen haben mochten. Schon aus beträchtlicher Ferne sah man die schönen Giebelzierate, die windmühlenflügelartig die beiden oberen Sparrenenden schmückten. Sie bestanden aus je 3 durchbrochen geschnitzten Brettern. Diesen Schmuck vervollständigte ein unterhalb[S. 401] dieser Flügel horizontal vorstehender phantastischer Tierkopf, der noch am ehesten für einen Vogelkopf gehalten werden konnte.

213. Dorf Rato mit Geisterhaus.

Seltsamerweise war der Lobo von einem aus baumstarken Pfosten hergestellten Kral umfriedet, welcher überklettert werden mußte, sofern man zu den Aufstiegen gelangen wollte. Auf mein Befragen erfuhr ich, daß diese Umzäunung dazu diene, eingefangene wilde Büffel in Gewahrsam zu halten. Gemeint sind verwilderte Büffel, wie sie sich zahlreich in der Rohrwildnis der Hochebene herumtreiben sollen. Da Büffelopfer, die bei allen Kultfestlichkeiten der Eingeborenen von Inner-Celebes eine bedeutende Rolle spielen, auch in Rato das Wichtigste vom Wichtigen sind, das Einfangen dieser an absolute Freiheit gewöhnten bösartigen Tiere aber eine schwierige und nicht immer erfolgreiche Sache ist, so gehen die Eingeborenen beizeiten daran, sich die nötigen Schlachttiere zu beschaffen. Die Büffel werden mittels langer, aus Hirschhaut geflochtener und geknüpfter Lassos eingefangen und im Kral, dem bei der Wildheit dieser Tiere einzig sicheren Verließ des Dorfes, bis zum Tage des Opfers gefangen gehalten.

Die zum Lobo hinanführenden Treppen — je eine von der Mitte der beiden Schmalseiten aus — bestanden aus halbierten Baumstämmen mit Kerbstufen. Die Stämme liefen nach oben zu in weit vorstehende[S. 402] Enden aus, die in abenteuerliche Tierköpfe umgestaltet waren.

Von dem Innenraume des Lobo wird man sich am besten an der Hand der Abbildung 215 (S. 405) eine Vorstellung machen können. Das Hauptinteresse beanspruchte der Mittelpfosten (auf der Photographie leider nicht mehr ersichtlich), der an seiner oberen Hälfte den bis zum Dache hinanreichenden Lebensbaum trug und gleichzeitig den Marterpfahl vorstellte, an welchen die Todeskandidaten vor ihrer gräßlichen Abschlachtung gefesselt wurden. Eine plumpe Schnitzerei daran stellte einen nach oben gerichteten Büffelkopf dar. Der Pfosten war mit Blutspritzern besudelt, und Teile von Hirnschalen Erschlagener waren mit Holzdornen daran befestigt. Am Grunde derselben, in der Mitte eines den ganzen Raum durchlaufenden Balkens war eine flache, kreisrunde Schüssel in derber Schnitzerei herausgearbeitet, beiderseits von einem rohgeschnitzten Büffelkopf flankiert, die wie in der Dusunga von Tedeboi dazu bestimmt war, den auf einer Kopfjagd erbeuteten oder hier dem Opfer geraubten Kopf aufzunehmen. Um diesen wurden dann Tänze aufgeführt und Ansprachen gehalten; auch hielt man dem Kopfe in höhnender Weise Tabak und Sirih vor, als sei er lebend. Später wurde der Schädel in Stücke zerschlagen und das Gehirn gegessen, die Schädelfragmente aber teils den Lobo-Geistern durch Befestigung an der Säule geopfert, teils an die beteiligt gewesenen Kopfjäger verteilt, die sie als glückbringend in ihren Häusern aufbewahrten. Vom Gehirn essen alle, damit der Geist des Erschlagenen nicht an einem einzelnen unter ihnen Rache nehmen möge. Das Töten der Opfer geschah in Rato durch Lanzenstiche.

214. Fesselungsreifen als dokumentarisches Material.

An einem oberen Horizontalbalken, sowie an einer Rückwand des Lobo hingen an 40 Stück starker geflochtener Rotangringe, wie sie zur Fesselung der Opfer benutzt wurden. An je einem großen Ringe hingen 2 Rotangring-Ketten, an deren letzten Gliedern verschiedene hölzerne Miniaturgegenstände, wie Ruder, Messer, Lanzen usw., sowie Stückchen von Hirnschalen befestigt waren. Diese an den großen[S. 403] Reifen nachträglich angebrachten Ketten und Anhängsel waren die Symbole einer Bildersprache, in welcher dem Nachwuchse von den Heldentaten der Väter und dem Verlaufe der Kopfjagden berichtet wurde. Diese höchst interessanten und merkwürdigen Reifen werden Takóle genannt. Sie sind als Urkunden zu betrachten, deren kleinste Einzelheiten den Eingeborenen verständlich sind, so daß Folgerungen daraus gezogen werden können. Um dies verständlicher zu machen, will ich einige Beispiele anführen. So bedeutet z. B. der große Ring eines solchen Takóle, daß der Gefangene damit entweder schon bei seiner Gefangennahme gefesselt und mit Hilfe desselben herangeschleppt[S. 404] oder aber erst im Lobo mittels desselben an den Marterpfahl gefesselt wurde. Das Geflecht der zu Ringen gewundenen Rotangstränge macht erkennbar, was davon zutrifft. Von anhängenden 2 Rotangring-Ketten endet beispielsweise die eine in einer kleinen Bambusröhre, aus welcher ein Stück mehrfach geknüpften Rotangs herausragt. Dies bedeutet, daß ebensoviele Sklaven bzw. Gefangene hinweggeführt wurden, als Knoten eingeknüpft sind. Dasselbe in anderer Knüpfart kann aber auch besagen, daß der Knotenzahl entsprechend ebensoviele Schädel geschnellt wurden, wobei dann die Überfallenen an Ort und Stelle getötet worden waren. Oder aber an einer Ringkette sind ein oder mehrere Rudermodelle befestigt. Diese besagen, daß die Überfallenen auf einem Gewässer überrascht und dabei gefangen genommen wurden. Ein Köcher wiederum bedeutet, daß der Überfallene beim Abzapfen des Palmweines überwältigt wurde; ein Röllchen Pisangbast: beim Pflücken von Früchten usw. Die Menge der kleinen, die Kette bildenden Doppelringe bezeichnet die Zahl der Tage, welche zum Raubzug nötig waren.

Veranlassung zu Kopfjagden geben auch im Posso-Gebiete teils Generationen hindurch währende Stammesfehden, teils in Kultanschauungen begründete Vorstellungen, wonach z. B. in ganz Central-Celebes ein Häuptling nicht begraben oder ein Lobo nicht erbaut werden kann, solange nicht den Dorfgöttern ein Schädel als Opfer dargebracht worden ist. Auch als den Geistern gezollter Tribut sind Köpfe anzusehen, durch deren Darbringung Unglück vom Dorfe abgewandt werden soll. Schließlich spielen dabei auch individuelle Rücksichten eine besondere Rolle, wie z. B. der Nimbus, der einen siegreichen Kopfjäger umgibt, die Gunst der Frauen u. dgl.

Den mittleren Horizontalbalken zierten Schnitzereien, welche 2 einander verfolgende Echsen darstellten, deren eine die andere in den Schwanz biß.

An den 4 Eckpfosten des Lobo hingen unverzierte Holztrommeln; cylinderförmige Frauentrommeln lagen auf dem Boden und dem Gebälk.[S. 405] An einem Pflocke waren eine Anzahl merkwürdiger Ceremonialstäbe, sowie 2 Lanzen mit schön ciselierten Klingen befestigt. Die vier Feuerstellen des Lobo befanden sich links und rechts von den Eingängen. Um den ganzen Innenraum zogen sich den Boden wenig überragende Außengalerien, die durch keinerlei Zwischenverschalungen geteilt waren. Diese durchlaufenden Plattformen waren bestimmt, Gästen als Tribünen, Schlaf- und Wohnraum zu dienen.

215. Inneres des Lobo von Rato.

Nach beendeter Lobo-Inspizierung hatte ich keine Veranlassung mehr, mich länger in dem verödeten Dorfe und dessen wenig reizvoller Umgebung aufzuhalten, zumal ein größeres Dorf, Mabungka, nicht allzuweit von Rato entfernt sein sollte. Dieses wollte ich noch erreichen, um die Nacht dort zu verbringen. Mein Entschluß fand durchaus keinen Beifall bei meinen Leuten, die den Nachmittag weit lieber unter den Schattenbäumen Ratos verträumt hätten. Zum mindesten müßten sie erst abkochen, behaupteten sie, und zu solch löblichem[S. 406] Beginnen die Ankunft der Träger abwarten. Diese aber waren weit zurückgeblieben; der Djalan babi útan hätte sie solange aufgehalten. Dem allgemeinen Verlangen Rechnung tragend, ließ ich also das Militär in Rato zurück, den Soldaten raschestes Nachkommen anbefehlend, und machte mich mit nur einem Führer allein auf den Weg.

Ich verließ das Dörfchen auf einer anderen Seite und stieß dabei auf einen sehr interessanten »Zauber«. Quer über den schmalen Fußpfad lief ein niederer Zaun, und vor diesem steckte ein Stab im Boden, an welchem man eine aus Hibiscusfasern hergestellte und mit weißen Fuja-Bändern ausgestattete Schreckfigur gebunden hatte. Diese »dolokénde« genannte Dämonenscheuche sollte böse Einflüsse vom Dorfe fernhalten (s. Fig. 289).

Der Weg führte durch schwülheißes sumpfiges Schilfland, bis wir nach reichlich 2 Stunden die Hochebene der Länge nach durchquert und die anstoßenden Hügelketten erreicht hatten. Ich schätze hiernach die Ausdehnung des Hochsteppengebietes von Rato auf ungefähr 5 Stunden Länge bei 2 Stunden Breite.

Auf dem ganzen Wege hatten wir nicht eine Scholle angebauten Landes angetroffen. Ansiedelungen sowie kultivierter Boden scheinen somit nur an der Peripherie der Ebene, im welligen Hügelgelände vorhanden zu sein. Die Gründe für diese auffallende Erscheinung dürften in der Sumpfigkeit des Bodens, dem fieberschwangeren Klima und den ungeheuren Moskitoschwärmen liegen.

Über mehrere Höhenzüge hinweg kamen wir in ein wunderschönes Bergrevier, das ein in herrliches Grün eingebettetes malerisches Alpental gleich einem köstlichen Juwel umschloß. Hier gab es keinen unbenutzten Fleck Erde, und wohin immer sich der Blick wandte, fiel er auf Gärten und wohlbestellte Felder. Der Hauptort Mabungka lag frei auf der Anhöhe uns gegenüber. Ein mächtiges Waldgebirge — das Massiv des Takalekadjo-Gebirges — bildete den Hintergrund der stimmungsvollen Landschaft.

[S. 407]

Auf steinigen, vielgewundenen Pfaden stiegen wir von unserem hohen Standpunkte aus in eine Senkung hinab und wieder zum Dorfe Mabungka hinan. Dort quartierte ich mich in einem neuen, halbfertigen Hause ein, von wo aus ich einen offenen Ausblick auf das entzückende Panorama genoß. Meine etwa 2 Stunden später eintreffenden Soldaten und die Kulis füllten das stille Dörfchen bald mit geräuschvollem Treiben. Der Häuptling des Dorfes, ein älterer Mann, erschien nebst einigen Begleitern zu meiner Begrüßung und beehrte mich mit seiner Gesellschaft ausdauernder, als mir lieb war. Die offerierten Cigaretten wurden mit Hingabe genossen, Cognak-Pröbchen mit geradezu verklärten Gesichtern geschlürft, Schokolade — ausgespuckt. —

216. Dorf Mabungka mit Lobo.

Der in Mabungka vorgefundene neue Hüttentyp ist durch die beigegebene Photographie ersichtlich gemacht. Besonders weise ich dabei[S. 408] auf die im Vordergrunde der Plattform stehenden sattelähnlichen Stampftröge hin. — Das größte Gebäude war auch hier wieder der alte Lobo. Ventilationsluken im Dache unterschieden ihn äußerlich von dem Geisterhause in Rato. Sein Inneres entsprach nicht den gehegten Erwartungen. In einer Ecke des Lobo hatte sich der Häuptling mit Familie häuslich eingerichtet, um hier die Fertigstellung seines neuen Hauses abzuwarten.

217. Hütteneingang in Mabungka.

Das Hauptstück aller Lobos, der Lebensbaum, war in Mabungka zu einem Busch mittlerer Größe zusammengeschrumpft. Den geschnitzten Mittelbalken zierten dieselben Krokodil-Motive wie in Rato. Der für die Randgalerien vorgesehene Platz war lediglich durch 4 einfach beschnitzte Eckpfeiler, zwischen denen sich eine ringsum laufende handhohe Planke herumzog, abgegrenzt. Es gelang mir nach langem Zureden, eine der hier »krátu« genannten Frauentrommeln für hohen Preis[S. 409] zu erwerben. Das vorgebrachte Hauptbedenken gegen die Veräußerung derselben war der Aberglaube, daß nach der Fortgabe einer solchen Krátu eine Person aus dem Dorfe sterben müsse.

Die Dorfbewohner hielten sich, da sie gerade mit der Ernte beschäftigt waren, meist in Feldhütten bei ihren Plantagen auf, und nur wenige kehrten abends nach Mabungka zurück. Soweit ich Leute zu sehen bekam, fand ich sie untersetzt und derbknochig, mehrere auch mit stattlichen Kröpfen.

218. Frauentrommel.

Auf meine Erkundigungen nach der uns noch vom Posso-See trennenden Entfernung erfuhr ich, daß diese 3 Tagereisen betragen sollte. Auf dem Wege dahin gäbe es keine Dörfer mehr, und daher hätte man 2 mal im Takalekadjo-Gebirge zu nächtigen. — Die Ungeduld, dieses Ziel meines Sehnens zu erreichen, war so groß, daß sie mich nirgends lange rasten ließ, und auch in Mabungka setzte ich den Weitermarsch gleich für den nächsten Tag fest. Dieser Entschluß erheischte die sofortige Absendung von Boten in die Pflanzungen, damit die für die strapazenreichen Märsche über den Central-Gebirgsstock notwendige, verstärkte Trägerzahl rechtzeitig zur Stelle war. Der Häuptling gab sofort die nötigen Befehle hierzu. Die Boten trugen zu ihrer nächtlichen Wanderung Feuerbrände in den Händen, die sie durch periodisches Schwingen im Kreise zu stets erneuter Glut anfachten. Gleich riesenhaften Glühwürmern stiegen die von rötlichem Schein beleuchteten Gestalten die Schlangenwindungen der Pfade hinab, bis sie endlich im nachtschwarzen Busch untertauchten. Der Vorgang entbehrte nicht eines geheimnisvollen Reizes, welcher die Phantasie mächtig anregte und mich in seinem Banne hielt, bis auch der letzte Mann meinen Blicken entschwunden war.

[S. 410]

Gruppenbild mit dem Autor   und seinen Leuten

Mabungka — Pendólo (Posso-See), den 31. Oktober.

Der erste Schimmer des kommenden Tages, der sich über die Silhouette des Gebirgskammes herüberstahl, fand mich schon mit den Vorbereitungen zum Abmarsch beschäftigt. Bald stellten sich auch die von allen Seiten kommenden Träger im Dorfe ein, 32 an der Zahl. Die mit mir gekommenen Leboni-Leute rüsteten dagegen zur Heimkehr. Viele unter ihnen kamen noch zu mir, um mir zum Abschiede treuherzig die Hand zu bieten.

Das Waldbiwak, das ich heut zu beziehen gedachte, hieß Sapelimba, das Endziel des folgenden Tages Marángka, worauf dann am 3. Tage Pendólo an der Südspitze des Posso-Sees erreicht werden sollte. So wenigstens lautete das Programm meiner Begleiter, durch welches mein ungestümes Vorwärtsdringen und sprachliche Mißverständnisse einen dicken Strich machen sollten.

Von den Dorfbewohnern noch eine Strecke weit begleitet, verließen wir ein weniges vor der 6. Morgenstunde das freundliche Mabungka, um uns durch einen taunassen, schlüpfrigen Hohlweg den nahen Bergen zuzuwenden. Das Erklimmen der lehmigen Abhänge war recht beschwerlich. Ich beobachtete dabei, wie sich die Tolampu-Träger das Steigen dadurch zu erleichtern suchten, daß sie nicht mit der ganzen Fußfläche, sondern nur mit den Zehenballen auftraten, und versuchte das Gleiche mit gutem Erfolge.

Die Kleidung der Leute bestand aus dem zwischen den Beinen durchgezogenen Tjdako und der Sitzschürze (ápe). Neben gemustert[S. 411] geflochtenen oder mit Harz bemalten »ápe« waren dieselben vorwiegend aus Anoa-, Hirsch- oder Büffelfellen hergestellt. Gegen allen sonstigen Gebrauch verwandten sie die Sitzfelle mit der Haarseite nach innen, so daß mir ein Erwerb derselben wenig begehrenswert erschien. Jeder der Männer trug außerdem ein zu einem Strange gewundenes, quer um den Leib geschlungenes Tuch, in dem einige Habseligkeiten untergebracht, und in dessen eingeflochtene Knoten Amulette (ádjima) gegen Reisegefahr mitgeführt wurden. Einige hatten sich noch geflochtene Sirihtaschen umgehängt. Auf dem Kopfe trugen die Leute teils Rotanggeflechte, teils Haupttücher.

219. Bemalte Fell-Sitzschürzen.

[S. 412]

Viele der aus der Umgebung Mabungkas gekommenen Träger waren mit Hautkrankheiten behaftet, und fast alle zeigten einen auffallend niederen Gesichtstyp, der sich merklich von dem der Häuptlinge unterschied, so daß man hiernach vielleicht 2 Kasten annehmen könnte.

Wir waren noch keine halbe Stunde unterwegs, als uns ein festlich gekleideter kräftiger junger Mann begegnete. Der Jüngling kam von einem stundenweit entfernten Dorfe, um in Mabungka einen Besuch zu machen. Während er dies meinem Führer erzählte, keuchte hinter uns mein Apparatträger heran, ein ältlicher, schwach gebauter Mann, der bisher nur mühsam zu folgen vermocht hatte. Mein Führer legte es dem Ankömmling nahe, den Erschöpften abzulösen, und mein von Kultur völlig unbeleckter Tolampu streifte ohne langes Besinnen seine Galajacke ab und übernahm die Last mit schlichter Würde. Damit verzichtete er, nahe seinem Ziele, auf Feiertagsstunden, um eine harte Arbeit auf sich zu nehmen, die ihn gegen eine Woche lang von seinen Angehörigen und seinem gewohnten Pflichtenkreise fernhielt. —

Auf dieselbe weiche und sanfte Gemütsart, die man bei Kopfjägern kaum vermuten sollte, deutet auch die folgende Begebenheit. Kurz nach dem soeben geschilderten Intermezzo hatten wir den Bergsattel erreicht und überschritten hier eine größere Waldrodung, wobei mein Führer den Pfad verlor. In dieser Verlegenheit begegneten wir einem schon bejahrten Tolampu, welcher soeben aus dem an 1600 m unter uns liegenden Tale des Salu-Manio heraufgestiegen kam und nun schwer atmend vor uns stehen blieb. Von unserem Mißgeschick unterrichtet, bedurfte es auch diesmal nur einer kurzen Verständigung, und der nach stundenlangem Ansteigen glücklich auf der Höhe angelangte Mann machte ohne Zögern kehrt, um uns die verschlungenen Steige wiederum ins Tal hinab zu geleiten. Der Gedanke an ein Entgelt für seine aufopferungsvolle Bemühung war ihm dabei gar nicht in den Sinn gekommen, und sehr erfreut zwar, aber ganz verlegen nahm er das ihm gereichte Geldgeschenk dafür in Empfang.

[S. 413]

Von kameradschaftlichem Empfinden zeugt auch die seitens meines Führers während unseres Vormarsches beobachtete Fürsorge für die zurückgebliebenen Gefährten. An jedem der vielen Kreuzwege, wie sie zu den entlegenen Ladang-Hütten führten, brach er beim Vorübergehen einen frischen Zweig, um ihn quer über den unrichtigen Weg zu legen und die Nachkommenden also vor Irrgängen zu bewahren. Auf dieselbe Weise fand ich noch öfter, tief im Gebirge, Pfade markiert, die von Jägern oder Dammarsuchern stammten.

220. Rotang-Hängebrücke über den Salu-Manio.

Der Abstieg in die Salu-Manio-Schlucht erforderte große Vorsicht. Auf lockerem Erdreich oder weichem, abbröckelndem Gestein kletterten wir an jähen Abstürzen vorüber in die Klamm hinab. Durch eine mehrere hundert Meter tiefe Spalte im Gebirgshange von uns getrennt, lag zu unserer Linken das aus wenigen Häusern bestehende Dörfchen Dodóha. — Gleich zu Anfang des Abstiegs waren wir auf einige Feldhütten gestoßen, dürftige, finstere Behausungen, die neben armseligen[S. 414] Gemüsefeldern gelegen waren. Was für Mühe mußte es kosten, dem steinigen Boden hier das bißchen Ernte für den eigenen Lebensbedarf abzuringen! Die Bewohner der Hütten sahen abgearbeitet und schwarz gebrannt aus und waren sämtlich mit voluminösen Kröpfen behaftet. Mit Hühnern und Hunden zusammen lebten sie in ihren Löchern, in deren einem ich auch eine Hauskatze vorfand. Rotangschilde in der am Matanna-See üblichen langen schmalen Form und einfache Lanzen nebst den nie fehlenden Buschmessern bildeten ihr ganzes Besitztum.

Zum Flusse hinabgestiegen, sah ich mich einer völlig veränderten, grandiosen Scenerie gegenüber. Über den dürren, sonnverbrannten Steinhalden, die wir herabgekommen waren, baute sich jenseits des Gewässers eine geradezu wunderbare Waldlandschaft auf, voll urwüchsiger Pracht. Man denke sich den Gebirgseinschnitt ungefähr in der Form eines V; beiderseits stiegen die Lehnen wuchtig und steil in einem Winkel von ca. 70° auf. Nacktes Urgestein bildete die etwa 1600 m hohe Wand auf der Mabungka-Seite. Tropische Üppigkeit dagegen prangte auf den uns gegenüberliegenden über 2000 m hohen Abhängen des Takalekadjo-Gebirges. Zwischen beiden rauschte der schäumende Salu-Manio in seinem granitenen Bette. In dieser großartigen Umgebung glich das zarte Netzgespinst einer Rotang-Hängebrücke, das in seltsamer Konstruktion das tosende Gewässer überspannte, einer Fata Morgana. Der Ausdruck »zart« trifft nur das Aussehen; denn in Wahrheit bestand dieses Meisterwerk malayischer Brückenbaukunst aus zähen Rotangtauen von fast unbegrenzter Haltbarkeit. — Alles in allem möchte ich die Salu-Manio-Schlucht als eine der landschaftlich hervorragendsten Gegenden bezeichnen, die ich auf meinen Reisen in Celebes zu sehen bekam.

Schon während des Abstieges von der Mabungka-Seite aus hatte ich die gewaltigen Erhebungen des Takalekadjo-Gebirges mit gemischten Empfindungen betrachtet, dabei die leise Hoffnung hegend, daß uns Umgehungspfade an seiner Basis die Mühe der Ersteigung ersparen würden. Es blieb bei dem frommen Wunsche. — Die stark schaukelnde Brücke mußten wir einzeln, nacheinander passieren. Da[S. 416] ich den Anfang gemacht hatte und nicht das Herüberkommen aller abwarten wollte, schickte ich mich mit wenigen Begleitern an, den Gebirgskoloß zu erklettern.

221. Verankerung der Rotang-Hängebrücke über den Salu-Manio.

Wir begannen um 8 Uhr mit dem Anstieg. Die monatelange Trockenheit hatte den Waldboden derart ausgedörrt, daß er glatt wie eine Scheunentenne war. In geringer Höhe fanden wir bei einer einsamen, verlassenen Hütte einen Djambi-Djambi-Baum, dessen rosarote, angenehm säuerliche Früchte uns erfrischende Labe boten. Vorsorglich wurden alle Taschen damit gefüllt. Nach 2stündiger ermüdender Kletterei durch dichten Hochwald drangen wir in die Märchenwelt eines labyrinthischen Mooswaldes ein. Die feuchtkühle Nebelatmosphäre dieser wundersamen Bergregion hielt uns nun lange Zeit in ihrem Bereich. Kirchenruhe herrschte in diesen Pflanzengewölben, durch welche sich der Pfad tunnelartig hindurchwand. Die Eingeborenen verlegen hierher die urewigen Wohnsitze ihrer Geisterwelt und durchziehen dieses Gebiet nur ungern und eilenden Fußes. Unser Steig führte uns über eine der höchsten Erhebungen des Gebirges hinweg auf einen baumfreien Grat mit Farngestrüpp, dessen drahtzähe Fiedern kein Durchkommen zuließen. Der Pfad mußte erst mit den Buschmessern frei gemacht werden. Ich ließ hier einen kleinen Platz vom Unterwuchs säubern, auf welchem wir uns zu kurzer Ruhe lagerten, in der Pracht des vor uns liegenden majestätischen Hochgebirgspanoramas schwelgend. Wer kannte sie, vermochte diese unzähligen gewaltigen Bergeshäupter in weiter Runde zu benennen? Keines Weißen Fuß noch hatte sie betreten; in ungeheurer Einsamkeit thronen die jungfräulichen Gipfel, und als während unseres Verweilens auf dem Grate einmal der tiefe Ruf eines Nashornvogels die unendliche Ruhe unterbrach, durchzitterte er wie ein Seufzer der Erlösung die weite Einöde.

Tafel XII.
Im Mooswalde des Takalekádjo.

Da meine ermüdeten Gefährten sich von diesem schönen Fleck Erde nicht so rasch zu trennen vermochten, setzte ich, nur von dem Tolampu-Führer begleitet und in der Annahme, daß sie bald nachkommen würden, den Marsch allein fort; auch glaubte ich das Tagesziel[S. 417] Sapelímba nicht mehr fern, zumal der Pfad bereits wieder abwärts zu führen begann. Bald tauchten wir abermals im Dunkel des Mooswaldes unter und kamen, diesmal in umgekehrter Reihenfolge, in hohen Tropenwald, aus dem wir zum Salu-Kanúpo niederstiegen. Hier muß ich einschalten, daß ich mich mit meinem nur Barée sprechenden Führer absolut nicht zu verständigen vermochte, und daß die folgenden Geschehnisse aus diesem mißlichen Umstande entsprangen.

Auf einer unbedeutenden Waldblöße nahe dem Flusse hatte nämlich vorhin mein Führer Anstalten gemacht, sich zu einer abermaligen Siesta niederzulassen. Erst hatte ich angenommen, daß nach dem eiligen Marsche nur eine kleine Erholungspause beabsichtigt sei, die hauptsächlich die Erneuerung seines Priemchens bezweckte. Als derselbe jedoch gar keine Anstalten mehr zum Weitergehen machte, wurde ich ungeduldig, und bei der Unmöglichkeit einer mündlichen Verständigung packte ich ihn kurzerhand beim Kragen und bedeutete ihm, sich auf den Weg zu machen. Resigniert packte er sein Sirihtäschchen wieder zusammen, und wir durchschritten den Fluß ohne Aufenthalt, um am anderen Ufer sofort mit einem neuen Anstieg zu beginnen. Wenig später umfing uns wieder die Totenstille des moosigen Waldes. Jedes Stämmchen, jeder Ast war mit dicken Polstern umkleidet, starke Bäume vortäuschend, wo in Wirklichkeit nur dünne Stecken die Träger waren. Moosgrund dämpfte den Schritt bis zur Unhörbarkeit; Moosdecken zogen sich über Löcher und Spalten hin, in die der Fuß versank. In unendlichen Krümmungen wand sich der mir nicht erkennbare Pfad durch diese merkwürdige Region seltsamer Gewächse, deren niederer Wuchs nur ein Durchschlüpfen in stark gebückter Haltung erlaubte. Ich mußte meinem Führer dicht auf den Fersen bleiben, um die Richtung nicht zu verlieren; genügten doch schon wenige Schritte Vorsprunges, ihn in dieser Wildnis für mich unsichtbar zu machen. Wir schritten so scharf aus, als das Terrain es irgend gestattete. Von der Höhe eines Passes ging es längere Zeit den Rücken des Gebirges entlang. Gegen 3 Uhr kamen wir an einer Lichtung vorüber, auf welcher[S. 418] einige in sich zusammengestürzte Laubhütten standen, denen ich keine besondere Beachtung schenkte. Wohl glaubte ich einer langen Rede meines Führers zu entnehmen, daß er hier bleiben wollte, um das Nachkommen unserer weit zurückgebliebenen Gefährten abzuwarten. Dazu hatte ich aber ganz und gar keine Lust, zumal ich seit dem frühen Morgen außer einer Handvoll Djambi-Früchte nichts mehr genossen hatte und allmählich mörderischen Hunger verspürte. Immer noch in der irrigen Annahme befangen, daß der richtige Lagerplatz nach dem langen und scharfen Marsche unmöglich mehr fern sein könnte, wollte ich keine Minute Zeit versäumen und drängte weiter. Daß das vor uns liegende unscheinbare Plätzchen bereits Marángka, das erst für den zweiten Tag angesetzte Marschziel, sein könnte, wie die früher passierte winzige offene Waldstelle am Salu Kanúpo der erste versäumte Biwakort war, kam mir schon deshalb nicht in den Sinn, weil es auf dem Kamme weit und breit kein Wasser gab. — Auf diese Weise geschah es, daß ich ahnungslos auch das zweite Marschziel verpaßte.

Das lange vergebliche Warten und die großen Anstrengungen versetzten mich in gereizte Stimmung, und jetzt schien es meinem Führer, allerdings aus anderen und, wie ich gern zugeben will, berechtigteren Gründen gerade ebenso zu gehen. Eine Art Berserkerwut überkam ihn, die sich in der Form äußerte, daß er nun ein Marschtempo einschlug, das man bei bestem Willen kein Gehen mehr nennen konnte, sondern das ein rücksichtsloses Rennen und waghalsiges Voranstürmen war. Das Gebaren meines Tolampu entsprach im übrigen so sehr meinem eigenen Gemütszustande, daß ich nicht nur willig Folge leistete, sondern ihn sogar noch zu übertreffen suchte, so daß wir wie besessen die Abhänge hinabturnten.

222. Biwakplatz im Takalekadjo-Gebirge.

Der Pfad führte von Marángka ab langsam, aber stetig abwärts. So oft eine lichtere Stelle auftauchte, flammte die Hoffnung auf, der Rastplatz sei erreicht. Aber immer wieder kam die Enttäuschung, und stets gab es nur flüchtige Ausblicke auf tiefergelegene Berge und Wälder. Solange dieser Abstieg nun schon währte — das Gebirge schien[S. 419] kein Ende nehmen zu wollen. Hungrig wie die Wölfe, von Durst gepeinigt, mit schmerzenden Kniegelenken, zerkratzt und zerschlagen, kletternd, kriechend und rutschend, hasteten wir in immer gleichem Tempo weiter und weiter der Waldgrenze entgegen, welche doch endlich kommen mußte. — Überzeugt, daß mein Führer irregegangen sei, begann mir die Sache schon bedenklich zu werden, als wir ziemlich überraschend aus düsterer Waldesnacht auf eine von Baumwuchs freie Fläche heraustraten. Noch verwehrte mir hohes Buschwerk eine genauere Orientierung. Durch eine schmale Gasse im Gestrüpp arbeiteten wir uns bis zu einer höher gelegenen Stelle hindurch, und — was sehen meine Augen? war dies Wahrheit oder ein Trugbild? Aus der Ferne, noch tief unter uns, schimmerte der indigofarbene Spiegel eines riesig großen Wasserbeckens herüber! Sollte es möglich sein und der Posso-See, das ersehnte Ziel, vor mir liegen? Zögernd, ungläubig wandte ich mich fragenden Blickes an den keuchend neben mir haltenden Führer! Die schlichte Antwort »Posso!« entlockte mir einen lauten Jubelruf. Wie weggeblasen waren Müdigkeit und Verdrossenheit; ja sogar der Riesenhunger war vergessen angesichts der Tatsache, daß ich den auf drei Tage berechneten Marsch in einem Tage geschafft hatte.

[S. 420]

Noch aber trennte uns eine ausgedehnte Kulturebene von dem am südlichen Seeende gelegenen Pendólo, und unverweilt machten wir uns daran, ins Tal hinabzugelangen. — Ziemlich nahe der Talsohle kamen wir an einer Gruppe reichtragender Kokospalmen vorüber, die uns köstlichen Genuß verhießen. Halb verschmachtet, konnten wir es uns nicht versagen, uns an einigen Nüssen zu delektieren. Zwar waren die Bäume durch besondere Zeichen für »pomali« erklärt; aber wer vermag nach einem Gewaltmarsch, wie wir ihn hinter uns hatten, einer solch lockenden Versuchung zu widerstehen? Sogar mein Tolampu, der sich beim Ansichtigwerden der Verbotszeichen erst bedenklich hinter den Ohren gekratzt hatte, überwand rasch seine Gewissensregungen und erkletterte fix eine der Palmen, um unsern Bedarf zu decken.

Mit einiger Verwunderung hatte ich wahrgenommen, daß er sich im Abschlagen der Früchte gar nicht genug tun zu können schien, ließ ihn jedoch gewähren. Der weitere Verlauf der Dinge sollte mich gar bald über die ihn zu solcher Plünderung veranlassenden Gründe aufklären und mir aufs neue den gewinnendsten Charakterzug der Tolampu, ihren stark ausgeprägten Gemeinsinn und ihre Gutmütigkeit, offenbaren. Er hatte im wohlverstandenen Interesse unserer zurückgebliebenen Gefährten gehandelt, die bei ihrer späteren Ankunft an diesem Platze vermutlich ebenso begierig nach Nüssen sein würden als wir, hauptsächlich aber, um ihnen die Verantwortung für einen wiederholten Frevel zu ersparen. Er ging in seiner Fürsorglichkeit sogar so weit, nach der Stillung des eigenen Durstes die Nüsse zu schälen und sie so vorgerichtet und fein aufeinandergebaut seinen später eintreffenden Kameraden zu sofortigem Gebrauch bereitzustellen.

Notdürftig restauriert, aber mit steif gewordenen Beinen setzten wir den Weg fort. Regenschwangeres Gewölk trieb zwar zur Eile; aber kaum hatten wir die Talsohle erreicht, als auch bereits die ersten großen Tropfen fielen. Zu alledem waren wir mitten im Busche auf[S. 421] eine Stelle geraten, wo nach allen Seiten Fußwege auseinanderliefen, von denen wir den richtigen nicht herauszufinden vermochten. Wohin wir uns auch wandten, stießen wir auf umfriedete Felder. Bei immer stärker einsetzendem Regen wurde die Situation recht ungemütlich. Da hörten wir unvermutet Rufe menschlicher Stimmen. Aufs Geratewohl sandte ich den Tolampu aus, diesen nachzugehen und so rasch wie möglich einen wegekundigen Führer zu bringen. Mittlerweile harrte ich in strömendem Regen der weiteren Entwicklung der Dinge. Meine Beine hatten ihre Schuldigkeit vollauf getan, und ich mutete ihnen keinen unnötigen Schritt mehr zu. Zum Glück dauerte es nur wenige Minuten, so kam mein Mann wieder zurück, begleitet von einem jungen Menschen, um dessen Garderobe mir bei dem Hundewetter nicht bange zu sein brauchte, da sie nur aus einer um die Lende gebundenen Schnur bestand.

Der Sorge des Irrelaufens waren wir nun enthoben; aber der Himmel war und blieb uns ungnädig, vermutlich eine Strafe für den Kokosraub, und ergoß eine solche Sündflut über uns, daß man dabei keine 2 Schritt weit voraus zu sehen vermochte. Das hatte gerade noch gefehlt. Windelweich durchnäßt, beneidete ich grimmigen Humors meine Begleiter, die in ihrem paradiesischen Kostüm den Regen als eine wohltätige Abkühlung zu empfinden schienen, während mir die Kleider kalt um den Leib schlotterten und meine Schuhe bei jedem Schritt laut glucksten.

Das Hindernisrennen, das den würdigen Beschluß des heutigen Marsches bildete, werde ich so leicht nicht vergessen. Die am Fuße des Gebirges liegenden Kulturen der Eingeborenen waren durch starke Einzäunungen gegen Schaden durch Wildschweine gesichert und erforderten, da die Pfade mitten hindurch führten, ein unaufhörliches Herüber und Hinüber in neckischer Abwechslung. Noch schlimmer waren frische Rodungen mit ihrem vom Regen schlüpfrigen Astwerk zu passieren, da dies akrobatische Gewandtheit voraussetzte. Durch Buschland führten von Büffeln ausgetretene Pfade, deren Besonderheiten, fußdicke Löcher und Schlammpfannen, jetzt durch den Regen gefüllt, hübsch planiert[S. 422] aussahen und dem optimistisch Voranschreitenden im Grunde recht wenig scherzhafte Überraschungen bereiteten. Zwischendurch war noch ein mäandrisch gewundenes, jetzt hoch angeschwollenes Flüßchen x-mal zu durchwaten — lauter Dinge, welche nicht geeignet waren, die Gemütsverfassung eines zum Umfallen Ermüdeten zu heben. Schließlich siegte aber über alle Widerwärtigkeiten doch immer wieder der Gedanke: der See liegt vor dir! und neue Energie durchströmte die Glieder. Auf die geschilderte Weise vergingen abermals 1½ Stunden; dann endlich kamen wir auf den großen Weg hinaus. Der Rest war Spielerei. — Bei aussetzendem Regen und klarer werdender Luft sah ich gerade vor mir die Hütten des Dorfes Pendólo liegen und dicht dahinter die blinkende Seefläche.

Pendólo! der Name bedeutete für mich die Erwartung des Landes, wo Milch und Honig fließt. In Pendólo befand sich eine Niederlassung der Amsterdamer Sendlingsgenossenschaft, und kein Geringerer, als der um die ethnologische Erforschung von Central-Celebes so hoch verdiente Missionar A. Kruyt hatte hier seinen Wohnsitz. Seit meinem Aufbruch von Paloppo kam ich in Pendólo zum ersten Male wieder mit Europäern in Berührung, und daß es gerade Herr Kruyt sein sollte, hatte für mich eine um so tiefere Bedeutung, als ich über so manche mich bewegende wissenschaftliche Frage von ihm Aufschluß zu erhalten hoffte. Aber auch in jeder anderen Beziehung war mir die Ankunft in Pendólo ein freudiges Ereignis. Mit dem Erreichen des Sees sah ich das Gelingen meiner Insel-Durchquerung in größere Nähe gerückt, und der Ort selbst bot mir verheissungsvolle Möglichkeiten in Bezug auf lang entbehrte kulinarische Genüsse.

Mit meinen längsten Schritten eilte ich voran, und bald war die Dorfgrenze erreicht. Zu beiden Seiten der Straße lagen hinter eingezäunten sauber gehaltenen Vorgärten die Hütten der Eingeborenen. Kaum etwas daran erinnerte mehr an ein Wilden-Dorf. Die kolonisatorische Tätigkeit der Mission trat allenthalben auffällig in die Erscheinung. Als erzieherisches Resultat derselben berührte schon angenehm der höfliche[S. 423] malayische Gruß aller mir begegnenden Kinder. Tabeh tuan, erscholl es bald hier, bald dort. Das dem See zunächst gelegene, in meiner Richtung also letzte Haus Pendólos war die Missionsstation. In der Nähe derselben kam mir eine Dame entgegen: Frau Kruyt in eigener Person. Von ihren Fenstern aus hatte sie mich kommen sehen und war nun so liebenswürdig, mich an Stelle ihres leider gerade durch Inspektionsreisen ferngehaltenen Gatten zu begrüßen und einzuladen, ihr Gast zu sein. Wieder einmal war mir Gelegenheit geboten, die unübertreffliche holländische Gastfreundschaft am eigenen Leibe zu erproben.

223. Missionshaus in Pendólo.

Wahrscheinlich verdankte ich es nur der wahrhaft mütterlichen Aufnahme, die mir Frau Kruyt zuteil werden ließ, vor einer Reaktion auf die heutige Überanstrengung verschont geblieben zu sein. Ich hatte ja nichts bei mir, als was ich auf dem Körper trug, und mein gesamtes Gepäck war, Gott weiß wo, bei meinen Leuten zurückgeblieben. Erbarmungswürdig durchnäßt, zähneklappernd in der vom See herüber wehenden Kühle, war ich nahe daran, einem Schwächegefühl zu erliegen; aber ein heißes Bad und ein dampfendes Glas Eiergrog — der herrlichste, den ich je in meinem Leben getrunken habe — halfen mir rasch über die Abspannung hinweg.

[S. 424]

Vom Kopf bis zum Fuß warm in trockene Kleider gehüllt, saß ich bald in den traulichen Räumen der Hausfrau gegenüber, der ich über die Erlebnisse auf dem 14stündigen Marsche berichten mußte. Mit tiefem Genusse kostete ich die schon halb vergessene Behaglichkeit eines wohlgeordneten Hauswesens, und mit regem Interesse hörte ich Frau Kruyt von dem aufopferungsvollen Leben erzählen, dessen Pflichtenfülle die Tage des einsam unter einem der wildesten Stämme von Inner-Celebes lebenden und wirkenden Ehepaares völlig ausfüllte und weder Langeweile noch das Gefühl der Vereinsamung aufkommen ließ.

Das Wetter war wieder umgeschlagen, und böige Winde jagten Regenschauer über das Land. Mit Bedauern gedachten wir meiner zurückgebliebenen Leute, mit Sorge meines den Wetterunbilden preisgegebenen Gepäckes. Da, es war bereits 10 Uhr geworden, und ich wollte eben gute Nacht wünschen, ertönten vor dem Hause laute Stimmen. Ahnungsvoll erhoben wir uns, und was wir nicht mehr zu hoffen gewagt hatten, war zur Wirklichkeit geworden: in der stockfinsteren kalten Nacht, im strömenden Regen standen mein Junge mit dem Apparatträger und 7 Mann Soldaten vor der Tür. Gleich mir hatten die nun Angelangten am Fuße des Gebirges eine Hütte aufgesucht und sich unter der Führung eines Insassen derselben bei vollkommener Dunkelheit und dem fürchterlichen Wetter bis Pendólo durchgearbeitet. Der Rest der Leute war im Gebirge zurückgeblieben und übernachtete im Walde.

In größter Güte nahm sich Frau Kruyt auch der Spätlinge an und versah die Hungrigen mit allem Nötigen, worauf sie nach dem in der unmittelbaren Nähe der Missionsstation gelegenen Obdach geleitet wurden.

In dem mir zur Verfügung gestellten Gastzimmer der Mission fühlte ich mich beim Klatschen des Regens und dem Rauschen der Seewogen wohl geborgen und schlief bis in den hellen Tag.

Langes Buschmesser

[S. 425]

224. Blick auf den Posso-See von Pendólo aus.

Pendólo am Posso-See, den 1. u. 2. November.

Die zwei in Pendólo verlebten Ruhetage mit ihrer Fülle neuer Eindrücke werden mir stets in lieber Erinnerung bleiben. Das Gros meiner zurückgebliebenen Soldaten und Träger traf gegen Mittag des Tages nach meiner Ankunft auf der Station ein. Da sie uns an keinem der Rastplätze lagernd gefunden hatten, waren auch sie durchmarschiert, bis einige der Träger, wie mir der Sergeant erzählte, vor Übermüdung einfach umgefallen und sofort eingeschlafen seien. Da hätten sie denn an Ort und Stelle übernachtet, und ganz früh sei dann weiter marschiert worden. Die Leute sahen auch sehr mitgenommen aus. So schwere Lasten über eine solche Entfernung und auf so fürchterlichen Wegen fortzuschleppen, ist an und für sich eine Tat, die der Leistungsfähigkeit der Eingeborenen ein glänzendes Zeugnis ausstellt. Ein reichliches Backschisch war denn auch ihr Lohn. Ich photographierte sie noch alle zusammen und kaufte ihnen eine Anzahl ethnographischer Kleinigkeiten ab, ehe sie die Rückkehr nach ihrem weit entlegenen Heimatsdorfe antraten.

Als Geschenk für meine militärische Begleitmannschaft erwarb ich vom Pendólo-Häuptling einen großen Büffel für 25 Gulden. Der Sergeant und die Korporale erhielten noch besondere Andenken an die[S. 426] gemeinsam zurückgelegte beschwerliche Reise. — Die nun erreichte Südspitze des Posso-Sees bildete die politische Grenze zwischen Nord- und Süd-Celebes und gehörte bereits zur Residentschaft Menado. Das Militär konnte mich also nicht weiter begleiten und kehrte von hier aus auf einem etwas näheren Paß über Wótu nach Paloppo zurück.

Mein erster Ausgang in Pendólo galt dem Posso-See, von dem eine würzige Brise herüberwehte. Trotz seiner mächtigen Ausdehnung von annähernd 35 km Länge bei 13 km Breite, die nur noch vom Towuti-See in Südost-Celebes übertroffen werden dürfte, hinterließ mir der See nicht den nachhaltigen tiefen Eindruck, den ich erwartet hatte. Flach und landschaftlich unbedeutend verlief bei Pendólo sein Südende. Buchtenreiche, meist entwaldete Mittelgebirge säumten das Ostufer, und nur die Waldgebirge der Westseite fielen, zwei weit hinaustretende Vorgebirge bildend, ziemlich steil zum See ab. Das Posso-Becken wird von einer Unmenge von Bächen und größeren Rinnsalen gespeist, die von den Nordabhängen des Takalekadjo herabfließen. An dem spitz auslaufenden Nordende entströmt dem See der Posso-Fluß, der sein Wasser dem Golf von Tomini zuführt.

Der See ist seiner tückischen Winde halber gefürchtet, und die Eingeborenen wagen es nicht, sich größerer Segel zu bedienen, wie sie beispielsweise auf dem Matanna-See benutzt werden. Als Segel dient hier am Posso ein ungefähr 1 qm großes, zwischen 2 Bambusstangen straff gespanntes Tuch. Eine alte Tolampu-Legende erzählt, daß die Wassergeister des Sees die Benutzung wirklicher Segel nicht zulassen und Zuwiderhandelnde unfehlbar durch Ertränken bestrafen. Zu diesem Zwecke käme am Ostufer des Sees ein gewaltiger Stein aus der Tiefe an die Oberfläche gestiegen, um ein segelndes Boot zu zermalmen; am Westufer des Sees entstände ein mächtiger Wirbel, es in den Abgrund zu ziehen, und in der Mitte des Sees kämen die Winde von allen Seiten zusammen, um die Frevler zu verderben. —

225. Tolampu-Mädchen aus Pendólo.

Die Bevölkerung des Posso-Gebietes war von jeher sehr kriegerisch, und Kopf- und Sklavenjagden waren an der Tagesordnung. Seit[S. 427] aber die Regierung und die Missionen hier Boden gewonnen haben, hat sich bereits ein gewaltiger Umschwung vollzogen, und mildere Sitten haben Eingang gefunden. Es ist ein mittelgroßer, kräftiger Menschenschlag, der hier lebt, von derbem, starkknochigem Gliederbau. Schamgurt und Mützen aus Affenfell bzw. Rotanggeflechten oder Haupttücher aus Fuja bilden nebst den allgemein getragenen Sitzschürzen zumeist die gesamte Kleidung. Die Mädchen und Frauen tragen neben importierten Kattunzeugen großenteils noch die ursprüngliche Baumbastgewandung. Am beliebtesten sind bei ihnen braune und schwarze Fujaröcke und -jacken. Erstere sind mit einer Art Tunika[S. 428] ausgestattet. Der Schnitt der Jacken ist etwas gefälliger als bei den Stämmen tiefer im Innern des Landes. Die originellen Duftbündel, Faux culs, wie wir sie in Leboni kennengelernt haben, fehlen auch hier nicht. Auf den Köpfen trägt die weibliche Jugend hübsch kleidende Bastreifen, wie sie ähnlich im ganzen centralen Celebes zu finden sind. Das fürchterlich entstellende Ausschlagen der Vorderzähne ist auch am Posso noch allgemein üblich. Die Gesichtsbemalung beschränkt sich auf diskret angedeutete Strich- und Punktmuster in schwarzer Harzfarbe (nompi).

226. Tolampu-Mädchen mit Musikinstrument (rerre).

An Schmucksachen werden Brustgehänge und Armreifen aus Muschelmaterial bevorzugt; seltener trägt man Schmuckgeräte aus Messing. Um den Hals gehängte Bronze-Amulette gehören zu den geschätztesten Kostbarkeiten. Das Posso-Gebiet ist ferner die eigentliche Heimat der wundervollen Schwerter mit den Krokodilrachen-Griffen, deren mitunter prachtvolle Schnitzarbeit unter dem üblichen Stanniolbelag leider nur wenig zur Geltung kommt. Ebenso gehören hierher die schönen, mit Muscheln und Haarbüschen verzierten Langschilde (kánta). — Die bei diesen alten Kriegerstämmen früher getragenen höchst interessanten Kriegshüte und Panzerjacken sind heut als große Seltenheiten[S. 429] nur noch vereinzelt aufzutreiben. Leichter erhältlich sind schön geschaftete Lanzen sowie Buschmesser aller Formen. Als Spezialität der Posso-Distrikte sind außerdem die hier geflochtenen bunten Korbwaren anzuführen, von denen die »binka« genannten Tellerkörbchen in unzähligen Variationen besonders hübsch sind. In Pendólo lernte ich ein aus Bambus gefertigtes Musikinstrument (rerre) kennen, auf dem die Eingeborenen ein eintönig brummendes Geräusch hervorbringen. Das junge Mädchen auf Fig. 226 hält ein solches Instrument in Händen. Diese »rerre« sind ein bei alt und jung beliebtes Spielzeug, das sogar auf größeren Märschen mitgeführt wird. — Weit verbreitet sind Bambusflöten. Die besonders schön mit Brandmalerei verzierten, »tujali« genannten Stücke sind ursprünglich von minnahassischen Missionszöglingen an den Posso gebracht worden, werden aber gegenwärtig schon mit großem Geschick von den Eingeborenen nachgemacht.

227. Flechtarbeiten vom Posso-Gebiet.

Das ansehnliche Dorf Pendólo hat bereits seine Ursprünglichkeit eingebüßt. Die beiden mächtigen Kulturfaktoren, Gouvernement und[S. 430] Mission, arbeiten Hand in Hand an der Modernisierung der alten Eingeborenendörfer, und so entstanden zwar saubere und reinliche Ansiedelungscentren mit gutgehaltenen Wegen und gepflegten Vorgärtchen, aber die Eigenart der Bewohner vom Posso-See bis zum Meere entschwindet mehr und mehr.

Pendólo — Peoura, den 3. November.

Die für den Aufenthalt in Pendólo bemessene Zeit war mir wie im Fluge vergangen, und mit wärmstem Danke für die mir gewährte Gastfreundschaft sowie die nicht minder wertvolle Unterstützung im Verkehr mit der Bevölkerung verabschiedete ich mich zu früher Morgenstunde von Frau Missionar Kruyt, um meine Reise über den Posso-See fortzusetzen.

228. Meine Mabungka-Träger.

Die Berge lagen noch hinter dichten Nebelwänden verborgen, als wir im kühlen Morgenwinde fröstelnd am Seeufer standen. Daselbst lagen 3 mittelgroße, ungedeckte Prauen bereit, die mit je 3 bzw. 4 Ruderern bemannt waren. Zwei der Boote waren für den Transport des umfangreichen Gepäckes bestimmt; im dritten nahmen ich und mein Junge Platz. Mit dem Höhersteigen der Sonne flaute der Wind ab, und bei still liegendem Wasser stachen wir in den See hinaus. Die Leute ruderten taktmäßig. Auf zwei lange Schläge folgten zwei kurze, die[S. 431] dann regelmäßig von einem Anschlagen der Ruder an den Bootsrand begleitet waren. Die mit beiden Händen geführten Ruder waren kurz und hatten blattförmige Schaufeln, einige auch recht hübsch geschnitzte Griffe. — Wir hielten uns in der Nähe des dicht bewaldeten Westufers.

229. Tolampu-Knaben aus Pendólo.

Unser Ziel war das in einer geschützten Bucht liegende Dörfchen Binowoi, das wir nach 3 Ruderstunden erreichten. In dem gegen 400 Köpfe zählenden Dorfe, das nur der Büffelhörnerschmuck an allen Giebeln von einem gewöhnlichen Küstendorfe unterschied, übte ein minnahassischer Guru (Missionslehrer) seine Tätigkeit aus. Ich suchte ihn alsbald auf, und der junge Mann tat sein Bestes, mir behilflich zu sein. Der Mokole (Häuptling) wurde gerufen, und bald alarmierten seine Gongsignale die Dorfbewohner. Die Männer waren fast alle abwesend; dagegen strömte eine große Menge Frauen und Kinder im Schulhause zusammen. Es gelang mir, von diesen eine reiche Sammlung ethnographischer Objekte zu erwerben, die vorwiegend aus sehr sauber gearbeiteten Frauengewändern und primitiven Schmuckgegenständen bestand. Besonders freute ich mich über die Erwerbung eines der so überaus schwer zu erlangenden Bronzeamulette (gónga), das von einem kleinen Mädchen auf der Brust getragen wurde. Ein sehr beliebter Frauenhalsschmuck waren in Binowoi die bunten Schnäbel eines Spornkuckucks, die auf Schnüre gereiht wurden. Dieser Zierat wurde nach dem einheimischen Namen des Vogels »téka-téka«[S. 432] genannt. Ein Faserhalsband, dessen Mittelstück der gehörnte Kopf eines Käfers bildete, hieß nach diesem »bógo«. Ein anderes, aus Ketten kleiner Rotangringe bestehend (paka m’balésu), wurde sowohl von Kindern als Halsschmuck, als auch von Frauen als Jackenverschluß benutzt. Bisher nie gesehen hatte ich ferner Ohrpflöcke, welche mittels einer den Hinterkopf umschlingenden Perlkette verbunden waren (djali). — An sonstigen Dingen bildeten ein Zuschneidebrett für Fujastoffe (dopi pontói), sowie zwei sehr merkwürdige Vogelhüte (songko palándu),[S. 433] wie sie von Männern bei der Feldarbeit getragen werden, eine wertvolle Bereicherung meiner Kollektion. Diese Hüte bestanden aus Rotanggeflechten, welche mit einem oder mehreren Vogelbälgen bezogen waren.

230. Brustgehänge vom Posso-Gebiete.
231. Zuschneidebretter für Fuja-Stoffe.

Bei der Weiterfahrt machte sich die Mittagshitze recht fühlbar, und träge bewegte sich meine kleine Flottille dem Ostufer entgegen. Die weite Seefläche lag verlassen, und nur ein mächtiger Seeadler zog über uns seine Kreise. Gegenüber der bedeutenden Flächenausdehnung des Sees kommen die mittelhohen abgeflachten Randgebirge des Ostufers gar nicht zur Geltung, so daß das landschaftliche Bild ziemlich reizlos war.

Gegen 4 Uhr hatten wir den See überquert und lagen im seichten Wasser weit ab vom Lande vor dem kleinen bergumrahmten Tale von Peoura. Auch diese Ortschaft ließ in ihrer Anlage den Einfluß der Regierung erkennen. Die als Wandschmuck bei den Eingeborenen beliebten Büffelhörner waren hier zur Abwechslung in der Mitte des Giebelpfostens angebracht. Den First des Daches zierten flügelartige Fortsätze, wie wir sie ähnlich auf der Hochebene von Rato kennengelernt haben. Peoura verfügte übrigens auch über einen Lobo, den letzten Zeugen aus alter Zeit. — Ich quartierte mich für die Nacht im Hause des Guru ein. Es dauerte nicht lange, so boten Haus und Hof nicht mehr genügend Platz, um all die neugierig herbeigeeilten Dorfbewohner aufzunehmen. Mein aus der Minnahassa stammender, freundlicher Wirt, der das die Umgangssprache bildende Barée[S. 434] wie seine Muttersprache beherrschte, hatte alle Mühe, die vielen an ihn gerichteten Fragen zu beantworten. Kaum hatten die Leute erfahren, um was es sich handelte, als sie sich eilends zerstreuten, um in ihren Behausungen alles Entbehrliche zusammenzusuchen und es zu Gelde zu machen. Schwer beladen kamen sie zum Hause des Guru zurück. Ich hatte nicht geahnt, welch ein Sammelsegen mir hier beschieden sein sollte! Von 5 Uhr abends bis 11 Uhr nachts wußten wir uns vor Angeboten nicht zu retten. Vom Guru und dessen Frau sowie meinem Jungen unterstützt, entwickelte sich ein Geschäftsleben, wie ich es bei meinen Erwerbungen noch niemals erlebt hatte. Die letzten mußten schließlich mit sanfter Gewalt aus dem Hause befördert werden, sonst wären wir diese Nacht wohl überhaupt nicht zur Ruhe gekommen. Des Rätsels Lösung war verblüffend einfach. Der Steuererheber war auf seiner Rundtour um den See begriffen und wurde jeden Tag im Dorfe erwartet. Die Herrschaften brauchten Geld. —

Unter der Fülle der in Peoura erworbenen Sachen befand sich eine Anzahl sehr interessanter Stücke. Nur einige derselben seien hier angeführt. So erhielt ich aus Fuja gefertigte Frauenstirnbänder (talimódo) von lokaler Bedeutung. Sie bestanden aus 10 cm breiten und gegen 1 m langen ockergelb gefärbten Fuja-Streifen. In Stirnbreite waren diese Bänder mit schwarzvioletten ornamentierten Karrees bemalt. Außer diesen Talimódo wurden von Mädchen und Frauen noch Haupttücher aus seidendünner weißer Fuja (inódo) getragen; auch buntgefärbte Tücher wurden mir gebracht. — In Mehrzahl erwarb ich hölzerne oder aus Horn geschnitzte ankerförmige Haken, die zum Aufhängen von Gegenständen in den Hütten benutzt werden. Ziemlich jedes dieser Stücke wies eine Variation des typischen Büffelkopfmotivs auf. Die Eingeborenen nannten sie »pontjáru«. — Große umflochtene Bambusdosen (tóngka) mit hübscher Brandornamentik und geschnitzten Deckeln fungierten als Tabakbehälter. Bronzene Vorfechter-Schmucke (sangóri) konnte ich in mehreren Exemplaren ankaufen. — Das Beste von allem waren jedoch mehrere Kriegshüte und -mützen, einige Panzerhemden,[S. 435] sowie hervorragend schöne Schwerter. Letztere hatten nur den einen Fehler, daß fast unerschwingliche Preise dafür verlangt wurden. Durch ungemessene Forderungen zeichnete sich vor allen anderen der Häuptling aus, ein listig aussehender Patron.

Die Fuja-Industrie in Peoura, einst in großem Umfange betrieben, fristet gegenwärtig nur ein kümmerliches Dasein. Als schönste Erzeugnisse derselben kaufte ich braun und blau gefärbte Weiberjacken mit eingereihten Kragen. — Das blechern klingende Gehämmer der mit Fuja-Zurichtung beschäftigten Frauen war bis spät in die Nacht hinein zu hören.

Peoura — Tentena — Kúku, den 4. November.

Vor meiner heutigen Abfahrt besichtigte ich noch den Lobo des Dorfes. Dieser schien selten benutzt zu werden und war dem Einsturz nahe. Die Missionstätigkeit beginnt eben unter der heidnischen Bevölkerung des Posso-Gebietes schon eine nachhaltige Wirkung auszuüben, die, unterstützt von einer strengen Regierung, die alten barbarischen Sitten und vor allem den Brauch des Kopfabschlagens gründlich ausgerottet haben. —

232. Tolampu-Kriegshüte.

Das alte Gebäude befand sich wie gesagt in ziemlich desolatem Zustande. Von oben lachte die Sonne durch das vielfach gespaltene Dach;[S. 436] im Innern tummelte sich eine Schar Ziegen. In der Anlage und Ausstattung glich es völlig dem Milieu der schon früher geschilderten Lobos, selbst die geschnitzten Krokodilmotive fehlten nicht, zeichneten sich sogar durch größere Lebendigkeit aus. Auf einer Darstellung belauert ein Krokodil ein Ferkel, auf einer zweiten hat es dies bereits erfaßt.

Um ½7 Uhr morgens traten wir die Weiterreise nach dem am Nordende des Sees gelegenen Tentena an. Wir hielten uns dicht am Ufer, das von einem schmalen Waldgürtel eingefaßt war, hinter dem sich gerodete Hügel erhoben. Im Hinterlande der Berge soll viel Reis gebaut werden. Nahe am Ufer, aber noch im tiefen Wasser fanden wir häufig Lockplätze für Fische. Sie bestanden aus soliden in den Seegrund gerammten Gerüsten, welche in einer Höhe von etwa 25–30 cm über dem Wasserspiegel Plattformen aus Flechtwerk mit schattenspendendem Gezweige trugen. Dieses war durch Belag mit großen Steinen gegen den Wind gesichert. Vermutlich liegen unter diesen Vorrichtungen Reusen, in welche die den Schatten aufsuchenden Fische hineingeraten.

Wir erreichten die sich zipfelförmig verengende Nordostecke des Sees, welcher der Posso-Fluß entspringt, nach reichlich 2 Stunden. Sie glich einer schmalen Lagune und war durch großartige Reusenanlagen, die den Booten nur knappen Durchgang gewährten, gegen den offenen See zu abgesperrt. Tentena liegt weit zurück am Ende der Lagune, wo diese in einem Rohrsumpf verläuft. Der Ort ist von beträchtlicher Größe und besitzt sogar einen wohlausgestatteten Pasangrahan. Ich zog es aber vor, abermals den Guru aufzusuchen, und erhielt dank seiner freundlichen Unterstützung rasch die gewünschten Träger. Denn von hier ab begann wieder die Überlandreise, die ich mir aber nun recht bequem gestalten konnte, da ein sehr guter Reitweg See und Meer verbindet. Die fromme Sinnesart des von mir gemieteten Rosses sorgte im übrigen schon dafür, daß mir die Träger mit dem Gepäck nicht allzuweit aus dem Gesichtskreise entschwanden. —

233. Tabaksbehälter.

[S. 438]

Ich ritt gegen 11 Uhr von Tentena ab, das mir mit seinem regen Küstenverkehr ethnographisch nichts Neues mehr bieten konnte. Anfangs führte die Straße durch Sumpf- und Reisland. Allmählich traten dann beiderseits Hügelketten auf, die meist noch schönen Hochwaldbestand trugen. Vielfach begegneten mir Eingeborene mit schweren Rückenlasten, die sie in den im Posso-Gebiet üblichen Körben aus Sagopalmscheiden mit weit vorstehenden Schutzdeckeln geborgen hatten. — Nach einstündigem Ritt kam ich durch das hochgelegene Dörfchen Paúna. Daselbst erwarb ich von einer mir begegnenden Frau eine Münzenkette aus alten koreanischen Cashstücken; ein Schmuck, den ich bei Frauen dieser Gegend mehrfach bemerkte. — Kurz hinter dem Dörfchen tauchten höhere Bergzüge auf, und das landschaftliche Bild wurde lebendiger. Der Weg stieg in scharf gewundenen Serpentinen die der Kreideformation angehörenden Höhen hinan, die vielfach Tuffsteinbildungen zeigten. Nach abermals einer Stunde hatte ich das Bergdorf Patmundju erreicht. Hier fand ich die Benutzung von Bastgewändern auch bei den Frauen schon stark eingeschränkt, da die Fuja mehr und mehr durch Zeugstoffe verdrängt wird. Auch die Gesichtsbemalung war bereits auf ein Minimum reduziert und bestand entweder in 3 kurzen horizontalen oder vertikalen Strichen auf jeder Wange und der Stirn oder gar nur in 3 Punkten. An Stelle des schwarzen verwandte man hierzu einen braunen Farbstoff. — Messingschmucksachen wurden immer seltener, und solche aus geschliffenem Muschelmaterial ersetzten sie in dem Maße, als wir uns der Küste näherten.

Über Sangira, eine neu angelegte Siedelung, ritt ich hügelabwärts und kam durch ein heißes Talgelände mit Sagosümpfen. Eine der hier befindlichen Sagomühlen besah ich mir näher. Der gefällte Stamm der Palme wird erst der Länge nach gespalten und das Mark alsdann mit einem hohl kellenartig geformten runden Messer herausgeschroten. Hierauf wird die Masse durch Waschen und Austreten mit den Füßen möglichst von allen holzigen Teilen befreit. Das roh gereinigte Sagomehl sickert dabei durch ein siebartiges Geflecht nach unten durch. Das[S. 439] bei diesem Prozesse ablaufende Wasser wird durch ein Rinnensystem zu einem Filter aus porösem Arengholze geleitet, unter welchem es geklärt in einem großen Troge aufgefangen wurde. Diese gerbsäurehaltige Flüssigkeit spielt eine wichtige Rolle bei der Fujabereitung.

234. Leute vom Posso-Gebiet mit Deckel-Rückenkörben.

Am Ende des Tales erhob sich vor mir ein hoher, querstreichender Gebirgszug. In gewaltigen, stark ansteigenden Schleifen führte der Weg diesen hinan. Nach mehreren Stunden konnte ich von dem erreichten hohen Standpunkte aus einen herzerfreuend schönen Blick auf die[S. 440] sich unter mir ausbreitende Berglandschaft genießen, in deren Tiefe der Posso-Fluß dahinbrauste. Auf der Wasserscheide des Bergzuges angelangt, sah ich wohl an 600 m tief unter mir in schmalem Tale die Ortschaft Kúku liegen, wo ich heut zu nächtigen beabsichtigte.

Der Ort war das Domizil eines holländischen Missionars. Auch ein gut ausgestatteter Pasangrahan befand sich daselbst, in dem ich alles fand, was das Herz eines durch langes Buschleben genügsam gewordenen Reisenden erfreuen kann. Diese überall in Holländisch-Indien zu findenden Gouvernements-Unterkunftshäuser sind ein wahrer Segen für den Touristen. Außer dem notwendigsten Mobiliar enthalten sie gewöhnlich noch eine Reihe anderer höchst nützlicher Dinge, als da sind Matratzen, Lampen, Wasch- und Speisegeschirr, Bestecke und dergl.

In Kúku fand ich alle diese Herrlichkeiten beisammen; selbst ein Petroleumvorrat war vorsorglich deponiert. Wer sich niemals in solchen Lagen befunden hat, kann nur schwer das Wonnegefühl nachempfinden, welches das Erreichen eines solchen wohl ausgestatteten Rasthauses bei dem Reisenden auszulösen vermag.

Diese Pasangrahan sind meist der Obhut des Dorfhäuptlings unterstellt, der für Instandhaltung und Ordnung derselben zu sorgen hat. Bei meinem Besuch lernte ich in dem Missionar des Dorfes, Herrn Scheuer, einen sympathischen Herrn kennen, der mit seiner jugendlichen Gattin seit etwa 2 Jahren hier lebte und die gewiß ebenso mühevolle wie undankbare Aufgabe übernommen hatte, in Kúku, auf einem schwer zu beackernden Boden, in die Herzen einer nahezu rein heidnischen Bevölkerung die Samenkörner christlicher Glaubenssätze auszustreuen. Der Liebenswürdigkeit des Herrn Scheuer und seinem Interesse für ethnologische Forschungen verdanke ich bemerkenswerte Hinweise und die Bereicherung meiner Sammlung durch mehrere außerordentlich schwer zu erlangende Kultgegenstände der Eingeborenen. So sei vor allem der Pemía oder Totenmasken Erwähnung getan.

235. Totenmasken.

Die Toten der Tolampu-Stämme werden ursprünglich irgendwo im Busche provisorisch beigesetzt. Um solche Orte vor dem Vergessenwerden[S. 441] zu bewahren, werden sie durch besondere Markierungen gekennzeichnet, z. B. durch aufrechte Stangen, an denen Strohwische oder Atapstücke befestigt sind. Zu dem in unregelmäßigen Intervallen stattfindenden großen Totenfest, wie es etwa dem katholischen Allerseelen entspricht, werden die hierzu wieder ausgegrabenen und gereinigten Gebeine mittels Fuja zu Bündeln zusammengeschnürt und so in die Lobos der einzelnen Dörfer gebracht. Die daselbst stattfindenden Feierlichkeiten[S. 442] stehen unter der Leitung von Priesterinnen, den »dadu-moráke« (dadu = Priester, Zauberer; moráke = Verjagen der Geister). Als äußere Abzeichen tragen diese meist ehrwürdigen Matronen gefaserte Fuja-Kopfschleifen (pebántja dómpu). Die ganze Institution hat eine unverkennbare Ähnlichkeit mit den »Bálias« der Paluesen. — Die einzelnen Bündel mit den Totengebeinen werden im Lobo reihenweise niedergelegt, und jedes derselben wird mit einer Totenmaske versehen, von welcher die Eingeborenen behaupten, daß sie den Zügen des Verstorbenen gliche. Die Pemía von Toten, welche im Leben den hochgeachteten Rang eines Vorkämpfers eingenommen haben, sind dabei mit dem Sangóri geschmückt, derselben eigenartigen Bronzespirale, wie sie den Vorfechter auch bei Lebzeiten auszeichnet. — Nach beendeten Feierlichkeiten bringt man die Totenmasken in die Reisscheunen der Hinterbliebenen, wo sie für immer verbleiben. Die Gebeine aber werden im Walde unter Felsen, in Baumhöhlen oder dergl. endgültig bestattet.

In Kúku erhielt ich auch sog. Donnersteine (n’gisi berése), denen geheimnisvolle Kräfte zugeschrieben werden. Es dürfte sich bei solchen Stücken um Fragmente aus der Steinzeitperiode der Celebes-Stämme handeln.

Kúku — Posso (-Station) am Golf von Tomini, den 5. November.

Zufolge der absichtlichen Säumigkeit des Dorfvorstehers dauerte es heut endlos lange, bis sich die in Kúku neuangeworbenen Träger im Pasangrahan einfanden. Es war dies auf einen Racheakt des Kapala zurückzuführen, der darüber wütend war, daß es mir bzw. Herrn[S. 443] Scheuer gestern gelungen war, die zwei Pemía in meinen Besitz zu bringen. Erst auf sehr ernste Vorhaltungen hin bequemte er sich, die gebrauchte Anzahl Leute zu beordern. Mit Militär im Gefolge hätte so etwas wohl kaum vorkommen können. — So wurde es 7 Uhr, ehe ich nach freundlicher Verabschiedung von dem Missionspaar den Ort verlassen konnte. In gemächlichem Tempo ritt ich das von schön geformten Waldzügen umrahmte Tal von Kúku entlang. Trotzdem die Lehnen bis zur halben Höhe hinan von den Talbewohnern angebaut waren, hatten diese die oberen Waldpartien vor Axt und Feuer verschont — ein vernünftiges und selten anzutreffendes Beispiel in einem Lande, in dem schonungslose Waldvernichtung zur Regel geworden ist. Das Tal war an seinem Ausgange von Bergen eingeschlossen, deren Wegekurven ich langsam hinanritt. Nach einer reichlichen Stunde gewahrte ich, auf einer Paßhöhe angelangt, tief unter mir das Dörfchen Tampe-Táa am Ufer des auch das Kúku-Tal bewässernden Tomása-Flusses. Auch die nächstgelegene Ortschaft Imbuh sah ich nur von hoch oben aus. Die steilen Bergabhänge hatten die Wegebauer[S. 444] gezwungen, zu endlosen Kehren ihre Zuflucht zu nehmen, und nur selten war es mir möglich, diese auf Gangsteigen abzukürzen, die allerdings nicht für Pferdehufe geschaffen waren. Aber mein Gaul war von Nervosität frei und kletterte wie eine Ziege. — Auf allen freien Halden grünte Mais. Auch Tabak wurde viel angebaut.

236. Ortschaft Pandiri.
237. Frauenmesser.

Bei etwa 600 m Höhe hatte ich den Rückenkamm erreicht, und in derselben Weise wie herauf ging es nun talwärts. Die Berge nahmen ein Ende, und vom Meere trennte mich nur noch die demselben vorgelagerte Ebene, die mit Dörfern, Plantagen und Fruchthainen übersät erschien. Von einem der letzten Hügel aus, dicht oberhalb des großen schönen Dorfes Pandiri, genoß ich den ersten Ausblick auf diesen gesegneten Kulturstrich, begrüßte ich frohlockend den heißersehnten Anblick des nicht mehr allzufern herüberblinkenden Meeres.

Ich traf gerade zur Mittagsstunde in Pandiri ein, wo wie in den meisten größeren Ortschaften des Posso-Gebietes ein malayischer Guru im Dienste der Mission wirkte. Bei diesem stieg ich ab und machte in seinem Hause kurze Mittagsrast, wobei ich die Zeit noch zu Einkäufen ausnutzte, bei denen mir der Guru hilfreich zur Seite stand. Die Einwirkung der Küstenbevölkerung war in Pandiri bereits stark bemerkbar, und auch der Islam mit all seinen Begleiterscheinungen ist schon bis hierher vorgedrungen und macht der Mission scharfe Konkurrenz. Das Dorf liegt dicht am Fuße der Berge und ist eines der bedeutendsten und schönsten des Distrikts. — Die Frauen dieser Gemeinde trugen Stirnbinden aus Stoff. Fuja-Gewänder und Gesichtsbemalung sind nahezu gänzlich verschwunden. Sonderbarerweise trugen fast alle Frauen Pandiris eigens für sie gearbeitete kleine Buschmesser mit sich.

[S. 445]

238. Zauber zur Verhütung von Krankheits-Einschleppung im Dorfe Tagólu.

Von Pandiri bis Posso ist der Weg fast ganz eben und führt immer in der Nähe des Posso-Flusses entlang. Ich wartete das Nachkommen meiner Träger gar nicht erst ab, sondern bat den Guru, dafür zu sorgen, daß der hier stattfindende Kuliwechsel rasch und ordnungsgemäß vor sich gehe. Eine Stunde später erreichte ich das Dorf Watuawu, ritt ohne Aufenthalt hindurch und war abermals eine Stunde hernach in dem sehr ausgedehnten Dorfe Tagólu angelangt. Am Eingange zu dieser großen Ortschaft sah ich einen höchst merkwürdigen Dorfzauber. An der Wegseite waren 2 Bambusgestelle errichtet, ein[S. 446] größeres und ein etwas niedrigeres, die beide mit wehenden weißen Fuja-Fähnchen geschmückt waren. In dem Boden davor hatte man mehrere Stöcke des heiligen roten Blattes eingepflanzt. Auf dem höheren der Tischgestelle befanden sich 2 gleichartige holzgeschnitzte Figuren in halbliegender Stellung, die einen Mann und eine Frau darstellten, letztere durch Fuja-Sarong und Fruchthalskette als solche gekennzeichnet. Zaubermedizinen aller Art, wie Wurzeln und Kräuter lagen nebst einem Ei davor. Auf dem kleineren der Tischchen befanden sich neben einem Körbchen mit Mais- und Reiskörnern ganze Hände voll alter, außer Kurs gesetzter Kupfermünzen. Rings um beide Gestelle waren in halber Höhe Schnüre gezogen, an denen Maiskolben und Bündel wohlriechender Gräser hingen. Das Ganze stellte einen Abwehrzauber gegen Einschleppung von Krankheit vor. Ich fand hier also, am Meere im Norden der Insel, einen zwar in den Einzelheiten abweichenden, aber dennoch den im Süden am Boni-Golf angetroffenen Brauch wieder. — Da ich mich gerade allein und unbeobachtet wußte, stieg ich ab und nahm kurzerhand den ganzen Kram an mich. Es sei gleich hier bemerkt, daß ich am anderen Ausgang des Dorfes auf genau dieselbe Krankheitsscheuche stieß, mit dem Unterschiede, daß diese rechts vom Wege aufgestellt war, während erstere links stand. Damit nicht genug, hatten die Leute noch einen zweiten anderen Dorfzauber, und zwar gleichfalls am Ein- und Ausgange der Dorfgrenze direkt über dem Dorfweg errichtet, in Gestalt von 3 hohen, gegeneinander geneigten, eine Art Tor bildenden Bambusgerten. Die spezielle Bedeutung dieser Art Zauber, die gleichfalls stark an luwuresische Gepflogenheiten erinnerte, konnte ich nicht in Erfahrung bringen, vernahm jedoch, daß auch dies eine gegen Seuchen schützende Abwehrmaßregel vorstellen sollte.

Die Seltsamkeiten Tagólus waren damit noch nicht erschöpft. So sah ich hier vor mehreren Häusern Flaggenstangen, deren schildbürgerliche Konstruktion einigermaßen verblüffend wirkte. Einer 4–5 m hohen Stange saß eine kurze Querleiste auf, die an ihrem durchlochten[S. 447] Ende eine Verlängerungsstange trug, an welcher die holländische Flagge wehte. Warum in aller Welt man in einer Gegend, wo Tausende bis 30 m hoher, kerzengerader, schlanker Palmenschäfte direkt zur Benutzung herausforderten, zu solch komplizierter Zusammenstückelung seine Zuflucht genommen hatte, blieb mir unerfindlich.

239. Wegezauber bei Tagólu.

Der unendliche Reichtum an Coryphapalmen (Fächerpalmen) war für die letzte Wegestrecke bis Posso überhaupt charakteristisch und verlieh der Gegend das Aussehen eines riesigen Palmengartens. Die Palmen sterben nach ihrer Blüte ab, und es war sehr interessant, hier Prachtexemplare in allen Wachstumsstadien bei einander zu sehen.

Nahe bei der Regierungsstation »Posso am Meere« war dieser noch[S. 448] ein Hügelzug vorgelagert, welcher von dem Wegekonstrukteur glatt durchschnitten worden war — eine Anlage, die billige Arbeitskräfte voraussetzt.

Unmittelbar hinter dieser Traversierung begannen die Palmengärten Possos. Um 5 Uhr ritt ich in das Weichbild der Station ein, und wenige Minuten später lag das weite blaue Meer, der Golf von Tomini, in majestätischer Größe vor mir. In stummer Bewunderung schaute ich das herrliche Bild.

Wie Hochgesang tönte mir der Donner der Brandung an das Ohr, und frohbewegten Herzens genoß ich die Wonne, meine mühevolle Reise durch Central-Celebes glücklich vollendet zu haben.

Festlich geschmückte Träger   mit Totengebeinen

[S. 449]

IV. Teil.
Reise vom Golf von Tomini über Napu, Besoa, Bada und Kulawi nach der Palu-Bay.

Tafel XIII.
Napu-Sklavin in Festtracht.

[S. 451]

Kopfvignette:   Angeln im Reisfeld

Im südlichsten Winkel des Golfes von Tomini liegt die stille, verträumte Ortschaft Posso. — Hingeschmiegt unter wiegenden Palmenkronen, vom linden Seewind geküßt und vom ewigen Liede der Brandung umschmeichelt, schläft sie einen Dornröschenschlaf, dem sie nur der alle 14 Tage hier anlaufende Postdampfer für kurze Stunden zu entreißen vermag.

Der Ort ist Regierungsstation und steht unter dem Befehle eines die Militär- und Civilgewalt in seiner Person vereinigenden Hauptmannes, dem ein Detachement von etwa 100 Soldaten beigegeben ist. Ein geräumiges Haus und große schöne Gartenanlagen sind die einzigen[S. 452] Annehmlichkeiten, welche dem aus Europa hierher verschlagenen Bezirksmachthaber geboten sind. Nur durch diese Anlagen vom Heim des Tuan besar getrennt, schließt sich der Pasangrahan an, einer der am komfortabelsten ausgestatteten, die mir in Niederländisch-Indien vorkamen.

Prächtige schattige Alleen durchziehen, sternförmig ausstrahlend, die weit hingedehnte Station. Reizende Parkanpflanzungen und als Clou eine hochgelegene Uferpromenade mit malerischen Ausblicken auf Posso-Fluß und Kampong vervollständigen die Sehenswürdigkeiten des Platzes. Schmuck und sauber, mit einem Anstrich von Wohlhabenheit, wennschon jeder Eigenart verloren gegangen, präsentieren sich die unter Grün versteckten Eingeborenenhäuschen im Stile des gewöhnlichen Malayenhauses, wie es für den ganzen Archipel typisch ist. Von ihnen heben sich die zierlich beschnitzten und bemalten Wohnungen der buginesischen Einwanderer als ungleich stilechter vorteilhaft ab.

Der Kaserne gegenüber, die wie überall in Indonesien auch den mehr oder weniger legitimen Weibern der Soldaten und ihren zahlreichen »Früchten eines Schoßes«, wie sich der Malaye poetisch ausdrückt, zur Wohnung dient, haben eine Anzahl der nirgends fehlenden bezopften Söhne des Himmels ihre Läden aufgeschlagen, von wo aus sie Garnison und Eingeborene mit den billigen Quincaillerie-Erzeugnissen westlicher Kultur beglücken. Ihr Hauptgeschäft aber besteht im Aufkaufen der Landesprodukte, hier vor allem Kopra und Rotang, die sie im großen nach China und Europa verfrachten.

Damit ist die Aufzählung alles irgendwie Bemerkenswerten in Posso am Meere — zum Unterschiede von Posso-See — beendet. Diese beiden Bezeichnungen schließen übrigens ein niedliches Wortspiel in sich, da das holländische »Posso-Meer« auf deutsch »Posso-See« besagt, während das deutsche »Posso-See« (holld. = Zee) umgekehrt im Holländischen »Posso am Meer« bedeutet.

Posso hat ungeachtet seiner günstigen Küstenlage ein außerordentlich heißes Klima, in dem die Vegetation üppig wie in einem Treibhause[S. 453] zur Entfaltung gelangt. Fast ohne Zutun des Menschen sorgt hier eine allgütige Natur für seinen Unterhalt. Aber auch diesem Eden fehlt die Schlange nicht, die das Glück seiner Bewohner stört. Vor allem sind es Verstand und Gemüt verdüsternde Kultvorstellungen, unter denen die Bevölkerung schmachtet. Nach Mitteilung des Kommandanten treibt speziell der Hexenglauben bösartige Auswüchse. Vieherkrankungen, gehäufte Sterblichkeit und dergl. Geschehnisse werden von den Leuten in vielen Fällen auf Verhexung zurückgeführt. Der Zauberei verdächtige Personen sind ihres Lebens nicht sicher. Während sie früher lebendig verbrannt wurden, greift unter dem strengen holländischen Regime die fanatisierte Bevölkerung zum Meuchelmord, wobei schleichenden Giften die Hauptrolle zufällt. Die Behörde steht solchen Ausbrüchen brutaler Selbsthilfe ziemlich ohnmächtig gegenüber, da die Eingeborenen, durch mehrmals vorgekommene strenge Ahndungen gewitzigt, in größter Heimlichkeit zu Werke gehen. Jeder Aufklärung unzugänglich, bewahrt die Bevölkerung über Akte ihrer Femjustiz unverbrüchliches Stillschweigen, so daß es fast stets unmöglich ist, die Übeltäter zu überführen.

Die wichtigste Obliegenheit während meines Aufenthaltes in Posso war, mir die Zustimmung des Regierungsvertreters zur Fortsetzung meiner Reisen durch die schwierigen und noch nicht völlig pazifizierten Gebiete von Napu und Besoa zu sichern. Herr Hauptmann Massey stand meinem Reiseprojekt freundlich gegenüber, bestand jedoch darauf, mir wiederum eine militärische Eskorte mitzugeben. Ich nahm hiervon dankend Kenntnis und bat nur um Beschleunigung bei der Auswahl der Mannschaften. Dieser Bitte wurde freundlichst willfahrt und als Zeitpunkt meiner Abreise der kommende Morgen festgesetzt. Der gütigen Unterstützung des Herrn Hauptmann Massey verdankte ich auch meinen Dolmetscher, der in der Person eines in Posso wohnenden Malayen aus der Minahassa Namens No-Moningko gefunden wurde. Derselbe beherrschte die Idiome der zu durchziehenden Sprachgebiete vollkommen und erklärte sich nach einigem Zureden bereit, mir bis Palu zu folgen.

[S. 454]

Posso — Waldbiwak Bambaimpo, den 7. November.

Der Tag des Aufbruches zu meiner letzten und wichtigsten Reise in Celebes war kaum heraufgedämmert, als sich bereits die 24 Gepäckkulis vor dem Pasangrahan eingefunden hatten. Das Verteilen der Lasten vollzog sich unter dem unvermeidlichen Streit der Leute um die bequemsten Gepäckstücke. Ich überließ die Aufsicht meinem neuen Begleiter No und meinem Jungen, um mich von Herrn Hauptmann Massey zu verabschieden. Mit bestem Danke für die freundliche Aufnahme und die erwiesenen Gefälligkeiten sagte ich ihm Lebewohl, und von seinem wohlgemeinten »Glück auf den Weg« begleitet, gab ich das Zeichen zum Abmarsch.

Dicht vor der Mündung des Posso-Flusses ließen wir uns mittels Fähre übersetzen. Am anderen Ufer zog sich der Weg noch eine Strecke weit durch den Kampong, später durch lichten dünnen Busch in fast schnurgerader Linie nahe dem Meere hin, mit gelegentlichen wunderhübschen Ausblicken auf die tiefblaue Flut.

Nach 2stündigem Marsche erreichten wir Mapane, ein schönes großes Dorf mit ausgedehnten Kokosplantagen, die der Bevölkerung eine mühelose und angenehme Existenz ermöglichen. Die Leute nennen sich hier nach ihrem Stammesnamen Topebato. —

240. Mein Dolmetsch No-Moningko.

In dem reichen Mapane befand sich auch die Werkstatt eines buginesischen[S. 455] Goldschmiedes, den ich aufsuchte. Meine Erwartungen wurden aber getäuscht; ich fand bei ihm nicht ein interessantes Stück. Eine silberne Tabaksdose, etwa neun Gulden auswiegend, sollte ich mit 30 fl. bezahlen. Das war mir doch etwas zu bunt, und schleunigst schüttelte ich den Staub von meinen Füßen. Man sollte eben an Küstenplätzen keine Einkaufsversuche machen, da man stets überteuert wird.

Am Strande von Mapane, wo Fischerei in größerem Umfange betrieben wird, lagen ganze Reihen von Booten, die mir durch ihre originellen Ausleger bemerkenswert erschienen, welche kurz vor der äußeren Querstange eine starke Biegung nach oben in der Form eines Pferdekummets aufwiesen.

Unsere nächste Station war das benachbarte, gleichfalls sehr bedeutende Dorf Kasigundju, das wir auf guter, aber schattenloser Distriktsstraße in etwa einer Stunde erreichten. Hierselbst wohnte ein holländischer Missionar. Er war zur Zeit meines Eintreffens abwesend, und seine fieberkranke Frau konnte mich nicht empfangen. Im Hause des nunmehr aufgesuchten Dorfvorstehers von Kasigundju wurden mir Kokosnüsse und Pisang zur Erfrischung geboten. Während meines Verweilens bei ihm rief man die neuen Träger zusammen, da in diesem Dorfe Kuliwechsel stattfand. Die Posso-Leute gingen zurück, und Topebatu aus der Umgegend, die bis Napu durchzumarschieren hatten, traten an ihre Stelle. Ihre Vorbereitungen für die Abwesenheit von gut einer Woche zogen sich etwas in die Länge, so daß ich erst mit ca. einstündiger Verspätung von hier aufbrechen konnte.

Mit dem schönen Wege hatte es von Kasigundju ab leider ein Ende, und wir betraten schmale verwachsene Fußpfade. Kurz hinter dem Dorfe scharf nach links abbiegend, wandten wir uns direkt dem Napu-Gebirge zu. Die Überquerung des Salu Puna ging auf einem Fährboote glatt vor sich. Durch Busch und eingefenzte Plantagen ging es drüben weiter, wobei mir die sonderbaren Umzäunungen auffielen. Die hierzu verwandten starken Baumstämme waren nicht in der gewöhnlichen Art aufeinandergelegt, sondern bildeten, vertikal[S. 456] nebeneinander in die Erde gerammt, Palisaden von Manneshöhe. — Streckenweise stießen wir auf größere Eukalyptenbestände, deren säulengerade schlanke Stämme erst in einer Höhe, welche die der anderen Waldbäume zwergenhaft erscheinen ließ, mächtig ausladende Laubschirme bildeten. Diese bis zur Krone astlosen Waldriesen gewährten mit ihrer völlig glatten und herrlich grün, grau, gelb, rot bis violett gefleckten Rinde und den darauf hin und wider huschenden Sonnenreflexen einen wundervollen Anblick. Der Fuß schritt auf einem Rindenteppich dahin, da sich die Borke dieser stolzen Bäume periodisch in langen schmalen Streifen von oben nach unten abschält. Einen weiteren anmutigen Kontrast in das Grün dieser Küstenwälder brachte ein stattlicher Baum, dessen Blätterreichtum buntgemischt die satte Farbenpracht des jungen Erstlingslaubes mit allen Übergängen bis zu den tiefroten Tinten des Herbstlaubes gleichzeitig in sich vereinte. Große Flüge weißer Kakadus und Gesellschaften bunter, lärmender Papageien belebten die Hochwipfel dieser Urwälder. Wir kamen später noch einmal an einer großen Rodung mit jungen Pisangpflanzen zwischen den wirren Reihen der gefällten und halbverbrannten Baumstümpfe vorüber. Es waren die letzten Anzeichen des bewohnten Geländes. Nunmehr führte der Weg ununterbrochen durch schattigen Wald. Unsere Wanderung wäre noch genußreicher gewesen, hätten wir dabei nicht so häufig Moraststellen angetroffen und unzählige Rinnsale zu durchschreiten gehabt, die von undurchdringlichen Sumpfpflanzen-Gehegen eingefaßt waren. Solche Kräuterwildnisse sind die Lieblingsplätze zierlicher Schmetterlinge sowie farbenprächtiger Käfer, die hier in Unmengen vorkommen.

Eine besondere Merkwürdigkeit dieser Waldzonen waren die mehrfach angetroffenen »surat útan«, die die Skizze auf S. 457 veranschaulicht. Der am Wegrande errichtete Pfosten (Fig. a) mit geradem in einer bestimmten Richtung in den Wald hinein weisenden Querarm bedeutet in der Zeichensprache der Eingeborenen, daß der in der angedeuteten Richtung sich ausbreitende Wald von dem Aufsteller des[S. 457] Wegezeichens in Besitz genommen sei, und daß kein anderer mehr ein Anrecht darauf habe. Der Pfahl mit einem schief nach unten deutenden Querarm (Fig. b) warnt vor einem Betreten des Waldes nach dieser Richtung, da dort messerscharfe Bambusspitzen im Laubwerk des Bodens verborgen sind, wie sie zum Erlegen von Wild an der Erde befestigt werden. Zwei schräggekreuzte abwärtsgerichtete Arme (Fig. c) zeigen an, daß nach den beiden angedeuteten Richtungen hin Fußlanzen angebracht sind, usw.

Wegezeichen zur Warnung   vor Gefahren

Je näher wir dem Fuße des Gebirges kamen, desto schlechter und unwegsamer wurde der Pfad, der mit Geröll und Fallholz überschüttet war. Gegen 3 Stunden waren vergangen, als wir an den schmalen Einschnitt des über Felsen hinbrausenden Salu Impo gelangten. Das vom Napu-Gebirge herabstürzende Flüßchen wurde durchwatet. Bald darauf erreichten wir eine waldfreie Einsattelung, hinter welcher unmittelbar das hohe Gebirge anstieg. Der Platz wurde Bambaimpo genannt und war das Ziel unseres heutigen Marsches. Hier rasten regelmäßig die von Napu kommenden oder über das Gebirge dorthin gehenden Wanderer, und eine hier errichtete primitive Baracke dient ihnen als Obdach. Ein käfigartiger Anbau hatte die Bestimmung, als »Herrenlogis« zu dienen. Ich zog es aber vor, im Freien zu bleiben, wo ich mir aus Astwerk ein kleines Gerüst herstellen ließ, das auf 3 Seiten mit Wachstuchplanen umkleidet wurde, und dessen Dach aus[S. 458] dichten Blätterlagen bestand. Zwischen Dach und Wänden blieb dabei genügend Zwischenraum für Luftzutritt. Mit so einfachen Mitteln wurde ein völlig separiertes und ungleich angenehmeres Schlafquartier fertig gemacht, als es der verräucherte Schuppen mit den 40 schwitzenden Insassen gewesen wäre. Ein in unmittelbarer Nähe vorbeifließender kristallklarer Waldbach gewährte ein erfrischendes Bad, und wieder einmal kam es mir so recht deutlich zum Bewußtsein, wie wenig der Mensch eigentlich zu seinem leiblichen Wohlbefinden bedarf.

Bambaimpo — Watutau (Napu), den 8. November.

Als wir nach ruhiger Nacht in köstlichem Waldesfrieden um 6 Uhr Bambaimpo verließen, um mit dem Anstiege zum Napu-Gebirge zu beginnen, ahnte ich nicht, daß mir der schwerste Marsch meiner Reisen bevorstand, der mir um ein Haar zum Verhängnis geworden wäre.

Eine Reihe von Gründen hatte mich veranlaßt, an der Spitze des Zuges zu marschieren, darunter nicht zum wenigsten der Umstand, daß das mich diesmal begleitende Militär aus etwas phlegmatisch veranlagten Leuten bestand. Das beschauliche Leben in Posso hatte ihnen zweifellos besser behagt als die Beteiligung an meiner Expedition, und im Gegensatz zu meinen früheren Paloppo-Soldaten war es ihnen völlig einerlei, wie weit sie zurückblieben. Zu dieser Feststellung hatten sie bereits am ersten Tage reichlich Gelegenheit gegeben. Heut wiederum schien ihnen der frühe Aufbruch nicht zuzusagen, und da mir verdrossene Mienen auf die Nerven fallen, beschloß ich vorauszugehen.

Nur von meinem Dragoman No, der sich glücklicherweise als ein strammer, ausdauernder Junge erwies, und einem Topebato begleitet, der als Führer zu dienen und nur meine Apparattaschen zu tragen hatte, stiegen wir die sich vor uns aufbauenden Gebirgslehnen hinan.

Dem Bergwalde fehlten die in den Wäldern der Ebene so auffälligen Eukalypten. Dagegen war der Wald reich an Schwämmen, deren ich mehr als 20 verschiedene Species zählte. Nacktes festes[S. 459] Gestein trat nirgends zutage; desto eigenartiger muteten vereinzelt aus dem Pflanzengewirr herausragende würfelförmige Felsbrocken an, die, regellos zerstreut liegend, in dicke Moosschichten eingebettet waren.

Eine Stunde anstrengenden Steigens brachte uns auf den ersten Absatz des Gebirges. In dieser Berg-Einsamkeit lernte ich endlich auch den »burung babi« aus eigener Anschauung kennen, dessen tiefen, weit durch die Wälder schallenden Ruf ich wohl hundertmal gehört hatte. Meiner bisherigen Annahme entgegen war dies keine Buceros-Art, sondern eine große grüne Fruchttaube mit schneeigweißer Brust. Lange nicht mehr vernommenes Affengebell unterbrach die tiefe Stille des Gebirges mit fröhlichem Lärm. Prachtvoll rotgelb gesprenkelte Juliden, trotz ihrer notorischen Ungefährlichkeit von den Eingeborenen als giftige, bösartige Tiere gefürchtet, zogen im moosigen Untergrunde auf die Jagd nach Kerfen. Eine mir bisher noch nicht vor Augen gekommene Art kleiner Landegel unterschied sich durch verhältnismäßig friedliches Betragen vorteilhaft von den blutgierigen Artgenossen in den östlicher gelegenen Gebirgen.

Ohne Unterbrechung stark ansteigend, marschierten wir gegen 3 Stunden durch herrlichen Wald, ehe derselbe ein verändertes Aussehen anzunehmen begann. Stelzenwurzlige Pandanaceen und kletternder Bambus wurden häufiger und häufiger, bis wir nach 4¼stündigem Marsch eine neue Gebirgsabstufung erreicht hatten. Die in wallende Morgennebel gehüllte kleine Blöße war der Rastplatz Nompi-Nompi. Ein festgefügtes Blockhäuschen mit danebengelegenem größeren Schuppen war auf der Mitte des Platzes errichtet, den Verweilenden Unterkunft zu bieten. Auch mir, der ich keine Idee davon gehabt hatte, daß Nompi-Nompi nicht gar weit von Bambaimpo entfernt lag, hatte es der Sergeant als heutiges Marschziel bezeichnet, bei dieser selbstherrlichen Bestimmung die gewohnte Marschleistung zu Grunde legend. Ich war daher nicht wenig überrascht, mich bereits am frühen Vormittag am Ziele zu finden, und die Absicht meiner Leute, in diesem nebelfeuchten Waldloche faulenzend den Tag zu verbringen, kam mir[S. 460] lächerlich vor. Daher gedachte ich nur die Ankunft der ersten Nachzügler abzuwarten, um ihnen meinen Entschluß mitzuteilen, nach Watutau, dem Hauptdorfe von Napu, durchzumarschieren. — Eine Viertel-, eine halbe Stunde verging; aber kein Laut aus dem Walde unter uns verriet die Annäherung meiner säumigen Gefolgschaft. Da riß mir der Geduldsfaden, und in der allzu optimistischen Voraussetzung, daß sie aus freien Stücken folgen würden, setzten wir den Weg fort.

Durch einen Mooswald, wie er schöner nicht gedacht werden kann, immer höher und höher klimmend, gelangten wir gegen 12 Uhr auf die Paßhöhe des Napu-Gebirges. Hier umfing uns die hehre Größe und verträumte Schwermut einer Moorlandschaft mit ihrem stillen Zauber. Keine der typischen Erscheinungen solcher Moore fehlte. Hier wechselten lichte Laubwälder mit baumlosen Flächen und melancholisch stimmenden dunklen Teichen; dann wieder drängten sich Sträucher und Blumen der Hochgebirgsflora: Rhododendren, Lorbeergebüsch, Kannenpflanzen, Myrtensträucher und Farne. Auch der Vogelwelt schien das Gelände zuzusagen; die lieblichen Weisen der kleinen Sänger ertönten aus dem Buschwerk, Erddrosseln schlüpften hurtig von Zweig zu Zweig, sich an reifen Beeren delektierend, und große grauweiße Schwalben strichen mit gellendem Pfeifen spielend und jagend hin und wider. Dick bepelzte kleine Nager huschten über den Weg, während zahlreiche Fährten und Losungen auch das Vorhandensein größeren Wildes dokumentierten. Unter den in dieser Höhenzone angetroffenen Blüten waren die augenfälligsten und schönsten die zahlreich vorkommender Orchideen, wenngleich viele Arten dieser Familie auch wieder recht unscheinbare Blümchen zeigten. In einer der hoch über dem Erdboden auf Bäumen epiphytisch lebenden Arten der letzteren Kategorie sollte ich die seltsamste aller malayasiatischen Pflanzenformen kennen lernen, eine Myrmecodia-Art, die sogenannte Ameisenpflanze. Einem kurzen Stengel mit 4–5 großen Blättern und unansehnlichen kleinen Blüten sitzt am Grunde ein blasig aufgetriebener stachliger Knollen von tiefbrauner Farbe auf, dessen Inneres ein System von Zellen und[S. 461] Gängen bildet, die kleinen außerordentlich bissigen roten Ameisen zur Wohnung dienen. Das Pflanzengewebe verwandelt sich unter der Einwirkung der Ameisensäure in eine korkige Masse, deren Mulm von den Tierchen herausgeschafft wird. Die großen Mengen kugel- oder beutelförmiger Knollen dieser Ameisenpflanzen, von teilweise bedeutendem Umfange, sahen von fern Kolonien von Webervogelnestern nicht unähnlich.

241. Ameisenpflanze.

An 3 Stunden lang durchzogen wir dieses wundersame Gelände, insofern vom Glück begünstigt, als Bewölkung die Hitze milderte und das Gehen auf dem fast ebenen und weichen Boden sehr angenehm war. Plötzlich hörte der Buschwald auf, und wir standen vor einer Kette freiliegender, kahler Höhenkuppen, die in Stufen nach der duftig heraufschimmernden Hochebene von Napu hin abfielen. Von dieser trennte uns noch eine bedeutende Entfernung, so nahe sie auch auf den ersten Blick schien.

[S. 462]

Die ausgedehnte Steppenfläche von Napu, die sich dort unten in der Höhe von 1070 m über dem Meere erstreckte, mißt bei einer Länge von 8–10 Stunden ungefähr 4 Stunden in der Breite. Napu dürfte somit die weitaus größte Hochfläche der Insel darstellen. Zwei größere Wasserbecken und bizarr gewundene Flußadern blinkten aus der Tiefe herauf. Ein weit in die Steppe vorspringender niedriger Hügelzug teilte diese herzförmig. Die Umrahmung der Ebene bildeten mittelhohe, von Dunst umflorte Gebirge, deren höchstes das ca. 2000 m hohe, von uns überschrittene Napu-Gebirge war. Zarte blaue Nebelschleier lagerten über der Hochebene, die in der Ferne im Sonnenglast verschwamm.

Ergriffen von der Schönheit des Panoramas konnte ich einen begeisterten Ausruf nicht unterdrücken, fand aber bei meinen Begleitern nicht das leiseste Verständnis. Ihr Empfinden bewegte sich in anderen Bahnen. Gleich mir hatten auch sie seit dem frühen Morgen keinen Bissen mehr zu sich genommen und lagen nun schlapp und todmüde im kurzen Grase.

Als heller Streifen schlängelte sich der schmale Pfad über die weiten, durch tiefe Mulden getrennten grasigen Hügelkämme. Von dem Wunsche erfüllt, an das scheinbar nahe Ziel zu gelangen, und jeden Anflug von Müdigkeit vergessend, ließ ich mich unvorsichtigerweise verleiten, Führer und Dolmetsch ruhig weiterschlafen zu lassen und ganz allein ins Tal hinabzueilen. Eine drängende Unrast war in mir, dieses unbekannteste aller centralen Hochtäler der Insel zu betreten. Mit beflügelten Schritten eilte ich über die langgestreckten Reihen der vor mir liegenden Hügel hinweg, bis sich endlich der Pfad steil und schroff in die Tiefe senkte. Prachtvoller Laubwald bedeckte die Bergflanke. So schnell als möglich kletterte ich bergab, und um ½5 Uhr stand ich am Fuße der Ausläufer vor einem wilden Gebirgswasser, das sich in starken Krümmungen seinen Weg durch die Felsen gebahnt hatte. Auf einer Strecke von kaum 5 Minuten Weges war der Fluß 3mal mit hölzernen Stegen überbrückt. Diese Stege nahm ich als[S. 463] erstes Anzeichen der Nähe besiedelter Gebiete, und wenn auch zunächst noch nichts von menschlichen Wohnungen zu erblicken war, so wollte ich doch mit dem Warten auf meine zurückgelassenen Begleiter keine Zeit verlieren.

In einem Hohlwege zwischen hohen Schilfwänden des Talgrundes eilte ich rüstig weiter, stets gewärtig, auf Eingeborenenhütten zu stoßen. Irgendwo von links herüber ertönte melodisches Fuja-Gehämmer und Hundegebell. Die Pfadrichtung aber war gerade entgegengesetzt. Endlich tauchten kurz vor mir zwei auf einer Anhöhe gelegene spitzgiebelige Hütten auf. Erwartungsvoll trat ich näher, sah aber tief enttäuscht nur zwei alte, halb verfallene Lobos vor mir liegen. Kein Mensch, kein weiteres Haus war weit und breit zu sehen. Irre konnte ich nicht gegangen sein; denn weithin vor mir war die Weglinie deutlich zu verfolgen. Dennoch wollte sich eine leise Besorgnis bei mir einschleichen.

Unentwegt dem Fußsteig nachgehend, hatte ich einen sumpfigen Taleinschnitt zu überqueren, wobei ich dreimal durch einen ziemlich tiefen Fluß waten mußte, dessen Wasser mir fast bis zu den Hüften reichte. Doch die Erfrischung tat gut, und in der Hoffnung, bald ein Dorf zu erreichen, verdoppelte ich meine Eile. Jenseits der Senkung betrat ich eine hügelige Steppe, auf welcher die Pfadspur undeutlich wurde. Zudem teilte sich der Weg, und ich stand ratlos. Rechts ging es über die Hügel unabsehbar weit in die Steppe hinein; dort vermutete ich also das nahe geglaubte Watutau nicht. Der linksseitige Pfad, welcher dem vom Flusse durchströmten Tale folgte, schien mir der aussichtsvollere zu sein, da hohe Baumgruppen, wie man sie sonst bei Häusern findet, mich in meinen Erwartungen bestärkten. Die Sonne stand schon tief. Ein kühler Steppenwind hatte sich aufgemacht und drang erkältend durch meine oben von Schweiß, unten von Flußwasser durchnäßte Kleidung. Auch mein heut ungewöhnlich stiefmütterlich behandelter Magen begann rebellisch zu werden.

Hastig lief ich eine weitere Stunde und erreichte die erste Baumoase. Erschrocken sah ich mich dort von trügerischem Sumpf umgeben.[S. 464] Hier konnte ich nicht weiter. Unverweilt ging es denselben Weg wieder zurück. Ich fürchtete, mich verlaufen zu haben, und eilte in der Richtung auf die beiden Lobos zu. In der Nähe derselben hatte ich das Fuja-Gehämmer gehört; dort also mußten Menschen zu finden sein. Um mir den Weg abzukürzen, versuchte ich querfeldein zu gehen. Aber jenseits des durchwateten Flusses geriet ich in ein derart zerklüftetes Gelände, daß meine Kräfte beim Klettern zu erlahmen drohten. Mannshohes Schilf verbarg mir die Erdrisse; ein paarmal stürzte ich hinab und konnte mich auf dem lockeren Erdreich der steilen Böschungen nur schwer wieder in die Höhe arbeiten. So durfte es nicht weitergehen. Mit Mühe und Not schaffte ich mir mit meinem Haumesser einigermaßen freie Bahn und gelangte nach diesem vergeblichen Abstecher schweißtriefend und recht entmutigt wieder auf den alten Weg. Nun erinnerte ich mich meines Revolvers und feuerte kurz hintereinander Signalschüsse ab. Nichts rührte sich. Die Gegend war wie ausgestorben, und auch von meinen zurückgebliebenen Leuten war weit und breit nichts zu entdecken. Die Burschen müssen Stunden dort oben am Waldesrande verschlafen haben. Verzweifelt suchte ich mit dem Glase wieder und wieder die Gegend ab und entdeckte nun auf einem Hügel eine gerade zum Himmel aufsteigende dünne Rauchsäule. Sie mußte aus einer Hütte kommen; denn ein Wildfeuer hätte ganz andere Schwaden entwickelt. Die ganze Breite des Taleinschnittes sowie ein schmaler Waldstreifen dahinter trennten mich von der Feuerstelle. Immer länger wurden die Schatten, und Eile tat not, wenn mich nicht die Nacht in dieser Einöde überraschen sollte. Mit letzter Energie machte ich mich aufs neue daran, auf pfadlosem Boden, in gerader Richtung durch dick und dünn loszusteuern.

Das vermaledeite, in ganz widersinniger Weise gewundene Flüßchen kreuzte alle Augenblicke meinen Weg, und ich war erhitzt und dampfend zu x-maligem Durchwaten desselben gezwungen. Dabei geriet ich an so tiefe Stellen, daß mir das Wasser bis zur Achselhöhle ging, so daß ich Revolver und Feldstecher hoch über den Kopf halten[S. 465] mußte, um sie vor Nässe zu bewahren. Außerdem war das Bergwasser empfindlich kühl und die Nachtluft rauh. Ich schwitzte vor stark einsetzender Nervosität und zitterte gleichzeitig vor Kälte. Unverdrossen arbeitete ich mich durch das verfilzte Rohrdickicht bis nahe an die Hügel heran. Hier stieß ich auf einen Büffelpfad und folgte diesem ungeachtet der nicht geringen Gefahr eines Zusammenstoßes mit diesen bösartigen Tieren. Blieb mir auch ein verhängnisvolles Rencontre erspart, so kam ich doch bald zu der bitteren Einsicht, daß ich mich abermals auf einem falschen Wege befand, der mich in eine sumpfige Rohrwildnis führte, aus der mich nur der Rückweg befreien konnte. Das Schilf schlug hoch über meinem Kopfe zusammen, und meine Füße verstrickten sich im Gewirr niedergebrochener Rohre. Kaum mühsam davon befreit und vorwärts stolpernd, sank ich plötzlich bis zur Hüfte im Moor ein. Kalter Schweiß drang mir aus allen Poren, keuchend ging der Atem. Eine Schwächeanwandlung überfiel mich. Halb unbewußt warf ich mich mit dem Oberkörper über das niedergedrückte Rohr, um weiteres Einsinken zu verhüten.

In dieser kritischen Lage durchzuckte mich jählings der Gedanke, daß dieser Augenblick das Ende meiner Reisen sein könnte, und der Selbsterhaltungstrieb riß mich empor. Mit verzweifelter Anstrengung gelang es mir, mich aus dem Moraste herauszuarbeiten. Auf den tief unter Wasser wurzelnden Knollen des Rohres Fuß fassend und mich mit größter Vorsicht weitertastend, erreichte ich völlig erschöpft wieder festeren Boden.

Die Sonne war inzwischen zur Rüste gegangen, und das Zurechtfinden wurde immer schwieriger. Ich zwang meine erregten Nerven gewaltsam zur Ruhe und versuchte, Schritt vor Schritt das Terrain prüfend, den Sumpf zu umgehen. Mit der ruhigen Überlegung schien mir auch das Glück wiederzukehren. Ich gelangte auf ansteigenden Boden und fand hier eine breite, aufwärts führende Büffelspur, der ich nachging. Eine Viertelstunde später hatte ich zwar mit zitternden Knien und wildschlagendem Herzen, aber doch glücklich, einer großen[S. 466] Gefahr entronnen zu sein, den Hügel erklommen. Mit kaltem Schauder sah ich auf das unheimliche schwarze Moor im Kessel unter mir nieder.

So gut es bei dem Dunkel möglich war, suchte ich mich nun zu orientieren und konstatierte erleichterten Herzens, daß der aus der Tiefe heraufführende Büffelsteig auf einen am Rande der Senkung hinführenden Fußweg ausmündete. Nun fühlte ich mich geborgen. Schon nach kurzem Marsche sah ich Kulturen vor mir liegen. Einige Umzäunungen waren noch zu überklettern, dann bemerkte ich hocherfreut endlich, endlich die Umrisse einer menschlichen Behausung aus der Nacht emporragen. Wohl war es nur eine armselige Feldhütte; dennoch durchströmte mich ein warmes Glücksgefühl, als ich mich nach den überstandenen Nöten wieder unter Menschen wußte.

In der Hütte kauerten zwei Frauen und ein paar Kinder vor einem auf dem Feuer brodelnden Kessel. Bares Entsetzen sprach bei meinem unvermuteten Auftauchen aus ihren Zügen, das sich bei den Kindern in einem befreienden Geschrei Luft machte. Ich bemühte mich, die Weiber mit gütlichem Zuspruch zu beruhigen. Nun sie wenigstens kein Gespenst mehr in mir zu erblicken brauchten, kehrte auch den Frauen der Sinn wieder in die Wirklichkeit zurück, und ein aufgeregtes Reden begann, aus dem mir nur eins zweifellos klar wurde, daß wir einander auch nicht ein Wort verstanden. Diese fruchtlosen Verständigungsversuche unterbrach ein eben heimkehrender, etwa 17jähriger Bursche, vermutlich ein Sohn des Hauses. Auch er sprach kein Wort Malayisch, erwies sich aber insofern der Situation mehr gewachsen, als er in mir einen Verirrten sah und auf mein ständig wiederholtes »Watutau«, ins Freie tretend, mit ausgestreckter Hand in die nachtschwarze Ebene wies. In dieser Richtung also mußte der Ort liegen. Ich hätte jetzt wer weiß was gegeben, meinen Dolmetsch No zur Stelle zu haben; doch auch ohne diesen war ich entschlossen, unverzüglich nach Watutau aufzubrechen, zumal in der Hütte nichts für den europäischen Gaumen Genießbares aufzutreiben war. Auf dem Wege dorthin sollte mir[S. 467] der junge Mann, sei es gutwillig, sei es gezwungen, als Führer dienen. Mein oft erprobtes Universalmittel führte auch in diesem schwierigen Falle zu rascher Verständigung. Kaum sah mein hoffnungsvoller Jüngling den vorgehaltenen blanken Dollar vor seinen Augen blitzen, als helle Freude aus seinen Mienen strahlte. Den für mich so ominös gewordenen Namen Watutau wiederholend, machte er kurz kehrt und forderte mich mit einer einladenden Handbewegung auf, ihm zu folgen.

Es war ½8 Uhr, als wir uns auf den Weg machten. Hätte ich ahnen können, daß mir noch eine dreistündige Anstrengung bevorstand, — keine noch so verlockende Vorstellung hätte mich nach dem heut Erlebten auf den Weitermarsch nach Watutau gebracht. — Mein Mentor zog in einem Tempo fürbaß, daß ich bei meiner Ermüdung Mühe hatte, ihm zu folgen. Von der geheimen Angst beherrscht, der Jüngling könnte mir im Dunkel entwischen, suchte ich ihm auf den Fersen zu bleiben. Erst durch Wald, dann Anpflanzungen mit vielen zu übersteigenden Einzäunungen erreichten wir den Talgrund. Dort begegnete uns ein etwa gleichalteriger Kamerad meines Führers, der sich uns ohne weiteres anschloß. Die Sachlage erschien mir nicht ganz unbedenklich. Völlig der Führung der beiden Burschen überlassen, beunruhigte mich der Gedanke, daß die To-Napu von jeher zu den fremdenfeindlichsten Stämmen gehört hatten. Ich hielt es daher für zweckmäßig, meinen Begleitern eine Waffe zu zeigen, und gab ein paar Schüsse aus meinem Revolver ab mit dem Nebenzwecke, dadurch auch meine eigenen, irgendwo in dieser Gegend steckenden Jungen auf mich aufmerksam zu machen.

In der Niederung angelangt, mußten wir durch den heut schon so oft gekreuzten Fluß hindurch, und bald darauf waren wir bei den beiden mir bereits bekannten Lobos angelangt. Als wir nun aber genau den von mir bei meiner ersten Ankunft betretenen Weg weiter verfolgten, genau dieselben Wasserläufe überquerten und schließlich an demselben Scheideweg anlangten, von dem aus meine Irrfahrten ihren Ausgang genommen hatten, wurde es mir klar, daß die holperige,[S. 468] kaum mehr als Pfad anzusprechende, nach rechts in die Steppe abbiegende Wegspur tatsächlich die richtige gewesen war. Ich wußte jetzt, daß ich noch einen langen Marsch vor mir hatte. So rasch es meine müden Beine gestatteten, eilten wir über das kupierte Terrain. Mit Mühe nur vermochte ich die schwachen Silhouetten meiner Führer zu erkennen; zu wiederholten Malen war ich gezwungen, mich von ihnen an den Händen über Moraststellen geleiten zu lassen. Aber noch immer war kein Ende des Weges abzusehen, und Mißtrauen begann aufs neue in mir aufzusteigen. Wohin brachten mich die beiden? — Ganz unerwartet hörten wir da menschliche Stimmen. Argwöhnisch hielt ich meine Schritte an, bis sich zu meiner nicht geringen Überraschung herausstellte, daß es meine beiden zurückgebliebenen Leute No und der Topebato waren, die sich dicht vor uns befanden. Das war ein erfreuliches Zusammentreffen, und ich war so zufrieden darüber, daß ich das Schelten ganz vergaß. Nachdem sie oben im Gebirge ausgeschlafen hatten, waren sie mir nachgeeilt, hatten mich im Tale bei den zwei Lobos, die bei Wanderungen über das Gebirge als Nachtquartier benutzt zu werden pflegen, vergebens gesucht und waren mir dann trotz Nacht, Hunger und Ermüdung weiter auf dem Wege nach Watutau gefolgt.

Beim Erzählen unserer Abenteuer waren wir unvermerkt tüchtig vorwärts gekommen und sahen nun eine dunkle Masse sich vom nächtlichen Himmel abheben. Ein Dorf lag vor uns, aber noch war es nicht Watutau. Der Ort hieß Lampa und sollte nach Aussage der Leute »dekat«, d. h. nahe bei Watutau liegen.

Meine Uhr zeigte die neunte Stunde, als wir in Lampa eintrafen. Ich hätte nun ohne weiteres hier bleiben können; da ich jedoch erfahren hatte, daß in Watutau ein holländischer Missionar stationiert war, ließ ich mich durch die Aussicht auf ein besseres Quartier verleiten, mich auch der Bewältigung der letzten Teilstrecke noch zu unterziehen. Vorher aber mußte ich etwas genießen, was es auch sein mochte. Mein vernachlässigter Magen ließ sich nicht länger beschwichtigen. In Lampa ragten himmelhohe[S. 469] Kokospalmen zu Dutzenden empor; aber, o Jammer, die an Salzluft gewöhnten Bäume trugen in Napu keine Früchte mehr. Selbst Bananen waren im ganzen Dorfe nicht aufzutreiben. Meine Ansprüche schrumpften bis auf das Begehren nach Maiskolben zusammen; aber auch diese waren nicht zu haben. Ein paar Stengel Zuckerrohr waren schließlich das einzige erhältliche Labsal. Todmüde sank ich, wo ich stand, zu Boden und zermalmte mit heißhungrigem Behagen die saftigen Rohrstücke, die erste Erquickung nach 15stündigem Marsche.

Nach einer Rast von wenigen Minuten den Weg fortsetzend, gelang es uns erst nach einer Stunde, Watutau zu erreichen. In geringer Entfernung von dem Dorfe lag inmitten eines umzäunten Stück Landes ein windschiefer Holzkasten, das mißratene Produkt eines architektonischen Erstlingsversuches des darin hausenden Missionars. Mynheer t. K. war Junggesell und noch dazu ein unpraktisch veranlagter. Ich klopfte ihn um ½11 Uhr nachts aus dem Bette. Dem unerwarteten Besuch und den Bedürfnissen eines mehr als 16 Stunden auf den Beinen gewesenen halbverhungerten Reisenden stand er leider hilf- und verständnislos gegenüber. Da es in diesem »Heim« am Nötigsten fehlte, hätte ich getrost in Lampa bleiben können; es wäre mir nichts entgangen. Ein Feldbett ohne Matratze, ohne Kissen und Decke bildete schließlich den Pfühl, auf den ich mich in meinen nassen Kleidern strecken konnte, und ich fror die Nacht über erbärmlich.

Watutau, den 9. November.

Um 5 Uhr war ich, wohl oder übel dem Beispiele meines Wirtes folgend, wieder auf den Beinen. Eine schneidende Morgenbrise fegte über die Hochebene und machte die Bretterbude in allen Fugen ächzen. Der Frost schüttelte mich, und mit Sehnsucht harrte ich eines wärmenden Frühstückes. Unverbesserlicher Optimist, der ich nun einmal bin, hatte ich mich in so lüsternen Erwartungen böse verrechnet. Im Missionshause von Watutau wurde nicht gefrühstückt. Weniger spartanisch[S. 470] veranlagt, entschloß ich mich dessenungeachtet, um etwas Tee zu bitten. Das heiße Wasser erfüllte seinen Zweck und erwärmte mir den Körper, so daß es mir nun schon leichter fiel, mir die konsistenteren Bestandteile eines landläufigen Frühstücks hinzuzudenken. Nach solcher Illusions-Schwelgerei lud mich mein Wirt ein, ihm zu einem Besuche beim Distriktshäuptling zu folgen. Mein schüchternes Bedenken wegen der frühen Stunde — es war eben 6 Uhr — wurde als belanglos zurückgewiesen, und so stand unserer Visite nichts im Wege.

Das originelle, spitzgiebelige Haus des Oberhäuptlings von Napu lag gleich als erstes am Dorfeingange. Die Dachenden liefen in eigentümlich geformte Giebelzierate aus. Aus den Randleisten des Giebels sprangen in regelmäßigen Abständen stilisierte Tierköpfe vor. Eine Treppe führte unter dem weit überhängenden Schindeldache zur lukenartig ausgesparten Tür, deren Niedrigkeit das Eintreten nur bei starkem Bücken erlaubte. Im Innern des Hauses herrschte ein dämmeriges Dunkel. Eine einzige kleine, rechteckige Scharte im schrägen Dache ließ einen spärlichen Lichtschimmer einfallen. Niederes Gebälk, mit Wirtschaftsgeräten behängt und mit Vorräten belegt, mahnte zur Vorsicht beim Umherbewegen. Das Haus barg nur diesen einen Raum, den ringsumlaufende, etwas erhöhte Podeste umzogen. Auf diesen waren an je einer Längs- und Querseite Verschläge abgeteilt, welche die nur durch Tücher abzuschließenden Schlafräume des Häuptlingspaares darstellten. Auf der zweiten Längsseite lagen die Schlafkammern zweier den Wohnraum mit der Familie teilenden Sklavinnen, und das Podium der Eingangsquerwand diente Besuchern als Aufenthaltsraum. Auf ausgebreiteten Matten nahmen wir daselbst Platz. Die Mitte des Gesamtraumes war von der mächtigen Feuerstelle eingenommen. In den freien Gängen um diese herum schlafen etwaige Gäste des Nachts.

Der Kapala Landschapp, wie sein offizieller Titel lautete, war ein junger, etwa 20jähriger Mann, eher klein als groß, mit mädchenhaft weichen Gesichtszügen und mandelförmigen dunklen Augen, bei auffallend[S. 471] heller Hautfarbe — alles zusammengenommen, ein hübscher Mensch. Seine Gattin, mit feinen hindostanisch anmutenden Gesichtszügen, rassigem Blick und schlanker gerader Nase war ihm nicht nur körperlich bedeutend über den Kopf gewachsen. Sie entstammte einem alten Häuptlingsgeschlecht und soll eine große Mitgift eingebracht haben. Der Stolz des gefürsteten jungen Paares war ein einziger Sprößling, ein Knäblein, welchen die silberne Kette nebst Schamdeckel um die runden nackten Lenden allerliebst kleidete. Im Überschwange zärtlicher Liebe Buláwa (Gold) genannt, tyrannisierte er Eltern und Dienerinnen.

242. Haus des Oberhäuptlings in Watutau.

Bei unserem Eintreffen saß die Familie einträchtig mit den Sklavinnen, zwei jungen netten Mädchen, beim Frühstück, wie ich mit ungewöhnlicher Anteilnahme ersah. Der Hausherr empfing uns etwas verlegen, beinahe unterwürfig, die Fürstin völlig unbefangen. Der Oberhäuptling war mit Hose, Jacke und Haupttuch bekleidet. Seine Gattin wie die beiden Sklavinnen, die sich bester Behandlung erfreuten und als zum[S. 472] Hause gehörig betrachtet wurden, trugen häßliche Fuja-Krinolinen, hier Wini genannt, und Kattunjacken. Talergroße, stanniolverzierte Ohrknöpfe steckten in den Ohrlappen der Gebieterin.

Nach der Vorstellung und der gebührenden Bewunderung des Stammhalters entschloß sich die geschmeichelte Mutter, mir ihren berühmten Familienschmuck hervorzuholen. In der Hauptsache bestand derselbe aus sehr schön gearbeiteten buginesischen Goldgeschmeiden, wie Ketten, Spangen, Armbändern etc. Ethnographisch war darunter nichts von besonderem Interesse. Als Bestes erschien mir die Kombination einer zierlich gearbeiteten Halskette aus Goldgliedern mit dazwischen eingefügten korallenähnlichen roten Stücken eines sehr seltenen, angeblich in der Reisähre gefundenen Silikates, dem wundertätige Eigenschaften zugeschrieben werden, und das von den Eingeborenen hochgeschätzt wird. Die gezeigte Kette sollte einen Wert von mehreren Hundert Gulden besitzen.

Das in seiner Eigenart und Beschaffenheit merkwürdigste Stück der besichtigten Schätze war — ein Haartoupet! Daß man diese in Europa so beliebte und verbreitete Kulturerrungenschaft auf der weltfernen Napu-Hochebene schon seit alter Zeit kennt und als unentbehrlichen Bestandteil weiblichen Festputzes schätzt, dürfte wohl den wenigsten bekannt sein. Dem falschen Haar wird zur Erhöhung des Effektes an jeder Schläfe ein Büschel Hahnenfedern aufgesteckt, deren Fahnen noch auffällig mit den angeklebten rosaroten Flaumfederchen einer Erddrossel geschmückt sind. Als Klebemittel bedient man sich erwärmten Dammars. Erscheint die Napu-Schöne in großer Toilette, so hängen die in den Haareinlagen befestigten Schmuckfederbüschel über den den Haaraufbau krönenden Bastkopfring bis über die Ohren herab, — ein niedlich und kokett kleidender Kopfschmuck.

Nach längerem Verweilen verabschiedeten wir uns von dem Ehepaar, und Mynheer t. K. schlug mir nun vor, einen Ausflug nach dem bereits gestern abend durchwanderten Lampa zu unternehmen. Nun war ich gestern so viel gelaufen, daß ich heut ohne Bedauern auf den[S. 473] Spaziergang hätte verzichten können. Im stillen hatte ich auch noch immer gehofft, daß unser nach dem ausgedehnten Besuch beim Häuptling zu Hause ein, wenn auch noch so bescheidener Imbiß warten würde. Es blieb beim Wünschen! Meinem Gastgeber waren solche menschlichen Schwächen anscheinend fremd, und so nüchtern, wie man überhaupt nur sein kann, schloß ich mich ihm an. — Der heftige Morgenwind war mit dem Höhersteigen der Sonne eingelullt, und allmählich wurde es sogar recht warm, so daß ich also an diesem gesegneten Morgen doch noch einmal zu etwas Warmem kam.

243. Dorfumwallung von Lampa.

Lampa ist eine uralte, mit Ringwällen befestigte Ansiedlung und dürfte das älteste Dorf Napus überhaupt sein. Aus unbekannter Ursache war der Ort vor Jahren von seinen Bewohnern verlassen worden und dann lange Zeit vereinsamt geblieben. Erst in jüngster Zeit hatten eingeborene Familien wieder einige der Hütten in Besitz genommen. Zur Zeit meines Besuches standen etwa zwei Drittel aller[S. 474] Häuser leer und waren großenteils stark verfallen. Nähert man sich von der Ebene her dem Dorfe, so sind von weitem nur dessen gegen 2 m hohe, mit Bambus bepflanzten Umwallungen zu sehen. Bei weiterer Annäherung heben sich dann die altersgrau bemoosten, riesigen Steildächer der Hütten heraus. — In den Bambusanpflanzungen auf den Lehmwällen waren in regelmäßigen Abständen lebensgroße Schreckfiguren aufgestellt. Das Material zu diesen Puppen bestand aus Arengfasern. Ein viereckiges Stück Fuja, aus dem Augen, Nase und Mund ausgeschnitten waren, markierte das Gesicht. Auch Pisang-Blattscheiden fanden hierzu als Material Verwendung. Ein Bast-Schild nebst einer Rohr-Lanze oder einem ebensolchen Schwert in den Händen vervollständigten die Ausrüstung dieser Dorfwachen, deren Bestimmung es war, Unbefugte vor dem Betreten des Dorfes zu warnen, wie überhaupt Böses und Übles von diesem fernzuhalten.

244. Schreckfigur auf den Wällen von Lampa.

[S. 475]

245. Gebeinhaus von Lampa.

Auf doppelseitiger Pfostentreppe überkletterten wir den Wall. Das Dorfinnere entsprach den Seltsamkeiten seines Äußeren. Die zahlreichen Hütten mit ihren ungeheuren Spitzdächern und den sonderbaren, aus den Dachrandleisten vorspringenden Schnitzereien ruhten auf soliden Bohlenrosten, deren Pfahlwerk ohne die anderweit übliche Steinunterlage direkt im Boden festgerammt war. — Auf einige Distanz konnte man glauben, die enormen Giebel reichten bis auf den Boden herab, wie es bei einem im Dorfe aufgefundenen Gebeinhaus, das allein bei den in mehrjährigen Zwischenräumen stattfindenden Totenfesten geöffnet wird, tatsächlich der Fall war. Es bestand nur aus dem unmittelbar dem Erdreich aufsitzenden Dache. Die ungewöhnliche Steilform der Napu-Häuser dürfte in dem ungewöhnlich rauhen Klima der Hochebene und den hier herrschenden heftigen Winden begründet sein. — Bei Tage gegen die Sonne, nachts gegen Wärmeausstrahlung schützend, dient der hohe Spitzgiebel den fensterlosen Räumen gleichzeitig als Rauchableiter und vermag auch der vehementen Gewalt der[S. 476] Regengüsse besser zu widerstehen als ein flaches Dach. Arg mit Unkraut überwucherte Felder bildeten die Umgebung der verödeten Hütten, während die wieder bewohnten von umfriedeten Gemüsegärtchen umzogen waren. Zwei gewaltig große, nahe beisammen stehende Geisterhäuser, vermutlich die Hauptlobos der Landschaft Napu, lagen in der Mitte des Dorfes. Sie zeigten die typische Bauweise und unterschieden sich nur durch ihre Grasbedachungen von den übrigen schindelgedeckten Häusern.

Über die Hütten Lampas ist nur zu sagen, daß sie im Innern dem Häuptlingshause von Watutau getreulich glichen. Schrecklich unbequem waren die Hütteneingänge, zu denen in Lampa aber nicht Treppen, sondern Kerbpfosten hinanführten. Eine oben am Eingange angebrachte, schräg herausstehende beschnitzte Stütze (tuha) erleichterte das Hineinkriechen in den Türverschlag. Bei Feuersgefahr müssen diese engen und unbequemen Zugänge für die Insassen verhängnisvoll werden, zumal Seitenöffnungen, wie Fenster oder Luken, völlig fehlen. Die Ursache zu einer derartigen Beschränkung der Zugänge wird wohl ebenfalls in dem Bestreben zu suchen sein, sich vor der Nachtkühle zu wahren.

In den Innenräumen der beiden Lobos von Lampa fand ich nichts Außergewöhnliches. Ich hatte den Eindruck, als ob mit der durch das holländische Gouvernement bewirkten strengen Unterbindung der grausamen Kultgepflogenheiten, wie sie in der Marterung und Abschlachtung von Sklaven, Kriegsgefangenen, oder den feigen Überfällen bei Kopfjagden ihren abstoßendsten Ausdruck fanden, auch eine unverkennbare Gleichgültigkeit in religiösen Dingen Platz gegriffen hätte, die sich in einer starken Vernachlässigung und dem Verfall der Geisterhäuser zeigte. Vom Posso-See angefangen bis nach Kulawi hin trat diese Erscheinung besonders auffällig zu Tage.

246. Geister- und Beratungshaus in Lampa.

Bereits im Begriffe, auch den zweiten Lobo zu verlassen, entdeckte ich ein sorgfältig in Matten gehülltes umfangreiches Etwas auf dem oberen Gebälk. Die Bemühungen des uns geleitenden To-Napu, meine Aufmerksamkeit davon abzulenken, erregten meine Neugierde[S. 477] erst recht, und so scheute ich denn weder Staub noch Spinnweben und kletterte zu seinem Verdrusse im Dachstuhl empor. Meine Beharrlichkeit führte zu einem glänzenden Ergebnis. Zwei Gegenstände, wie sie ethnographisch interessanter wohl in Celebes nicht mehr zu finden sind, schälten sich aus den bergenden Hüllen, und es kostete mich Mühe, bei ihrem Anblicke meiner Aufregung Herr zu werden. Es waren zwei uralte, geschnitzte Todánga, Lobo-Schemel, die den Priestern oder Häuptlingen vielleicht schon seit Generationen als Sitze dienen mochten (s. Fig. 253). Die Lehne des größeren zeigte einen frei herausmodellierten Anoakopf, die des zweiten, besonders reich verzierten Schemels einen ebensolchen in Reliefarbeit, sowie einen Affenkopf und[S. 478] zwischen beiden eine ornamentierte Leiste. Eine ebensolche Zierleiste zog sich auch um den Sitzblock des Schemels herum. Wie mir Mynheer t. K., der für ein holländisches Museum sammelte, erzählte, wußte er lange um die Existenz dieser beiden ethnographischen Prachtstücke und hatte sich schon vergeblich die größte Mühe gegeben, sie in seinen Besitz zu bringen. — Ohne ein Wort zu sagen, ließ ich die Todánga wieder in ihre Hüllen bergen, fest entschlossen, alles daranzusetzen, sie für meine Sammlung zu gewinnen. — Bei meinen Besuchen im Dorfe erwarb ich später noch eine große Anzahl hübscher bisher noch nicht gesehener Gegenstände, unter denen Sirihmörser mit Pferdekopf-Griffen aus Bein und eingesetzten roten Fruchtaugen zu den originellsten gehörten. Auch »hodánga«, Hüttenhaken zum Aufhängen von Gebrauchsartikeln am Gebälk, erhielt ich in den verschiedensten mir neuen Mustern. Nicht minder interessant waren mir die in Napu gebräuchlichen höchst primitiven Reitsättel, die aus 2 mit Schnüren verbundenen und mit Matten belegten Holzklötzen bestanden. Höchst grausam sind die aus Palu stammenden, mit Stacheln versehenen Messingtrensen der Pferde. Die Zügel derselben bestehen aus einem Rotangbügel, der so knapp um den Hals des Gauls liegt, daß kaum noch die dirigierende Faust des Reiters darunter Platz findet.

247. Reitsattel und Trense aus Napu.

Recht befriedigt von den Ergebnissen meiner Einkäufe, traten wir den Rückweg nach Watutau an, nicht ohne daß ich vorher dem heut gerade abwesenden Häuptling des Dorfes die Mitteilung hinterließ, daß ich morgen wiederkäme und ihn dann zu sprechen wünschte. Meine Erwartung bei unserer Heimkehr in Watutau, Militär und Träger vorzufinden, erfüllte sich ebensowenig, wie die vielleicht nicht allzu unbescheidene[S. 479] Annahme, daß mich Herr t. K. als einzige in Frage kommende Persönlichkeit zum Mittagstische einladen würde. Da floh ich die Stätte der Kasteiung und siedelte ins Fremdenhaus des Dorfes über. Mein Dolmetsch No aber wurde nach Eßbarem ausgesandt. Eine Anzahl roh genossener Eier und eine Traube abnorm großer, rotschaliger Pisangs machten dem unfreiwilligen Fasten ein Ende.

Gegen 4 Uhr nachmittags kamen endlich meine Träger an und mit ihnen mein Koch Rámang. Das war eine festliche Stunde, und ein den Umständen angemessenes lukullisches Mahl machte aus mir wieder einen besseren Menschen. Meine Schutzgarde aber hatte den Weg auch heut noch nicht zu bewältigen vermocht, und ihr Eintreffen in Watutau war nach den Aussagen der Leute erst am kommenden Tage zu gewärtigen.

Kurz nach Eintritt der Dunkelheit brach ein heftiges Gewitter aus; schwere Regenschauer prasselten auf das undichte Dach und zwangen mich zur Flucht von einer Ecke in die andere.

Watutau, den 10. November.

Die Ablöhnung meiner Kasigúndju-Träger nahm mich heut morgen bis gegen 8 Uhr in Anspruch; dann brach ich mit meinen beiden Jungen unverzüglich zu der dem Häuptling von Lampa angekündigten Besprechung auf. — Auch Mynheer t. K. schloß sich mir wiederum an. Unterwegs passierten wir eine lange Kolonne von Besoa-Leuten, die unter Führung ihrer Dorfchefs mit Wegearbeiten beschäftigt waren. Einige dieser Straßenarbeiter trugen Affenfellmützen, wie ich sie ähnlich auch bei den To-Lampu am Posso-See gefunden hatte. Diese »sonko ibo« aus halbkugeligen Rotanggeflechten oder Kürbissen, überzogen mit Fellstücken des schwarzen Pavians (Cynopithecus niger), verliehen ihren Trägern ein recht verwegenes Aussehen. Vielleicht dienten diese gegenwärtig schon selten gewordenen Kopfbedeckungen ursprünglich als Kriegsmützen und werden bei den[S. 480] eingekehrten friedlichen Zeiten nur noch aufgebraucht. Es gelang mir unschwer, einige dieser mir höchst erwünschten Objekte zu erlangen. — Auch von den hübschen breiten Perlenstirnbändern, wie sie speziell in Besoa und Kulawi getragen werden, konnte ich von diesen Leuten mehrere Exemplare käuflich erwerben. Vermutlich wird dieser bei Frauen sehr kleidsame Schmuck für gewöhnlich auch nur vom weiblichen Geschlecht getragen. Bei Männern sehen diese »tali lawólo«, wie sie nach einer Korallenart benannt werden, weichlich aus. Im vorliegenden Falle wurden sie von den Leuten als Hals-, nicht als Stirnbänder getragen und dürften als Liebesangebinde anzusehen sein, die in den genannten Landschaften, deren Bewohner ritterlicheren Allüren folgen als in anderen centralen Gebieten, häufig und in den verschiedensten Abarten vorkommen.

248. Affenfellmützen aus Napu.

Nahe beim Dorfe Lampa trafen wir mit meinen soeben ankommenden Soldaten zusammen. Der Sergeant teilte mir in voller Gemütsruhe mit, daß er mit seinen Leuten am ersten Tage in Nompi-Nompi, am zweiten bei den alten Lobos am Fuße des Gebirges im Napu-Tale genächtigt hätte; so schnell wie ich könnten sie nicht laufen. Ich sagte[S. 481] ihm, er möge sich heut in Watutau von der überstandenen Strapaze recht erholen, da ich schon anderen Tages den Weg fortsetzen würde und auf seine Begleitung nicht verzichten möchte.

In Lampa wartete unser bereits der Häuptling, ein junger ewig hüstelnder Mensch mit etwas scheuem Blicke, und mit ihm so ziemlich die gesamte Einwohnerschaft des Ortes. Die von mir geplante Aktion wurde mit einem sich lebhaft entwickelnden Kaufgeschäft eingeleitet. Erst sollten die Leute sehen, daß ich ihnen Vorteil brachte, und es war merkwürdig, wie begierig auch diese To-Napu nach dem blanken Silber waren. Während selbst die verlockendsten Tauschartikel sie ungerührt ließen, konnten sie dem Angebot von klingender Münze selten widerstehen.

249. Halsketten aus Fruchtsamen.
250. Sirihtaschen aus Central-Celebes.

Im folgenden seien einige der bemerkenswertesten Ethnographica angeführt, wie ich sie jetzt hier und später in Watutau erworben habe. Unter ihnen schienen hübsche Hornartikei eine Spezialität der Gegend zu sein, u. a. Horn-Hüttenhaken, Kalkdosen, Eßlöffel, Brustgehänge, Fingerringe und Armreifen. Eine andere Besonderheit waren die verschiedenen Halsketten aus wohlriechenden oder als heilkräftig geltenden[S. 482] Fruchtsamen, wie sie von beiden Geschlechtern getragen wurden. Durch Zierlichkeit zeichneten sich die aus den Samen einer Schotenart hergestellten Kalkbehälter aus. Junge Leute liebten es, sich mit Kniebändern aus Fellstreifen zu schmücken. Hochgeschätzte Objekte waren bronzene Kriegsglöckchen (timbónga), die der To-Napu nach erfolgreichen Kopfjagden an der Hüfte trägt (s. Fig. 274). Hervorragend schön waren die Fuja-Haupttücher (siga) der Männer, deren grellbunte Zeichnungen[S. 483] in Napu nach traditionellen Mustern hergestellt werden. So zeigen die um den äußeren Rand laufenden schwarzen Streifen an, wieviele Kopfjagden der Träger bereits mitgemacht hat. Zum weiteren Eindringen in die Mysterien dieser etwas komplizierten und wohl auch schon stark verwischten Symbolik hätte mir mehr Zeit zur Verfügung stehen müssen. — In Bezug auf Schönheit u. Farbenbuntheit wetteiferten mit den Haupttüchern die Kaléwa od. Fuja-Frauenjacken. Von diesen wie von den »hepu« genannten Sirihtaschen erhielt ich prachtvoll bemusterte Exemplare, wahre Kabinettstücke. Alle besonders sorgfältig gearbeiteten derselben stammten regelmäßig noch aus älterer Zeit. Damals wurden die Farbstoffe teils aus den Wurzelknollen einer in Napu häufig vorkommenden, herrlich blühenden Orchidee gewonnen, teils auch aus anderen pflanzlichen Bestandteilen oder aus mineralischen Substanzen bereitet. Gegenwärtig bedienen sich die Eingeborenen zum Färben resp. Bemalen ihrer Fuja-Gegenstände überwiegend eingeführter Farben, doch halten die mit ihnen behandelten Objekte keinen Vergleich mit den Produkten der Hausindustrie aus.

251. Sitzfell aus Napu.

[S. 484]

Zu den eigenartigsten Erzeugnissen dieses Distriktes gehören ferner die Bastkopfringe, mit denen sich die Schönen des Landes zu schmücken pflegen. Neben ihrer reichen Bemusterung und Farbenbuntheit zeichnen sie sich durch ihre außergewöhnliche Höhe von durchschnittlich 10 cm aus. Die sonst kaum minder schönen Kopfringe aus Besoa und Bada sind kaum halb so hoch. — Erwähnt zu werden verdienen auch die auf der Napu-Hochebene gleichfalls wohlbekannten Faux culs (húba), die rückwärts unter den Jacken vorstehenden Duftbündel, welche hier Dimensionen annehmen wie in keiner anderen Gegend. — Die Sitzfelle oder Mattenschürzen der Männer (palépe) werden gleich den gewöhnlichen Rotang- oder Kürbismützen hauptsächlich von Sklaven getragen. Freie Männer dürften sich ausnahmslos der Sigas bedienen.

Von Waffen fehlten die Schwerter gänzlich, die gerade in Napu besonders interessant gewesen sein sollen. Nach Mitteilung des malayischen Inlands-Assistenten in Watutau hat das Gouvernement sämtliche auffindbaren Waffen konfiszieren lassen. Mein Gewährsmann war selbst Augenzeuge, als über 500 prachtvolle Schwerter und alte Lanzen aus Napu nach Posso geschafft wurden, um dort vor versammeltem Volke zerbrochen und ins Meer geworfen zu werden. Um der alten Gewohnheit des Lanzentragens nicht völlig entsagen zu müssen, haben sich die Männer an den Gebrauch von Gehstöcken gewöhnt, wozu sie häufig alte Lanzenschäfte benutzen. Die Messinghülsen der Oberteile solcher wandelte man praktischerweise durch Einsetzen eines Holzbodens in Sirihmörser um.

252. Sklavengrab und Herrengrab aus Lampa.

Bei meinen heutigen Erwerbungen in Lampa hatte der Häuptling ziemlich verdrossen dabeigestanden und neidischen Blickes dem Zirkulieren des Geldes zugesehen. Nun hielt ich die Zeit für gekommen, auch ihm gegenüber mit meinen besonderen Wünschen herauszurücken. Ich ließ ihm also die Frage vorlegen, ob er mir die beiden Lobo-Schemel verkaufen wolle. Wie ich es gar nicht anders erwartet hatte, erfolgte eine glatte Ablehnung. Nun verlangte ich die beiden Todángas nochmals zu sehen und zu photographieren, wogegen der Häuptling nichts einzuwenden[S. 485] hatte. Wir begaben uns also gemeinsam nach dem Lobo, und derweilen die Schemel herausgeholt wurden, gab ich meinem Dolmetsch No den Auftrag, während einiger von mir vorzunehmender Aufnahmen beim Häuptling zurückzubleiben, um mit ihm nochmals im geheimen zu verhandeln und eine runde Summe zu bieten. — Inzwischen besuchte ich einen außerhalb der Dorfumwallung mitten im Lalanggestrüpp angelegten Gräberplatz. Es waren Erdgräber, und zwar lagen die von Herren und Sklaven dicht nebeneinander. Starb in früherer Zeit bei den To-Napu ein Vornehmer oder ein Häuptling, so mußte ihm ein Sklave in das Schattenreich folgen, dessen Leiche neben der seines Herrn eingescharrt wurde. Die Gräber beider unterschieden sich sehr wesentlich voneinander. Das Erdreich über den Grüften war geebnet. Über den Herrengräbern befanden sich Bambusroste von etwa 2 m Länge bei 1½ m Breite und ½ m Höhe. Auf diesen waren die zur Überführung der Toten benutzten Tragbahren niedergelegt und festgeschnürt.[S. 486] Die Größe der Sklavengräber entsprach knapp den Körpermaßen des Begrabenen. An Stelle der Bambusplattformen erhob sich darüber ein etwa ¾ m hohes dreifußähnliches Gestell aus Astwerk, in dessen Gabeln die zu den beiden Gräbern benutzten Ausschachtungsgeräte festgebunden lagen. —

253. Lobo-Schemel aus Lampa.

Bei meiner Rückkehr empfing mich No strahlenden Blickes. Er hatte sich sein Extra-Backschisch verdient. Der geldbedürftige Häuptling hatte[S. 487] meinem Gebote, das für ihn ein kleines Vermögen bedeutete, nicht zu widerstehen vermocht, und beide Schemel waren mein Eigentum geworden. Ich ließ die teuer erkauften Schätze sofort nach Watutau schaffen, wohin wir uns alsbald zurückbegaben, ich in ebenso gehobener, wie Herr t. K. in geknickter Stimmung.

254. Der Monolith von Watutau.

Die größte Merkwürdigkeit des Hauptdorfes Watutau war ein uraltes rätselhaftes Steinbildnis. Es stand ziemlich im Mittelpunkte des Dorfes,[S. 488] das nach ihm seinen Namen erhalten hat (= Steinmensch; watu = Stein, tau = Mensch). In rohen Umrissen zeigte der gegen 1½ m hohe Granitblock die Formen einer hockenden menschlichen Figur. Über die Entstehung und Herkunft dieser seltsamen Skulptur, der eine gewisse Ähnlichkeit mit verwandten, in Java und Sumatra vorkommenden Monolithen nicht abzusprechen ist, wußte mir niemand das geringste anzugeben. Der Stein wird von den Eingeborenen zwar nicht gerade göttlich verehrt, übt aber dennoch einen starken übersinnlichen Einfluß auf sie aus, so daß besonders häufig Frauen hierher kommen, um dem Bildnis ihre Kümmernisse anzuvertrauen und Sirihopfer darzubringen.

Versagte die Tradition in diesem Falle, so wußte man mir doch über die Entstehung der Hochebene von Napu eine originelle Erklärung zu geben: »Vorzeitlich bestand auch das Territorium der heutigen Hochebene aus hohem Berglande, wie alles Gebiet von Meer zu Meer. Da kam aus dem Hochgebirge herab ein riesiger Büffel, um in den Napu-Bergen Weide zu suchen. Er fand hier so zarte Äsung, daß er sich vor Wohlbehagen niederlegte und im Grase wälzte. Zweimal drehte er sich dabei um sich selbst, und die hierdurch entstandenen Flächen stellen die durch einen vorspringenden Hügelzug geteilte Hochebene von Napu dar. Auf seiner Streife weiterziehend, kam der Büffel hierauf ins Besoa-Gebirge. Auch hier wälzte er sich einmal, und die entstandene tiefe Mulde ist das heutige Hochtal von Besoa.«

Über Watutau ist sonst Besonderes nicht zu berichten. Brände haben das alte Dorf vernichtet, und die in neuerer Zeit entstandenen Baulichkeiten haben wohl den alten Typ nach Art des Häuptlingshauses beibehalten, sind aber in breiten regelmäßigen Reihen angelegt und mit gut gepflegten Vorgärten versehen. Die Fuja-Industrie ist in Napu ebenso wie anderwärts in starkem Rückgange begriffen, und importierte Stoffe finden immer mehr Eingang. Die hervorragend schönen, noch aus der Blütezeit derselben stammenden alten Fuja-Erzeugnisse, die ich gerade in Watutau erhielt, verdankte ich nur dem Umstande, daß sie[S. 489] außer Mode gekommen waren und man sich ihrer entäußern wollte. Meine von dort mitgebrachten Stücke sind vielleicht die letzten Zeugen dieser aussterbenden Kunst. Was heutzutage meist schon nach buginesischen und javanischen Sarongmustern angefertigt wird, läßt bereits die frühere Sorgfalt vermissen.

255. Arekascheren und Sirihmörser aus Napu.
(Mittelstück: eine Bambuspfeife aus Kulawi.)

Unter den Gebrauchsgegenständen der Bewohner Watutaus zeichneten sich die Frauen-Sirihmörser durch ihre Eigenart aus. Wohl führten[S. 490] sie denselben Namen wie die der Männer, »pombaua«, unterschieden sich aber von diesen durch die Form, die nicht wie bei jenen cylindrisch, hoch und eng, sondern niedrig ist, durch den Hohlraum, der sich von unten nach oben erweitert, vor allem aber durch die Gestaltung des stets rechtwinklig gebogenen eisernen Stampfers, dessen abgestumpfter kurzer Schenkel der Höhe des Mörsers entspricht, während der als Handhabe dienende längere in einen meißelförmigen Schaber ausläuft. Zu den Sirihmörsern der Männer gehören je ein gerader hölzerner Stampfkolben und eiserner Schaber, die zusammen mit ersterem in einem Leder- oder Holzfutteral mitgeführt werden.

Von allen bei den Eingeborenen vorgefundenen Importartikeln fand ich bunte gestrickte Wollmützen europäischen Ursprungs am wenigsten angebracht. So ein stämmiger halbnackter Geselle mit der Babymütze auf dem Haupte, bei seiner Feldarbeit in der Sonnenglut bietet einen seltsamen Anblick.

Watutau — Doda (Besoa), den 11. November.

Als ich früh morgens aus dem Hause trat, fand ich vor demselben bereits ein gutes Pferd mit anständigem Sattelzeug zu meiner Verfügung stehen, — eine Freundlichkeit des Inlandsassistenten von Watutau, der mich auch persönlich bis nach Besoa und Bada geleiten wollte. Auch Mynheer t. K., der in Besoa eine unter einem malayischen Guru stehende Missionsfiliale unterhält und diese inspizieren wollte, hatte sich entschlossen, mitzukommen. Alles wäre somit in Ordnung gewesen, hätten wir nur nicht auf die Kulis zu warten brauchen. Schließlich übernahm der Inlandsassistent die Sorge für die Beförderung meines Gepäckes und blieb mit meinen Boys zurück, um später mit diesen und den Trägern nach Doda nachzukommen. Ich verabschiedete mich also vom Häuptling, und gleich darauf verließen wir Watutau, das ich erst nach so schwerer Mühe erreicht hatte.

Tafel XIV.
Mädchen aus Besoa.
256. Bronze­glöck­chen als Kinder-Knie­schmuck.

Nach wenigen Minuten kamen wir an dem Biwak des bereits aufgebrochenen Militärs vorüber, durchquerten dann eine Sawa-Niederung[S. 491] und ritten auf gutem Wege mehrere Stunden über anmutiges Hügelgelände mit eingestreuten Kulturflächen. Bei Ara, einem einsamen Biwakplatze am Fuße des Waldgebirges, überholten wir die hier rastenden Soldaten. — Von einem uns begegnenden jungen Mädchen erhandelte ich ein Paar einfacher aus Holz geschnitzter Ohrpflöcke mit Stanniolumkleidung. — Der Pfad führte bald steiler den Napu und Besoa trennenden Gebirgsrücken hinan. Über savannenartiges Vorgelände kamen wir in den Wald. Die Bewältigung der steil ansteigenden Lehnen machte den Pferden große Mühe. Gegen 11 Uhr hatten wir die Höhe des Gebirges erreicht und ritten nun gemächlich und von prächtigem Hochwalde umgeben, auf Serpentinen Besoa entgegen, das wir nach weiterem einstündigen Ritt vor uns liegen sahen.

257. Besoa-Ohrschmucke mit Perlenzierat und Perlennackenschnüren.

Das Hochtal von Besoa, das an Ausdehnung weit hinter Napu zurückbleibt und bei etwa 2½ Stunden Länge nur gegen eine Stunde Breite mißt, übertrifft letzteres dafür an landschaftlicher Schönheit. Hohe bewaldete Mittelgebirge umgrenzen allseitig das wasserreiche, fruchtbare Tal, das zu den reichsten Kulturgebieten der Insel zählt. Daß den Talbewohnern materielle Sorgen fremd sind, zeigt sich bereits äußerlich in ihren schönen, stattlichen Häusern, ebenso wie in der malerisch bunten Tracht und dem reichen Schmucke der Frauen.

Die Entstehung des Besoa-Beckens soll auf das Versiegen eines Sees durch katastrophale Ursachen zurückzuführen sein, und die in gleicher Höhe rings um die Besoa-Senkung herumlaufenden, mit Sand und Geschiebe bedeckten Terrassen scheinen dies zu bekräftigen. Auf diesen amphitheatralisch ansteigenden Böschungen, die ich wegen Zeitmangels leider nicht in der Nähe besichtigen konnte, sollen sich Steinbilder ähnlich dem von Watutau, aber stark verwittert und fast[S. 492] unkenntlich geworden, in größerer Zahl befinden. — Die Lage der Ortschaften verrieten uns die nahe an der Peripherie der Talfläche zerstreut liegenden Kokoshaine.

Im Talgrunde angelangt, ritten wir vor dem Aufsuchen unseres Standquartiers Doda noch verschiedene Ortschaften ab. Das erste erreichte Dorf hieß Bariri und war von stattlicher Größe. In Besoa war zur Zeit die Reisernte in vollstem Gange, und alle Hände hatten auf den Feldern zu schaffen, — ein Umstand, der meinen Sammelbestrebungen sehr hinderlich war. Wir vermochten in Bariri nur eine Anzahl zu Hause gebliebener älterer Frauen aus den Hütten zusammenzutrommeln. Bereitwillig brachten sie alles Verkäufliche herbei. Das Beste darunter waren prachtvolle Ohrgehänge, von denen ein besonders schönes Paar Ohrpflöcke mit Messingzieraten und daran baumelndem roten Quastenbehang mein Entzücken erregte. Die wunderschön bemusterten Kopfringe und die breitrandigen, spitz zulaufenden Frauenhüte mit leuchtend farbiger Fuja-Rüsche bekrönt, waren für Besoa so durchaus charakteristisch,[S. 493] als die übrige kokett farbenfrohe Kleidung der Landestöchter. In Napu hatte beim weiblichen Teil der Bevölkerung auch in der Festtracht noch die Fuja-Gewandung vorgeherrscht; und eingeführte Stoffe waren wohl begehrt, aber verhältnismäßig spärlich vertreten. In Besoa dagegen waren es die Baumbastkleider, welche stark in den Hintergrund traten. Ihr Gebrauch blieb auf den Werktag beschränkt. Die jüngere Generation bevorzugte lichte gewebte Stoffe, glücklicherweise unter Beibehaltung der landesüblichen kleidsamen Formen. Die blau-weißen, knapp bis zur halben Wade reichenden gerafften Tunikaröcke sahen ungleich gefälliger aus, als die in Napu noch getragenen nachschleppenden Fuja-Krinolinen. Die hellen Farben der Gewänder im Verein mit dem heitern Sinn der Besoaner paßten vorzüglich zur Lieblichkeit der Natur dieses Tales. Die äußeren Bedingungen zur Erhaltung lokaler Eigenart sind hier ungefähr die gleichen wie in Kulawi, mit welchen Besoa mehr Verwandtes hat, als mit den unmittelbaren Nachbarländern Napu und Bada.

258. Besoa-Ohrknöpfe mit Quastenbehang.
259. Besoa-Stirn- und Armbänder aus Perlen.

Von Bariri aus ritten wir nach dem Kampong Lembe, wobei die ganze Talbreite zu durchqueren war. Höchst anziehende, froh bewegte Bilder entrollten sich dabei vor unseren Augen, und ich wurde es nicht müde, diesen Hunderten auf den Feldern arbeitenden Menschen zuzusehen. Zur Ungewöhnlichkeit der ganzen Umgebung trugen insbesondere die auf hohen Gerüsten errichteten Wachhüttchen bei, die auf den Feldern allenthalben zu sehen waren. Sie bestanden aus schwanken[S. 494] Gestellen, auf denen man winzige Plattformen angelegt hatte, die zum Schutze gegen die Sonne mit einer verstellbaren Atapwand ausgerüstet waren. Auf diesen Kanzeln hocken, solange die Fruchtreife und Ernte des Reises währt, Tag für Tag halbwüchsige Burschen oder Mädchen, deren Aufgabe es ist, die in Wolken von Tausenden u. aber Tausenden schwärmenden Reisfinken vom Einfall in die Felder abzuhalten oder zu verscheuchen. Hierzu bedienen sich die Wächter eigentümlicher Vorrichtungen. Die eine besteht in einer langen Bambusgerte, die durch Verlängerung mittels angeknüpfter biegsamer Rotangausläufer zu einer riesigen Geißel umgestaltet wurde. Mit diesem Abwehrinstrument fuchtelt der Feldhüter bei jedem Heranschwirren der gefürchteten kleinen Reisdiebe unter lautem Geschrei, wie besessen über den Ähren herum. Zur besseren Handhabung der Peitsche ist an das Ende der Geißelschnur ein beschwerendes Holzstückchen oder ein Steinchen gebunden. — Viel komplizierter und daher meist den geduldigeren älteren Frauen überlassen ist die Handhabung der zweiten[S. 495] Vorrichtung, die aus Klappern besteht, welche über das ganze Feld verteilt und durch Schnüre untereinander wie mit der Centrale auf luftiger Höhe verbunden sind. In diesem Netzwerk von Fäden kauert die Hüterin als wachsame Spinne, die es in der Hand hat, mit einem Rucke alles Getier in ihrem Bereich zu erschrecken. Als drittes Abwehrmittel der Vögel sind sehr eigenartige hölzerne Schleudern (pisóe) in Gebrauch. Mit solchen ausgerüstete Knaben haben entferntere Feldteile abzupatrouillieren und verstehen es, dort etwa eingefallene Vögel mit gutgezielten Steinwürfen zu verjagen.

260. Steinschleudern aus Besoa.

In Lembe angelangt, fanden wir auch dieses Dorf menschenleer und nur zwei alte Sklavinnen als einzige Hüterinnen des Ortes. Dieser Kampong nannte einen Lobo sein eigen, dessen Charakter außen nur die geschnitzten Echsen, sowie eine riesige Alarmtrommel im Innern verrieten. Unverrichteter Dinge verließen wir Lembe, um uns nun dem Endziele unseres Rittes, dem Hauptdorfe Doda, zuzuwenden. Auf dem Wege dahin sah ich einen auf dem Felde arbeitenden Mann mit einem der sonderbaren, an einen Hermeskopf erinnernden Vogelhüte, wie ich sie bereits vom Posso-Gebiet her kannte. Er wurde herbeigerufen, und es zeigte sich nun, daß sein Kopfputz aus einer Rotangmütze bestand, die mittels zweier kunstgerecht darübergestülpter Elsternbälge so wunderlich ausstaffiert war. Diese »dernière création de[S. 496] Besoa« konnte ich nicht entbehren; aber der auf seine Erfindung stolze Besitzer wollte sich trotz alles Zuredens nicht davon trennen. Erst als er mir in richtiger Erfassung der Situation ein sehr reichlich bemessenes Preisangebot entlockt hatte, willigte er in dessen Verkauf.

261. Vogelhut aus Besoa.

Über sumpfige, unsichere Feldwege hinweg erreichten wir schließlich den durch die Längsmitte des Tales führenden Hauptweg und bald darauf Doda, wo ich das Fremdenhäuschen von meinen Soldaten besetzt fand. Das etwas gespannte Verhältnis, das zwischen mir und meiner Eskorte bestand, führte aus diesem Anlasse zu einer Auseinandersetzung, die damit endete, daß die Leute nach dem geräumigen Lobo des Dorfes übersiedelten. Den Sergeanten behielt ich zurück und nahm ihn ernstlich ins Gebet. Dabei kam ich endlich der Sache auf den Grund, welche die Veranlassung zu dem bisherigen Verhalten des Mannes gegeben hatte. Dieser Sergeant hatte ein Atom Mischlingsblutes in sich, was ihm kein Mensch anzusehen vermochte. Außerdem aber sprach der Mann — bei Malayen eine große Seltenheit[S. 497] — geläufig holländisch, und Herr Hauptmann M. in Posso hatte ihm in meiner Gegenwart seine Instruktionen in holländischer Sprache gegeben. Ich hatte damals Wichtigeres im Kopfe gehabt, so daß mir dieser Umstand nicht weiter aufgefallen war. Während der verflossenen Tage nun hatte ich mit dem Sergeanten stets malayisch gesprochen, und jetzt stellte es sich heraus, daß sein sensibles Gemüt es als Kränkung empfunden hatte, wenn ich ihn statt holländisch immer in seiner Muttersprache anredete. Ich war starr! Immerhin aber war es mir nun ein leichtes, den in seinen heiligsten Gefühlen Gekränkten zufriedenzustellen; wir schieden als gute Freunde und blieben es auch bis zum Ende der Reise.

262. Kampong Doda.
263. Von der Feldarbeit heimkehrende Besoa-Frauen.
264. Besoa-Haarbänder und Halsketten.
265. Rückenkorb und Reiskorb aus Besoa.

Kaum in Doda angekommen, verabschiedete sich Herr t. K. von mir, um zu meinem Befremden in der engen Hütte des Guru zu nächtigen. Ich fürchte, er hat mir die entführten Lobo-Schemel noch immer nicht verziehen. — Doda mit seinen stattlichen Häuserzeilen und reinlichen Plätzen machte auf mich einen recht guten Eindruck.[S. 498] Die Gebäude zeigten in ihrer Bauart den Napu-Typ, sahen jedoch freundlicher als diese aus, da ihre Dächer nicht so weit herabreichten, so daß seitlich etwas Licht einfallen konnte. Teilweise waren sie auch mit hohen Veranda-Vorbauten ausgestattet. Besondere Sorgfalt fand ich auf die Schnitzereien der Firstenden verwandt. Auch die aus den Dachrändern vorspringenden Zierleisten, die gleich denen in Napu phantastische Tiermotive darstellten, waren in Doda reicher ausgestaltet und[S. 499] außerdem gegabelt. Besonders auffällig war mir dabei die sonst nirgends mehr angetroffene Sitte, dieselben in ganz eigener Art mit aufgesetzten hölzernen Vogelfigürchen zu schmücken. Diese sinnigen Schnitzereien erinnerten mich an ähnliche Vogeldarstellungen, wie ich sie im Dorfe Tóndong in den Toradja-Landen gefunden hatte.

Die Bewohner des Ortes waren auffallend zurückhaltend. Obschon ich dem Dorfvorsteher meinen Wunsch bekannt gegeben hatte, Gegenstände aller Art anzukaufen, erfolgte auch nicht ein einziges Angebot. Als ich daraufhin die Leute später in ihren Hütten aufsuchte, fand ich sie wider Erwarten durchaus geneigt, mir jedwedes gewünschte Stück zu überlassen. — Wie in Bariri erwarb ich auch in Doda besonders schöne Ohrgehänge. Gewöhnlich waren die beiden Ohrscheiben mit einer Perlenkette verbunden, die beim Tragen um den Nacken gelegt wird. Eine weitere Spezialität Besoas waren Armspangen aus Büffelhaut, die aus dem Fußgelenk der Tiere herausgeschnitten werden. Ein einziger, stehengelassener[S. 500] Haarbüschel daran wird rosarot oder blau gefärbt. Diese »lóku« genannten originellen Schmuckstücke der jungen Mädchen sind Liebesgaben ihrer Anbeter. Die Fellstreifen sind auf einer Seite mit einem Einschnitt, auf der anderen mit einem Knoten versehen, der, durch jenen gezogen, den Verschluß bildet. — Im frischen Zustande angelegt, schrumpfen sie durch Eintrocknen bald soweit zusammen, daß sie nur noch durch Aufschneiden entfernt werden können.

Das Gegenstück zu diesen lóku sind aus den Haaren der Liebsten geflochtene zierliche Schnüre, deren Enden mit einem Verschlußknopfe, den eine oder zwei Perlenquasten schmücken, geschlossen werden. Diese Halskettchen (welúa) werden von dem Mädchen dem Bräutigam verehrt. Daß ich solche Welúa trotzdem in Mehrzahl erwerben konnte, spricht dafür, daß die Wandelbarkeit der Männerherzen auch in Besoa zu den ewigen Wahrheiten gehört. — Eine 3. Art von Schmuckgegenständen, die in dem Liebesleben der Besoaner eine Rolle spielen, sind Fingerringe, die aus dem harten Kern der Arengfrucht geschnitten werden. Man nennt diese Geschenkringe »sisikale kónta« (Arengringe).

Bei vielen Männern fiel mir der sonderbare Schnitt des Haupthaares auf, das im Nacken in lange Simpelfransen auslief. — Runde geflochtene Deckelkörbe (póhu) als Reisbehälter, sind in dieser Form nur in Besoa zu finden. Ebenso verhält es sich mit den ungewöhnlich gefällig aussehenden Rückenkörben der Frauen (róta). — Importierte lose Perlen werden nirgendwo in geschickterer Weise zu Schmuckobjekten umgearbeitet als hier, und die höchst aparten breiten Stirnbänder (tatáli oder tali lawólo) gehören zu den geschmackvollsten Erzeugnissen weiblicher Handfertigkeit. Sie sind bei den Frauen so beliebt, daß[S. 501] man sich ihrer bereits auch in Bada und Kulawi zu bedienen anfängt. Ebenso verhält es sich mit den höchst kleidsamen, malerischen Sonnenhüten der Frauen (s. Taf. XIV). Drollig wirkt es, wie eins der beiden photographierten über Land reitenden Mädchen seinen kunstvoll gearbeiteten Kopfring, der zur Vervollständigung der Toilette gehört, dem Schattenhute übergestülpt hat, um ihn am Bestimmungsorte sofort zur Hand zu haben.

Schon vor Antritt meiner Reisen ab Paloppo getroffene Vereinbarungen zwangen mich, den am 28. November in Donggala fälligen Anschlußdampfer zu benutzen, und ich durfte daher keinen Tag Zeit verlieren. Aus diesem Grunde hatte ich auch heut mit dem Sergeanten den Weitermarsch für den folgenden Tag verabredet. Unserer Vereinbarung gemäß sollte das Militär mit den mein Hauptgepäck transportierenden Trägern nach Gintu, dem entferntest gelegenen Kampong der Bada-Ebene, vorausmarschieren und mich dort erwarten. Ich selbst wollte mit meinen Leuten Abstecher nach den bedeutendsten Dörfern des Bada-Ländchens machen. Auch der nachgekommene Inlandsassistent von Watutau schloß sich an.

Doda — Lelio (Bada), den 12. November.

Das hohe, Bada und Besoa trennende Scheidegebirge ließ uns neue Anstrengungen gewärtigen. Um dabei wenigstens der größten Mittagshitze zu entgehen, hatten sich das Militär und die Kulis bereits um 3 Uhr des Morgens auf den Weg gemacht. Ich folgte ihnen mit meinen Begleitern um 7 Uhr. Über morastige Sawapfade und hügeliges Gelände kamen wir bald in die Berge und erreichten nach etwa 3 Stunden einen freiliegenden, vorspringenden Kamm, der uns einen[S. 502] letzten Scheideblick auf die liebliche Besoa-Landschaft ermöglichte. — Von hier aus setzten wir unsere Wanderung auf bewaldete Gebirgsrücken fort, wobei wir eine kurze Strecke sogar in der Höhenzone der Moosregion zurückzulegen hatten. Gegen ½1 Uhr traten wir auf eine Blöße heraus, von der sich uns wundervolle Blicke in die Schluchten des Besoa-Gebirges und bis nach Napu hin auftaten. Eine Ataphütte lud uns auf dem schönen Plätzchen nicht vergebens zur Rast ein. — Der Weitermarsch führte talwärts, und um die 2. Nachmittagsstunde hatten wir das Hauptgebirge hinter uns und ließen uns auf unbewaldeten Abhängen von der tropischen Sonne bestrahlen. Die 700–800 m hohen Vorberge fielen schroff zur Bada-Ebene ab. Diese stellt eine gewaltige Einsenkung dar, die rund 750 m über dem Meere liegt. Tektonische Störungen gehören in Bada auch in der Gegenwart noch zu den häufig vorkommenden Ereignissen.

Der Ausblick, der sich vom Rande des Gebirgseinbruches auf das tief unten liegende Bada bietet, gehört zu den großartigsten Panoramen des an landschaftlichen Reizen wahrlich nicht armen centralen Celebes. Das saftstrotzende Grün der Matten und das silberweiße Geäder der die Ebene durchströmenden Flüsse gaben zusammen mit den dunklen Felsmassen der zerklüfteten nördlichen Falten-Gebirge ein farbenprächtiges Bild. Als kompakte Wand mit fast geradlinigen Konturen erschien, undeutlich im schimmernden Sonnenglanze, die gegenüberliegende südlich streichende Centralkette, die im Koróru-Gebirge die stattliche Höhe von 3000 m erreicht.

Was da in der Tiefe vor uns lag, war also das vielberufene und verrufene Goldland Bada, das eigentliche Herz von Celebes. Friedlich wie eine arkadische Landschaft dehnten sich seine Gefilde, und freudetrunkenen Blickes umfaßte ich immer und immer wieder dieses Bild, — die Verwirklichung stiller Träume. — Der Abstieg zur Bada-Ebene auf losem Sande war recht schwierig. Der Steig folgte zumeist den Rinnen und Auswaschungen, wie sie bei heftigen Regengüssen entstehen, und führte daher direkt talwärts. Mehr rutschend als kletternd kam ich überraschend[S. 503] schnell auf der Talsohle an. Dort waren noch eine Reihe niederer, durch sumpfiges Wiesenland geschiedener Hügel zu überschreiten; dann, um 4 Uhr nachmittags, lag das erste Dorf Badas, der beherrschend auf einer Anhöhe liegende wallumgürtete Kampong Lelio, vor mir.

266. Blick auf die Bada-Ebene vom Besoa-Gebirge aus.

Die Bewohner des Dörfchens empfingen mich sehr freundlich und brachten mir sofort unaufgefordert mehrere bis auf die verschlossene Trinköffnung ausgeschälte Kokosnüsse zur Erquickung. Der Gebrauch, einem Gaste angebotene Trinknüsse erst vor dessen Augen völlig zu öffnen, soll diesem die Überzeugung beibringen, daß er keine Vergiftung zu befürchten hat. —

An diesen ruhig und höflich auftretenden Menschen mit sympathisch ansprechenden Gesichtszügen deutete nichts auf die Grausamkeit hin, die seltsam gepaart mit gutmütigen Charakter-Eigenschaften in den Seelen dieser in ganz Central-Celebes gefürchteten Kopfjäger schlummert. Die Unterschiede zweier beträchtlich divergierender sozialen Schichten traten übrigens auch im Habitus der Bada-Bevölkerung unverkennbar[S. 504] zutage. Ein ausgesprochen aristokratischer Typus von knapp mittelgroßer Gestalt, feinem Gliederbau, regelmäßig geformtem ovalen Schädel und fast geraden Augenbrauen unterschied sich augenfällig von den übrigen Eingeborenen mit größerem gedrungeneren Körperbau und eckigeren Gesichtszügen, der dem gewohnten Malayentyp viel näher kam.

Die Hütten Lelios, die im allgemeinen den in Besoa angetroffenen recht ähnlich, aber ohne jeden Zierat waren, standen eng gedrängt beieinander. Ihre Bedachungen bestanden ausnahmslos aus Schindeln. Seit Leboni nicht mehr angetroffene Tür-Vorbauten begannen in Bada wieder zur Regel zu werden. — Ich quartierte mich im Lobo des Dorfes ein. Die sich im Innern des Gebäudes an den Wänden entlang ziehenden Galerie-Plattformen waren ziemlich hoch angelegt, so daß ich sie, auf meinem Feldbette, davor sitzend, bequem als Tisch benutzen konnte. Im Hintergrunde des Lobo waren ganze Berge der bekannten Rotang-Fesselungsringe aufgehängt, deren Betrachtung düstere Bilder herauf beschwor von der jedem menschlichen Gefühle hohnsprechenden Marterung der Gefangenen, deren viele an demselben Pfosten, an den ich mich lehnte, ihren qualvollen Tod erwartet haben mochten. —

Eine Anzahl neugieriger, verstohlene Bemerkungen austauschender Frauen und Mädchen waren unter Führung des Häuptlingspaares zu Besuch gekommen. Kleine Geschenke lösten kinderfrohes Lachen und verlegenes Erröten aus. Auch nach europäischer Auffassung hübsche Gesichter waren unter ihnen durchaus nicht selten, und selbst die in Bada den Gipfelpunkt erreichende und beinahe larvenmäßig wirkende Gesichtsbemalung konnte diesen Eindruck nicht völlig verwischen. Am störendsten wirkten die blutroten zahnlosen Kiefer bei den Frauen, denen das Vordergebiß völlig ausgeschlagen war. — Der in Lelio verlebte Abend in Gesellschaft der meinen Erzählungen aus dem fernen Europa dankbar lauschenden To-Bada, die sich dafür später mit Vorführungen ihres Nationaltanzes »maheio« revanchierten, und dies im Anblick der im letzten Abendrot erglühenden Gebirge und der lieblichen Talebene, werden mir unvergeßlich bleiben.

[S. 505]

Lelio — Bulili, den 13. November.

267. Häuptlingspaar von Lelio.

In dem dicht bevölkerten Bada liegen die zahlreichen Ortschaften nahe beieinander, und der heutige Tag war dem Zwecke gewidmet, möglichst viele derselben kennen zu lernen. Dem benachbarten Bomba galt unser erster Besuch, und gegen 8 Uhr morgens setzte sich der Häuptling von Lelio an die Spitze unseres Zuges, um uns dahin zu geleiten. Es ist in Bada allgemein Sitte, daß die Dorfhäuptlinge ihre Gäste persönlich bis zum nächsten Dorfe bringen, wo dann der[S. 506] dortige Häuptling das Beschützeramt übernimmt. Das bestimmende Motiv hierbei dürfte wohl hauptsächlich in dem Gefühl der Verantwortlichkeit für die Sicherheit des Besuchers liegen. Die Gastfreundschaft wird von den Eingeborenen sehr gepflegt, und Schande würde den Häuptling treffen, der seinen Gast Ungemach leiden ließe. Möglicherweise spielt auch das in Bada geltende Gesetz der Blutrache eine Rolle, das für ein am Gaste begangenes Unrecht das ganze Dorf verantwortlich macht. Im Verlaufe meiner übrigen Dorfbesuche wiederholte sich die besprochene Höflichkeit bzw. Vorsicht. Der neue Kabosenia übernahm jedesmal die Führung, wobei es sich die Häuptlinge der früher besuchten Plätze nicht nehmen ließen, mich auch noch weiterhin zu begleiten, so daß ich in der letzten der besichtigten Ortschaften von einem stattlichen Gefolge umgeben war.

268. Goldwage und Behälter, Federposen, sowie Samenkerne als Gewichte.
269. Floßfahrt über den Tawaelia.

Von Lelio aus wandten wir uns gleich zum Tawaelia-Flusse hinab, welcher das hoch gelegene Dorf umströmt. Sein dunkles, fast schwarzes Gewässer ist wie das aller seiner Zuflüsse außerordentlich goldhaltig. Überall in Bada gehört daher die Goldwäscherei zu den[S. 507] ergiebigsten Einnahmequellen der Eingeborenen. Der gewonnene Goldstaub wird in Federposen verwahrt und gelangt so in den Handel. Zum Abwägen desselben bedient man sich zierlicher Hornwagen, wobei sehr gleichförmig geartete Fruchtsamen, lómbe genannt, als Gewichte dienen. Sechs dieser Samenkörner sind das Gewicht des Goldes im Werte von 2½ fl. — Über den ansehnlich breiten und mehrere Meter tiefen Tawaelia trug uns ein eigenartig zusammengestelltes Bambusfloß. Was diesem Fahrzeug an Breite abging, war an der Länge reichlich zugegeben. Die an den Enden stehenden Lenker hatten gerade noch Platz. Für die Passagiere, deren es höchstens vier sein durften, war in der Mitte des Bootes aus mehreren Lagen übereinander geschnürter Bambusrohre ein erhöhter Sitz geschaffen. Bei der ungenügenden Höhe desselben und dem beträchtlichen Schwanken des mit langen Ruderstangen vorwärts gestoßenen Fahrzeuges nahmen bald sämtliche Passagiere Sitzbäder. Unter vielem Hallo und Gelächter vollzog sich die Überfahrt ans andere Ufer. Kurz darauf erreichten wir den gleichfalls auf einem Hügel gelegenen Kampong Bomba, der[S. 508] Lelio an Bewohnerzahl und Ausdehnung weit überflügelte. Das reiche und große Dorf bot ein getreues Bild der augenblicklich in Bada herrschenden ethischen und wirtschaftlichen Verhältnisse, deren Schilderung auch auf alle anderen Dorfgemeinden der Bada-Ebene paßt.

270. Frauen und Mädchen aus Bomba.

Wir finden in Bada, dem am dichtest bevölkerten Hochtal des Innern, die Eingeborenen-Kultur auf dem Kulminationspunkt ihrer Entwickelung. Alter Adat besteht hier noch zu Recht; alte Sitten und Gebräuche haben sich hier am reinsten erhalten. Die von den Altvorderen ins Leben gerufene, für die Kultur der Inlandstämme so charakteristische Fuja-Industrie behauptet sich gegenüber der Einfuhr gewebter Stoffe weit zäher als in irgend einem anderen von mir besuchten Distrikt. Sogar die Männer bedienten sich in Bomba noch der Lenden- und Schultertücher aus Baststoffen. Die aus Bada stammenden Fuja-Erzeugnisse übertreffen alle andern an Farbenpracht und geschmackvoller Bemusterung. — Die nach unseren Begriffen als ästhetische Verirrung zu bezeichnende Gepflogenheit, sich Gesicht und Hände mit Harz zu bemalen und überdies noch mit Stanniol zu verzieren, war in Bomba[S. 509] zur üppigsten Entfaltung gediehen, und was bei uns der Handschuh, ersetzte in Bada die Schablonenmalerei des Handrückens.

271. Frauen-Scheitelringe aus Central-Celebes.

Zu den bevorzugtesten Schmuckobjekten beider Geschlechter gehörten Halsketten aus alten Porzellanperlen, denen imaginäre Werte beigemessen wurden. Fast ebenso schwer zu erlangen waren bronzene Brustgehänge mit landesüblichem Hirscheber-Motiv. Recht häufig wurden[S. 510] dagegen schwere, aus Muschelböden geschnittene Armreifen getragen. Die Frauen trugen Holzscheiben von erstaunlicher Größe in den Ohrlappen. Unter den Frauenkopfringen zeichneten sich die mit Silberdraht übersponnenen durch ihre Schönheit aus. Zum Unterschiede von den gewöhnlichen Kopfringen (táli) führen sie die Bezeichnung »pohéa«. Als sehr seltene Objekte erhielt ich in Bomba Amulette, wie sie Kindern um den Hals gehängt und von Erwachsenen meist in den Sirihtaschen mitgeführt werden. Sie waren aus Schlangenköpfen oder häufiger noch aus dem Schädel eines in den dortigen Gewässern vorkommenden Welses verfertigt und glichen einem menschlichen Gesicht, das zur besseren Hervorhebung der Züge partiell mit Stanniol belegt war. In unerreichter Mannigfaltigkeit der Formen fanden sich überall Hüttenhaken aus Horn, Knochen oder Holz. Ich hatte das Glück, darunter einige solcher »hodánga« aufzustöbern, die menschliche Figuren darstellten. Da Nachbildungen des Menschen in Central-Celebes zu den allergrößten Seltenheiten gehören und Bada die einzige Lokalität war, wo ich solche auftreiben konnte, so ist dies ein neuer Beweis dafür, daß sich die Eigenart der Vorfahren in dieser Landschaft am unbeeinflußtesten erhalten hat.

272. Männer-Halsketten mit Schlangenkopf-Amuletten.

[S. 511]

273. Hüttenhaken aus Bada.

Interessant war mir für Bomba das Vorkommen von Steinschleudern, wie ich solche bereits in Besoa kennen gelernt hatte. — Vorfechter-Kopfschmucke (sangóri), wie sie mir von Leboni und dem Posso-See her bekannt waren, wurden mir mehrfach zum Kauf angeboten. In ganz Bada gang und gäbe waren auch die Bronzeschellen oder -glocken, mit denen sich Kopfjäger nach erfolgreicher Jagd behängen. Sie tragen diese eigentümliche Kriegerzier stets rechts um die Hüfte gebunden. In Bomba[S. 512] hatte ich endlich wieder einmal Gelegenheit, hübsche Waffen zu sehen. Vor allem waren es die Lanzen (tawára), auf deren reiche Ausschmückung hoher Wert gelegt wurde. So erhielt ich mehrere hervorragend schöne Stücke, deren Schäfte aus eisenhartem roten Holze ihrer ganzen Länge nach in kunstvoller Weise beschnitzt waren. Ein besonderes Charakteristikum dieser Lanzen, das für Bada und das benachbarte Kulawi gemeinsam gilt, waren die schwarz-weiß, schwarz-rot oder weiß-rot gefärbten Ziegenhaarbüschel, mit welchen sie den Schaft von der Mitte bis zu der mit einem langen eisernen Dorn ausgestatteten Zwinge herab umkleiden. Diese gekordelten Haarstränge sind bis zu 5 m lang und werden in dichter Spirale um den Schaft gewickelt, so daß sie bauschig abstehen. Für gewöhnlich werden diese Lanzenhaarschmucke in gleichfarbigen Fuja- oder Kattunfutteralen geborgen.

274. Kopfjäger-Hüftenglocke.

An Schwertern kommen in Bada die auch für das Possogebiet geltenden Formen vor, vor allem also solche mit den weit auseinander klaffenden Griffen, die den aufgesperrten Rachen des Krokodils darstellen sollen.

Ein gleich rätselhaftes Steingebilde, wie ich es in Watutau gefunden hatte, bildete auch das Wahrzeichen von Bomba; doch zeigte es zum Unterschiede von jenem die Umrisse einer weiblichen Figur. Ein davor aufgestelltes Bambustischchen mit reichlichen Opfergaben ließ auf höhere Verehrung schließen (s. Taf. XV).

Tafel XV.
Monolith im Dorfe Bomba.
275. Lanzen aus Bada.

Unser nächster Besuch galt dem Dorfe Kanda. Es war ein kleiner, von einem hohen Lehmwall umgebener Ort, dessen Wohnhütten in einem Haine von Kokos- und Arekapalmen lagen. Unter meinen Erwerbungen daselbst waren Buschmesser mit ausnehmend reich verzierten, aber roh gearbeiteten Scheiden das Bemerkenswerteste. — Als elastische Unterlagen für Fuja-Klopfbretter fand ich, wie seinerzeit auch in Leboni,[S. 513] dicke Stammstücke des Pisangs verwendet. — Auffallend war die schlechte Aussprache der Dorfbewohner, die z. B. für g stets k sprechen.

Gegen Mittag wandten wir uns dem am linken Hügelrande gelegenen Dorfe Páda zu, nicht zu verwechseln mit der Landschaft Bada. Auf dem Wege dahin begegnete uns ein Trupp Frauen, die sich von unserem an der Spitze des Zuges marschierenden Häuptling eine energische Zurechtweisung[S. 514] zuzogen, da sie in ihrer Verwirrung dem Badaschen Höflichkeitskodex zuwider nach rechts ausgewichen waren statt nach links, wie es bei Begegnungen mit freien Männern ihre Pflicht ist. Angesichts so zahlreicher Vornehmer aber hätten sie in geziemender Entfernung vom Wege unser Vorüberkommen abwarten müssen. Die To-Bada sind eben ein Kriegervolk, bei dem das Ansehen der Frau gleich null ist. Unter den ganz verschüchtert, mit abgewandten Gesichtern am Wege stehenden Frauen befand sich auch eine mit weißer, kapuzenartig spitzer und auf dem Rücken lang herabfallender Fuja-Haube. Solche Kopfbedeckungen sind in Bada das Zeichen der Trauer und der Witwenschaft.

276. Buschmesser.

Das Dorf Páda blieb an Größe hinter Bomba zurück. Durch Augenschein überzeugte ich mich, daß in dieser Ortschaft noch die alte Sitte besteht, die Toten unter den Wohnhäusern zu begraben. Wie in Napu war dabei das Erdreich über dem zugeschütteten Grabe geebnet und auf diesem die Tragbahre nebst den zum Ausheben des Schachtes gebrauchten Werkzeugen niedergesetzt, denen noch ein Schild, in der Art der Muschelschilde des Posso-Gebietes, beigefügt war. An der Unterseite der Bodenplanken des Hauses wurden dann über[S. 515] dem Grabe 2 holzgeschnitzte gekreuzte Löffel aufgehängt. Erst durch diese unter mehreren Hütten hängenden Symbole wurde ich auf das wirre Holzwerk aufmerksam und erfuhr, daß darunter Gräber seien. Die Gebeine der in Särgen bestatteten Leichen werden später nicht noch einmal ausgegraben und dann im Walde ausgesetzt, wie es in anderen Gegenden geschieht. — Das Pfahlwerk der Wohnhütten bildete einen fest zusammenhängenden und auf großen Steinen ruhenden Rost.

277. Idyll aus dem Dorfe Páda.

In diesem Dorfe bekam ich die schönst bestickten Frauenjacken zu sehen, die je meine Kauflust reizten, — leider nur zu sehen, da diese besondere Art ein Geschenk des Bräutigams sind und nicht veräußert werden. Auch die Gesichtsbemalung der jungen Mädchen war in Páda besonders eigenartig. Aus den sonst üblichen Punkten, Strichen und Linien waren hier ausgesprochene Arabesken geworden, die das Büffelkopfmotiv in verschiedenster Weise variierten.

[S. 516]

278. Dorfschönheit aus Páda.

Ein Gewitterschauer verzögerte unseren Abmarsch nach dem nächsten Dorfe. Trotz feinrieselndem Regens machten wir uns schließlich auf den Weg. Der Kampong Bulili ist die größte Ortschaft der Bada-Ebene. In mehr als 50 großen Wohnhäusern lebten daselbst über 700 Menschen beisammen. Unzählige Reisspeicher waren über das Dorf verteilt. Es liegt auf stark hügeligem Terrain, und mächtige Wälle mit alten Bambusbeständen umzogen es in seiner ganzen Ausdehnung. Sieben Lobos sprechen für die Bedeutung dieses Ortes. Daß die Geisterhäuser in solcher Anzahl beisammen auftreten, war mir wieder eine neue, bis Bada vorbehalten gebliebene Entdeckung. In Bulili wurde[S. 517] genächtigt, und ich bezog einen der altersschwachen Lobos, die wohl hauptsächlich als Fremdenhäuser zu dienen haben.

279. Felsenornamente in Bulili.

In dieser Ortschaft fand ich zum drittenmal ein Steinbild vor, dem leider der Kopf abgeschlagen war. Eine Anzahl kleinerer Steine ohne erkennbare Bearbeitung standen im Kreise um dasselbe, — umschlossen also wohl ein »simbuang batu«, wie solche Plätze bei den tiefer im Süden wohnenden Toradja genannt werden. Etwas abseits davon lag ein großer Felsen halb in der Erde vergraben, dem schwer erklärbare Ornamente eingemeißelt waren. Vor einem kleineren, in der Mitte des Dorfes gelegenen Granitblock, war ein »Zauber« mit dem unvermeidlichen Opfertischchen errichtet. Er bestand aus einem hohen Bambuszweig, dessen Fiedern man mit weißen und schwarzen Hühnerfedern und mit geknoteten Fuja-Bändchen über und über behängt hatte. Auf einer Steinbank davor lag ein Bündel geopferten weißen Fujastoffes.

Der von mir als Quartier erwählte Lobo zeigte die übliche Einteilung. Ein kanoeartig ausgehöhlter Stamm mit Kerben und in Tierköpfe auslaufenden vorstehenden Enden führte zum Innern hinan. Ein Gräserbouquet[S. 518] stellte den Lebensbaum vor. Fesselringe hingen im Hintergrunde, und in einer der Seitengalerien lehnten etwa 20 Stück stark defekter Muschel-Langschilde. —

Das Haupt dieser großen Gemeinde war mir bis vor die Grenze Bulilis grüßend entgegengekommen und hatte mich persönlich zu meinem Asyl geleitet. Als besonderes Kennzeichen trug er einen einseitigen Knebelbart. Viele andere Leute aus diesem Dorfe trugen dünne Kotelettbärte und an jedem Mundwinkel bequem zu zählende wenige Barthaare.

280. Kampong Bulili mit »Zauber« im Vordergrund.

Die Nacht war angebrochen, und ich saß eben friedlich beim Mahle, als mein Dolmetsch No mit allen Anzeichen hoher Aufregung angekeucht kam, um im bescheidenen Lichte meiner Dammarfackel einen gewichtigen Gegenstand vor mir abzuladen. Kaum hatte ich mir das Ding näher besehen, ging es mir wie ein elektrischer Schlag durch die Glieder, und ich sprang entzückt auf. Ein Lobo-Schemel, der selbst meine beiden Napu-Stücke, auf die ich so stolz war, in den Schatten[S. 519] stellte, stand vor mir. Das ethnographische Unikum zeigte auf der Rücklehne eine gut modellierte weibliche Figur und war jedenfalls ein Museumstück allerersten Ranges. Um es vorweg zu sagen, es gelang mir nach endlosen mitunter stürmischen Verhandlungen, an denen sich der ganze Gemeinderat des Dorfes beteiligte, den Schemel zu erwerben. Als ich ihn aber endlich mein Eigentum nennen durfte, da war er, weiß Gott, auch redlich verdient und ich für die nächsten paar Tage heiser geworden. Man verlangte dafür nicht weniger als 15 lebende Büffel, nicht etwa deren Wert in Geld. An dieser unerfüllbaren Forderung wären die Verhandlungen zu meiner Verzweiflung um ein Haar gescheitert; denn wie in aller Welt hätte ich die gewünschten Ungetüme so schnell in natura beschaffen sollen? Aber schließlich hatten die Dorfweisen ein Einsehen und begnügten sich doch noch mit einem angemessenen Äquivalent in Ringgits (2½ fl. Stücken).

281. Lobo-Schemel aus Bulili.

Bulili — Gintu, den 14. November.

Der Inlandsassistent, der mich bis Bada begleitet hatte, verabschiedete sich heut in Bulili von mir, um nach Napu zurückzukehren, und ich war nun wieder auf meine eigene Gesellschaft angewiesen. Er war ein angenehmer, stets gefälliger Begleiter gewesen, den ich ungern ziehen ließ.

[S. 520]

Frühzeitig marschierte ich mit meinen Leuten nach Badangkaia ab, einem ehemals wohlhabenden großen Dorfe, das aber vor ca. 1½ Jahren total abgebrannt war und sich seitdem nicht mehr zu erholen vermocht hatte. Es war erst in dürftigen Anfängen wiedererstanden.

282. Bronze-Amulett.

Die Frauen dieser Gegend trugen bisher noch niemals gesehene, über und über mit Glimmerflittern oder auch mit Fischschuppen besäte schwarze Fuja-Jacken. Der zur Verwendung gelangende Glimmer hieß »batu bangei«.

Dicht bei Badangkaia fließt der breite, aber nur etwa ¾ m tiefe Malei vorüber, aus dessen sandigem Bette es von Goldpartikelchen nur so flimmerte und blitzte. Jenseits desselben kamen wir an einer Schar von mehreren Hundert Leuten vorüber, die unter Aufsicht ihrer Häuptlinge mit der Anlegung eines Weges beschäftigt waren. Mit Ausnahme der letzteren waren alle sehr zwanglos kostümiert und fast sämtlich nur mit dem Lendentuch versehen. Niemals fehlte dabei die Sitzschürze aus Fell oder gemustertem, besticktem oder bemaltem Mattengeflecht; die übliche Kopfbedeckung war eine Affenfell- oder Rotangmütze. Viele unter ihnen trugen Messing- und Muschelarmbänder, Fingerringe, Halsketten aus Perlen oder Samen und umgehängte Amulette. Es bedarf kaum besonderer Erwähnung, daß mir dieses Zusammentreffen Veranlassung[S. 521] war, eine Menge der angeführten Gegenstände für mich einzuhandeln.

283. Kampong Gintu.

Kurz vor unserer Ankunft in Gintu, nach knapp vierstündigem Marsche, durchschritten wir den Malei-Fluß zum zweitenmal und stießen nach etwa 10 Minuten auf meine biwakierenden Soldaten, die sich des besten Wohlseins erfreuten. Der Sergeant hatte mir eine besondere Hütte errichten lassen; doch zog ich es vor, im nahen Dorfe zu wohnen. Gintu ist ein alter, weitläufig angelegter Kampong, der aber in seiner Bedeutung sehr zurückgegangen zu sein schien; viele Hütten standen leer. Es liegt 546 m über dem Meere, ziemlich am Rande der Bada-Ebene. Bei dieser Lage des Ortes nahe dem Kulawi-Gebirge werden wohl häufige Fehden und Überfälle durch die als schlimme Räuber und Sklavenjäger gefürchteten Kulawier das Ihrige dazu beigetragen haben, den Platz zu entvölkern. Interessant waren mir die Häuser in Gintu insofern, als an Stelle der gewöhnlichen gedeckten Eingangsvorbaue[S. 522] offene Plattformen angebracht waren, zu welchen der Steigpfosten emporführte, und von denen aus man ins Innere gelangte. Ein uralter Lobo wies gleichfalls eine bauliche Eigenart auf, indem er aus zwei ineinandergeschobenen Häusern, einem Vor- und einem Hauptbau, bestand. Ersterer diente als Fremdenlogis, letzterer war das Geister- und Beratungshaus des Dorfes. Reiche Schnitzereien am Gebälk wie an der Treppe zeichneten diesen Lobo vor anderen aus.

284. Lobo-Treppe in Gintu.

[S. 523]

Wie es überall in Bada üblich ist, brachte man mir auch in Gintu gleich nach meinem Eintreffen frische Trinknüsse, eine Mulde Reis und zwei darin liegende Eier als Gastgeschenk. Vom Häuptling erhandelte ich ein großes Schwein als Gabe für meine Soldaten. — Es berührte angenehm, daß die hiesige Bevölkerung nicht mehr das stark nüancierte Benehmen zur Schau trug, das bei den Bewohnern der früher besuchten Bada-Ortschaften recht ausgeprägt zum Ausdruck gekommen war. Die Leute gaben sich einfach und bescheiden. — Einige alte Frauen, die sich nebst anderen Besuchern eingefunden hatten, trugen genau dieselben massiv schweren Messingarmbänder, wie jene in Rampi. Unter den ethnographischen Erwerbungen seien sehr schöne Fuja-Objekte erwähnt mit seltener alter Ornamentik. Außerdem erhielt ich hier eine ausnehmend hübsch aus Horn geschnittene Goldwage, sowie eines der seltenen Schlangenkopf-Amulette. Das mir Willkommenste war jedoch eine der kaum mehr aufzutreibenden Kriegsmützen. Sie bestand aus einem Rotanggeflecht mit zwei seitlich abstehenden Hörnern aus Messingblech, deren Verbindungsstelle mit einem viereckigen Stück Anoafell verdeckt und von einem holzgeschnitzten, ein menschliches Gesicht darstellenden Aufsatz überragt wurde, den zwei lange Hahnenfedern bekrönten.

Nach Sonnenuntergang erfreute ich mich noch eine Weile an dem Brillant-Feuerwerk der in Unmenge schwirrenden Leuchtkäfer. Magisch leuchtete es aus den Kronen der hohen Palmen herab, ein unaufhörliches Kreisen hin und wider huschender, aufglühender und verglühender Lichtpunkte.

285. Kriegshut aus Gintu.

[S. 524]

Gintu — Tuáre, den 15. November.

Die Soldaten waren der Hitze wegen schon in der Morgenfrühe nach dem Dorfe Lengkeka vorausgegangen, wo sie mich erwarten und Wechselkulis requirieren sollten. Während der Nacht war ein heftiger Regenschauer niedergegangen, und die sonst klare Flut des Malei war trüb gelb gefärbt und hoch angeschwollen. Nordwestlich marschierend, durchzogen wir neben dem Flusse ¾ Stunden lang angebaute Ländereien; dann waren wir am Ende der Bada-Ebene und drangen an der Einmündung des Malei in den von Nordosten kommenden heut gleichfalls wild rauschenden Tawaelia-Fluß in das Hügelland vor. Schon nach wenigen Minuten gelangten wir dabei an eine den Fluß überspannende Rotang-Hängebrücke. Bei dem Zustande der ungemütlich schaukelnden und schon etwas defekt gewordenen Brücke schien es geraten, Mann für Mann einzeln hinüberturnen zu lassen. Zu solchen Akrobatenstückchen bedurfte es eines gewissen moralischen Anstoßes. Der Fluß mochte 50–60 m breit sein, und wer etwa über seinem mit Felsblöcken übersäten Bette den Halt verlor, durfte sich für erledigt halten. Am jenseitigen Ufer kamen wir nach halbstündiger Wanderung an dem kleinen Dörfchen Támbi vorüber, wo es mir gelang, einige gute ethnographische Objekte aufzutreiben. Von einem in der nächsten Umgebung von Támbi aufgefundenen Grabe, dessen abweichende Anlage mir bemerkenswert erschien, gibt das obige Bild eine Anschauung.

286. Tobada-Grab bei Támbi.

[S. 525]

Um 9 Uhr war der Kampong Lengkeka erreicht, wo mir der Sergeant bereits tüchtig vorgearbeitet hatte. Eine Fülle verschiedenartigster Gegenstände lag zu meiner Auswahl aufgehäuft. Die Ankäufe wurden rasch erledigt und der Weitermarsch gemeinsam mit Soldaten und Trägern fortgesetzt. Nach dem Übersteigen der aus starken Flechtzäunen bestehenden Dorfumfriedigungen gingen wir über eine Stunde lang dem Oberlaufe des Tawaelia nach bis zu einer Hängebrücke, die noch ungleich bedenklicher aussah als die zuletzt passierte. Sie stellte die Verbindung mit dem auf dem linken Flußufer gelegenen Dorfe Tomehípi dar. Da ich den Ort besichtigen wollte, entschloß ich mich, den Übergang zu riskieren, und machte mich mit meinem Dolmetsch No auf den Weg dorthin, während meine Leute nach Kageróa vorausmarschierten. Der Erfolg machte die Mühe in keiner Weise bezahlt. Die meisten Dorfbewohner waren ausgeflogen und nur einige Frauen und Greise anwesend. Von ihnen erwarb ich eine Lanze mit prächtig beschnitztem Schaft und mehrere Messing-Sirihmörser.

287. Kopfbedeckungen aus Central-Celebes.

Auf dem gleichen Wege nach der rechts gelegenen Uferseite zurückgekehrt, veranlaßte mich dort nahe der Brücke ein intensiver Schwefelgeruch[S. 526] zu einer Untersuchung der Uferböschung, wobei ich in geringer Entfernung auf eine Therme stieß. Sie entquoll in Meterhöhe über dem Flußniveau einem Hügel und bildete ein kleines Becken, dessen Abfluß sich in den Tawaelia ergoß. Graublauer Tonschlick bildete die Umgebung der Quelle, in deren Nähe sich Unmengen von Faltern umhertrieben, vielleicht durch den Schwefelgeruch und die heißen Dämpfe angelockt oder um auf dem feuchten Boden zu saugen.

Um 11 Uhr befand ich mich in der Nähe des palmenumgürteten ansehnlichen Dorfes Kageróa, in einer berühmten Tabakgegend. Das aromatische Kraut in dem von Bergen umschlossenen Tawaelia-Tale soll von ganz besonderer Güte sein, und alle Hügel waren mit Tabakpflanzungen bedeckt.

Vor dem Dorfe fand ich einen größeren Trupp Ortsbewohner mit Erdarbeiten beschäftigt. Bei meiner Annäherung liefen einige von ihnen schleunigst ins Dorf zurück, um in buntbestickten Paradejacken wieder auf der Bildfläche zu erscheinen. Das von ihnen kaum vorausgeahnte Resultat dieses Toilettenwechsels war, daß die hübschen und selten zu sehenden Männer-Badjus gegen Geld und gute Worte an mich übergingen und meinen Sammlungen einverleibt wurden.

288. Gehstöcke aus Bada.

Die nächste Station von Kageróa ab war Tuáre am Flüßchen[S. 527] gleichen Namens. Der Ort war von sumpfigem Wiesenlande umgeben und verbarg sich hinter bastionenartigen hohen Umwallungen. In der Mitte des schmutzigen kleinen Dorfes lag wie in allen Bada-Siedelungen ein freier Platz. Eine Eigentümlichkeit der auf ausnehmend hohen Pfahlunterbauten stehenden Hütten war der Oberbau derselben, der einfach aus dem spitzgiebeligen Arengfaser-Dache bestand. Dieses ruhte unmittelbar auf dem Pfahlrost, so daß die Seitenwände gänzlich fehlten. — Spitzschnauzige Schweine trieben sich unter den Hütten herum. Auf ein Quartier in den finsteren Wohnlöchern der verwahrlost aussehenden, kropfbehafteten Bewohner verzichtend, versuchten wir, da auch kein Lobo im Dorfe war, uns unter den wenigstens luftigen Reisspeichern häuslich einzurichten. Diese wurden mittels unserer Wachstuchplane umspannt und gewährten so ein ganz erträgliches Obdach. Im nahen Tuáre-Flüßchen gab es Badegelegenheit, und ein Stück saftigen Schweinebratens söhnte schließlich vollends mit den sonstigen Unzulänglichkeiten der Station aus. Nachts zogen Gewitter und Regen über das Tal. Der Monsunwechsel begann, sich fühlbar zu machen.

Tuáre — Boku, den 16. November.

Ohne Bedauern kehrten wir heut dem Dörfchen den Rücken, um durch ein schmales Sawa-Tal in eine enge Gebirgsschlucht zu gelangen, durch welche sich die Wasser des Tuáre rauschend drängten. Nachdem wir uns eine Stunde lang teils in dessem Bette über schlüpfrige Felsenkugeln, teils an jäh abfallenden Böschungen mühsam weitergearbeitet hatten, verließen wir den Fluß, um über einen steilen Bergrücken zu dem in 900 m M. H. gelegenen Plateau von Padalólo hinanzusteigen.[S. 528] Die weiten grasbewachsenen Flächen, die wir dort betraten, waren in anmutiger Abwechslung mit Busch und Baumgruppen durchsetzt und glichen einer üppigen Parklandschaft. Daß auch die Eingeborenen die Vorzüge dieser Gegend zu würdigen verstanden hatten, bewiesen uns zwei in der üblichen Weise durch hohe Wälle befestigte und hinter dichten Bambusmauern verborgene Dorfanlagen bedeutenden Umfanges. Auffällig war aber, daß sich niemand blicken und auch kein menschlicher Laut vernehmen ließ. Erst in unmittelbarer Nähe wurde mir die Erklärung für die befremdliche Stille. Ich sah völlig zerstörte Dörfer vor mir liegen, deren verkohlte Reste von Unkraut überwuchert waren. Meine Bada-Träger erzählten, daß vor Jahren Kulawier die beiden reichen Dörfer überfallen, die Bewohner teils getötet, teils als Sklaven hinweggeführt und die Wohnungen ausgeraubt und verbrannt hätten. — Das Padalólo-Plateau war rechts von hügeligen Urwäldern flankiert. Nach links zu stürzte es schroff ins Koro-Tal ab. Jenseits desselben stiegen die gegen 2000 m hohen Ilóle-Berge auf und schlossen das Landschaftsbild ab. Auf dem ganzen Gelände waren nur 3 oder 4 armselige Ataphütten zu entdecken.

Am Ende des durchzogenen Graslandes, wo am Rande des Urwaldes zwei Pfade einander kreuzten, fanden wir einen Zauberfetisch aufgestellt. Ein Viereck aus Palmblattstielen umschloß ein Bambustischchen, auf dem eine aus Arengfasern hergestellte und mit weißem Fuja-Stoff bekleidete Figur in aufrechter Stellung befestigt war. In einem Blattkörbchen daneben befanden sich Reiskörner und gespaltene Arekanüsse. Über dem Tischchen an einem höheren Astgestell flatterten Fuja-Bänder im Winde. Meine Leute nannten den Zauber »potau sáki« (= Kranken-Stellvertreter). Die nähere Erklärung ist folgende: Die Eingeborenen erblicken in jeder Krankheit das Walten eines Dämons, der vom Kranken Besitz ergriffen hat. Um ihn auszutreiben, fertigt der Dorfzauberer eine den letzteren symbolisierende Figur an, in die er den Dämon hineinzaubert; alsdann kann dieser gesunden. Diese »potau sáki« werden an Kreuzwegen in der Nähe[S. 529] der Wohnungen der Geheilten aufgestellt, um Rückfällen vorzubeugen.

289. Das Padalólo-Plateau.
(Im Vordergrund Krankheits-Fetisch.)

Auf einen schmalen Waldgürtel folgte nun eine zweite Hochfläche von etwas geringerem Umfange, worauf wir abermals durch Wald zum einsamen Weiler Bararóa niederstiegen. Die wenigen dort einsiedlerisch lebenden Familien, die sich noch als To-Bada bezeichneten, mußten noch niemals einen Weißen gesehen haben; denn wortloser Schrecken bemächtigte sich ihrer bei meinem unvermuteten Eintreten und hielt sie während der ganzen Zeit meines Verweilens in seinem Banne. Stumm, mit gesenkten Köpfen blieben die Männer beisammen kauern, während eine alte Frau, deren Witwentracht ich auf die Platte bringen wollte, bei der Prozedur des Aufnehmens vor Angst schlotterte.

Über leicht wellige Kammrücken mit heimatlich anmutenden Laubwäldern ging es weiter bis an den Rand der zum Koro-Tal abfallenden Padalólo-Lehne und auf schlimmem Pfade über diese steil hinab. Die Gehänge waren in größerem Umfange mit Anpflanzungen bedeckt. Die hier etwas dichtere Bevölkerung hatte sich jedoch in keine Dorfgemeinden[S. 530] zusammengeschlossen, sondern lebte familienweise in den zu ihren Feldern gehörigen Schilfhütten.

290. Dämonenscheuchen.

Gegen Mittag passierten wir den letzten uns vom Talgrunde trennenden Hochwaldstreifen, dann standen wir am steilen Ufer des Koro, des bedeutendsten Stromes der Insel. Eine der ebenso kühn konstruierten, wie merkwürdig aussehenden Hängebrücken führte über das breite und tiefe Gewässer, das wild darunter hinschoß. Riesige Felsbrocken eruptiven Grünsteins lagen zu Cyklopischen Mauern aufgetürmt am Ufer. Zwischen ihnen wucherten die herrlichsten Baumfarne mit Wedeln von 3–5 m Länge. Beim Überschreiten der unangenehm[S. 531] pendelnden Rotangbrücke erschien mir diese Verbindung mit dem diesseitigen Ufer als recht wenig zuverlässig, und ich atmete erleichtert auf, als ich tastenden Fußes auf sicherem Boden anlangte. Drüben stieg das terrassenförmig abgestufte Boku-Gebirge bis zu einer Höhe von mehr als 1200 m an. Auf einer Grasmatte in etwa 700 m Höhe lag der armselige Kampong Boku. Er bestand aus wenigen ziegenstallähnlichen Hüttchen aus Flechtwänden und flachen Atapdächern. — Der Weg von Tuare bis hierher hatte etwas über 6 Stunden Zeit beansprucht.

291. Tobada-Frau in Witwentracht.
292. Rotang-Hängebrücke über den Koro-Fluß.

Die Bewohner des Dörfchens zeigten alle Merkmale einer vergleichsweise geringeren Kultur. Aber das gewöhnlich nur aus gänzlicher Vernachlässigung[S. 532] der Körperpflege resultierende verwilderte Aussehen steht ziemlich regelmäßig im schroffen Gegensatz zu dem gutmütigen Naturell dieser Gebirgsbewohner. Stark und gedrungen wie die knorrigen Stämme ihres Waldes waren auch die Leiber der Eingeborenen athletisch im Vergleich mit den feingegliederten To-Bada der Ebene. — Hier kannte man keine Festkleidung, keine Gala-Kopftücher, keine Prunkwaffen. Außer dem, was die eiserne Notwendigkeit verlangte, war fast nichts vorhanden, was auf Wohlstand und beschauliches Leben deuten konnte. Als einziges Gewandstück schlang sich der Tjdako, der Schamgurt, um die groben Glieder der Männer; statt jeder anderen Kopfbedeckung wurde ein Fujastrang um das lange gewellte Haar getragen. Die in erbärmliche Fujalumpen gehüllten abgearbeiteten Körper der Frauen sahen gegen die der Männer kümmerlich aus. Beiden Geschlechtern gemeinsam waren allein die Kröpfe, und diese waren vielleicht das einzige, was ihnen im Überfluß zu teil geworden war. — Auch diese Leute bezeichneten[S. 533] ihr Wohngebiet noch als zu Bada gehörig, nannten sich jedoch mit dem Stammesnamen Topipi. —

Auf den Abhängen des nur teilweise mit Hochwald bedeckten Gebirges standen Haine von Kokospalmen. Hiernach zu schließen muß das Gebiet früher stärker bevölkert gewesen sein. Welche äußeren Umstände zur Entvölkerung beigetragen und die Eingeborenen in die Wälder vertrieben haben mochten, war wohl zu erraten. Bildet doch das Koro-Tal das Einfallstor sowohl von Kulawi als von Bada her, und die Bergbewohner in der Mitte des umstrittenen Territoriums waren von jeher die Prügelknaben der sich ewig befehdenden feindlichen Nachbarstämme. — Die landschaftliche Lage Bokus war hervorragend schön und erinnerte mich lebhaft an die Salu-Manio-Schlucht im Takalekádjo-Gebirge.

Meine Soldaten bezogen in Boku einen noch ziemlich neuen Miniaturlobo von der Bauart einer gewöhnlichen Bambushütte, auf niedrigem Pfahlwerk und mit wenig überhängendem flachen Dache. Zwischen diesem und den Seitenwänden war rings etwa ½ m Zwischenraum, so daß allseitig helles Licht hereinfluten konnte. Um den schmucklosen Innenraum zog sich eine Empore herum, 1 m breit und etwa 1 m hoch über dem Boden. Im Gebälk des Daches hing an einer Vorrichtung zum Auf- und Niederziehen eine kleine Trommel, deren spezielle Bestimmung es war, die Geister auf große Not in Boku aufmerksam zu machen, und zwar durfte diese Zaubertrommel nur in Krankheitsfällen gerührt werden, wenn der Dorfzauberer sich von den Geistern erleuchten lassen wollte. War die hierauf vorgenommene Kur erfolgreich, so brachte der Wiedergenesene den Geistern neben gleichzeitiger Sirihopferung den zum Anrufen de Geister benutzten Trommelschlägel als Dankopfer dar. — Am Mittelpfosten des Lobo hing bereits ein ganzes Bündel solcher geopferten Trommelschlägel, die hier dauernd aufbewahrt bleiben. Auf einem darunter angebrachten Brettchen waren die gespendeten Sirihgaben niedergelegt.

Die Enge im Lobo ließ mich von diesem als Quartier absehen und eine mir im Freien erbaute luftige Hütte vorziehen, die ungehinderten Ausblick auf das Gebirge gewährte.

[S. 534]

Für meine Sammeltätigkeit war Boku kein geeignetes Feld, und außer einem rohen, aus einer halbierten Muschel bestehenden Armbande war daselbst nichts Brauchbares aufzutreiben. Dagegen fehlte in keiner Hütte ein Vorrat gefüllter Palmweinköcher. Die im Koro-Gebiet häufig vorkommende Arenga saccharifera liefert den Eingeborenen nicht nur einen Sorgenbrecher, sondern auch Zucker, der aus ihrem Saft durch Einkochen gewonnen, dann in runde Formen gepreßt und in Blattumhüllungen aufbewahrt und verhandelt wird.

Boku — Saluboku, den 17. November.

Eine relativ kurze Wegstrecke trennte uns von dem am Boku-Flusse, einem Nebenflusse des Koro, gelegenen gleichnamigen Bergdörfchen »Saluboku«. In der Luftlinie mochte die Entfernung 5–6 km betragen. Die außerordentlichen Terrainschwierigkeiten aber erforderten zur Zurücklegung dieser geringen Distanz mehr als 5 Stunden anstrengendsten Marsches. Wir wandten uns dabei erst talwärts zur urwaldbestandenen Koro-Senke und hatten auf dem Wege dahin eine Reihe von Gebirgseinschnitten und Wildbächen zu überschreiten. Eine uns vorkommende, der ganzen Länge nach wundervoll schwarz-rot gezeichnete Schlange wurde von unserem Führer, kaum erspäht, auch schon mit einem wohlgezielten Steinwurf getötet. — Bald änderte sich die Richtung des Weges, und wir begannen entwaldete Gebirgskämme hinanzusteigen, deren höchsten wir bei 1783 m Seehöhe überschritten. Nicht weniger als 3 solcher durch tiefe Spalten getrennten Bergzüge waren zu bewältigen. Das in dichten Massen auf Rodeflächen aufgeschossene zähe Gestrüpp war dabei außerordentlich lästig. Es überschüttete uns beim Durchdringen mit Grasspelzen und Blütenstaub und verdeckte den stellenweise an gefährlichen Abstürzen vorüberführenden Pfad, so daß wir nur langsam und mit äußerster Vorsicht vorwärtskommen konnten. Bewaldet war erst wieder die bereits Saluboku zugeneigte Gebirgsseite. Der Weiler selbst, auf einer versteckten Bergmatte gelegen,[S. 536] bestand aus 4 winzigen Hütten einer mir neuen Bauart. Einige weitere zum Dörfchen gehörige Familien hielten sich angeblich irgendwo in der Umgebung auf ihren Fruchtfeldern auf.

293. Koro-Tal mit Boku-Gebirge.
294. Das Gebirgsdorf Saluboku.

Der eben erwähnte, in Saluboku vorgefundene Hüttentyp stammte bereits aus Kulawi und bekundete die Zugehörigkeit der Dorfbewohner zu diesem Fürstentum mehr als alles andere. Ganz genau schienen es die Leute selbst nicht zu wissen, wohin sie politisch eigentlich gehörten. — Die Hütten waren aus Rundhölzern errichtet, wie Palmstämme sie liefern. Auf eingerammten und kaum ½ m hohen Stützen lag ein Rost aus 2 oder mehr Lagen runder Stämme; auf diese folgten wiederum senkrechte Verbindungsstücke, welche nun erst den auf beiden Längsseiten über den Rost hinausragenden Oberbau trugen. Auch dieser eigentliche Wohnraum bestand nur aus wenigen Schichten Rundhölzer, denen das mächtige Arengdach aufgesetzt war.

Die Träger kamen erst viel später in stark erschöpftem Zustande nach. Mehrere junge Leute unter ihnen waren unter den ungewohnten[S. 537] und unhandlichen Bürden zusammengebrochen, so daß ihre Lasten unter die andern hatten verteilt werden müssen. Während des Marsches hatte ich beobachtet, daß die Leute gegen Hitze und Erschöpfung dadurch ankämpften, daß sie zeitweilig Büschel eines wolligen, nach Pfefferminze duftenden Krautes ausrissen, um sich damit Schläfen und Gesicht wie mit einem Taschentuch abzureiben.

Wir nächtigten in Saluboku in kleinen offenen Schuppen. Außer Kokosnüssen gab es hier nichts Genießbares, und die mitgeführten Vorräte mußten herhalten. — Die Eingeborenen des Waldgebirges haben unter Gelenkrheumatismus und Neuralgie sehr zu leiden. Viele Leute, mit denen wir in Berührung kamen, hatten verkrüppelte oder gichtisch verkrümmte Glieder. Eine Krankheitsscheuche, ähnlich der bei Padalólo gefundenen, stand nahe beim Dörfchen am Waldessaume.

295. Leute aus Saluboku.

Saluboku — Gimpu, den 18. November.

Durch feucht-schwülen Waldgrund, in dem Riesen-Exemplare von Sagopalmen vorkamen, kletterten wir früh 6 Uhr zur Koro-Schlucht hinab. Eine Rotangbrücke von einer etwas abweichenden, aber keineswegs vertrauenswürdigeren Konstruktion führte dort über den tosenden Fluß. Nachdem der zeitraubende Einzelübergang bewerkstelligt war, brachte uns ein kurzer Marsch zur Einmündung des Lempi[S. 538] oder Lampo. Im Tale dieses von Nordost herabkommenden ansehnlichen, aber nun am Ende der Trockenzeit beinahe versiegten Flußlaufes setzten wir den Weg nun reichlich eine Stunde lang fort. So bestechend auch die Vorzüge einer solchen Wanderung mit ihrer Fülle prächtiger Ausblicke und Scenerien erscheinen mögen, so ernüchternd wirken die Beschwerlichkeiten des Weges. Beim Abschneiden der weite Umwege bedeutenden Windungen mußte das Flüßchen unzählige Male gekreuzt werden; außerdem war das beständige Gehen auf dem groben Kiesgeröll für die durchweichten Füße eine wahre Tortur. — Der herrliche Hochwald an den Talrändern des Lampo war reich an riesenhaften Eukalypten.

Durch eine breite Lücke im Walde, eine Rodung mit einem Chaos gestürzter Stämme, verließen wir das steinige Lampo-Tal. Es war ein hartes Stück Arbeit, uns über diese Hindernisse hindurchzuarbeiten. Schließlich kamen wir auf ein hügeliges Plateau mit ausgedehnten Mais-, Taro- und Zuckerrohr-Pflanzungen und bald darauf zu den zugehörigen zerstreut liegenden Feldhüttchen mit unglaublich verwahrlost aussehenden Bewohnern.

Nach kurzer Rast brachen wir wieder auf und verfolgten den geschilderten Weg bis in den angrenzenden Wald. Eine halsbrecherische Kraxelei führte uns einen steilen Abhang hinunter neuerlich zum Koro-Fluß. Dieser machte hier einen gewaltigen Bogen, den wir mit unserem Umgehungsmarsche abgeschnitten hatten. — Eine kleine Waldlichtung gewährte vom hohen Uferrande aus einen wundervollen Blick in das wildromantische Flußtal. In breitem Bette wälzten sich die Wasser des Koro schäumend und tosend der fernen Westküste entgegen. Die Gewalt des Stromes war so stark, daß das gesprochene Wort nur aus nächster Nähe zu verstehen war.

An dem untersten Astwerk eines Baumkolosses am Rande der Blöße entdeckte ich eine Anzahl von ca. 20 aufgehängten hölzernen, sorgfältig mit Atapstücken zugedeckten Goldwaschschüsseln. Einige davon waren mit dem für Central-Celebes so charakteristischen Signum zweier sich gegenüberstehenden Eberkopfmotive beschnitzt. Die winzigen, kaum[S. 539] fingerstarken Vertiefungen der flach gebogenen Tellermitten, in denen sich beim Auswaschen des Flußsandes die schweren Goldpartikelchen ansammeln, waren bei allen Schüsseln sorgfältig mit Bastpfropfen geschlossen. Die Eingeborenen nennen diese Geräte »dura pangemóa«.

Tafel XVI.
Kulawier aus Saluboku.
296. Goldwaschschüsseln.

Meine Träger, mit den Reizen des uns noch bevorstehenden Weges schon vertraut, konnten sich nur schwer zur Fortsetzung des Marsches entschließen und hätten am liebsten hier Lager gemacht. Ich bestand aber darauf, heut noch Gimpu, das erste größere Dorf in Kulawi, zu erreichen, und ruhte nicht, bis ich alle unterwegs wußte. Beim Nachfolgen wurde es mir allerdings begreiflich, daß den Leuten der Entschluß[S. 540] schwer gefallen war. Ohne jede Pfadspur gingen wir einfach dem Flußufer nach, das mit ungeheuren Blöcken quarzreichen Granits und des schon früher erwähnten Grünsteines bedeckt war. In ganz eigener Weise erschwerte die Struktur der Rollblöcke, die wie mit einer glänzend schwarzen Kruste überzogen schienen, die Vorwärtsbewegung. Es war unmöglich, darauf Halt zu gewinnen; sie dienten nur als Stützpunkte beim Springen. Wo der Fluß sein Bett in voller Breite ausfüllte, mußten wir an den Böschungen entlang klettern, und wenn nicht einmal Buschwerk einigen Halt gewährte, blieb nichts übrig, als die steilen Ufer hinan zu klimmen und auf Umwegen mit dem Haumesser Zoll für Zoll durch das Dornengerank Bahn zu schaffen, — eine verzweifelt unangenehme Sache, die mich aus der Sorge um Leute und Gepäck gar nicht herauskommen ließ. Diese Eingeborenen wissen aber die Füße mit einer erstaunlichen Sicherheit zu setzen. Ihre gespreizt stehenden Zehen schienen eine Ansaugefähigkeit wie die der Haftzehen von Lurchen zu haben, so daß, von einigen leichten Verletzungen abgesehen, Träger und Lasten heil aus der Affäre hervorgingen. Zweimal trafen wir unterwegs auf halbzerstörte Hängebrücken. Sich einer davon anzuvertrauen, wäre Selbstmord gewesen.

297. Flußbett des Koro.

Ich war es sicher nicht allein, der sich ordentlich beglückt fühlte, als wir endlich nach 2½ Stunden dem Koro-Flußtal dauernd den Rücken kehrten und einen hier beginnenden Fußpfad durch den Wald verfolgten, der mir nach den überstandenen Strapazen ideal vorkam. Auf dem Wege hierher waren meine Leute weit auseinander gekommen. Ohne die Ankunft der Zurückgebliebenen abzuwarten, setzte ich den Marsch mit meinem Dolmetsch und einem Führer fort. Wir kamen dabei bald in bergiges Gelände mit vielen Schluchten und Bachläufen, bis wir gegen 2 Uhr nachmittags auf einem Bergrücken auf eingezäunte Maisfelder stießen. Diese ersten Anzeichen der Nähe menschlicher Wohnungen wurden von uns freudig begrüßt. Hinter dieser angebauten Fläche folgte jetzt eine Strecke dicht verwachsenen Busches. Nachdem wir bereits eine Weile in einem Hohlwege zwischen[S. 541] dessen undurchdringlichen, dornigen Hecken marschiert waren, sahen wir plötzlich den Pfad wenige Schritte vor uns auf eine sehr ungewöhnliche Art versperrt. Der ungeschlachte Riesenschädel eines Wasserbüffels, dessen Körper im Busch verborgen blieb, füllte mit seiner Breite den engen Durchgang und glotzte uns mit tückisch rollenden Augen an. Die Situation war mehr wie unbehaglich, ein Ausweichen nach der Seite unmöglich, ein Zurückgehen bedenklich, da Büffel einen Flüchtenden fast regelmäßig verfolgen. Regungslos harrten wir also des Kommenden. Leider schien das Ungetüm die gleiche Absicht zu haben: es rührte sich nicht vom Flecke. Unser Kulawi-Führer versuchte in den Lauten, die diesen Tieren vertraut sind, es zum Zurückweichen zu bewegen. Aber die Mühe war umsonst. Wie hypnotisiert starrte der Büffel auf uns. Da holte ich meinen Revolver heraus und feuerte rasch nacheinander ein paar Schreckschüsse in die Luft. Das endlich half. Der Koloß prallte mit einem mächtigen Ruck in das Gebüsch zurück, um dort, völlig gedeckt,[S. 542] abermals regungslos stehen zu bleiben. Nun gab es kein weiteres Besinnen. So leise und eilends als möglich, drückten wir uns an der gefährlichen Passage vorüber und blieben denn auch von einer Attacke glücklich verschont.

Bald nahm auch der Busch ein Ende, und freies Bergland lag vor uns, von unserem ungefähr 1100 m hohen Standorte aus einen weiten Blick auf die sich unter und vor uns ausbreitende wunderschöne Landschaft gewährend. In der Tiefe sahen wir das von reichen Kulturen und Palmenhainen umgebene große Kulawi-Dorf Watukáma liegen, nahe bei der Einmündung des Mewe-Flusses in den von Süden her strömenden Koro, den wir hier zum letztenmal zu Gesicht bekamen. Rüstig bergan steigend, näherten wir uns dem in 1230 m M. H. malerisch gelegenen kleinen Kampong Mangkudjáwa. Die Hütten dieses Dörfchens zeichneten sich durch einen bisher noch nicht gesehenen Giebelschmuck aus. Im ganzen Posso-Gebiet waren flügelartig abstehende, mit durchbrochener Schnitzarbeit versehene Planken die charakteristischen Firstabschlüsse gewesen. In Bada wiederum bildeten 3 gegeneinander geneigte künstliche Büffelhörner die Giebelkrönung. Hier in Kulawi fand ich als solche roh nachgeahmte ganze Büffelschädel, deren Hörner aber bis auf ein Drittel ihrer vollen Länge abgestumpft waren.

Von Mangkudjáwa aus stiegen wir zum Mewe-Tal hinab. Der Fluß, dessen Geschiebe sehr goldhaltig sein soll, strömt in breitem, seichtem Bette dem Koro entgegen. Auf einem hohen Hügel jenseits des Mewe lag unser Marschziel Gimpu, wo wir gegen 4 Uhr, etwa 1½ Stunden vor den ersten Nachzüglern eintrafen. Der Marsch hierher hatte außergewöhnliche Anstrengungen erfordert, denen sich nicht alle gewachsen zeigten. Zudem waren 6 Soldaten fieberkrank geworden und in Mangkudjáwa zurückgeblieben.

298. Der Lobo von Gimpu.

Gimpu liegt ungefähr im Mittelpunkte der sich mehrere Stunden weit am Mewe-Fluß hinziehenden Kulturflächen, etwa 400 m ü. d. M. Der Ort selbst brachte mir eine arge Enttäuschung. Statt der erwarteten großen Kulawi-Gemeinde fand ich ein unsauberes, aus 7 oder 8[S. 543] Häusern und einem Lobo bestehendes Dörfchen. Hohes Unkraut überwucherte Weg und Steg und drängte sich ungehindert bis dicht an die Hütten. Eine Ringumwallung mit Bambusgebüsch zog sich um das verwahrloste Nest. Als Quartier sah ich mich wohl oder übel auf den Lobo angewiesen, den ich vor allen Dingen erst auskehren ließ, eine Ehre, die ihm wohl nur selten zu teil geworden war. Auf diesem Lobo befand sich wie auf allen Kulawi-Kulthäusern ein Doppeldach. Etwa ½ m unter dem Schindeldache ist ein zweiter Dachstuhl angebracht. Der Raum zwischen den beiden Dächern ist den das Dorf beschützenden Geistern, den Anitus, geweiht, welche nach dem Glauben der Kulawier dort ihre dauernden Wohnsitze aufschlagen. Die sonstige Bauart und Inneneinrichtung des Lobos entsprach auch hier in allem der schon öfter geschilderten. Ein roher Pfahl mit 3 Kerbstufen führte zum Eingang hinan. Das Tageslicht konnte unter dem weit vorspringenden Dache nur schräg von unten her eindringen, fand jedoch noch durch die offene Tür und reichlich[S. 544] breite Spalten ungehinderten Zutritt. An Geräten enthielt das Geisterhaus nur Trommeln verschiedener Größen. Sie waren aus geraden Stammcylindern gefertigt und mit Anoa-, Büffel- oder Schlangenhaut bespannt. Ihre Ausschmückung bestand in einfachen Zierlinien, die sich um die Mitte der Trommeln herumzogen und in 3 Varianten vorkamen.

Wie hier gleich bemerkt sein mag, glichen die Wohnhütten Gimpus sowie des ganzen Mewe-Tales in ihrer Bauart völlig den in Salu-Boku vorgefundenen. Einen Unterschied machten nur die hier überall angebrachten Plattform-Vorbauten, die sich in ihrem Stil wieder dem von Leboni näherten.

Stark ermüdet und in Schweiß gebadet, machte ich es mir im Lobo alsbald sehr bequem, war aber binnen 5 Minuten derart von Moskitos zerstochen, daß ich Hals über Kopf ins Freie flüchten mußte. Als dann später mit den Trägern auch mein Koch ankam, wurde er angewiesen, im Lobo Feuer zu machen und nicht wie sonst vor, sondern in dem Hause abzukochen, um mit dem Rauche die entsetzlichen Mücken zu vertreiben. Zu Küchenzwecken wurden auch einige Blecheimer voll Wasser hinaufgeschafft, ein Umstand, der für uns von größter Bedeutung werden sollte.

Unsere Ankunft war unter den Talbewohnern rasch bekannt geworden, und von allen Seiten strömten sie zusammen, um den seltenen Gast zu bestaunen, so daß sich der Lobo bald mit Besuchern füllte. Im Gegensatze zu den bisher ausschließlich kennengelernten Inlandstämmen mit brachykephaler Schädelbildung waren die Eingeborenen im Mewe-Tal mit ausgesprochenen Langschädeln ausgestattet und außerdem von so hohem Wuchse, wie man ihn sonst nur bei Hindus findet. Als Sprecher der mich umringenden Besucher fungierte der malayisch sprechende Häuptling eines Nachbardorfes. Dieser versprach mir auch, sich wegen ethnographischer Objekte zu bemühen und morgen wiederzukommen. Die Anwesenden wurden von mir mit Cigaretten regaliert. Als des Fragens aber schließlich gar kein Ende[S. 545] wurde, bedeutete ich ihnen zuguterletzt, daß ich sehr ermüdet sei, worauf sie sich sofort verabschiedeten.

299. Häuptling von Gimpu.

Im Lobo schliefen außer mir nur noch No und Rámang. Meine in Tragkörben verstauten Sammlungen füllten eine der Seitengalerien; auf der entgegengesetzten Seite hatte ich mein Lager aufgeschlagen. Mitten in der Nacht sollte mir ein furchtbares Erwachen bevorstehen. Die vor Angst heiseren Rufe Rámangs: »Túan, túan rumah bákar!« (Herr, das Haus brennt) schreckten mich jäh aus dem Schlafe. Auffahrend sah ich dicht neben meinem Moskitonetz hochlodernde Flammen! Einen Augenblick stand mir das Herz still; dann warf ich mich samt dem Bette instinktiv nach der entgegengesetzten Seite und arbeitete mich aus dem Netz heraus. Es hatte sich nur noch um Augenblicke gehandelt, und das Feuer hätte den leichten Stoff ergriffen, aus dem es dann keine Rettung mehr gab. Die beiden Jungen, völlig kopflos geworden, stierten entgeistert in die Flammen. Mich beherrschte nur der eine Gedanke: meine Sammlungen müßten gerettet werden. Mit einem Satze war ich bei den zum Glück noch halb vollen Eimern (alten Petroleumbehältern) und goß das Wasser mit sorglicher Sparsamkeit um die brennenden Bohlen. Den Boys befahl ich, das Dorf zu alarmieren,[S. 546] und binnen wenigen Minuten kamen aus allen Hütten Leute mit Wasser-Bambusen. Es gelang uns, des Feuers Herr zu werden, das ungefähr in der Mitte des Raumes ein Loch von etwa 1 qm Größe aus dem Bodenbelag ausgebrannt hatte. Wahrscheinlich hatte einer meiner Besucher einen noch brennenden Cigarettenstummel in eine Dielenritze geworfen, und der dazwischen liegende Kehricht hatte zu brennen angefangen. Da von unten her Luftzufuhr kam, glimmte der Funke stundenlang weiter, ohne daß die dicken Bohlen Hartholzes helle Flammen entwickelt hätten. Erst nachdem eine größere Öffnung herausgekohlt war, kam das Feuer durch die Zugluft zum vollen Ausbruch und der helle Schein weckte Rámang gerade noch zur rechten Zeit. Mit unserer Nachtruhe war es jetzt natürlich vorbei. Das ganze Dörfchen war auf den Beinen, und die Stunden bis zum Tagesanbruch vergingen in erregtem Meinungsaustausch über die Entstehungsursache des Brandes.

Gimpu — Lemo, den 19. November.

Der nächtliche Vorfall beschäftigte auch am Morgen noch alle Gemüter. Frühzeitig kamen Leute mit Verkaufsobjekten nach Gimpu, dazu gesellten sich die neuen Träger, und alle wollten orientiert sein, so daß ein reges Leben in dem sonst so stillen Dorfe herrschte.

Unter den angekauften Gegenständen befand sich eine mir neue Art bestickter Frauenjacken aus eingeführtem Gewebe, bei denen die einheimische Fuja nur noch als Besatz Verwendung gefunden hatte. Völlig abweichend war auch der Kopfputz der Frauen und Mädchen, die anstatt der Bastscheitelringe hübsch benähte und mit Glimmerblättchen noch besonders gleißend ausgeputzte Stirnbänder trugen, die rückwärts in einer Fuja-Schleife endeten.

Unter Führung zweier Häuptlinge (Madika) machten wir uns gegen 7 Uhr auf den Weg, die letzte uns noch vom eigentlichen Centrum des Kulawi-Ländchens trennende Strecke zurückzulegen. Einer der Soldaten war so schwer fieberkrank geworden, daß ein Pferd für ihn requiriert[S. 547] werden mußte. Auch mir bot der Madika einen Reitgaul an. Ich lehnte jedoch dankend ab, da mir Reiten das Beobachten erschwert hätte.

300. Frauenjacken aus Kulawi.

Gimpu verlassend, stiegen wir zum Mewe hinab, dessen Tal wir auf fast schnurgeradem schönen Wege aufwärts wanderten. Der Marsch durch die fruchtbaren Landschaften mit ihrem reichen Wechsel an Scenerien war ein seltenes Vergnügen. Während 4 Stunden hatten wir dabei nur einmal einen größeren hügeligen Wald zu passieren. Diesen Hügeln wich der Mewe-Fluß weit nach rechts aus. Wir aber folgten der alten Richtung weiter, bis die Straße am Fuße hoher Bergzüge ein plötzliches Ende nahm. Hier angelangt, bogen wir in das schmale, vielgewundene Tälchen des kleinen Latipu-Flusses ab. Dort begegnete uns ein größerer Trupp Kulawier, die von einem Markt im Hauptdorfe Lemo nach ihren Wohnorten zurückkehrten. Alle waren schlank und groß gewachsen mit etwas derben, aber ausdrucksvollen Gesichtern und leichten Bart-Ansätzen. Zu kurzen Buginesenhosen[S. 548] hatten sie Sitzschürzen aus Fell umgebunden. Ein vorausgehender Bursche trug auf der linken Schulter eine Lanze mit Ziegenhaarschmuck, das in einer Scheide steckende Lanzenblatt nach unten gerichtet. — Die an Körpergröße ihren Gefährten bedeutend nachstehenden Frauen trugen als ungewöhnlichen Schmuck breite geflochtene Rotangbänder um die Fußknöchel. —

301. Kulawier vom Mewe-Tal.

Gegen 1 Uhr überraschte uns im Latiputal ein heftiger Gewitterregen, der mich um meine in den Rückenkörben nur mangelhaft vor Nässe geschützten Sammlungen recht besorgt machte. In aller Eile wurden die Lasten mit allen verfügbaren Tüchern und großen Blättern zugedeckt, so gut es ging. Die Wegebeschaffenheit gewann durch den Regen natürlich nicht an Güte, und als wir bald darauf steile Bergrücken hinanzusteigen hatten, waren die lehmigen Pfade zu Rutschbahnen geworden, deren Beschreiten unmöglich war, so daß wir uns gezwungen sahen, uns abseits im hohen Riede emporzuarbeiten. Über eine Reihe solcher mit Lalang bestandenen Kämme von ca. 800 m Höhe gelangten wir nun wieder allmählich talwärts und endlich zum Rande des gewaltigen Gebirgseinbruches, als welcher sich die kesselförmige Senkung von Kulawi darstellt. Sie lag 300 m unter uns und war von einem Kranze hoher Waldberge umgeben, die nur nach Westen, nach[S. 549] Palu hinüber, einen Ausweg freiließen. Die gestuften Abhänge weit hinan zogen sich die Pflanzungen der Eingeborenen, reizvoll unterbrochen von Palmengärten und zerstreut liegenden Wohnhütten. In dem reich bewässerten Talgrunde tauchten etwa ein Dutzend geschlossener Dörfer wie Inseln aus dem grünen Sawa-Meer empor.

302. Sitzfell aus Kulawi.

Stärker einsetzender Regen spornte uns zur Eile. Der letzte Teil des Abstiegs in den Kulawi-Kessel war beinahe noch schlimmer als der Anstieg aus dem Latipu-Tal. Mehrere Träger stürzten und rollten samt den Blechkoffern den Hang hinunter, und auch ich selbst kam rascher zu Tale, als in meiner Absicht gelegen hatte. Über das moränenartige breite Flußbett des Nalúa hinweg kamen wir zu dem auf einer Anhöhe gelegenen Dörfchen Somann, dessen Gärten und Felder hinter starken Umzäunungen lagen. Nachdem wir letztere überklettert hatten, gerieten wir auf die schmalen aufgeweichten Dämme ausgedehnter Sawas. Das Hinüberbalancieren war eine heikle Aufgabe, zu deren erfolgreicher Lösung ich mir selbst gratulierte. Ein Abrutschen in den grundlosen[S. 550] Schlamm der Reisbeete hätte gerade noch gefehlt. Nachdem wir so ziemlich die ganze Talbreite hinter uns hatten, sahen wir auch das Hauptdorf Lemo hoch auf einem Hügel vor uns liegen und dicht dabei, auf glücklich gewählter Stelle mit freiem Ausblick auf das ganze Talgebiet das Gouvernements-Unterkunftshaus. In nicht gerade präsentabler Toilette, aber in bester Laune hielt ich meinen Einzug in das freundliche Logis. Auch meine Soldaten waren in gehobener Stimmung; befand sich doch in Lemo ein ständiges Kommando von 20 Mann, dessen Kaserne in geringer Entfernung im Tale am O-Flusse lag. Dort fanden sie bequeme Unterkunft und Kameraden, und überdies wußten sie einen vollen Ruhetag vor sich.

303. Ceremonialhut aus Kulawi.

In Lemo hat ein malayischer Inlandsassistent, der dem Controleur von Palu unterstellt ist, seinen ständigen Aufenthalt. Er erschien alsbald, um sich mir vorzustellen, und vernahm höchlichst überrascht, daß ich von dem fernen Paloppo hierher gekommen war.

Lemo, den 20. November.

Der Kulawi-Kessel liegt 569 m ü. M. und hat ein verhältnismäßig rauhes Klima. Trotz seiner geschützten Lage in den Bergen sind die Nächte schon empfindlich kühl, und auch die letzte Nacht hatte der Wind ganz gehörig um das Haus gepfiffen. Die besonders reichliche Bekleidung der Kulawier ist sonach auch hier in den klimatischen Verhältnissen begründet. — Der heutige Rasttag meiner Leute war für mich ein doppelter Arbeitstag. Außer einer eingehenden Besichtigung des Dorfes wartete meiner die Abfertigung von Dutzenden Verkaufslustiger, die eine[S. 551] Bekanntmachung des Assistenten herbeigelockt hatte. Derselbe war mit einer Kulawierin den Bund »für längere Zeit« eingegangen, welche dafür sorgte, daß ihre Landsleute über alle Vorgänge genügend rasch orientiert wurden. So gingen und kamen nun unaufhörlich Scharen Neugieriger, und Berge von Gegenständen häuften sich in meiner Kammer. In kurzer Zeit war der Rest meiner Tauschartikel an den Mann gebracht. —

304. Lemo in Kulawi.
305. Kulawi-Frauenpfeife.

Die Freude an grellen Farben und eine unleugbare Putzsucht der Kulawier kamen in kontrastreichen Zusammenstellungen und in den Stickereien ihrer Gewänder voll zum Ausdruck. Selbst die Kleidung der Männer machte hiervon keine Ausnahme (s. Fig. 307). Die kurzen übergeschlagenen[S. 552] Faltenröcke der Frauen waren so ziemlich die einzigen aus Fuja hergestellten Kleidungsstücke. Die Duftbündel wurden hier noch mit bunten Federbüscheln in besonderer Weise verschönt. Verzierung der Gesichter mit Stanniol-Schönheitspflästerchen war eine allgemein geübte Sitte. — Der Anblick solcherart festlich herausgeputzter Frauengruppen beim nächtlichen Gambero-Tanz erinnerte an ein groteskes Maskenfest. —

Unter meinen Erwerbungen erfreute mich als besonders seltenes Stück ein Rotanghut (tónu-tónu) mit langen seitlichen Flügeln, die aus vielen vertikal nebeneinander gestellten Bambusröhrchen bestanden (Fig. 303). — Sehr originell war eine Messingfigur von 6½ cm Höhe, einen sehr realistisch modellierten, nackten weiblichen Körper darstellend, die als eine Art glückbringendes Amulett vom Bräutigam der Braut verehrt wird (Fig. 308). — Als Kuriosum sei ferner noch eine »pamudúka« genannte Frauen-Tabakspfeife erwähnt, deren Gebrauch ausschließlich auf Kulawi beschränkt sein dürfte (s. Fig. 305).

306. Kulawierin in Festtracht.
307. Bestickte Kulawi-Männerhosen.
308. Bronze-Brautamulett.

Was die Wohnungen der Lemo-Kulawier anbetrifft, so fand ich sowohl solche, die denen im Mewe-Tal völlig gleich waren, als auch einen abgeänderten Häusertyp, bei dem die vertikalen Verbindungsstützen fehlten und durch weitere Lagen horizontaler Rundhölzer auf[S. 553] höherem Unterbau ersetzt waren. Im allgemeinen erinnerten die Häuschen alle mehr oder weniger an Almenhütten, und ihr Blockhauscharakter dürfte in dem Gebirgsklima seine Erklärung finden. Das Auffallendste an den Lemo-Häusern waren ihre in das Bohlengefüge eingezapften massiven Haustüren, die tagsüber offenstehen und so ziemlich der einzige Lichteinlaß für das Innere sind, nachts aber geschlossen einen zuverlässigen Schutz bieten. An den Wohnungen aller besser Situierten sind diese Türen reich geschnitzt. Das am häufigsten verwendete Motiv war hierbei der Büffelkopf. Eine interessante Abweichung hiervon zeigte die Ornamentik einer von mir gleichfalls in Lemo erworbenen Haustür, deren Schnitzwerk vier geschickt zu einem Ganzen verbundene Sangóris, in Kulaxvi »pararúnki« genannt, darstellte. Um solche Türen aus den Häusern zu entfernen, war es notwendig, mindestens[S. 554] einen ihrer Drehzapfen abzusägen. — Die Leute sind übrigens sehr stolz auf solche Haustüren und entschließen sich nur schwer zu ihrer Veräußerung. Als ich eine gekaufte Tür herausnehmen ließ, erklärte die Hausfrau weinend, sich von ihrem Manne trennen zu wollen. Hoffentlich besann sie sich später noch eines Besseren.

309. Kulawi-Haustür mit Büffelkopf-Skulptur.

Die Bewohner von Kulawi unterschieden sich auffällig von denen des Mewe-Tales. Sie waren im Vergleich mit diesen klein und zierlich, schienen aber gewandter und intelligenter. —

Beschneidung durch Incision mittels eines Bambusspanes und Deformierung der Gebisse gehören in Kulawi wie überall in Central-Celebes zu den unerläßlichen Eingriffen.

Lemo — Lindu-See, den 21. November.

In Begleitung des Inlandsassistenten brachen wir zeitig auf, um eine Exkursion nach dem im östlichen Gebirge liegenden Lindu-See anzutreten. 9 Mann Militär nebst 22 Trägern mit den Sammlungen marschierten auf direktem Wege nach Palu ab. Der Sergeant und 5 Soldaten begleiteten mich zum See. Über den kleinen O-Fluß hinweg kamen wir anfangs durch ausgedehnte Kampongs und reich angebaute Gefilde. Von hier und dort tönte mir dabei Fuja-Gehämmer an das Ohr. Bald verließen wir den großen Weg und wandten uns den nordöstlich gelegenen Bergen der Sibarónga-Kette zu. Eine gute[S. 555] Stunde lang stiegen wir in steilen Serpentinen schattenlose Lalanghügel hinan, bis die Waldgrenze erreicht war. Der Sonnenglut waren wir dort zwar entrückt, hatten diese Annehmlichkeit aber mit der jämmerlichen Beschaffenheit des Waldpfades erkauft. Die bereits im Monat November fast alltäglich fallenden Regen hatten das Gestrüpp des Waldes leider schon allzu üppig emporschießen lassen; der Fußweg aber war als einzige Abzugsrinne der Regenbäche unter Bildung zahlreicher Löcher tief ausgewaschen. Der auf schlüpfrigem Lehmboden schroff in die Höhe führende Pfad war vom Dickicht verdeckt, und der tastende Fuß strauchelte daher auf diesem Steige nur allzuoft und geriet häufig in eine der wassergefüllten Lehmpfannen. Nach ¾ Stunden begann der Wald lichter und der Weg entsprechend besser zu werden. Gegen 10 Uhr standen wir bei rund 1400 m auf dem höchsten Punkte des Sibarónga-Rückens, umgeben von majestätischer Waldespracht. Hier oben begann eine von Lindu heraufgeführte halbfertige Weganlage, so daß die Wanderung zum See hinab beträchtlich angenehmer zurückzulegen war. Eine knappe Stunde genügte zur Erreichung der Altseefläche. Der beiderseits von Wald flankierte Seeboden lief in einen schmalen, sich aber rasch verbreiternden Talzipfel aus. Leider endete im Talgrunde auch der im Bau begriffene Weg, so daß wir die nächste halbe Stunde abermals einem Buschpfade[S. 556] nachzugehen hatten, der über morastigen Boden auf eine freie Fläche hinausführte. Mitten auf derselben lag das von Mais- und Zuckerrohrpflanzungen umgebene Lindu-Dörfchen Búro.

310. Kulawi-Haustür mit Sangori-Ornamentik.

Im Centrum der am Südende des Sees befindlichen Niederung völlig reizlos gelegen, machte diese aus kaum einem Dutzend kleiner Hütten bestehende Siedelung einen nicht gerade vorteilhaften Eindruck. Viel mochte hierzu ja auch das Fehlen jeglichen Baumschmuckes beitragen; denn außer neu angepflanzten Limonen- und Papayas gab es hier überhaupt keinen Baum, und die viel angebauten Pisangs (lóka) boten keinen Ersatz.

Vom See war von Búro aus noch keine Spur zu entdecken. Ein breiter Streifen Buschlandes schützte ihn vor profanen Blicken, und es sollte uns noch ungeahnte Mühe kosten, den Ausblick darauf zu erzwingen.

Die Bewohner Búros sind wie alle See-Anwohner als To-Kulawi zu bezeichnen. Der Mohammedanismus hat im Niederungsgebiet bereits beherrschenden Einfluß gewonnen und mehr als alles andere dazu beigetragen, alte Eigenart gründlich auszumerzen. Starke Anlehnungen an die bei der Palu-Bevölkerung geltenden Normen in Sitte und Lebensgewohnheiten sind bei allen Bewohnern der Seeniederung unverkennbar. Allein die recht verlumpt herumlaufenden Weiber trugen im Lindu-Gebiet noch braune Fuja-Bauschröcke und Fauxculs, Stirnbänder und Rotangfußbänder, wie es in Kulawi üblich ist. Als Schmuckobjekte von Wert tragen sie dazu bei festlichen Anlässen schwere Messingfußringe, deren Preis mit einem Büffel pro Paar fest normiert war.

Muschelarmbänder fanden sich in jeder Hütte. — Die Gesichtsbemalung beschränkte sich auf feine Doppelreihen schwarzer Punkte auf Stirne, Wange und Kinn.

311. Krankheitsscheuche bei Búro am Lindu-See.

Als ich, meinen Leuten weit voran, allein in Búro eintraf und spielende Kinder meiner zuerst ansichtig wurden, flüchteten sie unter großem Geschrei in die Hütten, worauf es im Augenblick im Dörfchen[S. 557] lebendig wurde. Heftig gestikulierende und übermäßig laut sprechende Männer, deren aufgeregtes Wesen seltsam gegen das zurückhaltende, gemessene Auftreten der Leute in Lemo abstach, eilten mir entgegen. Ihr Anführer sprach eindringlich auf mich ein, ohne daß ich ein Wort zu verstehen vermocht hätte. Da sonst kein geeigneter Raum vorhanden war, geleitete man mich zu einem Vorratsspeicher, unter dem ich mich auf schnell herbeigebrachten Matten niederließ, um hier auf meine Gefährten zu warten. Zur Restaurierung wurden mir Zuckerrohr und Pisang angeboten. — Eine merkwürdige Tätigkeit entfalteten sofort nach meiner Ankunft die Weiber. Erst hatten sie sich als echte Evatöchter noch in aller Geschwindigkeit mit Stirnbändern herausgeputzt, um sich sodann in größter Hast daranzumachen, den Untergrund und die Umgebung der Hütten sauber zu fegen. Diese ungewöhnliche Wirkung meines Erscheinens hing mit einer Gouvernements-Verfügung zusammen, die es den an Reinlichkeit nicht gewöhnten Eingeborenen zur Pflicht machte, Wohnungen und Dorfplatz stets in stand zu halten. Die Befolgung dieser zur Besserung der sanitären Verhältnisse gerade am Lindu-See sehr[S. 558] notwendigen Maßregel wird von Zeit zu Zeit durch den in Lemo stationierten Inlandsassistenten nachgeprüft, und wer die Leute auch nur flüchtig kennengelernt hat, versteht, daß sie einen heiligen Respekt vor solchen Visiten haben. Auch hinter meiner Ankunft vermuteten sie eine Revision, und so erklärte sich der ungewohnte Betätigungsdrang. Zu ihrer Arbeit bedienten sich die Frauen sehr sonderbarer, noch unpatentierter Werkzeuge, nämlich der Beckenknochen und Schulterblätter von Büffeln, die, durchbohrt und an Holzgriffe geschnürt, sowohl als Spaten wie als Schaber und Schaufeln benutzt wurden. — Sofort nach dem Eintreffen meiner Leute wurde der Weitermarsch zum See unter Führung des Häuptlings von Búro angetreten. An einer Wegkreuzung nahe beim Dorfe war ein Fetisch errichtet. Die Puppe aus Arengfasern nach Art der bereits beschriebenen Krankheitsscheuchen war gleichfalls mit Fuja-Attributen ausgestattet, zeigte aber sonst erhebliche Abweichungen. Sie war an der Mitte eines starken Bambuspfahles befestigt, der an seinem oberen Ende auf Handlänge in dünne Streifen gespalten und durch Ausbiegen derselben zu einem trichterförmigen Behälter umgearbeitet war. Den Schädelteil der Figur hatte man oben ausgehöhlt, damit es dem bösen Geist möglich sei, in die Puppe hineinzufahren. Die in Tabak, Sirih und einem Ei bestehenden Opfergaben wurden in den die Stelle eines Tischchens ersetzenden Trichter gelegt (s. Fig. 311).

Der Pfad zum Seegestade begann kurz hinter dem Dorfe eine Beschaffenheit anzunehmen, die aller Beschreibung spottet. Trotz gewagtester Sprünge versank man dabei knietief im Morast, so daß ich es bald aufgab, nach einem Wege zu suchen, wo eben keiner war. Stumpf ergeben stapfte ich gleich meinen Begleitern durch den grundlosen Schlamm. Nach ¾ Stunden war der am Seerande gelegene aus 3 erbärmlichen Bambushütten bestehende Rastplatz Lángko erreicht. Über und über mit Schmutz bespritzt und nach Darangabe eines Stiefelabsatzes nahm ich von einer derselben Besitz.

Dieses Lángko, von dem man behauptet hatte, daß es am See läge, soll vor Jahren einmal eine Dorfanlage gewesen sein. Gegenwärtig war[S. 559] das Terrain völlig versumpft. Vom Lindu-See aber war auch hier absolut nichts zu sehen. Nach welcher Richtung hin auch das Auge suchend über die Schilfwüste schweifte, der See hielt sich verborgen. Trotzdem war er uns nahe, nur verdeckt durch hohes Rohr, über welches hinweg lediglich die an seinem jenseitigen Ufer sich erhebende Ngilaláki-Kette sichtbar wurde.

312. Der Lindu-See.

Nach einem kleinen Imbiß bestand ich darauf, an diesen so hartnäckig unsichtbar bleibenden See geführt zu werden. Kanoes gab es in Lángko nicht; es wurde also beschlossen, mit wenigen Leuten nach dem am Westufer gelegenen Kampong Antja aufzubrechen und von dort aus den Rückweg nach Lángko über den See per Boot anzutreten.

Ein Marsch wie der von Búro nach Lángko wiederholte sich, als wir uns um zwei Uhr auf den Weg machten. Einer vollen Stunde bedurfte es, um das greifbar nah scheinende Randgebirge der Altseefläche zu erreichen. Dort angekommen, überkletterten wir eine in den See vorspringende bewaldete Bergzunge, und hinter dieser lag dann endlich der Spiegel des Lindu-Sees offen vor unsern Augen.

Dieser kleinste der Binnenseen des centralen Celebes erinnerte mich durch die Konturen seiner ziemlich gleichförmig verlaufenden Ufergebirge an den Starnberger See meiner bayrischen Heimat. Die Längsrichtung des Seebeckens zwischen den in unregelmäßigen Bogen verlaufenden[S. 560] Uferlinien geht von Norden nach Süden. Im Westen und Osten treten die Gebirge dicht an den See heran. Der höchste Gipfel der östlichen Kette ist der Ngilalaki, der von unserem Standort aus recht bedeutend erschien. Bei einer Meereshöhe von rund 900 m soll die Länge des Sees 8 km, seine Breite 4–5 km betragen.

Der Kampong Tomádo, den wir zunächst erreichten, bestand aus 2 Reihen ärmlicher Hütten, die unter schattigen Bäumen auf hohen Pfählen ruhten. — Einen ungewohnten Anblick boten größere Pferdekoppeln auf der sanft ansteigenden See-Ebene beim Dorfe. Die Pferdezucht wird in den Seeniederungen ziemlich intensiv, aber unrationell betrieben. Die von Palu her importierten Pferde bleiben das ganze Jahr sich selbst überlassen. Sie kennen weder Pflege noch Stall. Offene Schuppen in der Nähe der Ortschaften gewähren ihnen notdürftig Schutz gegen die Unbilden der Witterung. Frei schweifen sie Tag und Nacht in den Seegründen umher, wo die harten Schilf- und Wiesengräser ihre ausschließliche Nahrung sind.

An sonstigen Haustieren kommen außer den in großer Zahl gehaltenen Büffeln fast nur noch kleine, fuchsköpfige Hunde sowie Geflügel vor, Schweine höchstens noch bei einzelnen heidnisch gebliebenen Familien.

Etwas weiter westlich, nahe bei Tomádo lag auf einem Gebirgshange der Kampong Antja, eine der bedeutenderen alten Ansiedelungen in der See-Ebene, die sich sowohl durch ihre landschaftlich reizvolle Lage, als durch ansehnlichere Größe auszeichnete. In Antja fand ich einen Blockhaustyp vor, der sich bei aller Ähnlichkeit mit der Kulawi-Bauart genügend davon unterschied, um als eigener Lindu-Typ gelten zu können. Wie in Lemo stehen die Häuser auf hohen Rosten aus Rundhölzern; doch liegen die Hölzer einer Schicht rechtwinklig zu denen der folgenden, so daß ein Gitterrost statt eines kompakten Holzstoßes entsteht. Die Oberbauten bestehen aus geschlossenen Wänden mit leicht eingesattelten Dächern aus Gras oder Schilf. Diese springen an den Giebelseiten genügend weit vor, um auch noch über einen Verandavorbau[S. 561] hinwegzuragen. Zu diesem führt dann die Kerbtreppe hinan. Die Giebel laufen oben in 3 Enden mit durchbrochener Schnitzarbeit aus.

313. Blockhaus in Antja am Lindu-See.

Ethnographisch gab es am Lindu-See sehr wenig zu holen. Mit dem Vordringen des Islam sind viele altgewohnte Gebräuche gänzlich abgeschafft worden oder verflachten. Auch haben sich die ehedem gefürchteten Kopfjäger rasch den geregelten Verhältnissen unter der holländischen Regierung angepaßt. Was sie früher an Waffen und Kriegsschmuck besaßen, war lange dahin und ihnen abgenommen und vernichtet worden. — Leider auf kein Gebot erhältlich war ein prächtiges altes Schwert mit Kahn-Scheide und Klaff-Griff. Letzterer war mit einem Strang Menschenhaar und eingeknüpftem Federschmuck, die Scheide aber mit langen roten Bändern und Quastenbehang ausgestattet. Derartige sehr selten gewordene Waffen gelten am Lindu als Talismane bei gewissen Erkrankungen. In solchen Fällen umgürtet sich der in seine besten Gewänder gehüllte Kranke mit einem dieser Schwerter und begibt sich vor Sonnenaufgang[S. 562] zum Seeufer, um dort zu den Dewátas zu beten und ihnen Sirihopfer darzubringen, hernach aber im heiligen Wasser des Sees zu baden. So getan, pilgert er hoffnungsfroh nach Hause. — Es ist dies ein alter Posso-Brauch, der sich merkwürdigerweise nach dem Lindu-See verpflanzt hat.

Die Rückkehr nach Lángko wurde, wie beschlossen, in 2 Booten quer über den See angetreten. Die Kanoes der Eingeborenen sind lange Einbäume mit rundem Boden und eigentümlich erhöhten Plattform-Anbauten an beiden Enden, auf welchen der Steuermann, bzw. 1–2 Ruderer Platz nehmen. Von irgendwelchem Zierat an diesen Booten konnte ich nichts entdecken, ebensowenig an den kurzstieligen, aber mit langen Schaufeln versehenen Rudern. Ich fühlte mich in dem schwankenden Fahrzeug, in dem sich die Passagiere, einer hinter dem anderen in höchst unbequemer Stellung hockend, beileibe nicht rühren durften, nicht gerade behaglich und suchte in der Versicherung meiner Begleiter Trost, daß es im Lindu-See keine Krokodile gebe. An Fischen soll er dagegen reich sein, ebenso an eßbaren Muscheln.

Die steil abfallende Westküste mit schönem baumbestandenen Kiesstrande und saftigen Bergwiesen dahinter bot einen schönen Anblick. Das Bild änderte sich leider in der Nähe des Altseegebietes an der Südwestecke, wo uns unübersehbare und undurchdringliche Schilfmauern zu weitem Ausbiegen zwangen. Dieser Rohrgürtel barg einen ungeahnten Reichtum an Sumpf- und Wasserwild. So bemerkte ich zweierlei Enten, Wasserhühner in mehreren Arten, Taucher, Kormorane, Schlangenhalsvögel, Reiher, Ibisse, Störche, Rallen, Bekassinen und Seeschwalben. Auch Raubvögel lebten hier einen guten Tag. Die Wasservögel zeigten sich wenig scheu und ließen uns dicht herankommen, ohne abzustreichen. In der See-Ebene sollen auch zahlreiche Hirsche und in den Waldgebirgen Anoa und Babirusa leben.

Weite Flächen des Seespiegels waren mit einer prächtigen hochstieligen Wasserrose vollkommen bedeckt. Die Riesenblätter einer anderen Wasserpflanze wurden von den Eingeborenen, wie sie mir vordemonstrierten, als Gemüse genossen.

[S. 563]

Nahe am Südwestufer ragte aus dem See eine kleine bewaldete Felseninsel mehrere Meter hoch heraus, von den Eingeborenen Bola genannt. Meinem Verlangen, dorthin gerudert zu werden, wurde jedoch unter allen möglichen Vorwänden Widerstand entgegengesetzt. Es hieß, die Insel sei ein unbewohnter Fleck Erde, den sich die Geister als Wohnsitz auserkoren hätten, und der deswegen bei allen See-Anwohnern als heilig gelte. Auf der Insel befände sich ein Lobo, in dem zu gewissen Zeiten religiöse Feste gefeiert würden. Nur bei solchen sei es gestattet, die Insel zu betreten. — Da mir auch der Inlandsassistent anriet, von meinem Vorhaben abzustehen, verzichtete ich auf einen Besuch des Eilandes.

Soweit es möglich war, wurden jetzt die Kanoes durch das Blättermeer der Seerosen an den Schilfgürtel herangedrückt, und durch einen vorher nicht bemerkten, kaum bootsbreiten Kanal fortgeschoben. Schließlich aber saßen wir unverrückbar fest und mußten aus den Fahrzeugen springen, um durch den Sumpf zu waten, bis wir auf schmale Dämme stießen, auf denen wir unsere Hütten erreichten. Ich für meine Person hatte genug von Lindus Herrlichkeiten und würde schwerlich ein zweitesmal diese Gegend aufsuchen.

Angeblich sollte es am See keine Moskitos geben — eine fromme Legende, die ich leider zerstören muß. War ich auch persönlich durch mein Netz etwas geschützt, so wälzten sich doch meine Begleiter von Stichen gepeinigt ruhelos auf ihren Lagern und quittierten durch häufiges Klatschen und kräftige Verwünschung. An Schlaf war übrigens bei dem tausendstimmigen Froschkonzert ohnedies nicht zu denken, so daß sich diese Nachtruhe am See all den andern Lindu-Spezialitäten würdig anschloß.

Lindu — Túwa, den 22. November.

Kaum jemals habe ich einem Ort mit solchem Vergnügen den Rücken gekehrt als diesem Sumpfnest. Der Inlandsassistent verabschiedete sich heut früh, um sich auf dem gekommenen Wege wieder nach Lemo[S. 564] zurückzubegeben. Wir anderen schlugen einen neuen, aber nichts weniger als besseren Weg ein, der uns über das Gebirge nach Palu, und damit dem letzten Ziele meiner Reisen entgegen führte.

Über Bruch und Sumpf folgten wir am Rande der Altseefläche längere Zeit einem Bachlaufe als Weg, um dabei schließlich in eine solche Wildnis zu geraten, daß die vorausgesandten Leute erst einmal Breschen durch die 4–5 m hohen Binsenwände schlagen mußten. Im Bereiche der Bergwälder drangen wir später mitten durch den Busch, wobei sich unsere Führer mit erstaunlicher Sicherheit zu orientieren verstanden. Über Gebirgslehnen und durch Schluchten kamen wir nach reichlich 2 Stunden zum Flüßchen Saluang, dessen Bett uns 4 weitere Stunden bis nahe zur Einmündung in den Miu-Fluß einen Pfad ersetzen mußte. Nach ausgiebigen Regenfällen schwillt das Flüßchen, wie Schlamm- und Geröllablagerungen zeigten, um 3–4 m an und wird dann zu einem reißenden Bergstrome, der mit ungeheurer Gewalt durch die Klamm dahinbraust, die Ufer untergräbt, Erdrutsche verursacht und starke Bäume entwurzelt. In den Engpässen stauen sich die mitgerissenen Opfer und bilden dort aus Stämmen und Ästen, Schutt- und Geröllmassen förmliche Barrikaden, deren Überkletterung keine geringe Mühe war. Ein Umgehen solcher Hindernisse ist in den schmalen Cañons mit ihren fast senkrechten Felsenwänden nur in seltenen Fällen möglich.

Endlich trat das Gebirge zurück und wurde niedriger, und der Saluang floß in breiterem Bett durch den Wald. An den Ufern wuchs häufig eine Palme mit großen Traubenbündeln grüner Früchte in etwa Nußgröße. Diese »sarau« genannten Palmen wurden von unseren Lindu-Begleitern regelmäßig geplündert. Sie benutzten die Früchte als Ersatz für die im Lindu-Gebiet nicht vorkommende Arekanuß. —

Kurz nach 2 Uhr stießen wir auf den von Kulawi nach Palu führenden Hauptweg, welcher den Saluang kreuzt. Die pfadlose Wildnis lag nun endgültig hinter uns, und bereits eine halbe Stunde später kamen wir in Túwa an, dem letzten Kulawi-Dorf auf unserem Wege nach Palu.

314. Wegpartie im Saluang-Fluß.

[S. 566]

Das Walddörfchen Túwa in 305 m M. H. liegt bereits in den die Palu-Ebene abschließenden Gebirgsausläufern, und nur noch 3 Tagemärsche trennten uns von der Küste. Eine Art Heimkehrfieber, wie es sich nach längerem Verweilen im Innern fast regelmäßig einstellt, machte sich jetzt bei uns allen geltend. Die Soldaten waren sehr aufgeräumt, die Boys lachten und scherzten, und auch mir erschien die Welt in freundlicherem Lichte.

Als ersten Vorboten der in die Nähe gerückten Genüsse höherer Zivilisation nahm ich das einfach ausgestattete Fremdenhaus in der Nähe des im Walde versteckten Dörfchens Túwa. Bei meinen im Verlaufe der letzten Wochen auf das bescheidenste Maß reduzierten Ansprüchen kamen mir ein paar in diesem vorgefundene Rohrstühle und eine Hängelampe schon beispiellos luxuriös vor.

Im Dorfe selbst gab es nichts irgendwie Bemerkenswertes zu sehen. Die Bewohner sind bereits alle zum Islam übergetreten und unterscheiden sich kaum mehr von den paluesischen Mohammedanern.

Túwa — Sakédi, den 23. November.

Es war ein Glück, daß sich meine Reise ihrem Ende nahte. Der Regenmonsun setzte mit aller Macht ein, und von den Verheerungen, welche die niederstürzenden Wassermengen auf Wegen und Stegen anrichten, sollten wir auf unserem Weitermarsch noch Proben zu sehen bekommen. Die ganze verflossene Nacht hatte es fast unaufhörlich geregnet. Wenn das so weiterging, mußten binnen kurzem alle Gebirgssteige im Innern völlig ungangbar werden. — Auf dem Wege zur Palu-Ebene lagen noch eine Reihe das östliche und westliche Hauptgebirge verbindender Bergketten, doch waren nur unbeträchtliche Steigungen zu überwinden.

Noch fielen schwere Tropfen von allen Bäumen, und schwarze Wolkenballen flohen, vom Winde gejagt, ostwärts, als wir unseren letzten Marsch durch das Waldgebirge antraten. Durch prachtvollen Hochwald gelangten wir an den Silócki, einen Nebenfluß des Miu.[S. 567] Hier begann ein greulicher Weg über einen höheren Bergrücken. In dem ansteigenden Hohlwege hatte das Unwetter der letzten Nacht fürchterliche Verwüstungen angerichtet. Der angelegte Weg war völlig weggeschwemmt und in ein grundloses Schlammbett verwandelt worden, in dem nachgestürzte Schuttmassen und mitgerissene Bäume ein schauerliches Chaos bildeten. Um vorwärts zu kommen, mußten wir erst mit den Messern einen Tunnel durch das Astwerk schlagen.

Auf der Höhe angelangt, betraten wir ein kleines Grasplateau, auf dessen undurchlässigem Tonboden das Regenwasser kleine Seen gebildet hatte. Auch weiterhin waren die Spuren des Unwetters noch überall ersichtlich; mancher Brückensteg war weggerissen und der Weg auf weite Strecken zerstört.

315. Sakédi in der Palu-Ebene.

3½ Stunden waren vergangen, als wir den letzten Hügel überschritten und den schnurgeraden Weg erreicht hatten, der zunächst durch lichteren Wald, dann durch Buschwerk auf freies Land hinauslief. Es wird mir unvergeßlich bleiben, als schließlich die weiten Flächen der Palu-Ebene sich vor meinem Blicke dehnten und das Meer an der[S. 568] Westküste wie ein schmaler Streifen geschmolzenen Silbers aus weiter, weiter Ferne herüberblitzte.

In spitzem Winkel traten die Ausläufer der östlichen und westlichen Hauptgebirge auseinander, um der breiter werdenden dicht bevölkerten Ebene Raum zu geben. Bald hatten wir Sakédi, das erste Palu-Dorf erreicht.

316. Weißumflorte Schirme und Bahre vor einem Trauerhaus in Sakédi.

Sakédi ist in der befruchtenden Umarmung zweier Flüsse entstanden, des vom Lindu-Gebirge herabkommenden Gumbása und des fern vom Süden herströmenden Miu, welche sich etwas unterhalb des Ortes vereinigen und unter dem Namen Palu-Fluß ins Meer münden. Der Ort liegt in einer M. H. von 155 m in stickend heißer Sumpfluft und gilt für wenig gesund. Reisbau und Kopra-Gewinnung sind die beiden Haupterwerbsquellen seiner Bewohner. Diese wie alle Paluesen nennen sich selbst Kajeli und ihr Idiom die Kajeli-Sprache. Sie sind ausnahmslos fanatische Anhänger der Lehre Mohammeds; doch halten sie unbewußt an vielen altheidnischen Bräuchen fest und üben sie bis auf den heutigen Tag.

Ein Regierungs-Pasangrahan mit daneben gelegenen Mannschaftsquartieren bot uns in Sakédi gute Unterkunft.

[S. 569]

317. Fächerpalmen-Landschaft bei Sibaleia.

Sakédi — Sidóndo, den 24. November.

Die Nähe der Küste lockte unwiderstehlich, und es bedurfte heut keiner besonderen Aufmunterung zur Eile. Alle Mann waren frühzeitig auf dem Posten. In taufrischer Morgenstunde setzten wir auf einem Fährboot über den Palu-Fluß, dessen schilfbestandene Ufer Entenflüge, Reiher und gravitätisch stolzierende Störche belebten. Wir kreuzten die hier noch schmale Ebene und setzten den Weg am Fuße des östlichen Randgebirges auf einer hier beginnenden prächtigen Fahrstraße fort. In kurzen Entfernungen folgten einander mehrere blühende Dörfer, die wir ohne Aufenthalt passierten. Von der Ortschaft Lawára ab traten die Berge weit zurück. Die Straße führte jetzt ziemlich durch die Mitte der Ebene, immer in der Nähe des Palu-Flusses. Anmutig wechselten Wälder und Wiesen. Von allen Seiten ertönte das zärtliche Gurren von Tauben; prachtvoll gefärbte Papageien belebten die hohen Baumkronen, und auch die blütenweißen Gefieder lärmender[S. 570] Kakadus hoben sich reizvoll vom dunklen Grün der Bäume ab. Eine ungemein reiche Falterwelt, wie ich sie im dichten Urwald niemals zu sehen bekommen hatte, erfreute mein Auge. — Nach Verlauf von 2 Stunden kamen wir durch das Dorf Sibaleia mit weit hingedehnten Kulturen. Weiter ging es durch Feld und Busch. Auf Brachland sah ich große stachelige Kakteen in Mengen beisammen. Ebendaselbst traten auch Fächerpalmen (Corypha sylvestris) in großer Zahl und in allen Stadien der Entwicklung auf. Namentlich die in Blüte stehenden Palmen verliehen der Landschaft ein ungewöhnliches Aussehen.

Nach abermals zweistündigem Marsche langten wir in Sidóndo an, einer großen betriebsamen Ortschaft am Palu-Flusse. Ein freundlicher Zufall fügte es, daß ich in Sidóndo mit dem Controleur von Palu zusammentraf. Herr van Nisse empfing mich sehr freundlich und beglückwünschte mich zu meinen erfolgreich durchgeführten Reisen. Obwohl er mit einem mehrtägigen Aufenthalt in Sidóndo gerechnet hatte, erklärte er sich in liebenswürdiger Weise bereit, am andern Tage mit mir nach Palu zurückzukehren.

Den Mittag und Abend verbrachten wir gemeinsam im gastlichen Heim eines in Sidóndo einen einträglichen Koprahandel betreibenden Holländers, Mynheer de Bet.

Anläßlich der Anwesenheit des Controleurs in Sidóndo hatten sich daselbst mehrere eingeborene Fürsten — Mágu, wie sie in Palu genannt werden — eingefunden. Als ich bei einem Zusammensein ihre prunkvollen seidenen Kopftücher bewunderte, die mit echten Goldstickereien bedeckt waren, nahm der Mágu von Biromáru sein »siga-sábe« ab, um es mir als Geschenk zu überreichen.

318. Kajeli-Priester-Ärztin im Ornat.

Der freundlichen Vermittelung des Controleurs verdanke ich auch die Bekanntschaft mit einer der interessantesten Palu-Spezialitäten, den Priester-Ärztinnen der Kajeli (Wálias, pl. Bálias). Diese sondern sich in 3 Kasten, deren höchste die der Rátu ist. Die diesen Rang bekleidenden Frauen tragen bei Ausübung ihrer Funktionen eine Art Bischofsmütze (talim-búso), die reich bestickt, mit aufgenähten Glimmerplättchen[S. 571] verziert und mit aufrechtstehenden Büscheln Reiherfedern geschmückt ist. Dazu gehören eine höchst interessante weiße Fuja-Jacke mit schwarzen Mustern (badju sindjulo), ein besonders feingewebter Sarong (sarong m’bésa) und ein Priestermesser (katándo). — Die Bálias zweiten Ranges sind die Djndja. Anstatt der hohen Mütze tragen sie einen roten Kopfring oder besser Stirnband, das in zwei gelbe Dreiecke ausläuft. Auch dieser Kopfschmuck ist kunstvoll bestickt und mit Glimmerschmuck ausgestattet. Dazu gehören ein rotgelber Fuja-Umhang in Gestalt einer ärmellosen offenen Jacke (alúa) und ein Schultertuch (slendang sindjulo). In den Händen tragen[S. 572] die Djndja Blattbüschel der heiligen roten Pflanze, die sie als Sprengwedel gebrauchen. — Auf der dritten und niedrigsten Rangstufe stehen die Tambilángi. Diese tragen um die Stirn lange, rotgelb gefranste Fuja-Kopfschärpen, deren Enden tief auf den Rücken herabhängen.

Auf Wunsch des Controleurs kamen im Laufe des Nachmittags Vertreterinnen der 3 Rangklassen zu uns in den Pasangrahan zur Vorstellung. Alle waren im vollen Ornat. Als ich sie photographieren wollte, hielten sie sich wie auf Verabredung die Hände mit weitgespreizten Fingern vor die runzeldurchfurchten Gesichter.

Ich ließ es natürlich nicht an Bemühungen fehlen, einige der hochseltenen Gewänder zu erlangen, deren Alter mit dem ihrer Trägerinnen wetteiferte. Doch wäre der Liebe Mühe wohl umsonst gewesen, hätten sich nicht Herr v. N. und vor allem auch die Mágus für mich verwendet. Der Hauptgrund für das ursprünglich so ablehnende Verhalten der alten Weiblein war wohl in dem Mißtrauen zu suchen, man wolle ihnen die Sachen ohne Vergütung nehmen. Auf Anraten meiner freundlichen Gönner holte ich also eine Hand voll Ringgits hervor. Der Anblick wirkte Wunder. Es war ordentlich amüsant zu sehen, wie die listigen Äuglein aufleuchteten, als sie sich von dem Ernst meiner Kaufabsicht überzeugt hatten. Alles weitere war rasch erledigt. Unter Assistenz der Fürsten, an die sich die Bálias bei jedem Stück um Rat wandten, wurden die Preise festgesetzt, und Gulden wie Gegenstände wechselten ihre Besitzer. Es war eine stattliche Summe, die ich zu bezahlen hatte; dafür aber handelte es sich auch um Objekte, die unter gewöhnlichen Umständen überhaupt nicht zu erlangen sind. — Die Kasten der Bálias sind eine aus dem Heidentume überkommene Institution, und die Zeit ist nicht mehr fern, da auch sie der Vergangenheit angehören.

Ein recht anregendes Bild bot sich uns gegen Sonnenuntergang, als die Frauen Sidóndos auf dem zum Flusse führenden Wege vorüberkamen, um zu baden und Wasser zu holen. Letzteres geschieht in Palu nur noch selten in Bambusrohren, sondern in Schalen von Kokosnüssen,[S. 573] welche, wie die Kokosnuß in Palu überhaupt, »kalúku« genannt werden. Auf dem Wege zum Flusse tragen die Frauen die an Schnüren hängenden Schalen zu 10–20 an einer geschulterten Tragstange. Auf dem Rückwege verteilen sie die gefüllten Behälter gleichmäßig auf beide Enden der elastisch federnden Stange.

319. Bálias-Attribute.

Die Kajeli-Frauen sind ihrer Schönheit wegen berühmt, und die von Sidóndo sollen die schönsten unter ihnen sein. Abgesehen von ihrer stattlichen Figur ist davon außerhalb der Häuser leider nur wenig zu sehen, da sie nach mohammedanischer Malayensitte von Kopf bis zum Fuß in ihre Slendangs gehüllt sind.

[S. 574]

Sidóndo — Palu, den 25. November.

Das war mir schon ewig lange nicht mehr passiert, die Landschaft von einem eleganten Cab herab so rasch an mir vorüberfliegen zu sehen. Ein 8stündiger Marsch auf heißer Landstraße blieb mir auf solche angenehme Weise erspart. Wir verließen Sidóndo gegen 7 Uhr morgens und erreichten nach einer Stunde flotter Fahrt den großen Kampong Dólo, der, aus mehreren dicht aneinandergrenzenden Gemarkungen bestehend, auch Kotarindau oder Kotabúlu genannt wird. Da wir von den hier maßgebenden Persönlichkeiten niemand zu Hause antrafen, setzten wir die Fahrt nach kurzem Aufenthalt fort, um ¾ Stunden später in einem der größten Kampongs des Palu-Tales, in Kalukubula (= weiße Kokos) einzutreffen. In diesem Dorfe fanden wir eine große Anzahl Eingeborener beisammen, deren Verhalten uns gegenüber zum mindesten wenig freundlich war. Ohne zu grüßen, traten die Leute scheu zur Seite. Keiner von ihnen erbot sich freiwillig, das Pferd zu halten, wie sich denn die Palu-Bevölkerung überhaupt wenig fremdenfreundlich zeigt.

Unbekümmert um die Menge, verließen wir den Wagen, um der hier gebietenden Fürstin einen Besuch abzustatten. Diese blieb jedoch unsichtbar. Dagegen wurde uns der kleine Prinz, ein Knäblein von 3–4 Jahren, vorgestellt. Seine ganze Kleidung bestand in einem grünen Samtmützchen, einem Amulett um den Hals und einem originellen Anhängsel »vorn herum«. Letzteres war eine Nachbildung der männlichen Genitalien in Gold (rasu buláwa), ein Schmuck, den nur Radja-Sprößlinge zu tragen berechtigt sind. Seine Babu (= Wärterin) war ein Mann, eines jener sonderbaren, »Bissu« genannten Wesen, die niederen Priesterrang bekleiden und sich wie Weiber tragen und gebärden. Sie spielen in den vornehmen Eingeborenen-Familien eine nicht zu unterschätzende Rolle als Berater. Dieser Bissu war ein bereits bejahrtes Mannweib mit vollkommen ausgebildeten Frauenbrüsten und lang herabhängendem Haupthaar. Trotz seines etwas kindischen Getues wäre ich nie auf den Gedanken gekommen, in diesem seltsamen Geschöpf[S. 575] einen Hermaphroditen zu erblicken, wenn mich nicht Herr v. N. speziell darauf aufmerksam gemacht hätte.

Inzwischen war in Kalukubula nach Bálias-Ornaten geforscht worden, deren ich noch weitere 4 Stück erwarb.

320. Donggala-Frauen beim Wasserholen.

Nach einstündigem Verweilen fuhren wir weiter nach Palu, der letzten Station. Die Landschaft nahm auf diesem Teile der Fahrt ein steppenartiges Aussehen an. Rot-weiß blühende Kakteen (Opuntien)[S. 576] traten in geschlossenen Beständen auf und bedeckten ganze Felder. Der dürre Boden, dessen sie sich bemächtigt hatten, zeigte noch wohl erkennbare Spuren alter Sawa-Anlagen. Da die Kunst Sawas anzulegen, wie sie in höchster Entwickelung in Java existiert, den Kajeli unbekannt ist, so darf hiernach wohl auf sehr frühe Einwanderung fremder Elemente geschlossen werden.

Unweit des neu eingerichteten Kampongs Bone kamen wir um 12 Uhr mittags an den auf baumlosem Steppenboden errichteten Kasernen und Offizierswohnungen der wichtigen Regierungsstation Palu vorüber, und wenige Minuten später fuhren wir vor dem Hause des Herrn v. N. vor, dem schönsten Gebäude des Platzes inmitten gefälliger Anlagen.

Ich konnte die Vorzüge des eleganten, mit europäischem Komfort ausgestatteten Heims des Herrn v. N. nur wenige Stunden genießen; denn bald nach Sonnenuntergang gedachte ich mich nebst allem Gepäck auf einer buginesischen Prau nach Donggala einzuschiffen. — Die vorausgesandten Träger hatten Palu wohlbehalten erreicht, und somit war alles in bester Ordnung; trotzdem war jede Minute kostbar, da ich noch möglichst viel an ethnographischem Material zu erwerben wünschte. Für die mir dabei geleistete Unterstützung und die unübertreffliche Bewirtung im Hause des Herrn Controleurs sei diesem hier nochmals verbindlicher Dank gesagt.

Der große Eingeborenen-Kampong von Palu ist von der Regierungsstation durch den Palu-Fluß getrennt, über den eine interessante eiserne Hängebrücke führt. Regelmäßig angelegte Straßen durchziehen die ausgedehnten Quartiere der einheimischen Bevölkerung, die hervorragend sauber gehalten sind. Fast jedes der nach Buginesenmanier zierlich bemalten und mit reichem Giebelschmuck versehenen Häuser liegt gesondert in eigenem Fruchtgarten. In Palu, als einem bedeutenden Hafenort, haben sich bereits viele Chinesen angesiedelt, die wohlausgestattete Kaufläden unterhalten und ein eigenes Viertel am Hafen bewohnen.

[S. 577]

Ausgesandte Boten verständigten die Vorsteher der verschiedenen Bezirke, sich gegen Abend mit ev. verkäuflichen Objekten im Kontroleurhause einzufinden. Inzwischen unternahmen wir gleich nach Tisch einen einstündigen Ritt nach Biromáru, dessen Fürst uns in Sidóndo von einem dort erhältlichen goldenen Kris erzählt hatte. Wie es sich jetzt herausstellte, war es eine silber-vergoldete Waffe, für die ich die geforderten 250 fl. nicht ausgeben mochte. Unverrichteter Dinge kehrten wir zurück. — Desto besser verlief die Einkaufsaktion in Palu, wo ich von den mittlerweile erschienenen Kapalas ganz hervorragend seltene Objekte erwerben konnte, deren Aufzählung hier zu weit führen würde. — Meine Gepäckstücke waren bereits zum Boote gebracht worden, und um 10 Uhr begab ich mich nach herzlicher Verabschiedung von Herrn v. N., geleitet von einem mit Laterne versehenen Opas (= Polizisten), bei stockfinsterer Nacht und strömendem Regen zur gemieteten Prau, um die langweilige Fahrt bis Donggala womöglich zu verschlafen.

321. Bronzebüffel, in Palu als Kaufunterpfand benutzt.
(Nat. Größe.)

[S. 578]

Palu — Donggala, den 26. November.

Als ich beim Morgengrauen erwachte, erfuhr ich, daß widrige Winde unsere Abfahrt unmöglich gemacht hatten und wir noch immer im Hafen von Palu lagen, wo wir bis gegen 7 Uhr durch die Ebbe festgehalten wurden. Erst bei einsetzender Flut segelten wir dann bei schwacher Brise in die Bay hinaus, um ein paar Stunden später bei eingetretener Windstille auf demselben Punkte zu verharren. Den Tag unter heißer Sonne im Boote zu vertrauern, war nichts für mich. Kurz entschlossen, ließ ich mich an Land rudern und trat, nur von No begleitet, den Marsch nach Donggala an.

Am Fuße der sich hier ins Meer verlierenden westlichen Gebirgsausläufer ging es nun auf steiniger Straße rüstig vorwärts. Die Landschaft mit ihren dürren Felsengehängen erinnerte an die Gestade Süditaliens. Wir kamen an vielen kleinen Dörfern vorüber, alle von Palmen und Mangogärten umgeben. Die Mangobäume waren voll reifer Früchte, deren scharfer Duft auf größere Entfernung die Luft schwängerte. Überall fanden wir die Dorfbewohner mit der Einerntung beschäftigt. In Palmblattgeflechten wurden sie zu je 100 Stück zu Markte gebracht und weithin verschifft, — in Stücke zerschnitten und an der Sonne gedörrt, von den Eingeborenen für den eigenen Bedarf aufbewahrt. — Die Kokospalmen fand ich allerorts mit Eigentumsbezeichnung, eingeschlagenen oder aufgemalten Zeichen, versehen. — Vor den meisten Hütten wehten an langen Stangen weiße Zauberfähnchen zum Fernhalten von Krankheit, eine Reminiscenz an die jüngst vergangene Schreckenszeit, in der die Cholera hier fürchterlich gewütet hatte. —

Meine Erwartung, das zwischen Bergtälern versteckt liegende Städtchen Donggala auf der gleichnamigen Landspitze, die in der Luftlinie ganz nahe schien, in ein paar Stunden zu erreichen, erwies sich als irrig. Tief einschneidende Buchten, die umgangen werden mußten, verdoppelten die Entfernung. Nach langen 5 Stunden aber war auch der Endpunkt meiner Celebes-Wanderungen erreicht, und herrlich blaute[S. 579] mir der unendliche Ozean entgegen, der mich wenige Tage später auf seinem Rücken der fernen Heimat entgegentragen sollte.

Donggala ist ein kleines Städtchen mit eng zusammengedrängten Häusern und Gassen. Sehr heiß und ungesund, leidet es speziell unter erbärmlichen Trinkwasserverhältnissen. — Die stark gemischte Bevölkerung mit allen Untugenden der Küstenbewohner hat wenig Gewinnendes an sich. An geschäftlichem Einfluß fällt in Donggala den schon ihrer Religion wegen großes Ansehen genießenden Arabern der Löwenanteil zu. Erst in zweiter Linie kommen die Chinesen in Betracht. Die Wohnungen der Beamten, die Kasernen und der Pasangrahan liegen ringsum malerisch auf Hügeln.

322. Bucht von Donggala.

Donggala, den 27.–29. November.

Meine Prau traf erst am zweiten Tage nach ihrer Abfahrt von Palu, morgens gegen 9 Uhr ein, und ihr langes Ausbleiben hatte mich schon recht besorgt gemacht. — Es waren aufregende und arbeitsreiche Tage, die ich bis zum Eintreffen des fälligen Postdampfers in Donggala verbrachte; die mir keine Zeit ließen, der näheren Umgebung dieses Küstenplatzes meine Aufmerksamkeit zu schenken.

[S. 580]

Am 29. vormittags dampfte die »G. G. Daendels« in die Bay. Alle meine Kisten, über 50 an der Zahl, wurden zum Schiffe hinübergebracht. Zum letztenmal vernahm ich von meinen sich verabschiedenden treuen Begleitern Ramang und No deren »salamat!« (Heil)!

Dankbaren Gemütes schied ich von der wunderschönen Insel, von der ich eine so reiche Fülle unvergeßlicher, herrlicher Eindrücke und Erinnerungen mit nach Hause nehmen konnte, und aus vollem Herzen rufe auch ich dem hinter unserem Schiffe verschwindenden Celebes zu: Salamat, salamat!

Der Dampfer auf der Rückfahrt; in den Wellen steht das Wort "Salamat"

[S. 581]

V. Teil. Anhang:
Kurzes Wortverzeichnis von Eingeborenen-Benennungen.

[S. 582]

Deutsch
Luwu
Tobela
Toradja
Tolampu
Tonapu
Tobada
Tokulawi
Zauberer, Medizinmann
 
sando
palólo
       
Geisterverjagung
     
moráke
     
Fest zur Beschwörung der
Reisgeister
   
mabúa
       
Krankheitsstellvertreter
     
dolokénde
   
potau-saki
Totenpuppe (Idol)
   
tau-tau
       
Totenpuppenhalskette
   
tóra-tóra
       
Totenmaske
     
pemía
     
Sarg
   
rapásan
       
Leichenbahre
   
sarígan
       
Bahrtuch
   
gaséda
       
Geisterhaus (Beratungs-)
     
lobo
lobo
dusunga;
lobo
lobo
Ceremonialschemel
       
todánga
dodonkilo
 
Rotang-Fesselungsreifen
     
takóle
takólo
   
Amulett gegen
Kriegsgefahr
     
adjima
     
Donnerstein, als
Amulett gebraucht
     
n’gisi-berése
     
Schlangen (= Fischkopf)
Amulett
         
wohába
wohába
Braut-Amulett
           
deidjándja
Stein, seltsam geformt,
als Amulett
   
batu-tédong
       
Amulett und
Amuletthalskette
kawari;
deigandja
 
kaju-sála
(Holz, welches
schlechte Dinge
vertreibt)
gónga
   
deidjándja
Guitarre
ketjapi
geng-gä
 
túnde
     
[S. 583]
Laute
 
gésso-gésso;
sosánru
 
gésso-gésso
     
Nasenflöte
 
silóli
         
Mundflöte (klein
für Tasche
 
basing-basing
tuláli
       
Mundflöte (größer)
   
súling
sangóna;
tujáli
     
Doppelflöte
 
bulála
         
Trommel
gendang
   
kratu = (♀♀
Trommel)
     
Bambusklapper
     
rerre
     
Maultrommel
 
n’gói
kónka
dengói
     
Kriegs-
Hüftenglocke
 
dio-dio
 
dio-dio;
bangkúla
timbónga
timbónga
 
Schelle
(Beinglöckchen)
 
tiwólu
   
timbónga
tiwólu
 
Rotang-Fußball
rága
           
Kreisel
gásing
húle
   
gáhi
   
Spielkarten
   
búdjang-omé
       
Tragkorb für
Kampfhähne
lewáu
ogóta; ugóta
 
kawáu
     
Sporen für
Kampfhähne
   
dádi
       
Behälter für
Kampfsporen
   
angina-dádi
       
Hahnenschlinge, zum
Einfangen wilder Hähne
 
mantára;
bantára
 
bandára
     
Weib, Frau
     
wintu
towawine
   
Haupt
   
úlang
       
Haar
       
welúa
   
Trauerkapuze,
Witwenhaube
   
pásen
   
kakawánua
 
Ceremonialhut
(Holz, bemalt)
   
úru
       
dto. zur Sawa-Weihe
           
tónu-tónu
[S. 584]
Vogelhut
     
sónko-
palándu
sónko-ibo
(Affenfell-
mütze)
sónko-
palándu
 
Rotanghut (Mütze)
sónko
úlu-úlu
 
sónko-la͞uro
ongkóta
sónko-úwe
 
Männerhut
 
úlu-úlu
saróng;
sarong-súsuk
(Sonnenhut)
sónko
 
sónko bóiwa
(Kürbishut)
sónko
Frauenhut
 
bengói: sáu;
ulámi
sarong;
   
tóro
 
Kriegshut (Helm)
 
úlu-úlu
kuláru;
tánduk-tánduk
suléleng;
tantuk-kálang
tándu-tándu
     
Helmschmuck
(Kokarde)
 
bálo-bálo
         
Haar-Federputz
         
hiará
palándu
Fuja-Klopfgarnitur
         
peháha
 
  „  -Holzklopfer
         
bebóba
 
  „  -Steinklopfer
         
ugē
 
  „  -Zuschneidebrett
     
dopi-pontói
     
  „  -Rindenbast (roh)
         
núnu
 
Fujastoff, ungefärbt
 
wúnta
 
inódo
hámpi
 
núnu
Hemd
kamédia
           
Fuja- oder Stoff-
Frauen- (Kinder-)
Jacke
 
lámbu-
lambowúnta
 
lémba
kaléwa
keiwa; góle-
wa; toropáti;
gore-wa-to-
náhiba
halíli
Männder-Jacke
(Fuja, Stoff)
   
baróti (aus
Ramisfasern)
     
halíli
Schultertuch ♂
   
ókan
       
[S. 585]
Busentuch
mudawára
           
Hüftentuch (♂♂)
   
lámbung
       
Lendentuch (Rock,
Sarong)
bujani-bunga
   
ba͞uba;
bauba-inódo
 
kokúmba
 
Fuja-Frauen
(Kinder-) Rock
     
dópi
wini
golíu; wini
 
Männer-Hose
borúka-ála
tjelana
   
tjelana
tjelana
 
Gürtel ♂
 
bóbo; bontína
   
bóngko
bombóu
 
Gürtelschnur
 
babóru
       
pankúru
Männer-Sitzschürzen,
aus Fell oder Geflecht
 
tundáa,
mambúri
 
āpe
palépe
bolápi;
paápe;
pahapéi
parape
Duftkissen (Fauxcul) ♀♀
     
siga
húba
kundái
 
Harzfarbe zum Gesicht
bemalen
     
nómpi
     
Glättewachs zum Lippen
einreiben
pánti
       
táru
 
Haupttuch ♂
siga-sábe
tundáa;
mambúri
   
síga
siga-
toropáti
héga
Männer-Kopfseil
   
tali-úlang
       
Penispflock
   
taléde
       
Fuja-Kopfschärpe ♂
         
taliábo
 
Fuja-Stirnband ♀♀
 
bo-úlu
 
pesése;
talimódo
 
sónko
 
Perlen-Stirnband ♀♀
       
tali-lawólo
taliéno
taliéno
Bast-Kopfreifen (Ringe)
     
tamantschápa;
talibóntu
táli
táli; tari;
tatáli; pohéa;
todánka
tali
[S. 586]
geflochtene Kopfreifen
(Ringe)
     
talibóntu-tiu;
talibóntu-
wintu
     
Bast-Ohrerweiterer
       
dali-nahé
   
Ohrpflöcke
 
tóle-tóle
 
djáli
dali
tamboli;
tiwolu
 
Ohrgehänge
katinting
tóle-tóle; gálo
         
Halskette aus
Fruchtsamen ♂
gólo; mani-
mani
woánta-i
   
tandóko;
takuréwu;
tióbo;
dewúlu
awólo;
salópe;
tambínkolo
 
Halskette aus Perlen
mani-mani
énu-énu
gólo
 
éno
hokó
 
  „   Haar
       
welúa
welúa
 
  „   Münzen
   
tódo-ówang
gáete
pahámpa
   
Vogelschnabel-
Brustgehänge
     
teka-teka
téteka
saranái
 
Brustschmuck
     
gónga
pahámpa
   
Brustgehänge aus
Rotangringen
     
paka-
m’balesu
     
Brustgehänge aus
Muscheln
   
karáran
kára
 
láda
 
Schamdeckel (Zierat)
rásu
gémba; wúnta
 
dámpo
 
tjako (=
Schamtuch)
 
Armgelenkspange
aus Büffelsehne
         
lóku
lóku
Armreif (Spange) ♂
 
binehúle;
bála-bâla;
mála-mála
binángsi;
wonúa (=
geflochten)
póto-wólang;
póto-kálang;
póto-kómbang
jokulili
(Muschel);
tóga (Mes-
sing); uméntu
(geflochten)
kála (Bast)
porohú
(= Muschel)
 
Perlenarmband
       
búku
kára
 
[S. 587]
Fingerring
 
tjntjn
sisin (Mes-
ing); sisin-
kára (Bein,
Muschel)
 
sisikale
hangógoli;
hinkoli;
koéla
hénki
Kniespange
(-Reif, -Band)
       
lángke
   
Fußspange (Ring)
 
lángke
 
lánke
     
geflochtener Rückenschutz
gegen Sonnenbrand
   
babu-túju
       
Geflochtene Regenmatte
 
bórru;
boru-tóle
 
bóru
     
Rucksack
 
kalámbi
gorái
         
Paßbehälter
búlo-súrat
 
suké-súrat
       
Gehstock
       
lái
tóko
lúa
Steckkamm
 
otáka
saráka
       
Staubkamm
 
gangkáli;
dáka; bohéu
 
sára
     
Bartzange
         
pehahúmpi
 
Webstuhl
tanún
           
Webspindel (Spule)
papelúran
           
Spulenbehälter
tóra
           
Bürste zum Anfeuchten
des Webfadens
saráka
           
Horn, als Wasserbehälter
zum Anfeuchten des
Webfadens
pakaméan
           
Schemel zum Auflegen
des Tuches beim
Spulenwechsel
pongsóran
           
[S. 588]
Nadelbüchse
       
pahálo
paháro-dáro
 
Klammer zum Stoffhalten
beim Nähen
 
kási-kási
         
Modell zum Aufnähen
von Zieraten
 
tansúke
         
Reishaus (Speicher)
   
bolána-paré
       
Wohnhaus (Hütte)
   
bolána
       
Giebelzierat, (Ananas-
zapfen, Holz, bemalt)
lolówe
           
Treppenstütze
       
túha
   
Vogelfigur (Schnitzerei)
als Hauszierat
   
tambólang
       
Reiterfigur (Schnitzerei)
als Hauszierat
   
daráng
       
Hüttenschemel (Sitzbank)
         
ehónga
 
Fuja-Abteilungswand
         
pahúa
 
Bodenmatte
 
umpéo
 
ápe
     
Hüttenhaken (für Kleider,
Geräte usw.)
 
bóngkeia
 
pontjaráu
pohóda;
hodánga
hodánga
hodána
Kinderwiege
 
sói
 
úmbu
     
Kehrbesen
 
bombáisi
         
Schaufel (aus Büffel-
rippe)
           
pokéke-
wúku
Dammarfackel
 
ohúlu
         
Funzellampe (Leuchter)
palíta
           
Messingleuchter
poindo-
karantiga
           
Eisen zum Feuer schlagen
 
botingku
         
[S. 589]
Feuerzeugdose (Behälter)
 
bádu-bádu
tetekán
watúndela
     
Frauen -Tabakspfeife
           
pamudúka
Schneidebrett (für Tabak)
 
dōpi
 
dōpi
     
Vorratsköcher (Behälter)
für Tabak
     
todújo
   
barónga
Tabaksbeutel
purúkang;
sépu
           
Tabaksdose
salápa
bossólo;
duda-duda
angina-
sambako;
súke
duli-duli;
kapipi
galéndo
pasa-pasa;
toduli;
balónga
 
Sirihservice
panganan-
onrongóta
bomama;
ranta
         
Sirihkorb
 
rumba-rumba;
suéha
         
Sirihteller
 
ránta
         
Sirihtasche
 
bomamáa;
gadung
 
watútu
embe-hámpi;
hépu
kapipi; sépu;
hepu
watútu
Sirihdose
salápa
kuriri
 
tonka-tonka
tonka-tonka
pasa-pasa
 
Sirihstampfer (Mörser)
     
botjóndjo
pomba͞ua
pomba͞ua;
pointoa
pomáu
Kalkdose
tatángan;
súke
duila; bonapa;
g’napi
súke-tentan-
gan; kalùku;
súke-kapu;
nina-kapu;
tabo-karo
teúla; táku
tatága;
pása-pása
tuwila; to-
dáda; táku
táku-dabo
Arekadose
 
bangi-bangi;
talambina
         
Arekazange
galakati
       
peleté
 
[S. 590]
Etuis für Arekazange
         
bangula (p)
 
Gambirdose
 
bangi-bangi;
bonáa
súke-gatta
pile lontára;
duli-duli
galéndo
galéndo;
toduli
 
Medizinbüchse
 
tándu
         
Palmweinköcher
   
súke-túwak;
súke-bálok
 
dápo
   
Kafégefäß
   
kalúku;
tabo-káro
       
Aufbewahrungsgefäß für
Sagopalmscheide
     
kamóko
     
Speisedeckel zum
Bedecken der fertigen
Speisen
 
pontudúwi
         
Reisschüttelkorb
(-Siebkorb)
   
pínka (b)
       
Reisstampfer (Kolben)
hālu
ālu
         
Reisaufbewahrungskorb
(Behälter)
 
bāghi; sáu
 
bínka
bínka
bāghi; lawu
 
Reisschüssel
 
gúmba
         
Austeilungsgefäß für
gekochten Reis (nasy)
   
sukáran
       
Porzellanschüssel
(chines.)
suraya
         
suraya
Porzellanschale
(chines.) für Pfeffer
péne-péne
           
Porzellantopf
(chines.) für Salböl
góri-góri
gussy (Urne)
         
Standteller (Eßbehälter
mit Fuß)
 
sémpe;
(geflochten)
garo-kaju
       
Teller (Holz oder
Geflecht)
 
lámpa; lampu;
táru-táru
gandían-bóbo;
báku
       
[S. 591]
Untersatz für Teller
 
pontudúwi
         
Eßkörbchen
 
táru; gúmba;
lombibi;
bínga
binka
       
Töpfermodel (Holz)
 
bompipi
         
  „  klöppel
 
boóngku
         
Wasserflasche (Behälter)
 
boinua (p);
gússy; táku
tabo-karuk
       
Untersatz für
Wasserflasche
 
pentoroáno
         
Trinkgefäß
 
timóka
báduk, dólong;
kalúku
       
Flaschenkorb
     
okóta
 
bangísa;
láwu
 
Topfuntersatz
 
ránta
 
okóta
     
Schöpflöffel, Kochlöffel
(Spatel)
 
holue; bekola
petímba
bekola
     
Eßlöffel
 
siru
siúk
isúju; súju
hói
sendú; hói
 
Gemüsegabel
 
sánga
         
Mörser für Salz,
Pfeffer etc.
 
bánga;
ponrúdu
patútukan
       
Sieb für Maismehl
     
búria
     
Topfzange (Klammer)
 
boówe
         
Feuerzange
 
sipi
 
isupi
     
Hüttenkorb (groß)
 
gangkála
baku
bungé;
karángi
     
Tragkorb (Rückentrage)
 
báki
nāhse
báso
 
róta
 
Hängekörbchen als
Geschirrhalter
 
tanobáki
 
karandji
     
[S. 592]
Korb (klein)
 
táru; ranta;
binga; sáu
rákit
bínka;
karandji
kabóba
bangísa
 
Rindenschachtel (Dose)
 
balélo
         
Dose (Rotang, Holz)
báku-báku
gonremála;
bodō;báda-
báda
suke-kaju
(Holz)
kapipi
galéndo;
pahálo
toduli;
pohálo
 
Basttasche
 
bāke; hiu
sapadási;
kadókon
 
embe
   
Vorfechter-Kopfschmuck
     
sangóri;
sangóra
 
sangóri
pararúnki
Lanze
toko
talómbo
bandángang
   
banrángang;
tawóra
tawára
Lanzenblatt
 
gasái
         
Lanzenschaft
 
tangkéno
         
Hirschlanze
toko-dádo
           
Wurfspeer
     
tawála; kajái
     
Fischspeer
 
sarámpa
 
sarómpo
     
Blasrohr
 
súmpi
bulían
     
sópu
Pfeilköcher
   
basálolo
     
bakúa
Schild
 
gánta
balúlang-súra
(Lederschild);
balúlang-
garéi (Leder-
schild mit
Muschel-
besatz); balú-
lang-kaju
(Holzschild)
kánta
 
úta; lába
 
[S. 593]
Giftspatel
   
basálo-ipo
       
Panzerjacke (-Kriegs)
   
babu-balú-
lang (Leder
mit Anoafell);
babu-kára
(Leder mit
Muschel-
besatz)
       
Keule (Waffe)
   
darasúlu
       
Schwert
pináin
báde; ponái
lábo
penái
 
pihó; pantoli
 
Schwertgriff
     
taóno; ténga
     
Schwertgriff
   
bimbin-lábo
       
Buschmesser
 
tangkeoú;
súmpa
lábo
lábu; daúno
piso-ahé
kombéra;
ahé
 
Messer (klein)
pisau
piso
piso
tibo
ahé-towa-
wine (Frauen-
messer); pa-
sángi (Areka-
messer)
búlu
 
Steinschleuder
         
pisóe
 
Reiserntemesser
rakápan
sówi
rankápan
       
Jätemesser
     
sarénko
     
Stichel
       
pasúba
   
Angelgarnitur
 
salúe
         
Angelhaken
 
matáno
 
péka
     
Angelschnur
 
koléro
         
Schwimmholz
 
bolontói
         
Fischreuse
   
patima-
masápi
 
haláka
   
[S. 594]
Fischreuse für
Handgebrauch
   
sálanka;
bunde-góssan
       
Fischgift (pflanzlich)
akar-mang-
gul
           
Frucht der Arenga
(-Zuckerpalme)
       
kónta
   
Pandanus (Material für
Ohrerweiterer)
       
náhe
   
Pflanze (eßbar, weiß,
pilzartig)
 
ónro
         
Rotang
     
lauro
     
Kokosnuß
kalúku, klapa
           
Reis
   
paré
   
úwe
 
Kürbis
         
boíwa
 
Koralle
       
lawólo
   
Nashornkäfer
     
bógo
     
Sporenkuckuck
     
téka-téka
     
Taube
   
búku
       
Hahn
   
lóndong
       
Krokodil
   
buája
       
Affe
       
ibo
   
Anoa (Hirschbüffel)
         
túnka
 
Büffel
kerbau
 
tédong
       
Eisen
       
ahé
   
Gold
       
buláwa
buláwa
buláwa
Goldwaschschüssel
         
pangimbua
dura-pan-
gemóa
Goldgewichte (Frucht-
samen
       
lómbe
lómbe
 
[S. 595]
Reitsattel
       
óko
   
Packsattel
patéke
 
patéke
       
Pferdetrense
       
háma
   
Lasso für Büffel
úlang-rári
   
brádjo
     
Scheuche für Schweine
   
átung-átung
       
Scheuche für Vögel
   
górong-
górong
       
Ruder
 
pósse (b)
         
Ruderblatt
 
daélu
         
weiß
búla
           
dunkelblau
     
tómba
     
hellbraun
     
n’gá
     
gestickt
     
n’tapedóndu
     
Priester-Ärztin
wálias, pl
bálias
   
dádu
     
Priesteressen I. Grades
rátu
           
 „ II. „
djndja
           
 „   III. „
tambilángi
           
 „  Federkopfputz
wungang-
golói
           
Priesteressen-Mütze
talim-búso
   
bebántja-
dómpu
     
 „   Halsbinde
alúa
           
 „   Jacke
badju-
sindjúlo
           
 „   Rock
sarong-
m’bésa
           
 „   Ceremonial-
messer
katándo
           

[S. 596]

Verzeichnis der Abbildungen.

a) Bildtafeln.
Tafel
I
Eingeborenen-Regatta in Malili
bei Seite
II
Tambe-É-Frau
III
Tobela-Zauberer in Ausübung ihrer Funktion im Dorfe Karongsie
IV
Tolambatu Gebeinstätten im Raúta-Gebirge
V
Siegessäulen der Tolambatue
VI
Die Königin von Luwu mit ihrem Hofstaat
VII
Toradjafestung Néneng
VIII
Meine Expedition in Awang in den Toradja-Landen
IX
Totenfeier im Dorfe Tóndong
X
Toradja-Gruften im Gebirge bei Rantepáo
XI
Rotang-Hängebrücke bei Rante-Manuk
XII
Im Mooswalde des Takalekádjo
XIII
Napu-Sklavin in Festtracht
XIV
Mädchen aus Besoa
XV
Monolith im Dorfe Bomba
XVI
Kulawier aus Saluboku
b) Textbilder.
Seite
Abb.
1.
Mein Boy Rámang
2.
Küste bei Bonthain
3.
Radja-Haus in Saleyer
4.
Zu Markte gehende Toradja
5.
Pier von Paloppo
6.
Marktplatz in Paloppo
7.
Waringinbaum
8.
Malili
9.
Station Malili
10.
Am Malili-Fluß
11.
Boni-Tanzmädchen
12.
Radja-Gruppe aus Malili
13.
Luwuresischer Tabaksbeutel
14.
Frauen aus Ussu bei der Reisernte
15.
Häuser in Ussu
16.
Unterkunftshütten in Kawáta
17.
Tal von Laro-Eha
18.
Öllämpchen aus Laro-Eha
19.
Tragkorb aus Laro-Eha
20.
Im Dorfe Tambe-É
21.
Tambe-É-Frauen
22.
Tambe-É-Männer
23.
Blick auf den Matanna-See
24.
Panorama des Matanna-Sees von Westen aus
25.
Fremdenhütten im Dorfe Matanna
26.
Alter holländ. Messinghelm aus dem 17. Jahrh. von den Tobela als Kriegshut benutzt
27.
Pfahldorf Matanna
28.
Matanna-Pfahlhäuser
29.
Sulewátang „Daëng Murówa“ (links) Sulewátang „Daëng Mabela“ (rechts)
30.
Tobela-Schilde
31.
Frauen aus Matanna
32.
Tobela-Knabe mit Brüderchen
33.
Tobelas aus dem Dorfe Matanna
34.
„tándu-tándu“, Tobela-Kriegshüte aus Matanna
35.
Rucksäcke der Matanna-Tobela
[S. 597]
36.
Töpferinnen aus Matanna
37.
Reisstampfende Tobela-Frauen
38.
Prau am Matanna-See
39.
Ankunft in Sokóyo
40.
Tambe-É-Männer aus Toréa
41.
Häuser in Toréa
42.
Tambe-É-Frauen aus Toréa
43.
Tambe-É-Leute aus Toréa
44.
Kinderwiege aus Toréa
45.
Ankunft meiner Toréa-Träger in Noëha
46.
Pfahlhütten und Brückenübergang in Sorowáko
47.
Sálima, Häuptling von Sorowáko
48.
Haus der Mákole in Sorowáko
49.
Vorratsspeicher in Sorowáko
50.
Tobela-Familie aus Sorowáko
51.
Festhut der Tobela-Frauen
52.
Kochgeräte der Matanna-Tobela
53.
Matanna-Messer
54.
Matanna-Kämme
55.
Holzgeschnitzte Kette, als Stoffklammer beim Nähen
56.
Sorowáko am Matanna-See
57.
Tobela-Haus in Sorowáko
58.
Land-Pfahlhütten aus Sorowáko
59.
Matanna-Ruder
60.
Tobela-Fingerringe und Ohrschmucke
61.
Tobela-Jugend aus Sorowáko
62.
Tobela-Sprößling
63.
Lastenträger aus Sorowáko
64.
Tobela-Reismörser
65.
Töpferei-Werkzeug und Geschirre vom Matanna-See
66.
„gésso-gésso“, Musikinstrument vom Matanna-See
67.
Bronze-Armspangen vom Matanna-See
68.
Tal von Karongsie
69.
Tobela-Dorf Karongsie
70.
Tobela-Zauberer
71.
Tobela-Knaben aus Karongsie
72.
Frauen aus Karongsie
73.
Junges Ehepaar aus Karongsie
74.
Toradja-Dammarsucher vom Towuti-See
75.
Kampong Sinóngko
76.
Dörfchen Sése mit Fremdenhaus im Vordergrund
77.
Meine Trägerkolonne
78.
Kampong Tabaráno
79.
Rückentrage aus Tabaráno
80.
Trommel aus Leóka
81.
Tobela-Träger aus Leóka
82.
Ohrgehänge aus Wawóndula
83.
Timámpu am Towuti-See
84.
Tolambátu-Gemeinde aus Tokolimbu am Towuti-See
85.
Langódi, Tolambátu-Häuptling aus Tokolimbu
86.
Reisstampfer und Reismaß aus Tokolimbu
87.
Urwald auf dem Oawonlingkau
88.
Das verlassene Dorf Raúta
89.
Totenkammer im alten Häuptlingshaus in Raúta
90.
Wiwiráno-Tal
91.
Kapitan útan und der Häuptling von Wiwiráno
[S. 598]
92.
Tolambátu aus Wiwiráno
93.
Tolambátu-Knabe mit Knieschmuck
94.
Pfefferstampfer
95.
Tabak-Schneidebrett
96.
Tolambátu: Kriegshut, Schwerter und Schilde
97.
Tolambátu-Haus im Wiwiráno-Tal
98.
Fischspeere
99.
Übergang über den Wuáki-Fluß
100.
Mein Feldlager in Raúta (Blitzlichtaufnahme)
101.
Towuti-Altseeboden bei Tokolimbu
102.
Laronang
103.
Dammarlager in Laronang
104.
Dammarfackel
105.
Dammarplatz „Katibu-sánga“
106.
Kampong Pongkeru
107.
Aus Dammar geschnitzte Vogelfigur als Fensterschmuck
108.
Ansichten aus Paloppo
109.
Palmweinköcher
110.
Nibung-Palmen im Balúbu-Waldgebirge
111.
Toradja-Gruppe
112.
Toradja: Kopfringe, Tabaksbeutel und Kalkdosen
113.
Salulimbung-Tal
114.
Toradja-Brücke bei Salulimbung
115.
Toradja-Frauen
116.
Sawas im Gebirge von Kambútu
117.
Tal von Simbuang-Mapak
118.
Toradja-Felsengräber
119.
Den Wegegeistern errichtete Opferstelle bei Senála
120.
Toradja-Feste Tondong-Sueia
121.
Toradja-Dorf Pasang
122.
Regierungsstation Makale
123.
Puang Tarongkong, Fürst von Makale
124.
Felsengruften in Dandelólo
125.
Reisfeld-Fetisch
126.
Felsengräber am Sádang-Fluß
127.
Totenwachenhaus der Felsengräber am Sádang-Fluß (oben), mit dazu gehörigen Puppen (vergrößert, unten)
128.
Brücke über den Taparang-Fluß
129.
Toradja-Schilde
130.
Toradja-Eßlöffel
131.
Lédo-Gebirge
132.
Landschaft Bituáng
133.
Felsentunnel in Néneng
134.
Wohnhaus des Paríngin Ledong in Néneng
135.
Giebelfront des Häuptlingshauses in Néneng
136.
Reisspeicher des Paríngin Ledong in Néneng
137.
Toradja-Schädeltrophäe
138.
Toradja-Wirtschaftsgeräte
139.
Toradja-Panzerjacken
140.
Toradja-Frau aus Néneng
141.
Mabúgifest in Néneng
142.
Zuschauer beim Mabúgifest in Néneng
143.
Durch Erdrutsch zerstörtes Felsengrab bei Néneng
144.
Néneng mit der Schlucht des Salu Bela von Nordosten aus gesehen
145.
Brücke über den Salu Múa
146.
Meine Träger im Walde von Awang
147.
Toradjas aus Awang
148.
Blick auf das Bámba- und Mólutal
[S. 599]
149.
Weg durch die 320 m tiefe Barúbu-Schlucht
150.
Toradja-Weberin
151.
Totenpuppen-Halskette (tóra-tóra)
151a.
Lanze
152.
Toradja-Spielkarten
153.
Haus des Paríngin Tandebúa in Tóndong
154.
Reishütten des Paríngin Tandebúa in Tóndong
155.
Hölzerner Ceremonialhut aus Tóndong
156.
Geschnitzte Vogelfiguren als Hauszierat
157.
Toradja-Penispflock
158.
Palmwein-Gewinnung
159.
Opferplatz im Rantepáo-Tale
160.
Regierungsstation Rantepáo
161.
Toradja-Männer- und -Frauenhut
162.
Bambusbrücke bei Rantepáo
163.
Puang Marámba, Fürst von Rantepáo
164.
Toradja-Lanzen
165.
Toradjabrücke bei Rantepáo
166.
Fischen im Reissumpf
167.
Baubúntu-Tal
168.
Toradja aus dem Baubúntu-Tal
169.
Residenz der Königin von Luwu
170.
Reichsinsignien von Luwu
171.
Torongkong-Behausung am Makawa-Flusse, von Dämonenscheuchen flankiert
172.
Luwuresischer Eingeborenenpaß- und -Behälter
173.
Dämonenscheuche an der Weichbildgrenze des Dorfes Pampaniki
174.
Torongkong-Begrüßungsdeputation aus Buwángin
175.
Haus des Fürsten von Masamba
176.
Der Fürst von Masamba mit Familie
177.
Armreifen und Fingerringe der Fürstin von Masamba
178.
Reizen der Kampfhähne
179.
Kampfbereit
180.
To-Palili-Mann mit Ferkel am Schulterband
181.
Der „Hund des Sultans“ im Takálla-Gebirge
182.
Urwaldspracht auf dem Takálla-Gebirge
183.
Eingangspforte zum Dorfe Leboni
184.
Frauen und Mädchen aus Leboni
185.
Gemustert geflochtene Sitzschürzen
186.
Fremdenquartier in Leboni
187.
Geisterhaus in Leboni
188.
Fuja-Kopfschärpen
189.
Frau aus Leboni in Festtracht
190.
Der Häuptling führt den ersten Hieb
191.
Der massakrierte Opferbüffel
192.
Beim Festmahl im Geisterhaus
193.
Fuja-Haupttücher
194.
Schwertformen des Possogebietes
195.
Mann aus Leboni mit Vorfechter-Kopfschmuck
196.
Fuja-Geräte und Stoffe
197.
Fuja-Lendentücher
198.
Fuja-Frauenjacken
[S. 600]
199.
Inneres des Geisterhauses von Leboni
200.
Feierabend in Leboni
201.
Haus in Nondówa mit angebauter Plattform
202.
Kalk- und Sirihdosen aus Central-Celebes
203.
Frauen aus Dodólo
204.
Im Dorfe Tedeboi
205.
Frauen in Tedeboi beim Reisstampfen
206.
Häuptlingsfrauen aus Tedeboi mit Messing-Armschmuck
207.
Eingang zum Geisterhaus in Tedeboi
208.
(unbeschriftet) Lanze aus Tedeboi
209.
Frauen-Rückenkorb aus Rampi
210.
Rampi-Gebirge
211.
Tolampu-Knabe mit Regenmatte
212.
Kinderwiege aus Rato
213.
Dorf Rato mit Geisterhaus
214.
Fesselungsreifen als dokumentarisches Material
215.
Inneres des Lobo von Rato
216.
Dorf Mabúngka mit Lobo
217.
Hütteneingang in Mabúngka
218.
Frauentrommel
219.
Bemalte Fell-Sitzschürzen
220.
Rotang-Hängebrücke über den Salu-Manio
221.
Verankerung der Rotang-Hängebrücke über den Salu-Manio
222.
Biwakplatz im Takalekádjo-Gebirge
223.
Missionshaus in Pendólo
224.
Blick auf den Posso-See von Pendólo aus
225.
Tolampu-Mädchen aus Pendólo
226.
Tolampu-Mädchen mit Musikinstrument (rerre)
227.
Flechtarbeiten vom Possogebiet
228.
Meine Mabungka-Träger
229.
Tolampu-Knaben aus Pendólo
230.
Brustgehänge vom Possogebiet
231.
Zuschneidebretter für Fujastoffe
232.
Tolampu-Kriegshüte
233.
Tabaksbehälter
234.
Leute vom Possogebiet mit Deckel-Rückenkörben
235.
Totenmasken
236.
Ortschaft Pandiri
237.
Frauenmesser
238.
Zauber zur Verhütung von Krankheitseinschleppung im Dorfe Tagólu
239.
Wegezauber bei Tagólu
240.
Mein Dolmetsch No-Moningko
241.
Ameisenpflanze
242.
Haus des Oberhäuptlings in Watutau
243.
Dorfumwallung von Lampa
244.
Schreckfigur auf den Wallen von Lampa
245.
Gebeinhaus von Lampa
246.
Geister- und Beratungshaus in Lampa
247.
Reitsattel und Trense aus Napu
248.
Affenfellmützen aus Napu
249.
Halsketten aus Fruchtsamen
250.
Sirihtaschen aus Central-Celebes
251.
Sitzfell aus Napu
[S. 601]
252.
Sklavengrab und Herrengrab aus Lampa
253.
Loboschemel aus Lampa
254.
Der Monolith von Watutauu
255.
Arekascheren und Sirihmörser aus Napu (Mittelstück: eine Bambuspfeife aus Kulawi)
256.
Bronzeglöckchen als Kinder-Knieschmuck
257.
Besoa-Ohrschmucke mit Perlenzierat und Perlennackenschnüren
258.
Besoa-Ohrknöpfe mit Quastenbehang
259.
Besoa-Stirn- und Armbänder aus Perlen
260.
Steinschleudern aus Besoa
261.
Vogelhut aus Besoa
262.
Kampong Dóda
263.
Von der Feldarbeit heimkehrende Besoa-Frauen
264.
Besoa-Haarbänder und Halsketten
265.
Rückenkorb und Reiskorb aus Besoa
266.
Blick auf die Badaebene vom Besoagebirge aus
267.
Häuptlingspaar von Lelio
268.
Goldwage- und Behälter, Federposen, sowie Samenkerne als Gewichte
269.
Floßfahrt auf dem Tawaelia
270.
Frauen und Mädchen aus Bomba
271.
Frauen-Scheitelringe aus Central-Celebes
272.
Männerhalsketten mit Schlangenkopf-Amuletten
273.
Hüttenhaken aus Bada
274.
Kopfjäger-Hüftenglocke
275.
Lanzen aus Bada
276.
Buschmesser
277.
Idyll aus dem Dorfe Páda
278.
Dorfschönheit aus Páda
279.
Felsenornamente in Bulili
280.
Kampong Bulili mit „Zauber“ im Vordergrund
281.
Loboschemel aus Bulili
282.
Bronze-Amulett
283.
Kampong Gintu
284.
Lobotreppe in Gintu
285.
Kriegshut aus Gintu
286.
Tobada-Grab bei Támbi
287.
Kopfbedeckungen aus Central-Celebes
288.
Gehstöcke aus Bada
289.
Das Padalólo-Plateau (im Vordergrund Krankheits-Fetisch)
290.
Dämonenscheuchen
291.
Tobada-Frau in Witwentracht
292.
Rotang-Hängebrücke über den Korofluß
293.
Korotal mit Boku-Gebirge
294.
Das Gebirgsdorf Saluboku
295.
Leute aus Saluboku
296.
Goldwaschschüsseln
297.
Flußbett des Koro
298.
Der Lobo von Gimpu
299.
Häuptling von Gimpu
300.
Frauenjacken aus Kulawi
301.
Kulawier vom Mewetal
302.
Sitzfell aus Kulawi
303.
Ceremonialhut aus Kulawi
304.
Lemo in Kulawi
305.
Kulawi-Frauenpfeife
306.
Kulawierin in Festtracht
307.
Bestickte Kulawi-Männerhosen
308.
Bronze — Braut-Amulett
309.
Kulawi — Haustür mit Büffelkopf Skulptur
310.
Kulawi — Haustür mit Sangori-Ornamentik
[S. 602]
311.
Krankheitsscheuche bei Buro am Lindu-See
312.
Der Lindu-See
313.
Blockhaus in Antja am Lindu-See
314.
Wegpartie im Saluang-Fluß
315.
Sakédi in der Palu-Ebene
316.
Weißumflorte Schirme und Bahre vor einem Trauerhaus in Sakédi
317.
Fächerpalmen-Landschaft bei Sibaleia
318.
Kajeli-Priester-Ärztin im Ornat
319.
Bálias-Attribute
320.
Donggala-Frauen beim Wasserholen
321.
Bronzebüffel, in Palu als Kaufunterpfand benutzt
322.
Bucht von Donggala
c) Karten.
am Schlusse
des Buches

[S. 603]

Register.


Druck der Spamerschen Buchdruckerei in Leipzig.   5297

Karte des Loewoe-Reichs im   Maßstab 1 : 1000000
Karte des Reiches Loewoe; westlicher Teil
Karte des Reiches Loewoe; östlicher Teil
Karte von Zentral-Celebes,   eingezeichnet sind die im Buch beschriebenen Reiserouten
Karte von Zentral-Celebes; nördlicher Teil
Karte von Zentral-Celebes; südlicher Teil